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Google Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|'http: //books .google.comldurchsuchen. Entwidlungsgefhichte der Schre von der Perſon Ehriki. Zweiter Theil Dez Entwillungsgefchihte J der Lehre von der Perſon Chriſti son den älteſten Zeiten . bis auf die neuefte dargeſtellt EL Dr. Ir Ao Dorner. - Zweite, ſtark vermehrte Auflage in zwei heilen. Zweiter Theil. Bie Schre von der Yerfon Chriſti vom Ende des vierten Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Berlin. Berlag von Guſtav Shlawigp. 1853. Gedruckt bei 8. Br. Hering & Somy. in Giuttgart. al Sep .a ıL.EireTv, Entwidlungsgefhichte der Lehre von der Perſon Chriſti | Ende des vierten Jahrhunderts bis anf die Gegenwart von Dr. 3 3. Dorner, Berlin. Berlag von Bufav Shlamip. 1853. Yorwort. Mach einer Ieiver nur zu langen Unterbrechung erfcheint hiemit des zweiten Theiles erſte Hälfte, welche die Geſchichte der Lehre von ver Berfon Chriſti v. I. 381 bis zur Reformation fortführt, alfo einen Zeitraum von mehr als taufend Jahren umfaßt. Der Schluß des Buches fol, fo Bott will, binnen Jahresfrift in den Händen der Lefer - fein. Haben ſich mir gleich auch bei Diefem Theil der Gefchichte die Grundgedanken meiner früheren Auffafjung bei fortgefeßter Forſchung betätigt, fo ift doch im Einzelnen fo Vieles verbefiert und ergänzt, daß das Werk ein neues if. Die Methode anlangend,, fo fuchte ich auch bier Die Shriftologie der einzelnen Hauptlehrer im Zufammenhange ihres ganzen Denkſyſtems zu präcid gefchichtlicher Anfchauung zu bringen, die chriftologifchen Richtungen aber fich auß dem Ganzen der dogmen⸗ gefchichtlichen Bewegung fo hervorheben zu laſſen, daß deutlich wuͤrde, tie jede Zeit in ihrer Chriſtologie fich fpiegele und umgefehrt, damit der chriſtologiſche Theil der Dogmengefchichte und das Ganze ſich gegen- feitig echellen. Unter ven manchen Arbeitern auf dieſem Gebiete, denen ich zu Dank verpflichtet bin, muß ich in befondern Ehren des audgezeichneten Forfcherd Heinr. Ritters und feiner Gefchichte der chriftlichen Phi- lofophie gevenfen, eines Werkes, das fich auch um die Theologie weſent⸗ liche Verdienſte erworben hat. Obwohl es nach feinem Plan die Chri⸗ ſtologie unmittelbar nicht behandelt, fo tft doch beſonders feine Dar⸗ ſtellung der natürlichen Theologie der Scholaftik für mich fruchtbar und anregend geweſen. Auf faſt allen oͤkumeniſchen Woneilien bis ans Ende des ſiebenten Jahrhunderts ſteht die Chriſtologie im Vordergrund. Die Geſtalt, die 376473 vIu Borwort. fie damals annahm, iſt bis zur Reformation die herrfchende geweſen. Die Geneſis diefer Geftalt (Der die Chriſtologie der vier erften Jahrhun⸗ derte theilweiſe überlegen ift) ihre vollftändige Durchführung und Selbſt⸗ entfaltung, ſowie die Selbſtkritik die in ihrer Geſchichte bis zum ſech⸗ zehnten Jahrhundert ligt, bildet ven Inhalt Diefer Abtheilung. Wenn dem reformatorifchen Fortfchritte, welcher den Dualismuß der Na⸗ turen in Chriftus beftreitet und der durch den Unterſchied vermittelten Ein heit der wirklich gottmenfchlichen Perfon ſich kräftig zumendet, die Jefuiten fich fofort entgegengefegt haben, fo bekundeten fie Damit ein von ihrem Standpunkt aus richtiges Vorgefühl großer Gefahren für ihre gefammte Weltanfchauung. Nicht minder aber beweifen auch die jegt in der römifchen Kirche neu entbrannten chriftologtfchen Kämpfe, daß eine Theologie welche Die Gottesthat der Reformation umgeht, wenn fie nicht eine fehlafende fein will, nur hinter der Reformation ftehen bleiben Tann und fich in die mittelalterlichen Gegenfäge nach jenem Be⸗ fhwichtigungäverfuche wieder auflöfen muß. Daß auch die alte Tuthertfche Chriftologte noch nicht vollkommen iſt und einer verbeffernden Fortbildung bedarf, läugnet Fein Urtheils- fähiger. Uber auch die Ueberzeugung wird Immer mehr Die Arbeiter auf biefem Gebiete leiten müſſen, daß durch Palliative und Stüßen von aufjen her nichts Lebenskräftiges, der chriftlichen Kirche Würdiges geichafft wird, fondern daß es darauf ankömmt, ven Bildungstrich der Reformation, der ſich im fechzehnten Jahrhundert nur mit dem Fleineren Theil feiner Kraft der Behandlung ver Chriſtologie zus wandte, mit feiner nicht raſtenden fchöpferifchen Kraft auf unfer Dogma einwirken zu laffen. Der Mittelpunkt um den Die Kämpfe ver Gegenwart ſich bewegen, tft wieder Er ſelbſt, ver in der ewigen Glorie des Sieges über ihnen ſteht, aber auch, feiner evangelifchen Kirche ftets nahe mit feinem Geifte, ihr gelingen laffen wird, was er ihr auftrug: feine gottmenfchliche Perfönlichkeit in verfüngter Kraft, Reinheit und Klarheit dem Geift und Gemüthe der Ehriftenheit nahe zu bringen. Göttingen, den 29. September 1853. Dr. Borner. Die zweite Periode son 381 bis um 1800 ſchreitet zwar rüftig zu ber Arbeit, bie beiden Seiten ber Perſon Chriſti, welche bie bisherige firchliche Entwicklung möglichſt voll: fländig geſetzt hatte, nun auch in eine lebendige Einheit zufammen zu fchauen. Aber das konnte offenbar nur unvollfommen gelingen, jo Tange das Wefen der göttlichen und ber menfchlichen Natur in ihrem Verhältniß zu einander nicht beftimmt oder gar unrichtig gedacht war; fo dag mithin als bie nächfte Aufgabe auch für bie Chriftologie die Erfenntmiß des Weſens Gottes und bes Men- ſchen zu bezeichnen ift, zu der auch wirklich die Kirche in unferer Periode hingedrängt wurbe. Bom Ziele aus angefehen fteht alfo das chriſtologiſche Dogma af eine Zeit lang nicht mehr in erfter, fondern zweiter Reihe; fein Fortſchritt ift abhängig von andern Dogmen, auf welche zwar der bisherige geficherte Ertrag der Chriftologie nie aufhört be fruchtend einzuwirfen, welche aber vor Allem felbft zu beftimmterer Geſtalt gediehen fein müffen, bevor fie im Stande finb, erwiebernd deren ortfihritte zu dienen. Damit ift zugleich gejagt, daß die kirchlichen Beftimmungen in chriftologifcher Hinficht, welche gleichwohl ſich immerfort mehren, infofern doch mur einen pro⸗ viforifchen Charakter haben können, als es von dem Refultate des dogmenbildenden Proceffes, zu welchem ſich nun bie Kirche zu wenden bat, abhangen muß, inwieweit jene frühern ſchon in bie Anfänge jenes Proceſſes fallenden Yeftfegungen nicht blos bie negative Bedeutung der Ausicheidung von unwanrem behalten Dorner, Chriſtologie IL. 2te Aufl. 2 Die zweite Periode. Die Chriftologie abhängig von follen, fondern auch als treue und genligende Belenntniffe ber Wahrheit gelten können, die der Glaube an den Gottmenſchen in ſich ſchließt. Mit dieſer gleichſam zuwartenden Stellung, in welche hie⸗ nach auf längere Zeit unſer Dogma einzutreten hat, ſcheint nun freilich im Widerſpruch, daß eine ſo raſtloſe Thätigkeit für daſſelbe ſich immer neu entzündet, daß bis ins ſiebente Jahrhundert herab die größeſten ſchismatiſchen und politiſchen Bewegungen ſich an dieſes Dogma anſchließen, und die Conciliengeſchichte bis 681 ſich faſt allein um daſſelbe bewegt. Allein hätte auch der dog⸗ matiſche Proceß in dieſen Jahrhunderten einen reineren Verlauf gehabt, als er hatte, ſo darf doch nicht überſehen werden, daß in dieſen Jahrhunderten noch die griech iſche Kirche es iſt, welche die dogmatiſche Initiative übt, wenn auch nicht die Entſcheidung gibt, während im Abendland doch frühe Anderes ſich ankündigt. Die griechiſche Kirche fällt aber vornemlich auch deßhalb in ſolche Con⸗ vulſionen und Kämpfe, von denen das Abendland ziemlich frei blieb, weil ſie in der Chriſtologie gleichſam ihre ganze Dogmatik hat und nach ihrer bis jetzt bewahrten Art die andern Dogmen, die Anthropologie, die Gotteslehre und die Lehre von der Erlö⸗ ſung nicht zu ſelbſtändiger Entfaltung will gelangen laſſen, ſondern den Gang des Abendlandes faſt nur in Form chriſtologiſcher For⸗ ſchungen über göttliche und menſchliche Natur ſelbſtändig zu be⸗ gleiten weiß, dieſes aber auch mit allen Kräften zu thun ſucht. Steht uns nun aber feſt, daß vor jedem weſentlichen chriſto⸗ logiſchen Fortſchritt der Kirche eine tiefere Erkenntniß vom Weſen Gottes und des Menſchen gegeben ſein mußte, ſo fragt ſich: welches von dieſen beiden war das Erſte, das an die Reihe kam? Eine Zeit lang gewann es ben Anſchein, als ob der dogmabil⸗ dende Trieb fi) von der Chriftologie und Trinitätslehre hinweg zunächft der Anthropologie zuwenden wollte, und zwar gleichzeitig im Morgenland in der antiochenifchen Schule, im Abendland in Auguftin und Pelagiug Aber im Orient, ber fo lange Leben in ihm war, lieber trinitarifch und chriftologifch ſpeculirte, wollte fich der Gegenfag gegen die antiochenifche Anthropologie nicht einfinden, der trog ber vielen trefflihen Gedanken dieſer einem Fortfchritt in ber Gotteslehre und Anthropologie. 3 Schule nöthig war, wenn e8 zu einem wirflichen bogmatifchen Procefie fommen follte. Im Abendlande fommt es zwar zu einem Gegenfag ; aber beide Aufftellungen,, auch bie des Auguftinus trugen ein einfeitiged Gepräge und bie Verhandlungen gebieben noch nicht zu einer wirklichen Ineinsbildung des Wahren, was beide Standpunfte vertraten. Pelagius, bie moralifche Freiheit betonend, erblidt in der Gnade faft nır etwas Freiheitsfeindliches, und Gott bleibt ihm nur der Schöpfer ber Freiheit, ihr Geſetz⸗ geber und Richter. Auguftin Dagegen läßt im Menſchen fein Prineip der Selbftbeftimmung , fein eigenes Willenscentrum, fon- bern betrachtet ihn nur als Accidens feiner Gattung im Böſen, mm als Objeft der allmächtigen, ermählenden Gnade Gottes im Heilsproceh. Das Refultat des Kampfes war nicht Feftftellung der chrifllichen Anthropologie, außer in Beziehung auf die Er- löſungsbedürftigkeit und Fähigfeit im Allgemeinen; aber auch nicht die Feftftellung des inmern Begriffes und Wefens ber Gnabe, fondern nur ihrer Nothwendigfeit im Allgemeinen und ihrer Ge- gebenbeit im Chriftentbum, des Daß, nicht des Wie? Und für eine pelagianifirenbe Sreiheitslehre Tieß gerade eine magifche Gnaden⸗ lehre Raum genug offen, wie benn auch dieſes Auffereinander von pelagianifchen ‘und magifchen Elementen die Wirklichfeit ber Kirche in Leben und Lehre bis zur Reformation durchzieht. Die anthropologifchen Verhandlungen des fünften Jahrhun⸗ bertd Tonnten daher der Chriftologie kaum eine mittelbare Frucht fhaffen. Jene Streitigfeiten haben noch ganz elementaren Cha⸗ rafter und holen durch Verwerfung bes Manichäifchen und Pe⸗ Ingianifchen nur das amtbropologifche Seitenftüd der Ueberwin⸗ bung bes ebjonitifchen und bofetifchen Irrthums nad). Worauf fi) der Dogmatifche Bildungstrieb immer beftimmter normal hinwendet, das ift vielmehr die Soteriologie, ober bie . Frage nach dem Inhalt des in Chrifto gegebenen Heiles und ber Art, wie das Heilewerf durch ihm vollbracht fei. Aber die Art, das Heilswerk zu denfen ift die Art, wie Gott als für die Menſchen feiend, wie er als fich ihnen mit- theilend gedacht ift, enthält mithin den Begriff von Gott im Lichte des Erlöfungswerfs. Sonad) kann man bie Haupt: 1 x* A Die zweite Periode. Der Fortſchritt in ber Gotteslehre voll: arbeit der Kirche bis zur Reformation ald die ber Erfenntnif Gottes in feinem Werk an der Menfchheit durch Chriſtus zu ihrer Erlöfung und Vollendung bezeichnen, eine Erkenntniß, an welde ſich dann von felbft die Zeftftellung ber chriftlichen Anthropologie im legten Theil unferer Periode feit der Reformation ſchloß. Man Fann auch nicht läugnen, daß in dem großen Zeitraum unferer zweiten Periode im Wefentlichen Dasjenige in ficherem Fort: ſchritt wirklich erreicht warb, was fr eine Fortbildung und Ber jüngung bes chriftologifchen Dogma unerläßliche Vorausſetzung iſt. Das Magifche und das Pelagianifche darf vor dem Forum ber lebensfähigen Wiffenfchaft als einmal für immer verurtheilt gelten; ebendamit ein unethifcher Begriff von Gott und feiner Gnade, ber gegen bie menfchliche Seite fich excluſiv verhält, wie ein irreli- giöfer gegen Gott erchufiver Begriff yon des Menfchen Kraft und Thätigfeit. Und wie ſchon die bogmatifche Ineinanderbil⸗ bung ber göttlichen und ber menfchlichen That im Erlöfungswerf erft in der fortgefehrittenen Erfenniniß des Weſens Gottes und des Menfchen ihren Ruhepunkt finden fann, wornad fie fih nicht mehr ausfchließend fondern zufammenftrebend zu einander verhalten, fo wird es nur darauf ankommen, bas in biefer zweiten Periode Gewonnene auch chriftologifch auszubeuten, um einen neuen und großen Schritt vorwärts zu thun. Das Heilswerf Gottes an und in ber Mienfchheit, deſſen Erfenntniß nach der objektiven und fubjeftiven Seite hin alfo im Großen und Ganzen den Mittelpunft ber ganzen normal fort fehreitenden dogmatifchen Arbeit unferer Periode bildet, ligt aber aufferdem unjerem Dogma unmittelbar nahe. Denn bas objektive Heilswerf Gottes ift ja wefentlich nichts Anderes als das Wert oder das Amt Chrifti. Das immer mehr fleigende Verſtänd⸗ niß befielben ift zugleich das Maaß für bie immer allfeitigere Erkenntniß der menfchlichen Bebürftigfeit und Fähigkeit für Er- fung und Vollendung. In drei Hauptſchritten ift Die Erkenntniß der Chriftenheit von Chriſti Wert oder Amt vorwärts gegangen, und ben brei Schritten entfprechen bie drei großen Kirchen, bie griechifche, die römiſche, die evangelifche. zieht fich in der Erfenntniß des Heilswerkes durch Chriſti Amt. 5 Die griechiſche Kirche, „nah Weisheit fragend“, fieht in Chriftus die Offenbarung der Wahrheit ; er ift ihr die perfün- liche Weisheit, die von Rüge und Irrthum, dadurch von Sünde befreit. So fieht jie Chriſtus überwiegend im Licht des pro: fetifhen Amtes, nicht ohne die efchatologifche Hoffnung auf feine königliche Dachterweifung wider Liebel und Tod (0006). wovon das Vorſpiel in jener Ueberwindung des Satans durch Chriftus in einem übergefchichtlichen, außerhalb ber Menfchheit vor fich gehenden Proceffe ligt. Zwar hält die „orthobore“ Kirche eifrig und treu an Chrifti Gottmenfchheit feſt; es gehört zur wahren Lehre Ehrifti auch die Lehre, daß der Sohn bie ewige Weisheit Menſch ward. Aber als Grund hievon wiffen wenige ber griechifchen Väter feit dem fünften Jahrhundert mehr anzu geben, als dag das Sichtbarwerden der unfichtbaren Weisheit Das befte Mittel war, die Wahrheit d. i. Gott zu zeigen und zu lehren. Die fubieltive Seite und der Glaube ift daher hier ganz überwiegend theoretifch gefaßt, als fürwahrhaltendes Kennen oder Erfennen des Dogma. Da fie das höchſte Gut in ber Erfennt- niß fieht, fo ift der Mittelpunkt der Firchlichen Thätigfeit der grie- chiſchen Kirche in ihrer geiftig noch regfamen Zeit die Präciſirung ihres Dogma, wofür bier der Epifcopat das Mittel ift. Die römische Kirche, von Alters ber mit dem Abenblande mehr dem Selbſt⸗ und Weltbewußtfeyn zugemwenbet und Erbin des praftifchen altrömifchen Geiftes, will nicht bios Ichren, fondern auch chriſtlich walten und regieren. Der Epifeopat ift nicht blog Mittel für den Zwed des Dogma, fonbern das Dogma wird Mittel der Macht, des geiftlichen Regiments burch eine neue Lebensordnung; das profetifche Amt wird Mittel für Das Fönig- liche. Chriſti Bid fteht hier im Licht der königlichen Macht. Aus dem Lehrer wird ber Geſetzgeber, aus dem Evangelium bie nova lex. Und die Kirche an Chriftus Theil habend, der ein fihtbares Reich mit feften Lebensorbnungen zu fliften fam, hat Theil an feiner Macht und Herrfchaft. Sie bildet Chriſtus ab, ja fie fegt ibm fort und richtet im ihrer Organifation ſich ein auf biefe Herrſchaft, die als Herrichaft im Namen und in Vertretung Chriſti des Königs gedacht if. So werben, diefer Totalanſchauung 6 Die zweite Periode. Die drei Kirchen und die von Chriſtus gemäß, aus den Hirten Regenten, aus den Prieftern Richter und Gefeßgeber mit dem Machtwort felbft über die Gnaden⸗ güter, über das Jenſeits und die Unterwelt ausgeftattet, und aus ben Bifchöfen feigt hervor der Papft als König der Könige da⸗ durch, daß er al servus servorum zu Chriſtus dem Könige in ber unmittelbarften Beziehung ſteht. Da nun das Geſetz, zu welchem bier auch das Dogma gehört, Zuftimmung oder Ge⸗ borfam (assensus, obedientia) fordert, fo wird bier nicht mehr im Irrthum oder gar nur im Uebel, fondern in dem Ungehorfam und dem damit gegebenen debitum Dasjenige er: blict, wovon Erlöfung Noth that, im Gehorfam aber gegen den Staat Chrifti, feine Gefete und feine Sühnmittel, die Heils⸗ bedingung. Die Lehre von dem wieberfommenden Chriftus tritt aus begreiffichen Urfachen zurück; Chrifti vornehmfte Bedeutung ift, ber Stifter dieſes geiftlichen Staates und der Vollmachtgeber für Alles zu fein, was die Kirche von Gewalt und Gefesen, von fa- eramentaler Gnade und Lebensorbnungen bedarf. Wie in der griechifchen Zeit in dem Epifcopat, ben Gon- eilien und der ftill heranmadhfenden Macht des römiſchen Bifchofs ſchon die römifch mittelalterliche Geftalt der Kirche präludirte be: vor ihre Zeit gefommen war, fo ift Anfelm, ver Germane, zur Zeit der Blüthe des Papfttbums durch fein Cur deus homo fhon eine Anzeige der Reformation. Aber am Schluffe feines unfterblihen Werkes finft er zurück und macht feine Theorie zur Stüge des Firchlichen Königthums. Den Lohn, den Chriftus Durch fein unfchuldig Leiden erwarb und beffen er für feine Perfon nicht bedurfte, hat er der Kirche geſchenkt, die ihn als ihren Schatz verwaltet, worauf fie ihr Regiment gründet. Die Kirche der Reformation hat zu ihrem fubjeftiven Mittelpunkt das perfönliche Bedürfniß des Heils, vor Allem der Berfühnung der Schuld (culpa, reatus); ihr objeftiveg Cen— trum ift die beilige Paffion. Ihr Chriſtusbild ift vor Allem Chriftus in der Knechtsgeſtalt, der verfühnende Mittler und Hohepriefter. Wie im A. T. die Profetie zwar begann mit ben Davibifchen Königthum und den Davibifchen Hoffnungen, aber dann der Rüdgang in die Innerlichfeit folgte, fo nehmen wir dafs breifache Auffaffung des Amtes CHrifti. 7 felbe wahr in ber Gefchichte des innern Totalbilbes von dem Gekommenen. Die evangelifche Kirche bezeichnet in ihren Anfängen biefen Rüdgang aus dem Aeußern in bas Innere, aus der Welt bed Erkennens und der Werke in dag Gemüth und unmittelbare Selbſtbewußtſeyn, um deſſen Berföhmung es bier vor Allem zu thun iſt. Sie weiß und befennt, daß es eine perjünliche Ver⸗ ſöhnung, nicht blos ein anftaltliches fondern ein der Perfon gelten: des Werf Chrifti gibt, und daß wir deſſen theilhaft, ja Kinder Gottes und bes Erfigeborenen Brüder werden, wenn unfere Stel- lung zu ihm nicht blos den Charafter des Fürwahrhaltens und bes Gehorſams trägt, fonbern auch den des perfönlichen Vertrauens zu feiner verföhnenden göttlichfräftigen Liebe; wenn das Chriftenthum nicht bios in der Erkenntniß oder den Werfen des Willens be- ſteht, fondern auch in der zuverfichtlichen, ihm trauenden ja fich antrauenden Hingabe des ganzen Gemüthes an ihn (der fiducia). Das ift in großen Zügen die Errungenfchaft der Chriften- beit in ihren drei bisherigen Kirchenformen in Beziehung auf die Erkennmiß des göttlichen Heilswerfes durch Chriſtus. Es ligt Darin, was die Erfenntniß des in Chrifto offenbaren Gottes anlangt, eingefchloffen die Erfenntniß der Weisheit Gottes; zweitens Gottes als des zum Heil mächtigen und gerechten Herrn; endbli der Liebe Gottes. Natirlih fehlt Feine dieſer Beftimmungen je ganz, aber ed muß darauf ankommen, welche derfelben jedesmal den beberrfchenden Mittelpunft bilbe. Obwohl nun aber Gott hiebei immer fo gedacht ift, wie er im Chriſtus dem Gottmenfchen offenbar, gegenwärtig und wirt: . fam gemorben fei, fo verhalten fi) doc dieſe Beflimmungen des Gottesbegriffs ihrer Natur nach fehr verfchieden zu der Ehri- fiofogie, infonberheit zu der menſchlichen Seite Ehrifti., Für die Mitteilung der Wahrheit ift die Menſchwerdung Gottes in der That faum erforderlich. Inſpiration, heilige Bücher eignen fich auch für biefen Zweck. Die Menfchheit des Sohnes Gottes behält daher in der griechifchen Kirche immer eine prefäre, zufällige Stellung, die des bloßen Mitteld. Sie würde erft dann berfelben entboben fein, wenn die Menſchheit Chrifti als ein in- tegrirender Theil des chriſtlichen Inhalts felbft begründet, und 8 Die zweite Periode u. ihre drei Epochen. Ind. griech. u.röm. Kirche nicht blos Dazu beftimmt wäre, bie unfichtbare göttliche Wahrheit ober Gott zu zeigen. Aber ganz Ähnlich verhält es fi) mit ber Kategorie ber Macht und Gerechtigkeit. Das Bild Chrifti ald des Königs und ewigen Richters, einfeitig hervorgekehrt, entrüdt ihn ber Menſch⸗ beit, läßt feine Menſchheit in’ der göttlichen Majeftät fich ver- flüchtigen und fo ift gleichfam durch Ehrifti Erhöhung feine Menſch⸗ werbung zurüdgenommen. Er ift der bloße Logos geworben. Seine Bedeutung ift darin erfüllt, die Kirche mit ihren Boll machten: geftiftet und ihr die Heilskräfte die fie fpenbet erworben zu haben. Aber wie zufällig ift auch für dieſen Zwed feine Menfchheit! Wird Doch daneben immer, befonderd auch von Anfelms Nacfolgern verfichert, daß Gott auch frei und ohne Ehriftus hätte Sünde vergeben und Gnabe ertheilen können. Daß nicht minder auch ohne Menfchwerbung Gottes eine Theocratie konnte geftiftet werden, zeigt das A. T., warum alfo nicht auch ein neues levitiſches Prieſterthum, welches mehr Föniglichen als priefterlichen Charakter trägt ? Kein Wunder daher, fondern felbfiverftändfich ift es, daß weil in ber griechifchen und in ber römifchen Kirche die Menſch⸗ heit Chrifti eine nur zufällige Bebeutung hat, im Großen und Ganzen, fo lange fie den Reigen führen, die göttliche Seite in Chrifti Perfon im einfeitigen Lebergewidt über bie menſchliche ſteht und ſich gegen letztere inner- Lich fremd, ober gar erclufio verhält. Erſt feit bie heilige . Liebe Gottes im Werf der VBerfühnung der Menfchheit beftimmter ins Bewußtſeyn trat, war für bie Menſchwerdung Gottes eine Nothbwendigfeit zu fehen, erhielt alfo Chrifti Menfchheit eine wefentlihe Stelle. Erſt durch fie und nicht durch Die gefchicht- Iofe Gnade (die unethiſche Willfür wäre) ift bie Verſöhnung wirklich geworden; der Menſch Chriftus Jeſus hat die Welt mit Gott verfühnt. Die Möglichkeit dazu lag darin, daß in ihm Gott Menfh ward. Wiederum bie Möglichfeit dieſer Menſchwerdung lag a) von Gottes Seite darin, daß Gott vor . Allem als fichfelbftmittheilende Liebe, der auch bie höchſte denk⸗ bare Gemeinihaftsform gemäß fein muß, nicht aber blos als bie göttliche Seite der Perfon Chriſti im Uebergewicht. Evang. Kirche. 9 Weisheit oder ald Macht und Gerechtigfeit gedacht ward. Dieſe Einſicht daß das Wefen Gottes die heilige Liebe fei, (nicht aber eine zu dem Enblichen im wefentlichen Gegenfate ſtehende Unendlichfeit fei ed des Seyns ober ber Weisheit oder der Macht und Gerechtigfeit) brach nach mittelalterlichen Vorbereitungen am hellſten in der Tutherifchen Kirche durch. b) Und da mit biefer tiefen Einficht in das ethifche Wefen Gottes und beſonders ber Berfühnung auch eine tiefere ethifch-religiöfe Auffaffung des Weſens und ber Beflimmung bes Menſchen im Gegenſatz ſowohl gegen eine pelagianifirende als magifche Heilslehre verbunden war, und Die evangeliſche Kirche eine Bermählung des Menſchen mit Gott in der Tiefe des Gemüthes durd den Glauben als Grundbforberung aufftelkte, jo war auch von der Natur des Menſchen ein Begriff er- faßt, wornach er nicht blos enbliches Wefen ift, fondern auch eine Unendlichkeit in Form der Empfänglichfeit. So daß, freilich nur erſt im Allgemeinen, auch von Seiten der menſchlichen Natur bie Möglichfeit der Einigung Gottes und des Menſchen in Chriftus einleuphten mußte. Deßhalb ift nun aber auch die Reformation nach beiben Seiten bin, der göttlichen ımb ber menfchlichen ein Wendepunft, und nad ber erften Epoche unferer Periobe, ber des einfeitigen Uebergewichts der göttlichen Natur, ift die Refor⸗ mationgzeit nach ihrem Princip und theilweife auch nach ihrer Lehre als die neue zweite Epoche zu bezeichnen, in welcher bie göttlihe Seite und bie menſchliche zueinem prin: eipiellen wenn glei noch nicht durchgeführten und befeſtigten Gleichge wichte gelangen. Seit der Reformation geht die Führung der chriſtlichen Ent⸗ wicklung von den romaniſchen Völkern an die germaniſchen über; bie römiſche Kirche nimmt nun zu der evangeliſchen eine ähnliche Stellung ein, wie bie griechifche zu ihr. Sie verfällt einem Con⸗ fervatismus, ber kaum noch Spuren eines fortgehenden dogma⸗ tiichen Procefies zeigt, fo namentlich auch in ber Chriſtologie. Dagegen bie evangelifhen germanifchen Völker wollen weber blos eine Berfenfung in das Erfennen und bie Anſchauung Gottes, wie die edelſten Formen ber griechifchen Srömmigfeit, noch blos ein Alterniren zwifchen felbftlofer Hingabe an eine magifche Gnade 10 Die zweite Periode. Die dritte nachreformat. Eporhe. und zwifchen einer yelagianifirenden oder gur in Willkür fich ergehenden und gotiverlaffenen Subjektivität: fonbern ihnen ift bie Aufgabe geworben, den wahren Begriff ber menſchlichen Per⸗ fönlichfeit auf Grund einer volleren Erkenntniß der Heilsoffen- barung zu vertreten und herauszuarbeiten. Die chriſtliche An⸗ thropologie ift jegt zum erftenmale eigentlich an der Reihe. Auguftin felbft war wie gefagt, nur ein Vorläufer; fein Syſtem bat keineswegs feiner Zeit und der Nachwelt feinen Charakter aufzuprägen vermocht, wie ed auch noch an vielen Punkten dem⸗ jenigen Vorſchub Teiftete was nachher zum romanifchen Typus ward. Der fortdauernde Gegenſatz der römiſchen Kirche trug das GSeinige dazu bei, die evangelifche Wiffenfchaft und bald auch bie Philofophie in der Richtung auf jene ihre Aufgabe zu erhalten und anzufpannen. Und da bie nachreformatorifche Theologie, ftatt bie neuen chriftologifchen Keime, die in der Reformationgzeit liegen, zu pflegen, bald genug wieder einem Traditionalismus buldigte, ber fein Pfund vergrub und fein Höchftes darein zu ſetzen ſchien, auch in der Chriftologie die Identität der evangelifchen Lehre mit ber vorreformatorifchen, alfo das Uebergewicht der göttlichen Seite wo möglich verftärkt berzuftellen, fo war die gründfichere wiſſen⸗ fhaftliche Darlegung des dogmatifchen Rechtes der Anthropologie woran es bisher gefehlt, eine Doppelte, auch chriftologifche Noth⸗ wendigfeit; fo nahm aber auch die Richtung auf jene anthropolo: gifhe Aufgabe im achtzehnten Jahrhundert zunächft eine bem Ehriftentbum und ber Chriftologie wenig freundliche Stellung ein. Aber je freier und ungehinderter in ber evangelifchen Kirche biefe Entwidlung verlief, deſto werthvoller ift auch das Refultat, das trog ben vorübergehenden Berwirrungen und Ausartungen ber Subjeftivität errumgen warb, die wiflenfchaftliche Erfenntniß Davon, wie auch das Wefen des Menſchen gegen ben Begriff Gottes fih fo wenig ausfchliegend verhält, daß viehnehr der Menſch erft in Einheit mit Gott, ohne Selbftverluft in Gott, feine Wahrheit erreicht. Das Heranzeifen biefer Erlennmiß zu erzählen wird bie Aufgabe für die dritte Epoche unferer Periode fein. Syn ihr bat die menfhlihe Seite in ber Perfon Chrifti über bie göttlihe Seite bag Uebergewicht. Sie bilbet = Gefammtrefultat der zweiten Periode. Eintheil. der erſten Epoche. {1 alſo das birefte Gegenſtück der erften Epoche (vom Jahre 381 bis 1517) was fih bis ins Einzelne wird nachweiſen laffen, zum beutlichen Zeichen der Gefegmäßigfeit des Verlaufs bei allem Schein bioßer chaotiſcher Willkür. ft nun aber fo das Gefammtrefultat der zweiten Periode eine conerete Erkenntniß beflen, mas in ber Reformationgzeit, ber Zeit des Vebergangd von dem Uebergewicht bes Göttlichen aber auch ber. Zeit des freilich nur kurze Zeit. währenden Gleich⸗ gewichts beider Seiten prineipiell ausgefprochen worben ift, nem⸗ lich daß nur der Gottesbegriff der wahre fein Fönne, welchem Die Menfchwerbung nicht widerſtrebe, fonbern ber durch fein ewiges ethiſches Weſen Dazu ſich felbft beſtimmt; nicht minder daß auch von der Menſchheit jeder Begriff falſch ſei, welcher trotzig oder verzagt die Menſchwerdung Gottes in ihr entweder für über⸗ flüßig oder für etwas zu Hohes anſehen möchte: ſo werden wir auch mit der neuen dritten Periode die Zeit als gekommen er⸗ achten dürfen, wo jene Vorausſetzungen gegeben ſind, von denen der Fortſchritt unſeres Dogma wie oben gezeigt zunächſt abhängig war, und ohne welche alle Verſuche in der Zweiheit der Seiten in Chriſtus die Einheit der Perſon zu erkennen, nur proviſoriſchen Charakter haben konnten, in der Wirklichkeit aber nur einen ein⸗ feitigen Charakter gehabt haben, die zufunftreichen chriftologifchen Keime der Reformationgzeit ausgenommen, an welche alfo eine fruchtbare Arbeit in der britten kaum erft begonnenen Periode wirb anzufnüpfen haben. % Wenden wir und nun nod) insbefondere der er ſten Epoche der zweiten Periode zu, deren Grundcharafter im Großen dag Vebergewicht der göttlihden Seite über bie menfd- liche iſt; fo zerfällt Die Zeit von 381 bis zur Reformation naturgemäß in drei Abfchnitte. Der erfie Abfchnitt diefer Epoche mit dem Chalcedonenſe un Jahr 451 fehliegend, hat im Gegenfat gegen die antiochenifche Schule wie gegen die aleranbrinifche, gegen Neftorianismus und Eutychianismus, das Problem felbft ſcharf Hinzuftellen geſucht. 12 Die zweite Periode. Das Problem der Einigung beider Seiten in Chriftus, fagt fie zunächft, ift umgangen von dem Neftorianismugd, ber einen todten Dualismus , ed ift aber auch umgangen vom Eutychianismus, ber eine Reforption bes Menfchlichen durch das Göttliche für Einigung ausgeben will. Aufferdem aber faßten die Väter dieſer Synode das Problem felbft pofitio fo: in Chrifto fei anzuerkennen eine Zweiheit bes Göttlihen und des Menfhliden; biefe beiden, eine Zweiheit unendlich und wefentlich verſchiedener Naturen, feien gleichwohl zu und innerhalb Einer Perfon ver: einig. Schon um für diefe Aufftellung des Problems bie kirch⸗ liche Sanction zu erreichen, mußte die Kirche auf Partheien ver: zichten, bie ihr chriftliches Bewußtſeyn darin nicht wieder erfannten. Wenn bie Neftorianer fühlten, dag Ehrifti menfchliche Natur vor einem einfeitigen Uebergewicht der göttlichen durch Die chalcedonen- fifchen Formeln nicht ficher geftellt fei, fo beflagten fich die Mono⸗ phyfiten, Daß gegen bie alte Sprachweile von der wie gvows bie Lehre von zwei folchen Naturen in Chriftus jedes Verſuches ihrer Einigung fpotten müſſe. Aber auch aus der Mutterkirche felbft bildeten fich bie im Nefto- rianismus und Monophyſitismus entlaffenen Gegenfäge von Neuem beroor, als ſtete Mahnung an die vom Chalcebonenfe noch nicht getilgte Schuld. Diefes bildet den Hauptgegenftand ber beiden andern Abfchnitte. Der zweite vom Jahre 451—793 ftellt dar, wie bie in ber griechifchen Kirche Üübermächtigen und in immer neue Formen ſich kleidenden monopbyfitifchen Neigungen, mit der Richtung auf bie Einheit vornemlich durch Die abenbländifche Kirche fiegreich befämpft und wie die chalcenonenfifche Zweiheit nicht blos be⸗ bauptet, fonbern gefchärft wurde, indem bie Zweiheit weſens⸗ verfchiebener Naturen auch zur Zweiheit der Bermögen bed Willens und des Wiffens, ja auch zur Zweiheit ber fämmt: lichen Funktionen ausgebildet wurde. Die Zeit vom Jahr 451 bis ins achte Jahrhundert ift alfo durch ihre ſynodalen Entfchei- bungen bie Zeit der Schärfung und Durchführung bes halcedonenfifhen Gegenſatzes ber beiden Naturen; für die Einigung ihrer ſelbſt gefchah wenig der Rede Werthes. Eintheilung der erfien Epoche. 13 Als nun aber diefe Richtung auf den Gegenfab der Naturen in dem Adoptianismus gipfelte, welcher gleichfam das Facit aus der bisherigen Bewegung ziehen wollte, ba erfchrad Das Abend: land vor der antiochenifchen Confequenz, und es trat mit dem Concil von Frankfurt 793 ein Wendepunft ein. Der dritte Abfehnitt diefer Epoche von dem Frankfurter Contil bis zur Reformation iſt im Allgemeinen die Zeit der Sänftigung bes dalcenonenfifhen Gegenfages, jeigt überwiegend bie Richtung auf die Einheit der Perfon. Schon bie Zeit deö zweiten Abfchnittes hatte in ihrer Durchführung des Gegenfages beider Naturen ſich baburch beruhigt, daß ja das Perfonbilbende in Ehriftus excluſiv der allmächtige Logos fei, der als folcher wohl vermöge die Zweibeit, wie weit fie auch ausein- ander gehe, in Einheit zufammenzuhalten, wie denn auch allerbinge biefer eine Punkt genügt, um bie göttliche Natur in einfeitigem Uebergewicht zu erhalten. Gegen biefen monophpfitifchen ober bofetifchen Reft der kirchlich noch nicht fanktionirt war, noch es je wurde, hatte der Adoptianismus ſich befonders erhoben, in ber Hoffnung , die Einheit der Perfon Chrifti bewahren zu Tonnen auch wenn bie menfchliche Seite wie bie göttliche perſönlich ges dacht fei. Aber feit ber von feiner Niederlage an datirenden Wendung der kirchlichen Wiſſenſchaft zur Einheit der Perfon warb nun bie Unperfönlichfeit ber menſchlichen Natur Chriſti der am lebhafteften vertretene und ausgebildete Sat, ber aufs engfte mit der ganzen magifchen Seite ber mittelalterlichen Gnaben- Iehre zufammenhängt ; wie denn barin auch gleichſam das Urbilb ber myſtiſchen Entzüdung des Menſchen in Gott verborgen war. Allein bald genug zeigte fich die Folge: nemlich eine folche felbft- loſe Menfchheit Ehrifti hebt die Wahrheit der Menſchwerdung auf. Ehrifti Menfchheit wird zum bloßen Gewand ber Gottheit, zur Theophanie; die eigentliche Idee der Gottmenschheit ift im Nis hilianismus aufgegeben. So ift Ehriftus gleichfam nur wieber zum Logos mit einem menfchlichen Kleide geworben, und bie Scholaftif fucht zu beweifen, daß eine Menſchwerdung auch nicht nöthig aber doch möglih und wirffih war, im uneigents lihen Sinne genommen. Sp war denn bas Problem unter 14 Die zweite Periope. dem Borgeben ber Löfung eigentlich begraben, und bereits treten Surrogate der Chriftologie in Mafle in die Kirche ein. Zwar das ehrliche Wort des Lombarden, welches dag Geheimniß dieſer kirchlichen Chriftofogie unverhohlen ausſprach, wurde officiell des⸗ avouirt. Aber die Sache konnte ſich nicht ändern, ſo lange die menſchliche Natur ſelbſtlos ohne eigene Bedeutung in ſich daſtand. Immer enger ſchürzte ſich der Knoten, je mehr der Begriff der menſchlichen Perſönlichkeit anderweit, freilich meiſt in pelagiani⸗ ſirender Weiſe, zu tagen und ſich dem Magiſchen zur Seite, ja entgegenzuſetzen begann. Ein Theil der Scholaſtik bleibt in der traditionellen Bahn, aber in ihrer Unproduktivität und in ihrem Rückgange zu einfacheren myſtiſchen Anſchauungen von der Per⸗ ſon Chriſti zeigt ſich ſchon ein beginnendes Abſterben des Intereſſes für die bisherige begriffliche Ausbildung der Chriſtologie. So bei Thomas. Ein anderer Theil lenkt zu adoptianiſchen Sätzen zu⸗ rück, die auch jetzt keine Verdammung mehr erfahren; aber ein: geengt in die kirchlichen Formeln und im Gefühl der Schwierigkeiten ihrer Vereinigung ringt man vergeblich nach einer Löäſung. So Duns Scotus. Im Ganzen wird ein Schwanken, eine Unſicherheit ſichtbar, die in einem rathloſen Skepticismus mit blinder Unter⸗ werfung unter die kirchliche Autorität endigt, der die Verantwort⸗ ung für die Enantiophanien oder wirklichen Widerſprüche in ihren Sätzen überlaſſen wird. Doch iſt noch Eine lebendige Linie übrig, in der ſich der Faden der chriſtologiſchen Entwicklung fortſpinnt: das iſt die myſtiſche Richtung, die in der Reformation ihr nor⸗ males kirchliches Ende durch ihre Vollendung fand. Zwar bleibt auch fie bei der Unperſönlichkeit der Menſchheit in Chriſtus ſtehen, aber faßt diefe allgemein als Vollendung der menfchlihen Natur. Sp ift darin der Sat enthalten: daß es dem Wefen Gottes und des Menfchen nicht widerfpreche, fondern einzig gemäß fei, in die innigfte perfönliche Gemeinfchaft zu treten, ja dag nur Gott bie wahre Perfönlichkeit des Menſchen fei und hierin Feine Verfürzung des Menfchlichen liege. Wie weit war fie biemit von dem Geifte und den Sägen des chalcedonenfifchen Conciled abgegangen! Es ift aber das Verdienſt beſonders der Tutherifchen Kirche und ihrer Lehre von ber Communicatio idiomatum , nicht wie die Myſtik Die Gattungen riftologifcher Unio von 381 an. 15 blos bei der Einheit bes Ich verweilt und in baffelbe d. b. in die göttliche Hypoſtaſe die menfchliche Seite verfenft, fondern die Einigung der Naturen felbft untereinander als das Hauptproblem aufgeftellt und an feiner Löfung gearbeitet zu haben. Da jedoch fichtlich Hierin fchon ein Abbrechen des Baues der vom Jahr A51— 793 aufgeführt war beginnt, obſchon bie alten Bor: ausfegungen noch vielfach nachwirken, fo gehört die Tutherifche Chriftologie in die zweite Epoche unferer Periode. Es wird fi) zeigen laſſen, daß fie einerfeitd den Abfchluß der alten Zeit bildet, jedoch dieſes durch ein Princip das fie andrerfeits ſchon auch zum Anfongepunft einer neuen macht. Er ax 34 Was der Puls der chriftologifchen Bewegung in ben ver- fhiedenen Abfchnitten der erflen Epoche (von 381—1517) war, haben wir überſichtlich barzulegen verſucht. Wir haben nun noch "Die Unionsweifen zu überbliden, welche bei den fo manch⸗ faltigen dyriftologifchen Standpunften diefer Epoche fich ergeben. Keine chriftliche Zeit wollte ohne eine Chriftologie fein: jede wenbet das Maaß ihrer Erkenntniß Gottes und des Menichen auf dieſes Dogma an, deſſen Gefchichte infofern eine Haupterfennt- nigquelle des Begriffes ift, den jede Zeit von Gott und von dem Menfchen Hatte. Aber eine Chriftologie ift noch nicht da, wo Chriſtus nicht als eine Einheit des Göttlichen und Menfchlichen gebacht ift, und fo ftellte fich an jede Zeit, was auch fonft ihr Standpunft oder ihr chriftslogifches Hauptbeftreben war, die For: derung anzugeben, wie fie fich bei ihren Prämiffen die Unio benfe. Die verjchiebenen der Reihe nach auftretenden Unionsweiſen nım zerfallen in drei Gattungen, die einen Fortſchritt bilden : aber fo, daß die erfle und bie zweite einander direkt entgegenftehen. A. Die erfte Gattung, deren Hauptvertreter zum Theil noch ber vorigen Periode angehören, hat noch am meiften Aehnlichfeit ‘mit dem Doketismus und Ebjonitismus, indem fie durch Die Unio bie Cigenthümlichfeit der einen oder der andern Natur ganz oder theilweife verlegt, fei e8, baß fie die göttliche Natur fih in bie menfchlihe verwandeln läßt, was ebjonitifch, oder Die menſch⸗ 16 Die zweite Periode. liche in die göttliche, was bofetifch ausfallen muß, oder daß fie endlich beide ſich durch einander temperiren läßt, fo daß wie in der Chemie das Probuft ein Gemeinfames, eine Mifchung aus beiden Faktoren if. Bon ber erftien Form war im erfien Bande vielfach die Rede; der zweiten gehört der Eutychianismus, ber britten ber Theopafchitismus an. Sie alle gehören der mono- phyfitifchen Familie zu, bie das Menfchliche und Göttliche nicht minder ald die Antiochener excluſiv gegen einander denkt, fo daß bie Einheit die fie fucht nur durch ganze oder theilweiſe Abforption zu Stande fümmt, und zwar durch das Göttliche, Das überwiegend unter phyfifchen Kategorien gedacht ift. B. Die zweite Gattung bie ſich befonders an bie kirch⸗ liche Verdammung bes Apollinarismus anfchloß, wußte gleichfalls bie beiden Naturen mır ale fich ausfchliegende Gegenfäte zu denfen, wollte aber beide in ihrer Eigenthümlichkeit vollftändig bewahren im Intereſſe vornemlich für die Menfchheit und einen gefetlichen Gottesbegriff. Dennoch meinte fie eine Einheit der Geſammt⸗ perfon behaupten zu können, natürlich nur durch ein drittes aufferhbalb der beiden Naturen gegebenes Princip. Kaum nennenswerth ift Die Vorftellung, welche ohne auf das zufammenfchließende Prineip weiter zu achten, die Perfon Chrifti mr ald das Facit der zufammentreffenden zwei Naturen benft, alfo fih gar nicht die Mühe nimmt zu erwägen, ob denn bie zwei Naturen zufammengeben Fünnen, ob fie fo gleichartig feien, daß fie in Eine Summe (= Perfon) abdirt werden fönnen; und ob nicht hede derſelben ſchon für fich Perfon fei. Da offenbar ift, daß bier die zwei Naturen nur gleihfam aritbmetifch zus fammenabbirt, zufammengefprochen, nur in Gebanfen als eine Einheit geſetzt werben, fo ift bie unio hier zugleich) eine bios nominelle, unio verbalis; e8 ift nur geforbert, beide Naturen zu gleicher Zeit zu denfen, das Problem ift noch nicht präcifirt, ges ſchweige denn etwas zur Löfung gethan. Ward nun aber eine reale Unio gefucht, fo Yag a) am nächſten der Gedanke, die göttliche und bie menſch⸗ liche Natur feien dadurch Eins, daß bie erftere in ber letztern fei als in ihrem Tempel oder Kleid. Aber biefes bloße reale Zu: Die Gattungen chrifiologifcher Unio von 381 an. 17 fammenfein, b. b. bie Einheit, Die burch bie Gemeinfamfeit bes Drtes hervorgebracht wird (unio localis), fegt im beften Kalle bie Menfchwerbung zur Theophanie herab, wird aber für ſich genauer betrachtet dadurch illuſoriſch, daß die göttliche Natur — wirb bei ihrem gleichlam phyfifhen Seyn flehen geblieben, — vermöge der Allgegenwart überall ebenfo wie in der Menſch⸗ heit Ehrifli ſcheint wohnen zu müffen. Wefentlich gleich mit diefer Anficht wäre bie Berufung auf den Machtwillen Gottes, ber im Stande fei, bie zwei obwohl weſensverſchiedenen und innerlich in feiner Weife zufammenge- börigen fondern entgegengefegten Natuven zu Einem Ganzen zus em. (Mechaniſche unio.) b. Da jeboch bie beiden Naturen nicht blos Tehlofe Sub- flanzen find, fo würde eine fo tobte Form ber Berbindung beide verlegen. Daher haben Theodor v. Mopsv. und Neftoriug, beren ovraya fonft diefer Anſicht am nächften fteht, Damit bereits auch die Anfänge einer höheren freilich noch in ‚gleicher Linie kiegenden Form verbunden, nemlih die Annahme, daß der in allen Dingen gegenwärtige Logos doch eine befondere Beziehung gleichfam wahlverwandtihaftlih zu dem Menſchen Jeſus babe, weil biefer Menſch um feiner Befchaffenheit willen von Gott beflelben Namens und Ranges gewürbigt fei, Die dem Logos von Natur zufommen, nemlih die Sohneswürbe, mochte nun jene Beichaffenheit als angeboren oder als erſt erworben anzufehen fein. Diefe Anficht, wornach um bes befonberen Werthes der menfchlihen Natur Chrifti willen vor dem Forum bes göttlichen Urtheils die Beziehung des Logos zu dieſem Menfchen eine befonbere fei, können wir nach ihrem objektiven Grunde eine unio vermöge ber Rechtsidee oder unio forensis, nad ihrer sealen Befchaffenheit aber die beziehungsweife Einheit, unio relativa, Erwoıs oyerını nennen. c. Wird mın aber näher barauf geachtet, daß das Aus⸗ gezeichnete in Chrifti menfchlicher Natur, dem ſich bie befondere Sympathie der allgegenwärtigen göttlichen zugewenbet hat, auf Erden nicht fowohl in phyfiichen Vorzügen beige fann, als Dorner, Ghriftologie. IL Zte Auf. 18 Die zweite Periode. in moralifchen, namentlich darin, daß auch biefer Menſch eine Sympathie für das Göttliche hat, jeboch auf dem Grunde zweier entgegengefeßter Subftanzen, mithin fo, daß nicht bie Subflanzen einander zugewendet Einigung unter fi) fuchen könnten, fonbern nur fo, daß jebe von beiden innerlich für ſich bleibend Doch nament- lich Daffelbe will wie bie andere, fo hatte man bie ſubjektiv⸗ moralifche-unio, oder diejenige Einheit, welche in der Harmonie zweier im Uebrigen getrennter Willen befteht, die denfelben Inhalt in ähnlicher Form oder Weife wollen. Aber obwohl biefe Weile bie unio zu benfen, fehon geiftigere Art bat, fo giengen ba doch die Willensacte felbft auf welche das Haupigewicht fiele, Dem Standpunft des Geſetzes oder Rechtes analog, von zwei gefondberten fi gegenüberflehenden geiftigen Lebensheerden aus. Die Naturen wären nicht mehr blos paſſiv zufammengefügt, fondern als thätig gedacht, fie proburirten ihre Einheit; aber dieſe läge auffer ihmen ſelbſt, in der bloßen Achnlichfeit ihrer Bethätigung und in bem gemeinfamen Objeft. Aber bie Annahme folcher zweier Lebens: heerde mußte auf eine ewig coordinirie Doppelperjönlichfeit führen. Das konnte bei dem Verſuch ber fubjeftio-moralifchen unio nicht länger verborgen bleiben. Daß fo bie Chriftologie in einen Dualis⸗ mus auslaufe, beflen beide oberfte Spiten (che) nur durch eine ibeelle Einheit über ihnen zufammengehulten wäre, mißs bilfigte die Kirche mit Recht nicht minder als die Theorieen ber erften Gattung, beides zu Chalcebon. Sie ftellte ihrerfeitd das chriſtologiſche Problem in ber oben gefchilderten Weife als Glau⸗ bensartifel feft. C. Wenn die zweite Gattung von Theorieen gerade buch den Fortfchritt zu höheren Formen ihrer felbfi, von ber Zweiheit ber Naturen folgerecht auch zur Zweiheit der Perfonen getrieben war, immer aber bie Einheit nur etwas den Naturen und Perfonen Aeußeres hatte fein laſſen, ſo nahm das Chalcebonenfe zwar bie Zweiheit der Naturen aber nicht der Iche in Ehrifti Gefammt- perfon an, und fuchte vielmehr eine unio durch ein inneres Princip in ber Oefammtperfon. Und bamit Teitet ſich bie britte Gattung ber in unfrer Epoche aufgeftellten Unions⸗ weifen ein: freilih was nie zu vergeflen, zunächſt unter ber Die Gattungen qriſtologiſcher Unio von 381 an. 19 antiochenifchen Borausfegung der Wefensverfchiedenheit und bes Gegenfages der beiden Naturen. Zuerft nun fuchte der Monotheletis mus (der ſich nicht blos auf das Wollen, fondern auch auf das Erfennen bezieht) die Einheit der zwei Naturen dadurch feitzubalten, baß er bie Bermögen und das ganze Syſtem ihrer Funktionen oder bie Wirftichfeit der Tebensthätigfeiten als eine Einheit barzuthun ver- ſuchte. Er lehrte namentlih in Chriſtus eine Einheit ber zwei Naturen zwar nicht ber Subflanz, aber auch nicht bios ihrem beiverfeitigen gewollten Objekte nach, ſondern in ihrer concreten Beichaffenheit und Wirklichkeit, d. h. Einheit des Willens ve r⸗ mögens, des actuellen Wollens und des Werkes. Aber barin war nur ein Reſt der Verwandlungslehre zu feben, indem bei bleibender innerer Gefchiedenheit die Subftanzen in ihrer cons creten Lebendigfeit ganz oder theilmeife eine Abforption durch⸗ einander oder eine Verwandlung in einander erfahren follten, da⸗ mit die Tebendige Einheit der Perfon berausfüme: daher es be: greiflich ift, daß durch den Monotheletismus zunächſt nur der Muth hervorgelockt wurde, ben Dyotheletismus als chriſtologiſche Wahr; heit auszufprechen. Aber nun war die Einheit aus dem Gebiete der Naturen nicht nur, fondern auch der Vermögen und Lebensthätigfeiten vers wiefen. Chriſtus fland da als eine Zweiheit von Subftanzen, welche fogar auch als ein Doppeliyfiem von Vermögen und Lebensthätigfeiten follten gedacht werben. Woher follte nun noch) eine innere Einheit der Perfon fommen ? Die allgemeine Antwort mußte nun fein: bie Geſammt⸗ perfon in der Unterfehiedenheit ihrer Seiten ober Theile woraus fie zufammengefest iſt, ift Eine durch die Einheit des Gen- trums, des Ich. Das ift Die unio hypostatica, (bie Einheit durch die Einheit des Ich) welche jetzt erſt ihre Gefchichte durchläuft. Chriſtus ift nicht mehr blos Eine Perfon als Refultat des Zuſam⸗ mentreffens der zwei Naturen, ſondern auch umgefehrt, bie Perfon des Sohnes ift das Princip welches bie Naturen zur Geſammi⸗ perfon vereint und vereint hält. Die Hypoſtaſe des Sohns, ein Theil der zufammengefegten Perfon, ift zugleich * Einheits⸗ 20 Die zweite Periode. ® princip, bie Perſon biefer Perjönlichkeit. Nachdem erſtens bie unio hypostatica in dieſem Sinn noch unbeflimmter von ben legten namhaften griechiichen Lehrern aufgeftellt war, gebt fie zweitens im Abendland in den Gegenfag bes Adoptianismus und Nihilianismus aus einander, bis brittend bie Reformation bag Wahre beider zufammmenzufaffen beginnt, freilich nur um ben Preis einer Reform der antiken und namentlich chalcebonenfifchen Baſis überhaupt. " a. Die Kirchenlehrer, vornemlih Marimug und Jo⸗ bannes Damasc. fagen: Das Princip ber Einheit ligt inner halb des Complexes der Gefammtperfönlichfeit ſelbſt. Der eine Theil von biefer nemlich, die Hypoſtaſe des Sohnes Gottes, macht ſich auch zum Princip der Einheit des Ganzen; die Perfon des Gotimenfchen fommt nur zu. Stande durch Die That der bie menfchlie Natur annehmenden Hypoſtaſe des Sohnes Gottes. Diefe ift zugleich Das Ich, welches bie beiden an fich entgegen» gefegten Naturen und Lebensſyſteme doch in einer Einheit zu⸗ ſammenhält. Dur diefe Einheit und Selbigfeit des Ich, in welche auch bie menfchliche Natur eingepflanzt iſt, wirb nicht blog - ein nomineller Austauſch (arrisoos) der Präbdifate beider Naturen möglich, fondern auch eine Jneinanderbewegung beider Naturen bie einander durchgehen, wirklich, und menfchlicher Seits eine Steigerung ber eigenen Kräfte und Borzüge, die man Bergött- lihung nennen fann, bewirkt (Hewor). Das Ich des Gottes⸗ ſohns bat aber durch feine göttliche Natur alle göttlichen Kräfte und Eigenfchaften; daher es die menfchliche Natur in Wiffen und Wollen beftimmt. b. Der Gegenfag, in den biefe unbeftimmtere Lehre aus- einanbergeht. Diefe Ilegıyaenoıs ftellt allerdings eine Iebendigere Form der unio localis dar, aber nicht wefentlich mehr. Cs Iigt in dieſem Sichineinanderneigen und Durchdringen der Naturen ber Anja eines Proceſſes der Einigung, aber feine Durchführung. Denn bie Naturen follen ber Subftanz und Form nad unver: ändert fie felbft bleiben, ja die Einheit ſoll jederzeit gleich fertig ſein. Bornemlih aber war völlig unflar, wie bie behauptete Selbftänbigfeit ja Willensfreiheit ber menfchlichen Natur nicht Die Gattungen chriſtologiſcher Unio von 381 an. 1 zum leeren Scheine, die Denfchheit zum bloßen felbftlofen Organe werbe, wenn doch ber Logos und feine allmächtige Natur ben innerften beberrfchenden Mittelpunkt fir fie bilde. e. Daher konnte der Adoptianismusg glauben, bie firchliche Zmeiheit der Naturen und ihrer Lebensthätigfeiten folge: richtiger durchzuführen, mdem er ftatt foldhen Uebergewichts ber allmächtigen göttlichen Hypoſtaſe vielmehr annahm, die zwei Lebensſyſteme in Chriſtus haben jede ihr ch, aber dieſes fei zu⸗ gleich der Punkt, in welchem fie wie zwei gegeneinandergeneigte Linien ſich treffen. Der reale Einheitspunft jedes ber Lebens: fofteme, das Ich, fei auch zugleich das beiden Gemeinfame, ihr identifcher Einheitspunkt. Darin ligt: wie verfchieden auch bie Raturen feien, das Sch, unterfchieden von der Natur, könne ges meinfam und ber reale Einheitspunft fein. Diefes Ich nannten fie beiderfeits Sohn, und meinten an biefem mezzo termine dasjenige gefunden zu haben, was beiden Naturen zulommen und für beide das reale Gemeinfchaftsband fein Tönne. Daß das ch der göttlichen Hppoſtaſe auch als Ich ber menfchlichen Natur anzufehen fei, das war bisher nicht geläugnet, und barin ligt der legte Grund, warum noch die Lehre bes Marimus und Johannes Dam. ber menſchlichen Natur wirklich eine Selbflänbigfeit zu Iaffen feheinen fonnte. Aber bie Unflorheit, welche fie über biefen Punkt übrig ließen, fam durch den Abdoptianismus zur Entfcheidung Mit feiner Verwerfung wenden fich die Kicchenlehrer beftimmt der Anficht zu, daß Chrifti Menfchheit nicht perſönlich fei. 6. Aber die Conſequenz hievon war der Nihilianismug; Chriſtus warb zur bloßen Theophanie; er ift nım nicht ſowohl ein Menſch, als der Sohn Gottes, der die angezogene menſch⸗ liche Geftalt zum Symbol femer Offenbarung macht. Aber ba- mit war man, nur in einer dem Monophyſitismus ähnlichen Be⸗ tonung ber göttlichen Seite, zu jenen elementaren Borftellungen ber antiochenifchen Schule (B. a.) zurückgekommen. y. Der Adoptianismus und ber Nihilianismus war ver worfen: aber eine das Falſche beider ausfchließende Vereinigung des Wahren in beiden, wie wir fie immer folgen fehen, ift in 22 Die zweite Periode. den Schranfen des Mittelalters nicht mehr zu finden: wie auch das Tridentinifche Concil biefür gar nichts leiſtet. Die Kraft ber Theologie, welche bie zwei Naturen als einen Dualismus faßt, und auß ihrem Bereiche wie aus dem Gebiet ihrer Ber: mögen und Funktionen die Einheit verweist, fie alfo nur in dag Gebiet des Ich verlegt, verfügte ihre weiteren Dienfle. Kehrt doch die Schwierigfeit, wie bie göttliche Natur mit der menſch⸗ lichen zufammengehen fünne, wem fie unendlich verfchieden find, ganz wieder, wenn aud bie Frage fo geftellt wird: wie Tann es bie göttliche Hypoftafe? Und felbft wenn bie göttliche Hppoftafe ohne die Natur alfo das göttliche Ich ohne die göttlichen Eigen: fhaften die menfchliche Natur annehmen oder in fich einpflanzen follte, wie Thomas meint, fo ift nicht zu fehen, wie ſolches Ich mit der menſchlichen Natur fid) vereinigen könne, wenn biefe ab- folut verfchiedener Art if. Die Hauptfache aber bleibt, daß faft alle Scholaftifer befennen, die Menfchwerbung fage eigentlich nicht für Gott etwas Befonderes, Neues aus, fondern nur eine eigenthüm⸗ liche Beziehung der menfchlichen Natur in Chriftus zu dem all: gegenwärtigen, ewig unveränberlichen Logos, der außer ihr wie in ihr if. Dieſe eigenthümliche Relation der Menfchheit Chriſti zum Logos konnte dann entweder darin beftehen, daß Die menfch- fihe Natur nur im Logos ihre Perfönlichfeit hat, und das führt zum Nihilianismus. Ober darin, daß in Ehriftus die menfchliche Natur fih in einziger Weife activ zum Logos verhält, nemlich volffommen gehorfam und daran bie vollkommene Empfänglichfeit für ihn hat, was zum Adoptianismus zurüdführt. c. Aus diefem Schwanfen zwifchen Adoptianismus und Nibi- lianismus findet die alte Sorm der unio hypostatica feinen Aus: weg. Die Borandeutung des Fortfehritts Tigt in der bei einigen Scholaftifern befonders aber bei den Myſtikern ſich findenden Lehre, daß die Hypoftafe bes Sohnes nicht blog die Menfchheit nicht beraube, auch nicht blos eine Ehre für fie fei, fonbern daß das Verlangen der menfchlichen Natur nach Perfünlichfeit in der Perfon des Sohnes überfchwängliche Sättigung finde. Nur baf wie gefagt dieſes noch nicht frei ift von der Vorftellung, daß durch Negieren und Ueberſteigen ihres eigenen Begriffes, durch Die Gattungen drifiofogifcher Unio von 381 an. 23 Entzädung u. ſ. f. die Vollendung des WMenfchen erreicht werde, was Nicol. von Cuſa zu fpftematifiren und zu firiren gefucht hat. Es war ber Reformation vorbehalten, der unio hypostatica eine Wendung zu geben, welche ſowohl bie göttliche Perfon ber menfchlichen Natur beflimmter aneignete, als auch für bie Einheit das Gebiet der Wirklichfeit der Naturen, ihre Kräfte und Eigen: fhaften (idiomata) zurüdforberte. Erſte Epoche ber zweiten Periode. - Bom Jahre 391 bis zur Reformation. Die Zeit des einfeitigen Mebergewichtes der göft- lichen Seite über die menfchliche in Chrifti Perſon. Erſter Abſchnitt. Die Feſtſtellung der beiden Seiten in Chriſtus als zweier weſensverſchiedener Naturen in Einer Perſon. Bom Conſtantinop. Concil im J. 381 bis zum Ghalcebonenfifchen im 3. 461. Erſtes Kapitel. Die antiocheniſche Chriſtologie. Disdsr v. Tarſus. Theor dor v. Mopsveſtia. UNeſtorius. Wie Blüthezeit der antiocheniſchen Schule und ihr größefter firchlicher Einfluß fällt in unfern Abfchnitt, theils durch Männer wie Diodor, Theodor, Neftorius u. A., theils durch ben Sieg ihrer Richtung über den Apollinarismus. Ihre Kraft ligt aber nicht auf Seiten theologifcher Speculation; fie verhält ſich zur Trinitätslehre auch in ihrer chriftologifchen Beziehung tra⸗ bitionell, ohne Zweifel in aller Aufrichtigfeit. Ihr Schwerpunkt und ihre fchöpferifche Kraft ligt auf Seiten der Anthropologie (Di o⸗ dor 3. B. hat den Manichäismus und Katalismus befämpft) überhaupt auf ber biftorifchen und empirifchen Seite: doch biefes fo, daß namentlih Theodor v. Mopsveftia auch zu einer ſpe⸗ eulativen Geftaltung des Weltbegriffs fortfchreitet, den er für feine ſehr eigenthümliche Chriftologie verwendet. Die doppelte ſyriſche Schule. 25 Doch bevor wir zum Einzelnen fortgehen,, lohnt e8 auf bie fyrifhe Kirche im Allgemeinen einen Blick zu werfen, beren Geſchichte, noch vielfach dunkel, immer mehr die gerechte Aufmerk⸗ famfeit auf fich zieht und ohne Zweifel in den nächften Jahren noch manche Aufhellung zu erwarten but. Die ſyriſche Kirche zerfällt in zwei Haupttheile. Der weftfiche mit Antiochia ale Mittelpumft hat die Städte Hierapolis, Laodicen, Emefa, Samofata, lauter Namen, die und fchon durch namhafte Männer repräfentirt find. In der öftfichen fyrifchen Kirche find die Hauptpunfte Edeſſa und Nifibis im obern Theil Mefopotamiens ; Seleuria, Cteſiphon, Babylon im fünlihen. In beiven Theilen bes öftlichen waren überaus zahlreiche füpifche n Dan erinnere fih an die neueren Unterfuchungen über bie igna Mianifchen Briefe, die fih an die fürzefte, fprifche von Eureton aufgefundene Recenfion anfchloffen, namentlih an die Arbeiten von Bunfen, Ritfhl, Weiß, ambdererfeitS Baur und Uhl⸗ born. Auch ver neue pfendonyme Fund aus dem Anfang des britten Jahrhunderts, ’Roıysroug gıRovogsnera ed. Miller, bringt viele neue Auffchlüffe über die geifligen Bewegungen in ber fyris ſchen Kirche der erſten Jahrhunderte, und Bunfen in feinem Werte: Dippolytus und feine Zeit Bd. L 1852. dat mit Recht auf die große Bedeutung dieſes Werkes für Kritik und Gefhichte auf: mertfam gemacht. — Der Hiftorifch » kritifche Standpunkt für die Epriftologie, ven unfer erfier Band einnahm, hat durch diefe uner⸗ wartete Entdeckung eine reiche Betätigung gefunden, namentlich auch der wichtige Sad, daß in ver alten chriftlichen Kirche nie eine ebjonitifche Ehriftologie herrſchend war, allervings aber Tange und weit verbreitet eine trinitätlofe Lehre von Chriſti Gottheit fih vorfand, alfo ein Monarchianismus, der Anfangs dem Patris paffianismus ähnlich, allmäplig dem Sabelliantsmus fich zuneigte (See. 3.) nachdem im zweiten Jahrhundert die Kogoslehre in ihrer Entwidlung keine ausdauernde Widerſtandskraft gegen ihn be währt hatte. — Weitere Ausbeute in Betreff der fyrifchen Kirche ſteht noch zu erwarten, wenn es gelingt, bie fortfche Kirchenvers faffungsgeichithte theils mittel des antiochentfchen Zertes der apo= ſtoliſchen Konftitutionen, theils mittelft der im brittifchen Muſeum enthaltenen Schäße aus ver alten fyrifhen Literatur herzuftellen, was auch für die Pfeudo-Elementinen neues Licht verfpricht. Bel. Bunfen: Hippolytus I, 418 ff. — Bidell: Geſchichte des Kirchenrechts 1843. ©. 63. 185 f. 215 ff. 26 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. Kolonieen ; im nördlichen um Chriftt Zeit eine jübiiche Könige: familie. Schnell und ſtill fchlug das Ehriftenthum bier Wurzel ?) - und fand in Edeſſa und Nifibis Stätten höherer gelehrter Bildung, fo daß fchon im zweiten Jahrhundert ein Fürſt Abgarus von Edeſſa, der von 152—187 regierte, und ein Freund bes Bardefanes war, ſich dem Chriftenthbum zumandte *). Was daher oben Band I, 144. 145. über Antiochien und bie alte Blüthe ber weftfprifchen Kirche gefagt ift, gilt in ähnlichem Maaß vom zweiten Jahrhundert an auch von ber ofifyrifchen, Die mit Ar- menien und Perfien in näherer Verbindung fland und oft auch bie aflyriiche beißt. Durch die um die Mitte des zweiten Jahr: bunberts fchon vorhandene fyrifche Ueberfegung des N. T., durch alte chriftliche Hymnologie, Ausbildung des Kultus und der Ber: faffung muß dort frühe das Chriſtenthum nationale Geftalt an⸗ genommen haben. Das rege Leben in ber fprifchen Chriften- beit des zweiten Jahrhunderts bemeifen auch die zahlreichen gnoftifchen Crfcheinungen ’), die Werke des Theophilus von Antiochien und Tatians, (des Aſſyrers b. h. öſtlichen Syrers mit den Eneratiten) deſſen Diateffaron wie die Commentare bes Theophilus und SPrapion ein erwachtes Schriftftudium darthun. Die mefopotamifchen Bifchöfe follen ihre Ordination Anfangs in Antiochia, dann in Jerufalem genommen haben, was wenigftend einen Winf für die innere Gefchichte des Geiftes der bortigen 2) Rah der Tradition durch Adäus und feine Schüler Aghäus und Maris, %) Nah Münzen mit vem Kreuzeszeichen Assemanni Bibl. Or. I, 428. Wichelhaus, de Novi Test. Versione Syriaca antiqua, quam Peschitho vocaut LL. IV. 1850. ©. 50 ff. Wichelhaus nimmt als Entftehfungsort ver Peſchito Nifibis an. % Auch viele Apoerppfen haben ihren Urfprung in den fprifchen Gegenden. — Ferner erinnere man fih an die fruchtbare igna- tianifche Literatur; fovann an die Dinger f. o. Bd. I, 305. ober Nazoräer, die wahrfcheinlich auch auf Oftfprien weifen; ſodann Bd. I, 442. 443. an den Lehrer des Clemens v. Aler. aus Afiyrien und den aus Cöleſyrien; an bie Excerpta Theodoti I, 505 ff. mit den Melchiievelianern. Im dritten Jahrhundert ift dieſe Kirche Oſt⸗Syriens auch als Brüde des Manihäismus wichtig, dem fich befonders der Armenier Arche laus entgegenftellte. Die doppelte ſpriſche Schule. 27 Shriftenheit enthalten kann. Nach Barchochba ftelfte fich Die öſt⸗ liche fyrifehe Kirche unabhängig und ihre Bifchöfe hatten ein Band an dem Biſchofsſitz zu Seleucia, wo hienach zuerft die pfeuboclem. Idee eines Oberbifchofs realifirt wäre. Im dritten Jahrhundert find auffer Serapion, dem Forfcher in der pfeubepigraphifchen %iteratur (Eufeb. H. E. 6, 12.) als gelehrter Presbyter Malchion md Dorotheus (ebendaf. 9, 29. 7, 32) beide zugleich Renner ber griechifchen Literatur zu nennen, an welche fih Rucian, bed edeſſeniſchen Macarius Zuhörer (Vita Luciani Presbyt. et Mar- tvris), des Arius Lehrer (f. o. Bd. I, 733. 802. ff.) als Kritifer befonderg des N. T. mit einer ganzen Schule anfchloß. Aehnliches wird aus dem dritten Jahrh. von einer edeſſeniſchen chrifttichen Schule berichtet, in der Ma carius bie heilige Schrift erflärt haben fol. Die älteften bebeutenden Synoden, bie zu Antiochia gegen Paul von Samofata fallen gleichfalld nach Syrien; und wie biefer, ia vielleicht audh Berpll von Boftra mit jenem fyrifchen Theo: dot us, defien Fragmente wir bei Clemens haben, zufammen- hänge, ift früher gezeigt (I. 505—516. und 551 ff.). Welche Bewegung durch alles dieſes und beſonders durch Paul im weftlichen Syrien bis in den Norden hinauf erregt warb, wo Gregorius Zhaumaturgus mit feinen Brüdern Die armenifche Kirche leitete (welche ihrerfeits wieder mit ber oftfpeifchen in näherer — auch politifcher Verbindung fland) ift "gleichfalls früher berichtet. Bollends aber im vierten Jahrhundert war Nifibis faft ganz chriſtlich; bier blühte der berühmte Biſchof Jakob von Niſibis (vgl. f. Sermones in der Galland. Biblioth. T. V, S. IN—CLVD, fein Schüler Ephräm, ber Prophet der Syrer genannt, in Edeſſa, wo die gelehrte chriftliche Schule mit einer Bibliothek ausgeftattet war. In Oftfprien fand aber auch Audius (Udo) feinen zahl⸗ reichen Anhang (Audianer) ; ferner die Meffalianer (die Beter Esr. 6, 10.) und die Hypfiftarier (f. u.) von ben perfifchen und daldäifchen Einflüffen zu fehmeigen. Die Mefopotamifchen Biſchöfe (von Niftbis, Edeſſa, Amida, Carrhä u. f. m.) erfhienen auf den Synoden zu Nicäa, Antiochia, Conftantinopel, und der Eremit Julianus Saba befämpfte, nach Antiochia gerufen, die Arianer. 28 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. Zur Schule Weftfpriens gehören nach Lucian Eufebius von Emifa, Diodor von Tarfug mit Carterius und dem Schüler Dio dors, Theo dor us nachher Biſchof in Mops veſtia in Cilicien ®). Beſondere Beachtung verdient nun aber noch die nicht unbe⸗ deutende Verſchiedenheit des Geiſtes im weſtlichen und im öſtlichen Syrien, bie ba fie nicht vorübergehend iſt, als eine Doppelte ſyriſche Schule bezeichnet zu werden verbient. Die Befchaffen- beit biefes Geifted zeigt fi) ung fofort, wenn wir nur ben Männern bes wefllichen Syriens (Ser. 2. 3.) Theophilug, Maldion und Dorotheus, Paul von Samofata gegen: überftellen den Tatian, Bardeſanes mit andern bualiflifchen Gnoftifern; aus dem vierten Jahrhundert aber einem Rucian, Di od or von Tarfus und Theodor von Mopfv., einen Aus bins, Jakob von Nifibis und Ephräm. Sie verhalten fi) ähnlich zu einander, wie in Afrika im britten Jahrhundert bie alerandrinifche Schule zur norbafrifanifchen. Schwung ber Fantaſie und Feuer des praftifchreligiöfen Geiftes, Innigfeit und zum ‘Theil Tiefe ber Gedanken zeichnet bie oſtſyriſche Schule aus: aber auch vrientalifches Pathos und Überreihe Bilderpracht 9), Hang zur Myſtik und zur Asceſe. An Klöftern wetteifert Oft: fyrien frühe (feit Hilarion im vierten Jahrhundert) wie Fein % Bol. Sieffert: Theodorus Mopsvestenus V. T. sobrie interpre- tandi vindex. Comment. Regiom. 1827. und mein Weihnachtspro⸗ gramm über Theodori Mopsv. doetrina de imagine Dei 1844. Die Einleitung handelt von der antiochen. Schule. © Diefem Geifle gemäß, ber in den religiöfen Kehren und dem Geiſte der angrenzenden Böller immer neue Anregungen, ja Bermente ohne Zahl erhielt, ift die oftfprifche Kirche befonders productiv in Hpmnologie, Liturgie, in Ausbildung des firchlihen Ritus und ber Berfaffung. Kein Wunder, daß die ignatianiſchen Schriften, in deren Geift namentlid Ephräm wie eingetaucht ift, bier bes fonders ſich einbürgerten und durch frühe Ueberſetzung eine zweite Heimath fanden. Der Verkehr zwifchen beiden Theilen Syriens war übrigens Iebhaft (wie auch der zwifchen ihnen und Aegyp⸗ ten). Griechiſche Sprache und Literatur war in beiden Theilen im Umlauf. Die doppelte ſyriſche Schule. 29 anderes Rand mit Aegypten; biefe Klöfter haben auch zum Theil die Wiſſenſchaft gepflegt, und mit den ägyptiſchen und libyſchen Kiöftern in einem lebendigen Verkehr gefianden. Beide asien an einander Bundesgenoſſen, befonders feit der alte Geift ber ler. Schule einem dogmatiftifchen und möndifchen wich, was für das Verſtändniß der folgenden Gejchichte nah Athanaſius feit Theophilus von Merandrien von Bedeutung ifl. Die weft: ſyriſche Kirche Dagegen „zeigt frühe den Charakter der Nüchternheit, Berfländigfeit, Kritif, am entichiebenften vom dritten bis fünften Jahrhundert. Hat die erfiere einen Bang zur Theofophie und damit einen Anfchliegungspunft an die orientaliichen Religions⸗ fofteme, fo geht bie. weſtſyriſche Kirche von dem feſten Boden der Empirie und Geſchichte aus. Mit Einem Wort die beiden Theile der fyrifchen Kirche geben in einen Gegenfat auseinander, der mit dem Gegenfas zwifchen ber Iutberifchen und reformirten Eonfeffion mande Aehnlichfeit hat, was ich befonders an Ephräm in vielen Punften nachweifen ließe ). Mit Apol⸗ linaris von Laodicea deſſen Geift der ofifprifchen Kirche näher ſteht als der antiochenifchen, dringt ber Gegenſatz auch in bie weſtſpriſche Kirche felbft ein ©), und das mußte einer confolibirten ) Befonvers auch in der Abendmahlslehre. Die des Ephraäm if der bes Ignätius ähnlich (f. 0. Bo. I, 157. 158.). In feiner Chriſtologie tft die göttlihe Seite im entfchiedenen Uebergewicht, aber fo, daß er die Einheit ver Perfon fehr ſtark betont und die arrueliigtacs av Örondtav auch anwendet, um jene an ben Leiden der menfchlichen Seite fich betheiligen zu Taffen. ®), Es verbient Beachtung, daß die Anthropologie des Apollinaris, auf welcher auch feine Chriftologie ruht, mit der des Jacob von Niſibis weſentlich viefelbe iſt (vergl. Jacobi Nisib. VI. Sermo de Devotis $. XIII, Galland. Bibl. T. V. p. XLIX. L.). Die erfie Zeugung gibt nur den Spiritus animalis, qui confirmatur in ventre, daher die Sterblichkeit: erft die heil. Taufe gibt den Geift aus ver Gottheit felbft, der die wahre Perſönlichkeit des Menfchen und zur Auferſtehung des Leibes feiner Zeit behülflich If (ſ. o. I, 992 ff.). Die Ableitung ver apollinariftifhen Trichotomie von Plato genügt nicht, denn das nveuux oder den vous im chriſt⸗ lichen Sinne, nicht blos in Chriſtus fondern auch in den Chriften, in welchen die Idee des göttlichen Ebenbildes verwirklicht. if, . 30 Bweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt 1. Kap. 1. Schule, wie die amtiochenifche war, doppelt empfindlich fein. Die Art, wie bie Antiochener bis auf Theoboret herab fich gegen ben Apollinaris vernehmen laſſen, läßt und eine tiefe Ge⸗ reiztbeit über das Eindringen eines fremben ihnen yolarifch ent- gegengefeßten Elementes fühlen. Die Verſchiedenheit dieſes Geiftes tritt nirgends ſchlagender hervor als an einem Punkt, wo beide ſich in merfwürbiger Weife berühren, in ber Art ber Auslegung.. Beide nemlich treien der allegorifivenden Willfür, wie fie befonders feit Drigeneg berrfchenb geworben war, entgegen und verlangen eine genaue, den grammatifchen Wortfinn beachtende Interpretation. Aber aus entgegengefetem Grunde und zu entgegengefegtem Refultat. Die Audianer im öſtlichen Syrien, die auch nad) Aegypten ſich ver- breiteten (Ser. 4.), gewannen dadurch die Möglichkeit, zu be weiten, daß Gott menſchenähnlich zu denfen fei: „ber Menſch fei Gottes Ebenbild nach dem Leib“; (Epiph. h. 70. Theoboret. h. f. A, 10.) baber fie auch Anthropomorphiten hießen. War aber in Gott eine ewige Menfchheit angenommen, fo konnte Das zu einer apollinariftifchen Chriftologie werben ). Die Antiochener fande Apollinaris in ver platonifchen Trichotomie noch nicht. Aber die chriftologifche Anwendung von feiner Lehre hat, ſcheint e8, Jakob'von Niſibis noch nicht gemadt, fonft würde fogar noch eine beflimmiere Läugnung der menſchlichen Seele Chriftt beraustommen, ähnlich, wie wir diß in der patripaffianifchen und fabellianifchen Reihe fanden. 9% Noch intereffanter ift es, von den Audianern auf frühere Partheien zurückzuſchauen. SBatripaffianifche Vorſtellungen waren von Alters ber in Mefopotamien, vie Minäer (I, 305.) hatten fih beſonders dahin gezogen. Selbft der vom nahen Perfien aus ſich verbreitende Manichäismus nennt das gute Princip patibile. Mit den Mani« häern werden die Audianer oft zufammengeftellt. Rah Theo⸗ doret find ihnen Feuer, Waſſer, Finſterniß im Schöpfungswerf Gottes nicht begriffen gewefen ; aber das kann nit einen abfo- Iuten Dualismus beveuten. Nah Baumgarten: Erufiug Eompendium der Dogmengeſchichte 1840. ©. 117. trägt die Secte das Gepräge jubaifirender Theofophie, an die fih häufig Dualifti- ſches anſchloß. Judaiſirendes Gepräge trägt auch ihre Ascefe und ihre Gebräuche, fie halten an der jüdiſchen Pafchahfeier fef. Die doppelte ſyriſche Schule. 31 dagegen find gegen bie allegorifche Interpretation, weil fie nüch⸗ terne biftorifche Forſchung wollen. Dan darf nicht läugnen, daß fie nicht blos in Betreff des A. T. in biefer Richtung viel ges leitet, fondern auch von der hiftorifchen Perfon Chriſti in mehr als einer Beziehung ein treuered Bild aufgeftellt haben als bie Kirche die großentheils ihre Gabe feit dem fünften Jahrhundert verſchmãhte. Um nun bie Chriſtologie der Antiochener zu verſtehen, — - —— —— — — ⸗ — Reander(Kirchengefch. 4, 1810) der fie gleichfalls judaiſirend findet, erinnert daran, wie auch in den Pfeudoclementinen vom Feuer ähnlich geſprochen werde (als Element des Böfen). Die große Macht fupaifirenden Geiſtes in Oſtſyrien erhellt auch aus den in jenen Gegenden wahrfcheinlih aufgelommenen Selten ver Hpp⸗ fitarier(die Ullmann für eine Miſchung von Judaismus und Parſismus Hält), der Abelonit (von Eljon) und der Coelicolä Auguftins, der Euphemitä und Osoospsis bei Epiphanius und Eyrill von A. Bon diefen Daten aus empfiehlt es ſich folgende ° Zufammenpänge anzunehmen. Der fhon um die Zeit Ehrifti fo mäch⸗ tige Judaismus in Adiabene und in Meſopotamien überhaupt mußte die fchnelle Verbreitung des Chriſtenthums daſelbſt aufferorbentlich begünftigen, (vgl. 1 Petr. 5, 18.) aber auch, obſchon zunächſt von Antiochien der das Evangelium dahin wird übergegangen fein, dem oſtſyriſchen Chriſtenthum eine fupaifirende Färbung auf längere Zeit geben. Das mußte noch mehr eintreten, feit die . Berbindung mit Antiochien abgebrochen oder wenn die Orbination von Yerufalem geholt wurde. Was if ferner wahricheinlicher, als daß nad Jeruſalems Zerflörung unter Hadrian fih viele Juden» hriften aus Yaläftina in diefelben Gegenden zogen und ihre Ans fprüche mit herübernahmen ? Heimifcher konnten fie fih wohl nirs gende finden, als in dem Lande, veffen Bewohner nach der Sage im Norden großentheils Juden aus dem 10 Stämmereich waren, wäh: rend im Süden Mefopotamiens blühende jüdiſche Riederlaffungen waren, und wo der Sinn für hierarchifche Berfaffung und Ausbil dung des Kultus füch fo früh regte? Möglich, daB wenn um bie Mitte des zweiten Jahrhunderts ſich Oſtſprien als eigene unab⸗ hängige Landeskirche conftituirte (Affem. III, 2. 612.) unter Seleucia als oberbifhöflihem Sitz, darin frhon eine Wirkung der pfeudo> clementinifchen Literatur oder Gedanken wahrzunehmen ifl. — Aber ſowohl das Judenthum als das Chriſtenthum in Oftfyrien war 32 3weite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1, muß man ausgehen von ihrer eigenthümlichen Lehre vom Menſchen. Es fommt bier vor Allem ihre Lehre vom göttlichen Eben: bild in Betracht. Das göttliche Ebenbild könne fich, fagt Diodor, nicht auf Das unfichtbare Wefen der Seele beziehen, denn unficht- bar fei auch der Engel und der Teufel; vielmehr beziehe es ſich auf den fichtbaren Theil des Menfchen, bie Einrichtung feines Teibes wodurch er die Natur beberrfche. As Herr oder König — — — — —— — — auch ganz beſonders der Zerſetzung ausgeſetzt, theils durch ein⸗ ander, theils durch die Religionsfpfteme jener Gegenden, die meiſt etwas Dualiftifches und Emanatiftifches haben. Gewann dadurch die Hierarchie um fo mehr Nothwendigkeit, fo konnte fie doch nicht hindern, daß nicht eine Menge von Selten ihr abtrünnig wurden. Diefe fo eben genannten Selten haben nun eine Familienähnlich⸗ feit unter einander, indem bie ältern Zudaiftiiches in Lehre ober aub im Leben und dualififche Elemente ähnlich wie bie Ele mentinen verbinden, fo die Melchifevetianer, die Aublaner und Meflalianer, oder wie die übrigen Genannten, auch bierin den Elementinen und Melcifenelianern verwandt, auf eine Uroffen⸗ barung zurüdgehen, Adam, Melchiſedek, Mofes, Chriftus u. f. -w. als Propheten des höchſten Gottes bezeichnen und fo einen religiös fen Spneretismus bilden, auf einer von Dualismus immer mehr ra Orundlage. So die Hppfiftarier (vom Ysos Uyparog, rar 28 Genef. 14, 18.) welche das Feuer und Licht für einen Ausfluß des guten Principe anfahen und ven Sabbath Bielten, bie Coelicolae und Geocepeis im vierten und fünften Jahrhundert. Wie in ſolchen Sekten in der Nähe Arabiens Sec. 5. der Muha⸗ medanismug mit feiner fpneretiftifchen Uroffenbarungsliehre und mit feiner Annahme verfchiedener Propheten eine Vorbereitung hatte, bedarf feiner näheren Auseinanderfeßung. Aber neben dieſen Selten fand in Oſtſyrien die Kirche, befonders im vierten Jahr⸗ hundert mächtig und blühend da. Erfuhr fie auch Einwirkungen von den genannten Partheien, fo brachte fie es Doch zu einem fehr beflimmten Charakter, ver feit der zweiten Hälfte (Sec. 4.) auch auf andere Theile der chriftlichen Kirche, zunächſt die weſtliche fyrifche vielen Einfluß gewann. Das Behikel dazu war nament- lich das dort feflgewurzelte aber immer weiter fi auch im weft lichen Sprien verbreitende Mönchthum und Klofterleben, das fi vielfach au mit wiffenfchaftlichen Fragen befchäftigte. Es dürfte Iohnen, von biefen Daten aus die Unterfuchung über den Ent: ftebungsort der Pſeudoclementinen zu erneuern. Diodor. Theodor. 33 auf Erden trage er Gottes Ebenbilb, als Haupt ber fichtbaren Schöpfung ; daher auch bei Paulus 1. Cor. 11, 3. dem Mann, dem Haupte des Weibes, Gottebenbifblichfeit zugefchrieben fei, dem Weibe nicht, was doch der Fall ſeyn müßte, wenn die Gotteben- bildlichkeit fich auf die Seele bezöge. Auch Theodor v. Mopsv. läugnet das Lestere; aber gegen Diodor bemerft er, daß Macht und Herrfchaft auch die Geifter haben, felbft die Böſen, ofme je gottebenbildlich zu heißen. Das fomme allein im ganzen All dem Menjchen zu, müſſe alfo eine ganz eigenthümliche Hoheit deſſelben vor allen andern Wefen bezeichnen. Alle Elemente der Erde wie die Thiere und die Lichter des Himmels haben nach einem ihnen eingebornen Geſetz ihren ges meinfamen Strebepunft im Menfchen dem fie dienen follen. Aehn⸗ liches fei von den Geiftern gefagt Hebr. 1, 14. So ift der Menſch, obwohl zum Univerſum gehörig doch der zufammen- faffende Eimheitspunft ber geiftigen und fichtbaren Welt und nimmt Gottes Stelle in der Welt ein; er ift der kosmiſche Gott. Denn wie Alles, Unfichtbares und Sichtbares, feinen Einheitspunft hat, den Schöpfer, fo will er, daß durch den Menfchen, ben Zeugen feines Dafeyns, Alles auf Erden verbunden fei, indem es zu feinem Wohle zufammentrifft. Der Menfch, diefer kosmiſche Gott Teiftet aber auch ber Welt wieder etwas. Denn die Welt wäre unvoll- fommen, wenn nicht ihre Unterfchiede und Theile auch in eine lebendige Einheit gebracht wären. Das num gefchieht durch ben Menfchen. Da Gott diefe Welt mit ihren Gegenfäten, Sterblichem und Unfterblihem, Bernünftigem und Unvernünftigem, Sichtbarem und Unfichtbarem in eine Einheit zufammenfaflen wollte, fo Bat er den Menfchen hingeftellt, das Iebenbige Band des Allg, das fichere Unterpfand der allgemeinen Freundſchaft und Harmonie. Daber bat er den Menſchen gefchaffen, nach dem Leibe aus allen vier Elementen, Teuer und Waſſer, Quft und Erde zufammenge- bildet und biefer fichtbaren Welt verbrübert, nach bem Geifte ber Geifterwelt ähnlich. So verlangte das AU nad) der Einheit ber Gegenfäge, deren lebendige Gegenwart der Menſch iſt. Die Schöpfung, die fi in bie zahliofen Gegenfäge ausgebreitet hatte, deren höchfte Spige der Dualismus bes Geiſerreihes und der Dorner, Chriſtologie. IL 2te Auf. 34 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 1. materiellen fichtbaren Welt ift, fucht und findet im Menſchen, ber biefen Gegenſatz wieder in eine Einheit zufammenfaßt, ihren Ab- ſchluß. Der Menſch ift das höchfte, die Einfeitigfeiten außer ihm überwindende Gefchöpf. 19) Hiernach könnte man denfen, daß nah Theodor entweder der Menfch als folcher Gottmenfch (Gott auf Erden) oder für einen Oottmenfchen feine Stelle übrig fei. Aber wie es fi biemit verhalte werben wir bald feben. Man könnte ferner vermuthen, daß auh Theodor wie bie Hfeuborlementinen und Audianer Gott geftaltet, oder doch bag Sichtbarwerben Gottes als etwas zu feinem Begriffe gehöriges ge⸗ dacht habe, da ihm ja der Menſch als Einheit des Sichtbaren und Unfichtbaren gottebenbilvlich heißt. Aber Theodor fann auch ben Menſchen als eine aus den Weltgegenfägen fonftituirte Ein- heit gedacht haben, während ihm dagegen Gott ihre ſchöpferifche Einheit ift, die nicht blos fie, fondern auch den Menſchen umfaßt. Da ferner der Menfch bereits ber fichtbare Gott ift in der Welt, ſo lag für folche Betrachtung ber Gedanfe von einem nothwen⸗ bigen Sichtbarwerben Gottes fehr ferne. her fünnte man fragen, warum bie Einheit, wenn fie fehon in Gott gegeben und verbürgt ‚o Wie weit gebt in diefer Beziehung Theodor über Drigenes hin— aus, mit dem er in anderer Beziehung (wie mit der Elementin. Anthropologie) fo viel Berwandtes hat! Denn wenn der Menſch höher ift als die reinen Geifter, fo ift die Vorausſetzung offenbar, daß die Materie dem Geifte einen weiteren Vorzug gebe, der ibm ohne fie fehlen würde. Gewiß hat der gegen den Dualismus und Manichäismus von ter antiochenifhen Schule lebhaft ge: führte Kampf hiezu wefentlich beigetragen. Diodor hatte (Phot. Cod. 83) gegen die Manichäer 25 Bücher gefchrieben ; ebenfo gegen die eluapusvn wobei er auch Dualiften, wie Bardefanes be ſprach (Cod. 223); Theodor gegen die Magie in Perfien (Cod. 81) wobei er Zor oaſter's Lehre darftellte und ihr die mofaifche Cosmogonie entgegenfeßte. Diefer Kampf drängte zu jener ſtarken Betonung der Einheit der Welt und zur Ausfcheidung der voriger niftifchen Lehre von der Materie Dadurch ift auch Theodors Stellung zum Auguftinismus den er nur durch Hieronymus Aram, (Phot. Cod. 177) kennt, beftimmt. Theodor von Mopsvefta. 35 iſt, noch ‚befonders bargeftellt werde im Menfhen? Aeltere Lehrer hatten dem ewigen Worte die Stelle zugewiefen, Die Theobor dem Menſchen zutheilt (3. DB. bei Methodius de Sym. et Anna ed. Fabr. 409 heißt der ewige Sohn ousdcouos, ovduos bei Alls); ihn als das Band bes All bezeichnet, das durch Alles binducchgebe. Theodor läßt dem Logos biefe Stelle (Phot. ed. Becker, Cod. 177. ©. 123) ; er wird unter den Bertheibigern ber Kirchenlehre gegen den Arianismus genannt. Warum fucht er nun noch ein anderes Band und Unterpfand ber Einheit ber Welt, als den Logos? Ohne Zweifel, weil ihm die Einheit, die der Logos als fehöpferifche Cauſalität der Welt bildet, eine der Welt felbft äußere nicht immanente und eine mit dem Schöpfungsafte felbft vergangene war. Diß wird noch deutlicher, wenn man be denkt, Daß ihm bie Welt, bie der Logos heronrgehen ließ, eine freie war. Hier nun tritt fein ethifcher Standpunkt in feiner ganzen Bebeutung hervor. In ihm findet er die Möglichkeit ja Nothwendigkeit einer Chriftologie wieder, obwohl er bie Möglich⸗ feit, fie mit der Kirchenlehre als eine Erſcheinung Gottes zu denen, verloren hat. Frei mußten die Seelen geichaffen werben, und zuerſt bag Wiflen von einem Gefege mit ber freien Wahl erhalten, bevor fie mit unwiberftehlicher Liebesmacht erfüllt wurden. Auf das Lernen des Guten und des Gehorfams mußte unfre Natur ein: gerichtet werden, denn fonft hätte das Gute in ung ein vernunft- loſes Seyn haben fünnen ohne ficheres eigenes Wiffen von dem was gut und böfe ift. , Sonach ift ed allgemeines ethifches Geſetz, Daß die Boll: fommenheit nicht ſchon mit den Anfängen des Menfchen gegeben fein fann; in die Mitte zwifchen den Anfang und das Ende muß ein ethifcher Proceß fallen, der Wiffen und Wollen umfchließt, eine reale Gefchichte. Hat dieſe ihr» Ziel erreicht, fo bebarf es nah Theodor nicht, wie Origenes wollte, der fteten Möglich feit neuen alles; die Freiheit mit der unwiberftehlichen Liebes⸗ macht erfüllt fann nicht mehr fallen, und das ift nicht ihr Unter: gang fondern ihre Bollendung. Aber allerdings Tonnte jene königliche Würde des Gottes auf Erden dem Menfchen noch nicht 3 % 36 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 1. fofort beimohnen, da er aus Gottes Hand hervorgieng. Dazu fommt nun noch der Sündenfall. Durch biefen ward erftens im Menfchen das Band zwifchen Geift und Leib gelöst, bie Seele zog ſich vom Leib zurüd, woraus nicht blog der Tod als Noth- ‚wenbigfeit, fonbern auch eine folche Selbftftändigfeit des Leibes folgte, wornach dieſer fich feindlich gegen die Seele verhält. Statt baß die urfprüngliche in löglicher Form vorhandene Einheit wäre befeftigt worden durch Gehorfam, wurbe fie gelöst, und für bie Welt gieng das Pfand und das Band ber Einheit verloren. Die höhere Geifterwelt, welche (Le. 15, 7) liebend Theil nahm an dem Menfchen und dem Sichtbaren vorfland zu unferem Nutzen, wurde betrübt, und ung entfrembet, ja da die Sünde und die Macht des Todes immer weiter fortfchritt, verzweifelte fie an ung und wurde und gram um bes angerichteten Unheils willen; jie wandte fi) von ung ald von Fremden ab, weil von da Zwietracht und Bürgerkrieg ausgebrochen war, wo Friede und Eintracht aller Gegenfäge ihren Sit hatten aufichlagen follen. ’") — — — 1 Die Nachkommen Adams ſündigen nicht Yvası ſondern yrayy (Phot. Cod. 177. ©. 121. und meine Diſſert. ©. 19 ff.). Sie haben noch Freiheit und Wiffen von gut und bis (©. 14. Not. 17). Aber fie haben das Band zwifchen Leib und Seele, das in Adam nur löslich aber doch vorhanten war, als ein gelödtes, nahezu zer riffenes angetreten. Und aus ter Selbfländigfeit des flerblichen Leibes mit feinen Begierden und feiner Veränderlichkeit ergaben füch für Alle Anfechtungen, Berfuchungen ver Freiheit. Schon hier weicht Theodor von Pelagius ab, und nimmt einen Erbfehler ver Nachkommen an, obwohl er Sünte nur fieht, wo wirklicher Frei⸗ heitsaft if. Wenn er ferner darin vem Pelagiug ähnlich ſcheint, daß er auch für Adam eine Nothwendigfeit des Sterbens annahm, fo it au bier die Differenz die, daß er die Nothwendigkeit bes Sterben, die freilihd Adam von der Schöpfung her mitgebracht habe, ableitet aus dem von Gott vorhergefehenen Falle. Gott habe, weil er ihn vorher wußte, gethan, was er fonft würde unter: laffen haben, er habe den Menfchen gleich mit ver Notwendigkeit zu fterben gefchaffen. Der Tod würde ja doch, meint er, aus ber Sünde gefloffen fein. Dadurch wird freilich Adam uns gleich» geftellt ; nicht blos in Beziehung auf Sterblichkeit, fonvern folges rihtig auch in Beziehung auf die Sünde. If Adam fchon ges Theodor von Mopsveftia. 37 Durch den Fall des Dienfchen fehlte Gotte Die Kreatur, in beren Anfchauung er bie Welt als Eine, barmonifche anfchauen konnte. Zwar auch ohne den Fall wäre biefe Einheit in Adam noch nicht vorhanden, fondern erft zu verwirklichen gewefen ; in Adam wie er aus Gottes Hand kam, ift die Schöpfung noch nicht vollendet, Die Vollendung fett ja erſt eine ethiſche That des Menfchen voraus. Aber durch Adams Fall und die nad ihm fi) mehrende Sünde geſchah es, daß die Welt nicht bios noch nicht vollendet, fondern in Aufruhr und Kampf verfebt warb und faum noch ihres Namens (noauos) werth blieb. Jedoch blieb Gott der Hüter ber urfprünglichen Weltivee und der bee ber Gortebenbilvlichfeit des Menſchen, und diß ift der Grund ber fhaffen mit viefem zerrifienen Band zwifchen Leib und Seele, fo ift au von Anfang an in Adam der Wiperfpruch und bie ungelöste Feindſchaft zwifchen Leib und Seele, auf bie er fonfl ein fo großes Gewicht Iegt, und die Sünde des Falls iſt dann empirifh nothwendig durch die Schöpfung mit verurfaht, was fupralapfarifch lautet. Das will er nun freilich nicht, kann aber diefe Eonfequenz nur abmwenven, indem er den natürlichen Berlauf der gefihichtlichen Saufalttäten wieder aufhebt und bo- fetifch behandelt, alfo fagt: nicht die anerfchaffene wirkliche Sterb⸗ lichkeit wirkte bei Adam den Fall, fondern feine Freiheit, wie er in Beziehung auf ven Tod die reale Berurfahung umgekehrt in Gott verlegt und feine fchöpferifche That, alfo der realen Sünde 8 abfpricht, von dem wirklichen Zod die Urfache zu fein. Daß diefes die Schuld und die reale Saufalität der Sünde bofetifch macht, ift offenbar. Er nähert fich bier fener Lehre von einer intelligibeln Freiheit (der origeniftifche Präexiſtentianismus findet ſich nicht bei ihm) die ihren Gang geht, während die reale Welt des Leiblichen ihre fefte Berkettung nach Art eiferner Nothwendig⸗ keit von Anfang au hat. Wir werden finden, daß biefes au für feine Epriftologie von Belang if. Gott hat die fichtbare Belt fo eingerichtet, wie er nach feinem Borherwiffen von dem Sreipeitsgebrau Adams und feiner Rachlommen es angemeflen und gerecht fand. Aber obwohl auch hierin noch etwas von der Einheit der Welt übrig bleibt (die Sterblichkeit des Leibs trifft den Geiſt als feine Strafe), fo wäre doch, wenn es bei biefem bürftigen Anfang ver Welteinheit bliebe, nur zugleich Sünde und Unfeligleit verewigt. 38 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. Menſchwerdung Gottes. Durch Chriftus ward die Welt zur Welt (xoouog), wurden bie, welche nach der Schrift Alle Götter und Söhne des Höchſten fein follten, aber wie Dienfchen ftarhen, wirk⸗ liche Gottesſöhne. Mit dem Vorſtehenden ift bereits gegeben, daß Theodors Chriftologie ganz anders als alle bisherigen Formen berfelben ausfallen mußte. Einmal erhielt die Menfchheit Chrifti eine ganz wefentlihe Stellung, er mußte das wahre und wirkliche Ebenbild Gottes fein, das Adam fein follte, aber nicht mwurbe. Er ift als ein unentbehrlicher Theil bed noouos des Weltgutes gedacht, wofür wir nur Anklänge bei Jrenäus und Tertullian fanden. Zweitens ift damit verbunden die ethifche Richtung welche auch für Chriftus, fofern er wahrer Menſch fein muß, eine ethifche Entwicklung verlangt. ine Träftige Tendenz zum Erhifchen hin haben wir bis jest faft nur bei Yactantiug und Origenes gefunden. Aber jener faßt nicht bie Freiheit als ein mefentliches Element des Ethiſchen auf, fondern bleibt in der dogmatifchen Betrachtung ftehen, wornach Chriſtus die Er⸗ fheinung,, Offenbarung des lebenbigen Geſetzes, feine perfönliche Gegenwart if. Origenes aber verbunfelt feine Chriftologie durch den Dofetismus feiner Präeriftenzlehre, die er auch auf Chriſti Seele anwendet. Ihm ift gleichwohl Theodor am ver: wandteften, nur daß er in dieſer empirifchen Welt fefteren Fuß faßt und das Entfcheidende auch für die überfinnliche Welt durch bie Menfchwerbung bier auf Erden gefchehen unb bewirkt werben läßt. 2) Die Erlöſung beſteht dem Theodor vornemlich in der Aufer⸗ fledung und dem ewigen Leben, d. h. der Ueberwindung bes Tores, der Strafe der Sünde, nicht ver Schuld oder der Sünde felbft: ahnlich, nur nicht fo bewußt erclufiv, hatten auch Männer wie Athanafius auf die Erwerbung ver Uinfterblichfeit das Haupt» gewicht im Werfe Chrifti gelegt. Aus ver Weberwinpung ver Sterblichkeit leitet vann auh Theodor das Ende der irdifchen Zendenz unferer Natur, ihrer ungeorbneten und böfen Luft ab, und es fann nun, nachdem ver Menſch zur gottebenbilplichen Einpeit dur den Fürſten des Lebens hergeſtellt if, der heil. Geift Theodor von Mopsveflia und Diobor. 39 Der Punkt der am meiſten die Eigenthümlichkeit ber Ehrifto- logie des Diodor v. Tarfus und des Theodor ing ich den Menfchen fo durchſtrömen, daß diefer nicht mehr abfallen und fündigen fann, fonvdern im unaufpaltfamen Drange ver Liebe wahrhaft frei if. In das irdiſche Chriftenteben fällt alfo von ber Erlöfung eigentlih nur das Wiffen der künftigen, nicht einer gegenwärtigen Erlöfung, nur die Berheißung, was wejentlich alt teftamentlih if. Das ift von Chrifti Amte her das Seitenftüd zu jener ebjonit. eſchatol. Ehriftol. (ſ. o. 1, 230 ff.) Die Heil. Taufe gibt nad ihm die Berheißung vieles Auferfiehunggleibes und des ewigen Lebens, die Hoffnung durch den heil. Geiſt; daher kann er durch die Kintertaufe nicht in Berlegenpeit kommen, fondern ohne eine Erbfünde zu ftatuiren, weiß er ihr eine Beveutung zu geben — die freilich der Johannistaufe auf ein kommendes Reich Gottes fehr Ähnlich if. Doc ſtärkt ung die Taufe als Pfand ber Berheißung im irdiſchen Kampf. Der Auferflandene gibt ung in der Taufe das Pfand, daß auch wir auferfiehen und ohne Geſetz im hl. Geift fündlog fein werben; fle it Symbol und Unterpfand der fünftigen Wiedergeburt, von der dem rein gefeßlichen jubaiftifchen Standpunkt auch die Ahnung abgeht. Wenn er ferner gleich ven Kindern Sünde abfpridt, und ihre Taufe nicht zur Vergebung vergangener Sünden gefchehen läßt, fo nimmt er doch eine Neigung (Conz) zum Böfen in unfrer Ratur an, die erft mit der Auf erſtehung aufhöre, vergl. Phot. Cod. 177. Spicileg. Rom. ed. A. Mai T. IV, Comment. Ep. ad Rom. ©. 502 ff., 510. Für das Diefleits wird nur eine Nachahmung (ulunoıs) des fünftigen Lebens xara 16 dvraro» verlangt, das rein fein Wollen; (Comm. ad Rom. 7, 4. 6, 12. cf. Catena in Epp. ad Corinth. ed. Cramer, Ox. 1841 zu 1 Cor. VI, 15). Eine Wiedergeburt im Dieffeits nimmt er nicht an, fondern nur eine Bergebung der vergangenen Sünden, befonvers im heif. Abendmahl 1. c. zu 1 Cor. XI, 34. Eine größere Bedeutung erhält aber jene Verheißung weil fie fo ernft gemeint it, daß fie an Allen wird verwirflicht werben. Er lehrte mit Drigenes eine Ayofataftafis, aber eine bleibende (Comm. ad Rom. 5, 20. moAAoi fey narreg vgl. Phot. Cod. 177), nicht ohne bie ges rechte Strafe für die Böfen (zu 1 Cor. IH, 15), melde nur wie ein Brand aus dem Feuer mögen gerettet werben. Die Kreiheit bildet ihm überall die Vermittlung zur Erlöfung: die Gnade wird nur Denjenigen zu Theil, von welchen Gott fieht, daß fie ihre Freiheit gut gebrauchen werden, und au nah Mittheilung jenes Pfandes ver Hoffnung kommt es no auf freie treue Bewahrung an. AO Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt L. Kap. 1. ſtellt, ift der Freiheitsbegriff. Auch Apollinaris geht bei feiner Chriftologie von ihm aus; er fagte: hat Chriftus eine menſch⸗ liche Seele wie wir, fo hat er auch bie Freiheit; darin ift er mit den Antiochenern völlig eins. Aber während nun Apolli- naris fortfäßrt: mit ber Freiheit wäre auch Wandelbarfeit in Chriſtus (ro zosnzor), daher fann er feine menfchlihe Seele haben, fo antwortet die Kirchenlehre zuverfichtlich: Die menfchliche Seele durfte ihm nicht fehlen; mit Unficherheit aber wird bie Frage befprochen, wie es ſich dann mit Chrifti menfchlicher Frei⸗ beit verhalte. 1) Die Einen rechnen die Wahlfreiheit gar nicht zum Weſen menfchlicher Natur, und meinen, dem Gottmenfchen ohne Weiteres die Freiheit zufchreiben zu müffen, die Gott zufömmt. Sp Hilarius (I. 1059 Anm. und 1070 Anm), Athanafiug (S. 973. 1071), Gregor v. Naz. (S. 1075 f.). In den andern Menfchen ift Labilität, denn die Schöpfung ift in ihnen noch nicht vollendet — aber in Chriftus ift fie vollendet, daher ift in ihm von Natur bie wahre Freiheit, die Freiheit im Guten, mit Aus: Schluß jeder Möglichfeit des Gegentheild befeftigt. Hier erfcheint bie Wahlfreiheit nur als ein Mangel, nicht als ein Gut. Allein biemit war nur bei bem Zotalbilde von Chriftus ftehen geblieben, wie ed fih vom Stanbpunft feiner Erhöhung und weltgefchicht: lichen Bedeutung, oder vom göttlichen Rathſchluſſe aus ergibt. Andere, welden eine tiefere Einficht in den Freiheitsbegriff nicht fehlte , fei es auf origeniftifche Anregung, fei es im Kampfe mit fataliftifchen Syſtemen auch bdualiftifcher Art, lehren zwar aufs Beftimmtefte, daß die Wahlfreiheit ein Gut fei, wenn die Rebe ift von den Menfchen überhaupt, aber fir Chriftus verwandeln fie diefelbe in das zosmror, d.h. in die Veränberlichfeit, Leidens⸗ fähigfeit, Entwicklungsfähigkeit d. h. paſſive Entwidelbarfeit, aber faſſen fie nicht als Kraft der Selbſtbeſtimmung. So Gregor v. Nyſſa. Gegen alle biefe währt der Proteſt der apollinari⸗ ſtiſchen Schule mit Recht fort und behauptet: die Verwerfung bes Apollinaris durch die Kirche fei eine ungerechte, fo lange fie 13) ©. o. I, 973. 987. 1059. beſonders 1071—1075. Theodor von Mopsveftia. 41 in dem für ihn wefentlichen Punkt baffelbe Iehre, was Apollis naris. Demmn felbftlod hatte er Chrifti Menfchheit machen wollen, um ihr nicht Wahlfreiheit zufchreiben zu müflen, und fo die Ein- beit der gottmenfchlichen Perſon, ſowie die Sicherheit der Er Iöfung zu bedrohen. Aber ganz baffelbe thun die Kirchenlehrer, indem fie die eigentliche Wahlfreiheit Jeſu abfprechen; ja fie fegen an bie Stelle des menfchlichen auzekounor, worin ihm das Weſen des gewöhnlichen menfchlichen vovc ligt, Die überwältigende und allein berrfchende Macht des Logos. Wäre in ber Forderung einer wahrhaft menfchlichen Seele nicht die Wahlfreiheit enthalten, fondern blos die phyſiſche Veränderlichfeit, oder nur bie Yvoxs dexrixij für Entgegengeſetztes (1. 1071) — (die aber in Chriftus von Anfang an fchlechthin vom Guten erfüllt war, fo daß die Empfänglichkeit für dag Gegentheil und felbft Kampf nur in ab- stracto benfbar bleibt): fo hätte es dem Apollinarig gar nicht fehwer werben fönnen „ eine foldhe menſchliche Seele zuzugeben Die nichts ift als eine Vielheit yon geiftigen Kräften in einem Leibe, welche vom Logos beberrfcht werden. Hier ift es mm, wo bie antiochenifche Schule in die Ent: widlung eimgreift, vor Allen Theodor. Mit Apolli: naris fagt er, daß zur wahrhaft menfchlichen Seele auch bie Willensfreiheit, die Selbftbeftimmung gehöre; aber gegen ihn flimmt er mit der Kirche in der Forderung zuſammen, daß in Chriſtus eine. wahre menfchliche Seele fe. Wenn er zu biefer wahren menfchlichen Seele auch die Freiheit rechnet, fo war dieſer bis dahin nur fchlichtern behandelte Punkt kirchlich noch nicht entjchieden und er verfährt mit dem ehrlichen Bemußtfeyn, bamit in ber Linie fortzugeben, die mit Recht von ber Kirche einge- ſchlagen und gegen Apollina ris fo eben eingehalten war. Denn wo bfiebe die Wahrheit der menfchlichen Seele und Entwicklung, wenn bie menſchliche Natur nur bas fchlechthin unfelbftändige Organ ber göttlichen, nur eine Ericheinungsform berfelben wäre? Ya, wo bliebe die Menfchwerbung felbft, wenn wir in Chriftus nicht einen wirklichen Menſchen, fondern nur den Schein eines Menfchen zu fehen hätten, hervorgerufen durch eine fremde Macht, den Logos, ber eine Summe menfchlicher Kräfte und Attribute 40 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchniti J. Kap. 1. ſtellt, iſt der Freiheitsbegriff. Auch Apollinaris geht bei ſeiner Chriſtologie von ihm aus; er ſagte: hat Chriſtus eine menſch⸗ liche Seele wie wir, ſo hat er auch die Freiheit; darin iſt er mit den Antiochenern völlig eind. Aber während nun Apolli⸗ naris fortfährt: mit ber Freiheit wäre auch Wanbelbarfeit in Chriſtus (ro zosmeor), daher kann er Feine menfchliche Seele haben, fo antwortet die Kirchenlehre zuverfichtlich: die menſchliche Seele durfte ihm nicht fehlen; mit Unficherheit aber wird Die Frage befprochen, wie es ſich dann mit Chrifti menfchlicher Frei⸗ beit verhalte. 1) Die Einen rechnen die Wahlfreiheit gar nicht zum Wefen menfchlicher Natur, und meinen, dem Gottmenfchen ohne Weiteres die Freiheit zufchreiben zu müffen, die Gott zufdmmt. Sp Hilarius (I. 1059 Anm. und 1070 Anm), Athanaſius (S. 973. 1071), Gregor v. Na; (S. 1075 f.). In den andern Menfchen ift Labilität, denn die Schöpfung ift in ihnen noch nicht vollendet — aber in Chriftus ift fie vollendet, daher ift in ihm von Natur die wahre Freiheit, die Freiheit im Guten, mit Aus: ſchluß jeder Möglichfeit des Gegentheils befeftigt. Hier erfcheint bie Wahlfreiheit nur als ein Mangel, nicht als ein Gut. Allein biemit war nur bei dem Totalbilde von Chriftus ftehen geblieben, wie es fih vom Standpunkt feiner Erhöhung und weltgefchicht: lichen Bedeutung, oder vom göttlichen Rathſchluſſe aus ergibt. Andere, welchen eine tiefere Einficht in den Freiheitsbegriff nicht fehlte , fei e8 auf origeniftifche Anregung, fei e8 im Kampfe mit fataliftifchen Syſtemen auch dualiftifcher Art, lehren zwar aufs Beftimmtefte, Daß die Wahlfreibeit ein Gut fei, wenn die Rebe ift von den Menfchen überhaupt, aber für Chriftus verwandeln fie biefelbe in bad zoemror, d. h. in die Veränberlichfeit, Leidens⸗ fähigfeit, Entwiclungsfähigfeit d. h. paffive Entwickelbarkeit, aber faffen fie nicht als Kraft der Selbfibeftimmung Sp Gregor v. Nyſſa. Gegen alle diefe währt der Proteft der apollinari- ftifchen Schule mit Recht fort und behauptet: die Verwerfung des Apollinaris durch die Kirche fei eine ungerechte, fo lange fie 12 &, o. I, 973. 987. 1059. befonvers 1071-1075. Theodor von Mopsvefia. 4 in dem für ihn weſentlichen Punkt baffelbe Iehre, was Apolli⸗ naris. Denn felbftlos hatte er Chrifti Dienfchheit machen wollen, um ihr nicht Wahlfreiheit zufchreiben zu müffen, und fo die Ein- beit der gottmenſchlichen Perfon, ſowie die Sicherheit der Er- löſung zu bebrohen. Aber ganz daffelbe thun bie Kirchenlehrer, indem fie die eigentliche Wahlfreiheit Jeſu abfprechen; ja fie fegen an bie Stelle des menfchlichen avrefovoor, worin ihm bag Wefen des gewöhnlichen menfchlichen voüs ligt, die überwältigende und allein herrſchende Macht des Logos. Wäre in ber Forderung einer wahrhaft menfchlichen Seele nicht die Wahlfreiheit enthalten, fonbern blos die phyſiſche Veränberlichkeit, oder nur Die gvoıs dexzenn für Sntgegengefettes (1. 1071) — (die aber in Chriſtus von Anfang an fchlechthin vom Guten erfüllt war, fo daß bie Empfänglichfeit für das Gegentbeil und felbft Kampf nur in ab- stracto benfbar bleibt): fo hätte ed dem Apollinarig gar nicht ſchwer werben fünnen „ eine folche menschliche Seele zuzugeben bie nichts ift als eine Vielheit von geiftigen Kräften in einem Leibe, welche vom Logos beherrſcht werben. Hier ift es nun, wo bie antiochenifche Schule in die Ent: widlung eingreift, vor Allen Theodor. Mit Apolli—⸗ naris fagt er, daß zur wahrhaft menfchliden Seele aud die Willensfreiheit, die Selbfibeftimmung gehöre; aber gegen ihn ſtimmt er mit der Kirche in der Forderung zufammen, daß in Chriſtus eine wahre ‚menfchliche Seele fe. Wenn er zu biefer wahren menſchlichen Seele auch die Freiheit rechnet, fo war dieſer bis dahin nur ſchüchtern behandelte Punkt kirchlich noch nicht entfchieden und er verfährt mit dem ehrlichen Bewußtſeyn, Damit in ber Linie fortzugeben, die mit Recht von ber Kirche einge: fhlagen und gegen Apollina ris fo eben eingehalten war. Denn wo bliebe die Wahrheit der menfchlichen Seele und Entwicklung, wenn bie menfhlihe Natur nur das ſchlechthin unfelbftändige Organ ber göttlichen, nur eine Erfcheinungsform berfelben wäre? ‘a, wo bliebe die Menfchwerbung felhft, wenn wir in Chriſtus nicht einen wirklichen Menfchen,, fondern nur den Schein eines Menfchen zu fehen hätten, heroorgerufen durch eine fremde Macht, ben Logos, ber eine Summe menfchlicher Kräfte und Attribute 42 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt 1. Ray. 1. ohne menſchlichen Einheitspunkt um ſich zuſammengebracht hätte, nicht um Menſch zu ſein, ſondern um Menſch zu ſcheinen oder als Gott durch einen Scheinmenſchen als ſein Organ zu er⸗ ſcheinen. Ein ganz anderes Bild von Chriſtus trat ihm, dem ſorgfältigen Schriftforſcher auch aus dem N. T. entgegen. Da iſt Chriſtus wahrer Menſch, fein Wachsthum, feine Verſuchung und ſeine Leidensgeſchichte bezeugen es laut. Wie ſehr durch dieſe ſeine Prämiſſen das chriſtologiſche Proͤblem erſchwert werde, war ihm nicht verborgen. Alles ſcheint weit ebener zu gehen, wenn des Apollinaris Anſicht ange⸗ nommen oder mit ber Kirche vor Theodor auf bie Frage ver⸗ zichtet wird, ob auch Freiheit zur Menſchheit Chrifli gehöre. Aber wenn er fi) aus den angegebenen Gründen an bas Pro⸗ blem macht, die Einheit der Perfon aus jenen nicht verkürzten Prämiffen zu conſtruiren, fo unterftügt ihn dabei der ‚höhere Freiheitsbegriff, den er aufftelt, und ben er vielleicht noch im Kampfe mit dem Arianismus gewann. Diefer war, wie wir wiffen, den Kirchenlehrern befonders um der Wandelbarfeit willen verhaßt, Die Arius dem Sohn Gottes zufchrieb (vgl. I. 973). Das hätte auch Theodors Anficht treffen müſſen, wenn er das zoerzov ſchlechthin — (alſo phyſiſch und ethifch, fowie fir immer) — dem Gottmenfchen auch nur nach feiner menfchlichen Natur zugeichrieben hätte; denn auch fo wäre bie ganze Sicherheit ber Erlöfung für das chriftliche Bewußtſein verloren gegangen wie auch die Offenbarung nie eine vollendete Geftalt hätte annehmen fönnen. Denn zu biefer gehörte Menfchheit, aber nicht ewige Schwanfung. Aber Theodor fieht weder Freiheit mo blos göttliches Thum ift, noch auch faßt er fie als die bloße Agilität des Wahlver- mögend (wie Drigenes), fondern die Wahlfreiheit ift ihm zwar ein nothwendigeds Moment im Freiheitsbegriff, aber nicht das Ganze. Zum ganzen Begriffe der Freiheit rechnet er ebenfo fehr aud) die Einheit mit dem beftimmenden göttlichen Geift, ja die wahre Freiheit ift ihm die höhere Einheit von Wahlfreiheit und Nothwendigfeit, — die er in der unaufbaltfamen Macht ber freien Liebe verwirklicht fieht. Aber gerabe dieſer wahre Begriff Theodor von Mopsveftia. 43 von menfchlicher Freiheit geftattet es nicht, fie als fertig gefchaffen zu denfen, fondern forbert einen Proceß der gegenfeitigen Durch⸗ dringung des Freien und des Nothwendigen. In dieſem Proceſſe ſieht er den ethifchen Charakter der Freiheit; phyſiſch Dagegen wäre es ſowohl, wenn man die Freiheit als eine von Anfang an, wie fie gefchaffen ift, fertige anfähe, fei es ale Wählfreiheit, fei es als Beſtimmwerden durch den göttlichen Willen. Er will eine Eini- gung des Menſchlichen und Göttlichen in ethifcher nicht phyfiicher Art (raum un gvoa). Da jedoch die menfchliche Seite nicht ohne bie göttliche fich vollenden kann, fo war es gar nicht gegen feinen Sreiheitsbegriff, daß das Göttlihe von Anfang an be ſtimmend eingreife in die Entwicklung, wenn nur biefe dadurch ihren ethifchen Charakter bewahrte, daß für einen Aft freier eigener Entſcheidung dem Menfchen die Freiheit blieb. Iſt für einen folhen Spielraum gelaffen, dann hat die Menſchheit eine nicht bofetiiche Eriftenz, mag immerhin der Freiheitsaft durch weichen fie fih vom abfoluten Gott unterfcheibet, den inhalt haben, mit Gottes Geiſte jene unauflögliche Lebenseinheit einzugehen, die zur Bollendung ber Freiheit felbft nach Theodor gehört. Schon vor ihm fanden wir, wurde in Antiochien auf eine menfchlihe Seele Chriſti mehr Gewicht gelegt, als fonft in ber Kirche. 1%) Aber es war mehr nur im Allgemeinen das Werben, *) So von Euftathiug f. 0. I. 965 ff. In dem roenrav des aria⸗ nifhen Mittelweſens mag, wenn auch in monſtröſer und mytho- logiſtrender Geftalt etwas von der ethifchen Richtung auf eine freilich rein kreatürliche Selbſtändigkeit Chriſti gelegen haben. Die arianifche Verworrenheit wird durch Euftathiug u. A. in fo weit gelichtet, vaß das rpenzav feine Stelle in einer wahren menichlichen Seele erhält, während ver Logos arpenzos bleibt. Aber erſt Theodor hat dieſes roemıo» der Menfchheit Chriſti ethifch begründet und begrenzt durch feine eingehende Freiheitslehre. Diodor’s Schrift gegen die aiunpusvn und Theodor’s gegen die Magufäer bilden dazu den Uebergang. Man kann daher fagen, daß ein von ver Kirchenlehre zuvor noch nicht gewürdigtes Mo: ment Ted Arianismus, tag dieſer freilich übel vertreten hatte, in ber antiochenifchen Schule feine Berechtigung ſucht. Ueber Paul v. Sam. vgl. 1, 510-516. 44 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. bie Entwicklung und bie dadurch geforderte Veränberlichfeit, um beren willen e8 gefchehen war: Theodor ift von ethifchem Ges fihtspunft geleitet, und zwar nicht bios in feinem Begriff von der Menfchheit und ihrer wahren Entwidlung, fondern auch in. feinem Gottesbegriff. In feinem Werf über die DMenfchwerbung unferes Herrn Jeſu Chrifti 1°) fragt er, ob die Einwohnmg Gottes (svoixn- or) zu benfen fei als Einwohnung des Wefens, oder der Kraft äußerung (ersoyaa)? Um die Antwort zu finden, fei vorerft ber richtige Begriff von Gottes Allgegenmwart zu finden. Wohnt Gott Allen ein, oder nur den Heiligen? Da feine Einmohnung eine Verheißung ift („ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln, fie follen mein Volk fen“ u. f. w.), fo ift fie nicht etwas ſich von felbft Verſtehendes, nicht ein Seyn Gotted, das mit ben Heiligen alle Dinge theilen, fondern fie ift etwas Beſonderes. Sollte nun ihre Auszeichnung darin beftehen, daß Gott in ihnen nad feinem Wefen ift, aber nicht in den andern? Aber das wäre unwürdig, denn ba wäre Gott außerhalb alles Andern, feine unendliche, allgegenwärtige von feinem Raum umjchränfte Natur wäre verlegt. Sollte die Einwohnung in einer Ein wohnung feines Weſens beftehen, fo wäre fie vielmehr allen Menfchen, ja auch dem Unvernünftigen und Leblofen zuzufchreiben, was ebenfo verfehrt wäre, als durch die Einwohnung fein Weſen umfchränft fein zu laſſen. Da aber bie Einwohnung Gottes nach feinem Wefen zu dem Erſten oder bem Zweiten führen müßte, ſo ift auf diefe Einwohnung bes Weſens zu verzichten. Allein ganz ähnlich verhält es fich wenn man unter ber Einwohnung nur eine Kraftäußerung verſteht. Denn wiederum haben wir ba bie Alternative: entweder ift biefe Kraftäußerung auf die Het: ligen befchränft, von ihnen umfchrieben; aber welche Stellung fol dann der Logos haben, der Doch die Borfehung und Weltregierung zu führen und in Allem das Rechte zu wirken hat; ober laflen wir allen Dingen Antheil an feiner Kraftäußerung, wie ja auch in der That Alles von ihm beberricht wird; aber dann müßten 1) A. Mai Coll. Nov. T. VI, 800—312. aus Leontius. Zheobor von Mopsveftia. 45 wir auch feine Einwohnung zu etwas fchlechthin Allgemeinem machen. Mithin kann Gott weder duch fein Wefen noch burch feine Kraftäußerung das was man Einwohnung nennt hervor⸗ bringen. Was bleibt nun übrig um ihr Eigenthümliches auszu⸗ fprechen und zu bewahren? Es ift das göttliche Wohlgefallen (evdoxie), woburd er ein anderes Sein in den Heiligen hat ale in den Andern. Er verfteht darunter eine ethifche Einheit oder Verbindung '). Nah feiner unumfchränkten, allgegenwärtigen Ratur ift er in Allem; nach feinem Wohlgefallen ift er den Einen fern, den Andern nahe; ferne nemlich den Sünbern, nabe ben durch ihre Verfaſſung feiner Nähe Würdigen. Seine Natur (gvors) wirkt für fi) weder eine größere Nähe noch eine größere Ferne, fondern Nähe und Berne beftimmt Gott nach der Befchaffen- heit der Gefinnung (oyeoeı tñe yyounc). Wie nım Gott durch feine evdoxia die Nähe und Ferne bewirkt, fo vollendet er durch fie auch feine Einwohnung. Sein Wefen und feine Wirkſamkeit (gvow zei &reoyser) läßt er Feine Beichränfung erfahren durch die in denen er feine Einwohnung bat; er bleibt mit feinem Wefen und feiner Wirf- famfeit allgegenwärtig, von den Unwürdigen aber ihrer Beichaffen- beit wegen geſchieden. Theodor unterjcheidet alfo Gottes phy- 16) L c. 300 ff. nachdem er gefagt, die srolungig müffe etwas Eigen» thümliches fein, führt er fort: ovaia sr 00» Abysıy Evomeiy 10V deor 159 angeneotarov Eoriv, denn entweder wäre er bann mit feinem Weſen nur in denen, in welchen er einwohnt, xai dorar av allor Anlarımy dxtös ONsE Aronov sinelv enl ıyg ansige Pudsng, oder wäre feine dvoinzaıs allem au zois aAöyoıg xal dybyors zuju: fprechen, da fie durch feine gvars geſchähe, die allgegenwärtig it und nicht kann befchräntt werben. Ovxovr odaig mv Cvolugam Adyaıv yive- 0m 167 euydsordtov av sin. To Savıö av rıg sinoı nal Emil eig Evap- yelas and bemfelben Grund. Ti our apa UmoAsinsza; tiv xenoönede Aöyp Os emi tovrov Idıalov Yavsiraı Yuiacaöusvog; 5440Y 00V de evdoria Adyaır yivsodau 11V Evolnnoıv mgoopnet. Evsoxia 56 Asyeraı 7 agicın xal walkiory Oilnsıg ToV Veov 7 av nomoeras agsodeis toig dvaxsiodaı aurh eonovdandcır ano ud &d Hal nald doxeiv aura weg! avrav. Daher amepos usv yag av xal aneglygapoc mv ʒ ion nagsorı roig Mädı, t̃ d Evöoxia tar usv gti naxnpav, zar dd &yyüc. Bel. Col. I, 19. 46 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 1. fifche oder metaphyſiſche Allgegenwart von feiner ethifchen Gegen: wart, fo jedoch daß er immer noch das Wefen Gottes nicht im Ethiſchen fondern im Phyfifchen findet. Aber er ſchafft durch jene Unterfcheidung eines ethifchen Seyns Gottes im Menſchen von dem allgegenmwärtigen Sein feiner pvors und erzoyae Raum für eine eigenthümliche Verbindung Gotted mit der Menſchheit. Ja er fagt auch, weit gefehlt, daß Gottes umendliches Weſen dadurch verlegt würde, daß er auffer feiner Allgegenwart auch nod ein (ethifches) Seyn nach feinem Wohlgefallen babe, trage vielmehr fein allgegenmwärtiges Sein erft baburch den Charakter der Frei heit und nicht blog der Natur an fih, daß er obwohl allgegen- wärtig doch den Einen näher, den Umwürdigen ferner fei nad) feinem Wohlgefallen. Gott würde der Unendlichkeit und Un⸗ umfchriebenheit feines Weſens gleich einem Fatum dienen zu müſſen fheinen, wenn die Allgegenwart feines Weſens auch eine All gegenmwart feines Wohlgefalleng mit ſich brächte. Denn da würde er nicht mehr nad feiner Gefinnung (yroun) gegenwärtig fein, (nad) feinem etbifchen Willen), fondern er wäre einer Nothwen⸗ digfeit untertban und von ber Unendlichkeit feines Wefend würde auch feine raum mit fortgezogen. 1”) Aber, fährt er nun fort, wie Gott mit feinem Weſen und feiner Wirffamfeit überalf ift, aber nur einer leicht zu zählen: ben Anzahl „einwohnt“, weil er an ihnen Wohlgefallen bat, ben Apofteln 3. B. und den Gerechten überhaupt, indem er an ihrem tugendhaften Charakter fih freut: fo ift auch feine Ein- 1) S. 302.: feine Unbefchränttheit uetovos omlerar, örav Yalrızal u os avayıy zıvi dovlsdov Ta anepıypaga Tis ↄuosus. Ei uöv rag aavrayod naga» 17 evönxla, Eripus nalıv avayıy dovisiwr svgloxero, ovnsrı zarte yragım t7v Napovoiav NorVusrog, alla zo aneiep tig Pudeng xal 19V yvaunv &nousvrv öyor. 1. c. ©. 306. IX. fagt er: was für ung eine Veränderung des Orted ausmacht, bas macht bei Gott fein Wille. Wir müflen, wenn wir fagen: ich will dort feyn, unfern Ort verändern, das ift bet Gott nicht nöthig, da er narh feiner Natur überall if. Aber doch kann auch er auf befondere Weife an einem Ort ſeyn, durch feinen Sinn oder Willen. Es ift intereffant, hiemit die Verhandlungen über bie Omnipräfenz sec. 16. zu vergleichen. Theodor von Mopsveftia. 47 wohnung nicht überall gleich wo fie Statt findet, ſondern biefelbe ewsdorie durch die Überhaupt Einwohnung zu Stande kommt, beftimmt auch ihr Maaß und ihre Art. Sie findet in den An dern nicht jo flatt, wie in Chriftus; denn in dieſem wohnt Gott als in dem Sohne. Der Logos nemlih hat duch feine Ein- wohnung den ganzen angenommenen Menfchen mit fich geeinigt, und ihn darauf eingerichtet, an aller Ehre, die dem einwohnenden (ewigen) Sohn von Natur zufömmt, Theil zu haben, fo daß Eine Perſon zu Stande gebracht wird in Folge diefer Einigung mit ihm. So ift denn feine Herrfchaft, das Weltgericht u. ſ. w. bei Chriſti Wiederfunft ebenfo ein Aft der menfchlichen ald der gött⸗ lihen Natur. Nach diefer Anlage ber Chriftologie Fünnte es nun fcheinen, dag in Jeſus erſt zum Lohne für feine Tugend bie Bereinigung mit dem Logos eintrat, was auf eine weſentlich cerinthifche ja ebjonitifche Chriftologie führen müßte. Allein die evdoria« bezeich net dem Theodor nicht blog Gottes Wohlgefallen an der Tugend, wie etwa bie Stelle Matth. II. 17 verftanden werben fönnte, fondern auch die Gnadenfülle, die freie Gnadenerweiſung Col. I. 19 vgl. 11. 9. Und, von der menfchlichen Sreiheit hat Theodor, wie wir willen, nicht die beitifche Vorftellung, daß fie wenigſtens im Anfang von Gott müffe gefchieden fein, um fich felbft finden zu fünnen, fondern Gott fann ohne fie zu beeinträchtigen von Anfang an beftimmend auf fie einwirfen, wenn nur — und darauf fommt es ihm weſentlich an — dabei nicht ein phyfifcher Pros ceß oder eine bloße Scheinentwicklung herauskömmt. Daher läßt Theodor das göttliche MWohlgefallen oder bie Einwohnung des Logos fi von Anfang an auf Jefus richten, nicht in Willfür, fondern in Weisheit oder VBorausficht. Sin dem Anfang der Bildung diefes Menſchen hat der Logos ihn mit fi vereinigt, in der Vorausſicht, was aus ihm werden wird (xura npoyramır onoiös Ts Eoreı). Er geftattete zwar auf eine Zeit: lang, vor dem Kreuzestode dem Menſchen, weil es fo erforderlich war, feine Tugend und zu gut nach eigenem Vorſatz zu vers wirflichen, aber auch fo wirfte der Logos das Meijte in ihm, trieb ibn an und ftärfte ihn zu vollfommener Erfüllung feiner Aufgabe, 48 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfchnitt J. Kap. 1. Da Yefus in, das Alter trat, wo bie natürliche Unterfcheibung von Gut und Bis eintritt: fa noch vor jenem Alter, brachte er ihm weit fürzer und rafcher dieſe Kraft und Uebung ber Unter- feheidung bei, und wenn auch fonft Einer dem Andern in biefen Dingen voraneilt, fo fand dig bei Chriſtus in ganz ausgezeich⸗ netem Maafe Statt. Denn er mufte auch in Beziehung auf das Menfchlihe vor den Andern etwas voraushaben, ba er nicht wie fie entftand, ſondern gebildet warb durch bie göttliche Kraft des Geiſtes. Ebenſo hatte er einen mächtigen Zug zum Befferen um der Einigung (Erwoıs) willen mit dem Logos der Gott iſt, und der ihn würdigte, fih mit ihn von oben herab zu verbinden. Um all diefer Urſachen willen hatte er glei mit jener Unter: fheidung einen Wibderwillen gegen das Böſe und ſchloß in un- aufbaltfamer Liebe fih dem Guten an. Eine feinem eigenen Borfag und Sinn (noodens, yraun) entfprechende Mitwirkung des Logos genießend blieb er auch fürderhin frei von einer Wan- belbarfeit ind Schlechtere, fo wohl weil er felbft fo gut gefinnt, als auch weil fein Borfas von ben Logos behütet war. Mit ber größeften Reichtigfeit wandelte er fo in dem ausgearbeitetften Tugend» leben ſowohl in Sefegesbeobachtung vor der Taufe als in bem Gnadenſtande wanbelnd (z7v &r yapır meriws moAıteiar) und zum Mufterbild, fo endlich nad der Auferftehung und Himmel: fahrt. Bor dem Kreuze zwar fehen wir ihn noch hungernd und bürftend, bebend und etwas nichtwiffend, obwohl er feinen Vorſatz auch ind Leiden mit hinein nahm. Dagegen fein Leben im Stande ber Erhöhung zeigt jene Einigung mit dem Logos vollfländig; ba bat ex feine vom Logos ber Gott ift, gefchiedene und getrennte Thätigfeit, fondern ba bat er vollftändig und ganz (marreicis, xe80A8) in fi den Logos, ber um ber Erwors mit ihm willen Alles in ihm bewirkt. Sp bleibt dem Theodor doch ein fperififcher Unterſchied zwiſchen Chriftus und zwifchen den Apofteln und Propheten, nicht blos um feiner Sündlofigfeit, fondern auch um feiner übernatür- lichen Geburt aus dem Geifte Gottes und endlih um feiner Bereinigung mit dem Logos willen. Durch beides Letzteres ward Chriſtus die Verwirklichung der urfprünglichen Idee der Menſch⸗ Theodor von Mopsveftia. 49 beit, Shriftus ift der wahre, ber Gottebenbildliche Menſch: und was oben von der Gottebenbilblichfeit des Menſchen und ihrer * Bebeutung für das Univerſum gefagt ift, das ift in ihm erfüllt. Sn ihm iſt die Welt, die Menfchheit zum alter Deus, zum fosmifchen Gott geworben, zum Sohn Gottes und zwar in Einheit mit bem ewigen Sohn. Theodor ift fonach nicht, wie die Kirchen: fehrer meift thun, blos dabei ftehen geblieben, in Chriſtus bie Menfchheit in Homouſie mit ung zu feßen ; er denkt Chriſti Menſch⸗ beit auch noch ausgezeichnet in ſich, nicht blos Durch den Logos in ihr (Coll. N. VI. 307. XIV. 303. 11.) und doch bewahrt er dabei fo forgfältig die nothwendigen Gefeße menfchlicher Ent: wickelung, daß er alle Stellen des Lebens Jeſu die von biefer reden, in feine Chriftologie einzugliebern unternehmen kann. Man darf babei nicht denken, Daß. er wenigftend für einen Moment Chriſtus allein als Menſchen anfehe geboren aus dem heiligen Geifte, die Vereinigung mit dem Logos aber erſt fpäter eintreten laſſe; vielmehr im Momente, da dieſer Menſch gebitvet ward, empfieng berfelbe auch fchon ben Anfang der Einigung mit Gott dem Logos, gemäß dem göttlichen Vorherwiſſen von feiner Tu: gend. '®) | 1%) A. Mai Coll N. VI, 804: zvoro ud» yap dE aoxic To deu 6 Anpdsks xara NpOYYaoı» 39 avıy 15 daniaceı This MiTgag TFV Narapyıy ic draceng defanevos. Diefe Rückbeziehung auf die göttliche woo- yrooız {ft der Reſt origeniftifcher Epriftologie; aber es wird fein realer Moment mehr angenommen, da Chriſtus ohne den Logos füh erſt purch feine Tugend der Einigung mit dem Logos würdig gemacht hätte, fondern viefes rein menfchliche Leben wird nur in Gottes Gedanken feftgehalten ; aber das Wiffen, daß Chriftus auch ohne urfprüngliche Bereinigung mit dem Logos dieſer Auszeich⸗ nung fih würde werth gemacht haben, bleibt pas Motiv für Gott, warum er fo ausgezeichnet warb von Anfang an. Doch iſt au 1. e XXVI zu vergleichen, wornad die meoyrocıs nicht ſowohl Prasseientis als Präpeftination if. Gott würde, fagt er, nicht ein» fach ohne Rüdfiht auf den Nuben (Xenomos Adyos) einen Menfchen angenommen und mit ſich fo verbunden haben, daß er Gegenftand ber Anbetung für die ganze Schöpfung ward, wenn nidt das durch ihn zu Vollbringende eine gemeinfame Wohlthat für das Univerfum wäre. Dorner, Chriſtologie. II. 2te Aufl. 4 50 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 1. Wie vollſtändig er aber Chrifti Dienfchheit dachte, fieht man aus einer Reihe einzelner Züge, bie ung von ihm aufbewahrt find. Maria bat Jeſum geboren, nicht den Logos; denn ber ° Logos war und blieb alfgegenwärtig, obwohl er. auf befondere Weife von Anfang an in Jeſu wohnte. Der Logos gieng nicht auf in Jeſu. Alfo ift Maria eigentlich die Chriftusgebärerin, nicht die Gottesgebärerin. Nur figürlih, per anaphoram, fann man fie auch Gottesgebärerin nennen, weil Gott in Chriſtus war in ausgezeichneter Weife (1. c. 309. XXVIII). Sie bat eigent- fih einen Menfchen geboren, in welchem bie Einigung mit dem Logos begonnen aber noch fo wenig vollendet war, daß er noch nicht Sohn Gottes oder Erlöfer beißen fonntee Er wurde Jeſus genannt, ein Name den auch Joſua hatte: Sohn Gottes hieß biefer Menſch erft nach der Taufe durch Die Stimme des Vaters, ähnlich wie auch Petrus und Paulus diefe ihre Namen erft fpäter erhielten. Er wuchs an Alter, Weisheit und Gnabe bei Gott und den Menfchen und war dem Geſetz unterthun als ein Menſch wenn gleich als ein ausgezeichneter, ja einziger, bis zur Taufe; und auch darauf mögen ſich die Worte beziehen: „er ward ge rechtfertiget im Geift.“ Johannes fah ihn bei der Taufe zu fich - fommen ald einen Menfchen, die Worte: ich bedarf mohl daß ich von dir getauft werde, bemeifen nidht, daß er ihn nicht für einen Menfchen anfah. Denn das freilich wußte Johannes, daß er von Jefu an Kraft des Geifted und ber Tugend weit über: troffen werde, wie er nachher auch eine Viſion über ihn hatte, durch die ihm kund wurde, daß diefer Menſch der Ehre des Sohnes Gottes gewürdigt und deßhalb mit dem Namen beffelben ausgezeichnet fei. Aber auch nach der Taufe war er Menſch, hatte einen eigenen menfchlihen Willen und menfchliches Denken, bas aber mit dem Willen und Denfen bed Logos fi immerdar einigte. Durch immer neue Verſuchungen hindurch war biefe Finigung zu beftätigen und zu bethätigen. Sin der Wüfte über: wand er die Verfuchungen der ndorn, dose, und der d'yuda zoü xoouov (1. c. 308. XXI—XXV). Aber er hatte noch weit mehr geiftige Anfechtungen als leiblihe (XXIX); und befonders in Gethſemane beftand er einen fo ſchweren Kampf, daß ein Engel Theodor von Mopsveftia. 51 vom Himmel ihn zu flärfen erſchien. Daraus erhellt doch offen⸗ bar, daß er Menih war (S. 306 X). Diefer Menfh war weder Sohn Gottes, noch Herr von Natur (vgl. Mar. Merc. ed. Baluz. S. 347); er übernahm auch den Tod, diefen Tribut den nach dem Naturgeſetz jeder Menfch zu bezahlen hat (Merc. 344), Ueberhaupt aber erfchien er und ſprach wie ein Menſch und galt Alen die ihn fahen für eimen bloßen Menſchen, nichts weiter (Facund. Herm. defens. trium Capitul. ed. Sirmond S. 73). Aber fpäter, durch den bi. Geiſt erfannten die Apoflel, daß der ewige Sohn Gottes in ihm war. Nie- fand eine Bermifchung (xocoıs) des Göttlihen und Menfchlihen in ihm Statt, wie Apollinaris will, beide Naturen blieben ftets in ihrer Unter: fehiedlichkeit. Darin war Theodor mit Diodor von Tar: fus 20) völlig Eins. Es ift wohl nicht zu leugnen, daß Theodor bei biefer flarfen Betonung der Menfchheit Chriſti auch von einem velis giöſen, wie von einem eregetifchen Intereſſe geleitet war. Gott mußte, um die wandelbare menfchliche Natur unmandelbar zu machen, die menfchlihe Natur im Zuftand ihrer Wanbelbarfeit annehmen. So hatte ja aub Irenäus und Athanafius gelehrt. Aber der Kampf des freien Willens Chrifti mit dem Böen fchien dem Theodor nöthig um bes Heilswerfs willen. Denn diefes bliebe, wenn nicht ein wahrer aber vollendeter Menſch Princip des Heiles geworden wäre, willfürlih (magiſch), und wenn biefer Menſch nicht durch ernften Kampf hätte hindurch geben müſſen, fo bliebe fein menfchliches Leben und Ringen für ung epibeiftiichh (Hsazenr), ohne Wahrheit. Es iſt alfo gerade dann die göttliche Heilsöfonomie in Chriſtus nicht wirklich, fondern ?9) Mar. Merc. 349.: Jeſus nahm zu u. f. w. das kann nicht gefagt werden vom Logos, dieſer bedarf nichts und wächst nicht. Non enim ei mox formato vel edito oninem propriam sapientiam Deitas contulit, sed hanc particulatim corpori (?) tribuebat. Darum heißt er auch Deut. 18 ein Prophet aus den Brüdern. Das Wort Gottes if nicht unfer Bruder. Wolle man nicht Göttliches und Menfch liches unterfcheiden, fagt er gegen Apollinaris, fo möge man auch fagen, daß der, fo aus David’s Samen war, nicht aus David's Samen, fondern ewig war. A % 52 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. nur ein Schein, wenn man feine Menfchheit verkürzt oder läugnet, was auch dadurch gefchieht, daß man die Perfünlichkeit Chrifti nur als göttliche benft. Aber bier wenden nun bie Gegner ein, daß es bei Theo⸗ Dor gar nicht zu einer wirklichen Einigung, ja überhaupt nicht zur Menfchwerbung des Logos komme. Darauf antwortet er (VI. VII. XXX. cl. XXX.) und fucht dadurch zugleich Die Art der Vereinigung anſchaulich zu machen. Bermifchung ziemt fih nicht für bie zwei Naturen, es tft ein Unterfchied zwifchen der göttlichen Geſtalt und der Knechts⸗ geftalt,, zwifchen dem angenommenen Tempel und dem ber barin wohnt, zwifchen dem ber im Tode aufgelöst wurbe und bem der ihn erweckte, zwifchen dem ber durch Leiden vollendet warb, und dem der ihn vollendete, zwiſchen dem ber gegen bie Engel ein Weniges erniedrigt warb und dem ber ihn erniedrigte, zwiſchen dem ber mit Ehre und Herrlichfeit gefrönt warb und dem der ihn krönte. Diefer Unterſchied muß bewahrt bleiben ; jede Natur bleibt unauflöslich bei fich felbft, in ihrem Wefen («dıadvurag &p eavric). Aber ebenfo Far ift, daß die Einigung (Erwous) beiden angemeffen ift. Denn durch fie zufammengebracht machten bie Naturen (pvoeıs) Eine Perfon (rooownor) aus, rüdfichtlich der Eini- gung. So daß wir, wag ber Herr fagt vom Dann und der Frau, bag fie nicht mehr zwei find fondern Ein Fleifch, auch fagen können gemäß ber Bereinigung, bag es nicht mehr zwei Perfonen feien, fondern Eine, natürlich unter Bewahrung des Unterſchiedes ber Naturen. Denn wie dort die Einheit des Fleifches, fo weit man von ihr reden kann, nicht aufgelöst wird Durch die Zweizahl, — fo wird hier auch die Einheit der Perfon nicht aufgehoben durch ben Unterfchied der Naturen. Denn bliden wir auf die Naturen in ihrem Unterfchied, fo bezeichnen wir bie Natur (gvar) Gottes bes Logos als eine vollftändige, und ebenfo auch feine göttliche. Perfon, benn ein für ſich Subfiftirendes kann man nicht unperfönlich denfen (ovöE yuo anoomonor Eorıs vrooracıs eineir); als vollftändig ‚ aber bezeichnen wir da ebenfo die menfchlihe Natur und Perfon. Bliden wir dagegen auf die Verbindung (ovragau), fo fagen wir, es fei Eine Perfon (VD. Wir behaupten zwar aufs Be Theodor von Mopsvefia. 53 flimmtefte, daß der Logos einen Menſchen angenommen babe, aber bezeichnen es als Unfinn, daß er Menſch geworden fei. Wenn Johannes fagt I. 14 daß der Logos Fleiſch d. i. Menfh wurde, fo ift das nicht fireng zu nehmen, weil fonft der Logos fih müßte in Fleiſch verwandelt haben, was der Evan⸗ geliſt nicht will. Alſo ift der Ausdruck von dem Schein herge⸗ nommen. Daß er Fleifh annahm war nicht Schein, wohl aber daß er es wurde (VII). Daher ift auch nicht der Sohn Gotteg, fondern ein Menſch in dem Gott war, von Maria geboren. Dieſes drückt recht fignififant Theodor’s Eigenthümlichkeit aus. Er will die beiden Naturen erſtens perſönlich denken um ſie vollſtändig zu denken; ebendaher will er ſie zweitens nicht ſo nahe zuſammenbringen, daß die eine der andern als Beſtimmung ihres eigenen Seins angeeignet wäre, zum Sein der andern gehörte; vielmehr iſt ihm drittens die Einigung nur in der Actualität bei⸗ der Perſonen da; in ihrem Weſen bleiben ſie zwei Perſonen, in ihrer Actualität erſcheinen ſie als Eine Perſon und auch dieſes nur fo, daß zwar das Denken und Wollen dieſes Menſchen nad) feinem Inhalt auch Denken und Wollen des Logos ift, ja auch wenigftens im Stande der Erhöhung alles Denken und Wollen des Logos auch dieſem Menſchen zufommt; Dagegen die Form bes Geiftes Jeſu in feinem actuellen Sein läßt er zwar durch den Logos beflimmt werden, feiner reiheitstheorie gemäß, aber denkt ſich dieſes nur als Einwirkung des Logos: zu einem wirf- Sich Gottmenfchlihen Wollen und Denfen fommt es bei ihm nicht, weil ihm das Innerſte beider Naturen, die er’ zugleich als Per: fonen benft, auffer einander ftehen bleibt, nicht etwa nur vor ber Annahme der Menſchheit, noch bios während Chrifti Entwidelung, fondern ewig. Als Eine Perfon erfcheinen jie fireng genommen nur nad auſſen, wie das Bild ber Ehe andeutet; nad) innen find fie zwei aber im Berhältniß ber Harmonie ftehende Perfonen, ja fo innig verbunden, daß ber Impuls des Logos in Chriftug Alles wirkt. Dieſe Auffaffung wird beflätigt, wenn wir zum Schluffe auf die Idee der Gottebenbilblichfeit zurüdbliden. Sie iſt in Chriſtus fchlechthin verwirklicht, und ebendamit bat ber Weltgedante fein ewiges Ziel erreicht. Chriftus ift die prin- Du) 54 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt I. ap. 1. eipielle Verwirklichung des Weltgedanfene. Diefer fchließt nad Theodor nicht das in fi, dag die Welt in das göttliche Leben oder Weſen zurüdgeführt werde, indem durch Menfchwerbung bes Göttlichen Deenfchliches göttlich würde. Sondern der Menſch x. &. dieſe Spite und Einheit der Welt nimmt in der Welt bie Stelle Gottes ein. Geift und Natur find. in ihm als dem Einheitöpunft vereinigt wie fie aus Gott dem Urquell hervor giengen. Die Einheit dieſer zwei auseinandergetretenen Principien ftelft fich in ihm innerhalb. der Welt und von der Welt her aber durch Gottes Einwirkung wieder ber, und fo ift Chriftus ald der vollfommene Menfh und Gottes Ebenbild der kosmiſche Gott, Daher ihm auch alle Gewalt und Ehre zufommt wie Gott, nach⸗ bem er zum Beſten der Welt ihrer Einheit und Harmonie, zum Sohn Gotted geworden if. Es ift offenbar, daß hier für Theo⸗ bor ein Anfnüpfungspunft für dag war, was wir bie myſtiſche Chriftologie nannten, aber in eigenthlimlicher Faſſung, und immer unter dem Vorbehalt, daß in ihm weder Gott Menfch geworden fei, no) ein Menſch Gott: vielmehr bleibt der trinitarifch ges bachte Gott und die Welt, das Göttliche und das Menfchliche ewig auseinanberfteben, fie find durch ihr Wefen getrennt, bag wohl eine Verbindung und Einwirkung befonderd durch den heil. Geift aber nicht eine folche Einigung zuläßt, wobei Gott Menfchs liches zu ſich rechnete und dadurch auch Göttliches menfchlich würde. Auch nicht einmal ber Liebe verftattet er, dieſe Kluft zu überwinden, obwohl er doch auf das Ethiſche fo mächtig bringt; aber freilich er faßt diefes nicht als das Wefen Gottes, von dem feine Natur abhange, fondern die Natur Gottes (Allgegen: wart u. |. mw.) ift ihm eine felbftänbige Macht in Gott, die er nur in fo weit von Gottes Willen abhängig denkt, daß fie ihn nicht hindern darf, trog feiner Allgegenwart auch auf eigenthüm⸗ che Weife gewiffen Punkten der Tebendigen Welt einzumohnen, ja in einziger Art Dem, der bag Centrum der Welt ift, und durch ben Binfort Gott mit der Welt in: Verbindung ſteht. 2) Das ift der Sache nad eine Art von arianifcher Anfchauung — — 2) VBgl. d. Stelle XXVI. Theodor von Mopsveſtia. 55 der Perſon Chrifti. ?) Die Trinitätslehre die Doch aus chri⸗ Rologifcher Triebfraft ſich entfaltet hatte, fleht, wenn ber Logos nicht Menſch wird, in ihrer Höhe wieder abflraft und unfruchtbar da, und fo fireng Theodor an ihr fefthielt, er hatte feinen ges nügenden Grund dazu in feinem Syſtem. Seine Hypoftafe be: hält der Sohn ftetd für fih zurüd und es iſt nicht abzufehen, warum feine Wirffamfeit, ja die in ihrer Art einzige Einwohnung in Chriftus, nicht ihren Grund in Gott überhaupt foll haben können. Im Gegentheil der trinitarifche Gottesbegriff feheint faft nur dazu da zu fein, die reine Tranſcendenz Gottes, fein Bleiben in fich zu befeftigen, und unüberfteiglich zu machen. Eine andere Seite ber Betrachtung hätte ſich noch auf Ehrifti Werk zu beziehen. So ftarf Theodor bie Freiheit des Menfchen hervorkehrt, fo flark, follte man denken, müffe auch das Bewußtſein der perfönlihen Verantwortung und Schuld bes Menſchen ausgebildet fein. Das ift nicht der Fall. Er blickt faſt ausschließlich auf Die andere Folge der Sünde, die Strafe, zufammengefaßt im Tode und in der Sterblichkeit; hierin ganz ähnlich den andern griechifchen Vätern des vierten und fünften Jahrhunderts. Da er nun aber auf die Schuld nicht befonders vefleetirt, jo fann ihm das Werk Chrifti nicht fowohl in ber Berföhnung beftehen, - als in ber Ueberwindung bed Todes, oder in ber Verleihung der Unfterblichfeit durch feine königliche Macht. Um jedoch billig zu fein, darf man nicht Üüberfehen, daß die alten Berfühnungstheorieen es Überhaupt wenig mit der Schuld, fondern vornemlich mit dem Tode zu thun haben; denn erit von dem Aeuferfien ber wirb immer tiefer hinab in die Mitte ber Sache geftiegen, fo zwar, daß der Begriff des Sarazos bei Man- chen das zuftändliche mit der Sünde gegebene Unheil bezeichnet, wie im N. T. in manden Stellen, während bei Theobor biefe geifliche Bedeutung des Guraros ſchwindet, und ber Begriff nicht mehr die Totalität des Unheils fondern nur bie 29 Nur daß an die Stelle des vorweltlichen Centralgeſchöpfes fo zu fagen in mehr moderner Weife der zum Sohne Gottes werdende Menſch tritt. 56 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. Außerliche Seite deſſelben bezeichnet, in der er nicht ohne Künfts Tichfeit auch ein Princip geiftlichen Verderbens aufzumeifen fucht. Dagegen aber was bie Sünde felbft angeht, fo bat Theodor fo gut als andere orthodoxe griechifche Väter eine Einwirfung bes Geiſtes den Chriftus fendet auf bie menfchliche Freiheit ans genommen, und fogar mehr als fie alle fich bemüht, die Freiheit nicht als Schein und doch die erlöfende Gnade als heiligende zu benfen; er bat die Freiheit nicht blos als das was dahin ober borthin gewendet werben kann, fonbern als Selbftbeftiimmung ge: dacht und gleichwohl in ihr auf ethifchereligiöfem Wege den Ort aufgewiefen, wo fie felbft nach der Gnade verlangt. In biefer Beziehung ſteht er über den erften griechifchen Kirchenvätern, einem Drigenes, Athanaſius und ben Fappaborifchen Biſchöfen, wie er fich andererfeits hier von Pelagius wefentlich zu feinem Bortheil unterfcheidet. *?) Aber darin ift er auch wieder ben Erfteren gleich, daß er fowenig als fie Grund bavon anzugeben weiß, warum benn bes heil. Geiftes Kommen von Chriſti Erſchei⸗ nung abhieng ; d. h. die Heiligung oder Erlöfung von ber Sünde ift ihm zwar nicht blog Werf des Menfchen, aber dieſe Gnade hängt mit Chrifti Werk nur äußerlich zufammen. In Theodor von Mopsveftia gipfelt die antiochenifche Schule. Der Umfang feiner Gelehrfamfeit, fein Scharffinn und wie man annehmen muß auch die Macht feiner Perfünlichkeit, verbunden mit einem vieljährigen Wirken als Lehrer von Ges meinden und heranwachſenden begabten Schülern fowie als frucht barer Schriftfteller erwarben ihm ben Namen bes Magister Orientis. 2°) Ungeſtört wirkte er faft bis zu feinem Ende t. J. 427 und genoß eined um fo auegebreiteteren Anfeheng, ba er ber erfte orientalifche Theolog feiner Zeit war. Was aber befonders feiner Richtung zur Empfehlung und Ausbreitung diente, Das war bie Abneigung ber Kirche gegen ben Apollinarie- mug, beffen eifrigiter Bekämpfer er war, ohne ber Gottheit bes ewigen Sohnes durch die Reſte des Arianismus etwas ent 2) Bel. mein Programm ©. 19 ff. 23) Ebendaf. S. 8—5. Theodor von Mopeveſtia. Pſeudojuſtin. 57 ziehen zu laſſen. Jedoch werden wir uns nicht täuſchen, wenn wir die Bekämpfung des Apollinarismus Seitens der Kirche etwas anderes motivirt denken, als fie es bei Theodor war. Ihm fam ed nicht ſowohl auf die volle Wirflichfeit der Menſchwerdung Gottes an, denn hieran läßt er ſelbſt es auf feine Weiſe auch fehlen; fondern ihm ligt mehr an der Haven Unterfcheidung und an der Betonung der menfchlichen Seite und ber Freiheit. Sein Wunder, daß fih hierauf bald genug die Blicke richten daß etwas Ebjonitiſches bei ihm gefürchtet wird. Der abenblän: diſche Gegenſatz dieſer Zeit wird im Orient chriftologifch ausge: kämpft. ”*) Nicht unintereffant ift es, die dem Juſtinus Martyr unter ſchobene Schrift: "Endeows rüs opdrs niorsns (cf. Pseudo -Justini Opp. ed. Otto. T.I, 1—57. Ga$ in Illg en's hiſt. theol. Zeitichrift ZU, 4. ©. 180 ff.), mit Theodor’s oder feiner Schule Lehre zu vergleichen. In der Trinität Halt fie fih wie Theodor an die Kirchenlehre. In der Ehriftologie fehlt zwar jenes fpeculative Element, das an die Idee vom göttlichen Ebenbilde ſich fchließt, gänzlih, es wird vielmehr mit ftarfer Betonung die Unbegreife Iichleit des Wie? der Vereinigung beider Natur ausgeſprochen. (ec. 14). Dagegen ift der Weg, den der Berf. doch wieder bei aller Behutſamkeit einfhlägt, weientlich verfelbe, wie bei Theodor. Significant find befonvers die Ausdrücke: vadg (c. 18), sudoxia (ce. 15) u. ſ. w. c 10: 6 Aoyog — zw (t̃ç napddrov) vrövr sicdus olovel ri Beios 0nNopog niaeısı vaov davıp 109 rölsıov arögenor, uspog zı Aafav zig Enslvns PVcengxal sig rar Toü vaov Sıanlacır obowmaas. ’Erdus 58 avıov xar' angarv Evadıy, Deoc Önov nal ardgoNog NpOEAdmr odın nv nad Auag oinuvonlay enAmpnoer. Daß hier nicht zufällig der ardpomos der röisıos avdgpwnus ſtatt ber ardponien @vcıs erwähnt wird, fann man daraus fehen, daß er das Gleichniß vom Berhältniß der Seele zum Leibe in feiner chriſtologiſchen Anwendung fo herrſchend dieſe war, nur theilmweife billigt. Es fei treffend varin, daß wie der Menſch Einer ift und doch zwei Naturen hat, mit deren einer er denkt, mit ber andern ausführt, fo auch Chriſtus Einer ift und doch nach der Einen die Wunder that, nach der andern bie Niebrigkeit auf füh nahm, weiches beides forgfältig zu unterfcheiden und fireng nach ben zwei Raturen zu vertheilen ſei. Biemit tft die noweria ber zwei Raturen fhon weientlich befchräntt. Aber nun fährt er fort: im 58 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt I. Kap. 1. anderer Beziehung binfe das Gleichniß; denn vom Menfchen, obs wohl er eine Doppelnatur zeige, könne man nicht fagen: er fei die zwei Raturen, fondern nur er habe fie, er beſtehe aus beiden, fo zwar, daß der Menſch ſelbſt noch ein Drittes fei zu dieſen beiden, nemlich ihre reale zufammenfaflende Einheit, wie ein Haus nicht blos Bauftoff oder Riß, fondern erft aus der Einheit beider ein Gebäude fei. Epriftus dagegen fei gar nicht aus Gottheit und Menichheit fo beftehend, daß er als ein anderes drittes neben den zwei Seiten baftände, fondern er fei einfach beides ſowohl Gott als Menſch, alfo nur arithmetifhe Summe. Während ferner die Seele in dem Leibe mitleiven könne, ſo fel es abfurd, von der Gottheit in Chriftus Achnliches auszufagen. Der Berf. fiellt aber auch die Frage ganz fo, wie fie für Theodor Tag: {ft der ganze Logos in Chriſtus, wie fann er noch in der Welt fein nach feinem Wefen? If aber ver Logos allgegenwärtig gemäß Gottes Weſen: was bleibt übrig für den Tempel des Logos? Er gibt die Antwort: Wie im Anfang das allgemeine Licht ges fhaffen ward, das überall verbreitete, vann aber der Sonnens körper dazu gefchaffen warb, damit es in ihm fich concentrire, ohne deßhalb ein anderes nach feinem Weſen zu werben, wohl aber um unauflöslich mit demfelben verbunden zu fein und zu fcheinen, fo ift der Logos und die menfchlihe Natur nach der Unio unauf lösbar; es kann nicht mehr abgefondert ver eine Sohn gött⸗ licher Logos, der andere Sohn der Menfch heißen, fondern es iſt jest Eine Sohnſchaft, wie das Licht und fein Träger die Eine Sonne ift (c. 12). Aber es kehrt die Frage wieder, wie der Tempel (Chriſti Menfchheit) zu einem ausgezeichneten, in feiner Art einzigen Theilhaben am Logos fam, wenn doch ver Logos nach feinem Weſen in allen Dingen ift ? (c. 15 ff.) Pier wird nun gegen diejenigengeeifert, welche sn’ avaupsası av dvo pvasay eine xqõoic, Guyyuaıs, eine ustadoAg ano omnatog sis Vedryra, ein ov- sndnraı der oap& in Aoyog wollen, wobei (vgl. Theodor bei A. Mai Coll. Nov. VI. b. c. Nro. VIII) auch die Formel verworfen wird: odgxa züv Aoyor yaymrzadaı. Es wird vielmehr die relative. Selbftänpigkeit ver Menfchheit Cprifti als der Grund bezeichnet, warım der Logos, der nach feinem Wefen überall ift, in ihr auf einzige Weife fei. Es gilt das Geſetz, daß obwohl die Sonne überall und allgemein gleich feheint, doch ein unreiner Körper ihre Strahlen nicht faßt. Bon den Strahlen, welche diefe Sonne für alle gleich ausgießt, empfängt wer flarfe Augen hat mehr, nicht als ob die Sonne mehr über ihn als andere diefe Strahlen aus: breitete, fondern um der Stärke der eigenen Augen willen, während der Schwache den Lichtglanz nicht erträgt. So iſt denn auch die Pfeudofuftin. 59 Sonne ver Gerechtigkeit, da fie Gott if, bei allen gleicher Maaßen nach ihrem Weſen, wir alle aber in unferer Schwäche und Uns reinigfeit halten den Eintritt des Logos nicht aus. Dagegen {fl der eigene Tempel des Logos gleichfam fein allerreinftes Auge, und fann daher auch den Glanz des ganzen Lichtes faffen, wie er denn gebilvet ift ohne Sünde aus dem heil. Geift (e. 17. Die concentrirte Offenbarung oder Erfcheinung des Logos, welche zum Heil der Menfchheit und zur Gliederung derſelben ftatt- finden follte (vgl. c. 12.), kam alfo nicht in ver Art zur Ber: wirflihung, daß der Logos felbfi nun fein weſentliches Seyn im AU aufgegeben hätte, fondern er bleibt wie er war, an fih und in feiner Tätigkeit, aber in Jeſu bat er in fofern ein anderes Seyn als im AU, als er hier mit dem reinften, empfänglichfien Auge zufammentrifft, das der heil. Geift bereitet hatte. Diele Menſch⸗ heit bleibt, nimmt an der göttlichen Würde (afla) nicht aber der Ratur Theil, gemäß dem Wohlgefallen des Logos (svdoxia) c. 15. Das vorgetragene Bild hat einigen Borgang bei Gregor v. Ryffa (Or. Cat. M. c. 10): ver unendliche Logos iſt in Chriſti Seele und Leib nicht eingefchloffen, fo wenig als das Licht in der Fackel. Zwar hängt die Flamme unauflöslich an dem vrroxeinevor, dem Subfirat der Fakel, aber deßhalb if das Licht nicht ges fangen. — Im Ganzen unterfcheivet fich dieſe Epriftologie von ver Theodor's dadurch, daß fie mehr Gewicht auf die göttliche sudorde im Sinne des Rathfchluffes als auf die Freiheit Chriſti Iegt. In der Kirche entſtanden zeigt diefe Schrift, wie nahe man im Gegen. fad gegen den Monophyfitismus auf dem Boden des Calcedonenſe der antiochenifchen Lehre kommen konnte. Zweites! Kapitel, Eyrill von Alerandrien im Kampfe gegen Keflsrins. Seitdem biefenigen großen griechifchen Kirchenväter des vierten Jahrhunderts allmählig vom Schauplatze abtraten, bei denen im Allgemeinen Origenes in danfbarem Andenfen fortlebte (Athas - nafiug, bie beiden Gregore, Bafiliug d. Gr, Didymus u. A) trat bekanntlich beſonders duch Epiphanius und Hieronymus und durch Theophilus in Alerandrien eine Reaction gegen Drigenes eim Die vorigeniftifchen Mönche erlagen durch Letzteren den ungebilbeten Anthropomorphiten , ben Mönden um den Berg Nitra In dem Maaße aber als das nachwirkende Element origeniftifchen Geiftes aus ber alerandri= nifchen Kirche fchied, verwehte auch jener edle Hauch innerer Katholieität und großartiger Dulbfamfeit, der den Athanafiug noch auszeichnete, jener Geift der Keufchheit in der Frömmigfeit und der Befonnenheit in ber theologischen Wiffenfchaft. Dagegen zogen ein bie Geifter liebloſer, Teidenfchaftlicher Polemik, und eines berrichfüchtigen verbammungsfuftigen Orthodoxismus. So gewährte Werandrien am Ende des vierten und im fünften Jahrhundert einen gar andern Anblid als im vierten. Gleichwohl wäre es ein falfcher Pragmatismus, bie jebt ausbrechenden Differenzen zwifchen ber antiochenifchen und ale- xandriniſchen Schule ſelbſt aus diefem Geifte ableiten zu wollen; vielmehr nur die Art des Kampfes, zwilchen Epiphanius und Theophilus einerfeits und Chryfofto mus andererfeits (welcher legtere in Die Berdammung ded Origenes nicht einwilligen wollte), Eyrillus von Merandrien und Neſtorius wird aus jenem Geifte Beränderungen im Geiſt def alerand. Kirche nach Athanaflus. 61 begreiffih. Die Differenzen felbft, die ung bier allein angeben, liegen tiefer. Wie ausgebreitet, ja eine Zeit lang faft allmächtig auch die ans tiochenifche Richtung in Afien und Konftantinopel beſonders feit des Chryſoſtomus Erhebung war, bie römifche Kirche und ber fonders Afrika fanden gar nicht auf ihrer Seite. Der eine Theil Afrikas, von Auguftinus beftimmt, nahm zwar an dem Kampf wider die Antiochener wenig Antheil, aber Doch waren beide Theile im Abendlande, - bie pelagianifche und die auguftinifche Richtung fich der Wahlvermandtfchaft mit den chriftol. orientalifchen Gegenfäten wohl bewußt; einerfeits befiritt Auguftin ben neftorianifirenden Mönch Leporius, anbererfeitd beweist bie Sendung des Pela⸗ gianers Caſſian an Theodor von Mopeveflia eine erwartete Bundesgenoſſenſchaft. Die Verwandiſchaft des pelagianifchen und antiochenifchen Lehrtypus warb für beide im auguftinifchen Abend» fand feine gute Empfehlung — Der öſtliche Theil Norbafrifas Dagegen zeigte einen mächtigen myftifchen Zug, ber in dem ägyp⸗ tiſchen Mönchthum fich concentrirte. Sind gleich in dieſem Mönch⸗ thum ſelbſt wieder zwei entgegengeſetzte Linien zu unterſcheiden, ſpeculativer und freiſinniger die eine, ungebildeter, ſtürmiſchen Ge⸗ fühles die andere, — beide waren durch ihre mehr ſpeculative ober mehr praftifche Myſtik dem antiochenifchen Geiſte entgegengefegt und befonderd die letztere immer mächtiger werbende mit jener alten myftifchen Richtung befreundet, Die wir in Syrien neben der antio- henifchen Schule fanden (S. 25 ff.) Der lebhafte Verkehr, ber zwifchen jener fyrifchen und zwiſchen der ägyptiſchen Myftif Statt fand, ift neuerdings auch durch Cureton's Entdeckungen über bie Briefe des Ignatius beftimmt documentirt. Es mag unter Anderem dem Einfluffe der fyrifchen zuzufchreiben fein, daß bie niteifchen Mönche fowie überhaupt die in der ffetifchen Einöbe all mählig mehr in eine Firchlide Myſtik eingiengen. Denn Ans fangs unter Theophilus und Eyrillus find fie Anthropo- morphiten (auch biefür bietet Aubius ber Syrer einen Vor⸗ gang), werben auch wohl vom Epifcopate befämpft, bald aber werben fie einflußreich, für den Epifcopat eine Stüge aber auch tonangebend. 62 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt L Kap. 2. Durch dieſe Lage der Dinge nun fällt ein Licht auf Die neſtorianiſchen Streitigfeiten. Die alerandrinifhe Kirche ift etwa feit Sec. 5 überwiegend durch eine antiorigeniftifhe und den Antiochenern feindliche Myſtik beftimmt, welde in Syrien ihre Bundesgenofien bat. Obwohl man in Alerandria noch mit Athanaſius in Verbindung blieb, gegen die Anthropomorphiten theilweife ftritt, auch) beſonders eifrig den Zufammenbang mit der ſpnodalen Tradition von 325 und 381 behauptete und dieſe Con⸗ eilien als infpirirt vom hl. Geifte bezeichnete, fo war doch bie Bermuthung, es lebe in Alerandrien wieder etwas von dem kirch⸗ lich verurtheilten Apollinarismug auf, eine den Antiochenern, na= mentlich Theodoret nicht blog bequeme fondern auch wahr: feheinliche; der myſtiſche Geift, mit welchem die Antidchener in Syrien felbft langen und fehweren Streit gehabt, gab fich ihmen in Aegypten aufs Neue fund und ber Haß gegen ihre heimath- lichen Gegner übertrug ſich bald genug, wie wir befonders aus Theodoret fehen, auf bie Alerandriner, bie ihnen für Ans wälte des Apollinarismus galten. Neftoriug, nad feiner Lehre zur Schule Theodors ges börig, nachdem er 428 zum conflantinop. Patriarchate erhoben war, fuchte, wie viel Achtungswerthes ſich fonft über ihn fagen läßt, doch die antiochenifche Richtung zur herrfchenden in der Kirche zu machen und zwar befonders die antiochenifche Chriſto⸗ Iogie, die er bona fide als die Meinung ber Kirche bei Ver⸗ werfung des Apollinaris nehmen mochte. Diß ins Werk zu fegen, fuchte er den ſchon eingebürgerten und von mönchiſchem Mariendienft getragenen Namen der Maria als Gottesgebärerin zu befeitigen. Aber diefes brachte ihn in einen verhängnißoollen Kampf, der leider bald genug auch zum Kampfe der Patriarchatg wurde. Seine Lehre, fo weit wir fie aus Coneilienverhandlungen (Mansi T. IV. 1198 ff. V. 753 ff. 762) und aus feinen bei Marius Mercator aufbewahrten Reben entnehmen fönnen, iſt yon der Chriftologie des Theodor nur etwa dadurch unterfchieden, Daß von den fperulativen Elementen berfelben bei Neftorius wenig mehr erfcheint, und daß er, vielleicht aus polemifchen Gründen, für die Einheit der Perfon noch weniger Sorge trägt ale Theodor. Neſtorius. 63 Der Mittelpunkt feines Strebens iſt, alles Heidniſche ab⸗ zuwehren, was ſich nach ſeiner Meinung in die Chriſtologie ein⸗ drängen wollte. Bor Allem alſo tritt er all den Sätzen Theo dor's bei, welche die Gottheit des Logos von ihrem Kleid oder Inſtru⸗ ment, der Menfchheit unterfcheiden follten. Deßhalb ift er gegen bad Beoroxos; follte Gott geboren werben, fo würde bas in heidniſche Mythologieen zurüdführen, fo würde aus Maria eine Göttin und Göttermutter. Höchſtens könne gefagt werben, Chriſtus von Anfang an eigenthümlich verbunden mit dem Logos beige deßhalb auch ale Menſch Heos, nemlich im weiteren Sinn, durch ivoruuie, abie, und nur in biefem Sinne könne Maria Oeozoros heißen, nie aber in dem Sinne, als ob fie bie Gottheit, das Weſen Gottes (Beorrra) geboren hätte. Eine Kreatur kann nicht den Ungefchaffenen, dag Spätere nicht den Ackteren gebären. Da die Einen fie jedoch nur eine Menſchen⸗ gebärerin,, Die Anderen Gottesgebärerin nennen, fo fei der vers mittelnde befte Ausdruck zowroronos. Aus demfelben Grunde fei aber, wie bie Geburt, fo auch Leiden, Tod und Begrabenwers den von bem Logos fern zu balten und nur ber Menſchheit beizulegen, weil fonft das Heibnifche wieder mitten in der Kirche wäre (Mar. Merc. Serm. 1. Il), Seine Menfchheit ift bie 882050x05 noogn, mit ber untrennbar obwohl unfichtbar der Logos verbunden ifl. Daher feien beide in, Einer Berehrung (ioon- pie) zu verbinden; znr Yovsusımr Ta Yopäru Ovrruouer Pvoa, Zwei Naturen, aber eine Ehre. Nah den Naturen befennen wir einen zwiefachen Chriſtus, in der Anbetung iſt er einer (d. h. für das fubjeftive chriftlihe Bewußtſein). Aber diefer Einheit ber Berehrung Chriſti war die objektive Baſis entzogen, wenn nicht Chriſtus irgendwie auch real Eine Perfon war. Da er nun zwifchen Naturen und Perjon nicht unterfchied, fo mußte aus der Zweibeit der Naturen fich eigentlich auch eine Zweiheit ber Perfonen ergeben. Aber nad fpäteren Zeugniffen bat er oder doch feine Schule fich ähnlich, wie der fpätere Monotheletismug zu helfen gefucht, und Die Zweiheit ber Naturen doch in eine Einheit des Willens zufammenlaufen laſſen wollen, ohne ſich jes doch näher hierüber auszufprechen. Er bleibt bei Theodors ® 64 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt I. Kap. 2. evdoxia ftehen; fommt zu Teiner Menfchwerbung Gottes, fondern nur zu einem Verhältniß (oxeoıs) zweier getrennt bleibenden Na⸗ turen, das er eine geheimnißvolle Zufammenfügung (ovrapeı«) nennt. Daß der Patriarch Eyrillus von Alerandrien nicht erft durch Neid oder Herrfchfucht in Gegenfaß zu ber antiochenifchen Schule fam, das zeigt feine gefammte Grundanſchauung, welche einen einheitlichen und confequenten Charakter an ſich trägt und ebenfo beſtimmt und unwillkürlich den Ausgangspunft für die Be⸗ tradhtung immer von Gott aus nimmt, wie die antiochenifche vom Menfchen. Es erhellt aber auch daraus, dag Eyrilt feine Schrift über die Menfchwerbung bes Eingeborenen ald Zugabe (Dialog. 8.) zu feinem Werf über die Trinität noch vor dem Streit, ja vor Erhebung des Neftorius zum Patriarchen in Eonftantinopel, unter Attifus verfaßt hat, wofür abgefehen von feis nem eigenen Zeugniß ") auch der ganze Ton dieſer Zugabe fpricht, welcher fich von- den fpäteren Steeitfchriften (3. B. dem im bef: tigften Tone gefchriebenen Dialog. 9. Quod unus sit Christus) fehr vortheilhaft unterfcheidet. Der Angriff auf die Bezeichnung der Jungfrau Maria ale Oottesgebärerin war alfo nur die äußere Veranlaſſung, wodurch ein viel älterer Gegenfat zum Aus⸗ brud Fam. Die allgemeinfte Bezeichnung diefes Gegenfages für bie Ehriftologie ift, daß, während die Antiochener um der apollinari: ftifehen DVereinerleiung des Göttlichen und Menfchlihen im rovs Chriſti vorzubeugen, bie zwei Seiten als zwei Naturen trennten, bie alerandrinifche Richtung die Einheit (Erwars gvoınr) betonte und von da aus fah, was für Die Zweiheit noch übrig bleibe. ‘Der göttlichen Natür, dem Logos kam nad) beider Anficht Hypoftafe zu; während aber bie aleranbrinifche Richtung Die Menfchheit Chrifti, die Seelen- fräfte mit eingefchloffen, mehr nur als empfänglichen ober paffiven Stoff der göttlichen Hypoftafe beigab, fo fuchten die Antiochener eine relative Selbftändigfeit auch des menschlichen Factors feftzu- halten aus ben früher angegebenen Urfachen, neigten ſich bann ) Epist. ad Nestor. 2. Opp. Cyr. Al., T. V. 2. ©.21 ed. Aubert 1638. Cyrill. 65 aber nicht ſelten zu Sätzen, die der menſchlichen Seite eine eigene Hypoſtaſe oder Perfönfichkeit fr ſich zuſchrieben. Cyrill gieng keineswegs nur zu der älteren, unbeſtimmteren Redeweiſe zurück, bei welcher der kirchliche Glaube von der einheitlichen Totalan⸗ ſchauung der Perſon Chriſti geleitet war. Auch dem Maaßſtabe der ſpäteren Orthodoxie ihn völlig gerecht zu machen, wird nie ge⸗ lingen, es ſei denn, daß man, wie das chalcebonenfifche Concil, einzelne Schriftftüde zum Maaß feiner Lehre nehme, in denen er behutfam oder ſchwankend ift oder einen Compromiß fucht. Zwar, wenn er fo eifrig von dem Einen Wefen Chrifti, der einheitlichen gras redete, fo könnte man das auf Rechnung einer Unbeholfen- heit des Ausdrucks fchreiben, der die Begriffe oder Worte „Perfon“ und „Ratur“ noch nicht fireng unterfchied, fondern von Einer gvac des Menfchgeworbenen ſprach, während die Eine Perfon gemeint wurde. Allein das reicht keinesvegs zu. Zwar bad Wort vrrooranız ſchillert auch bei ihm noch zwiſchen Subflanz oder gvars und zwiichen Perfon — rzooownor; aber nicht zufällig, fondern im Intereſſe feiner Grundanfhauung Er umterfcheidet wo es ihm darauf anfommt fehr fcharf und beflimmt Perfon (zooowzor) und gunz;; nie nimmt er die menfchlihe pvors im Simme von no00wnor Oder vaooraaıs, wohl aber die göttlidhe Natur. Er weiß recht gut hervorzuheben, daß wenn die zwei Naturen wie jwei Perfonen aus einander ftehen, die Menſchwerdung Gottes gar nicht gefcheben fei. Aber er fucht den Neftorianigmus zu überführen, daß er indem er auch nach der Menſchwerdung noch zwei Naturen unterfcheibe auf eine Zweiheit der Perfonen fomme und nicht vermöge bie Zweiheit zu einer Einheit zurüdzuführen, bie den Namen ver Einheit verbiene.?) Diefe Einheit die das Refultat der Einigung beider Naturen ift, bezeichnet er, wo er fih genau ausbrüden will, nicht fo gerne mit dem fpäter herrſchend gewordenen Ausdruck: „Eine Perfon“, & zgoowonor, fondern nennt 2) Ep. ad Acac. ©. 116: Es feien vor der Menfchwerbung zwei guoeıs, Ein nesconor nicht zwei. Ep. 4 Cyrilli ad Nestor. ©. 23 f.: Es finde in der Menſchwerdung nicht Evacıs rar mpoooner ſtatt, fondern Evacıg xad! unöoracım. Das Refultat tft Ep. ad Monachos Aeg. ©. 9: ävorng pvoınn; Ep. ad Acac. ©. 115: pia pUor. Dorner, Ghriftologie. II. 2te Aufl. 5 66 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt J. Kap. 2. er lieber wieder Ein Wefen, Eine unauflösliche Subſtanz oder Eriftenz (mix pvars), aber nicht als ob er Yuoıs und noooazor verwechfelte oder als ſynonyme Worte behandelte, fondern weil es ihm charafterijtifch ift, die Einheit der Naturen in Chriftus als eine fubitantielle phyfifche zu fegen, namentlich der menfchlichen Seite inmerhalb der Perfon Ehrifti fein Sein für fi zu laſſen, fondern fie nur als einen Compler realer Präbifate anzufehen, bie der Logos an ſich genommen und die fo in feine Subflanz oder gvors eingepflanzt find. Chriſtus ift nichts Anderes ale Gott aber ald mit ung feiender (Immanuel), mit einem Theile der Welt phyſiſch Geeinter: Die Menfchheit ift innerhalb feiner Perfon zu einem bloßen Prädifate Gottes geworben. Aber allerdings, die Sache im Entwidlungsgange ber Kirche und ihres Dogma betrachtet, ftellt ſich Vieles zu feinen Gunften, und fein Fehler war vornemlich der, daß er eine früher unſchul⸗ dig berrichende Unbeftimmtheit in Ausdruck und Gebanfen, als wäre mit ihr ſchon das Vollkommene und Befriedigende gegeben, gegen die Anforderungen näherer Beftimmung und Vermittelung biefer Einheit zähe fefthalten wollte. Das hatte aber ihm zur Folge, dag jene frühere noch nicht ausfchließende Unbeſtimmtheit ſich zu einer feften und beftimmten Einfeitigfeit firirte, und fein Gegenfag gegen ben Neftorianismug, wie gerecht auch nach ber einen Seite, Doch weit davon entfernt war, das bemfelben beimohnende Recht zur Anerkennung zu bringen. Wir betrachten zuerft feine Polemik gegen bie neftorianifche - &hriftologie, und dann feine eigene. Bor Allem ift er gegen die neftorianiiche „Zufammenfügung“. Sie lafle den Sohn Gottes und den Menfchen außer einander, füge fie nur mechaniſch in einander, jo DaB Erepog Er Ersow fei. °) Die Einigung auf bie es anfomme, finde ſich bei Neftoriug gar nit. Das Wort: „der Logos ward Fleifch“ löſe fih ihm auf in ein Neben einanber zweier, Gottes und des Menſchen. Das Menfchliche benfe er jo felbftändig, beide Naturen als fih fo fremd blei⸗ bend, daß man auf zwei idıxai vrooraosıs der Tooowne 3) de incarn. Unig. 705. Eyrill. 67 geführt würde (S. 725 1. c.), der Sohn Gottes nur gleiche, fam bei diefem Menfchen zu Gaft wäre (rmooferos, napaxo- worrs), nur Beziehungen, Relationen zwifchen beiden übrig blieben (oyerıxn ovsagsıa ©. 730). Allein hätte der Sohn Gottes nicht bie Menfchheit fich zu eigen gemacht, fo bliebe fein Verhältniß zu ihr ewig nur ein Aeußerliches und Chriſtus der Menſch hätte die Sohnſchaft nur durch Theilnahme und Zuerfennung (uedertınoig nal sisnenpuusrog). Aber das Gefchenfte, Zuerfannte, nicht aus dem innern Wefendbeftande Fließende wäre auch ver- lierbar, das von außen Gewährte (To Bvoader roowdtr) fünnte auch wieder wegfallen. Die Neftorianer jagen zwar: „fie lehren nicht zwei Söhne“, aber nur weil fie allein ven Logos Sohn : von Natur nennen; „nicht zwei Chriftus“, aber weil fie nur den Menſchen Chriftus (Gefalbten) nennen von Natur. Zwei Mittel: punfte aber behalten fie; fie nennen zwar auch Chriſtus Sohn aber nicht ꝙuot., fondern nur Oeası (viog Heros), einen angenommenen Sohn der an der Würde Gottes und göttlihen Gaben Antheil haben fol. Aber was das für ein Sohn fei? Einen Denfchen anzubeten ber nur in ovrape mit Gott flehe, fei offenbare Abgötterei; ba würden wir einen neuen Gott erhalten, und der Logos wiirde fo von feiner böchften Stelle entrüdt, dem Menſchen Ehriftus, diefem &repos weichen, wenn dem Adoptivfohn die Anbetung wirklich zu Theil würde. Da wäre Chrifti Weſen von unferer Kindfchaft nicht wefentlich unterfchieden. Zwar fuchen ferner die Neftorianer durch die Figur der aragooa zu helfen. Sie fagen nemlich: Chriſtus, auch als Menſch gedacht, könne angebetet werben, wenn bie Anbetung in Gedanken auf Gott oder den mit ihm ver bundenen Logos bezogen werde. Aber das fei Feine Anbetung Ehrifti. Die bloße ovrayan gebe auch nie ein Recht zur An⸗ betung der DMenfchheit. Die Bermählung fei mehr ald avragpeıa, denn Paulus fage: wer mit dem Herrn vermäßlt ift, iſt Ein Geift mit ihm. Gleichwohl werben die Gfäubigen nicht angebetet. Das bergebrachte Wort Erooıs wollen die Neftorianer abfchaffen, währenb doc feine Bermengung barin liege, fondern ovrögoun. Denn nicht bios das Einfache oder uoroedts nennen. wir Eines, fondern auch das Zwei⸗ oder Dreifadhe wenn es vereint iſt. 5 % % 68 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. Zurayan aber und ovröeouos was die Neftorianer behalten, führe nicht hinaus über das Verhältniß von Meeifter und Schüler ober Gehülfen. Hieran fehließt er noch Gründe die vom Werke Ehrifti hergenommen find. Bon einer Erniedrigung können bie Neftorianer nicht wahrhaft reden; der Logos bleibe ihmen ja für fih,, der Menſch aber empfange immer mehr. Sp werbe der Sohn ſtatt Exlöfer zu fein, immer mehr erlöst von Unvoll- fommenheit (S 745). Allein er fonnte ung nicht vetten ald eim mit Gott verbundener Menfch, auch nicht als gottähnlicher Menſch (eidonondeis eos S. 730), fondern ale Gott der in die Aehn⸗ fichfeit mit und den von Gefahr Umringten trat (S. 744) und ung fo zu erreichen vermodte (S. 753). Ein Gott ähnelnder Gott wäre Heog ıpevönrvuog , vios eismointog, vodog , vroßodı- naios. DaNeftoriug den Logos nichts empfangen laſſe, auch nicht die Erniedrigung, jo fei das Leiden Ehrifti blos Leiden eines Menfchen und verliere feinen unendlichen Werth (760 ff.). Wie könnte ferner Ehriftus als Gottmenſch unfer Haupt heißen und das göttliche Leben ung mittheilen, wenn ber Logos nicht wirklich Menfh ward? Die ganze neftorianifche Lehre flamıme aus einer Impotenz des Geiſtes, bie Tiefe des göttlichen My⸗ ſteriums zu umfaſſen (S. 744) Am bitterften drüdt er aber die bei Neftoring vermuthete Auflöfung bes Grundgedankens ber Menichwerdung fo aus (S. 750): Wie fann das Wort Gottes nad) Jenen Menfch heißen? So, wie Jeſus weil er in Nazareth wohnte, Nazarener hieß. Alfo ift ihnen Chriſtus ein ardowronoAins, zu einem Menfchen gehörig (eröpwnaio;), nicht aber Menſch. Allein um biefer Bewohnung eines Menſchen willen könnte Chriftus nicht Menſch heißen, fo wenig als er Nazareth heißt. Vater und Sohn wohnen ja auch in andern Menſchen und heißen barım doch nicht Menſch. Und wenn auch Neftorius, zum Unterfchied von Gläubigen und Propheten, Chriſtum von feiner Geburt an erfüllt fein laſſe mit heil. Geifte, fo fei Das nur ein quantitativer Unterſchied. Erſt dadurch, daß der Logos Menſch ward, ift bag Univerfale, centrale göttliche Prins cip zugleich weltwirklich, ein Theil der Welt geworben (S. 700). *) ) Andere Stellen die dieſe myſtiſche Seite befprechen, find de inc. Eyrill. 69 Aus dieſer Beftreitung des Neſtorius ift fchon auch er- fihtlich, um was es Cyrill vornemlih zu thun if. Er will in Ehriftus den gegenwärtigen, weltwirklich gewordenen Gott, der ebenfo an all dem Unfrigen Theil nimmt, wie un ferer Natur an dem Seinigen Theil gibt. Sein Lieb⸗ lingsausdruck biefür ift: Chriſtus iſt der mit und feiende Gott, Immanuel. Es ift ein inmiges religiöfes Intereſſe, was ihn hie⸗ bei leitet: er will die wunderbare Liebesthat Gottes die fich in der Menſchwerdung offenbart, um nichts verkürzen laſſen, fondern fie in ihrer ganzen Tiefe erfaffen. Es ift unzweifelhaft, daß ihm das Problem in feiner ganzen Größe von ber religiöfen Seite ber meit Harer vor Augen ſtand ald den Antiochenern, ja felbft ald dem Apollinaris. Chriftus ift ihm vor Allem eine Gottesgabe an die Menfchheit, nicht bios Beifpiel oder Vorbild eined gottähnlichen Dienfchen, nicht blos mit der Kraft der Mit: theilung unfterblichen Lebens für. das enfeits zum Lohne feiner Zugend ausgeftattet, fondern von Natur mit göttlichen Heils⸗ fräften erfüllt. Seine Crlöferfraft ligt nicht im Logos für ſich, fondern darin, daß bie Menfchheit in ihm realen Antheil an den göttlichen Kräften des Logos hat. Es Fam nicht blog darauf an, ben unfichtbaren Logos ſichtbar zu machen, zu zeigen, Das wäre blos ein Lehren, blos ein Schein von Dienichwerbung (de Incarn. Unig. 690 ff. 702. 705707). Bielmehr hat der Logos wirk⸗ lich Menſch werden, vollfommene Lebensgemeinfchaft mit ber menſchlichen Natur eingehen müſſen, weil er fowohl dem Yeibe Unfterblichfeit als der Seele Gerechtigfeit zu bringen hatte. Er bat Beides dadurch gebracht, daß er unfer Bruder nad bem Fleifche ward, und unferer Natur, zunächft in fich, belebende, beiligende Kräfte mittheilte, eben babur aber auch an feiner Menichheit das Organ gewann, um auf die ganze Menichheit als die ihm nun wefensgleiche zu wirfen. Um aber fo feiner Menfchheit und dadurch) ung Theil an feinem göttlichen Weſen geben zu können, mußte er vor Allem auch Theil nehmen an Unig. 690. 692. 693. 698. 700. 704. Dial. 9. 723. 744. 761. 764. Ep. ad. Mon. Ag. ©. 18. 70 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfchnitt I. Kap. 2. dem Unfrigen, nicht etwa blos an einer verflärten und vollen beten Menſchheit, fondern an unferer Menſchheit wie fie if, auge genommen bie Sünde. Diefes Aneignen des Menfchlihen und jenes Theilgeben an ſich ift feines ohne das Andere, erſt in beis dem zufammen ftellt fih der reale und beilsfräftige Liebeswille bes Logos bar, der ernfilich vollfommene Gemeinfchaft mit ung eingeht um ung zur Gotteögemeinfchaft zu führen. Die Menſch⸗ werbung des Logos ift dem Cyrill nichts Anderes als das Ineinander der Aneignung des Unfrigen (oixeinns, idsomomag 1. c. 704. 707. 712. T. V, 2) und bes Theilgebend (xoro- nowiv ©. 711) an dem Seinigen. In der Einen Perfon Chriſti ift dieſes Beides vollzogen, bag der Sohn Gottes das Menſch⸗ liche zu dem Seinigen gemacht hat und demſelben Theil gegeben an fich ſelbſt. Alle Worte über Chriſtus im N. T. gelten nicht von der einen Natur ober der andern, fondern von der Einheit ber Perfon. Denn ba ber Eine Sohn Gottes incarnirt ward, fo "möchte er Alles fein nennen, Menſchliches und Göttliches, bie Müpigfeit, das Hungern,, das Lernen, das Beten (I. c. 758). Ale Ausfagen über Chrifti Menfchheit, das Geborenmwerben, Leiden, Auferftehen und Erhöhetwerden find um jo mehr auch auf die göttliche Natur zu beziehen, als der Sohn Gottes allein das Subjekt ift, das in Chrifti Perfon der Träger von Prädis faten fein kann. Es ift alfo zu fagen: derſelbe der feine erfte Geburt aus Gott hat, hat feine zweite aus dem Saamen Da⸗ vide (S. 696); Eines und deffelben ift das ewige Sein und das Sterben (S. 727 vgl. 726), ja auch die Salbung mit dem beit. Geiſte. Käme dem Sohne Gottes das Geborenmwerden nicht zu, hätte Maria nicht ihn als menfchgeworbenen, fondern nur einen Menſchen geboren, fo wäre die Menfchwerbung felbft nicht geihehen. Ebenſowenig aber als feine Geburt, darf dem Sohne Gottes das Leiden abgeläugnet oder feiner Gottheit entfrembet werden (S. 775 ff.) ). — —· % Nur von dem Worte: „Dein Gott, mein Gott, warum haft bu mich verlaffen“ will er zugeben, daß es fich nicht unmittelbar auf den menfchgeworbenen Gottesfohn beziehe (S. 755). Auch die Nes Cyrill. 71 Andererſeits aber iſt umgefehrt auch feine Menſchheit der gött⸗ lichen Herrlichkeit durch den Logos theilhaftig, es iſt die Gottheit wirklich der menſchlichen Natur zu eigen geworben (Dial. 8. 1. c. 706. 707. Dial. 9. S. 749). Die Runder 3 2. bat nicht der Vater oder der Logos für fi, fondern ber menſchgewordene Sohn Gottes; er befeelte auch feine Menfchheit, die er fich zu einer Seite feiner felbft angeeignet hatte, mit der göftlichen , bes lebenden Kraft; feine Menſchheit ift auch fegt Das Drgan feiner Geiftesmittheilung, er belebt uns nicht blog als Gott oder durch ben heil. Geift, fondern auch dadurch daß er feine erhöhte Menſch⸗ heit ung zur Speife barreicht (sdeoıns naperidnoı nv aruninp- Beioar quoi (©. 707). | Die bisherigen Sätze zeigen mehr nur die religiöfe Wurzel feiner Chriftologie und als allgemeines Bild derfelben ben in Jeſu real gewordenen Liebeswillen des Logos, der den innigften vollfommenften Austaufh mit unferem Geſchlechte leidend und mittheilend fucht: denn im Theilnehmen und Geben ift einzig der Logos als das: handelnde Subjeft von Anfang an gedacht. Der Menſch Jeſus hat feine Bedeutung in ſich ſelbſt als Selbſt⸗ zweck oder als cin Weltgut, wie bei Theodor von Mopsveftia, fondern die menfchlihe Natur ift einzig Inftrument der Liebes⸗ beweifung des Logos ſowohl indem fie von ihm mit ihren Schwachheiten angeeignet als indem fie mit göttlichen Kräften erfüllt wird. Aber fo berechtigt es ift, in der Menſchwerdung eine Ein- heit des göttlichen Iheilnehmens und Theilgebens zu fehen, ſo muß es doch darauf arffommen, nicht blos bei dem Poftulate bes Smeinanber biefer beiven Diomente ſtehen zu bleiben, fondern auch) beides zu einer wirklichen Ehriftofogie zu geftalten, zumal die Ver⸗ einbarfeit beider ſich keineswegs von felbft verfieht. Denn theilt die Gottheit des Logos ihre Eigenfchaften, ja ſich felbft ber Menfchheit Chriſti mit, fo fcheint dieſe aller Unvollfommenheit ——— — ——— ſtorianer werden darin nicht Kleinmuth oder Gottentfremdung ſehen wollen, alſo ſei hier eine myſtiſche Tiefe anzuerlennen. Chri⸗ ſtus rief diß Wort an unſerer Satt als zweiter Adam. Er, als einer von ung, hat das für die ganze menſchliche Natur geſprochen. 72 3weite Periode. Erſte Epode. Abſchnitt L Rap. 2. und Leibentlichleit enthoben, alſo auch von einer Aneignung diefer durch den Sohn nicht im Erufle die Rede fein zu fünnen. Und umgefehrt, eignet etwa zuerſt der Logos ſich feibR dieſe mad au, fo daß die endlichen Unvollfiommenheiten wie fie zur wahren menſch⸗ lichen Natur gehören, veale Beftimmiheiten am Logos geworben find, wo bfeibt ihm bem aljo Entäußerten die Möglichkeit, feine @ottesfraft der Menfchheit zu eigen zu geben? Das Tiebesver- hältniß, das der Logos mit uns perfönlich eingehen will, fordert zwar beides, das Theilnehmen und das Theilgeben, aber eines fheint Das andere auszufchließen, beides fcheint nicht zufammen Statt finden zu können. Was hat nun Cyrill für die Löjung biefer Antinomie geihan ? ? Die Schwierigfeit des Problemes fühlt er tief; will aber lieber ald mit dem Reftorianismus es fallen zu laffen, ſich auf das abjolute Geheimnig und Wunder zurüdziehen. ) So in unzähligen Stellen. Gleichwohl ift er hiebei nicht jtehen geblieben, fondern hat ſich redlich bemüht, eine Loſung zu finden. Um die Möglichkeit anfchaulih zu machen, daß der ewige Gottesfohn die menfchliche Leidentlichfeit und Endlichkeit ſich zu: eigue, lag der Gedanke an eine Selbftentäußerung bes Logos nahe, durch welche er des mit biefer Endlichfeit nicht zufammens gehenden Göttlichen fi) begeben und damit die Fähigfeit erlangt hätte Die Knechtögeftalt anzunehmen. Diefen Gedanfen, dem wir ſchon mehrfach begegnet find, faßt er beftimmt ins Auge, aber ohne ihm zuzuftimmen. 7) Er befpriht zwei Formen dieſes Gedanfend. a) Nah inigen hätte der Sohn den Kompler feiner göttlichen Cigenfchaften (oder ſein göttliches Wefen) im Himmel zurüdgelaffen und nicht zur Erde gebracht, feine gött⸗ liche Perfon aber wäre auf Erden als Immanuel geweſen und nicht im Himmel. Hienach wäre das Band zwilchen dem Logos und ber Menfchheit nur die Hypoſtaſe des erfleren ohne bas göttliche Wefen, diefes ſelbſt wäre nicht mit der Menfchheit vereinigt worden, fondern nur die Perfon des Logos. 8) Diefe ®) Homil. XVIL ©. 227. ?) Adv. Anthropomorphitas L. I. c. 18. 8), 1. c. bie Authropomorphiten fagen: og 0 movoyerns ou Yson vloc Cyrill. 73 Theorie konnte dem Cyrill nicht zuſagen, weil ihm ebenſoſehr an dem Theilgeben der göttlichen Natur gelegen war als an dem Theilnehmen. Auch wendet er dagegen ein, Hypoſtaſe und Weſen laſſen ſich nicht ſo von einander trennen, das göttliche Weſen des Sohnes aber dulde keine ſolche Beſchränkung, daß es, wenn es im Himmel iſt, nicht auch auf Erden ſein ſollte. Eine ſolche Veränderlichkeit des Logos, wornach er hypoſtatiſch aus der gött⸗ lichen Sphäre in die weltliche herausträte ohne in der erſteren zu bleiben, will er gleichfalls nicht. b) Die andere Form dieſer Entäußerungslehre läßt nicht blos die Perſon ſondern auch das Weſen des Logos aus der göttlichen Welt der Unendlichleit, die für die Menſchwerdung nicht geeignet ſei, in die Welt der End⸗ lichfeit übergeben, bie xsrwors auf Weſen und Perſon ſich erſtrecken, um fo die göttliche Natur begrenzt und für die menfchliche auf⸗ nehmbar (oiorı,) zu machen. °) Das fei, fagt Eyrill, ein heid⸗ nifcher Gottesbegriff, und biefe Anficht gleiche dem Arianismus, der auch von einem Göttlichen aber auffer Gott rede, denn bie wenigftens auf eine Zeit lang verringerte Gottheit des Sohnes würde zu einem fuborbinirten fosmifchen Weſen. Wenn fonah Cyrill die Möglichkeit dag der Sohn Gottes die menfchliche Natur zu feiner eigenen machte, nicht dadurch bes gründen will, daß ſich der Sohn umgefegt oder verwandelt habe in eine endliche Natur: wenn ſich ferner ebenfomwenig bie Bes hauptung beweifen Täßt, daß Eyrill dem Apollinaris ähn⸗ lich die Menfchheit oder Endlichkeit als eine ewige Beftimmung in dem Logos felbft angenommen habe, wie ift es ihm doch mög⸗ lich zu fagen, daß ber Logos bie Menfchheit zu feiner eigenen Beitimmung made ? Befondere Schwierigfeiten ftellte ihm hier ber herrſchende Gottesbegriff entgegen, in welchem nicht einmal bei einem xare us» zw aliav zac Ösorrtog zal oloiag avriv ı$ narpi, zulaa eni yag EXenustıge nal toig ardpmRoıg Ovvavsorp6pero, ag ONOHdLog 0» avıö' nara di ray rag VNootacemg Aöyoy vux Ertl. Kexdvoro yap n&oa, ug airol Yaoı xai viorinn UNodTadıg IR 18 169 Ovpanay xal avray 159 Hareınay nOANKT. »1.e ce 19, TA Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 2. Theodor das Ethifche Das Uebergewicht über Das Phyſiſche errungen hatte. Cy rill, um dem antiochenifchen Vorwurfe zu entgehen, daß er in heibnifcher Weife Gott phyſiſch und leidentlich denfe, indem er das Menfchliche durch den Logos Gotte zueigne, betont auf das Stärffte, daß er die Gottheit und bie Menfchheit unendlich verfchieden denfe und feine Ausdrüde geben hierin den Antios chenern faum etwas nad. Er fpricht von einer anıoog , arououog, eripa gvoıs Gotted und des Menſchen (T. V. 2. ©. 688). Ya er fagt: Gott ift Die wmefentlihe Unmandelbarfeit, ber feine DVeränderlichfeit ober Leidensfähigfeit zufömmt (T. V. 2. 633. 743. 744. dialog. de Trin. T. VI. 625). Eben’ fo wenig Tann bie göttliche Natur ihre Feftigfeit und Unwan- belbarfeit aufgeben als bie menfchliche in das Göttliche über fpringen und umgebildet werden fann. Gott ift nah feinem Wefen unumfchrieben, ohne Geftalt und Form, ohne Stoff und Quantität, daher von ung wefensverfchieden. Auch feine Allgegenwart gehört zu feinem Wefen und fo wenig die Menſch⸗ beit Allgegenwart haben fan, fo wenig fann Gott durch bie Menfchheit umfchrieben werden. Diefe Beftimmungen find von ber Art, daß bie beiden Naturen fih ausfchliegen zu müflen feinen und daß weder für eine wirkliche Aneignung ber Menſch⸗ heit duch den Sohn nod für eine wirkliche Theilnahme jener an ber Gottheit Raum bleib. Denn ift Gott nach feinem Werfen leidensunfähig, wie follen die menfchlichen Leiden fein werben? ift er unmandelbar,, wie foll er Ktfeifch werden? Iſt er weſentlich unumfchrieben, wie foll er in der Menfchheit Chriſti fo umſchrieben fein, daß in diefem Gott mit und ift? Sa wie foll überhaupt, wenn er von ung wefensverfchieben ift, fo- wohl eine Aneignung des Menfchlihen als ein Theilgeben an fih) zu Stande fommen? Hat vielleicht Neſtorius Recht, wenn er ihm fehreibt: „Cyrill verdiene Lob, daß er die Na⸗ turen unterfcheide und befenne, die Gottheit habe nicht Teiden fönnen, wie aud) das nicänifche Concil nicht von einem leidenben. Gott, von einer Geburt des Sohnes Gottes aus Maria, fondern nur von Menſchwerdung rede. Aber hiemit ftehe Doch wieder alles anbere bei ihm im Widerfpruch, e8 müßte denn eine geheime Weis⸗ Cyrill. 73 heit dahinter liegen, die er ihm überlaſſen müſſe. Den er nicht leidentlich, nicht geboren genannt, nenne er nachher leidend, her⸗ vorgebracht, als wäre plötzlich durch die Annahme des Fleiſches Alles ausgelöſcht, was dem Sohne Gottes weſentlich zukomme. Cyrill ſei ein Neuerer und übertreibe den Begriff der Aneig- “2 — Cyrill läßt fich keineswegs hiedurch irre machen. Nach unferem Verſtande, fagt er, find göttliche und menfchliche Natur nicht vereinbar zu einer phyſiſchen Einheit (zovußera eis Erooır von»). Aber es fand doch eine Einigung beider Statt und zwar von ber innigften Art '") (apororos avunmkonn, ovvoßog, ovröpoun, 7.arwraro &racıc) Zwar trat nicht eine Diefelbig- feit des Weſens ein, die Naturen find nicht Eins der Zahl nach fondern zwei, aber fie find fo geeinigt, daß ihr Unterfchieb Feine befondere Anderheit mehr begründet (idn» erepornza), fo daß fie noch jede für fi wären, fondern Teine fann mehr ohne bie an⸗ dere gedacht werden (T. V. 2. ©. 731 ff). Sekt noch bie eine ohne die andere benfen zu wollen, wäre fo verfehrt, wie wenn jemand ben Leib als Menſchen für fi) denken und von einer Mutter etwa fagen wollte: fie babe einen Leib geboren, T.V,2. ©. 705: 6 Adyag eremiaun oapnl. ©. 708: eis 37 aıpm avAldyor xai wonse allylois avanıyrag T& av gucenr Idianara, 711: der Logos blieb, was er war, auch in der Zeit und im Sleifch ; als Yens nara Yvorv drmdsig aapxi mai ra zig ldiag PVosmg ayada xoıwonoısiv einde 1a Iölo omparı. 712: uovovovgi Ovvaysigst Tas Pugeig nal sis nioyayasıav ayeı rar Exariog Toenavrov idimua- za» ryr Svranıy. Homil. XVII. ©. 226. 228. Ep. ad Monach. ©. 9: ovrdsdpaunxöta sig ävdınra puvoinyv. Ep. ad Acac. ©. 115: Bor der &rwaıs waren zwei Naturen; uera 56 ya nv Evadır a5 @YgoN- neyng 387 195 eig dvVo dtarouns ulav elvarn Mıotsvousv 19 toũ via gicım wg Eros nAjv evardgonzoarros. Er ift nicht zufrieden, wenn auch nach der Menfchwerbung noch uoeor ro diapopo» anerkannt wird ; er will zwar noch verfihiedene Ausfagen (paras) göttliche und menschliche Prädifate gelten laflen, aber für beiverlei Prädikate nur Einen gemeinfamen Einheitspunft (gvac) ©. 119. Koasıs, rgonn, pvonog verwirft er S. 718; aber doch braucht er mehrfach das Bild von dem Wein mit Waffer vermifht. Homil. XV, S. 328. Disl 9. ©. 776. 76 Zweite Periode. Erſte Erode. Abſchnitt L Kap. 2. ſtatt: einen Menfhen. Der Cine Sohn, ter quoe Bett war, follte auch ale Menſch gebucht werben (Ep. ad Monach. ©. 15). Als Gottgewordener Menſch ift freilich Chriſtus nicht eigentlich zu bezeichnen, fondern nur als Menfchgewottener Gott (T. V. 2. Homil. XVII. ©. 231 f). Wenn Johannes jagt: das Wort warb Fleiſch, fo bezieht ſich dieſes, wie alles Geſchehen in Gott, nicht auf fein Weſen und deſſen Aenderung, fonbern auf fein Wirfen (Thesaur. Assert. Xi); der Logos nabm nick zu, nicht ab durch die Menfchwerbung , er blieb leidenslos auch in dem Leiden für das er durch das Fleiſch empfänglich war, wie allwiflend auch in dem Nichtwiſſen das feiner Menichheit beimohnte, allgegenwärtig aud außerhalb des Fleiſches Chriſti, während er doch in feiner Ganzheit Menich geworben war. Hienady fcheint aber Cyrill das innerfte Wefen des Logos von ber Menfchwerbung vollig unberührt bleiben zu laſſen; die Menſch⸗ beit nur ein äußerliches aseitiliam für ihn zu fein, und bie Einigung doch nicht über den trivialen und nichts leiftenden Sag binauszufommen, dag in Chriflus die göttliche Natur leidenslos, allwiſſend u. f. w. war, die menfchliche daneben leidentlich u. |. w. Allein das gäbe ja auch Neſtorius zu, für bie Einheit der göttlichen Perfon und Natur mit der menfchlichen wäre gar nichts gegeben. Wir mäffen, um ibn zu verftehen, ung erinnern, daß der Logos das Subjekt in Ehrifti Perfon ift; derfelbe der ſchon von Ewigkeit Hypoftafe war und in feinem Wefen unverändert blieb, hat die Dienfchheit angenommen, und zwar fo, daß er ber einzige Träger aller Prädikate, auch der menfchlihen war, und deßhalb kaun man nicht der menfchlichen Natur in Chriftus ale einer befonderen dem Logos Außerlichen Anderheit biefe Prädi⸗ Tate beilegen, fondern fie find von dem Rogos zu feinen eigenen gemacht neben feinen ihm urfprünglich zugehörigen. Sobald auch nad) der Menſchwerdung noch von einer befonderen menfchlichen Natur ald Trägerin der menfchlichen Prädifate gefprocden warb, fo ſah er darin eine Verkürzung oder Verläugnung des Wunders ber Menfchwerbung. Cr will nichts wiffen von irgend einem eigenen Mittelpunkt menſchlicher Natur: fie ift ihm nur bie Peripherie für Das göttliche Centrum, ihren einzigen realen Ein- Cyrill. 77 heitspunkt. Sie bat ihm alſo feine eigene Subſtanz, die göttliche ift an ihre Stelle getreten, fie Dauert fort ald Compiler von Ac cidentien die einzig durch den Logos als Mittelpunkt zufammen- gehalten werben. Der Einheitspimft der menfchlichen Natur war nie, brauchte alfo auch nicht abforbirt zu werden, die menfchliche Natur fam von Anfang an nur zu Stande durch ben Logos. Man kann daber nicht eigentlich von einer Verwandlung ober Transſubſtantiation der menfchlihen Subftanz in die göttliche bei Cyrill fprechen, wohl aber von einer Anfubftantiation nicht blos Enypoſtaſirung berfelben in dem Logos. Sekt, feit der Menſchwerdung ift Das Fleifch eine Beftimmtheit des Logos ſelbſt als des einzigen Subjeltes geworben, zu feiner eigenen Qua⸗ lität, ohne die er nie wieder darf gedacht werben, und bie ihm jetzt phyſiſch eigen ift. (Dial. 9. S. 770). So find Logos und Menſchheit Ein Wefen (ix gvas) geworden, fo ift die &rwoıs gvomm begründet, und der Logos hat ohne Verluſt feiner eigen- thümlichen urfprünglichen Prädifate auch noch Die menfchlichen an- genommen, welche, weil er für fie Das Subjelt ift, er nicht andere fann derm als die feinigen anfehen. Sp beutlih nun aber durch das Ausgeflhrte wird, wie Cyrill wefentlid vor den Antiochenern verſchieden die Einheit der Perfon ja des Weſens Chrifti betont und Die oineiwow der menfchlichen Prädifate dem Logos zufchreiben muß, fo ift Damit doch für die obige Frage noch nichts geleiftet, wie benn ber Logos dazu fommen könne, zu feinen unendlichen, göttlichen Prä⸗ difaten auch die menfchlichen zu feinen eigenen zu machen? Und wenn er nichts Dafür thut, die Vereinbarkeit dieſer entgegenge- fetten Präbifate in einer und berfelben Perfon aufzuzeigen, fo fann das Zufammenfprechen beider in paradoxen Sägen bas Entzweibrechen der Einheit der Perfon doch nicht hindern. Auch hiefür nun bat Cyrill noch Einiges zu thun verfucht, jedoch wie gefagt noch nicht fo, daß er des ethifchen Gottesbe⸗ griffee mächtig geworben wäre. Des Logos Wille ift ihm der legte Grund dafür, daß er die menſchliche Natur, Leidentlichfeit u. |. w. fich aneignen konnte. Diefer Wille ift zwar mehr nur ald der Machtwille gebacht, 78 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfehnitt J. Kap. 2. weniger ale allmächtiger Tiebeswille, aber doch Tigt darin ſchon ber Gedanke an eine Macht des Logos über feine eigene Natur einge⸗ hüllt. Diefer Wille machte die göttliche Natur erträglich für die menſchliche (oorij Homil. XVII. ©. 230. 1. c. 736, 737). Hie⸗ mit ift eine Selbftbefchränfung des Logos wenigjtens in feiner Ac⸗ tualität geſetzt, Damit Die menfchliche Natur als wahrhaft menfchliche, leipentliche von ihm könnte angeeignet werben. So weit geht er aber nicht, die Unveränderlichfeit des Logos und fein innerftes Weſen in der Liebe zu fehen, die auch wenn fie ih Selbſter⸗ niebrigung ſich bethätigt unverändert fie felbft bleibt. Dagegen läßt er das Theilnehmen an der Enblichfeit und das Theilgeben an ber Gottheit, welche wenn jie beide vollftändig zu gleicher Zeit Statt fänden, fi) gegenfeitig aufhöben, augeinanbertreten, feßt das Erftere für den Anfang noch ohne bie Bollfommenheit des menfchlichen Theilhabens an der Gottheit, und läßt fo Raum für eine menſchliche Entwidlung. Diß führt und auf das zweite Moment der Menfchwerdung nad) Cyrill, die Mittheilung der Gottheit an die Menſchheit Chrifti. Zwar foll man nah Cyrill nicht fagen, die Menichheit in Ehrifto nahm zu (Hom. XVII. 230). Da wäre fie fchon als zu felbftändig gedacht. Aber er will auch der Wahrheit derſelben durch die Mittheilung ber göttlichen Idiome Teineswegs Abbruch thun laſſen. ') Der Logos eignet fie fih in der Form an, bie zur Wahrheit jeder Stufe oder Lebenslage gehört. Dft wiederholt Cyrill, ber Sohn Gottes habe feine Verwandlung des Menfchlihen in bas Göttliche, feine Vereinerleiung beider gebracht; die menfchliche Natur obwohl fie in Vergleich mit der göttlichen nichts fei, fei von biefer nicht verflüchtigt worden, fondern dieſe habe fich bie Menfchheit unmittelbar zu eigen gemacht (zudoas idi« Dial. 9. ©. 776) wie fie gegeben war von der Jungfrau ber, habe fich biefelbe nach ihren Maaßen, Gefeten, Berhältniffen angeeignet (Hom. XVil. ©. 227). Hieher gehört auch der obige Aus: druck: „Die göttliche Natur machte fich erträglich für bie menfch- ı) Die menſchliche Natur ov danavaraı, bnoniöntere durch bie gött⸗ lie L c. 786, 787. . — — — 7 — — [v2 —2 0 Eyrill. 79 liche“ (1. c. 736 f. Hom. XVII. 230), der nicht bedeutet, bie menſchliche Natur fei ausgerüftet ober gefalbt worben mit der Kraft, die göttliche aufzunehmen, fondern er weist auf einen refleriven Alt des Logos auf fich felbft, der feine Strahlen gleich fam Iöfchte oder dämpfte, der Bethätigung feines göttlichen Weſens nicht freien Lauf ließ. Sondern obwohl ber Logos an der menſch⸗ lichen Schwäche Theil nahm, um fie zu feiner Kraft zu erheben, 10 hielt ſich doch diefe Mittheilung an die menfchlide Natur in den Schranfen, deren Anerkennung in dem Willen der Menſch⸗ werbung mitgefeßt fein mußte. Das drüdt er aud) fo aus: Indem der Logos die menfchlihe Natur annahm, überließ er den Ges fegen berfelben eine Macht über fich. 1) Hier hätte fich folges richtig die Lehre von einer fleigenden Hineinbildung des Göttlichen in bie menfchlihe Natur ergeben müffen, die Abhängigfeit ber Mittheilung der göttlichen Idiome von ben Gefegen .einer wahrs haft menfchlichen Cethifchen) Entwicklung, fowie die Abhängigfeit der ganzen göttlichen Natur in ihrer Actualität von dem ethifchen Willen des Logos. Da wäre bie Menfchwerbung nicht durch einen Willensaft des Logos vollendet und fertig geweſen, fondern von dem fortgehenden Willen bes Gottesfohnes abhängig ges blieben. Allein eben hier bleibt er wieder ganz in dem Phyſiſchen hängen. Die Einigung bes Logos mit dem Komplex der menfch- lichen Idiome läßt er zwar ausgehen von feiner zudoxi«, feiner Liebe, aber er läßt doch fofort den Willensproceß zur Ruhe fommen in einer Naturirung, in einem phyfifchen Refultat, das ft Die Erworg yvonn, weldhe ihm feinedwegs blog Erwoıs rar gvoeor, fondern eine zum Natur: oder Wefensbeftande gewordene Einigung if. Darin glaubt er die Unauflöslichfeit der Unio erſt geſichert zu fehen. '*) ) yplaı roig nörpoi ifs avrdgwnorztoc &p davıa zo nparsiv. (Dial. 9. ©. 760). 1.6. 738: Was nicht in phyfifcher Weife begründet iſt (pror- xoig £040810raı vonoıg), läßt den Verdacht übrig, daß es wieder tönnte verloren gehen. ©. 705: Der Logos ift nicht wie von außen in ven Menfchen hineingethan, er ift nicht Exsgos &v drop, Stoder Eyxexpipdrog, fondern vice nposa»w (Dial. 9. G. 745. 770), 80 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 2. Durch einen wirklichen fortgehenden Proceß der Menſch⸗ werdung hätte Cyrill die Möglichkeit gewonnen, ſowohl der anfänglichen menſchlichen Unwollkommenheit und deren Aneignung durch den Logos, als nachher in ſteigendem Maaße der einigen⸗ den Mittheilung des Göttlichen an die Menſchheit Raum zu geben. Allein offenbar hätte er dann die Menſchheit nicht ſo ſelbſtlos, nicht als bloßes Prädikat des Fleiſchgewordenen Logos ohne ein immanentes Entwicklungsgeſetz, ohne Freiheit denken dürfen. Es fehlte ihm mithin zur Durchführung deſſen was er anſtrebt, gerade das wahre Element das Neſtorius vertrat, das aber Cyrill verkannte. Er meinte, Die Incarnation um ſo würdiger zu benfen, je augfchließlicher er in ihr nur Gottes That fab und erkannte nicht, Daß die menfchwerbende That des Logos nichts erreicht hat, wenn fie nicht einen wirklichen, ben wahren Menfchen fest, der zugleich Gott ift, nicht aber ein bloßes ouyaror Gottes wie funftreih und menfchenähnlich auch das Syftem ber Kräfte oder Empfänglichfeiten befielben fei. ') So zeigt ſich bei Cyrill befonders lehrreich, wie die religiöfe Auffaffung bei aller Innigkeit und Tiefe nicht zum Ziele kömmt, wenn fie das Ethifche, die Willensfeite geringfchägt in Vergleich mit der gvor. Diefer Mangel ließ den Eyrill in manchfachen Schwans fungen und in Gegenfägen hängen bleiben, die er dann, freilich vergeblich, durch Naturanalogieen zu überbrüden hoff. So fagt er in Beziehung auf feine (nicht doketiſch zu nehmenbe) Formel „enodo; Enader“: Wie das Feuer einem Stoffe, 3. B. Eifen eine. verleibt fein fan, gleichwohl aber wenn das Eifen geichlagen wird, das Feuer nicht leidet, fo litt auch die Gottheit nicht. '°) Diefes Bild wenn es beweifend wäre, würde eher beweifen baß Göttliches und Menfchliches ineinander fein fönne, ohne daß deßhalb Alles gemeinfam werde. Es ift alfo eben fo gut ein neftorianifches Bild, denn die Hauptfache fehlt, das Bezogenfein *) Am liebſten braucht er zu Bezeichnung ter Raturen, befonders ter menfchlichen, Neutra, z. B. neaynara. Vgl. Ep. ad Monach. ©. 9. de incarn. Unig. <00. 708. 713. 15) 1. c. 776, Bergleihung des Cyrill und Reſtorius. 81 \ ber Leiden auch auf den Sohn Gottes, auf einen gemeinfamen - Mittelpunkt des Bewußtſeins, unbeſchadet der göttlichen Würde und Unveränberlichfeit, was nur dann möglich fein wird, wenn das Ethifche oder die Liebe als das Wefen und bie. Würde des. Logos gedacht if, Die auch trog ber Theilnahme an dem Menſch⸗ lichen fich felbft gleich bleibt, ja gerade durch fie. Aehnliches ift zu fügen über feinen Verſuch, die bleibende Allgegenwart bes Logos mit feinem ausgezeichneten und einzigen Sein in Chriſtus zu vereinigen. Er erinnert !6) an das Richt, das einerfeits in dem Lichtkörper der Sonne gefammelt fei, und doch in die Unendlich: feit hinausſtrahle und ſich verbreite. So treffend er hienach Chriftus als Centralorgan bes Lichtes und Lebens ber Welt denkt, fo bat er damit doch dasjenige nicht gereimt, was er über bie weientliche und nothwendige Allgegenwart göttlichen Weſens ge⸗ fagt. Um jenes einzige Sein Gottes in Chriftus zu gewinnen hätte er von der phylifchen Allgegenwart als einer Nothwenbigfeit ber Ratur auf Gottes ethiſches Weſen übergehen müſſen, dag durch die Ratur nicht könne gebunden fein, überall nur auf bie gleiche Weife zu fein, fondern das über bie göttliche Natur bie Macht fi. Fand er in der antiochenifchen Formel: „es war Gottes Wohlgefallen. daß die Fülle der Gottheit in Chriſtus Teibhaftig wohnte“ die Löslichkeit des Logos von der Menfchheit noch nicht ausgeſchloſſen, zu fehr alles auf den Willen, nicht auf ein be- harrliches feftes Sein geftellt, fo lag ihm ja die Möglichkeit offen, das Ethiſche fubftantiell als bie inmerfte wahre Natur in Gott zu benfen, ebenbamit aber auch in Gottes Natur eine ewige Tendenz zur Menfchwerbung nah Art des Ayollinaris zu fegen. Das bloße Ausichließen bes antiochenifchen Lehrtypus aber war jebenfalls nicht gerechtfertigt und firafte fih an ihm Mit Recht verwirft Cyrill eine Unio, die zwei innerlich außer einander fiehende Naturen nur gleihfam in einander ftellen will (die mechaniſche Unio) oder die beide nur in Einen Ramen und Titel zufammenzufaffen weiß, oder bie nur in einem %) Adv. Anthropomorph. L. L. c. 18. Dorner, Shriftologie. HL. 2te Aufl. 6 82. Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 2. Verhältniß (Relation) der zwei getrenntbleibenden Naturen be⸗ ftehen foll (gs, EFOTIG oyerumn). Gleichwohl thut er dem Neſtorius vielfach Unrecht, nicht blos indem er das ethiſche Element unterſchätzt, ſondern auch indem er ihm aufbürdet, was dieſer ſelbſt nicht will, z. B. Arianismus, zwei Söhne, Läugnung der Menſchwerdung. Darf man eine ungenügende Löſung Läugnung nennen, fo iſt auch Cyrill noch in ähnlicher Lage, wenn gleich von entgegengeſetzter Seite her. Er erreicht noch keine ethiſche, ſondern nur erſt eine phyſiſche Chriſtologie; denn damit daß der Logos das Menſchliche als eine reale Be⸗ ſtimmtheit ſeiner ſelbſt ſich angeeignet hat, und das Menſchliche dem Göttlichen phyſiſch inſubſtantiirt iſt, iſt ihm eigentlich die Menſchwerdung ſchon vollbracht, die menſchliche Seite hat keinen relativ ſelbſtändigen Lebensverlauf mehr, obwohl der Logos in ſeinem kosmiſchen Leben der menſchlichen Geſetze gedenkt und nach denſelben ſeine Selbſtdarſtellung einrichtet; er hat nur einen als Menſch wandelnden Gott aber keinen Menſchen er⸗ reicht, alſo auch keine Menſchwerdung Gottes. Allerdings zeigen mehrere ſeiner Bilder (wie das vom Feuer und Eiſen, vom Wein und Waſſer), daß er über die Stufe des Mechanismus zu einer dynamiſchen Chriſtologie hinſtrebt. Aber dieſe Bilder ſind mehr nur chemiſcher Art; von einer ethiſchen Dynamik iſt er roch fern, wie er auch den Heilsproceß noch ziemlich phy⸗ fifch dachte. Nach diefer Seite vertritt alfo die antiochenifche Schule ein dem Cyrill fehlendes Moment der Wahrheit; unvoll fommen allerbinge , denn von der metaphufifchen,, ontologifchen Art des Ethifchen, der Liebe hat fie feine klare Erfenntniß, daher dem Cyrill ihre Chriftologie in die Luft gebaut, des „phyſiſchen Grundes“ zu entbehren fehien. Wiſſenſchaftlich angefehen ftehen ſich Daher beide Richtungen weſentlich gleich. Beide Theile find dadurch über den Dofetismus und die ältere Logoslehre hinaus, daß fie in Chrifti Erfcheinung nicht blog Lehre und Offenbarung von Wahrheiten fehen, fons dern eine neue Realität. Cyrills Stärke ligt näher in der religiöfen Erfaffung der Chriftologie als ber Heilsthat Gottes, bie nicht blos eine Lehre fondern eine Realität gebracht, aber Bergleihung des Cyrill und Neſtorins. 83 diefe Realität ermangelt des ethifchen Charakters; ber Gott im Fleiſch ift durch feine Macht als Sieger über die Feinde bes Menfchen gedacht, was aud auf einen unethifchen Begriff von Sünde hinweist. Es ift das Böſe mehr als ein Fluch ober als fremde tödtliche Macht über ung vorgeftelft, denn als perfön- liche Schub. Diefe ſubjektive moralifche Seite betont Die antio- cheniſche Schule; fie hat die richtige Einficht, daß in ethifchen Dingen bie bloße Macht nichts entfcheide; daher ift fie ferne von einer magifchen Erlöfungstheorie, der Menſch muß perfönlich babei fein, wenn er erlöst wird. Chriftus ift ihr, wenn man von dem Jenſeits abfieht, vornemlih als Beifpiel, ethiſches Urbild Erlöfer. Mit diefem Unterfchiede ift gegeben, dag Cyrill mehr bei der Ganzheit diefer Gottesgabe, bei der Einheit der Perfon ſtehen bleibt, während die Antiochener dieſe Einheit in ihrem Werden, den Proceß ihrer Vermittlung firiren. Ueberſchaut man diefe Sachlage, fo fann man fi der An- ertennung nicht verſchließen, daß biefe Gegenfäge zur Ergänzung durch einander beitimmt waren, daß jeber berfelben ohne ben andern in Shriftus nur entweder zwar eine wunderbare Gottes: that aber ohne das, was ihr erft den wahren Werth verleiht — ben etbifchen Sharafter, — oder aber zwar eine ethifche Realität zu fehen im Stande war, aber ohne daß die religiöfe Betrachtung babei als bei einer wirflichen Gottesthat und Einheit verweilen fonnte. Was ligt da näher, als das Bedauern, daß frembartige Einflüffe in die Bahn der kirchlichen Entwiclung Perturbationen brachten und die Jneinanderbildung des Zufammengehörigen hin: derten, vor Allem daß ungebuldige Haft zu voreiligem Abſchluß auf Synoden drängte, auf welchen ſich mehr die Subjeftivität und Politik als der Firchliche Geift geltend machte, mehr ein Paftiren und Sichabbingen als eine innere Verſtändigung ſich vollzog ? 1 j ) Da die folgende Darftellung der Gefchichte des Dogma von ber Neberzeugung geleitet ift, das chalcedonenſ. Eoncil habe weder inneren noch äußeren Beruf gehabt, eine poſitive Entſcheidung ab⸗ zugeben die nur eine verſrühte und ungenügende war, ſo wird es 6* 84 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 2. Zunächſt behielt m Epheſus i. 3. 431 Eyrillim Bunde mit Eveleftin von Rom gegen den conflantinop. Patriarchen die Oberhand. Die Urfache bavon ligt außer den Intriguen Cyrill's, der Schwäche des Kaifers und andern befannten firchengefchichtlihen Gründen doch auch befonders darin, daß Cyrill's Auffaffung jedenfalls die wunderbare Gottesthat, das Geheimniß ber Menfchwerbung mehr bewahrte und bie Maſſe bes Bolfes und der Mönche, die auf Mare Begriffe fein Gewicht legte, entzünblicher für fie war, als für Die mehr nüchterne, das religiöfe Gefühl weniger anfprechende Darftellung des Neſtorius. Jedoch hat das epheſiniſche Concil wie fehr es auch von Cyrill beherrſcht war, doch nicht für gut gefunden, ein eigenes Glaubens⸗ bekenntniß aufzuſtellen, noch Cyrill's Anathematismen anzu⸗ nehmen. Cyrill's Lehre von Einer Natur nach der Menſch⸗ werdung pflich tete, auch nach dem Sieg Cyrill's über die Perſon des Neſtorius, der Orient ſo wenig bei, daß Cyrill ſich ge⸗ nöthigt ſah, Friedenshalber dem Kaiſer gegenüber, oder weil vorerſt nicht mehr zu erreichen war, das ſogenannte orienta⸗ liſche Glaubensbekenntniß zu unterſchreiben, das der Antiochener Johannes im Namen der Orientalen zu Epheſus dem Kaiſer mitgetheilt hatte, und das bereits den milderen Lehrtropus enthielt, der in der Maſſe der orientaliſchen Biſchöfe Friedenshalber und aus Mangel an dogmatiſcher Schärfe ſich Geltung verſchaffte. 18) am Orte ſein, jene Ueberzeugung durch nähere Darlegung der Entſtehungsweiſe der chalced. Schlüſſe zu begründen. 1), Vgl. das Nähere bei Neander, 8. ©. Bd. 4. 913 ff. 921. Ein gemeinfames Glaubensbekenntniß wollten bie Aegypter zu Ephefus nicht, der Orfentalen wegen, die auf der Synode waren. Und doch ließ ſich Cyrill nachher in eine Verhandlung ein, über das Glaubensbefenntniß derſelben Männer. Das „Glaubensbe⸗ kenntniß der Drientalen“ das Eyrillim Jahre 432 unterzeichnete, unterfcheivet die beiden Naturen fcharf, lehrt Feine Eraaıs Yvoıny, feine ua guars nach der Menfchwerbung, feinen natürlichen Sohn Gottes nach der menfchlichen Seite, aber Einen Sohn Gottes, Einen Herrn und Chriſtus gemäß der Einigung ber Naturen ohne Bermifchung, und läßt der Maria den Namen Osoronog. Anderer: Concil zu Epheſus. Johannes von Antioch. u. die Eintrachtsformel. 85 In diefen fpäteren Verhandlungen zwifchen Antiochia und Alerandria bildet fich bereits der Sprachgebrauch: zwei Naturen, aber Eine Perfon (inooraoıs). Jedoch iſt dieſes nur ber ade äquate Ausdruck für Die fpäteren gemäßigteren Antiochener. Cyrill dagegen, wie der Brief an den Acacius deutlich zeigt, nimmt diefed nur in dem gefchraubten Sinne an, daß man nad) ber Menfchwerbung noch in abstracto (eriwoi«) von zwei Nas turen fprechen, doppelte pgoras noch brauchen könne, während aber real nur noch) nie gvo ba fei, nemlic bie des Sohnes bes Menſchgewordenen. Die Eintrachtsformel ſchlichtete alfo nicht fonbern verdeckte blos den Gegenfag, der bald genug aufs Neue hervorbrechen follte; jede Parthei glaubte gewonnen zu haben, Cyrill, weil Neftoriugs verdammt war, und weil er das oriental. Symbolum nit annahm ohne fir fi auch auf feinen Anathematismen zu beftehen; bie Drientalen, weil Cyrill bie zwei Naturen und bie Anwendung neuteftamentlicher Aus- fagen auf fie, alfo auch fie ſelbſt als nach der Incarnation noch vorhandene zugeflanden zu haben fchien. Aber das Letztere ge⸗ fand Eyrill fo wenig zu ald die Orientalen die wa vo nad) der Incarnation deßhalb zugaben, weil fie ben Neftoriug — feit8 aber wurde in den fpätern Verhandlungen dem Cyrill ver Widerruf feiner Anathematismen erlaffen; das Abfeßungsurtheil zu Ephefus gegen Neftorius auch von ben Drientalen mit wenigen Ausnahmen fpäter angenommen. Freilich fo, wie Ep. Cyr. 34 ad Acac. zeigt, daß dem Neſtorius Schuld gegeben wird, er Iehre zwei Chriſtus, was wohl Eonfequenz aber nicht Xehre des Reftorius war, wie felbft von römifch-fatholifchen Gelehrten zu⸗ geftanden wird, 3. B. von Enhüber Diss. als Anhang zu Alkuin's Opp- T. I. Regensb. 1777. Diefes unhiftorifhe Bild von Nefto- rius hat fih dann Jahrhunderte hindurch forigepflanzt. — Aus dem Gefagten erhellt auch, daß die da und dort noch gefeblide Berpflichtung auf das Ephefinifche Eoncil etwas fehr Unficheres zum Objekt ver Verpflichtung hat. Nur das läßt fih zuverſichtlich fagen, daß die zu Ephefus im 3. 431 fiegende Parthei dem Cyrill, alfo der Lehre von .ver mia gucıs näher fland, als den Antiochenern und dem chalcenonenfifhen Dyophyfitismus, mit welchem ein Theodoret zufrieden fein konnte. 86 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt L Kap. 2. mit Cyrill verdammt hatten. Das Beoroxos ließen fie ſich gefallen; aber nicht in dem Sinn, daß bie Perfon bes Logos von Maria wäre geboren worden, fondern nur in dem Sinn, daß um der Verbindung (Relation) willen in bie fih ber Logos mit der Dienfchheit gefegt, das was eigentlih nur dieſe angebe zu einem Präbifat auch des Logos fofern er das Perfönliche in Chriſtus bildet, geworden fei. Denn darin allerdings unter» ſcheiden fich die moderaten Antiochener deren Typus Theoboret ift, von den älteren, daß fie beftimmter Davon ablaffen, zu ben Naturen als folchen auch die Perfönlichfeit zu rechnen, die Doppel perfönlichfeit nicht wollen, daß fie Dagegen ſich dazu neigen, ale das Verfönlihe in Chriftug überwiegend die Perfönlichfeit des Logos anzufehen. Wie fie dabei noch von Cyrill fh confequent ferne halten und eine Doppelreihe geiftiger Artionen annehmen fonnten auch nad der Incarnation und ohne ein menſchliches Subjekt, ift eine andere Frage, welche fpäter aufs Neue in Vers handlung kömmt. Die vom epbefinifchen Concil und der cyrillifchen Parthei zurüdgeftoßenen und verfolgten Neftorianer an der öftlihen Grenze des Reichs in Edeſſa, Niiibis, Seleucia bildeten unter nam⸗ haften Lehrern, wie 3bas, Maris, Barfumas dur welche ein eifriges Schriftftubium fortgepflanzt wurde, eine Art von Miſſions⸗ firche für Das innere Afien befonders von Chaldäa, Aſſprien aus nad Perfien. Unter perfiihem Schuß gewannen fie eine eigene kirch⸗ lihe Organifation, und blieben getrennt von der großen Kirche unter einem Patriarchen (Katholikos) als eine befondere ſchis⸗ matiſche Kirchenpartbei fteben; die erfte, weldhe zu über: winden die Kirche die Kraft nicht bewiefen bat, in: bem fie das Wahre was fie vertritt, nicht in fi) aufnahm, oder aus ſich hervorbildete. Aus demfelben Grunde erhoben ſich fpäter aus dem Schooß der Kirche felbft immer neue Verſuche, den Grundgedanfen des Neftorianismug, die wahrbaftige nicht felbft- Iofe Menfchheit Chriftt zur Anerfennung zu bringen. '9) 1 Am fefleften ſetzten fich die Reftorianer in Affyrien und Chaldäa, baber fie auch chaltätiche, aſſpriſche oder orientalifche Chriſten Die neftorianifche Kirchenfpaltung. Auguflin und Leporius. 87 Im Abendland ſchloß ſich der gallifhe Mönd Leporius dem Neſtorius an, ließ fich aber durch Auguſtinus zur Re⸗ traftation bewegen, fo zwar, daß er nur eine DMenfchwerbung ber — — — - beißen. Die chaldäiſchen Ehriften haben in ihren Bräuden viel Altertgümliches, was an das Judenchriſtenthum erinnert; die Liturgie halten fie Abende, was auf die alte Tageseintheilung weist, verwerfen den Coelibat. Sie haben in Chaldäa noch Thier⸗ opfer zum Dank oder Gelübde, Erfilingsopfer, Speifes und Reinig— feitögefege des A. T., eine Nifche, die fie das Alferheiligfie nennen und nicht betreten (ogl. Grant, die Neflorianer oder die zehn Stämme überfegt von Preiswert 1843. Le ch ler, das apoftolifche und nachapoftolifche Zeitalter 1851. ©. 302). Sie felbft (wie die Juden) Schreiben ſich jüdiſche Abflammung zu und nennen fih Nazaräer. Auf alten judaifirenden Stamm fcheint hier ber Neftorianismus als ein homogenes Reis mit befonderem Erfolg fich gepfropft zu haben. Am Ende Sec. 5 trat nach den Einen Babuäug (Assem. HI, 429), nach Andern (OH, 406) zuerfi Acacius als Patriarch von Seleucia zu den Nefiorianern über, ordnete ihre Firchlichen Einrihtungen durch eine Synode im Jahre 499 und von da an wurte der Neſtorianismus im tieferen Aſien befonderd unter den Gerfern herrſchend. Den Namen Neftorianer haben fi aber lange Zeit hindurch (fo fhon Acaciug Ass. II, 407) die chaldäiſchen Shriften verbeten ; der Monophyfite Zenajas habe ihnen den: feiben angehängt. Sie leiteten fih vom Apoftel Thomas ab (ib. 388 ff.) und betrachteten fih (nicht minder die dortigen Mono⸗ phufiten) als die Achten Erben des unter Antiochia ſtehenden alten Patriarchates von Seleucia (vgl. III, 299. 587). Die chaldäiſchen Chriſten behaupten, bei ihnen habe Feine Häreſe Platz gegriffen, fondern fie haben den apoftolifhen Glauben in Lauter: feit ;bewahrt (III, 298—302) ; der Name Neftorianer fei ihnen erft fpäter und mit Unrecht beigelegt worden (III, 69. 299. 355. 383. 587). Es ſcheint auch, daß erft die Bertreibung der Neftorianer aus der Schule zu Eveffa durh Rabulas und Eyrus denfelden in Chaldäa, Affyrien, Perſien einführte, befonders geſchah dieſes Durch Maanes, Narſes und Barſumas (II, 303. 381). Juſtinian ſuchte (Assem. II, 632) vergeblich fie zur Kirche zurückzuführen. Erſt sec. 17 gieng ein Theil der chalväifchen Neftorianer zur römi⸗ ſchen Kirche über (Ass. II, 621 ff.). Die Lehre der Neflorianer wurde fpäter fiehend die, daß zwei Naturen und zwei Knuma’s oder Hppoftafen in Eine Perſon, Parfupa, mesaonor, zufammen: gegangen feien (5. B. Ass. III, 108. 280. II, 292. 1, 550). Weber 88 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfchnitt J. Kap. 2. Perſon, nicht aber der Natur des Logos annahm, deren ſich vielmehr diefer, um Menfch zu werden, entäußert habe. Auguſtinus felbft, wie auch Ambrofius (de Incarn.) zeigen — — — — — bie zwei Hypoſtaſen ſtellen fie alfo die Eine Parſupa, von der fie wie die Naturen als Momente umfaßt find. Daher fie zum Theil mit ven Monophpfiten Einen Willen der Einen Parfupa glauben beiennen zu können, fo gut als in der Trinität Ein Wille in den brei Perfonen zu flatuiren fei (Ass. II, 292. III, 547). Webs rigen verwahren fie fih ausprüdlich dagegen, daß fie eine Bierheit in die Zrinität einführen. Die menfchliche Hppoſtaſe fei ganz anderer Art als die göttlichen und könne nicht mitzählen (III, 280). Aehn⸗ lich entfland um 760 ein Streit unter dem neftorianifchen Kathor likos Timotheus über pas Wiffen Chriſti. Die Einen be: haupteten, Chriſti Menfchheit habe feine Gottheit zu ſchauen vers mocht — alfo ein adäquates Wiffen von Gott gehabt. Da hierin lag, das Wiffen des Menfchenfohnes vom Sohne Gottes fei dem Wiſſen des letztern von fich felbft gleich geweien, fo ergab ſich daraus, daß das Wiffen der Menfchheit und der Gottheit ſich zur abfoluten Einheit ausgeglichen habe, nad biefer Seite alfo die Unio ſchlechthin vollzogen fei (Ass. II, 287). Anvere dagegen febten Chriſti menfchliches Wiffen dem der göttlichen Natur nicht adäquat, trafen alfo mit den monophyfitifchen Agnoeten zufammen (Ass. L c.) Ebed Jefus um 1280 nimmt nicht blos wie die fibrigen die Unio als unauflöstih an, fondern auch als wirkſam. Die ovsa- era” (adhaesio) wirft, daß bie göttliche Ratur die menfchliche durchleuchtet und der göttlichen ähnlich macht, fo daß dieſe nun ſelbſt göttlich ſtrahlt wie die fchönfte Perle und wie die fehöpferifche Natur erfiheint, ohne Daß dieſe eine Verwandlung erlitte (III, 354). Babäus (Ass. II, 95) meint, während Cprifti Leib von feiner Seele getrennt war, fei diefe, wie auch bei und nach dem Tode, ohne Denfen und Thun geweſen. — Mit den Muhamedanern wußten fie fih gut zu ftellen (Ass. III, 585), aber mit ven Monopppfiten blieben fie in Streit, auch in wiffenichaftlichem (II, 543) und wenn Barhebräus von gegenfeitig gepflogener Kirrbengemein- fhaft redet (TI, 291), fo fann das nur vorübergehend und Iocal geweſen fein, obwohl die Neftorianer zur Irenik geneigter ſcheinen ‚als die Monophpfiten (III, 514). Däufiger kommt nad dem Ges feß der Ertreme vor, daß Neftorianer Monophpyfiten werden nnd umgekehrt. Bemerkenswerth ift noch die neftorianifche Abend⸗ maplslehre. Sie haben die Communio unter beiderlei Geftalt, bes fennen auch meift daß die Euchariſtie Chriſti Leib und Blut fei Geſch. ver neftor. Kirchenparthei. — Ambrofius u. Auguftinus. 89 feine nennenswerthe Produktivität in unferem Dogma Der Erftere hat der Formel: „zwei Naturen in Einer Perſon“ im Abendlande vor Leo Eingang verſchafft. ”%) Weniger glücklich (Ass. IH , 514). Aber erwägt man die Borwärfe des Zenafas (II, 39) und bie ausprüdliche Lehre des Babäuns und Georg Metrop. von Arbela (III, 95. 584) welche die Verwandlungslehre verwarfen, Zeichen und Sache beflimmt unterfchieven wiffen wollen, fo kann jenes Zugeſtändniß auch den Sinn haben, die Elemente feien in Einer Beziehung, als Sinnbilder, Leib und Blut Eprifti, durch die Weihe, die für die ſubjektive Betrachtung oder auch nad dem Willen und durch die Wirkung Gottes die Elemente mit Chriſtus in Beziehung gebracht habe. Erf Ebed Jefus von Soba (Nifibis) + 1318 hat eine Berwandlung der Elemente in Eprifti Leib und Blut in vollig römifcher Weife angenommen (Assem. II, 858), welche durch das lebendige Wort Eprifti (die Einfeßungswerte) und durch den heiligen Geiſt geſchehe. Das Letztere ift die im Oriente auch beiden Monophyfiten häufige Lehre (Assem. IL. 200). 2) Leporius fchrieb Chriſtus Arbeit, Frömmigkeit, Glauben und Berbienft zu (Leporii presbyterl libellus emendationis Cap. VIII. bibl. patrum Gallandii Tom. IX). Diefer Annahme fügte er die andere bei, Ehriftus habe fein Leiden fo vollbracht, daß er, der vollkom⸗ ” mene Menfch, dabei durch keinerlei Hülfe feiner Gottheit unters flüßt wurde (Cap. IX). Er wollte nemlich ben Denfchen in Ehriftus als in der Art volllommen bezeichnen, daß ſowohl das Wort des Vaters bei diefen Leiden völlig unbetheiligt geblieben, als die Kraft der menfchlichen Ratur für fih in Chriſtus das Alles zu vollbringen im Stande geweſen fein follte. Er berief fih dabei befonders auf das Wort Chriſti am Kreuze: „Mein Gott, mein Bott, warum Haft du mic verlaffen !“ Diefes babe bie Bedeutung, das vollfommene und ausfchließlich menſchliche Lei: ven Chriſti zu zeigen. Offenbar Tag dabei auch Pelagianiſches im Dintergrund. Auguſtin verhandelte mit ihm erfolgreich. Als Dauptargument ftellte er ihm entgegen, daß bei feiner Annahme eine menschliche Perfon neben ver göttlichen, mithin zwei Chriſtus berausfommen, und da die Menfchheit ewig mit dem Logos ver bunden bleibe, eine vierte Perfon in die Trinität eingeführt würde. Man Tonne daher nicht fagen, es fei der Menfch mit Gott fo geboren, daß, was Gottes If, nur Gott, was des Men» fen, nur dem Menſchen in Eprifto zugefchrieben werben bürfe. Der von ber Bierperföntichkeit hergenommene Grund feßt offenbar bie Perfonen in der Trinität mit dem Begriffe der menſchlichen 90 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. gleih. Leporius gab aber nach, er lehrte nun (c. 8) das Wort Gottes, Alles annehmend was des Menihen if, if Menfh, und ver angenommene Menfch, Alles annehmend was Gottes ift, {ft nichts Anderes als Gott; aus Mitleid hat fi mit der menfchlichen Natur Gott vermifcht, nimmermehr aber if die menfchliche Natur der göttlichen zugemifcht worden (co 4). Das Verhältniß fei nicht fo, wie zwei fichtbare gefchaflene Dinge oder Stoffe ſich gegenſeitig durchdringen und gleihfam chemifch (con- fistili quodam genere) in Eine Subflanz die zwei Naturen vers wandelt feien. Caro proßcit in Verbum, non Verbum profleit in eafnem, und doch fei das Wort wirklich Zleifch geworben, aber propriesolum personaliter, non naturaliter, weil fonft auch Pater cum Spirita S. fein Fleiſch geworden wäre. C.7: Verbum caro factum evacuat in persona quod possidet iu na- tura, fo daß nur die persona Menfch wird, ohne bie natura. Augufin ſelbſt Hat fich nicht immer gleich über die menfchliche Perſönlichkeit Eprifti ausgefproden. Er naunte zuweilen Ehriftus den homo dominicus was er fpäter retractirte. Wie Ambrofius im Commentar des Briefes an die Römer zu Cap. I, 1 „servus Jesu Christi“ fagt: utrumgue posuit, ut dei et hominis personam signiflcaret, quia in utroque et dominus (est). — (uoties scriptura aut Jesum dicit, aut Christum, aliquando personam dei, aliquando personam hominis indicat, fo fagt auh Auguftin: Chriflus war nach feiner Menfchheit Gegenftand der Präpeftination. In Joh. XVII. Tract. 105. Contra Manichaeos lib. II, 24: reliquit pstrem, cum dixit „ego a patre exivi“ etc. apparendo hominibus in homine, cum Verbum caro factum est, — quod non commutatio- nem naturae dei significat, sed susceptionem inferioris personae, i. e. humanae. (Die Lesart naturae ift unächt.) Aehnlich de Trin. lib. 1, 7. 8. 15. Aber die ſtehende Lehre Auguftins ift: Zwei Naturen, Eine Perfon. Er hat einen perfectum, plenum hominem ange nommen, aber diefe Menfchheit ward erfi im Moment der Annahme felbft, creando, und gehörte zu ber Perfon des Eingeborenen nicht von Ratur, noch durch Berdienft, fondern durch Gnade. Aehn⸗ ih Sulgentius v. Rufpe de Ade ad Petr. c. 17. Verbum personam non accepit hominis, sed naturam, duarum naturarum veritas manet in Christo secundam uuam tamen personam. ®Bgl. in libro sententiarum Prosperi: persona Christi constat et coufleitur deo et homine. August. Epist. 3 ad Volusian. ed. Venet. 1756 T. 2. Ep. 137. S. 529: ita mediator — apparuit, ut in unitate personse copulans utramque naturam et solita sublimaret insolitis et insolita solitis tem- perarit. — Persona Christi mixtura est Dei et hominis. Die Natur bes Verbum est sine mole ubique tota (denn nicht mole sed virtute Leporius früherer und fpäterer Standpunkt. Auguftin’s Chriſtol. 91 magnns est Deus) aber longe alio modo quodam quam ee quo coteris creaturis adest, suscepit hominem, seque et illo (-um) fecit unum Jesum Christum. - Reben jenen Ausdrücken, welche auf eine Berfönlichkeit der Menſch⸗ heit Chriſti deuten, braucht er von ihr auch die alten Bilder von vestis, templum, veliculum, instrumentum. In den Gegenfaß gegen den Apollinarismug einftimmend, ift er entſchieden gegen jede Ber: wandlungss oder Mifhungslehre, und hebt: forgfältigft die gemina substantia hervor. Nur dadurch Tonne meint er (De Trin. I.) dem Arianismus begegnet werben, daß die inferiora nicht auf pie Ein- heit der Perfon unmittelbar bezogen werben, fonbern nur auf bie Menſchheit. Auch nicht im Stande der Erhöhung läßt er biefelbe in vie Gottheit verwandelt werben. Andererſeits freilich feiner Seele fchreibt er volllommenes Wiſſen von Anfang an zu. Er habe nur für feine Schüler Manches nicht gewußt (3. B. de Trin. I. 23). Was näher feine Menfchheit im Einzelnen betrifft, fo ſchreibt er ihr Seele und Leib aber Feine Waplfreiheit zu. Der Leib war aus ter adamitifchen Maſſe, die durch die Annahme zu einem Leib geſchaffen wurde; Maria hat ihn non carnaliter coacupiscendo, sed spiritaliter credendo empfangen: fie hat ihn auch in unverleßter Jungfräulichfeit geboren. Er mußte Fleifh ans nehmen, damit nicht blos unfere Seelen feine Glieder würden, und damit der Teufel von verfelben Natur her überwunden würde, die er verführt hatte. Deßhalb mußte er durch feinen Tod und erlaufen. Dit dem Leibe nahm er alle menfchlichen affectus und infirmitstes an, nou conditionis necessitate , sed miserationis voluu- tate et potentia. Diefes fcheint er aber fo zu denken, daß mit dem Billen der Menfchwerdung zugleich die Sterblichkeit ald Noth⸗ wendigfeit des Sterbens für feine Natur gegeben war; fo daß er alſo nicht einen Leib, wie Adam vor dem Kalle ihn Hatte, fondern einen ter Nothwendigkeit des Todes unterworfenen angenommen hätte. De peec. meritis et remiss. L. II, c. 29 fagt er: Quia in eo erat similitudo carnis peccati, mutationes aetatum perpeti voluit — ut ad mortem videatur etlam seneseendo illa caro pervenire potuisse, nisi juvenis fuisset occisus. Deßbalb fagt er auch, er habe mit der caro bie poena (mortem) wenn ſchon nicht culpam auf fich ges nommen. Gleihwopl gibt .er den Pelagianern natürlich nicht zu, daß bie andern Menfchen aequali puritate von Natur feien wie Chriſtus; C. Julian. V. 15. Die andern, aus Concupiscentia geboren, haben die concupiscentia ererbt. Deßhalb treffe auch die pelagis anifhe Einrede nicht: Wenn das peecatum naturale ifl, wie bie Zrapucianer annehmen, fo fei es irrefutabiliter necesse, dici etiam Christum reatum de Mariae carne traxisse. Denn zwar das wolle 92 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt I. Ray. 2. er dabingeftellt fein laſſen, ob die erbliche tabes ſich durch ben Leib und die Seele fortpflanze oder durch ven bie Seele afficirenven Leib (c. Julian. V, c. 4. 8. 17); aber ein nicht in Concupiscentia gebilveter Leib könne aus diefe tabes nicht an fich gezogen haben 0. 15. 8. 54; die Seele Chriſti aber fei jedenfalls nicht ex traduce animae illius primae praevaricatricis (de Genesi ad Literam L. X. 22 f. um 898), wogegen er in dem Brief an Evodius um 415 ep. 164. ed. Venet. T. II. 754 auch bie Möglichkeit auffteltt, daß, wenn alle Seelen aus ver gefallenen Seele ftammen, er cam suscipiendo mundavit. Indem nun der Sohn Gottes dieſe Menſch⸗ heit annahm, ward biefe zugleich Gott, homo Deus. Sic homo sus- ceptus est a Verbo ut simul cum eo Deus fleret. Umgekehrt Sorm. 187 in nat. Dom. 3. c. 8: nicht bloß der Menfchenfohn ward Gottes: fohn durch die Annahme, fondern auch der Gottesfohn Menfchen: fopn. — Homo factus est, ut nos Deos faceret. Er ift das Paupt der Kirche und wir feine Glieder 3. B. in Ps. 29. Enarr. 2. De Frin. IV. 2—7. De Agone Christiano c. 20. In Joh. XV. Tract, 80. 81. Jedoch blieb ver Gottesfohn, was er war, er gab auch nicht (wie Hilarius gewollt) die forma Dei auf; er blieb bei dem Bater, in dem Himmel, auch während Jeſus auf Erden wandelte und doch war er in Jeſus. Forma servi aocessit, non forma Dei discessit. Serm. 188 de 1 Joh. 4 Tract. 28 in Ev. Joh. De Verbis Evang. Joh. 1. Sermo 122: Accessit ad nos, sed a se non multum recessit, immo a se quod Deus est, nunquam recessit, sod addidit, quod erat, naturae nostrae. Accessit enim ad id quod non erat, non amisit quod erat. Sermo 123: Er iſt Deus manendo et hominis carnem assumendo, addendo quod non erat, non perdendo ‚ quod erat. Wenn nun aber das Wort als Deus ubique totum est (. 0.) fo ſcheint es in Epriftus Feine eigenthümliche Seinsweife haben, fondern Epriftus nur dadurch von den Andern fidh unters ſcheiden zu können, daß in ihm eine Empfänglichkeit für Gott fi findet, wie fie außer ihm nirgends iſt, was zu einer neftorianifchen Anfiht überführen könnte, zumal er fagt: Seine exinanitio fei nur oceultatio deffen was er war und demonstratio deffen mad er geworben war; das Wort „er ward Fleifh“ würde dann nur miß⸗ bräuclich auf ihn anwenpbar fein: wie er fagt um ber Berbindung des Wortes mit der Menfchheit willen werden in der Redeweiſe bie beiderfeitigen Prädikate vertauſcht. Jedoch beruhigt er fi wieder mit dem Satz: die menfchliche Natur fei zu unterfcheiden, aber nicht von der Yerfon des Worts zu trennen noch in einer befonderen Perſon zu feßen; Sermo 47 de ovibus in Ez. 34: Distin- guenda erat forma servi (Joh. 14, 9. 10) non separanda et alienanda et in alism personam constituenda. Obwohl nun aber Chriſtus - .— — — m "En m. [| x Anguftin’s Chriſtologie. | 93 aus den zwei Raturen beſteht, oder ein tatum iſt aus Wort, Seele und Leib, jo iſt doch Gott in Ehriftus nicht zum Zheile geworben (e. Maximin. Arian. L. I, 10). Die drei trinitarifchen Perſonen feien nicht Pars dei. Ebenfowenig könne Chriſtus, una persona geminae substantiae, pars hujus personae heißen, denn auch vor der Knechts⸗ seflalt war der Sohn Gottes: totus und wuchs nicht da bie Menſchheit hinzukam. Diefe Ganzheit der Perfon bezieht ſich offen» bar zunächſt auf das Ich, das perfonbildende Princip, nicht auf das Refultat, Chriſti Geſammtperſon. Doc fagt er auch allgemein: Pars rei ullius esse non potest Deus. Sp nehme ja Gott auch nicht zu durch Diejenigen welche ihm anhangend Ein Geift mit ihm werden. Die Kategorie des Theils und des Ganzen fei auf Gott unanwendbar. Zu ſchweigen nun davon baß er anderwärts doch wieder Epriftus eine zufammengefebte Yerfon nennt (wie Abälard in feinem Sic et Non ausführlich behandelt), ja zuges geben etwa, daB er von unten, vom Menfchen Zefus aus die Sache betrachtend, fage, diefer fei nicht "blos Menfch, fondern eine Perfon , die zufammengefebt fei aus Leib, Seele und göttlicher Natur; daß er aber nicht zugebe auch von oben, von dem Sohn Gottes aus zu fagen, daß er zu einem Theil der Perfon Chriſti geworben fei: zu dem Geſtändniß wird man doch getrieben, daß Auguftinus faft gar nichts Teiflet, um ben Schein abzuwenden, als fei die Menichwerbung weiter nichts als eine engere Beziehung, relstio, oxsaıs ded Verbum quod ubique totum est zu bem Punkte der Menſchheit, welcher durch feine befonvere, allerdings gottge: fhaffene Empfänglichleit Jefus ward. Da bleibt aber der Unter: ſchied Ehriffi von Andern nur ein quantitativer, zumal auch fie durh Gnade, wie Chriſti Dienfchheit nur nicht von Anfang an Söhne Gottes werden. Und wie dieſes an die ebjonitifche Chri⸗ ſtologie erinnert, fo fehlt auch das Doketiſche nicht. Denn, von Anderem abgefehen, wo bleibt die Wahrheit des Factus est, quod non erat Oder auch nur des accessit, quod non erat, wenn nur von der Unveränderlichleit und Allgegenwart des Verbum geredet wird, das trotz feiner Berbinpung mit Chriſtus ubique totum war ? Bie kann da im Ernf in Chriſtus eine Menfchwerbung des Sohnes gefehen werben, während doch nicht einmal durch die Liebe ihm etwas, was er zuvor nicht hatte, wirklich zugeeignet worben iR? In der Welt der Offenbarung, in der Kirche ſieht man übers haupt nach ihm nur den Rüden Gottes (de Trin. U, 80); Gott fann fih nur in ver Kreatur offenbaren, auch der Sohn ift wefent- lich unfihibar in der Offenbarung, ebendaher wird nicht das Innere Gottes offenbar (II, 7. 21). Andererfeits fchlägt aber natürlich immer wieder das warme chriſtliche Bewußtſein durch 94 ale Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 2. mit Leporius war Auguftinus in dem Streite mit Julianus von Eclanum, der aud) eine chriſtologiſche Wendung nahm. 2?) Die Verhandlung hatte antbropologifhen Ausgangs punft und bewegte fih um Die Frage, wie Chrifti Unfündlichfeit zu benfen fei? Auguftinus behauptet, ed könne in &hriftus feine concupiscentia geweſen fein, weil fie Sünde wäre; es fei nicht genug das Wort zu erfüllen: wandle nicht nad) deiner Luft (Prov. 18, 30); Chriftus babe auch das Wort erfüllen müffen: „laß dich nicht gelüjten.“. Bon diefem böfen Gelüften 2) und ift nicht damit befriebigt, daß der ewige Sohn in Jeſu nur eine theophanifche, fymbolifche Erifienz oder nur ein äußeres Ber: hältniß zu ihm gehabt habe, fonvern gebt geraden Weges zu den Sätzen fort, daß wir in Chrifiug den haben, der personam Sapien- tiae Dei sustinuit, mit welchem Gott wie in feiner antern Theo« phanie perfonlich vereint fei. Seine beften chriftologifhen Süße find im dem Gebiete tes Mpflifchen gelegen, vornemlich in feinen Traetat. zum Ev. Johannes, 5. B. Tract. 21. 28. 52. 61. 67. 80. 81. In Ep. Joh. c. 1. Tr. 1. 3. 9. In Joh. Tract. 28: Non enim Christus in capite et non in corpore, sed Christus totus in capite et in corpore. Quod ergo membra ejus, Ipse; quod autem Ipse, non continuo membra ejus, nam si non Ipse essent membra ejus, non diceret: Saule, quid me persequeris ? Non enin Saulus Ipsum sed membra ejus persequebatur. Noluit tamen dicere: sanctos meos, servos meos, postremo honorabilius fratres meos, sed: Me, h. e. membra mes, quibus ego sum caput. In 1 Joh. 5. Tr. 10: Ex- tende caritatem per totum orbem si vis Christum amare, quia membra Christi per orbem jacent, Si amas partem, divisus es; si divisus e8, in Corpore non es, si in corpore nou es, sub capite non 68, Bol. Ehryfofiomug ed. Montfaucon T. IV. 678 hom. in Genes. 7, wo er ausführt, daß Chriftus mehr Güter gewonnen als Adam verloren habe. Auh Theodo ret hat viele Stellen, die auf eine myftifche Chriftslogie im Hintergrund feines Begriffsfpfiemes weifen, das doc fonft aus ganz anderem Stoffe gezimmert ifl. Theodor. Opp. ed. Schulz T. IV, ©. 275. 278 ff. de haeret. fab. L. IV, 18. ©. 373 f. Ep. VIII ad Eugraphiam ©. 1066. Ep. CLi. ©. 1291. Aug. contra Julian. Pelag. L. V, c. 15 ff. opus imperfectum contra Juliau. L. IV. 8. 45—64. 79—89. 122 ff. Beda in Cantic. C.L. 1, 8 und Libellus fidei der Bifhöfe, die für Pelagius an Rom GZoſimus) appellirten und eine ökumeniſche Synode forderten. A. 42 m um as I | a. - Auguftinus und Julianus von Eclanum. 95 babe ihn die jungfräufiche Geburt befreit. Julianus entgegnet: bas heiße das Ethiſche mit Phyſiſchem verwechfen. Wenn in Chriſtus nicht wirklich die Möglichfeit geweſen wäre, zu gelüften, fo verbankte er feine Tugend ber natürlichen Unfähigkeit, zu empfinden wie wir; jo wäre die Kraft, ja die Wahrheit feines Beifpield dahin. Diefe berube darauf, daß er, obwohl von ber Jungfrau geboren und mit dem Som Gottes geeinigt, Dex: fuchungen ausgefegt war, wie wir, doch ohne Sünde, nemlich ohne Einwilligung in fie. Nun fage zwar Auguftinug: wem aus ihm das Gelüften je aufftieg, fo war er ſchon Sünder, ge- fegt auch er ließ es nicht zur That werben. Allein darin zeige fih nur aufs Neue die Verwechslung des Phyſiſchen und des Ethiſchen. Denn wenn er auch ohne Einwilligung in das Böfe doch hätte können Sünder werden, fo hieße das eine böfe Sub: ftanz oder Natur annehmen, den fittlichen Werth aber nicht von dem freien Willen abhängig machen. Mithin fei zu fagen: das Auffteigen des Gelüftens fei noch nicht Sünde, fondern nur deren Möglichkeit. Auguftinus aber hebe apollinariftifch die Willens⸗ freiheit in Chriftus ohne die doch Feine Tugend denfbar fei, auf, verbräme aber den firchlich verworfenen Apollinarismus mit dem manichäifchen Sag, dat es auch ein Naturböfes gebe, und daß daher in Chriſtus feiner Unſündlichkeit zu Liebe ein Naturgutes- anzunehmen fei. Aber das heiße nichts Anderes, als daß Chris ſtus nicht unfere-Natur habe. ?°) | 72) Op. imp. IV, $. 92 f. Quidquid naturale est, voluntarium esse non potest. Si ergo est naturale peccatum, non est volantarium; si est‘ voluntarium , non est ingenitum. $. 47: Hic ut adsit toto animo leetor, admoneo; videbit enim Apollinaristarum. haeresim , sed cum Manichaei per te adjectione reparari. Apollinaris habe die Seele Chriſti geläugnet, jetzt Ichre Auguflinus die Seele, aber läugne sensus corporis in Chriſtus und mache ihn für bie Sünden unfähig, als ob er nicht virtute Judicii delicta vitasset, sed — feliritate earnis a nostris sensibus sequestratae cupiditatem vitiorum gentire nequivisset. Diefe hrifiologifche Webertreibung (gdulatio) fei aber in Wahrheit profan. $. 49: Si vel carnem sine anima,- vel bominem sine sensibus quibus nos imbuit natura gestavit, exempli formam et legis non docetur implesse. Quid enim fuit laude dignum, con- 96 3Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt L Kap. 2. Auguſtinus war anfangs (de nupt.) nicht ohne Un⸗ ſicherheit über die concupiscentia, wozu weſentlich beitrug, daß bereits die Jungfräulichkeit für eine größere Tugend galt, ja daß Hieronymus im Streit mit Jovinian daran ſtreifte, auf die Erzeugung als ſolche weil ſie mit Luſt verbunden ſei, den Tadel der Sünde fallen zu laſſen. Bei näherem Eingehen (Op. imp. L. V.) unterſcheidet er die motus ber natura sana von denen der nalura vitiata und fpricht Chriftus nur die letzteren ab: aber von Natur. Wenn Julianus meine, da falle Chrifti Tugend und Beifpiel dahin, fo vergefle er, daß auch Gott ung Mufter ſei. Chriſtus fei unfrer Natur ganz ähnlich geweſen, nur nicht unfern Fehlern, fonft hätte er fle nicht heilen können. Meine man aber, das wäre Feine Tugend, die nicht durch Kampf temnere illecebras sensuum, quarum incapax erat beneficio naturae ? $. 50: Quse postremo palma tolerantiae, si dolor vulnerum et ver- berum, intercepto itinere sensuum, pertingere ad animum non valebat? Quo ergo profecit Apollinaris adulatio? Videlicet ut omnis virtutum pulcritudo, quam in se Christus expresserat, indebitis naturae ejus ulaudibus vacuata flaccesceret, cunctoque veritatis suae splendore nudata sacrum magisterium Mediatoris offerret irrisui? $. 53: An jeder Tugend reich war er non carnis infirmitate (Unfähigkeit zu fündigen) sed virtute mentis, und auch feine übernatürliche Geburt durfte hieran nichts ändern. 8. 54: Praedico omnem in eo san- ctitatem beneficio animi, non carnis stetisse praejudicio. Sic enim et natura tam conditione ejus quam susceptione defenditur et vita hominum virtutis illius imitatione dirigitur. Er führt dann noch aus $. 56 ff.: Auguftinus wolle doch in den Naturweſen nicht mit den Manichäern ein natürliches Böfes annehmen, mit welchem Rechte er nun, wenn vaffelbe Natürliche im Menſchen ‚ fet opne Betpeiligung des Willens, es böfe nenne? Hätte Ehriftus nicht jene sensus bie zu unferer Ratur gehören und bie possibi- litas angenommen, fo hätte er nicht wirklich unfere Ratur ans genommen. $. 84: Proinde incarnatio Christi opus suse divini- tatis tuetur, qui afferens ad me naturam meam et voluntatem suam, cujus mihi speculum offerebat et regulam — ostendit, culpam uon de carnis qanditu, sed de sola suscipi voluntate; — etiam illud claro testimonio perdocetur, quod suscepti hominis jJustitia non de naturae diversitate sed de voluntaria actione sub- stiterit, Auguftinus und Julianus. . 97 gegen bie Möglichkeit der Sünde fich beweiſe, fo heiße das for- dern, man müfle um fo mehr libido haben, je mehr man Tugenb beweifen wolle (c. Jul. V, 15. Op. imp. IV, $. 49). Es fei alfo falfch, wenn Julianus ihm irgendwie Täugnung ber wahren Menfchheit andichte: er fpreche Chriftus nur die Ent flellungen der menfchlihen Natur ab. Es wäre phyſiſch für Chriſtus wohl jedes Gelüften möglich gewefen, was feine Menſch⸗ beit anlangt, wenn gleich nicht nöthig. Aber freilich er fei auch Sohn Gottes. Die Gerechtigkeit Chrifti ruhe wie bie unfrige auf der göttlichen Wirkfamfeit: und wenn Julianug behaupte, fie ſtamme auch bei Chriſtus nicht aus einer Verſchiedenheit feiner Natur von der unfrigen, fondern aus feiner freien Willensthat, fo verfahre er, ald wollte er die Menfchwerdung in Chriftus läugnen, indem nad ihm ed für bie Gerechtigfeit Chrifti gar nichts ausgetragen haben foll, daß bie Annahme Gott und den Menfchen zu einer Perfon gemacht habe. 3) Hiemit war bie Frage bis zu der Spitze gebracht, über welde bei Damaligem Stande der Anthropologie nicht hinausgefchritten werden konnte. Auguſtinus muß auf feinem Wege die Willeng- freiheit in Chriftus Täugnen, um die Menſchwerdung feitzuhalten, aber verliert denn doch die Wahrheit menfchliher Entwicklung. Julianus will die Willensfreiheit und die Möglichkeit der Verfuhung und Sünde für Chriftus behaupten, aber weiß das 2%) Opus imperf. L c. 8 84. Itane vero ne hoc quidem Christus di- versum habuit in natura, quod ita ex virgine natus est, ut jam esset non solum hominis, sed et Dei filius? Ergone ista susceptio — nihil lt homini valuit ad excellentiam justitiae? — Siccine vos contra Dei gratiam defensio liberi arbitrii praecipites agit, ut etiam ipsum Medistorem, ut esset Dei filius unicus, voluntate sua meruisse di- catis — ? Secundum vos — non a Verbo Dei homo susceptus est ut ex virgine nasceretur; sed natus ex virgine suae postea voluntatis virtute profecit, et ferit ut a Verbo Dei susciperetur; non talem ac tantaın voluntatem illa susceptione habens, sed ad illam suscep- tionem tali et tanta voluntate perveniens; nec Verbum caro factum est, — sed postea, merito ipsius hominis et ejus humanae volun- tariaeque virtutis. Daraus folge dann, daß auch Andere fein kön⸗ nen, wie Chriſtus. Dorner, Chriftologie. IE. 2te Aufl. 7 98 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt L Kap. 2. nicht anders zu thun als fo, daß er nicht zu zeigen vermag, wie Chriftus mehr fei als ein tugendhafter Menſch, nemlich Gottmenſch. Die Nieberihlagung des Pelagianismus rückte den bezeichneten Mangel der augujtinifchen Chriftologie auch im Abendlande bald aus dem Geſichtskreis und befeftigte die allerdings meift ſtillſchwei⸗ gende Vorausſetzung, daß in Chriftus Feine Willengfreiheit oder, wo der Name blieb, doc feine Möglichkeit wirklicher Verſuch⸗ ung war. ?*) 2), Noch weniger ald von Auguftinus, ift für die Epriftologie von Hieronymus gefchehen. Des Porphyrius Borwurf ber Unbeftänvigfeit wegen Joh. VII, 8. ell. 10. beantwortet er fo: Porphyrius rede fo nesciens omnia scandala ad carnem esse referenda (caro ohne Zweifel = Stand der accommodatio ; fiber welche er mit Auguſtinus in Streit fam wegen Gal. IL, 11 ff. cf. Dialog. c. Pelag. I, 8. II, 6. III, 1). — — — —— — — Drittes Rapitel,. Der Yerfuh, dem Monophyſitismus Die Aleinherrfchaft zu erringen, und das chalcedsnenfifhe Eoncil 451. Daß Cyrill fih in den Vergleich mit den Antiochenern 432 nur einließ, weil er dabei feine Anfiht von Einer Nas tur nach der Menſchwerdung nicht geopfert, dagegen durch Ers teihung der allgemeinen Berbammung des Neftorius au ein Angeld auf die des Neftorianismus und der Antiochener übers haupt erlangt zu haben hoffte, das Tann man daraus fehen, daß er auch jett nicht ruhte, fondern das Gemonnene als Baſis zu benügen Anftalt machte, um feinem chriftolog. Lehrbegriff bie Autorität Des gemeinfirchlichen zu geben. Seine weitere lite: rarifche Thätigkeit gegen Theodor u. f. w. war biefem Ziele gewidmet, ) aber bevor er es erreichte wurde er vom Tode ers eilt im jahr 444. n Um das Jahr 435 begann er gegen Antiochener, die das Gsorönog annahmen, fhon zu drohen „das genüge noch nicht zur Tilgung des neftorianifchen Makels; wer fih auf Diodor und Theo—⸗ dor von Mopfuefia berufe, der hege noch immer den neftorias nifhen Irrthum.“ Und fo zielte er ſchon auf die Berbammung auch jener verfiorbenen im Oriente fo hoch verehrten Lehrer (Ep. 179 an Ariſtolaus und Ep. 167 an Johannes). „Theo⸗ dor Lehre dieſelbe, ja noch ſtärkere Gottlofigkeit; unter feinem Ramen werde die neftorlanifche Häreſe erneuert.“ Aber vergeblich wandte er fih deßhalb an den Kaifer und an den Nachfolger des Reforius, den Patriarchen Proklus. Diefer ließ fih zwar, von der armenifchen Kirche befragt, in dem Tomus ad Armenos über die neſtorianiſche Streitfrage fo aus, baß er Me Sätze des 100 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt L Kap. 3. Sein Nachfolger war Dioskur, ber in feine Fußtapfen trat. Der Teidenfchaftliche Eifer dieſes Mannes Fonnte um fo mehr auf Erreichung des Zieled hoffen, auch ben ſchon mobi- fieirten antiochenifchen Tehrbegriff zu verbrängen und ben aleran- brinifchen zum alleinherrfchenden zu machen, als jene enge Ver⸗ bindung zwifchen den ägyptifchen und ſyriſchen Mönchen fih im Laufe der Zeit immer mehr geftärft und ber alerandrinifche Lehr: begriff an ihnen fowohl als an Aebten und Mönchen in ber Gegend der Hauptſtadt felbft eine Bundesgenoſſenſchaft gefunden hatte. Durch bie Verdammung des Neftorius, ohne Angabe, was das Neftorianifche fei und ohne Annahme des Cyrilliſchen Rehrbegriffes, war die ganze Streitfrage in eine fchiefe Lage ge- fommen und ber Knoten nur fefter gefchürzt. Beiden nur fheinbar verföhnten Parteien mußte die Stellung unbehaglich fein. Die Partei des Dioskur hatte Nichts gewonnen, wenn unter Theodors Namen die neftorianifche Lehre ungehemmt, ja in noch fihärferer Form fortgepflanzt werben konnte. Sie verlor, was fie hatte, wenn fie nicht ein Weiteres gewann. Noch brennender war aber für bie andere Partei die Nothwendigfeit, fih in eine günftigere Tage zu verfegen; denn wollte fie nicht‘ früher ober fpäter der Conſequenz erliegen, die offenbar Cyrill mit Recht z0g, daß fie, wenn fie nicht zum Scheine ben Ne⸗ forius mit verdammt habe, auch ‘in der Verbammung des Neftorianismus mit Cyrill einverfanden fein müfle, folglich, da Neftoriug nie zwei Perfonen, fondern nur zwei Naturen in Chriſtus gelehrt hatte, dieſe Doppelte Natur zu Yäugnen unb mit Cyrill eine zu fegen babe: fo blieb ihr, um folhem An⸗ finnen einmal für immer zu entgehen und fi dem Monophyſi⸗ tismus zu entziehen, Nichts übrig, als nachträglich, wenn auch Theodor, ohne deſſen Namen, mißbilligend anführte, aber gänzlih in Abrede ftellte, damit Einen im Frieden mit ver Kirche Geftorbenen vervammen zu wollen ; und da ſelbſt ver Kaiſer Frieden zu halten gebot, fo fügte fih Cyrill, fihrieb nun aber ein Werk gegen Theodor, das früher angeführte: „Daß es nur Einen Chriſtus gebe.“ Theodoret ſah fih dadurch veranlaft, eine Bertheidigungsichrift für feinen Lehrer abzufaflen. Cyrill u. Diosfur. Daslingenüg. d. ephef. Entfchng. Theodorets Plane. 101 unter anderem Namen, ed zur Berbammung von Eyrills Lehre zu bringen. Und da Cyrills Verſuch gegen Theodor gefcheitert, der Kaifer aber entfhieden war, ein weiteres Vorbringen bed aleran- driniſchen Lehrbegriffes nicht zu begünftigen, fo war bie Lage einladend, um ben Schlag, der gegen Neſtorius gefallen war, mit einem Schlag gegen Cyrills Lehre wieder gut zu machen, mithin möglichft die Sache auf den Standpunkt zurückzu⸗ führen, auf welchem fie vor dem Concil zu Ephefus geftanden batte- Das tft auch theilmeife das Nefultat der chalcebonenfifchen Synode geweſen; fie bat nur zwei Negationen erreicht, die Ver⸗ neinung ber Einheit der Natur und ber Zweiheit der Perfonen. Die neftorianifche Richtung, welche die Zweiheit ber Perfonen nie wirklich gewollt bat, war damit weniger getroffen, als bie Eyrillifche Lehre, die wirklich auf eine Einheit der Natur lautete. — Doch wir gehen zur Borgefchichte des chalcedonenſiſchen Concils ſelbſt. Theodoret trat 448 mit ſeinem Buche „der Betiler“ (egamıoens) oder noAvuoogos auf, einer entſchiedenen Heraus⸗ forberung ber ganzen cyrilliſchen Parthei, befonders ber “Mönche, auf welche ſchon ber Titel feiner Schrift einen fpöttifchen Seitens bli enthalten bürfte, und durch welche er bie monopbyfitiiche Lehrweiſe zu einer kirchlichen Unmöglichkeit zu machen fuchte. Er wies ihr nach, Daß fie Gott müfle in die Leidentlichfeit und in bie Veränberlichfeit berabziehen, eine Bermifchung bes Gött⸗ fichen und Menfchlichen einführen, durch Alles dieſes aber bie Reinheit des chriftlichen Gottesbegriffe in heibnifcher (pan⸗ theiftifcher) Weife bedrohen, — Gründe, welche Yängft gegen Cyrill die fiehenden waren, bie er aber nicht fowohl aus: drücklich gegen Cyrill kehrt, als vielmehr nicht ohne Diplo⸗ matie gegen Apollinaris und bie Erneuerer feines Irr⸗ thums, bie er mit dem Namen Synuſiaſten belegt (weil fie bie göttliche und bie menſchliche Wefenheit zu Einer Tonlefeiren Iaffen). Diefes Verfahren war in fo fern nicht gerecht, ale ja auch Cyrill und die Seinen bie apollinariftiihe Läug- nung der menfchlichen Seele Ehrifti, wie auch bie reale ewige 102 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 3. Menfchheit verwarfen. ?) Allein fo ganz im Unrecht war babei Theodoret nicht, wie Manche anzunehmen fcheinen. Denn nie puvoæ hatte au Apollinaris gelehrt; allerdings in dem Sinne ſowohl der wefentlihen Einheit des Göttlichen und Menfch- lichen, als in dem Sinne der Einheit der Perfon, während da⸗ gegen Cyrill in Ihesi an der unendlichen Verſchiedenheit, ja Heterogeneität des Göttlihen und Menfchlichen feithalten zu müſſen glaubt. Berner lehrt Cyrill, ganz wie Apollinarig, eine Einheit nicht Doppelbeit bed Denkens und Willens in Ehrifto, ift alfo dem fpätern Dyotheletismus fremb; er legt ein Gewicht darauf, daß nicht nur Gott (der Logos) fondern auch Chriſtus göttliche Wunderfraft hatte und übte, ja daß fein Fleiſch befonders im heiligen Abenbmahle belebende, göttliche Kräfte in fih trage. ?) Enblih: er macht auch von feiner Lehre, „daß Ehriftus eine menfchliche Seele gehabt habe“, fo wenig einen Gebrauch, als Apollinaris, der diefe Seele Täugnete, fie blieb bei ihm ein todter Beſitz. Sagte Apollinaris; „ohne zu lernen mußte Chriſtus weile fein unb heilig von Geburt, er mußte erhaben fein über die Lebung im Wiffen und in ber Tugend,“ fo ligt auch biefes in ber gerablinigen Folge von Eyrills Sägen; trog der Künfteleien, durch welche er balb ein Wiſſen und Nichtwiſſen beffelben und in bemfelben ver einigen, bald aber foldhe Prädikate Ehrifti, die eine menfchliche Unvollfommenpheit ausfagen, nur aus der Liebe Chriſti ableiten wollte, welche fich flellvertretend in die menfchliche Gattung ver⸗ feet, und das Ihrige als das Seinige betrachtet oder audges fagt babe, obwohl fte eigentlich bios den Menfchen außer ihm zufomme. *) Diefe Familienähnlichkeit der Eyrillifchen Richtung mit einer ſchon verdammten Lehre hervorzufehren, empfahl fih nun ) ©. oben Br. I, 1006 ff. 1021. I) T.V,2..©. 702 u. 707. *) Damit war alfo Chriſti Nichtwiffen, Lernen, Sihüben nur fo feiner Menfchpeit belaffen, wie er auch ein Fluch für ung bei Paulus heißt d. h. durch Mebertragung, alfo durch eine cyrillifche Anaphora. Theodorets Eranifl. Die Zuvodos Erönnäca zu Conſttpl. Eutyches. 103 ganz befonders für ven Plan ber Antiochener, durch einen Gegen: Schlag die Scharte auszumegen, und einen Damm gegen die kirchliche Verwerfung defien aufzurichten, was im hiftorifchen Neſtorianismus den Mittelpunkt bildet. Es ıft ſchwerlich zufällig, dag in demjelben Jahre, wo Theodorets aggrefiive Schrift erfihien, auch ein förmlicher Angriff gegen einen Hauptvertreter ber monophyſitiſchen Anficht auf einer Partifular-Synode zu Con- flantinopel Statt fand, wiewohl fo, daß ber Ton angeblicher Einftimmung mit Eyrill und Dioskur angenommen wurde. Theodorets Eranift kann ald das Programm dieſer Synode angefehen werben. Hier trat nemlich Euſebius von Doryläum ald Ans Mäger gegen Eutyches das Haupt jener Möndspartei von Eonftantinopel, und eben Dadurch mittelbar gegen die ägyptiſche Richtung auf. ?) Die Partei des Dioskur Hatte inzwifchen, wie es feheint, den Kaiſer mit einigem Verdacht gegen dieſe Synode zu erfüllen gewußt, ber Patriarch Flavi an fuchte Die Streitfache beizulegen: aber die Bifchöfe beftanden auf der Ver⸗ folgung des Eutyches. Diefer wollte ſich in nähere Begriffsbe⸗ ſtimmungen über das Weſen Chrifti anfangs nicht einlaffen, fondern nur an das ausdrüdlic Schriftmäßige ſich halten. Aber boch gab ſich im weiteren Berlauf zu erfennen, dag ihm Chriſtus einfach fein Gott und der Herr Himmels und der Erde war; fo wie, daß er nad der Menfchwerbung für eine Zweiheit ber Naturen Feine Stelle wußte, wenn er auch zugab, daß vor der Menfchwerbung diefelbe zu fegen fei. Wie er nun den Weber gang aus ber Zweibeit in bie Einheit gebacht, ift nicht ganz feicht auszumachen. 6) Er gab zwar ein oöue ardgnzıror auch 6) Mansi Concil. Coll. T. VI, 495 ff. und 650 ff. %) Der Borwurf ift ohne Zweifel bloße Eonfequenzmacherei, baß er eine praerifiente Menfchheit, alfo eine himmlifche Lehre, und zwei Yerfonen, aus denen ihm erft nachher Eine werde; ferner daß nach ihm der Logos nichts Menfchliches angenommen, fondern nur etwas Menfchenähnliches hervorgebracht habe, Indem er aros- “ec ergany und Fleifh ward, durch Maria aber blos hindurch⸗ gieng, was Theodo ret von ihm fagt. 104 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt L Kap. 8. nach der Unio zu, aber nicht &rdonnor, fah mithin in der Einen Natur die Gottheit als das perfünliche Prinzip ausfchließlih an, und unterfchieb fih von Cyrill vornemlic nur burdh bie weitere Behauptung „dieſer Leib Chrifti fei ung nicht weſensgleich.“ Doch wollte er den Leib (von ber Seele fpricht er nicht) nicht Durch bie göttliche Natur abforbirt fein Taflen, fondern es wird ihm von Spätern die Lehre von einer grow ovrderos zugeſchrieben. Eine Verwandlung in das Göttliche, durch welche die Menſchheit aus Maria verflüchtigt und verfchwunden oder wie Theodoret ihm vorwerfen möchte verfchlungen wäre, verwirft er ausdrück⸗ ih; fie Dauert ihm alfo irgendwie fort. Wenn er fie nun an- brerfeitö Doch nach ber Unio nicht mehr wefensgleid mit ung nennen will, fo muß ihm durch die Unio eine veredelnde Ver⸗ wandlung nicht bios eine Erhöhung oder Berflärung der Menfch- heit vorgegangen fein. Und wenn auch Eutyches felbft bie Menfchheit nicht einem ins Meer gefunfenen Honigtropfen ver- glihen haben follte, fo ligt doch am nächften, Die Unio bes Eu⸗ tyches mit einer chemiſchen Durchdringung ber irgendwie noch bleibenden Natur durch die göttliche zu vergleichen. 7) ) Das wäre das conflatile genus bei Leporius, die Synuſioſe Theodorets. Die Bereinigung des Göttlichen und Menſch⸗ lichen erzeugt ein neues drittes Product, wobei aber das Gött⸗ ige nicht blos einer der Factoren fondern auch das Bindende, baber das gänzlich Ueberwiegende if. Ob die Verwandlung, durch welche das aus Maria flammende Menſchliche aufhört Homouſie mit uns zu haben, fih auf die menfchliche Form oder Subftanz beziehe, fagt er nicht; das Letztere ift wahrfchein- lid wegen des Wortes ovoie. Auf ein ſolches Menfchliches, pas weder uns gleich noch blos göttlih wäre, fondern durch das Göttliche ein drittes Neues, wäre alfo jenes Bild von dem 7Ası- zg0» anzuwenden, welches, ein chemifches Gemifch aus Silber und Gold, von dem höchſten Werthe war, und das ohne beſtimmten Namen nicht felten einer monophyf. Härefe von ben Bätern zu: gefchrieben wird. Eutyches befennt Chriſtus als ziAsıog Ardgm- og, — die heil. Jungfrau als ung wefensgleich, fowie daß ei av- tos Eoapnadn 6 Deös yumv (Mansi VI. 700. 741). Aber der Leib unferes Herrn und Gottes fei nicht Omosoros Yuiv. Ferner Mansi V, S. 1928 ff. Ep. ad. Leon. I. fagt Flavian: Eutyches Eutyches Lehre und Verurtheilung. Appellation. 105 Eutyches wurde abgefeßt; und fo war durch bie Ver⸗ dammung der Lehre von Einer Natur nach der Menſchwerdung und der vollen Homoufie der Menfchheit Ehrifti mit der unfrigen wieder in Die amtiochenifche Bahn eingelenft, Eyrills Lehre aber_mit verurtheilt, teog der berechneten Wenbung ihn burch her⸗ ausgerifiene Stellen als testis veritalis zu benügen. Aber Eutyches ruhte nicht, fondern berief ſich auf Die Bi⸗ ſchöfe von Alexandria und Rom, welche allerdings zu Cyrills Zeiten nur Hand in Hand gegangen waren. „Mit ihnen fei er bereit zwei Naturen zu lehren.“ Jetzt war bie ägyptiſche Rich⸗ tung , bie eigentlich gemeinte ind Vorbertreffen gerufen. Es lag in Dioskurs Intereſſe, die auf biefer avrodos srönuovor er: Iittene Niederlage durch ein allgemeines Concil wieder gut zu machen, wozu fein mächtiger Einfluß am Hofe die günſtigſten Ausfichten bot, nicht minder die Hoffnung, den römiſchen Bi⸗ ſchof auf feiner Seite zu haben. ®) — — — verwerfe das nicäniſche Coneceil und Eyrills Brief an Neſto⸗ rius, ſowie (was Flavian wohl die Hauptſache war) deſſen Schrei⸗ ben an die Orientalen, und erneure bie Irrthümer des Valentin und Apollinaris. Als feine Worte vor der Synode werden angeführt: zo» Kugıov yumy Inaov» Xgıorov un dsiv (önoAoyalv) ex 8v0 PVOSwy era TyV Evavdgantycıv, 89 wa Unootaceı, nal 89 dv NE00W@NE Map Fuar Yrapılöusvor, nyTs NY ı79 gapxa T. X. ONo- 00010» YZuiv vrapxem, 01a 57 &£ Yuav Npocizpdeidar, nal ivadeicar 15 Oꝙᷓ Anya nad umdoracıy all äyaaxs, ı79 Höv TEnovday avıby nag®4rov, xara& vapra Huoovdıov Yulv elvas, avrov d TO» xUgiov u eilnpbrus 8 auızg oapna Aulv ÖMo0ovcıov, aAl& TO ToV xvpiov daua nz elvaı uiv onya avdgwnov, avdgmHıvor du omua To un Tic NagÜsvor. ®) Des Eutyches Berufung auf Leo verſprach jenem Anfangs die günftigften Wirkungen. Leo ſprach fich verlegt gegen Flavian darüber aus, daß ex über die Streitfache nicht fofort unterrichtet worden fei. Er habe zuerfi durch ven Kaiſer (der dem Eutyrhes befreundet war) und durch eine Klagſchrift des Eutyches darüber Kunde befommen. Er wiffe nicht, mit welchem Recht Eutpches ercommunicirt fei, wolle aber feine Entſcheidung aufſchieben, bis er nähere Kunde habe. Er wolle wiflen, was denn bem alten Glanben zuwider für ein neues Dogma von Eutyches gelehrt fei, und empfehle Mäßigung, da diefer, wenn Tadelnswerthes 106 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt L Kap. 3. Jetzt follte der nur halb entfchiedene, durch einen Waffens ſtillſtand unterbrochene Streit zu einem beflimmteren Refultate gebracht werden. in öcumenifches Concil wurde Durch Taiferlichen Willen nach Ephefus fürs Jahr 449 angefagt (Mansi Conc. VI, 503), in erflärter feinbfeliger Abficht gegen den conftantinopol. Patriarhen Flavian, zum ausbrüdlichen Zweck der Ausrottung ber neftorianifchen Keterei bis auf die Wurzel. Dem Theo: boret dagegen und andern Männern feiner Richtung wurbe ber Zutritt oder doch die Stimme auf der Synode genommen, namentlich allen Gliebern der Synode gegen Eutyches — Dios⸗ kur folle den Borfig haben mit ausgebehnten Vollmachten gegen bie Feinde des heiligen, d. h. alerandrinifchen Glaubens. Auf ber Synode felbft wurbe durch eine Menge fanatifcher Mönche, an beren Spige ber Abt Barfumag mit Sie und Stimme im Goncil war, ein Terrorismus ausgelibt, der Alles bem Cp⸗ rill iſchen Lehrbegriff Entgegengefeßte mit Gewalt nieberzuwerfen Miene machte. Dioskur gieng vor Allem auf das ephefinifche Concil zurüd, auf welchem Alles unwandelbar feftgeftellt fei, daher eine neue Prüfung gar nicht mehr zugelaffen werben fönne. gegen ihn fi fände, zur Nachgiebigkeit ſich bereit erfläre. Zum Schluß wiederholt er, daß er gefonnen. fei unverrüdt bei den göttlichen Saßungen der Bäter (zu denen freilich auch Cöleſtin gehörte) zu verbleiben. Außerdem ſchrieb Leoan ven Kaifer: „pie Klagefhrift des Eufebius, die ihm durch Eutyrhes zugelommen, fage nicht deutlich, was der Grund der Anklage auf Härefe gegen ihn ſei; Tadel verdiene das Stillſchweigen Flavians, er hoffe aber, er werde es breihen, damit er (Leo) das Urtheil fprechen könne.“ Wohl nit außer Zufammenhang mit Leo fchrieb Pes trus Chryſologus, Bifhof von Ravenna an Eutyches ben in Conftlantinopel Ereommunicirten, als „an feinen Bruder“, einen Brief, in welchem er, wieum dieſem Bertrauen einzuflößen, bie göttliche Majeftät Jeſu fo hervorhebt, daß er fagi: „Wenn wir auch Chriſtus nach dem Fleiſche gekannt Haben, fo Tennen wir ihn doc jegt nicht mehr.“ Zum Schluß ermahnt er ihn, dem römiſchen Stupl und feinen Ausfprücen fi unterwürfig anheim au geben; da verfelbige Petrus, der auf feinem eigenen Stuhle lebe und ben Borfig führe, Denen bie darnach verlangen, den wahren Glauben gebe. Die Ränberſynode im Jahr 449. 107 Die ägpptifchen Mönde und Biſchöfe riefen gegen die Lehre, daß Ehriftus in zweien Naturen fein Beftehen habe: „Wer von zweien Naturen redet, der ift ein Neſto rins, ben fehneibet felbft entzwei!“ Durch Tumult, Gewalt und Liſt Tießen die Biſchöfe der ent- gegenftebenden Anficht fih nöthigen, Eine Natur in Chriſtus zu befennen. Man nahm dabei den Stanbpunft ein, daß die Lehre von zwei Naturen in Chriſtus gegen den Sinn ber erften ephe⸗ finifchen Synode, mithin die Berbammung des Eutyches uns gerechtfertigt, und bie conftantinop. Synode häretifch fei; wie benn auch Flavian und Euſebius fofort abgefeßt wurben. Daffelbe Schidfal wurde auh dem Theo doret und andern Häuptern der Antiochener zugedacht. Man wird dem Diosfur nicht in Abrede ftellen fünnen, daß er das Eoncil zu Epheſus 431 weſentlich auf feiner Seite hatte, wie denn much Cyrills Ver: fahrungsweife fih damals von der jegigen Dioskurs nidt fo weſentlich unterfchied, daß man es folgerichtig nennen fönnte, Das erfte ephefinifche Concil als Heilige öcumeniſche Synode zu bes zeichnen, wenn man das zweite mit echt die Räuberſynode nennt. Dioskur verfolgte feinen Sieg fo gewaltfam, als er ihn errungen hatte. Aeußerlich fügten fih die Drientalen dem Zwange ober ließen fih wie Theodoret verbannen. Aber mmermwartet foflte die Scene ſich ändern. | Der römifche Bifhof Leo der Große, ein Mann von ftarfem Charakter, unerfchrodenem Muthe und hellem, praftifchem Blide, aber auch geichidter volltönende liturgiſch lautende Formeln zu bilden, als in der Sache wiſſenſchaftlich etwas innerlich zu fördern, — deffen Zuflimmung, wie oben bemerft, Diosfur fih anfangs für gewiß hielt, dem er aber in feiner gewaltthätigen Herrihfucht zu Epheſus die ſchuldige Rückſicht nicht erwiefen hatte, hatte feine Stimme noch nicht abgegeben. ?) Wie jehon früher Dioskur Hatte Leos Schreiben vom Juni bes Jahre 449 an die Synode zu Ephefus gar nicht verlefen Taflen (Mansi V, 1409), ja feine Gefandten hatten fih flüchten müflen. Das war freilich eine Behandlung, die wenig zu ven Erwartungen fiimmte, welde 2eo Ep. ad Dioscur. vom Jahr 445 (Manst V, 1239) ausgefprocden und bie ihm dem Rarhfolger eines Atyanafius und Eyrill, 108 Zweite Perlobe. Erſte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 8. Eutyches und Flavian !%, fo wandten bie unterbrüdten Drientalen namentlih Theodoret '") fih nad) dem zweiten epheſiniſchen Concil an ihn. Noch zu Ephefus felbft hatte leo 8 Abgefandter, der Diakon Hilarus, in den Proteft des Flavian gegen das fynobale Urtheil eingeftimmt. Von jest nahm ſich Leo der Orientalen mit Kraft an. 1?) dem Erben des Stuples der ein fo fühlbares Uebergewicht in der Kirche gewonnen hatte, feine Stellung hatten anweiſen wollen. Leos erfier Gruß an den neuen Bifhof Div stur war nemlich die Mahnung geweſen: daß ein alerandr. Bifchof von dem römifchen fo weit abftebe, als der Stifter jener Kirche von Petrus ; ein deutliches Zeichen, wie wichtig ed dem Leo und wie fehr an der Zeit ſchon vor dem eph. Concil ſchien, ven aler. Patriars hat zu demüthigen, mit welchem Leo 8 Borfahren unter Cyrill über die Lehre von Einer Natur Chriſti nicht entziweit waren. 10) Vgl. Mansi V, 1323. 1329. 1351. ih Brief des Theodoret an Leo, Mansi VI, 35. ) Der zweite Brief Flavians an Leo (März 449) hatte ſchon mehr den Ton bereitwilliger Verantwortung gegen Leo dem er fämmtliche Alten des conftantinop. Concils zufandte, angenommen. Er warf Hier (S. 135%) dem Eutyches vor, daß er die Eigen: ſchaften der in Chriſto vereinten Raturen und die Naturen ſelbſt in der Unio vermifche (ovyxda) und im Widerſpruch flehe mit dem Schreiben der ephefinifchen Synode an Neftorius wo es heiße: dapopoı udr al npös dvorya zov aAmdırgv ovveveydsisaı Yüasıg“ el; 83 ét anpoiv xoıorös xal vlög, oUX ag Tic ray Yucenv dlapopdg argoyusvns dia chv ävacır, anoreiscaoav 58 uallor Yuiv row Eva „voor Insou» xpımeoy Veorntog 18 nal ardpondiytog, dk Tag appaote xal Anspıvoyts Npös dvöryra aurdgouns. Mithin nimmt er gegen Eutyches die Stellung eines Vertheidigers des erfien ephe⸗ finiſchen Eoncils ein. Er gibt ferner dem Leo zu verfiehen, baß der Kaifer für Eutpyches Partei nehme, ftellt in Abreve, daß Eutyches auf der Synode an Leo appellitt und bittet ihn, die gemeinfame Sache fi anzueignen, zu feiner Abfegung zuzu⸗ fimmen, und ven Glauben des Kaifers zu befefligen; denn es komme nur auf feinen Ausfchlag (gonz) und Beiftand an, fo kehre ber Friede wieder und die Synode, von der viel geredet werde, bie allen Kirchen Berwirrung drohe, werde vermieden werben fönnen und entbehrlih fein. So Flavian an Leo noch vor ber ephefinifchen Synode vom Jahre 449. Daß Flavian dem Leos Stellung zu den Parteien. Sein Briefan Flavian. 109 Leo fchrieb an Flavian fchon am 13. Juni 449 feinen berühmten Brief, in welchem er die Lehre von der Perfon Ehrifti zu einem kirchlichen Abſchluß zu bringen ſuchte. Das Eigenthüm⸗ liche dieſer Abhandlung befteht darin, daß fie zwar beftimmt und fharf. DaB, was nach feiner Anſicht Beftandtheil des allgemeinen hriftlichen Befenntnifles fein müffe, in einzelnen Säten aus: fpricht, aber auch der eigentlich theologifchen Aufgabe, diefe Sätze nicht blos neben einander zu ftellen, ſondern auch ihre innere Ber: einbarfeit und Zufammengehörigfeit Darzulegen, furz ein zuſammen⸗ hängendes anfchauliches Bild von Ehrifti Perfon zu verzeichnen fich völlig entzieht, obwohl fie nach Umfang und Form nicht ein Symbol fondern eine theologifche Abhandlung fein will. Nicht erörternb bes gründend, fondern im Tone der Enticheibung, in feierlich tönenbem Kirchenſtyl, oft in rhetorifirender Zufammenftellung von voll flingenben Gegenfägen beginnt er mit Eutyches Irrthum als der Beranlaffung des Streited, dem er die Yäugnung ber wahren Menfchheit Ehrifti zufchreibt; widerlegt ihn zunächſt aus dem apoftolifchen Symbolum, dann aus ber heil. Schrift (c. 11.) gibt zu, daß Chrifti Erzeugung auf einzige Weife wunderbar ges Leo bedeutende Zugeflänpniffe in Beziehung auf feinen Borrang gemacht hatte, bevor Leo beftimmt feine Partei ergriff, fiebt man aus Leos Brief an den Kaifer und an die ephefinifhe Synode (Tom. V, 1411. 1359), Theopdoret aber gegen Ende bes Jahres 449 (Mansi VI, 36 ff.) fagt dem Leo nach dem zweiten ephefintichen Eoneil und feiner Abfepung , daß, wie Paulus bei dem Streit über die Beſchneidung in Antiodia zu dem großen Petrus eilte, um die Löfung der Zweifel bei ihm zu holen, fo Taufe er mit den Seinen mit noch viel mehr Recht bei der eigenen Unbes deutendheit zu dem apoflolifehen Throne; „du& marra yap vusy zo meersders apndrse". Namentlich trage auch Leo ſelbſt apoflolis fhen Charakter an ſich; pas zeige unter Anderem befonders feine Schrift „über die Menſchwerdung Gottes“ und ihre bewunderno⸗ würbige Schärfe und geiftliche Weisheit (er meint den berühmt ges wordenen Brief Leos an Flavian vom Juni 449, Mansi V, 1365 1889). Als er fie geleien, habe er die Gnade des heil. Geiſtes gepriefen, die durch Leo gerebet habe, und bitte jet, er möge bie Kirche Gottes aus ihren Stürmen retten. 410 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt L Kap. 3. ſchah, aber nicht fo, daß bie zeitliche Geburt feiner göttlichen und ewigen etwas genommen ober gegeben hätte, noch fo, daß burch die Neuheit biefer Kreatur ihre Gattungseigenthümlichkeit aufgehoben wäre (ul per novitatem crealionis proprietas re- mota sit generis). Chriſtus gab fich ganz ber Herftellung des Menfchen bin, um burch feine Kraft den Tob und Teufel zu überwinden. Wir vermöchten den Urheber ber Stinde und des Todes nicht zu überwinden, wenn nicht unfere Natur zu ber feinigen gemadt wäre von ihm, den weder Sünde befleden nody der Tod fefthalten Tonnte, indem er empfangen ift von bem heil. Geifte in dem Leibe der Jungfrau, die ihn in unverleßter Sungfraufchaft gebar wie empfieng. Er geht fobann über auf bie Frage nach den Naturen; und nachdem er ihre Zweiheit aufgeftelft, berührt er ihr Verhältniß nicht ſowohl zu einander, als zu den einzelnen Aften oder Funktionen. Was das Eritere betrifft, fo ift der Hauptſatz: Gott it Menſch geworden fo, daß die Eigenthüimlichfeit beider Naturen und Subflangen bewahrt: blieb, aber in Eine Perfon zufammengieng. 1”) Diefe Perfon fönnte an fich entweder das Ich fein, ale Band der Einheit ber Naturen wobei ſich dann früge, woher es fomme, ob von Einer Natur oder beiden oder feiner, und ob e8 ein Drittes ſei zu den Naturen. Aber Leo verfteht unter der Perfon nicht fo- wohl das Ich, fondern das Nefultat des Zufammentreffend der Naturen, Die Summe beider, die Gefammtperfon oder Tebengeinheit, welche zu gleicher Zeit Gott und Menſch fei. Der Unfichtbare, Unbegreifliche wollte fichtbar fein und ſich begreifen laſſen. Um Mittler zu fein wollte er nach der einen Seite fterben können, nach der andern nicht flerben Tönnen. 1%) Er nahm Knechts⸗ geftalt ohne Sünde an, die Menfchheit erhöhend, die Gottheit . nicht mindernd; denn bie Entäußerung, durch welche der Un⸗ 13) Cap. IH. Salva igitur proprietate utriusque naturae (et substantise) et in unam coöunte personam , suscepts est a majestate humilitas, a virtute infirmitas, ab asternitate mortalitas etc. 14) Ad resolvendum conditionis nostrae debitum natara inviolabilis na- turao est units passibili: ut, — unus atque idem mediator dei et hominum et mori posset ex uno, et mori Non posset 6x altero. Leos Brief an Flavian. 111 ſichtbare ſich ſichtbar machte, und ber Schöpfer und Herr bes Alls Einer ımter den Sterblichen fein wollte, war eine Herablaffung feines Mitleids, fein Berluft der Gemalt. 2°) Beide Naturen behalten ihre Eigenthilmlichkeit, und wie bie Gottesgeftalt die Knechtsgeſtalt nicht aufhebt, fo mindert bie Knechtögeftalt Nichts an der Gottesgeſtalt; wie Gott nicht vers ändert wirb burch fein Mitleid, fo wirb ber Menſch nicht vers zehrt durch die Majeftät. Der wahre Gott ift geboren in eines wahren Menſchen ganzer und volliändiger Natur, ganz in bem Seinen, ganz in dem Unfrigen. 1%) Leo fprict alfo als For- derung bes chriftlichen Bewußtſeins aus, dag Gott nicht bios in Chriſtus menfchliche Prädifate habe, ober einen Menfchen mit Leib und Seele trage und habe, oder gar nur in einem Menfchen fei umd wohne, fondern daß Er Menſch fei, will aber doch bie unvermifchte Fortdauer beider Naturen fo fefthalten, daß die gött⸗ lihe weder etwas Neues empfangen, noch etwas verloren habe. Ginerfeits foll der Unfichtbare es fein, ber fichtbar und greifbar wurde in der Knechtsgeſtalt, andererfeits ſoll durch die Menſch⸗ heit die Unendlichkeit feiner Majeſtät überfchattet, innerlich aber doch in ihrer göttlihen Ganzheit geblieben fein. Es iſt ein tiefer Gedanke, daß er gegen den Einwurf, bie Menſchwerdung fönne eine Veränderung in Gott hineintragen, daran erinnert, daß durch Mittleid oder Tiebe (miseratio) Gott ſich nicht Ändere, fondern nur durch feine Liebesthat den Weg einfchlage, der von ‚ ber Gerechtigkeit verlangt war, ja daß er zu verftehen gibt, von Berändberung Gottes müßte eher dann bie Rede fein, wenn er gegen den Menfchen Anfangs nur Güte und nad dem Fall nur Gerechtigkeit wäre; durch bie Gerechtigkeit alfo ſich der Güte berauben ließe, und nicht vielmehr feine erfte liebende Einrichtung durch ein geheimeres Heiligthum ergänzte. !I — — 35) Assumsit formam servi — humanam augens, divinam non minuens: quia exinanitio ille — inclinatio fuit miserstionis, non defectio po- testatis. 36) In intrgra veri hominis perfectague natura verus natus est deus, totus in suis, totus in nostris. 1) Opus fuit, ut incommmutebilis deus, cujus voluntss non potest sua 112 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt J. Kay. 3. Aber biefer Gedanke, daß Gottes Unveränberlichfeit durch feine Liebe gefichert ift, wird von ihm nicht durchgeführt, im Gegentheil fagt er, ber Som Gottes, indem er vom göttlichen Thron herabftieg, verließ nicht Die väterlihe Glorie. 3) Wenn das Herabfteigen mit ber Allgegenwart bed Sohnes nicht zufam- mengebracht ift, fo zeigt das Bleiben in der Glorie, daß er feine andere Entäußerung zugibt, als die firenge genommen nur ein Ver⸗ hüllt⸗ oder Nichtoffenbarfein der göttlichen Mafeftät ifl. Und wäh- rend er einerfeitd, wo es auf bie Hervorhebung ber Einheit ber Perfon anfommt, ohne weiteres fagt, der Sohn Gottes hat nicht blos menfhlihe Natır angenommen, ſondern ift Menſch gewor⸗ ben, der Ewige iſt in ber Zeit geboren, ber Leidensunfähige bat gelitten, fo fett er, wo ed ihm auf bie Bewahrung des Unter: fhieveg der Naturen ankommt, dag Verhältniß beider nur als ein Verhältnig der Gemeinfchaft zweier, die beide handeln nur in Gemeinfchaft. 1% Während Cyrills ganze Anftrengung bar- auf gerichtet war, nach der Unio nur noch ein einheitliches Prin- cip, wenn gleich mit verfchiedenen Präbdifaten fliehen zu laffen, und Alles Thun und Leiden als gottmenfchlich zu bezeichnen, fo vertheilte Leo auch nach der Unio dag Eine an die göttliche, das Andere an die menfchliche Natur für fih; z. B. die Wunder an bie göttliche, die Leiden an die menfchlihe Natur. „Es fommt nicht derſelben Natur zu, zu fagen: ich und der Vater find ein, und zu jagen: der Vater ift größer als ich.“ 20) Zwar fei in ihm Eine Perfon Gottes und des Menfchen, und daher beiden benignitate privari, primam erga nos 'pietatis suse dispositionem sacramento occultiore compleret. 8) Cap. IV. Filius dei de coelesti sede descendens et a paterna glo- ria non recedens ingreditur haec mundi infima. 19) Agit enim utraque forma cum alterius communione, quod proprium est, Verbo scilicet operante quod Verhi est, et carne exsequente, quod carnis est. — Die Forma iſt Nominativ. %) Cap. IV. Unum horum coruscat miraculis, alterum succumbit in- jurlis — non ejusdem naturae est, dicere: ego et pater unum sumus, et dicere: pater major me est. Mit einer Lehre von einer realen Communic. idiomatum, wie fie bie Iuth. Kirche hat, ift Leos zu Chalcedon fanctionirter Brief nicht im Einklang. Leos Brief an Flavian. 113 Schmach und Ehre gemeinfam, aber anderswoher komme bie Schmad für beide, anderswoher die Ehre. — Davon hat Leo eine Flare Einfiht, und darin Tigt fein Verbienft, daß die chriſt⸗ liche Grundwahrheit ebenfo aufgehoben wäre, wenn bie Menſch⸗ heit, ald wenn bie Gottheit verkürzt würde. ?) Nicht minder zeigt er auch darin kirchlichen Takt, daf er in vielen Stellen ben Neftorianismus und den Eutychianismus als bie zwei entgegen: geſetzten Klippen bezeichnet, welche einer richtigen Lehre von ber Snfarnation gleich ſchädlich feien, ein Gedanfe, ben er auch fpäter oft wieberholt. 22) War die Kirche auf dem ephefinifchen Concil gegen Neſto rius fo gerichtet geweſen, daß die Eyrillifche Lehre von Einer Natur den Sieg haben zu müſſen ſchien, fo gibt Leo mit aller Kraft der Firchlichen Entwidlung die Richtung , fich einen mittleren Weg durch zwei gleich verwerfliche Extreme hindurch zu fuchen. Ob er oder das Ehalcedonenfe pofitiv diefen mittleren Weg fand, ift eine andere Frage. Gewiß ift vorläufig nur, daß Leos Ausfcheivung der dem Neftorius zugefchriebenen Doppelperföns lichfeit und der Lehre yon ber Verwandlung (Transfubftantiation) der menfchlichen Natur in bie göttliche, in der nur ein Gompler menfchlicher Prädifate wie Accidenzen an fremder Subflanz übrig blieben, über Die Unio felbft und das innere Verhältniß beider Naturen in ihr noch fo gut wie Feine pofitive Auskunft gibt. Die meiften der andern obigen Säge find Zufammenfprechungen von Enantiophanieen, die durch Paradorie imponiren, aber nirgends dem Berftändniß näher gebracht werben. Diefes Schreiben an Flavian erhielt ſchnell theils durch ihn und feine Freunde, theils durch feinen innern Werth eine große Verbreitung und Anerfennung. Als mın aber die fogenannte Räuberfinode Lens Erklärung nicht angenommen, fondern 21) Cap. V. Catholica ecclesia hac fide vivit, hac proflcit, ut in Christo Jesu nec sine vera divinitate humanitas, nec sine vera credatur hu- manitste divinitass, denn: negatio verae carnis negatio est etiam corporeae passionis. Unum horum sine alio receptum non proderat ad salutem et aequalis erat periculi, dominum Jesum Christum aut deum tantummodo sine homine, aut sine deo solum hominem credidisse. 2%), Mansi VI. ep. 54. ©. 46. Ep. 75. ©. 97. ep. 90. ©. 127,130. Tom. V. ep. 30. ©. 1898. Tom. VL ep. 88. ©. 124. Dorner, Chriſtologie. IL 2te Aufl. 8 114 Z3weite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 8. Di oskur fogar unternommen. hatte, ihn zu ercommuniziren, als Leo ferner über den tumultuarifchen Hergang auf der Synode, Flavians Mißhandlung und bie Abfegung anderer Deänner genauen Bericht erhielt, fo entwarf er ben Plan, em neues öcumeniſches Concil fperiell über biefen Gegenftand in Stalien zu Stande zu bringen. Nun war zwar Theodoſius ber jüngere ihm wenig geneigt, und dem Diosfur nad wie vor zugethan, meinte, der Kirchen⸗Friede wäre fofort bergeftellt, wenn nur bie Schlüffe.. des zmeiten ephefinifchen Concils ausgeführt würden, wußte auch nichts von einem Rechte Leo 8 den entſchei⸗ denden Spruch zu thım. Nicht minder war bie Rehabilitation ber abgefegten Bifchöfe ſchwierig, weil nicht blog ein großer. Theil ber Kirche, Die ägyptiſchen, paläftinenfifchen und illyrifchen Biſchöfe auf Dioskurs Seite fanden, und im Bunde mit einem Heere von Mönchen in Afien und Afrifa eine bedeutende Macht bildeten, fondern auch weil bie orientalifchen Bifchöfe auf der epheſini⸗ hen Synode faft Alle, wenn auch gezwungen, das unterfchrieben hatten, was Diosfur wollte. Aber Leo zeigte bier eine fel- tene Umficht und Fluge Ruhe, um zu feinem Ziele zu gelangen, hatte auch in feinem flaatsmännifchen Geifte eine unerfchöpfliche Sundgrube von Mitteln. Gemäßigt und ſchonend trat er auf, wo er Jemand noch Fonnte zu gewinnen hoffen, feft aber und mit fleigender Beftimmtheit, wo er bie Zeit gefommen glaubte, bem Gegner offen entgegenzutreten. Da ein Schreiben an The o⸗ doſius Nichts fruchtete, fo wandte er fih an Balentinian um Marcian und einige Frauen ber Kaiferfamilie, deren Vers wenbung freilich ebenfo erfolglos blieb. Gegen Flavians Nachfolger Anatolius beobachtete er eine zumartende Haltung, als derſelbe feine Erwählung ihm gemelbet, bie er Leos Drief an Flavian unterzeichnet hatte. Daneben war er uner: mübet, ben Muth und bie Treue derer, die für Flavian waren, aufrecht zu erhalten. Außer einer Reihe von Briefen an grie⸗ chiſche und gallifche Bifchöfe gehört hierher fein Schreiben an den Elerus und das Volk zu Conftantinopel. ?8) 2%) Mansi VL ep. 59. ©, 57-64, vgl. ep. 50. ©, 29, Leos Kirchenpolitik. 115 Hier ſucht er die Wahrheit der Menſchheit Chriſti zu er- weisen aus dem heiligen Abendmahle. In diefem myftifchen Mahle geiftiger Speife fei das die Gabe, daß wir die Kraft ber himm⸗ liſchen Speife empfangend in das Fleiſch beffen, der umfer Fleiſch wurde, übergehen. **) Ferner führt er aus, daß man bei Stellen, bie von einer Erhöhung Chrifti reden, dem Arianismus Recht zu geben genöthigt fei, wenn ſie nicht auf eine wahre Menfchheit bezogen werden können. Eutyches müſſe entweder bie Gottheit den Leiden unterworfen benfen, ober die Wahrheit: der Menſch⸗ beit in Ehriftus Überhaupt Täugnen. Der unveränderlihe Sohn Gottes warb Menfchenfohn nicht Durch Berwandlung feiner Sub- flanz, fondern fam, in Annahme unferer Natur, zu fuchen das Berlorene ; er fam von Anbegimn des Menſchengeſchlechtes anges kündigt (Cap. IV). Aber (Cap. II) nicht durch räumliches Hin- äutreten, ober leibliche Hinbewegung, als wäre er abweſend ger wefen unb mun gegenwärtig geworden, er fam auch nicht unter Berlaffung des Ortes, von dem er ausgegangen wäre; fonbern . er fam durch das, was fichtbar und für Alle zugänglich war, um fih für die Anfchauung barzuftellen, indem er nemlich Leib and Seele des Menſchen annahm, damit er bleibend in ber Öottesgeftalt die Knechtögeftalt mit ſich einigte, burch welche nicht feine Gottheit verringert, aber feine Menfchheit erhöht werben follte. 2) Nichts fehlte ihm von dem, wovon ſicher ift, daß **) In illa mystica distributione spiritalis alimonise hoo impertitur, hoc sumitur, ut accipientes virtutem coelestis cibli in carnem ipsius, qui caro nostra factus est, transeamus. — In quibus isti . ignorantise tenebris — jacuere, ut nec — cognoscerent quod in ecclesis. dei in omnium ore tam consonum est, ut nec ab infan- tium linguis veritas corporis et sanguinis Christi inter communionis sacramenta taceatur, cap. II. Wie alfo dem Auguftinug für bie Geſtaltung der Anthropologie die heil. Zaufe (als Kindertaufe befonvers) wichtig war, fo dem Leo das heil. Abendmahl für die Epriftologie. Die Berwandlung geht ihm vor an uns. 25) Vgl. Hiemit die Stelle Anm. 18. Diefe Erhöhung ligt ſchon in der Menfchwerbung des Sohnes ſelbſt, fofern fie die Menſchheit ehrt, befonders aber in der Auferſtehung (vgl. Hagenbach, Lehrb. d. Dogmeng. 8. Aufl.1853, S. 230), de resurr. dom. c. 4: 8 * 116 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 8. es zur menſchlichen Natur gehöre, Seele, Vernunft, Leib. Der letz⸗ tere iſt auch weder aus dem Worte durch deſſen Verwandlung in Fleiſch, noch durch eine neue Schöpfung geworden, ſondern aus der Maria genommen (Cap. V). Den Dioskur excommunizirte er nicht; ohne Zweifel des beabſichtigten Concils und ſeines bedeutenden Anhanges wegen, mit welchem ein Bruch, der das Eoneil in feinem Sinn oder doch den Sieg in Frage geftellt hätte, zu vermeiden war. Gleiche wohl rüftete er unermübdet. Namentlich hielt er in Rom Fleinere Synoden welche bad zweite ephefinifche Concil als eine Räuber- ſynode verwarfen und ſich Leos Lehrbegriff anfchloffen, wie auch bie gallifchen und orientalifchen Biſchöfe thaten. Doc ift ſchwer zu fagen, ob er fein Ziel erreicht hätte, wenn nicht Theo- bofius d. 3. 450 geftorben wäre, wodurch Leo an Valen⸗ tinian und befonderd Marcian eine mächtige Stüge gewann, wie Diosfur bie feinige verlor. Diefe giengen bereitwilligft auf feine Forderung eines Concils ein, aber nicht in Stalien, fondern in Kleinaſien. Aber jetzt wünſchte Leo plöglich Das Concil Lieber verfchoben, wenn nicht fallen gelafien, vorgeblih wegen der Einfälle ber ‚ Barbaren in Italien, welche die Abweſenheit vieler Bifchöfe un- möglich machten, eigentlich aber, weil das Concil nicht in Italien gehalten werden follte, und weil in ber veränderten Lage ber Dinge es ihm fchien, als könnte vielleicht ohne Eoneil leichter ein befriedigendes Refultat erreicht werben. ?€) Aber das Concil wurde angefeßt, und zwar war ber Zwifchenraum zwiſchen der Ausfchreibung und der Verfammlung felbft fo furz, daß nicht einmal rechtzeitig an alle Bifchöfe die Berufung noch gelangen Resurrectio Domini non finis carnis sed commutatio fuit nec virtutis saugmento consumta substantia est. Die caro blieb ipsa per sub- stantiam, non ipsa per glöriam, denn: factum est corpus impas- sibile, immortele, incorruptibile. In Bezug auf den Leib Chriſti mwurbe der Proceß zugelaffen, der in Betreff ver Seele meiftens ges Iäugnet wurbe. %) Mansi VI. ep. 84, ©. 106. Leos Kirchenpolitil. Concil v. Chalcedon. 117 fonnte. ?7) Jedoch wollte Leo dem Kaiſer ſich nicht widerſetzen. Nur die Erwartung ſprach er aus, man werde nicht mit ſchwie⸗ rigen Streitigkeiten ſich abzugeben haben, da auch ſchon die Orien⸗ talen die Verdammung des Neſtorius und Eutych es unter ſchrieben haben. Le os Plan war geweſen, 28) es dürfe auf dem Concil über den Glauben gar nicht disputirt werden, ſondern es komme einfach darauf an, bei dem Briefe Eyrills an Nefto- rius ſtehen zu bleiben, ober Leos Briefe an Flavian zuzu⸗ fimmen, im Webrigen aber allen Bifchöfen, die dem entgegen gelehrt ober gehandelt hätten, (z. B. durch Lnterfchrift auf dem epheſ. Concil) die Thüre zur Wiederaufnahme unter befagten Bedingungen offen zu halten. Aber das Faiferliche Ausfchreiben verlangte nähere Glaubensbeftimmungen. Als nun das Concil A51 zu Chalcedon eröffnet wurbe, flans ben ſich zwei große Parteien fchroff gegenüber, von deren jeber 2) Ib. ep. ad Anatolium 91, ©. 129: Mirati sumus congregandi synodo tam augustum tempus adpositum; cum, etsi nulla necessitas hostili- tatis existeret, ipsa interjectorum dierum paucitas necessarios sacerdotes nos evocare non sineret. (Juando enim per diversas lon- ginquasque provincias mitteremus, ut fere possit fieri univer- sale concilium? Es fehlten alfo Biele, die zu einem cum. Concil nicht Hätten fehlen follen. Aber auch, daß umgelehrt der Antheil fo vieler Bifchöfe an dem fogenannten 4. Öcumenifchen Concil, welche entweder zu Epheſus fih zwangsweife zu einem ans dern Glauben befannt hatten, als in Chalcevon, wie die DOrientalen, oder in Chalcevdon, nah Dioskurs Abſetzung, fih einem ans dern Slaubensbelenntnifie fügten, als das war, dem fie eigentlich zugetfan waren, wie bie ägyptifchen, paläftinenfiichen Biſchöfe u. f. w. der Autorität des chalcevonenfifhen Concils nachtheilig fein muß, wie nach der angeführten Stelle fein wahrhaft öcume⸗ nifcher Charakter zu bezweifeln ift, das kann eine unbefangene Geſchichtſchreibung wohl nicht in Abrede flellen, wenn man auch von der Nichtanerkennung des Eoncils in großen Kirchen abfleht. Bon Seiten römifcher Theologen wird das auch zugegeben; vgl. Baller. not. III. zu der obigen ep. 91, ©. 129. Ihnen feheint diefer Defect fogar nicht unwillkommen, weil fle die Auskunft zur Hand haben, es ſei erft durch die Approbation des heil. Stuhles zum Scumentfchen geworben. =, Ep. 70. ©. 86, 87. L co. ad Pulcheriam. 118 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfipnitt I. Kap. 3. ein Hauptrepräfentant in ben Perfonen des Eutyches und Flavian durch bie andere Partei abgeſetzt und ercommunizirt war. Diefe zwei Parteien hätten, um zur Einheit zu Tommen, noch Tange fittlih und intelleftwell in ber Bearbeitung bes heil. Geiſtes ſtehen müffen, wenn nicht des Kaiſers Macht und Wille die Einigfeit des Geiſtes erfegt hätte. Die Verhandlungen bes gannen mit einer Anklage, die in aller Form gegen Dioskur und die Gültigfeit feines Concils erhoben wurde Doch war Dioskurs Partei auf dem Concil fo ftarf und ſo wenig dem milderen antiochenifchen Lehrbegriffe, der zulegt in Chalcedon burchgieng, zugethan, baß, ald Theodoret von bem Kaifer und von Leo als Bifchof wieder anerkannt, in die Verſammlung trat, um in ihr Platz zu nehmen, die Bifchöfe aus Aegypten, Palds ſtina und Illyricum mit lautem Gefchrei riefen: „der "Glaube geht unter, die Kirchen-Gefege werfen ihn hinaus; werft ben Lehrer des Neftorius hinaus!“ 2%) Da aber derſelbe Auf ſei⸗ tens der Drientalen gegen Dioskur ſich erhob, fo fchaffte die anweſende Staatsbehörde dadurch enblih Ruhe, daß fie (fehr wenig unparteiifch, wenn man an das Concil von 431 zurüd benft) den Theo doret in der Rolle des Anflägers, den Diosfur in ber Rolle des Verklagten anmwefend fein ließ. Der Lebtere fonnte nun freilich über feine Gemaltthätigfeiten und Geſetzwi⸗ brigfeiten zu Epheſus fich nur fehr ungenligend rechtfertigen ; was aber den Punkt des Glaubens betrifft, fo Fonnte er allerdings nachweiſen, daß er zu Ephefus feinen andern Weg eingefchlagen, als den jegt auch in feiner Weife Leo, wie fo eben bemerft, für Chalcedon beabfichtigte. Es follte über den Glauben nicht bisputirt, fondern einfach bei den alten Beichlüffen beharrt wer: ben; worunter er freilich neben ben Nicänifchen bie der erften Ephefinifhen Synode verftand. Wer mindere oder mehre, der ſoll ercommunizirt fein. Dioskur war fi) alfo und nach dem Frühern nicht mit Unrecht bewußt, daß er feinen andern Glauben wolle, als den des Eyrill, und einer Neuerung gar nicht be dürfe, fonbern nur ber allgemeinen Anerfennung des Sinnes, in — — — — — 2) Mansi Tom. VL conc. chalo. actio prima, ©. 590. Concil von Chalcebon. 119 weichem bie erſte ephefinifche Synode den Neftorius abgefekt Datte. Da Dioskur bei biefem Standpunkt beharrte, fo war damit bie Lage mißlich; Autoritäten flanden gegen Autoritäten, eine Entfheidung war ein Bruch, ja war unmöglich, wenn es nicht gelang, wie Cyrill zu Epheſus getban, die dogmatifche Frage auf Das Gebiet des Perfünlihen und Formalen hinüber zufpielen, dadurch die Gegenpartei in ihrem Haupte niederzu⸗ werfen und dam nad) ſolchem tonangebenden Sieg über bie Pers fon zum Dogmatifchen zurüdzufehren und feine entmuthigte Partei au zum Weichen in feiner Sache zu bringen. Das Concil nahm vor Allen die Aften beider ephefinifchen Synoden, fowie der Synode Fla vians zu Eonflantinspel vor, um bie firchliche Geſetzmäßigkeit des Verfahrens in Betreff bes von Diosfur abgefegten Flavian und wieder eingefebten Eutych es zu prüfen. °°) Erſt als in der erften Aktion Dios kurs Verfahren unter fucht und er der Abfegung würdig erfannt war, trat man bem bogmatifchen Streitpunfte näher. °') In biefer Beziehung iſt nun mehr merfwürbig als erfreulich Die verfchiedene Art, wie bie Aus törität derſelben Väter einerfeits in Epheſus fowohl 431 ats 449 benügt war, und anbererfeits zu Conftantinopel und Chalcebon bemügt wurde. Die vornehmften Kirchenväter figuriven zum Theil in den Citaten der entgegengeſetzten Synoden, namentlich auch Biſchöfe von Rom. Für die Eyrillifche Lehre wird auf der erften ephefinifchen Synode, auf bie ſich bie zweite im Dogmatifchen fügen will, 9) angeführt das Zeugniß des Petrus von Aleran- brien, bed Athanaſius, der römifchen Bifchöfe Julius und Felix, des Theophilus von Alerandrien, bes Cyprian, Ambrofiug, Gregorius von Naztanz, ®°) welde theils das Heoroxos ausfprehen, wie Gregorius und Athanafiug, >, Diefem Umſtande haben wir die Aufbewahrung der Alten der drei genannten früheren Concile, wenigſtens nach einem großen Theile zu danken. Sie wurden den Alten des Ehalcenonenfe einverleibt. 3N Mansi Tom VI. actio II. ©. 937 ff. 37) Mansi VL 8867. 39, Mansi VI 876--886. 120 Zweite Periode. Erfie Epoche. Abſchnitt L Kay. 3, theils gegen eine Zweiheit von Söhnen ſich erflären, theils lehren, daß Ehriftus nichts Anderes ald das fleifchgemordene Wort fei, oder daß von Einer, aber fleifchgeworbenen Natur bes Wortes Gottes zu reden ſei; Gott habe, nah Baſilius, durch fein Fleiſch unleidentlich gelitten. Aehnliche Stellen werden dann auch noch von Attikus in Conftantinopel und Amphilochius in Iconium angeführt. Als ber Hauptendzweck ber Menfchwerbung wirb überall das Leiden hervorgehoben, das zwar nicht Das Weſen ber Gottheit traf, bie vielmehr in ihrer Unverleglichfeit blieb, aber das die Gottheit durch das Fleiſch als eigenes übernahm. Kurz, Dioskur fügt auf dem zweiten ephefinifchen Eoneil: wir benfen über die Gegenwart Chrifti im Fleifch wie Ath anaſius, Eyrill, Gregorius und alle orthodoxen Bifchöfe. Das conftantinopolitanifche Concil dagegen hatte ſich auf einen Brief Eyrills an Neſtorius °°) berufen, worin biefer fagte: „Menſchwerdung ift nicht Verwandlung des Logos in Fleifh, noch in einen ganzen Menfchen aus Seele und Leib, fondern Menfch ift er dadurch, daß er ein von vernünftiger Seele befeeltes Fleiſch mit ſich bypoftatifh einigte (Erwoas eavrs nad vrooraonr) und fo hieß er Menſchenſohn, nicht blos feines Wil- lens halber ober nad feinem Wohlgefallen, auch nit blos in. Annahme einer (menfchlichen) Perfon. Verſchieden zwar find die zur wahren Einheit zufammengebrachten Naturen, aber Ein Chriſtus und Sohn ift aus beiden geworden. Nicht als ob ber Einheit wegen ber Unterfchied der Naturen aufgehoben wäre, fonbern fo, daß fie buch das geheimnißvolle Zufammentreffen in eine Einheit und den Einen Herrn und Chriftus zu Stande gebracht haben.“ Weiter wird dann auf den früher befprochenen Brief Cyrills an Johannes v. Antiochien Bezug genommen, ber freilid den Antiochenern buch die Annahme des antiochenifchen Symbols günftig war, dieſein aber eine Deutung gibt, mit der auch Eutyches konnte zufrieden fein. Bon andern Stellen Cyrills Dagegen, bie doch erft feinen eigentlichen Lehrbegriff enthalten, bie nix gung Aoyov osoapxmusrn, bie Yuan Erwor, ſchwieg %) Mansi VL 661. Eoncil von Chalcebon. 121 bie conflantinopolitanifche Synode. Und eine ganz ähnliche Willkür der Harmoniftif üben dann die Väter zu Chalcedon, — fie fuchen das Gegentheilige bei Cyrill u. f. w. durch Schweigen zu bes graben. Aus biefem Grabe konnte auch der Nothſchrei es nicht erweden, ben Dioskurs ob einer folhen Geſtalt Cyrills mit Recht verwunderter Anhang ausftieß: Dios kur vielmehr babe den Glauben des Eyrill! Doc wären. die ägyptiſchen Bifchöfe fchwerlich zu bewegen gewefen, den Cyrill der Chalce⸗ bonenfer, der einem Antiochener gar zu Ähnlich geworben war, als den ächten gelten zu laſſen, wenn nicht Das ſchon weit vor⸗ gefehrüitene Verfahren gegen Diosfur und die am Tage liegende bogmatifche Richtung bes Faiferlichen Hofes ergänzt hätte, was den biftorifchen Gründen ber Gegner an überzeugender Kraft abs gieng. Es wurden zu Chalcebon bie erwähnten beiden Briefe bes Cyrill vorgelefen; barauf ber des Leo an Flavian, ſodann eine Reihe von Stellen aus Hilarius, Gregorius v. Nas zianz, Ambrofius und Chryſoſtomus ımb einige weitere von Cyrill. Hierauf riefen die Bilchöfe in Beziehung auf Leos Brief: „dag iſt der Glaube der Väter, das ift ber Glaube der Apoftel; Petrus hat durch Leo gefprochen, Leo und Eyrilt haben gleich gelehrt! dem Cyrill ewiges Gedächtniß, Anathema dem, der nit fo glaubt! — Warım ift das nicht fo in Ephefus gelefen worden? das hat ung Dioskur verborgen!“ Als ob nicht auch jegt Das Entgegengefeßte verborgen gehalten wäre, ja die eigentliche Lehre Cyrills, wie bie ägyptiſche Partei bei ihrer genauen Belanntichaft mit Eyrills Schriften wohl wiffen mußte. °°) Auf folche Weife gewann ber ohne Zweifel von politifchen Motiven eingegebene Wunfch des Kaiferd neue Ausſicht auf Er füllung. Während mit Leo ein großer Theil der Berfammlung Anfangs für gerathen hielt, daß eigentliche Dogmatifche Verhand⸗ lungen gar nicht auzulaflen feien und ein neues weiteres Symbol 35, Aber freilich fand man hier fhon am Ende der actio DI. Tom. VI, 971 ff., wo diefe Partei, ftatt des Gefchreies im Anfang, für gut fand, zu rufen: „wir haben alle gefünpigt, Allen Verzeihung! Bir bitten, erbarmet Eu Aller!“ (S. 975.) 122 Zweite Periode. Erfie Epoche. Abichnitt I. Kap. 8. nicht aufgeftellt werden foll, bielt Marcian ben Wunfch feft, bag bie zwei großen, mächtigen Kirchenparteien womöglich burch eine Friebensformel vereinigt werden möchten, unb biefem Wunfch zeigten fich jebt Viele geneigt. Nach Dioskurs perfünlicher, ſchreckender Niederlage und nach Vorlefung ber genannten Citate fonnten jet die anweſenden Faiferlichen Behörden fragen: „wer ift nach dem allem noch im Zweifel?“ worauf bie Bifchöfe riefen: „Keiner zweifelt !« Attikus v. Nitopolis bat jedoch um einige Tage Auffchub, damit in ruhigem Nachdenken und Stille bag, was Gott und den heiligen Vätern gefalle, formulirt werbe (zvzodn). Denn zwar Leos Brief fei gelefen, aber es müſſe auch der Brief Eyrills an Neftorius, in welchem er von biefem bie Zuftimmung zu ben zwölf Kapiteln verlange, mitges tbeilt werden, damit bie Bifchöfe für die Zeit der Verhandlung gerüftet feien. Andere riefen nun: „wir fordern auch eine Durchs forihung ber Bäter!“ So wandte fih das Schiff ber kaum vermiedenen Klippe aufs Neue zu. Die Faiferlichen Richter und Senatoren fanden die Ausfunft, daß fie fünftägigen Aufichub bewilligten, während welcher Zeit aber die Bifchöfe unter ein⸗ ander über den Glauben bei dem Patriarchen von Conſtantinopel berathen und über ihre Zweifel ſich belehren laffen möchten. Die Bifchöfe, wahrfcheinlich die Drientalen, riefen: „wir glauben, wie Leo, von ung zweifelt Keiner, wir haben auch ſchon (Keos Brief) unterfchrieben.“ Aber die Staatsbe⸗ börben ermieberten, es fei. zwar nicht nöthig, daß Alle zuſam⸗ menfommen, aber angemeflen, daß bie Zweifelnden überzeugt werben, und zu dem Ende möge Anatolius aus Denen, bie fhon unterzeichnet haben, ſich Männer auswählen, bie zur Belehrung geeignet feien. Für bie Agyptifche Partei war bie ſes verftänblich genug. Statt einer Verhandlung, bei der ihnen baffelbe Recht wie der Gegenpartei zuftehen mußte, war ihmen kaiſerlicher Seits nur die Erwartung angedeutet, daß fie von Leos Lehre fih durch Anatolius u. A. werben Überzeugen laſſen. Die ägyptifche Partei rief nun: „wir bitten für die Väter, ber Synode ihre Väter!“ Aber ald bie Gegenpartei rief: „ber Synode bie, welche mit Leo zufammenftimmen, in’s Exil mit Conecil von Ehalcebon. 123 Dioskur, wer mit ihm Gemeinfchaft hat, ift ein Jude,“ da baten bie ägyptiſchen und illyriſchen Bifchöfe um Gnade für ihre Yerfon und bie des Diosfur. 6) Keineswegs jedoch waren fie überzeugt worben, noch ‚gebachten fie ſich gefangen zu geben. Auf diefen Privatverhandlungen nun ligt ein gewifles Duns fe. Denn was zunächſt geſchah, läßt fi wohl nur durch eine plößliche andere Schwenkung fowohl Seitens des Kaiſers, als des Anatolius erklären. Die ägyptiſche Partei erwies fich weit bartnädiger und gefährlicher ald der Kaifer gebucht haben mochte; der trotzige Barſumas war wieder da, ber an Klas vians Mord ſich betbeiligt; Eutyches fehürte, ein Heer von Mönchen war wie ein Bienenfhwarm aufgeregt und drohte in dreiftiem Ton den Bifchöfen mit Excommunication; Dioskurs Abfegung erkannten fie nicht an, und biefer ertheilte ihnen feine Rathſchläge. Sie wandten fi) an den Kaifer mit Bitten, und biefer wünfchte um fo mehr eine fchonende Behandlung, als bie wenigen noch anweſenden ägyptifchen Bifchöfe fich bereits von ber Synode zurüdzogen und erflärten, daß fie in ber Heimath bie allgemeinfte Entrüftung über das Concil und einen ſichern Tod als Theilnehmer daran zu erwarten haben. Kurz, bad mono: phyfitifche Gewitter, das bald genug ausbrechen follte, ſandte fhon feinen erſten drohenden Strahl noch nad Chalcebon hin. Dazu fam, daß der Kaiſer in feiner Metropole, dem neuen Rom, das Patriarchat des zweiten Ranges haben wollte, was nur auf Koften Merandriend möglich war, was nicht bios ihn, fondern auch den Patr. Anatolius zu anberweitiger Nachgiebigfeit ftim- men mochte, beide um fo mehr, als das verdiente, aber etwas flarf geltend gemachte Uebergewicht Leos brüdend wurde. Endlich iſt nicht zu vergeflen, baß Anatoliug früher in Dioskurs Dienft geftanden, alfo wahrſcheinlich deſſen dogmatiſchen Stand» punkt getheilt hatte. Demgemäß fcheint folgender Plan entworfen worden zu fein. Die Anerfennung von Leos Schreiben Tieß man ungehindert ihren Fortgang haben (ja man bearbeitete noch die ägyptifche Partei zu deſſen Gunften), denn das war an fich, wie um ber Orientalen und e e os willen nicht mehr zu ändern. se) Mansi VI. 978 ff 124 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt I. Kap. 8. Aber dafür verfolgte man nun den Gedanken eines beſonderen neuen Symbole , in welchem Die ägyptifche Dogmatik gefchont wers den follte. Da natürlich das Symbol der Synobe felbft mehr praftifche Bedeutung erlangen und ale Norm ber Snterpretation einer gutgeheißenen Schrift gelten mußte, fo war, wenn bie Durdh= fegung eines folhen Symbols gelang, Leo s Brief möglihft un- ſchädlich gemacht, war bie ägyptiſche Partei vielleicht zu beſchwich⸗ tigen. Zu dem Ende wurde eine zmweibeutige Formel in ber Stille — wie es ſcheint ohne Borwiffen der Abgefandten Leo 8 — gefertigt, und der Synode unmittelbar nach der Aclio IV, wo Leos Brief von den Biſchöfen im Concil angenommen , jes bermann alfo auf der oriental. Seite ficher gemacht war, mitge⸗ theilt, zunächſt einem erweiterten Kreis von Bifchöfen, der einen fehr großen Theil umfaßt haben muß. Hier fand fie allge meinen Beifall.” Aber fei es, daß fich die vömifchen Abgeſandten erft fpäter befannen, fei es daß fie nie dafür gewefen waren: als das Symbol vor die Synode felhft gebracht wurde, fo fand es lauten Widerſpruch von Seiten ber Orientalen, denen bie Römer zuftimmten, 37) während bie Agyptifche Partei es mit Beifall begrüßte. °°) Leider ift dieſes erſte Symbol ung nicht 2) Johannes von Germanicia gab dem Zweifel Anperer mit ben Worten Ausprud (Tom. VII, 100) oun dxa xalug 6 ögos, mal opsller nalac yerdodaı. 2) Anatolius frug die Synode, ob vie Formel ihren Beifall habe, worauf alle Bifhöfe mit Ausnahme der Römer und einiger Oriens talen es bejahten: „Das tft der. Glaube ver Bäter, wer anders denkt, iſt ein Häretifer und fei verflucht, hinaus mit den Neſto⸗ tianern! Die ganze Welt hat ven wahren Glauben, geflern ges Rel die Formel Allen, man kann kaum ſehen, welche es find (pie nicht zuftimmen).“ Andere aber riefen: „Der Glaube möge nicht betrüglich behandelt werden (qj niorıs döAp un nad;).“ Die Erſten riefen wieder: „Die Formel hat Gott gefallen, fie hat geftern Allen gefallen, der Kaifer iſt orthobor, die Katferin auch, fie hat den Neſtorius abgefebt. Die Staatsbehörben find orthobor, bie Formel, bitten wir, möge unterfchrieben werden bei den heil. Evangelien, fie hat Allen gefallen, befehlt ihre Unterfhrift! Wer fie nicht unterfhreibt, iſt ein Häretifer, ver heil. Geiſt hat fie eingegeben, werft die Häretifer hinaus! Hinaus mit den Neſto⸗ Concil von Chalcedon. 125 aufbewahrt, es muß aber die Formel enthalten haben, daß Chriſtus aus zwei Naturen beſtehe; was bie monophyſitiſche Partei ſich wohl ameignen fonnte, weil fie in abstracto zugab, daß Chriſtus and zwei Naturen Eine geworden fei, und nur das verwarf, was biefed Symbol nicht muß enthalten haben, daß auch nad) der unio noch zwei unterfchiedene Naturen in Chrifto feien; oder daß Ehriftus in einer Zweiheit von Naturen fein Beftehen babe. Da ſonach diß Symbol ‚Feine Eintracht fhuf, und Leos Abges fandte mit Abreife broheten, wenn man von beffen Brief abgehe, fo wurde bie Faiferliche Geneigtheit, ber hartnädigen ägpptiſchen Partei Zugeftändniffe zu machen, wieber paralyfirt und der ganze Zwoifchenfall hatte nur dazu gedient, die fchmähliche Abhängigfeit der Synode von bem faiferlichen Machtwillen, die Macht der In⸗ trigue in ihr, vornemlich aber auch das an's Licht zu ftellen, daß bie Mehrzahl diefer Männer auf derſelben Synode zwei entges gengeſetzten Symbolen die Zuftiimmung zu geben im Stande war. Der Raifer flellte nemlich jetzt die Aufforderung, ein zweites rianern !“ Die Staatsbehörden fagten: „Dioskur hat ben Flavian abgeſetzt, weil er zwei Naturen Iehrie, die Formel aber enthält &x övo» güosor“ (vd. h. Dioskturs Lehre fei nicht begünftigt, Flavians Partei könne zufrieden fein; Dioskur fei ja und bleibe abgefegt),. Anatolius, um den Schein zu jerfireuen, als ob die Synode mit Dioskurs Abfegung auch Di oskurs Lehre verdammt hätte, erinnerte: wegen des Glau⸗ bens fei Dioskur nicht abgefebt, d. h. alfe, der Glaubenspuntt fei noch res_integre, und um die Römer zu begütigen, feßt er hinzu: er ift abgefeßt, weil er den Leo excommunicirte, und, dreimal berufen, nicht erfhien. Die kaiſerlichen Behörden ſuchten dem Streiten ein Ende zu machen, indem fie vorfchlugen, aus dem angenommenen Brief Leo 3 das Betreffende der Formel beis zufügen. Aber die Bifchöfe, unter ihnen jetzt auch Euſebius von Dorylaum riefen:. „Man macht Feine andere Formel, ver Formel fehlt nichts ; die Formel erkennt ven Brief Leo san, man unterfchreibe fie, fie enthalt Alles! Leo hat gefagt, was Eyrilt, Cöſleſtin Hat es beflätigt, Sixtus hat es beflätigt!“ Aber der Ruf wieverholte fih: „Thut den Trug der Formel hinweg!“ Run erflärten die Behörden: „Diele Rufe follen dem Kaiſer hin: terbracht werben !“ 126 3weite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt L Kap. 8. anderes Symbol zu entwerfen.2) Eine Conmiſſion aus Ver⸗ tretern der verſchiedenen Parteien verhandelte über eine ſolche und brachte „das chalcedonenſiſche Symbol“ vor bie Synode, die es nun mın ohnr weiteren Widerfpruch annahm und unterfchrieb. Zu ber = Die Die Behörden erfhienen nach den Borgängen (Anm. 38) wieder mit dem Taiferlicden Befehl: entwerer, wie ihnen fchon früher vors gefchlagen war, eine Eommilfion aus ſechs orientalifchen, drei ‚pontifhen, drei Heinafiatifchen, drei thrazifchen und brei illyri⸗ fihen Bifchöfen unter dem Borfig des Anatoliug und der Ro mer, behufs der Bildung einer andern tadellofen Formel zu bils den, damit nichts ampbibolifches übrig bleibe; oder, wenn das nicht gefalle, fol jeder einzelne burd feinen Metropoliten feinen Glauben fund thun, aber fo, daß wiederum feine Zweideutigkeit und Zwiefpaltigfeit übrig bleibe Wenn fie aber auch das nicht wollen, fo follen fie willen, daß die Synode im Abendlande Statt haben werde. Die Einen riefen nun wieder: „Die Formel fol bleiben oder fie werden abreifen ;“ Cecropius von Sebaftopolis verlangte, die Formel foll vorgelefen werben, und die fie nicht annehmen, noch unterfchreiben, die follen die Synode verlaflen. Die Formel ſei gut und werde von den Seinigen angenommen. Die iliprifchen Bifchöfe riefen: „Die Gegner verfelben mögen aufs treten ; fie feien Neftorianer, die Gegner mögen nach Rom gehen!“ Die Gegner feinen hiezu fill gefchwiegen zu haben. Aus all dem iſt erfihtlih, wie groß die Zahl Derer muß geweſen fein, welche diefer dem Di os kur günfligen erfien Formel (deren Uns tergang ſchwerlich nur zufällig if) zuerfi zuſtimmten, aber aud was von biefer Mehrzahl der Synode zu halten ift, die nachher wieder eine entgegengefeßte Richtung einfchlug und erfi auf jene Tatferlihe Drohung hin, die auch dogmatifch ein hinreichend deut⸗ licher Fingerzeig war, die erſte Formel fallen zu Taffen fih beftim- men ließ. Jene Drohung, im Abendland die Sache zur Ent ſcheidung zu bringen, war um fo wirffamer, da in der griechifchen Kirche wohl Wenige waren, die eine Verlegung der Synode nad dem Welten nicht als eine große Schmach und Gefahr für den Drient empfunden hätten. Die Staatsbehörben ihrerfeits, feit fle aus der Erflärung der Abgefandten Leos gefehen hatten, daß eine Formel der erfien Art auf Teinen Kal Roms Beifall finden, fondern nur den Orient und Decivent fpalten würde, fiellten jeßt den status controversiae nicht wie zuvor verhüllt, ſondern entichie- den Leo beitretend fo dar, wie er war. Hatten fie vorher gefagt, Dioskur verwerfe die zwei Naturen, die Formel aber habe fie, nemlich zo ex rar vor puosar, ſo fagten fie jebt, das ex dvar Concil von Chalcedon. 127 folgenden Sitzung erſchien der Kaiſer Marcian ſelbſt, erklärte feinen Willen, daß alle feine Bölfer denſelben Glauben haben, befannte, daß Eonftantin fein kirchliches Vorbild fei und verfprach dafür zu forgen, „baß die Lehrbefiimmungen der Synode überall zur Autorität gelangen und ber Segen, ber aus ihrer Arbeit her: vorgegangen fei, der Kirche erhalten werde.“ Die chalcebonens ſiſchen Schlüffe wurben in feiner Gegenwart feierlich vorgelefen. Unterzeichnet waren fie ſchon in der porberigen Sigung. Der Kaifer fragte noch, ob auch Alle der Formel, wie fie jeßt vors gelefen fei, zuftimmen? Sie riefen: „fo glauben wir Alle, Ein Sinn, Eine Meinung! Das ift der Glaube ber Väter, ber Apoſtel, diefer Glaube hat den Weltfreis gerettet! Heil Marcian, bem neuen Sonftantin, bem neuen Paulus, dem neuen David!“ Auch die Kaiferin wurde ald neue Helena nicht vers geſſen, beide als Leuchten der Orthodoxie gepriefen, und der gan⸗ zen Welt Friede verheigen. — Am würdigſten benahm fi) ber Kaifer: „zunäcft danfe er Gott, obwohl er ihnen viel Mühe gemacht; aber er ermahme fie zum Gebet, damit allenthalben von Gott Friede gefihenft werde. Wer gegen bie nun gefaßten Bes fhlüffe Unruhen oder Bewegungen veranlaffe, dem ſei hiermit Strafe angefündigt.“ | Was nun die halcebonenfifchen Befchlüffe felbft betrifft, fo wies berholen fie Das Niränifche und das Conftantinopolitanifche Symbol gvoear erfläre auch Dioskur anzunehmen, aber nicht die Svo Sices in Chriſtus, das Lebtere aber Ichre Leo. Wem fie nun folgen wollen, dem Leo oder dem Diostur? Und als nun der Ruf erfholl, wir glauben wie Leo (deſſen Brief ja ſchon unters ſchrieben war), fo kamen fie auf die Forderung zurüf, der Formel einen Zufad aus Leos Brief zu geben, etwa beizufügen: in Chriſtus feien zwei Raturen unwandelbar, ungetheilt, unvermifcht geeinigt. So war die Sache wieder auf einen Weg gebracht, auf weichem allein eine Einigung Aller noch möglih war, auf ben Beg einer Formel, welche die entfcheivenden Worte aus Leos Brief herübernehmen follte, und der fih fo Keiner, der vielen Brief unterzeichnet hatte, entziehen Tönnte. Die nun gewählte Commiffion mußte aus den angegebenen Gründen zum Boraus die möglichfte Ausfiht auf Zuftimmung zu Ihrem Werke haben. * 128 3weite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 8. v. J. 381; auch das epheſiniſche Concil wird anerkennend, aber nur im Allgemeinen, erwähnt. *%) Das nicäno⸗conſtantinopoli⸗ tanifche Eoncil wäre, heißt es, eigentlich genligend in Beziehung auf Trinität und Menfchwerbung für die, fo es treulich annehmen. Aber da von den Feinden der Wahrheit durch ihre Härefen neue Irrthümer geboren feien, indem die Einen das Geheimniß des Glaubens zu verderben wagen durch Läugnung bed Beoronoc; Andere aber eine Vermengung und Vermiſchung einführen, und Iehren, daß das Fleifh und die Gottheit Eine Natur feien, bie göttliche Natur des Sohnes leidentlih durch Vermengung, fo habe die Synode, um allen foldhen Machinationen gegen bie Wahrheit ein Ende zu machen, die von Anfang an unbewegte Lehre aus⸗ führlich mitzutheilen befchloffen, wobei fie die Spmobalfchreiben des Eyrill an Neftorius und an bie Orientalen gegen bie Irrthümer des Neftorius annehme, fo wie den Brief Leos an Flavian gegen die Eutychianiſche Härefe. Sie verwerfe gleich fehr Die, welche das Myſterium der göttlichen Defonomie in eine Dyas von Söhnen auseinander zu reißen trachten, ale Die, welche die Gottheit des Eingeborenen leidensfähig zu nennen wagen, Die, welche ben zwei Naturen eine Bermifchung ober In⸗ einandergießung zufchreiben, oder bie von und angenommene Knechtsgeftalt himmlischen oder andern Wefens (als des menfch- lichen) nennen, und weldje vor ber Einigung zwar zwei Naturen, nad ihr aber nur Eine vorfpiegeln. „Den heiligen Vätern fol- gend, lehren wir und befennen Einen und denfelben Sohn, unfern Herrn Jeſus Chriſtus, derfelbe vollfommen in der Gottheit, und berfelbe vollfommen in ber Menſchheit, wahrhaft Gott und wahr: haft Menſch, derfelbe aus vernünftiger Seele und Leib beftehend, ift mwefenggleih dem Vater nach ber Gottheit, und wefensgleich berfelbe uns nad, der Menfchheit; in Allem uns gleich, ohne die Sünde. Bor Aeonen aus dem Bater geboren nad) ber Gottheit, in den legten Tagen unferes Heiles wegen berfelbe geboren aus Maria der Jungfrau, der Gottesgebärerin, nad) der Menſch⸗ heit; Einen und denfelben Chriftus, Sohn, Herrn, Eingeborenen 60) Mansi VII, 109. Das halcenonenfifche Symbol. 129 (befennen wir), in zwei Naturen (al. aus zwei Naturen) unver: mifcht, unverwandelt, ungetrennt erfannt, fo baß nirgends ber Unterfchieb der Naturen aufgehoben iſt Durch bie Einigung, fon- bern vielmehr bie Eigenthümlichkeit jeder von beiden bewahrt wird und in Eine Perfon und Eine Hypoſtaſe zufammenläuft; *') — — — — — #1) GnoAoysiv sndıdaoxoper Eva nal töy avrov viov row K. àu. I. X. zöleıoy, 109 auıöv 89 Heorytı, nal tölsıoy, Tov avröv 87 ardgond- Tr — 0000007 TE Narpl xara ıy7 Geörrra, xal Öponvcıoy 109 abroy nulv xora 179 ardgenöryta, xark Navra Ouorov Yun xapis apapsiag — En Map. Tas Napdivon, züc Beordxov — Öva . nal Töv avıor xamrov — dx dvov guosor (al. dv dVo g@uoecı») douyxoroc, arpäntıog, adupstag, axapiorug yragıldusvor oddanon Tas 109 HPloswr dlapopäs argenuörns dia 177 Evacır, oalouesvns 88 u@Alov Täs idicınrog dnarigag wucens, nal sig Ev npdommeoy xal niar UROCLAaOIy aurıgeyovons, our als dvo nodsaona nepıldkevos 7 Sumpodusror, all ära zul tor avsör viov, ote. Daß gerade die griechifche Recenfion das ex dvor yvosov hat, das (f. o.) auch Dios kur annahm, die römifche aber in duabus naturis, {ft aller: dings nad der Gefchichte der Formel wohl nicht zufällig. Denn bei der erſten verworfenen Formel war die ganze Frage auf bie Spitze des Er oder &x gebradht. Das Letztere verwarfen ja be ſonders die Römer. Auch das ift richtig, daB das en Sum» Ypvosay zu dem Berbum yrogılanerov beffer paßt, als ev, was für bie AcchtHeit des ex fpricht, durch welches vielleicht dem monopppyfitis ſchen Ohre noch wollte gefchmeichelt werben. Aber, was den wirt lichen Gedanken betrifft, fo tft} nicht blos Durch das Wort yragı- Iduevov (Er 8. 9.) der Monophpfitismus ausgeſchloſſen, ſondern auch durch eine Reihe anderer Beflimmungen des Symbols. Wenn Chriſtus erfannt ober kenntlich wird aus den zwei Naturen, fo müſſen fie wohl auch in ihm zufammenfein. Denn an die Na: turen in abstracto fann doch bier nicht wohl gedacht werden. Aber auch von der Iateinifchen Formel muß man fagen, daß fie fo wenig eine Berfälfhung durch ihr in enthält, als die chalces donenſiſche Durch ihr ex enthalten Tann. Denn wie bag eu noth⸗ wendig war um des yrogılousvor willen, fo war das in noth⸗ wendig um bes agnoscendum willen, das mit dem yragılönsvor nicht identifch if. Die Tateinifche Formel hat: „Chriftus tft als Sopn in zwei Naturen anzuerkennen ‚“ die griechifhe: „Chriſtus ift aus zwei Raturen als Sohn zu erfennen,“ was offenbar wefentlich derfelbe Gedanke if. Die Iateinifche Formel iſt nur eine freie, Dorner, Shriftologie. IL ?te Aufl. 9 130 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Rap. 8. nicht Einen in zwei Perfonen Gefpaltenen ober Gefchiedenen, fon- bern Einen und benfelben Sohn und Eingeborenen, den, ber Gott Aoyog und ber Herr Jeſus Ehriftus if. Und ba bie heilige Synode nach allen Seiten mit aller ©enauigfeit und Sorgfalt folches formulirt hat, fo beichließt fie, daß es nicht erlaubt fei, einen andern Glauben vorzutragen, zu ſchreiben oder zu benfen, und Andere zu lehren. Wer da wagt dem zumwiber zu banbeln, fol‘, wenn er. Ceriker ift, abgelegt, wenn Laie, ercommuniecirt werben.“ Wir haben nicht perſchwiegen, wie viel Unreines in bie Be wegungen und Kämpfe zwiſchen bem erften conftantinopolitani- ſchen und chalcedonenfifchen Concil ſich eingemifcht hat. Es fehlt dem Lesteren, troß feiner 630 Bifchöfe, fehr Vieles, um cano⸗ nifche Autorität beanfpruchen zu können. Die Väter biefes, Con⸗ cils zeigen weder die Eintracht einer vom heil. Geifte befeelten Berfammlung , noch jene über Schwankungen und Ineonfequenzen binausgehobene Sicherheit des Urtheils, oder jene Tapferfeit in Bertretung einer gewonnenen Ueberzeugung, wie fie ba möglich it, wo aus langen innerlich vermittelten Gegenſätzen ſich eine lichte und Hare Gemeinüberzeugung gebildet hat. Wo dieſes ge⸗ ſchehen ift, da findet fich fr die abgeflärte und gereifte Erkennt⸗ niß auch rechtzeitig leicht der gemeinfame Ausdruck, in welchem alle Gläubigen ſich erfennen, den fie dann mit Recht in hohen Ehren halten und als einen feften, wohlgearbeiteten weiteren Stein dem wachlenden Bau ber firchlihen Erkenniniß einfügen. Aber die Entſcheidung zu Chalcedon war eine verfrühte, ber Ungeduld des Verlangens nad) abſoluter Gleichförmigkeit des kirch⸗ lichen Belenntniffes, die wir in ben erften chriftlichen Jahrhun⸗ berten nicht finden, entfloffen; fie nöthigte ganze Landeskirchen bie von der Richtigkeit ihrer Schlüffe fih noch micht- innerlich hatten überzeugen fönnen, entweder zu blinder Unterwerfung oder zum Verluſte ber Tirchlichen Gemeinfchaft, der fie in ſich ſelbſt zurückwerfen und ber beilfamen Einwirkung ber übrigen Kirche aber wefentlich treue Meberfeßung , deren Färbung nur nor etwas befiimmter zu dem Beftehen Chriſti in zwei Raturen hinneigt; baher allerdings dem römiſchen Lehriypus noch mundgerechter iſt. Ueber das chalcenonenfifhe Symbol. 131 anf fie verfchließen mußte. Nicht minder aber entzog ſich dadurch die Kirche fo viel an ihr war die Mitwirkung eines Factors deſſen fie noch fehr bedurfte, wenn der chriſtologiſche Proceß nicht ins Stocken fommen follte. Jedoch if das nur bie eine, die empirische Seite der Sache. Forbert Schon eine wiſſenſchaftliche Betrachtung ber Geſchichte überhaupt mit Recht, daß über den menfchlichen Schwächen, Schwanfungen und Leidenfchaften, bie fi) endlos durchkreuzen und von benen Feine Das ganze Recht auf ihrer Seite bat, eine höhere Bernunft übergreifend walte, - und fühlt fie fich beſonders an abfchließenden Grenzmarfen einer alten Zeit, welche für eine lange Zeit nachwirfen, zu ber Erwartung gedrängt, daß darin ein nennenswerther Kortichritt, wenn auch vielleicht zunächft nicht in tabelfreier Weiſe gemacht fei: fo ziemt es auch ber dhrift- lichen Wifienfchaft, daß fie einen auf fo lange Zeit entſcheidungs⸗ vollen Akt wie die chalcedonenſiſchen Schlüfle nicht. etwa bios in bem Lichte ihrer empirifchen Entſtehung betrachte und abſchätze, bei der freilich des Ungöttlichen genug in Gedanken und Thaten vorkam, fondern auch defien eingebenf bleibe, daß in Gottes Reich auch menfchliche Unreinigfeit das Fortichreiten bes Werkes nicht hindern kann. Sie hat alfo ohne Boreingenommenheit noch bie Frage zu erwägen, ob denn in Chalcebon nicht doch auch etwas für die Entwidlung ber Chriſtologie Heilſames gefchehen fei? Betrachtet man von dieſem Gefichtspunfte aus Die Schlüfle yon Chalcedon, jo erfennt man, daß erftend ihre Beſtimmungen zum Theil ächt chriftologifch find, zweitens daß fie dem Mono⸗ phyſitismus gegenüber der bei einer unvermittelten Einheit ſtehen bleiben will eine wifjenichaftfiche und religiöfe Berechtigung haben, wie wenig Befriedigendes oder Abfchließendes auch die neuen po⸗ fitiven Säge des Concils enthalten mögen. Erftend. Es ift zwar unläugbar, daß auf den Coneilien zu Epheſus und zu Ehalcedon dem Neftorius und Eutyches faftifch Unrecht gefhehen if. Sie haben das nicht gelehrt, was biefe Synoden fie lehren laſſen, Confequenzen, die ihnen gezogen wurden, find wie Lehrfäge von ihnen behandelt. Es ift nicht erwiefen, baß dem Eutyches bie göttliche Natur Teidentlich ges 9 % 132 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 3. worden war in Chriſto, oder bie menfchliche in Die göttliche auf⸗ gelöst, und doch wird ihm biefes Beides, das ſich obenein übel mit einander verträgt, im Chalcebonenfe vorgeworfen. Es ifl erwiefen, daß Neftorius zwei Perfonen in Chriftus nicht ge wollt bat. Aber wenn bie Synode auch hierin im Unrecht ift, fo ift deßhalb doch nicht unrecht die Entfcheibung, daß bie zwei Theorien, die fortan aus einer biftorifchen Bedeutung in eine bogmatifche verfegt werben, ber Neftorianismus und Eutychianis⸗ mus zum Voraus ald die Grenzfteine aufgeftellt werben, welche bie Firchliche Fahrt, Die Mitte zwifchen beiden haltend, zu ver meiden habe. Syn biefer Beziehung bringt dag Symb. chalc. in firchlicher Form die Erflärung zu Stande, daß eine Lehre von Ehrifti Perfon auf chriftlichen Namen nicht mehr könne Anfpruch machen, wenn fie flatt zum Menſchgewordenen Sohn Gottes zu einem boppelten Chriftus komme, ober zu einer bloßen Verwand⸗ Yung Gottes in einen Menfchen, ober umgefehrt eines Menfchen in Gott. Denn das Erftere läßt es zu einem Proceſſe der Menſchwerdung Gottes und ber Gottwerbung eines ‘Menfchen gar nicht Eommen; vielmehr beide bleiben wefentlich, wie in ber vorchriftlichen Zeit, ewig auseinanberflehen. - Das eutych. Gegenftüd aber befchleunigt ben Proceß zu einer phyſiſchen Rapidität, fo daß entweder das göttliche Wefen in menfchliches verwandelt, aufhört und in Chriftus ebionitifch nur der Menfch übrig bleibt, oder fo, daß die erfte. Berührung bes Göttlichen mit dem Menfchlihen das Lettere in’d Göttliche verwandelt. Bon einer wahrhaften Menfchwerbung Gottes aber Tann auch in beiden letzteren Fällen nicht die Rede fein. Der Dofetismus und ber Ehionitismus Lost völlig gleich die chriftfihe Grund: . thatfache auf, die eine perennirende fein muß; und es macht nur fheinbar einen Unterfchied, ob gleich yon Anfang, wie beim alten Ehionitismus und Dofetismus die Läugnung der göttlichen ober ber menſchlichen Seite Statt findet, oder ob die Aufhebung des Einen ober des Andern erſt das NRefultat des mit beiben Seiten beginnenden Proceſſes iſt. Das aroszıng , aovyyuros alſo muß son beiden Seiten Ehrifti, nemlich ihrem Wefen gelten. Zu ber Berwerfung der Doppelperfönlichkeit kommt dann noch durch bas Fortſchritt durch das chalcedonenſ. Coneil. 133 admıpsraxg, arwpiorog bie nähere Beſtimmung, daß die beiden Seiten in der einen Perfon nicht gefchieden umd zerivennt gedacht werben dürfen. In biefen freilich nur negativen Beflimmungen Iigt alfo die Forderung doch eine wirkliche Einheit beider Seiten herauszubringen, wenn gleich feine Vereinerleiung in der einen oder der andern Weife. *2) Zweitend Zwar bat ſchon die bisherige Gefchichte des Dogma eine Menge Verſuche aufzuweifen, bie beiden Seiten, wie fie nun eben jedesmal gebacht waren, in ber Einheit der Perfon zu vereinigen. Aber abgefehen bavon, daß bis ins vierte Jahrhundert herab die beiden Seiten noch unvollſtändig gedacht waren, mithin auch Die Einigung nur. eine umvollſtändige fein konnte, — wie noch im Arianismus und Apollinwismus, war, wenn man von ben Antiochenern abfteht, biefe Einheit ber Perſon Ehrifti im Gemeinglauben ber Kirche fo beichaffen, daß an einen Linterfchieb ber beiden Seiten nad) ber Unio nicht weiter gedacht wurde. Die Wahrheit beider Seiten wollte dabei nicht geläugnet werben. Aber wenn nicht alles Menſch⸗ fihe in Chriſtus auch göttlich und alles Göttliche auch menfch- ih wäre, fo fchien ihr die Menfchwerbung Gottes felbft in Ab- rede geftellt. In der That enthält auch jene große chriſtliche 2 Eine dritte Form ift bereits durch has aavyguros noch ausge: fihloffen, viefenige, welche die beiden Naturen gleihfam als Ele⸗ mente eines chemifchen Proceſſes behandelt, in deſſen Refultate zwar beide in gewiſſer Art fortbauern, (was bei der reinen Ber: wandlungslehre für die eine oder andere nicht der Fall iſt;) aber nicht. etwa blos als in einem Neuen, Dritten; (denn das hat au die Kirchenlehre, wenn fie von der aus ven zwei Naturen zufam: mengefebten (ovrdsros) Perſon Chriſti redet) fondern fo, daß die eine durch die andere alterirt, temperirt, gleichfam chemifch ge: bunden und gefättigt feir fo daß das Refultat Eine neue britte Subftanz bildet, vgl. oben S. 87 ff. kepo rius. Dapin konnte auch die monophyfitiſche (ſeverianiſche) Anficht kommen, pie fpäter oft 3. B. von dem S. Maximus, Joh. Damasc., den Scholaftilern befämpfte Meinung: Chriſtus habe Eine aus dem Göttlichen und Menfchlichen zufammengefebte Ratur, pics aurdteros, gehabt, wogegen die Kirche nur die Perfon fo nannte. J 134 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 8. Intuition die wir bie myflifche nannten und welche das feheinbar Entgegengefeßtefte, Unenblihes und Endliches bier zufammen- Schaut wie in Einem Blid, feinerlei Spur beſtimmter Unterfchei= bmg des Menfchlichen und des Göttlihen; biefe wäre ja nur möglich, wenn Jenes und Diefes wieder flir fih ohne das Andere alfo fo gedacht wäre, wie es in ber Unio eben nicht fein foll. Vielmehr dabei verweilt mit befonderer Liebe Das Auge, daß in Chriftus auch die Menfchheit Gotteöfraft gehabt, Wunder gethan babe, daß in Chriftus die Menfchheit gen Himmel erhöhet fei und zur Rechten Gottes fiße, und hinwiederum daß in ihm Gott mit und geweſen und alles Menſchliche, Geburt, Leiden, Sterben zu dem Seinigen gemacht habe. So lange man das Menfchs liche und Göttliche für fih (d. b. außerhalb der Unio) betrachte, fo bleiben die Eigenthümlichfeiten beider unvermifcht, aber durch bie Bereinigung fei Alles beiden gemeinfchaftlich. *°) Das Lep- tere ift der Kirchenlehre nothwendig und natilrlich gewefen. Denn die Erlöfung, für welche ſtets von lat. umd griech. Vätern auf jenes einheitliche Totalbild von Chriſtus das größte Gewicht ge- legt wurde, fonnte nicht befriedigend gebacht fein, wenn nicht irgend⸗ wie auch das göttliche Weſen in Chriſtus dabei betheiligt war. In diefem Intereſſe brauchten fchon Ältere Kirchenlehrer, Jrenäug, Hilarius, Athanafius, Ausdrüde aus welchen, wenn fie premirt würden, auch ein Leiden der göttlichen Natur zu folgern wäre, wenn nicht ber freilich unklare Beifab, ber feit dem vierten Jahrhundert oft gemacht wird, das göttliche Wefen habe leidenslos gelitten, beiwiefe, daß das Intereſſe blos war, auch die göttliche Natur bei dem Erlöſungswerk zu betheiligen. Ein ähnliches Intereſſe hatte, nachweislich ſchon im vierten Jahr: hundert, das Yeoraxos in den Kirchenſtyl eingeführt. Das kirch⸗ liche und praftifche Intereſſe blickt überall auf das enbliche Facit fümmert fi weniger um den Weg, der bazu führt, um bie Ber- mittlung ber verfchiebenen Faktoren, die wieder ihre Unterfchei- bung und Auseinanderhaltung voraugfegt, fondern hält ſich glau- bensfreubig an jenes große Nefultat, wie es vor ber Anfchauung ) Greg. Nyff. c- Eunom. IV, 689 ff. vgl. Münſcher IV, 87. > Die ältere Lehre von der Unio. 135 der Chriſten fleht, weil boch bas Erlöfungswerf in Einem als ein göttliches und menfchliches gewußt wird. Es ift Teicht zu zeigen, daß bie größeften Kirchenlehrer bes vierten Jahrhunderts, von früheren nicht zu reden, biefes Nefultat ber Menſchwerdung ˖ jo dachten, daß die Zweiheit der Naturen durch ben Aft der Incarnation aufgehoben worden fei. Sie unterfchieden nach der Menfchwerbung nicht mehr näher das Göttliche und Menfchliche, fondern hätten geglaubt, dadurch auf das Reſultat felhft in feiner wunderbaren Größe wieder theil- weife zu verzichten. Nah Jrenäus- Vorgang war für bie Bereinigung lange Zeit der Ausdruck „Bermifhung“ bes Göttlichen und Menſchlichen Üblih (us, xeaow, aranpao, ‚naranpaoıg), was als Refultat nicht bios eine Gleichartigfeit des Göttlichen und Menfchlichen, fondern auch ein Drittes, Neues vorausfegt. - Daß Chriſti Menfchheit in der Unio nicht fei ber unfrigen gleich gewefen, obwohl unfere DMenfchheit vom Logos angenommen und verberrlicdht ift, lehrt nicht blos Hilarius, fondern das ift auch mwefentlih in jener myſtiſchen Anfchauung von Chriſtus ald dem Haupte und in feiner Einzigkeit enthalten. Und ebenfo nehmen bie Kirchenlehrer z. B. Cyrill und Hilariug feinen Anftand zu fügen, bas göttlihe Wort habe ſich entäußert um fich für die menschliche Natur tragbar zu machen. Gregor von Nyſſa gebt fogar zu ber Berwandlung ber Menfchheit in bie Gottheit Durch Vermiſchung diefer mit jener fort, wenn er fagt, daß ber Leib welcher Iitt, mit ber göttlihen Natur vermifcht, Durch dieſe Bermifchung Daffelbe wurde, was die aſſu⸗ mirende Natur ift; 4%) oder wenn er das Bild braucht: wie ein Tropfen Effig ins Meer geſchüttet ſich darin verliert und in bie Befchaffenheit des Meeres verwandelt wird, fo ift dag Fleifch in das Meer ber unvergänglichen Gottheit übergegangen. *°) Diefes greift freilich über das. beabfichtigte Ziel hinaus, denn es iſt nicht um Aufhören des Menfchlichen, um Zurüdnahme der Menſch⸗ “, Ebendaſ. ©. 581. * Epiphanius verwirft Die ooyxvoic und gone, weil die mitileriſche Function nach zwei Seiten gerichtet dnarega verlangte; aber doch fagt au er: Gott ſei geweſen za 5Vo xspdaag sis bv. 136 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt L Kap. 3. werbung durch angeblihe Vollendung zu thun, ſondern es iſt big etwas rhetorifche Ueberfpannung für den Ausdruck ber voll: fommenften gebiegenften Einheit des Göttlichen und bes Menfch- lichen. Aber ſoviel ift erfichtlich, an eine fortbauernde Weſens⸗ verfehiedenheit des Göttlichen und Menfchlichen auch in der Unio ift dabei nicht im Geringften gedacht, im Gegentheil find bie bei⸗ ben Seiten in ber Perfon als gleichartige Größen gefegt, bie ſehr wohl zufammen gehen können um ein Neues, Drittes zu bilden. Diefe Gleichartigfeit ift fogar von Gregor v. Naz. wie wir ſahen, als ein nur quantitativer Unterfchieb beftimmt, womit freilich die Verwandlung der Menfchheit in bie Gottheit sder das Berfehwinden in ihr durch die Unio folgerichtig gleichfalls gegeben wäre. Vollends aber die Zweiheit ber Subflanzen, die Fortbauer diefer Zweiheit auch nad ber Unio und innerhalb berfelben, wird in dem Briefe der dem röm. Biſchof Julius in der erften Hälfte Sec. 4 zugefprochen wird, deſſen Aechtheit freilich angezweifelt ift — ausdrücklich befämpft; er fpricht fi) gegen die Lehre „von zwei Naturen“ aufs Stärkite aus, weil dadurch zwei Chrifti geſetzt werben, ein vollfommener Menfh und der Sohn Gottes, welche Zertrennung bie un: mittelbare Folge habe, daß Jeſus famofatenifch gedacht fei. Und obwohl die abendländifchen Väter Ambrofiug, Auguftinug, Leo bald anders lehrten: noch Coeleſtin von Nom hatte auf Seiten CHyrillg geftanden. Hatte doch felbft ein Athanafius, fo fehr er die vollftändige Menſchheit Chrifti auch gegen Apollinarig zu wahren fuchte, doch nach der Menſch⸗ werbung von Einer Subftanz, der fleifhgeworbenen Natur bes Logos (ua Oeoũ Aoyov puas verumanern) geſprochen. *%) Diefer Richtung nun und biefem Sprachgebrauch blieb befonders fletig bie alerandrinifche Dogmatif treu, und ihr fhloffen fh Die jenigen am meiften an, welche von dem wiffenfehaftlichen Unter: ſcheiden und Bermitteln nichts Gutes hofften, fondern in dem theilweifen Fortbeftehen ber Unterfchiede, wie fie abgefehen von ber Menfchwerbung vorhanden find, nur eine theilweife Läugnung —— — — *e) Vgl. Bd. I, 1078 über des Atha naſius Yvoxz Evmgız. \ Die ältere Lehre von ver Unio; ihr Recht und ifre Gefahren. 137 der Grundthatfache, eine Berflümmerung jenes großen einheit- lichen Refultates ſahen. Es ift in ihrem Widerſpruche ein reli⸗ giöſes Intereſſe im Spiel, das gibt ihm feine Hartnädigfeit und Dauer. Sie wollen fi) jenes myſtiſche Bild von der Perfon Chrifti nicht rauben noch entftelfen laſſen, fie fehen auch wiſſen⸗ fhaftlich in den Berfuchen des Gegentheild eine Oberflächlichkeit, die das Ziel ſich falfch ſteckt, die Aufgabe verkleinert um fie föfen zu können, alfo durch angebliche Löfung das große Wunder in feiner Tiefe wegläugnet. — Die Meinung, daß die Väter diefer Anficht, wenn fie gegen zwei naturas, gvossc protefliren, eigentlich nur zwei Perfonen verwerfen, ift gefchichtlich nicht haltbar. Es ift wahr, daß im Gebrauche der Worte pvaıs, Ovoie, Brootemg, 200080707, natura, essentia, substantia oder subsistentia, persona längere Zeit hindurch ein Schwanfen war, das Schwierigkeiten im Ausdruck brachte: aber es ift faft Lächerlich, den ganzen ernſten Steit nur in einen Wortftreit verwandeln zu wollen. Die unbefangene Betrachtung bes Berlaufes unferes Dogmas muß ung Überzeugen, daß wirklich vor dem Chalcedonenfe eine Zweiheit von Naturen aud innerhalb der-Unio niht Kirdhenlehre war, fo ge gewiß allerdings das allen Kirchenlehrern feftfiand, daß bie Ein: beit, was immer fie fei, aus ber Einigung zweier Naturen ge- worden ſei. Hinter den zwei auch in der vollfommenen Unio noch fortdauernden Naturen fahen fie nicht blog auch eine Zwei⸗ beit der Perfonen, fondern in dieſer ewigen Fortbauer ber zwei Subflanzen oder Naturen in ber Einen Perfon fahen fie bie Unio felbft und den Gehalt des Aktes der Menfchwerbung berabgefegt und alterirt. Man verteilte, flatt Unterfchtede auch) innerhalb der Perſon Chriſti zu firiren, bei der unmittelbaren und allerimnigfien Einheit ber entlegenften Gegenſätze die in Chriſti Perſon vollzogen ſei. Aber hiebei konnte es nicht bleiben: es mußte dieſe unmittel⸗ bare Einheit und ihr myſtiſches Totalbild der Vermittlung und den Unterſchieden ihr Recht laſſen, damit eine höhere reichere, wiſſenſchaftlich und religiös befriedigendere Einheit das endliche Reſultat würde. 138 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt L Kap. 3. Die Nothwendigkeit von jener unmittelbaren Einheit hinweg bie Richtung auf die Linterfchiebe zu nehmen, war ſchon ber antioch. Schule in ihrem Kampf gegen Apollinaris klar ges wefen, und die kirchliche Gunft die fie eine Zeit lang genoß, ver: dankte fie dem Gefühl wenn auch nicht ber Einficht von biefer Nothwendigkeit. Und Eyrills Fehler ift gefchichtlich ausge: drückt der, daß er durch bie Gefchichte feit Apollinaris nichts bat lernen wollen, fondern am ficherfien das Rechte zu treffen gemeimt bat, wenn er nur den früheren allgemeinen Stand⸗ punft behaupte und, als wäre nichts in der Mitte, reflaurire im Gegenfag gegen die Antiochener. Diefes iſt der allgemeinfte Grund, weßhalb Eyrill und Dioskur (der vollig mit ihm Eins fein will) von fpäterem Stanbpunft aus betrachtet ale Geftalten von fehr zweideutiger Orthoborie erfcheinen müſſen. Wie Bieles fih auch, wern man Eyrill im Entwidlungsgange der Kirche und ihres Dogma’s betrachtet, zu feinen Gunften ge ftaltet, es muß doch gefagt werden, daß er den Punkt, an welchem diefe Entwicklung ſtand, nicht begriffen, gegen einen bevechtigten ja nothwenbigen Schritt, ben das Dogma machen mußte, ſich in der Hauptfache erfolglos gefträubt und mit feinen Werfen einer fpäteren Zeit, bie ihn durchaus wegen des unmwiberruflichen ephe⸗ finifhen Concils im Lichte der fpätern Orthodoxie betrachten wollte, viele Mühe gemacht aber wenig heilſame Zrucht geichafft hat. Wer an Wendepunften wie ber bamalige, wo bie Kirche eine alte Bahn zu verlaflen und ein neues Gebiet des Denkens und der Sprache zu betreten bat, auf dem alten Boden nur bes harrt, der wirb von der Orthoborie überholt und der befte Glaube an das gute Recht, ja die flärfften Autoritäten der Vorzeit fönnen dann bie Zmeideutigfeit folcher zurüdgebliebenen Rechtgläus bigfeit nicht aufheben. So möchte es dem Eyrill und Dioskur ergangen fein. *”) — — .—— — — 7) Solche Beiſpiele der Dogmengeſchichte find lehrreich, ſowohl in Bes ziehung auf die Geſetze der Entwickelung auf dieſem Gebiete, als in Beziehung auf die Orthodoxie des Einzelnen. Wir lernen dar⸗ aus, dag man auch durch Orthodoxie heterodox werden fann vor Gefahren der älteren Lehre v. d. Unio. Berh. des Chalced. dazu. 139 Doc wir müſſen ung noch näher die Gründe vergegen- wärtigen, warum bie Richtung auf die Unterichiede vom fünften Jahrhundert an nothwendig, das chalcebonenfifche Concil aljo gegen den Monophyſitismus ber dieſen Schritt vermehren wollte, in feinem Rechte war. Im Allgemeinen ſchon vertritt die Kirche gegen den Mono: phpfitismus der damaligen Alerandriner unb ber Mönche bie Interefien chriftliher Wiſſenſchaft. Cyrill geftel ſich darin, das Paradorefte zufammenzuftellen, 3. B. Chriftus bat die Welt gefchaffen, Gott hat gelitten und ift doch unveränberlich ge⸗ blieben; und doch thut er fehr wenig, um biefes verftändblich zu machen, fonbern pocht nur auf die abfolute Unbegreiflichkeit des Myfteriums. Nach diefer Seite treibt er Mißbrauch mit der Ins tenfität der religiöfen Anſchauung die ihm nad) vielen tiefen Stellen feiner Werfe nicht darf abgefprochen werden, denn er fehrt fe gegen bie chriftliche Erfenntniß, was immer nur auf einen zurück⸗ bleibenden oder krankhaften Stanbpunft des chrifilichen Bewußt⸗ feins hinweist, der Daran verzweifelt mit den Mächten der Bil: bung und Wiffenfchaft gleichen Schritt zu halten. Darin waren. ihm die Orientalen, vor Allem bie Antiochener überlegen. Die chriſtliche Erkenntniß aber mußte entweber ſich zum Stillftande verurtheilen, oder auf Dasfenige ſich richten, wogegen ſich die aler. Parthei aus allen Kräften ſträubte, nemlich jene unmittelbare Einheit der Perfon Chrifli wie fie vor dem Auge des Glaubens ftebt, in Gedanken zu analyfiren, um darauf bie fonthetifche Ver: mittfung vorzunehmen. Das Chalcedonenfe macht fo wenig bie abfolute Linbegreiflichfeit diefer Lehre zum Dogma, daß es viel: mehr durch die Stellung ber Aufgabe, wie fie von ihm auegeht, zu Löſungsverſuchen einladet. dem Richterſtuhle der Geſchichte. Wer eine beſtimmte Denkweiſe, die von dem raſtlos ſich entwickelnden Geiſt der Kirche nur ver⸗ ſuchsweiſe geſetzt war, verewigen will, der kann gerade ihren eigentlichen Sinn verfehlen, und fo ihr untreu werben durch Un⸗ beweglichfeit und Unfreibeit. — Ich nehme diefe Worte aus ber erfien Ausgabe um fo lieber wörtlich wieder auf, weil die Zeit feit deren Erfcheinen uns mehr als genug neue Beifpiele dafür ge: liefert bat. 140 Zweite Periode. Erſte Epoche Abſchnitt J. Kap. 3. Schon dieſes für ſich wäre des Dankes werth; denn das ab⸗ ſolut Unbegreifliche entfremdet ſich den Geiſt und verzichtet auf wirkliche Beherrſchung der geſammten Weltbetrachtung, deren Mittelpunkt doch die Chriſtologie fein will. — Dazu kommt aber noch etwas fir fene Zeit befonderd Wichtiged. Je rafcher im vierten Jahrhundert, wie früher erwähnt, bie heibnifchen Maſſen in die Kirche. eingedrungen waren, befto mehr war es von Wich- tigfeit, daß wenigſtens in ber Lehre fi bie Kirche aufs Be⸗ flimmtefte vor allem Heibnifchen und Pantheiſtiſchen folgte. Nun ift aber unverfennbar, daß eine pantheiftifche Denfweife noch im " Centrum bes Chriftenthums einen Haltyunft behielt, und zwar einen vecht ſtarken, wenn eine Lehre wie die monophyſitiſche Firch- liche Geltung behauptete, die eine Einheit zwifchen dem Menſch⸗ lichen und Göttlichen fest, ohne dem Unterſchiede fein Recht zu laſſen.“s) Wir werden auch fpäter auf pantheiftifche Tendenzen innerhalb des Monophyſitismus flogen, und es ift nicht ohne Grund, daß die Bäter des Concils durch den Monophyfitismus des Eutyches wieder an gnoftifche und apollinariftifche Irrthümer ‚erinnert wurden. Doch es ift bier am Ort, auf bie Geſchichte ber Anthropologie in ber Kirche namentlich im Verhältniß zur Lehre vom Weſen Gottes einen Blick zu werfen, um zu fehen, wo bie Kirche im fünften Jahrhundert ſtand und um bie Nothwen⸗ bigfeit einzufehen, ben Unterſchied zwifchen " dem Göttlihen und Menfchlichen tiefer zu faſſen. In der Zeit der blühenden Rogoslehre war biefer Unterſchied noch wenig betrachtet; nach der Logoslehre ift das Menſchliche und das Göttliche Überall theilmeife Eins, denn es ift ſchon bie menfchlihe Vernunft eine göttliche Emanation. Das war fchein- bar der Chriftologie fehr günſtig. Allein dieſe unmittelbare Einheit des Meenfchlichen mit dem Göttlichen ließ in der That bem Chriſtenthum nım eine fehr precäre Stellung und hielt deſſen +) Es wird fi bald zeigen, daß mit ver oben gezeichneten erfiufiven Saflung des Gottesbegriffes bei Cyrill, wornach Gott abfolut une weiensfremd und erhaben fein fol, etwas Pantheiſtiſches fich fehr wohl vereinigt. Gegenſatz d. Chalced. gegen panth. Vermiſchs. d. Böttt. u. Menſchl. 141 ethiſches, wiebergebärenbes Weſen verbeiit. *) Es mußte, um dem Chriſtenthum fein charalteriſtiſches Weſen zu fihern, auf bie Sünde ernfler vefleftirt werben, was befanntlich beſonders im Abenblande geſchah von Jrenäus und Tertullian bis Auguftin. Während bie griechifche Kirche ſich gegen ben , Die Logoslehre Hatte zu ihrer Zeit der Kirche den wichtigen Dienft geleiftet, wie das Verhältniß des göttlichen Principe in Chriſtus zum Bater, fo auch zur Menſchheit Jeſu zu bezeichnen. Denn wie der Logos als Offenbarungsprincip das felbft Gott ift, ven Aus: fpruch erleichterte, daß in Chriſtus ein göttliches Princip war, fo bot fih nicht minder für die Lehre von der Menfchwerbung des Logos ein willfommener Antnüpfungspunft nach der Seite bar, wornach der Logos etwas ihm Berwandtes ober gar von ihm Ausgefloßenes in jedem Menſchen hat, nemlich in feinem ver nünftigen Weſen. Aber andererfeits brachte die Logoslehre auch wieber ihre eigenthümlichen Schwierigkeiten und Gefahren, daher die Kirchenlehre, jemehr fie zur Beſtimmtheit fortfchritt, vefto mehr diefelbe wieder in ben Hintergrund treten ließ. Schon was bie immanente Trinitätslehre betrifft, -fo war mit dem Logos im Sinn von Offenbarungsprinzip ober Wort oder Bernunft für, ih das Schwanken zwifchen fabellianifiher und fubordinatiants fer Richtung noch nicht ausgefchloffen. Dazu fommt nun aber, daß durch das Dffenbarungsprincip des Logos in feiner Allgemein- heit pas vorchriftliche und das hriftliche Reich des Logos zu einer blos verfhwimmenden Abgrenzung gegen einander famen, wenn man nicht vermochte den Grund anzugeben, warum denn Epriftt Menſchwerdung und Werk habe eintreten müffen, warum denn ver Logos fein eigentliches Reich doch noch nicht vor Chriſtus gehabt, von ihm an aber gewonnen habe. Jene vagen, die biftorifche PYhyfiog nomie des Chriſtenthums verwifchenvden Theorieen von Aoyos onepnerxoc mußten begrenzt, der Antheil der vorchriftlichen Menfchs heit am Logos fo beffimmt werben, daß durch die Natur ber Gnade nicht vorgegriffen wurde. Was nun jenes Trinitarifche betrifft, fo fahen wir, wie die Kirche vom dritten Jahrhundert an jenen Gefahren ver Logoslehre dadurch auswich, daß fie durch das Wort Sohn im Sinne einer wahren göttlichen Hypoftafe den Ausprud Logos für die Kirchenfprade im Symbol theils erfeßte, theils erflärte. Was das Andere betrifft, fo war unerläßlich, das Menfchliche von dem Göttlihen, die Natur von der Gnade viel beftimmter zu unterfcheiben, als das bei ver Logoslehre des zweiten Zahrhunderts geſchehen war. x 142 3weite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 3. Manichäismus nur ſchroff abſtoßend verhielt und ihm faſt mr eine formale Freiheitslehre entgegenzufegen wußte, wie auch noch Pelagius thut, Hatte Auguftinus nit ohne Frucht feinen Bildungsgang auch durch den Manichäismus genommen. Diefe Reflexion auf die empiriiche, fündhafte Geftalt des Menſchlichen mußte mehr als irgend etwas anderes geeignet fein, bie Lehre von einem allgemeinen unb ımmittelbaren An- theil der Drenfchheit am Logos zu befchränfen und die hiftorifche Erlöfung durch den Gottmenfchen in ihrer Nothiwendigfeit zu begründen, mußte aber auch die Richtung auf den Unterſchied zwifchen dem Göttlihen und dem Menfchlichen verftärken; man gewöhnte fih ben unendlichen Abſtand zwifchen dem Göttlichen und dem Meenfchlichen (deſſen empirifche Geftalt unwillkürlich auch auf den Begriff beftimmend zurüdwirkte), bie abfolute Weſens⸗ verfchiebenheit Gottes und des Menfchen hervorzuheben. Das dürfte ber Ießte Grund davon fein, Daß wir im Abenblande nad kurzem Schwanfen bei Julius und Coeleftin, bie dem Mono: phyſitismus geneigt waren, ziemlich fletig vom fünften Jahrhundert an den Dyophyſitismus vertreten finden. Der alte anthropologiſche Lehrtypus der giiechiſchen Ringe war freilih von Augufting oder Tertullians umd Hilar ius Anthropologie fehr weit entfernt, ftatt deſſen reli⸗ giöſem abſolutem Supernaturalismus mehr einer moraliſchen Auf⸗ faſſung von des Menſchen Weſen zugewendet. Gleichwohl wirkten dieſe entgegengeſetzten anthropologiſchen Richtungen für die Chri⸗ ſtologie zuſammen. Durch ihr momentanes Zuſammentreffen zu Chalcedon ward es möglich, den Unterſchieden in Chriſti Perſon im Gegenſatz gegen die Vereinerleiung Bahn zu brechen, welche zu einem heidniſchen oder pantheiſtiſchen Gottesbegriff zurückge⸗ führt hätte. Das Intereſſe war dabei ein ſehr verſchiedenes. Die antiocheniſch Denkenden hüteten eiferſüchtig die moraliſche Frei⸗ heit und meinten deßhalb auch in Chriſtus dem Göttlichen nur eine fremde, äußerliche Stellung geben zu dürfen. Die Abend⸗ länder wollten in religiöſem Intereſſe den unendlichen Abſtand des Menſchlichen vom Göttlichen zur Folie des göttlichen Wunders der Incarnation haben. Aber um ſo bedeutſamer gerade muß es Zufammentreffen d. antioch. u. abendl. Richt. in abfol. Unterfchbg. 143 gefunden werben, daß die fchroffen Gegenfäte bes Auguftinismus und einer mehr pelagianifisenden Anthropologie wenigſtens chri⸗ ſtologiſch noch einen Punkt bes Zufammentveffens, noch einen ges meinfamen Ausdrud fanden. Mochte es immerhin fein, daß in dem unausgeglichenen Gegenſatz zwiſchen der antiochenifchen Lehre von ber Freiheit, als einem zur Vollſtändigkeit des menſchlichen Weſens gehörigen Factor, und zwiſchen ber auguftinifchen Lehre son der Gnade noch ein weiterer, chriftologiicher Gegenſatz fchlummerte : bas Nöthige für die Gegenwart gefchah zu Chalcebon, indem wenigfteng burch beftimmiere Unterſcheidung des Göttlichen und bes Menſch⸗ lichen gegen eine wiberethifche Theorie von phyſiſchem Charafter, wider ben Pantheismus das hriftlidhe Bundament bewahrt wurde. . Wenn andy jest die Unterſcheidung bes Göttlichen, und bes Menſch⸗ lichen innerhalb der Perſon Ehrifti unterblieben wäre, wenn man bei jener unbefangenen bisher ausgefprochenen Einheit des Göttlichen . und bes Menichlichen verblieb und bie Unterſchiede beider nur auslöſchte flatt vermittelte, fo wurbe bie Einheit, weil fie den Unterfchied nicht wollte zur Geltung kommen laſſen, zur Ber mifchung, zur Dereinerleiung und gefährdete wieder bag in ber erſten Periode Errungene, die Wahrheit und bie Vollſtändigkeit wenigfteng ber -menfchlichen Seite. Denn für diefe war bie Gefahr größer, zumal die antiochenifche Chriftologie zunächft auf längere Zeit feinen namhaften Vertreter mehr hatte, und nach bem ganzen Geifte ber Zeit weniger eine Verkürzung bes Göttlichen als des Menſchlichen in der Perfon Chriſti zu erwarten war. Der in jenem anthropologiichen Gegenfag ſchlummernde chris ſtologiſche ift in der That leicht zu erfennen, und feine Betrachtung führt Drittens zu den Mängeln bes Chalcebonenfe über. Die Einen betonen in vermeintlichen Intereſſe der moralifchen Freiheit die menfchlihe Seite in wefentlicher und ewiger Excluſi⸗ vität gegen das Göttliche, können daher folgerichtig es zu einer wirklichen Einheit bes Menfchlihen mit dem Göttlichen nicht bringen. Um bie Tofe Außerliche Verbindung zu bezeichnen, welche beide mit einander eingeben, halten fie ſich an das Bilb von ber Menfchheit als einem Kleide oder Tempel, Teineswegs aber wollen PF 144 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 8. ſie mit dieſem Bild einen blos dinglichen unſelbſtändigen Cha⸗ rakter der menſchlichen Seite bezeichnen. Die Andern ſtellen ſich auf die göttliche Seite: aber ſtatuiren dabei gleichfalls einen abſoluten Weſensunterſchied. Dadurch für ſich würde wieder eine Chriſtologie ſchlechthin unmöglich, aber während es bei den Erſteren an der ernſteren Anerkennung ihrer Nothwendigkeit fehlte, fo bildete dagegen bier das religiöſe Be⸗ wußtſein von der Sünde und von ber göttlichen Allmacht eine Brücke. Mag auch die Kluft zwiſchen Gott und dem Menſchen eine unendliche ſein, die unendliche Macht Gottes überbrückt ſie zu unſerem Heil, und das Wunder der göttlichen Allmacht ſtrahlt um ſo heller, je weiter und tiefer jene Kluft iſt. Allein wird nun fo auf bie göttliche Allmacht gepocht und im Zuſammen⸗ bange Damit auf das abfolut fupernaturafe Geheimniß, fo find wir wieder ber inneren Erclufivität der Factoren (hier des Gött⸗ lichen) nicht los, fo ift der pantheiſtiſche Sauerteig noch nicht ausgefegt. Die göttliche Allmacht ift ja nur eine phyfiiche Be⸗ fimmung. Mag auch als innerfied Motiv warum fie die Menſch⸗ werbung wirkt, bie Liebe gedacht fein, wenn ihre Wirfungsweife nicht ethiſch gedacht ift, fo läßt fie einen ethifchen Proceß in Ehriftus nicht zu, ſchließt alſo doch als bloße Allmacht bie wirkliche Menſchheit Chriſti aus und läßt ihr bei allem Scheine des Gegentheils ewig nur ein Scheindaſein übrig. Statt daß wir in Chriſtus Gott ſehen, der auch wirklicher Menſchenſohn voll Gnade und Wahrheit iſt, wird da Chriſti Menſchheit folge⸗ richtig doch immer zu einem bloßen ſelbſtloſen ooy«ro» Gottes oder gar zu einem Tempel oder Kleid herabgefegt, Bilder, welche alfo auch hier wieberfehren wo eine wirkliche Unio gefucht wird, bier aber das felbftlofe Wefen der Menfchheit ausfagen follen. Die auguftinifche Läugnung der menfchlichen Freiheit trägt noch einen pantheiſtiſchen Zug in fi) und ein Gottesbegriff der ich vornemlich auf die Allmacht ftügt, ift von derſelben antichriſto⸗ logiſchen Excluſivität nicht frei, welche den anthropologiſchen Frei⸗ heitsbegriff der Orientalen Fennzeichnet. Diefe beiden zu Chalcedon durch Allianz und Staatshülfe Die Mängel des Chaleedonenſe. 145 ſiegreichen Richtungen, wie gut auch ihr Recht gegen jenen Mo⸗ nophyſitismus war, der es zu einer durch Unterſchiede vermittelten Einheit gar nicht wollte kommen laſſen, ſind alſo beide darin Eins, daß ſie wenn auch von entgegengeſetztem Standpunkt aus das Göttliche und das Menſchliche in Excluſivität gegen einander faſſen. Und wenn ſie darin Eins wurden, die Unterſchiede auf den Ausdruck zweier Naturen oder Weſenheiten (puoeis, ovoieı) zurückzuführen, ſo iſt der genuine hiſtoriſche Sinn der, daß dieſe beiden unendlich und total oder weſentlich von einander verſchieden ſeien, durch die göttliche Allmacht aber doch das Unmögliche mög⸗ lich gemacht ſei. Aber die Aufſtellung ſolcher zwei Naturen kann als ein chriſtologiſcher Fortſchritt nicht bezeichnet werben, fondern nur als ein folgenreicher Fehler, der ohne die Haft ber Symbolification vermeidlich gewefen wäre. Im Eifer Über den Monophyſitismus voreilig zu triumphiren flatt ihn zu gewinnen, war man inner: ih durch dieſen Gegenſatz felbjt gebunden: Man glaubte bie Wahrheit zu haben, wenn bie angebliche neftorianifche Doppelper: fönfichkeit ausgeſchloſſen und das bloße Gegentheil des Mono⸗ phyfitismug fefigefegt wäre, aber man bebachte nicht, was erfor: derlich fei, damit die Einheit der Perfon bie man boch wollte, noch möglich fei. Die religiös⸗ethiſche Richtung die der Auguſtinismus in der Ponerologie eingefchlagen, nöthigte nicht zu folcher Aufftellung zweier Raturen in der Werfon Chrifti, die ewig ſubſtantiell⸗ oder wefensverfchieven bleiben follen. Im Gegentheil ift bas ber Fehler, daß der ethiſche Stanbpunft ſtatt burchgeführt zu werben, phyſiſch oder metaphyſiſch in der Allmacht Gottes endete oder den pantheiftifchen Reſt nicht überwand. Das Böſe ift erſt erfannt, wenn es als das dem Begriffe des Menſchen felbft wie dem Gottes Widerfprechende erfannt if. Mit dem Göttlichen” fann der reine Begriff des Menſchen nicht im Widerſpruch ftehen, fie find innerli an einander gebunden und zufammengehörig, nicht Durch bloße Allmacht zufammenzubringen. Erſt das Ethiſche fihert den Unterfchied zwifchen Gott und der Menfchheit wahr: haft gegen allen Pantheismus, aber baburch, daß es im Degriffe 10 Dorner, CEbriſtologie. IL 2te Aufl. fd 146 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfehnitt J. Kap. 8. beider als das MWefen (und nicht blos als ein Accidens) erfannt iſt, bas fich, eben als ethiſches affirmatio, nicht verfürzenb oder ver: flüchtigend gegen das Andere verhält. Iſt aber bas Ethiſche das Weſen im Begriffe Gottes und des Menfchen, fo kann es nicht mehr zuläßig fein, ben in Chrifti Menſchheit real gemorbenen Begriff der Menfchheit wefensverfchieden von Gott zu nennen. Bon einer folchen Durchführung bes ethifchen Anfanges bei Auguftin ift befanntlich vor der Reformation wenig zu fpüren; im Gegentheil behauptete ber haltungslofe Semipelagianismus im Ganzen die Herrſchaft, ein Gemiſch aus jener gegen das Göttliche ausfchließenden Freiheitslehre und einer gegen das wirffiche menſchlich Ethifche excluſiven Gottes⸗ und Gnabenlehre, aus pelagianifchen und magiſchen Elementen. Iſt dieſes zuge⸗ ftandenermaßen der Charakter der romanifchen Kirche, fo würde es von großer KRurzfichtigfeit zeugen, in ber Eirchlichen Chriftologie biefer Zeit, die Doch auch nur mit den Begriffen bes Göttlichen und Menſchlichen wie fie gerade herrſchen operiren kam, nur gefunde, Feiner Reform bebürftige Bildungen gewahren zu wollen. Womit aber feineswegs die Gefegmäßigfeit des weiteren Ganges überhaupt geläugnet werben fol. Wird doch ſelbſt das Irrthüm⸗ liche wo es eingedrungen ift, durch ben flärferen übergreifenden Arm der Wahrheit zu einem gefegmäßigen Verlaufe angehalten. Nah dem Ausgeführten kann man auch fagen, baß ber Unterfchied zwifchen dem Menfchlichen und dem Göttlichen im Chal⸗ cebonenfe nicht tief genug gefaßt, ſondern fo beftimmt ift, daß beides, wenn es zufammentrifft, fid) vermifcht, und das Menſch⸗ liche in dem Göttlihen untergehen muß, das fih zu ihm mur wie die abfolute Macht zu einer endlichen Kraft verhält, und zwar weil ber Unterſchied nicht ethifch vermittelt gedacht if. .Jeder gibt zu, daß eine Form der Inſpiration, in welder das menfchliche Selbftbemußtfein unterdrückt ift, etwas Unethifches und in fo fern Pantbeiftifches hat, als da das einzelne Ich nur noch ein felbfllofes Organon der göttlichen Machtwirfung bleibt, ber es erligt. Und denken wir ung nun biefe Machtwirfung aus: gebehnt noch auf den Willen und ſämmtliche pfpchifche und ſo⸗ matifche Funktionen, ja fegen wir biefe Machtwirkung nicht nur Die Mängel des Chalcedonenſe. 147 momentan ſondern perennirend und feftgehalten in alle Cwigfeit: fo kommt babei noch fein Ehriftus, ber des Menfchen Sohn, wie Gottes Sohn ift, es kommt nicht eine Sohnes-Stellung für die Menfchheit, fondern nur eine bleibende Knechtes-Stellung , wenn nicht weniger, mit einem Worte nur ein Chriſtus heraus, der feine Heimath im Gebiete pantheiftifcher Anſchauungen bat. Der Wille bes fich Unterfcheidens vom Pantheismus wohnt ber Kirchenlebre bei, aber ber Unterſchied ift nicht zu Ende geführt, denn er ift nicht uf das wahre Gebiet verlegt, mit welchem erft der Pantheismug principiell überwunden, aber ber Unterfchieb auch wieder vermittelt werben kann, nämlich das ethifche Gebiet. Daſ⸗ felbe erhellt auch aus der Erwägung, daß, wenn die Gottheit und die Menfchheit Überwiegend ald gvoes, als phyſiſche Sub- ftanzen betrachtet find, fie vielmehr gerade wefentlich gleich find, und zwar unmittelbar, eine Gleichheit, vor welcher Die Ungleichs beit, wie groß fie im Uebrigen auch fein mag, doch wie verſchwin⸗ det, indem Alles, was mir gvors ift, einem Gebiete angehört, dem erft das Ethiſche als ein weſentlich Anderes gegenüber ſteht. Gene Ehrifologie, die auf jener Gotteslehre und Anthropologie ruht , die wir noch theilweife dem pantheiftifchen Gebiete zumeijen mußten, findet ihren: charafteriftifhen und abfchließenden Ausbrud freilich exft fpäter in der Lehre von ber Unperfönlichfeit der menſch⸗ lichen Natur, — die zwar fein öcumeniſches Coneil ausgefprochen bat, — wohl aber bie Kirchenlehrer der fpäteren Zeit. Sp ungerne und fpät fie zu dieſem Sage famen: er ift nur das nadte Dez fenniniß defien, was fih mit Nothwenbigfeit ergab, wenn bie Zweiheit wefensverfchiedener Naturen in der Perfon Chriſti jollte —— werden. Zu dem Bezeichneten geſellt ſich noch ein wei⸗ terer Mangel. Die chalcedonenſiſche Formel ſtellt ſich, im geſchichtlichen Zu⸗ ſammenhang aufgefaßt, der Einheit der Natur in Chriſti Perſon gegenüber auf die Seite des Unterſchiedes und firirt dieſen als . eine ewige Zweiheit der Naturen. 60) Damit entfremdet ſie ſich % Si⸗ het, wie Niedner treffend bemerkt, mehr die gemilderte antios cheniſche Richtung begünftigt und befrienigt, als die monopbpfitifche. 10* 448 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt L Kap. 3. fühlbar jenem myſtiſchen Totalbild von ber Einheit der Perfon Chrifti, in der alles Göttliche des Logos als Menfchgeworben gefehaut wird, und zwar fo, Daß zugleich dieſer Menſch Gott geworden fei. Bon jener myſtiſchen Chriftolögie aus angefeben, fegt der jet zur Herrfchaft gelangende Dyophyſitismus die hrifto- Togifche Aufgabe herab zu ber bloßen Aufgabe der Combination ber zwei Naturen in einer Perfon, °') hofft aber vergeblich, da⸗ durch der Löfung des Problems näher zu fommen. Die Zeugniffe für jenes höhere, urfprüngliche chriftologifche Bild hören zwar zu feiner Zeit gänzlich auf, das religiöfe Intereſſe, das ſich vor⸗ nemlich in ihm concentrirt, bricht immer wieder durch, fei es auch mit Inconſequenzen, oder auf Ummegen. Aber e8 war im Chalcedonenfe (und darin dürfte am Klarften jener Mangel von tieferem veligiöfem Intereſſe der Väter fich zeigen, den ſchon ber ganze Geift der Verhandlungen dofumentirt) jenem chriftologifchen Bilde ein Riegel dadurch vorgefchoben, daß ihm Das entzogen wurde, ohne das es fich nicht durchführen Tann, und Das aufer- legt, mit welchem es nicht befteht. Denn wenn bag Chalcedo⸗ nenfe von Chrifti Menfchheit nur zu fagen weiß, daß fie, mit Ausnahme der Sünde, uns wefensgleid war, und in ber Ber handlung über Eutyches gar nicht daran benft, daß ihm auch nad) feiner Menſchheit eine Einzigfeit zugufchreiben fei, durch welche er, und er allein im Organismus der wahren Menſchheit das Haupt ift und die wahre Menfchheit darftellt, die durch ihn auch in und foll realifirt werben, fo muß jenes Totalbilb der Perfon Chriſti gegen das Intereſſe fiir die Unterſchiede fehr zurüdgetreten geweſen fein, und doch war vielleicht nie daſſelbe feftzubalten fo nöthig, als jebt, wo man für Die Zweiheit der Naturen und ihren ımenblichen Unterſchied fich entfchieden hatte, deſſen alfo Doppelt bedürftig war, was biefelben zu vermitteln dienen fonnte. Aus diefem Allem erhellt, daß der Monophyſitismus au — 51 Den Ausdruck „Gottesgebärerin“ Tieß ſich die kirchliche Frömmigkeit freilich nicht mehr entreißen, er flammt aber genau genommen aus einem andern, dem Monophyfitismus günftigeren Gelände, ber vorchalcedoniſchen Zeit. Die Mängel des Chalcedonenſe. Ausfichten. 149 noch ein Recht gegen das Chalcedonenfe hat, das ihm in ber ganzen alten Kirche nicht hat gewährt werben fünmen. >?) Er geht von der Einheit der Perfon aus, nimmt alfo feinen Standpunft in der Mitte des Chriftentfums, innerhalb der ſchon vollzogenen Menſchwerdung, und fucht, wie wir fehen werben, von ba aus Unterfchiede in ber Einheit zu erreichen. Die Kirchenlehre geht von jetzt an aus von der Zweibeit der Naturen, beginnt alfo ihre Conftruction von dem vorchriftlichen Standpunkte aus, und bie hriftliche Einheit ift nicht zum Voraus unerfchüitterliches Ariom, fondern ihre Geftaltung hängt von dem Verlaufe des wiffenfchaft- lichen Procefies ab. Wenn biefer Proceß in der Kirche num, ein ſtetes Schwanfen zwifchen einer im Princip pantheiftifchen Ber: nichtung des Menfchlichen durch das Göttliche, und zwifchen einer jubaiftifchen Trennung beider befunbet, fo werben wir burin nad) dem Obigen nur ein nicht unerwartete Seitenſtück zu der, ber romanifchen Periode eigenthümlichen Schwanfung in ber Lehre vom Menfchen und von der Gnade zwiſchen pelagianifcher und magi- ſcher Denkweiſe zu fehen haben. Mehr ald drei Jahrhunderte hindurch fteigerte fich der chalcedonenſiſche Dualismus der Naturen und führte fi) gegen monophyfitifche Reſte in der Kirche immer vollftändiger durch, bis der Adoptianismus zur Mahnung ward, auch der Einheit der Perfon das Ihrige zu geben, was aber freitih, in Anlehnung an die Lehre von ber Linperfönlichfeit der menfchlichen Natur fo geſchah, daß der mittelalterliche Zug zum Magifchen und zur ZTransfubftantiation nur um fo vollſtändiger feine Befriedigung fand. 52) Erft die Iutherifche Chriſtologie begann diefe Schuld zu tilgen. | — — —— Bweiter Abfgnitt. Die Sicherftellung und folgerichtige Durchführung der chalcedonenſiſchen Lehre von zwei Naturen. Bom chalcedon. bis zum Frankfurter Goncil 794. Erſtes Rapitel. | Ber Byophyfitismus im Kampfe mit dem Monophyſttismus. Bom chalccdon. Goncil 1. 3. 851 bid zum Coneil von Gonftantinopel 3583. Wie ſich fhon aus den Drohungen der Mönde und ihrer Abgeordneten vor ber chalcedonenſiſchen Synode erwarten. lieh, gaben ſich die Monophyſiten dem Concil nicht gefangen und glaub- ten ebenfogut biefe Synode als eine Parteifpnode bezeichnen zu müffen, mie die Chalcebonenfer Die Synode v. 3. 449. Die Zähig- feit des Widerftandes der Befiegten ift ſchon aus ber geringen ſittlichen Achtung, welche die Gefchichte diefes Concils einflößt, erflärbar, hatte aber auch urfprüngfich veligiöfe Wurzel. Es trennte fich nun von dem großen Kirchenförper bie monophyſitiſche Partei als Sonderfirche, wie zuvor bie neftorianifche, nur daß ihre Verbreitung weit bedeutender war. Denn, abgefehen von Illyrien, war in Conftantinopel Die Partei noch lange mächtig und erreichte e8 bei mehr ald Einem Kaiſer um ihrer großen Macht im Driente (befonderd einem Theile Syriens und Armeniens); in Aegypten und Abyffinten willen, dag man oft daran war, bie chalcebonen- ſiſchen Schlüffe durch Stillſchweigen zu begraben, wenn nicht gar birefter anzugreifen. ") Ihre innere Bedeutung flieg noch dadurch, ı) Die unfägliche Berwirrung in allen Kirchen des Orients und bes Der Monophyfitismus. 151 Daß viele ihrer Anhänger philofophifchen Geift zeigten und zwar beſonders der ariftoteliichen Philofophie fich zumandten. Sp hatte biefe Partei nicht blog eine, das unmittelbare hriftliche Bewußtſein bes Volkes anfprechende Art, fondern wußte mit Geſchick und zum Theil mit Ueberlegenheit die Wefenseinheit Chrifti wiffenjchaftlich zu empfehlen. Es ift wohl richtig, daß dabei ſchon viel formale Spisfindigfeit und Scholaftirismus zu Tage kommt; es ift darin in gewiffer Art ein Vorſpiel des Streites zwifchen Nominalismus und Realismus; es trat endlich das religiöfe Intereſſe auch bei ihr allmählig mehr zurüd. Aber fie verdient Doc mehr Gunft und Aufmerffamfeit, als ihr oft zu Theil zu werben pflegt. ?) Denn wenn bie Kirche vom Chalcebonenfe an den Weg einzu: ſchlagen genöthigt ift, von ber Zweiheit der Naturen aus zu eben, was für die Einheit übrig bleibe, fo, muß e8 von Intereſſe fein, zu betrachten, wie die Monophyſiten umgefehrt verfuchen aus der Ein- beit des Gottmenfchen heraus und unbeichadet derfelben eine Zwei⸗ heit, wenn auch nicht von Naturen, jo doch von Seiten in Chriſtus zu erreichen. Als ob alle Möglichkeiten in der Chriften- beit verfucht werden follten, finden wir auch bei ihnen eine in- tereflante und innerlich fortfchreitende Manchfaltigkeit, auf die um fo mehr zu achten ift, weil vieleicht eine genügendere Chriftologie erfi damit gefunden werben fann, daß ber Proceß, ber von ber Zweiheit zur Einheit firebt, auch wieder dahin fortgeht, aus ber Einheit die Zweiheit abzuleiten, mag immerhin babei bie chalce⸗ donenſiſche Entwicklung wenigftens darin vorangehen müſſen, daß zuerft der Proceß ber Einigung ber beiden Seiten firirt wird. Die bedeutendſten Männer der monophyſitiſchen Partei find einerfeits Diosfur, Timotheus Ailuros, Patriarchen von Alerandrien, Julianus, Bifhof von Halicarnaß, Ste Occidents dur den monophyfitifchen Streit und feine Wechfelfälle ſchildert beſonders lebendig Nicephorus, K. G. B. XVI, 25. 2) Beſonders hat neuerdings Giefeler durch feine Commentatio qua Monophysitarum veterun variae de Christi persona opiniones imprimis ex ipsorum effatis recens editis illustrantar, T.1.II, 1835. 1838; ſo⸗ wie Baur c. II, 37-95 fih um Aufpellung ihrer Gefchichte Bervienfte erworben. 152 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 1. phanus Niobes und Theodofiug;®) andererfeitd Se verus aus Pifidien, Patriarch von Antiochien, und Xenaias oder Philoxenus, Biſchof von Hierapolis oder Mabug beide um's Jahr 500.“) Die Erſteren fordern von der Einheit der Perſon, daß durch fie die menfchlihe Natur zwar nicht überhaupt aufgehört, aber die Wefensgleichheit mit ung verloren habe. Sie halten ſich alfo an jene Verwandlungslehre, welche das Menſchliche vergötts licht werben läßt. Das Göttliche dagegen foll nicht nach ber Natur, fondern nad) der Gnade, wie Diosfur fagt, gelitten haben, womit bie Unveränderlichfeit der göttlichen Natur, aber zugleih die Macht über ihre actuelle Befchaffenheit behauptet fcheint. Beide Naturen erfahren alfo eine theilweife Veränderung burch einander’; die menfchliche erhält göttliche Weſen, aber nicht ohne daß fie taufchmeife dafür auch menfchliche Prädifate an ben Logos abgibt, in welchem felbft alfo das Menfchliche fortdauern und gemwährleiftet fein fol. Diß fehliegt ſich alfo unmittelbar an Eutyhes an. Dioskurs Standpunkt erhellt am Deutlichftien aus feinem Verhältniß zu Chrifti Leiden. Er ift fehr weit davon entfernt das menfchliche Leiden Chrifti läugnen zu wollen, viel- mehr foll nur gefagt werben, daß das Blut Ehrifti Gottes Blut fei, und zwar nicht erft Durch Vermittelung der göttlichen Perfon, fondern feiner Natur nad), weil es fonft nicht himmliſch und un⸗ vergänglich wäre. Es wäre profan, meint Dioskur, das Blut Ehrifti gleichen Weſens mit irgend etwas Natürlichem zu nennen. Und ähnlich fagt Timotheus: Homoufie habe Chriſtus mit ung nur, fofern er aus unferer gemeinfamen Subftanz durch die Mut⸗ ter geboren fei. Aber diefe Gleichheit fei nur der Ausgangspunkt und wäre er von Maria geboren wie ein anderes Kind, fo hätte ihre Jungfraufchaft nicht bewahrt bleiben können. Er habe alfo burch Die That des Logos eine andere Menfchheit als wir, welche %) Bergl die Fragmente aus Dioskurs Brief A. Mai, nova coll. Tom. VII, 289, von Timotheus Ailuros ebendaſelbſt 85. 277. 804. 305. Evagrius Il, 14 IV, 39. Photius cod. 162. 227. Philoxenus foprieb drei Bücher über Trinität und Menſchwer⸗ bung; cf. Assem. bibl. or. II. ©. 25. Ebenfo if von Severus % ee oe, En =. Dioskur. Timotheus. 153 ohne Zweifel nad feiner Vorſtellung ſchon von Anfang fo zu denfen ift, wie nach der Auferfiehung. Diefe Seite des “Mono: phyſitismus war dem populären Bewußtfein am Zufagendften. Derielbe behauptete fih mit folcher Kraft, daß ber Kaifer Zeno mittelft des Henotifon v. J. 482 ihn durch eine Formel zu ver- fehnen fuchte, welche das Chalcenonenfe als nicht vorhanden bes trachtete, ja einen ungünftigen Seitenblid auf die Väter beffelben warf, aber nicht einmal babei ſtehen blieb, bie Einheit wie bie Zweiheit der Naturen freizugeben „ alfo unparteiifch die Streitfrage als noch unentfchieden fich felbft zu überlaffen, fonbern welche un⸗ verfennbar für die Monophyfiten (allerdings unter Verwerfung der eutychianifchen Vermiſchungslehre) Partei ergriff, indem fie fih ausdrücklich zum ephefinifchen Concil ja auh zu Cyrills Anathematismen bekannte. Durch Zenos Henotifon wäre alfo dem rein cyrillifchen Lehrbegriffe die Durchführung geworden, bie Cyrill ſelbſt nicht Hatte erreichen können. Aber der Verſuch blieb vergeblih. Die Chalcedonenſer waren nicht geneigt, ben Gewinn, den fie von dem legten Concil her hatten, fo gutwillig wieder aufzugeben. Sie hätten minbefteng auch eine Abolition bes ephefinifchen Concils, das durch das chalcenonenfifche paralyſirt war, fordern müſſen, wenn ſie nicht den Monophyſitismus in cyrilliſcher Form wollten zur Herrſchaft gelangen laſſen. Das eben war das Unglück, daß man zu Ephefus zu weit nah Cyrills Seite hin gegangen’ war, wie zu Chalcedon nach der Seite ber Antiochener. Zwei Öfumenifche Concilien nicht tadellos zu finden oder zu aboliren, wäre nad) den Begriffen ber Zeit einer Er: fhütterung aller kirchlichen Grundlagen gleich gefommen, man war alfo an beide gefettet. Andererfeits find biefe Coneilien aber von ganz verfchiedenem, ja widerſprechendem Geifte befeelt geweſen, und fo war man auch an den Wiberfpruch gefettet. Diefer legt fich be⸗ fonders barin offen dar, daß bie Freunde des Chalcebonenfe einerfeitd nicht wagten, von dem Ephefimmm ſich loszuſagen, ans eine Reife von Sragmenten übrig. Ang. Mai. Tom. VII; Leon⸗ tius, Apologie des chalcedonenflihen Concil. Gall bibl. Tom. XII, 719f. Mansi VII, 831. VII, 817. Photius 108. 230. 154 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt IL. Kap. 1. bererfeitö aber doch das Henotikon, das nichts anders als Cyrills Lehre will, als einen Widerſpruch gegen das Chalcebonenfe ver: warfen. Etwas Geringeres ald das Epheſinum und das Heno- tifon befriedigte wieder die Monophyſiten nicht, und fo blieb ber Kirche nichts übrig, als mit beiden Concilien auch deren Folgen gu tragen. Die Monophyfiten aber batten jest erft eine längere und ſelbſtändigere Entwidlung, vornemlich in zwei Linien, deren eine wie gefagt als Ausbildung des Eutychianismus gelten kann, wäh- rend bie andere ber Kirche fich innerlih nähert und Eyrills Standpunft fortbilbet. Die ganze Gefchichte des Monophyfitismug bis ins 7. Jahrhundert zeigt, mit wie vielen Wurzeln er noch mit der Kirche zufammenhängt, ja wie nicht blog er fich nicht von ber Firchlichen Entwidlung losreißen kann, fondern auch dieſe nicht von ihm. ft er doch nicht einfacher Doketismus, fondern ſchon eine verfeinerte, vermittelte Geftalt deffelben, hat alſo bag Gegen⸗ theil des Doketismus als ein Ferment noch an fi. Wird daher das Antidofetifche in ihm belebt, was am Sicherften dann eintritt, wenn fich folgerecht aus ihm eine Form entwidelt, welche bas Doke⸗ tifche in ihm reiner enthält, dadurch aber auch ihm wie im Spiegel ftatt deffen was er Doch eigentlich möchte, feine Garrifatur vor: hält: fo fann der Monophyfitismus fih auch der Kirchenlehre zubilden. Und wiederum, wenn die Kirchenlehre ‚von einer Eins heit ber Perfon nicht blos rebet, fondern die Zweiheit der Naturen irgendwie zufammenfaßt, fo kann es ihr fehr leicht widerfahren, baß fie zu monophpfitifchen Sägen gelangt, wenn nicht gar einen Monophyſitismus überbietet, dem es ernftlich darum zu thun ift, in ber gottmenfchlichen Einheit auch Unterſchiede aufzuzeigen. Es ift Daher das Herüber und Hinüberwirken zwifchen den Chalce- bonenfern und Monophpfiten eine innere Nothwenbigfeit gewefen, und fo gewiß es ift, Daß Die wechſelnden politifchen Intereſſen der Kaifer ftörend in den Proceß zwiſchen Beiden eingegriffen haben durch Beglinftigung bald der chalcedonenfifchen Lehrmeife, bald auch (3. B. unter Zeno und theilweife Juftinian, fowie Heraflius) der Monophyfiten, theild Durch voreilige von Außen herkommende Friedensformeln und Schweigen gebietende Gefege, Die zwei monophyf. Richtgn. Die Fortbild. d. Eutych. Petr. Fullo. 155 fo bat doch der Dialog zwifchen ber Kirche und dem Monophp⸗ fitismus im Großen feinen Fortgang. °) Die Kirche felbft bleibt unter feinem fortwirfenden Einfluß, fo lange fein häretifcher Charakter noch nicht evident nachgewiefen ift, ja fie hat in ihrer nächften Fortbildung nicht wenige monophyſitiſche Lehrfäge auf: genommen, dadurch aber freilih e8 auch nur zu einer aus fehr heterogenen Elementen zufammengefeßten Chriftologie gebracht. Eine ftarfe Handhabe hatte der Monophyſitismus in ber Kirchenlehre felbft aus alter Zeit, befonders aber vom erſten epheſiniſchen Eoneil ber, an dem Präbifat ber Maria als der Gottesgebärerin; und beffen war er fich auch wohl bewußt. Der immer fich fleigernde Eultus der Maria war ein ſtarker Anwalt des Monophyfitismus innerhalb ber Kirche. Mit gleichem Rechte mn als biemit Chrifti Geburt gedacht war als Gottes Geburt, indem als einziges Subjekt für alle Präbsfate, auch das Geboren: werben, bie göttliche Natur galt, konnten nun auch die Mono: phyfiten verlangen, daß das Präbifat bes Leidens und Sterbens dem göttlichen Subjefte beigelegt, alfo gefagt werbe: „bie zweite: Perſon der Dreieinigfeit habe gelitten.“ Diß geſchah denn auch durch Petrus Fullo (den Gerber), monsphpfitifchen Patriar⸗ chen von Antiodhien, den Urheber des theopaſchitiſchen Strei- tes. Er flellte Die Formel auf: „Heiliger Gott, beiliger Starfer, beiliger Unfterblicher, der du um unfertwillen gefreuzigt biſt, er: barme dich unfer!“ Die Dreiheit der Anrufung ſchien den Ortho⸗ ) Mit dem Neftorianismug verhält es fih dagegen anderd. Da er ſich gegen die byzantintfihe Unduldſamkeit in das tiefere Aflen unter heidniſche Oberherrihaft flüchtete, fo trat er mehr außer ven Geſichtskreis der Kirche. Die Polemik gegen den Neftoria- nismus geht in diefer zwar fort, 3. B. außer Caſſian bei Bigilius von Tapſus, Bovethiug, dem conflantinopolitanifchen Mönde Leontius, bei dem Presbyter Anaftafiugu 4, aber die Berhandlung konnte nicht ein fortlaufendes Zwiegeſpräch fein, das durch neue Momente ſich belebt und ber beiberfeitigen Entwicklung dient, fondern bie neftorianifche Fortbildung blieb der Kirche im Ganzen unbelannt. Ihre Polemit befchäftigt fich daher nur mit dem alten Neftorianismus, der obenein immer: mehr zu einer fat mythiſchen Geftalt wird. Sie hatte aber in ſich ſelbſt genug dualiftifche Elemente. 156 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL. Kap. 1. doren auf bie Trimität zu weifen, alfo zu enthalten, daß das den drei Perfonen gemeinfame göttliche Wefen gelitten habe, mits bin der Patripaffianismus nur in gefteigerter trinitarifcher Form bier wiebdergefehrt fei. Und wenn auch gefagt würde, nicht bag gemeinſame Weſen, fondern nur das des Sohnes habe gelitten, fo habe ja der Sohn doch fein anderes Weſen, als Vater und Geift, und Theopaſchitismus in diefer Form ließe ſich nur bei einer arianifirenden Wefensverfchievenheit des Sohnes von Vater und Geift abwenden. Es ift an fi wohl möglich, bag Petrus in religiöfem Intereſſe Das göttliche Weſen bes Sohnes felbft als ein folches gebacht hat, das ſich aus Liebe in bie Leidentlichfeit gefetst habe, doch fehlen die nähern Nachrichten. Er könnte auch eutychianifch gedacht haben. Dagegen ift ed gewiß, baß folde Monophufiten, welche den Eutychianismus vermerfen, bie Formel in dem Sinne vertheidigen, daß fie nur um ber, mit dem Sohn Gottes vereinigten Menfchheit willen, ihm das Leiden zufchreiben. In der Kirche aber drang in dieſem legteren Sinne bie Formel, daß Einer aus ber Dreieinigfeit gelitten, nach länges . rem Widerfpruch aus Beranlaffung des Johannes Marentiug durch, der mit ſcythiſchen Mönchen i. 3. 519 nach Eonftantinopel fam und die Anerkennung berfelben forderte. Zwar er felbft Drang in Conftantinopel nicht buch, baber er fih an Hormisdas von Rom wandte, ber aber bie Formel als häretifch anfah. 9) Jedoch da die Formel vielen Anhang unter Mönchen und zum Theil auch Theologen fand, unter welchen befonders ber Diafonus Sulgentiug Ferrandug zu nennen ift,”) bei dem Volke aber ohnehin ben größten Beifall batte, fo warb fie vom SKaifer Juſtinian dur ein Edikt vorgefchrieben, von ber fünften öcu⸗ menifchen Synode aber i. 3. 553 ihre Berwerfung anathematis fir.) Das mtereffe diefer Frage Yigt noch befonders darin, ©) Mansi T. VIII, 498. Andere Johannes II, vgl. Baur II, 72. ) Bgl. Fulgentius Ferrandus (v. Carthago) de duabus in Christo naturis et quöd unus de Trinitate natus passusque dici possit. Bibl. Max. Lugdun. IX, 502f. — Confessio Maxentii ib. ©. 584 f. ®) Mansi T. VIII, 765 ff. IX, 384. Anathemat. X, vgl. Baur Lc. I, 61-72. Wald, Hiftor. der Keger. VII, 248 ff. Fortbildung des Eutych. Petrus Fullo. Theopaſchitism. 157 daß fie die Aufforderung enthält, die Ehriftologie wieder einmal mit der Trinitätslehre zufammenzufchauen. If der Sohn Gottes wnauflöslich und ewig mit der Menfchheit geeint, ja gehört Diele zu feiner Perfon, fo tritt eben damit die Menfchheit auch in den Kreis der Trinität ein, denn die Menfchwerdung foll nicht bios eine Thätigfeit, fondern auch ein Sein bes Sohnes Gottes aus⸗ drücken. Allerdings ift hiermit noch keineswegs eine Veränderung in das innere Wefen Gottes hineingetragen, fofern nur fefige- halten wird, daß der Sohn Gottes als folcher nicht gelitten habe; wohl aber warb ber Sohn durch die Menſchwerdung was er nicht war, ohne Beränderung in dem was er war, und biefes Werben ift entweder nur etwas Aceidentelles, ihm Aeußerliches, was Damit firitte, daß er ohne Menfchheit ewig gar nicht mehr gedacht werben Tann, oder hätte, um die Veränderung auch in Beziehung auf das Menfchwerdenwollen auszufchließen, zurüd- gegangen werben müflen auf eine ewige Beitimmung ber Menſch⸗ werbung, bie in Gottes weſentlichem Willen liege. Dahin gieng man nun freilich nicht fort, wohl aber zeigt die Stellung ber Frage das Bedürfniß, die immanente ewige göttliche Sphäre mit der oökonomiſchen zufammenzufchließen, indem dieſe in jene zurück⸗ geführt wird. Unverkennbar aber waltet babei auch ein veligiöfes Intereffe, und zwar wohl noch urfprünglicher ald das Togifche. Die Gottheit des Sohnes foll in der ganzen Majeftät, in welcher fie innerhalb der Trinität vor Augen ſteht, an dem Werfe ber Berföhnung, an dem Leiden für die Welt, ſich betheiligen. 9) 9) Anders Tautet 3. B. noch das Wort des Amphilochius von Iconium, (A. Mai, Tom. VII, ©. 15 a) der nicht blos das Leiden der Gottheit in ihrem eigenen Weſen, fonvern auch den Saß vers wirft: Die Gottheit leide am Fleiſch oder durch ihr Kleifh. Man fönne nur fagen, Ehriflus leide. Der Logos eigne ſich zwar was feinen Tempel betreffe an, aber leide dabei nicht ſelbſt. Vgl. das Beitere bei Baumgarten-Erufius, Compend. der Dogmtengefchichte ©: 203 und 204. Baur, Trin. IL ©. 61-68. — Die nothwendige Folge der Firchlichen Anerfennung dieſes Satzes war, daß der Bes griff ver Perfon auch in Beziehung auf den Bater und Geift dem der Perfon des Gottmenſchen analog geformt, die Unterſchiede alfo mehr dem Tritheismus zugebilpet werden mußten. Es iſt daher 158 Zweite Pertove. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 1. Wie der Theopaſchitismus ber innigen Einheit ber Perfon dadurch dienen will, daß er möglichft auch das Menfch- Yiche ſich will in das Göttliche hinein refleftiven laſſen, fo führte daſſelbe Intereſſe auch dazu, die Menſchheit dadurch ber göttfihen Seite zu nähern, daß fie innerhalb der Unio ihr verähnlicht gedacht wurde. Darüber nun war zwar allgemein fein Zweifel, daß irgendwie Chriſti Menſchheit duch die Ber: bindung mit dem Logos nicht etwa bios geehrt, fondern erhöht fei, wenigſtens feit der Auferftehung: und da es allgemeine Bor- ausfesung war, was Johannes Saffianus (+ 448) in der Schrift de Incarnalione Domini, ed. Cratander 1524, S. 17 fagt: nec quasi per gradus et tempora proficien- tem in deum, alterius stalus fuisse ante‘ resurrectionem credamus Christum, alterius post resurrectionem sed eius- dem plenitudinis atque virtutis (Citat aus Leporius, vergl. Caffian ſelbſt, S. 47 u. 137), fo mußte folgerichtig auch für bie Menfchheit der Stand der Erniedrigung an fich aufgehoben fein, wenn nicht ihr oder ber Gottheit Wille die Knechtsgeſtalt wies ber fette, bie burch die Unio ausgeſchloſſen war. Aber ‘die Lehre von einer unmittelbar abfolut fertigen Menfchwerbung war in ber Kirche noch Teineswegs fo beftimmt und folgerecht Durchgearbeitet, daß nicht im Widerfpruch damit ein ftetiger, ja für die Menfchheit natürlicher Zuſtand anfänglicher Unvollkommenheit, Schwäche und Entwidlungsbebürftigfeit flatwirt worden wäre Die monophy⸗ . ſitiſche Richtung nun mußte Dazu dienen, auch in biefem Punkte bie Kirche in Entfcheidung zu feten. ine Partei berfelben, — — — — — — nicht zufällig, noch blos aus ariſtoteliſcher Philoſophie abzuleiten, daß im 6. Jahrhundert angeſehene Monophyfiten wie Johannes Aftusnages und Johannes Philoponus ſich dem Tri- theismug zumandten, gegen den dann der Monophyfit Damian den Tetradismus aufftellte.e Daß der Begriff der trinitarifchen Perſon früher in der Kirche auch anders gefaßt wurde, haben wir Br. I, ©. 904 — 938 gefehen. Auch traten SKirchenlehrer 3. 2. Eulogiusvon Aler., (A. Mai VII, 18) Anaftafius Sinaita (Galland. XII, 240) de Trin. vem entgegen, und Ienften zum Stand» punkt sec. IV zuräd. und Eutych. Richtg. im Monoph.; Theopafch.; Julian, Aphthartodoketen. 159 durch Julian, Bifhof von Halicarnaß geftiftet, Julianiſten, glaubt um der Einheit der gottmenſchlichen Perſon willen lehren zu müſſen, daß Chriſti Leib, weſentlich mit dem Logos vereint, das unzerſtörliche Leben deſſelben (aysagoia) nad) phyſiſcher Nothwendigkeit als ihr durch Gnade gewordenes Eigenthum, gleichſam als höhere zweite Natur, durch welche die erſte aufge⸗ hoben ſei, ſchon vor der Auferſtehung beſeſſen habe. Ihre Gegner nannten ſie daher Aphthartodoketen, was ſie ihnen mit dem Namen Phthartolatren zurückgaben. Darüber natürlich waren ſie Alle Eins, daß Chriſti Menſchheit auch belebende Kraft habe, und daß der Logos, der das Leben iſt, ihr Leben ſei. Aber erſtens gaben die Kirchenlehrer nicht zu, daß die Mittheil⸗ ung der göttlichen Kraft an die Menſchheit an der Natur dieſer etwas verändert habe, oder dadurch ihre Homouſie mit uns be⸗ einträchtigt ſei; indem vielmehr dieſe Mittheilung nur eine Steige⸗ rung ihrer Kraft müſſe genannt werben (augmentum nad Xeo). !%) Zweitens wollten fie nicht" zugeben, daß die Menfchheit Chrifti diefe höheren Prädikate als natürlichen Befts habe. Aber offen- bar widerfprach ſich diefes Beides ; bringt die göttliche Mittheil⸗ ung nur die Bollendung ber Natur ferbft, fo ift das Mitgetheilte zu biefer vollen Natur zu rechnen, und gehört es nicht zu biefer Natur jelbft, fo bringt eg, gleichwohl ihr mitgetheilt, die Natur aus ihrem eigenen Wefen heraus, und felbft Die Aufhebung der menfchlichen Unvollfommenbeiten ift dann gleichfam eine bleibende Efftafe oder Entrüdung der Menfchheit aus ihrem eigentlichen Weſen und nicht ihre eigene Vollendung. Und da der magifhe Begriff der Gnade aud in der Kirche ſchon Geltung genug be- faß, fo konnten diefe Monophyfiten mit um fo mehr Recht Zu⸗ fimmung dazu verlangen, daß die Menfchheit Chrifti durch bie Unio von Anfang an aufgehört babe ber unfrigen wefensgleich zu fein, vielmehr in ein anderes Sein übergegangen fei. Sie bilden baber jene Säge von Eutyches und Dioskur dahin fort, es könne yon Chrifti Menſchheit nicht gefagt werben, daß fie nach der Phyfis, wie fie ihr feit der Unio zufommt, ben ) ſ. o. 160 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. menfchlichen Schwächen und Leiden zugänglich war, fondern Ehrifti Leib fo gut wie die Gottheit fei an fi) oder nach feiner Natur auch Über die phyſiſchen, tabellofen Bebürfniffe und Schwächen (nadn adıaßınra) erhaben. Er ift aydworos und hatte Die Beichaffenheit des Leibes Adams vor dem Falle an fich, welcher, wenn Adam nicht fündigte, auch nicht flerben Fonnte. Diefe Uebernatürlichfeit des Leibes Chrifti follte die Wirklichkeit deſſelben nicht läugnen, wohl aber meinten fie, die Liebe Chriſti um fo ftärfer hervorzuheben, da fie nun das Leiden nicht blos, fondern auch die Möglichkeit des Leidend einem freiwilligen Liebesacte zufchrieben, durch welchen Chriftus fich erft der Unleidentlichfeit feines Leibes begeben, und in die Teidensfähigfeit, fo wie in das Leiden verfeßt habe. Wir haben ſchon oben geſehen, wie auch Hilarius von Pictavium bieran fireifte, wiewohl er durch feine Lehre von der Entäußerung bie unmittelbare DVergöttlichung . ber menfchlihen Natur moderirte. Dem veligiöfen Intereſſe wäre auch (wenn die Yulianiften nicht einem phyſiſchen Proceß in Betreff der Folgen der Unio gehulbigt hätten) vollfommen genügt gemwefen mit dem Sat: daß Chrifti Menſchheit zwar nicht ohne die natürlihe Schwäche und Leidensfähigfeit war, daß aber jebe äußere Urfache des Leidens, fo wie die Sterblich⸗ feit durch Die geiſtige Kraft Chrifti überwinblich gewefen wäre, wenn nur fein etbifches Weſen diefes zur Aufgabe geſetzt hätte. Und in der That haben, nach ber Angabe des Timotheus ) einige Zulianiften gefagt, Chrifti Leib fei der Potenz nach) (Svraner) gpdapros geblieben, aber durch Die Kraft des Logos über bie Wirflichfeit der 0000 hinausgehoben worden. Dofetismus wollten fie Darum noch keineswegs, fondern nur ben Liebesart 11) De recipiendis haereticis Cotelerii Monum. eccl. Graec. T. III. 397. Das wird auch die Meinung des Philorenug fein, wenn aud er die Identität des Leibes Ehrifti mit dem bes Adam behauptete: potuit non mori, nicht aber non potuit mori. Bgl. über die Jus Tianiften oder Gajaniten Leontiug de sectis Actio V, 3. bei Galland. Bibl. XII, 640. Nicephorus 1. c. XVII, 29. A. Mai Coll. N. 1.c. und Assem. Bibl. Vatic. Catal. T.I, 8. ©.229 f. Giefeler l.c P. II, 4—10. Die erfte Seite der Monophyfiten. Aphthartodoketen. Altifieten. 161 Chrifti, durch den er feinen Leib zum Leiden beflimmte, nicht aber blos der vergöttlichenden Einwirkung ſich enthielt, um fo mehr beroorftellen. Aus dem Angegebenen wird begreiflich, daß auch in ber Kirche jener Zeit ſolche Säge als Verherrlichungen Chrifti, feiner Majeftät und Liebe, Anklang finden fonnten. Und in ber That hat wieberum Juſti nian verfucht bie Lehre der Aphthar⸗ tobofeten durch ein Glaubensedict zur Firchlichen zu flempeln. Aber es fand Feine Firchliche Anerkennung ; Die Kirchenlehrer fahen, bag bei der Annahme folder Entrüdung ber gemeinmenfchlichen Phyſis Chriſti in eine Übernatürliche Natur vermöge unmittelbarer phyfiicher Wirfung der Unio — die Menfchheit felbft in allen ihren weientlihen Beftimmungen ber Ouantität und Faßbarkeit, der Sichtbarkeit, Begränztheit und Dualität aufgehoben und ein anderes Weſen, d. h. eigentlich Das Göttliche an bie Stelle gefekt, mithin durch dieſe abfolutefte Wirkung der Unio Die Menfchwerbung ‚geläugnet wäre. Nur momentan, für beftimmt praftifche Zwecke wirde fo die Menfchheit zur Wirklichkeit hergeftellt, die für ge: woöhnlich nicht mehr vorhanden vielmehr höchſtens der Potenz nach, fei es im Willen des Logos, fei es in ber übernatürlichen Leiblichfeit fortdauerte. Eine Partei der Julianiſten gieng bis dahin fort, daß Chriſtus feit der Menfchwerbung auch nicht nad) feiner Dienfchheit Die Creatürlichfeit beizulegen fei, fondern daß Chriſtus auch als Menſch, Bott und Schöpfer genannt werden und darum Gegenftand der Anbetung von Anfang an fein müſſe. '2) Dieſe Partei, Aftifteten genannt, während fie ihre Gegner Rtiftolatren nannte, will alfo bis dahin fortfchreiten, alles Menſch⸗ liche in Chriſtus von Anfang an als göttlich zu benfen. Reinen Dofetismus fcheinen auch fie fo wenig gewollt zu haben, ale 2) Timotheus de recept. haeretic., Cotelerius monum. Ecel. graec. T. 1I , 398. Assem. bibl. orient. T. II. Die Jultaniften hatten be fonders in Armenien ihren Siß; in Aegypten entfprechen ihnen die Gajaniten. Ihr Gegner ift der monophyfitiſche Patriarch Damian ver ih zu Severus halt. Im achten oder neunten Jahrhundert fheinen fie in Syrien und überhaupt in Aften, mit Ausnahme Armeniens, untergegangen, nicht minder in Aegypten; aber ein Theil drang nach Aethiopien und Rubien, wo fie einen eigenen Patriarchen hatten. Dorner, Chriftologie II. te Aufl. 11 162 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 1. bie apollinariftifche Lehre von einer ewigen Menfchheit in Gott ſelbſt. Vielmehr dürften fie zu ihrer Anfiht dadurch gefommen fein, daß die Menfchwerbung nach allgemeiner monophyſitiſcher Lehre ſich durch Negation jeglichen Subftrates für die menfch- lichen Prädicate vollzogen haben follte. indem nun fo ber Logos fih nur mit menfchlichen Prädicaten charakterifirt, und noch dazu von Anfang an alle diejenigen Präbicate negirt, Die an ein menfchliches Werden erinnern, fo ſchien für die Kreatürlichfeit das Subftrat zu fehlen, ja dieſes Präbdicat feine Stelle mehr für Chriſtus zu finden. 1°) Das aber darf man wohl fagen, daß, wenn das Fortbeſtehen des Menfchlichen als ſolchen damit vereinbar fein fol, Daß es vom Anfang der Unio an alle Prädicate verlor, bie mit dem göttlichen Sein, mit ber Eingliederung in das göttliche Wefen unvereinbar wären, fo ift das menſchliche Wefen und das göttlihe auch an fich nicht verfchieden, ſondern nur accibentell, und biefe aceidentellen Differenzen hebt dann die Unio auf. Diefer Sat von ber Wefensgleichheit des Göttlichen und bes Mienfchlichen Überhaupt, und zwar ber unmittelbaren, iſt nun von einem ber bedeutendften Monophyſiten Stephanus Bars fubaili !*) um d. Ihr. 488 aufgeftellt worden. Er foll gelehrt 13) Alle monophyfitifhen Säge, welche theils Menfchliches auf Gott, theils Göttliches auf den Menfchen übertragen, beides im Ins tereffe einer innigen Einheit ver Perfon, bat vie Iutherifche Lehre in der communicatio idiomatum angenommen, nur aber auf Grund einer bleibenden Zweiheit ver Subftanzen. Bon bier aus ſtellt fich die Iutherifche Lehre als eine Kombination des Chalce⸗ bonenfifchen und Monophyſitiſchen Typus, aber freilich in einer Form dar, in welcher noch mehr eine Zweiheit von Schichten auf einanderfolgenver Lehrbilvungen als eine innige Durchdringung beider wahrzunehmen ifl. 1) Barhebräug oder Abufpharagins gibt an, er habe feine Anfichten in einer Schrift niedergelegt, als deren Berfafler er ven Lehrer des Dionyfius Areopagita, Hierotheug, angegeben habe. Vgl. Assem. Bibl. Orient. T. I, ©. 30 f. 290. 291. Bar: ſudaili war nach dem Zeugniß ded Kenaias ein gelehrter Mann und Schriftfteller, befonderd Commentator von heiligen Schriften, aus Eveffa. Gegen ihn fchrieb Kenaiag einen warnenden Brief nach Edeſſa, in welchem er als feine Lehre angibt, daß die Strafen Altifieten. — Stephanus Barſudaili. 163 haben: wie Bater, Som und Geift Eine Natur find und ber Leib des Wortes mit biefem wefenegleich ift, jo wird auch jegs liche Kreatur der Gottheit wefensgleich (confubitantiell) werden. Er fcheint jeboch nicht eine unmittelbare wirkliche Göttlichfeit aller Dinge angenommen. zu haben; denn bie Stelle: „heute und morgen thue ich Wunder, und am britten Tage werbe ich enden“ erklärt er fo: „Wir ſtehen am fechsten Worhentage (Zreitag) der die gegenwärtige Weltzeit bezeichnet bie er auch bie böfe nennt; der Sabbath, Chrifti Ruhetag nad) dem Tode, ſcheint ihm chiliaitifch eine Sabbathzeit bedeutet zu haben, worauf die perfectio folge, wo Gott Alles in Allem, Alles gleicher Natur und gleichen Weſens mit Gott fein werde. Daher barf auch bed Kenatag Anklage, daß er die Taufe aufhebe und bie Saframente, wohl nicht fo verftanden werben, daß er ben Unterfchied von Natur und Gnade überhaupt fallen Taße, fondern - vielleicht origeniftifch (vgl. Assem. I, 303) hat er die Wieder: bringung aller Dinge durch Vermittlung wie yon Strafen für die Böfen, fo von Chrifti Erſcheinung angenommen. Damit befteht aber wohl, daß er potentiell Alles als weiensgleih mit dem Göttlichen fann angefehen haben. Glaubwürdige Männer, fagt Xenaias, haben ihm berichtet, fie haben in feiner Zelle die Znfchrift gefunden: „die ganze Natur iſt weſensgleich mit Gott“, er habe aber aus Furdyt vor der Darüber entitandenen Aufregung die Inſchrift wieder ausgelöfcht. Wenn nun auch geratben fein dürfte, ihm rohen Pantheismus nicht zugufchreiben, fo muß er doch die panstheiftifche Anficht, die nach dem Früheren hinter dem Monophyſitismus fchlummert, folgerichtiger entwidelt haben, und es ift fein gerechter Grund zu zweifeln, daß er nicht blos gefagt hat, die göttliche Natur und bie menfchliche feien des Jenſeits nicht ewig währen, fondern bie Gottlofen, wie auch die Dämonen, durch Feuer gereinigt, Barmherzigkeit erlangen werden. Am Ende werde, wie Paulus fage, Gott Alles in Allem fein und Alles in vie göttliche Natur verwandelt werben. Eine verwandte Erfcheinung dürften auch die Tooxouroi, origenift. Mönde in Aegypten fein. Siehe Evagrius 8. ©. 4, 38. Baumgarten» Erufius Comp. der Dogmengeſchichte S. 207. A®. 164 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. in Chriftus zur Wefensgleichheit gebracht, fondern die Menſch⸗ beit überhaupt fei weſentlich göttlih. Er feheint nämlich nicht einmal wie Origenes eine freiheit, ſondern vielmehr ein Fatum ſtatuirt zu haben. 18) Wenn die bisher betrachteten Monophyſiten als Fortſetzung des Eutychianismus angeſehen werden können, und ihnen immer⸗ mehr der Unterſchied des Menſchlichen vom Göttlichen ſich verwiſcht, ſo iſt dagegen jetzt noch die zweite bedeutendere Hauptklaſſe der⸗ ſelben zu betrachten. Die vornehmſten Monophpſiten Kenaiag oder Philoxenus und Severug verfuchten, in ber Einheit einen aufbewahrten Unterfchied des Göttlichen und Menfchlichen aufzumweifen. 1%) Xenaias hält zwar auch an bem Sag feft: Einer aus der Dreieinigfeit ift, gefreuzigt, 17) auch will er nur von freiwilligen, nicht natürlichen Leiden Chriſti wiffen. 5) Aber das Letztere Tonnte er, auch wenn er es nicht blos von der Gottheit fagt, fo meinen, daß die Menfchheit Chrifti die Noth⸗ wendigfeit des Leidens nicht gebradjt hätte, wenn ber Sohn Gottes ſich nicht freiwillig dazu beftimmt hätte. Er hat !9) in acht Sägen feine Lehre zufammengefaßt und die Eutychianer vers worfen, die er Phantafiaften nennt. Die Perfon des Sohnes 15) Assem, u, 82. \ 6) Ueber Zenatas vgl. Assem. I, ©. 10-46; über Severus Leontii Monachi Hierosol. Apolog. Conc. chalcedonens. (um 610). Galland. Tom. XI, 719-750. Leontii Byzantini solutiones argu- mentationum Severi, ibid. 708—715. Ang. Mai. Tom. VI, ©. 8. 9. 71. 73. 123. 136 ff. 151. 277—281. 283 f. 285-290 und 307. Beide blühten im erften Biertel des fechsten Jahrhunderts, hatten Zeno's Henotikon angenommen, und lebten in bifchöflichem Anfehen als Patriarchen bis zur Verfolgung des Monophyfitismus unter Juftinian um 522. Beide zufammen fönnen als Stifter besienigen Monophpfitismus bezeichnet werben, den die Jacobiten bis auf diefen Tag fefthalten, und welcher fih au in Aegypten wahrfcheintich feit Damian die Herrfchaft errang. Die Kopten huldigen ihm noch heute. ın Assem. l. c. ©, 28, is) Assem. ©. 4. 19) In einem Buche de trinitate et incarnatione, Assem. 25 ff. Bal. befonders ©. 29. Die zweite monophyfit. Hauptflaffe: die Severianer. Xenatas. 165 ſelbſt, Gott Das Wort, fagt er, flieg vom Himmel und wohnte perfönlich in der Jungfrau, derfelbe ift aus ber Jungfrau Menſch geworben, aus ihrem Fleiſch und ihrem Gebein, perfönlich ohne _ Berwandlung; ift ein fichtbarer, taftbarer, zuſammengeſetzter Menfch geworden, während er als Gott in feiner Geiftigfeit, Fein⸗ beit und Einfachheit blieb, wie fie Gott ziemt. ?°) Derfelbe, der Gott ift, wurde Menſch, alfo auch berfelbe, der Gott ift, wurde geboren aus ber Jungfrau, aus der er feinen wahren Leib hat. Er ift nicht ein Anderer und Anderer, fein Anderer war das Kind das geſehen wurbe und ber erhabene hödhfte Gott, das Wort. Auch wuchs jene Eine Perfon Gottes, die Menſch wurde, nicht in eine Zweibeit empor, fonbern in allen Worten, Thaten, Wunbern und Leiden, wie verfchieden fie find, ift nur Ein und berfelbe Gott das Wort, Menſch geworden ohne Verwandlung, und wie Chrifto oder dem Sohne das Werf des Leidens und Todes zugefchrieben wird, fo ift es auch tadellos zu fagen, daß Gott ober das Wort gefrenzigt oder geftorben fei. Denn jener Eine Eingeborene in ber Welt Erfchienene und in allem Menfchlihen, außer ber Sünde Berfuchte ift Ehriftus, der Sohn von Natur, der Sohn von Natur aber muß aud Gott von Natur fein, bat alſo ber Sohn gelitten, der nicht ‚durch Gnade, fondern Dur Natur Sohn ift, fo Hat Gott gelitten und ift geftorben, nicht aber ein Menfch, der von ihm getrennt ober ihm folgfam ift, ober in welchem er wohnt, wie Einer in einem Andern. Er will Eine Natur weder fo daß - die Gottheit oder Menſchheit abforbirt würde durch Ber: wanblung ber Einen in die Andere, noch. fo, daß durch doppel⸗ feitige Verwandlung ober Vermiſchung ein drittes, gleichſam chemifches Probaft gefegt würde, fondern er will Eine Natur, bie aus zweien geworben, nicht einfach, fondern doppelt fei. Der technifche Ausdruck dafür wurbe wie gYvors avrderos oder wie gvor dıren. Seele und Leib find ihm und ben Seinigen gleich: falls das vornehmfte Bild, nur daß dieſe beiden nicht als zwei befondere Theile oder Subftanzen von ihnen können gedacht 2, Zenaias war, wie mande Monophyfiten gegen den Bilderdienſt, fa gegen die Abbilpung unförperlicher Weien. Gott müffe im Geiſt und in der Wahrheit angebetet werben. Assem. II, ©. 21. 166 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt IL. Kap. 1. worden fein. Um dieſes Bild unfchäblich zu machen, fagen nun bie Kirchenlehrer: auch der Menfch beftehe aus zwei Subftanzen, nur mißbräuchlich rede man von Einer menſchlichen Natur. *') Obwohl Xenaias in fo großem Anfehen der Orthodorie bei den Monophyſiten ftand, daß Severus im Streite mit Sulianus ihn um fein Urtbeil bat, fo ift doch eigentlich Severus, ber Patriarch von Antiochien feit 511, der wiſſen⸗ fhaftlihe Stimmführer des compacteften Theiles der Partei auch für die fpätere Zeit, und mit ihm befchäftigt fih auch vornems lich die bedeutendere Firchliche Polemif. Die nad) den Berichten über ihn vorhandene Schwierigfeit, feine Anficht zu treffen und . im Zufammenhange zu überſchauen mag fi theild durch feine Stellung zum Henoticon des Kaiſers Zenon erflären, dem er ſich anſchloß, in Folge deffen er mit feiner Partei fich als noch in der Kirche ftehend betrachtete, theilg im Zufammenhange bamit aus ber Stellung zu Eyrill von Aler., mit dem er in allen Hauptpunften eins fein wollte und war, deſſen Nuchgiebigfeit gegen das orientalifche Symbol auch mit in ben Kauf zu nehmen war. 22) Bei biefer Lage der Dinge wird man auf feine Worte genau achten müſſen; denn bei ber vermittelnden Stellung bie er fucht, fehmiegt er ſich den hergebrachten kirchlichen Formeln fo viel ald möglich an, gibt aber auch Ausfunft Über den Sinn in welchem er das thut. *) So ber römifche Bifchof Gelaſius I. de duabus naturis in Christo adv. Eutych. et Nest. Bibl. Max. PP. Lugd. T. VIII, 699 ff., 709. Daran ſchloß fi in der ſpaniſchen Kirche ver Lehrtropus an, daß Chriſtus ſei Eine Perfon aus drei Subftanzen (oder Naturen) sufammengefeßt; f.u. Gelaſius zieht wie Leo auch das heil. Abendmahl herbei. Wie die Elemente obwohl durch den heil. Geift in die göttliche Subſtanz verfeßt doch in suae proprietate naturae verbleiben, fo auch die menfchliche Natur in Chriftus. 22, Timotheus (nicht wie Leont. von Zerufal. will, der Ailurog, dgl. Gtefeleri.c. I, 7.) fagt nach Galland. T. XII, und A. Mai. 1. c. 138 er habe, wie Noahs Söhne, die Blößen des Baters Cyril!l zu deden gefucht und fet dadurch in den Schein von Widerfprüchen gefallen. Daß diefe nicht blos Schein feien, iſt die flets ſich wie: berholende Behauptung ver Polemil aus der Kirche gegen ihn. Severus, Patriarch von Antiochien. 167 Cyrill, fagt er, habe mit Recht gelehrt „aus zwei Naturen“, aber Daraus habe das Chalcenonenfe gemadt: „in zwei Naturen“, und nehme auch nad) der Unio eine fortbauernde arsoyaz auch ber Menfchheit Ehrifti an. Und Leo gehe fo weit, zu fagen, bag Chriſtus das Menſchliche gethan habe nach der menfchlichen Natur, das Göttliche nach der göttlichen, während vielmehr feit ber Unio Alles gottmenfchlich fein müſſe. Allein eine rein menfch- liche sveuyeım feße auch ein vein menſchliches Subftrat oder eine rein menfhlihe Monas voraus, neben der göttlichen: einen zweiten Brennpunkt als wirkende Urfache der rein menfchlichen Thätigfeit. Aber das zerftöre die Tebenseinheit. 2°, Wolle man nun dieſe Zweizahl von Subſtraten oder Subjerten (oͤpeoro ræ) nicht, fo müſſe man auch nicht die Zweizahl der Thätigfeiten wollen. Und wieberum, wolle man die Einheit diefer, fo müſſe man auch die Zweizahl der Naturen ausfchließen, als befonderer, für ſich beftehender Brennpunkte (uovades idwovorero). Er argumentirt alfo aus der gottmenfchlihen Beſchaffenheit der er: löſenden Thätigfeit für bie Einheit au ber Natur. Aber auf der andern Seite will auch er von ovalaı, Qvoeı, iSopuerre innerhalb der Perſon Chrifti reden. Er verwirft nicht blog den Eutyches, fondern will fo gut ad Neſtorius bie Eigen: fhaften auch der menfchlichen Seite fortbauernd ſetzen auch nad) der Unio und im Unterfchied von den göttlichen. Aufs Entſchiedenſte erklärt er fich gegen einen julianiftifchen Monopbyfiten, den Gram⸗ matifer Sergius fowohl wider bie Vernichtung der einen Natur durch Die andere, ale gegen eine Vermifchung beider durch Aus⸗ gleichung, ?*) vielmehr dauern noch verfchiedene Naturen unver: fürzs und unverändert, alſo, wie Leontius von Jeruſ. fagt, 23) A. Mai VII, 71. 5 ouvodog xal Adav — dvo giceg ei Xoroũ xai dvo ro reoy Evagyeing (puomas, al dırra Deinuara vgl. das flg. Frgm.) opwansvor usa z7v appaorov Evasır, Sıxalas avaße- natıldodasav, as ToV Eva Kopıorov eis dVo NEOGONa natausploavteg, ovᷣ ya Evegyel NoTs YÜcıg OUX bpeorada, 2%) Galland. XII, 736. Epist. ad Serg. II. age y&g Nex0n usw (beives Sergius Anfiht) 7 Evaoıs Ex Guyyuosag, aul ninavraı 4 Ourdeoi nal eis ulav ovsiay yersymgnoev; iva, ag Adyaıs, 9 Ayla Tows gviurdy zpiag, nal un Negirsov Noogonos nagadsirtau 168 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt U. Kap. 1. nach Quantität und Dualität gleichbleibend, in Chriftus fort. ?°) Und doch erklärt er fich aufs Beftimmtefte gegen eine fortdauernde Zweizahl der Naturen, der göttlichen und der menjchlihen und anatbematifirt die chalcedon. Synode. Wie reimt ſich das Alles ? Meint er etwa, wie wir das bei Cyrill fanden, nur dieſes: in Gedanfen könne man auch nad) der Unio nody die zwei Naturen unterfcheiden,, nur entfpreche ihnen nichts mehr in der Wirk: lichkeit obſchon aus zwei realen verſchiedenen Factoren bie wirk⸗ liche Einheit wurde? Ober läßt er bie Mehrheit der ovaraı zus weifen zu mit Beziehung auf den Urfprung biefer Perfon aus zwei Naturen, fofern man fagen fann, das Bewirkende daure im Bewirften doch auch irgendwie fort? Allerdings braucht er auch biefe Unterfcheidungen (die eine 3. B. A. Mai VII, 136°. 278b; bie andere 2806), aber fie genügen nicht, weil er wirklich ernſt⸗ lich, befonders im Kampf mit den Julianiften, eine fortdauernde Mehrheit von Naturen auch in Chriſtus will, ebenfo beharr- lich aber immerfort gegen Die Zweizahl von Naturen in Chrifti Perfon ſich erflärt. Wir werden nur dadurch Licht er⸗ halten, daß wir fagen: er hat das Wort Natur in dem Sinne genommen, wie man auch von ber Natur oder bem Wefen ber Gerechtigkeit und jeder Eigenfchaft fprechen fann. In dieſem Sinne bat er freilich eine Bielheit von Naturen in Chriſtus ‚auch nad ber Unio annehmen können, bie fih alle in Einem Brennpunkt vereinigen, bie im höhern Sinne Natur ix gYvow fei ober vnooraoıs; aber gegen bie Zweizahl der Naturen bat er ſich beharrlih verwahrt, weil da das Wort Naturen die Ber 25) Severus contra Joannem Grammaticum lib. II, cap. I, bei Galland. ZU, 735. xal to» &E 0» 7 Evadıs, usworıav dusiwrov nal dvalloıdrev &v ovvdlceı di Upeorairmy nal 0Ux Ev uovaaıy ldioavardzong ib. 736. Ad Serg. Ep. III, fagt er, er habe ven Zulianiften bewiefen durch viele Zeugnifie, man bürfe ven Immanuel nicht nennen, mas ovodag te xal noenrog nal dvog idiwparos. Kein Bernünftiger werde fagen, daß die Natur des Logos und vie befeelte, vernünftige Menschheit Hypoftatifch mit ihm vereinigt geworben fel mas oboiac xal nouırros. Das Wort pvoıs braucht er weniger gern inner: halb der Unio, doch im Sinne von ovoia läßt er es fih gefallen. . — — — nm — DR EW [uam ww“ Severus. 169 deutung zweier beſonderer Monaden, Brenn⸗ und Sammelpunkte von Eigenſchaften bekommen hätte, während er nur Einen ſolchen Focus in Chriſtus zugeben zu können glaubte. 26) Severus denkt alſo die Menſchwerdung ſo, daß alle menſchliche Eigenſchaften in ihrer Natur oder ihrem Weſen un⸗ verändert ſind, aber eingeordnet dem Ganzen der Hypoſtaſe und zwar ſo, daß die menſchlichen Eigenſchaften keinerlei eigenen Mittelpunkt oder Focus mehr haben, keine beſondere Monas mehr bilden, ſondern die Brennpunkte ſeien Eins geworden, die Monaden ſeien zuſammengeſetzt, die Subſtrate der Eigenſchaften beider Naturen ſeien nicht mehr für ſich (uorades Idioovorazo.) fondern bilden eine Syntheſe, ?) und alle Idiome haben ihre Subfiftenz in biefer zufammengefesten Hypoftafe oder Natur. Daher müfle man fi nah dem Borgange des Weifen, des Dionyſius Areopagita, des Ausprudes bedienen: durch bie Menfchwerbung Gottes (ardöpwderros Heov) fei Eine gottmenſch⸗ fie (Heardoınn) Natur und Hypoftafe mithin eine zufammens gefegte entflanden und babe auch eine neue, die gottmenfchliche Thätigfeit, als eine zufammengefegte gelibt (Heardoın erdoysı). Am Tiebften führte Severus für feine Anficht das Wandeln Chriſti auf dem Meere an. Es fünne dieſes doch nicht rein menfchlich genannt werben. Anbererfeits fomme ebenfowenig ber göttlichen Natur für fi das Mandeln zu. Es fei alfo gott menfchlich. 7) Wie könne man ba noch mit Leo fagen: „ber *, Dbige Erflärung wird belegt durch das Fragment ib. 736: ava- Oenarilovisg rolvvv Tovg dumpodvrag Tbv Eva xlorov Hera 11% Evacır 17 dvadı tar piosar, ob di auro zo Adyaım gVgaıs # lödryrag, 7 &vepyslag inavadenarıodsrrsg tovro Yyaudv, alla da To Adyav dvo. Diele Monophyfiten Tagten: as agıduös Idinovorazav sorl örAwrınog. A. Mai VII, 648 und 278b. Aus der Schrift gegen ben Örammat.: idov, zb udv dVo oxonsiv, ı7 Yartacıiı Tov vo u0Vor Epieraı dtanpivorros ı7v dtapopav 179 ag Ev nororyr pvoınz' ib. 279: nög ob xarayblacıov nal 6 Asyeıy dVo ldrözmracs- 7 5Vo Evsp- yalas; noAl& yag Eorı anal ov Bo HOvor änddıng PVosac. 27) Galland. XII, 735. Ep. ad Solonem. =) A. Mai. ©. 286. 286. — 170 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. Logos wirkt was bes Logos, der Leib was bes Leibes ift; jener ſtrahlt in den Wundern, biefer unterligt dem Leiden?“ Da habe man nur eine relative Gemeinfchaft der Naturen, eine Einheit ber Beziehung (oyerım xoswria Tor noppar zul vnO yroumng diadsoewg) wie fie Neftorius wolle Sage man aber: bie menfchlihe Natur fei durch den Logos in deſſen SHerrlichfeit und Kraft gerüdt, fo fei Das wahr, aber nur fei Damit wieder Leos Wort im Widerfprudh: „jede Natur bewahre unverrüdt ihre Eigenthümlichfeit.“ Vielmehr babe der Logos in manchen Fällen der menfchlihen Natur nicht geftattet, nad ihren Ge⸗ fegen thätig zu fein, 3. B. bei jenem Wandeln auf dem Meere und bei der Auferftehung. Beides gehe über die Gefege der menſch⸗ lihen Natur, fei eine theilweife Aufhebung berfelben. Denn ber Tod traf den Leib nach phyſiſchem Geſetz (gegen bie Yulianiften A. Mai VII, 287), wie auch die Lanze ihn phyſiſch verwundete, weil der Logos freiwillig wollte; und fo lag auch die Aufer- ftebung über das Geſetz des geftorbenen Leibes hinaus. — Die Kirchenlehrer fuchten ſich durch die Unterfcheidung zwifchen dem Widernatürlichen und Webernatürlichen zu helfen. Solche Kraft: mittheilung Seitens des Logos gehe zwar über bie menfchliche Natur, fei aber feine Beraubung an ihr, feine Aufhebung, fondern eine Erhöhung ihres Weſens. Es iſt aber fchon bemerft, daß fie dadurch in Widerfpruch famen mit ber fonftigen Lehre von ber Wefensverfchiebenheit beider Naturen. Denn benfen wir biefe Kraftmittheilung ohne Maag, fo hat die menfchlihe Natur als ihr Eigenthum und wahres, ja wahreres Wefen bie gött- lichen Eigenichaften, die das göttliche Weſen conftituiren. Man fönnte freilich denfen, Severus werde im Kampfe mit ben Julianiſten genöthigt gewefen fein, doch wieder an bie Stelle gottmenfchlicher Thätigfeiten einen Unterfchied zu fegen zwifchen menſchlichen und göttlichen. Aber er Fonnte fagen: obwohl bie Eigenfchaften ver menfchlichen und der göttlichen Natur unver; Andert in Chriſtus bleiben, fo find doch beides Eigenfchaften ber Einen zufammengefegten Natur oder Perfon des Logos; biefer bat ſich diefe Eigenfchaften und Leiden der menfchlichen Natur angeeignet, und je nachdem fein Werk es verlangte den Leib Severus. 171 feinen phyſiſchen Geſetzen überlaffen und das menfchliche Leiden fih angeeignet, oder feine göttliche Energie bewiefen und daran den Leib Antheil nehmen laffen. Bon Juli an unterfchied er fich dann fo, daß er die Geſetze des menschlichen Reibes nur momentan fufpenbirt fein, potentiell aber fortbauern Kieß, während Julian auch eine folche momentane araunoıs der menſchlichen Seite als einen Beweis gegen die unveränderte Fortdauer der menfchlichen Figenfchaften und daher für folgerichtiger das anfah, überhaupt flatt dieſer Unveränderlichfeit eine Verwandlung des Fleiſches Ehrifti in die göttliche Uniterblichfeit feit der Unio zu flatuiren. Die menſchliche Seele Chrifti zog Severus, wie bie bisher beſprochenen Monophyfiten überhaupt, nicht in nähere Der trachtung. Die Stelle: nicht wie ich will, ſondern wie du willft, fagt er, beweife feinen vom Göttlichen getrennten Willen, ber Sag drücke nicht Feigheit des Willens Chrifti aus, noch einen Gegenſatz in Chriſtus; fondern er fei ein Wort der Lehre (für uns). Vielmehr habe der Logos ber den Tod nicht fürchten fonnte, Das Nichtfterbenmollen des Menſchen ſich felbft zu eigen gemacht, aber auch dem Fleiſch freiwillig geftattet, das Leiden auf fi zu nehmen, wofür es phyſiſch empfänglich war (I. c. 288) , fo daß alfo auch bier nirgends blog Menfchliches oder Göttliches, fondern überall Gottmenfchliches fei. Diefe Auffaffung fuchten Die Severianer dann auch zu beweifen. Niemand nehme Anftand den Menfchen mix pvans zu nennen, obs wohl er doch aus Seele und Leib, zwei verfchiedenen Subftanzen beftebe : ganz ebenfo müffe es möglich fein, Ehriftus mix gvoıs zu nennen, obwohl Böttliches und Menfchliches in ihm ohne Vers änderung vereinigt fei. Lehre man zwei Naturen, aber geeinte, fo müffe man auch Eine Natur Yehren aber eine zufammenges fegte (A. Mai. VII, 62 ff). Wolle man das nicht, fo müſſe man aud zwei Subftrate vrooraoeıs, fü nooowr« fegen. Denn auch wenn man nur in Gebanfen die Naturen ober Subftanzen unterfcheide, fo denfe man fofort auch die Perfonen (nooowze) mit, fofort bilde egliches wenn es gefondert werbe, eine eigene Geftalt für fih. Dagegen ſchwinde fogleich die in Gedanfen und Fantaſie gefegte Dyas von Hppoftafen und Perfonen, wenn. man 172 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 1. als in der Syntheſe fubfiftirend die Naturen benfe, welche bie Eine Hypoftafe und Natur des fleifchgeworbenen Logos bilden ; jene Dyas laufe in Eines zufammen (ei; &r zu) nemlich in bie aus beiden beſtehende Eine Hypoftafe, die nun folgerichtig bie Perfon heiße (A. Mai 279x). Obwohl die Monophyſiten eine menſchliche Seele Chrifti annehmen, fo redet doch Die erfte mehr phyſiſch gerichtete Klaſſe, bie ihre Spige in den Aphthartodoketen und Aftifteten hat, faft nur von dem Leibe Chrifti und feiner Verherrlichung burch ben einwohnenden Logos. Bei Severus fanden wir in Beziehung auf ben Willen Chrifti die Lehre, daß der göttliche und menfch- liche Wille nicht, blos durch die Beziehung auf das gleiche Ob⸗ jeft, fondern durch die Identität des Willensprinciped Eines feien, und fo fehr er von Eutyches, Diosfur, Timotheus ſich zu unterfcheiden fuchte, indem er in ber Einheit ber Natur - ober Perfon Chrifti noch die Differenz der göttlichen und menſch⸗ lichen Seite aufbewahrt dachte, fo. wollte er doch in Beziehung auf die Seele eine Verſchiedenheit zwifchen dem Menfchlichen und Göttlihen weder im Willen noh im Wiflen annehmen. Allein wenn von ihm die Unvollfommenheit bes Leibes, feine Sterblichkeit u. f. w. auf Rechnung ber allgemeinen Geſetze menfchlicher Natur gefchrieben wurde, die nur momentan fufpens birt werben konnten, fo fihien die Folgerichtigfeit in Beziehung auf bie Seele Ehrifti etwas Aehnliches, nämlich die Annahme zu verlangen, daß zwar durch das Wirken des Logos momentan oder doch theilmeife bie Befchränftheit der geiftigen Energie der menſch⸗ lichen Seele Chrifti aufgehoben werben fonnte, aber nicht fo, daß nicht diefe Befchränftheit ale Potenz übrig geblieben wäre. Und fo trat denn na) Severus Tode ber Diaconus Themiftiug in Werandrien auf mit ber von den andern Severianern (in Aegypten Theodofianern) verworfenen Lehre, daß Chriſti menfrhliche Seele uns in Allem auch im Nichtwiſſen gleich geweſen fei. 2) Auch ‚ in ben Evangelien fage er, dag Niemand, auch nicht der Sohn, 2%, Galland. XII, Leont. Byz. de sectis. actio X, cap. III, ©. 654. actio V, cap. VI, ©. 641. vgl. Photius Cod. 280. Severus. Die Agnoeten. Themiftius. 173 fonbern allein der Vater die Stunde wife, er frage, wo habt ihr Lazarus hingelegt ? worin ein Nichtwiſſen liege. Bon ihren Gegnern unter den Monophyfiten wurden fie Agnveten genannt, und namentlih yon dem feverianifchen Biſchoff Theodoſius zu Mlerandrien, dem Nachfolger bes Timotheus befämpft (der aber bald durch den Pöbel verbrängt zu Gunfen des Gajanus eines Julianiſten, dann von Suftinian wieder eingefett, und endlich nad) Byzanz verwielen wurde). Themiftius wie Koluthos 80) will, wie Chriſti Willen und Thätigfeit, fo auch fein Wiffen ald Eins benfen; denn der Erfennenbe fei eben ſo Einer gewefen, wie der Wollende und Handelnde. Ob er eine Selbftentäußerung des Logos auch in Beziehung auf das Wiffen annahm, oder nur der Einheit ber Perſon wegen ein Sichaneignen auch des menfchlichen Prädifats des Nichwiſſens (womit fich freilich kaum ein klarer Gebanfe verbinden laßt), laßt fi bei dem Mangel der Quellen nicht ausmachen, wohl aber war diefe Frage auch in der Kirche noch keineswegs zur Entfcheidung gebracht. Man follte nemlich bei der Firchlichen Lehre von der Zwei⸗ heit der Naturen erwarten, daß die Lehre der Agnoeten, bie fich nur als eine Feine Partei von den Severianern abzweigten, um fo mehr Anklang bei den Kirchenlehrern gefunden habe. Und in der That fehlt e8 auch nicht an Solchen, die ihr. günftig find, dahin gehört beſonders aus der fpäteren Zeit (um 610) Leontius von Byzanz, welder daraus, dag wir ein Näichtwillen haben, Chriſtus aber ung wefensgleich heiße, fowie daraus, daß bie Schrift Luc 2 von feinem Fortfchritte in der Weisheit ſpreche, „fo wie aus dem Zeugniß vieler, ja faſt aller Väter“ fchließt, es müſſe Chriſtus ein Nichtwiffen beigelegt werden. Aber obs ihon es allgemeine Lehre war, daß Chriſtus auf Erden nad feiner Menfchheit wuchs, fo bielt Doch 3. B. Hieronymus (ed. Vallars. T. VO, 34. in Ps. 15) für beffer, die Stellen, die auf ein Nichtwiffen deuten, auf die Kirche als auf ihr Haupt zu⸗ beziehen. Achnlih Ambrofiug in Luc. 2, 52. meinte, nostra °) A. Mal. 1. c. 788. Cotel. Monum. L c. 899. 406 ffı 174 3Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 1. ignoratione nescit, non quia aliquid ipse nesciret ; nähmen wir zwei Principien ber Spntelligenz oder ein Doppelerfennen an, fo wäre zu fürchten, daß wir Chriftum theilen. Fulgentius be: zeichnet es als Irrthum, zu meinen, die Seele Chriſti habe nicht das volle Wiſſen ihrer Gottheit, mit ber fie die Perfon gemeinfam hat. Und auch Beda in Luc. 2 fagt zwar, das Wachfen zeige bie menfchliche Seele, aber auch: Chriſtus fei von der Stunde der Empfängniß an voll Weisheit gewefen, denn diefer Menſch fei in feinem Momente etwas Anderes gewefen ald Gott. Aehnlich fagt Alcuin (ad Carolum 1. II, 11): der Seele Chriſti darf nichts fehlen am göttlichen Wiffen, da fie mit dem Wort Eine Perfon in der Trinität it, das ift Chriſtus. Und Ddiefe Lehre wurde immer mehr die berrfchende, wobei die gewaltthätigften Aushülfen nicht ausblieben. Die gemöhnlichfte war, Chriftus babe öconomiſch, b. h. um der Menfchen willen nicht zu wiſſen feheinen wollen ; er wolle nur fagen, daß er für feine Jünger das Wiffen deſſen nicht habe, was fie nicht tragen fonnten, und wornad) fie fragten. Wenn er aber frage, fo fei das fein Zeichen des Nichtwifleng, fondern eine Aufforderung zur Rede, Einleitung eines Geſprächs. 3") In diefem Stücke wechſeln alſo die Rollen vollftändig, Mono: phyfiten werden Agnseten, die Chalcedonenfer, welche doch auf bie Doppelheit der Naturen ſich ftellten, huldigen dem, was man bei den Monophyſiten erwarten follte, fo daß auch innerlich eine beftimmte Abgränzung zwifchen beiden Parteien nicht Statt fand wie äußerlich durch das Henotifon ihre Gränzen eine Zeit lang unfenntlic wurden. 3?) 31) Vergl. Beda Venerab. ed. Colon. 1688. Tom. III, 245 — 247. Gregorius von Tours fagt zu der Stelle „auch der Sohn weiß ben Tag des Berichtes nicht“: Diefer Sohn if ter Adoptivſohn d. h. die Menfchheit, daher auch die Engel voranfteben. 8%), Auch das darf man vielleicht hiebher ziehen, daß eine Reihe von Monophyſiten feit dem sten Jahrhundert lehrt: ver aus Maria Geborne ift vollfommner Gott, volltommner, vollftändiger Menſch, der Eine Perfon hat aus zwei Perfonen und Eine Ratur aus zwei Naturen. (Assem. 1. c. II, 125). So die Patriarchen Theopofius, Johannes um’ 969) Athanaſins und Dionyfins V. (ähnlich d. Neftorianer f. 0. ©. 87. 88). Man Kirchl. Lehre v. Chr. Wiffen. Krifeim Monoph. Jakobiten. Niobiten. 175 Seit Juftinian, der die Monophyfiten, nad anfangs milderer Behandlung, beftig verfolgte, reift der bis dahin fo lebendige Verkehr zwifchen ihnen und ber Kirche mehr ab. °3) Ihrer Patriarchen und Vorſteher beraubt, wurden fie jetzt vor: nemiih durh Jakob Baradai zufammengehalten, ber als Bettler verkleidet die monophyfitifchen Gegenden durchzog, Bifchöfe ordinirte, und einen kirchlichen Verband herſtellte, vornemlich in Syrien. Aber die wiffenfchaftliche Blütezeit war für fie vorüber. Unter philofophifch gebildeten Anhängern entftanden Zweifel, ob die mittlere Stellung, welche in der Chriftologie Scverug und die Jakobiten, Damianus, monophyfitifcher Patriarch von Ale randrien und Petrus d. J. von Kallinifo einnahmen, auch halt: bar fei. Stephanus, ein alerandrinifcher Soppift, mit bem Zunamen Niobeg, 9%) Iehrte, man fünne nad ber Unio nicht darf fchmwerlih mit Affem. u. A. nur fagen: fie verwechfeln Natur und Perfon in der Chriftslogie, wahrend fie in ver Tri— nität das nicht thun. Sondern fie lehren (ariftotelifh), eine Natur (das xowo», universale) fönne nicht gedacht werben ohne Perfon, ohne ein Einzelweſen darin fie fei, daher die Chalce donenfer, wenn fie zwei Naturen Ichren, auch zwei Perſonen foffen annehmen müflen. Sie nun, die Monophpfiten, feien eonfequent, indem fehr wohl Eine Natur (in der Zrinität) in mehren Perfonen erfcheinen Tonne, aber wenigftend in Einer nothwentig beſtehen müſſe; andererfeits es in Chriftus nicht bleibe bei den zwei Naturen, die nothivenvig auch zwei Perfonen wären, fondern das fei ja das Wefen ver Incarnation, die zwei Raturen und Serfonen Eine werden zu laſſen. So umfafle Eprifti Eine Ratur und Perfon nach der Menſchwerdung als zufammengefeßte oder als Syntheſe beide in fih ald dem Ganzen, vergl. Ass. II, 137. 152. Fieri nequit, ut natura sit nisi in persona. Denn nirs gends fei eine natura „zu finden absque persona (außer in einem Einzelmwefen, iöındv); ähnlich die Neftorianer (f. o. ©. 86 ff.), die fh noch früher als die Monophpyfiten, (feit Ibas, Ass. II, 85. 154) mit Ariftoteles befchäftigten und ſich viel mit dem Problem abs gaben, mie aus zwei Hypoſtaſen oder vroxsiussa, für fih beſte⸗ benden Befonverheiten, Eine Perfon werten könne. 3) Freilich nur, um im Monotheletismug innerhalb der Kirche ſelbſt für die monophyſitiſche Anfhauung eine Stelle zu öffnen. 34) Assem. bibl. orient. II, 72—77. Aus ber Kirchengefchichte bes 176 3weite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt II. Kap. 1. mehr (feverianifch) von dem Bleiben des Unterſchiedes in dem natürlichen Wefen der Dinge, aus welchem Chriſtus fei, reden und machte fich fo zum Bertreter der anfänglichen und jirengern Lehre der Monophyfiten. Ad Damian ihm entgegentrat, be⸗ gründete er feine Anficht fo, daß, wenn‘ein Unterfchieb in den Dingen, aus welchen Chriſtus befteht, bleibe, man nicht umhin fünne, auch die Naturen zu trennen und zu zählen, was auch bie ftete Behauptung der Kirchenlehrer war. Damian verdammte feine Lehre. Nun famen aber um diefe Zeit zwei gelehrte berebte Monophyſiten Probus und der Archimandrit Joannes Barbut mit dem monophufitifchen Patriarchen Petrus von Antiochien nad Alerandrien. Probus befhlog den Stephanus in einer Schrift zu widerlegen; aber, was auch der Grund mag geweſen fein, (der Patriarch Petrus ſoll Die Hinneigung des Probus und Johannes zu ber Anfiht des Stephanus frühe bemerkt haben) nach Abfaffung der Schrift gieng Probus offen zu bes Stephanus Anficht von der Unhaltbarfeit Der feveriantfchen Mit: telftellung zwifchen Chalcedon und dem firengen Monophyfitismus über, Johannes geheim. Sie verbreiteten durch Briefe. und Reden ihre Anjichten in Alerandrien, bis fie von Damianug vertrieben, Probus auch abgefegt und ercommunicirt, ſich nah dem Drient begaben, wo fie mit fo viel Erfolg beſonders bei ben. Mönchen wirkten, daß der Patriarch Petrus auf beren Andringen fich veranlaßt fah, eine Synode in Guba, dem fpäteren Sig der jacobitifchen Patriarchen zu veranftalten, auf welcher Johannes den Beweis verfuchte, daß Probus mit Unrecht abgefest fei. Aber dieſe Synode ercommunicirte Beide, fo wie alle ihre Anhänger. Petrus fchrieb im Namen der Spnobe eine Schrift, in der er den Lehrbegriff des Severus ald den orthoboren hinftellte, namentlich die Fortdauer eines Unterfchiedes ber Naturen, aus welchen Chriſtus befteht, auch nach der Unio, aber ohne Trennung und ohne Zweizahl. est giengen Jo hans nes und Probus zum chalcenonenfifchen Bekenntniß über. Theil: — — — —— — monophpfitiſchen Patriarchen Dionyfius; cf. Photius Cod. IXIV. Niobiten. 177 weiſe gewiß aus Wankelmuth; wenigſtens ſoll Probus, ſpäter Biſchof von Chalcedon, vor ſeinem Lebensende zum Monophyſi⸗ tismus zurückgekehrt ſein; jedoch iſt bei dialektiſch gebildeten Männern auch begreiflich, daß ſie in der Schwebe der Severianer nicht zu bleiben vermochten, ſondern zuerſt verſuchten, den mono⸗ phyſitiſchen Gedanken folgerichtig durchzuführen, und die Berech⸗ tigung, eine beſondere Kirchenpartei zu bleiben, ſich zu begründen ſuchten, dann aber, als dieſes nicht blos nicht gelang, ſondern die nothwendige Conſequenz der Aufhebung alles und jedes Un⸗ terſchiedes, der Doketismus ſich ihnen zeigte, mehr Folgerichtigkeit in der chalcedonenſiſchen Lehre fanden, die freilich auf die Dauer auch nicht befriedigen Fonnte. jedenfalls haben fie, nad bem Tode des Petrus 591, mit großem Eifer in und um Antiochien für das chalcedonenſiſche Concil in Schriften und in Disputa⸗ tionen mit Mönchen aus allen monophyfitifchen Klöſtern gewirkt, und die Folgewibrigfeit zu zeigen gefucht, zwar eine Differenz der Naturen amzunehmen, die Zmeizahl aber zu verwerfen. Gie brachten ed auch dazu, daß fehr viele, befonders ganze Städte um Antiochien zur chalcebonenfifchen Lehre übergiengen. Für die übrigen Monophyfiten hatte aber dieſes Refultat der niobi⸗ tifchen Sontroverfe die Wirfung, fie defto mehr in die mono⸗ phyſitiſche Tradition einzufchließen, indem nun die Lehre des Severus auch die Schlüffe einer orientalifhen Synode für fi hatte. Die Gefchihhte des Monophyſitismus zeigt ung eine Frucht⸗ barkeit und Schärfe des Geiftes in biefer Partei, fomwie eine Kraft der Angriffe, Die von den orthodoxen Lehrern der großen Kirche nicht konnte überfehen oder gering gefchägt werben. Ber: nehmen wir jetzt noch die vornehmften Gründe, melde bie Bertheidiger des Chalcedonenſe gegen die Monophyfiten, befonders bie Severianer ‚vortrugen. 95) Wenn bie zwei Naturen gänzlich 35) Bergl. Galland. Biblioth. T. XI. Rustici diaconi disputatio contra Acephalos, S. 39 - 76(um d. %. 550). Anastasii Sinaitae patriarchae Antiocheni oratio III de divina oeconomia i. e. incarna- tione, (um d. 3. 570) ©. 246—251. Eulogii Alexandrini (um 580) Dorner, Ehrikologie. II. 2te Aufl. 12 178 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt U. Kap. 1. Eine find, dann find fie Eine Natur. Nun fagen aber bie Severianer felbft, daß in Ehriftus Das Eine Natur fei, was nicht gänzlich Eines fei, alfo fei ihre Eine Natur doch auch wieder nicht Eine Natur. — Bilden beide Seiten Eine Natur, fo find. fie deſſelben Weſens derſelben Subftanz, fo hat Chrifti Gottheit baffelbe Wefen wie die Menſchheit. Aber Das Iehnen die Mono» phyfiten felbft ab, mithin haben auch fie nicht Eine Natur, fon bern bifferente. — Sie geben zu, Chriftus fei aus Gottheit und Menfchheit und nady der Unio in Gottheit und Menfchheit. Aber fo gewiß das Erfiere zweierlei Naturen bedeutet, jo gewiß müffen fie die Zweiheit auch bei ben Lesteren zugeben, um fo mehr, als fie feine Unio der Bermifchung wollen, fondern zwei zufammengegangene Naturen. — Wenn fie befennen, Chriſtus ſei aus zwei Naturen, aber verwerfen, baß zwei Naturen in ihm feien, fo fei zu fragen, ob das, woraus Einer ift. und befteht, nicht in ihm fei? Sn wen denn fonft, wenn es überhaupt ift? Aber freilich, fie erflären ſich befonders gegen die Zweizahl; „was man zähle, dag trenne man,“ als ob man nicht auch zähle, was geeint fei und einige, was gezählt werde. Die Zahl für fich bes zeichne weder Trennung noch Berbindung, ebenfo wenig bas Weſen einer Sade, fondern drüde nur das Ouantum aus; es werde daher von ihnen auf die Zahl ein zu großes Gewicht ge capita VII de duabus naturis etc., ©. 310. Leontii Byzant. scholia de sectis, ©. 625 ff.644 ff. (um 810). Eiusdem Libri tres contr. Eutychianos et Nestnrianos, ©. 660 ff. Eiusdem solutiones argumentationum Se- veri, 708-715. Eiusdem dubitationes hypotheticae, 715—13. Leontii Monachi Hierosolymitani (um 610)apologia concilii chalcedon. 719 — 737. Serner A. Mai. Tom. VII, ©. 10 ff., cap. VI, ©. 18, cap. XI, ©. 40 ff. 46. 52 ff. Leontii quaestiones adv. eos, qui unam dicunt naturam compositam J. Ch., ©. 110-155. Anastasius presbyter contr. Monophys. 192 ff.” Eustathii monachi ep. ad Timoth, Schol. de duabus naturis contr. Severum, ©. 277—291. Bo öthius de dua- bus naturis etc., f. u. um 510. Justinianus imperator contra Mo- nophysitas, 292—313. Joannes Damasc. de natura composita adv. Acephalos. Nicephorug und Gelafiusg find oben erwähnt. Zu den fcharffinnigften Gegnern der Monophpfitenlehre gehören mehre Schriften des S. Maximus Opp. T. IL UI ed. Combefia. J. legt. — Sind der Logos und das Fleiſch in keiner Weiſe Zwei, ſo ſind ſie in jeder Weiſe Eins. Aber dann iſt das Wort ſelbſt Fleiſch, und das Fleiſch Wort, gleich ewig und gleichen Weſens »mit dem Vater wie das Wort. Denn find das Wort und das Fleiſch Eine Natur und ift Die Natur des Wortes und die Natur bed Vaters Eine und diefelbe, fo ift auch die Natur des Fleiſches und bes Vaters biefelbe, und Da es ſich ebenfo mit dem DI. Geift verhält, fo wäre nicht das Wort, fonbern die Trinität Menſch. — Die Severianer nennen felbft die Eine Natur zufammengefekt. Da nun bie Natur des Logos einfach ift, fo mögen fie angeben, wie ſich bie einfache Natur Des Wortes dem unterfcheide von Shrifti zufanmmengefegter Natur? Offenbar durch die Dienfchheit, bie zu ber Gottheit binzufommt. Wenn daher Die zufammenge: feßte Doch nicht einfach fei, fo fei fie zweifach und zwei Naturen feien zu lehren. — Hat Chriſtus nie eine doppelte Natur gehabt, fo fann man auch nicht mehr von einer Unio reden; hat er fie aber gehabt, wann foll die Doppelte Natur Eine geworben fein, und was fol biefe Eine fein: die Natur des Annehmenden ober des Angenommenen? aber was ift dann aus ber andern gewor⸗ . ben? Beſtehen aber beibe, wie find fie Eine? Ober ift Chriſti Natur ein neues Drittes, aus beiden Zufammengefegtes? Aber dann ift Chriftus andern Weſens als der Bater, weil biefer nicht zufammengefegt if. — ft die Einheit zwifchen dem Logos und dem Bater doch unmöglich weniger innig, als die Einheit zwifchen ben Logos und dem Fleiſch, und ift gleichwohl der Vater und das Wort eine Zweiheit; wie follen das Wort und das Fleiſch in feiner Weife zwei fein? (Diefer Grund traf befonders bie Tritheiten unter den Monophpfiten.) — Die Monophpfiten fagten: bie Natur ift nie weniger, als die Perfon, ſchließt das Perfon- fein bei Vernunftwefen in fih, fo daß, wer zwei Naturen an⸗ nehme, aud) zwei Perfonen fegen müfle. Die Mehrzahl trenne, die Monas fei ohne Quantität und daher an ihre felbft isn. Die Orthodoxen entgegnen: das iöınor werbe Durch die Hypoſtaſe bezeichnet, die Natur aber fei der Ausdrud für das xoro» (AU: gemeine). Seien nun bie zwei Naturen nicht Eins nad) ber, Hypoftafe, fo feien fie Eins nad) der Natur. Sei aber Gottheit 12 * Kirchliche Beſtreitung des Monophpfitismus. 179 180 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt II. Kay. 1. und Menfchheit Eine Natur, fo fei dieſe eine Natur der Gattungs⸗ begriff, der unter ſich die Gottheit und die Menſchheit habe, welche ja doch auch in Ehrifti zufammengefetter Natur irgendwie fortbauern follen. Seien nun Gottheit und Menfchheit zwei Be⸗ fonderheiten (Arten oder Individuen) unter bemfelben Gattungs⸗ begriff, fo verhalten ſich Gottheit und Menfchheit in Chriſtus zu einander wie zwei Individuen, und an diefem Punkte fchlage ber Monopbyfitismus in Neftorianismus um. *6) Mithin müfje man auf die Einheit der Natur in Chriſtus verzichten, fie babe ihre Stelle in der Trinität, wo fie das allgemeine göttliche Weſen bezeichne, zu welchem dann die befonderen Brennpunfte charak⸗ teriftifcher Eigenthümlichfeiten kommen, fo daß Verſchiedenheit ber Hypoftafen bei Einheit der Natur fich ergebe. Aber in der Chriſto⸗ logie verhalte es fich gerade umgefehrt. Da fei, wenn man nicht neftorianifch Tehre, Einheit der Hypoftafe und Verſchiedenheit ber Naturen zu feßen, in beiden Dogmen aber bezeichne die Subftanz oder Natur das Allgemeine oder Mehreren Gemeinfame (die gött- liche Natur Chrifti ift Natur auch des Vaters und Geiſtes, bie menfchliche auch Die Natur aller andern Menſchen), die Perfon das individuelle iöınor, was alfo fowohl den Sohn von Vater und Geiſt unterfcheidet, als den Gottmenfchen yon andern Menfchen. Perſon unterfcheidet fi) von der Natur, wie das Accidens, Hin⸗ zufommenbe von der Subftanz. In Gott freifich iſt dieſes Acci⸗ dens, das Hppoftafe iſt, unauflöglich mit dem Wefen verbunden, ja im Verhältniß zum Wefen nicht Accidens zu nennen, fondern im Berhältmiß zu ben andern Perfonen. Die Monophyſiten bas gegen brauchen das Wort Natur, wie wir „Weſen“ fowohl vom Allgemeinen als vom Befonderen ober Einzelweſen. Alled actu Eriftirende muß nad) ihnen als Beſonderes eriftiren; das Allges meine eriftirt nicht etwa bios auch in Beſonderem, fondern nur als fi) Befonderndes. Daher der Tritheismus unter den Mono⸗ phyfiten bei Johann Afusnages und Joh. Philoponus.?”) — —⸗ 26) Galland. loc. cit, 714b. 2) Bergl. Niceph. Eccl. bist. L. XVII. c. 47. 49. Wohl bewanbert in platonifher und befonvers ariftotelifcher Philoſophie ſuchte er Beftreitg. des Monoph. Vertheidigung der Monoph. Ppiloponus. 181 Wo ber Streit wiffenfhaftlich geführt wurde, da fam man immer auf bie Frage Über bas Verhältniß zwiſchen Natur und Perſon. Die Neftorianer und bie Monophyſiten ſprechen fich barüber gleich aus und flehen in demſelben Gegenfat zu ben Definitionen und ontologifchen Säten der Kirchenlehrer, indem fie behaupten, die Natur könne nicht unperfönlich fein; wo eine gvors fei, ba fei auch eine vmooraoıs. Daraus folgte nach ben Neftorianern, bag in Chriflus, weil zwei Naturen, auch zwei felbfländige Hypoſtaſen fern müffen, obgleih in Einen Chriſtus in ſ. Aceryric (Schiedsrichter) durch dialektiſche Nothwendigkeit zu feiner Anficht zu führen. Man könne von Weſen oder Natur in boppeltem Sinne reden, einmal als von einem Gemeinbegriff oder Gemeinbild opne Bezug auf eine confrete Eriftenz. Sodann aber auch, wenn man fie als gemeinfame Natur (Gattungswefen) benfe, exiſtirend in Individuen, in jevem Individuum Eriftenz oder Zürfichfein gewinnend, aber nicht anders exiſtirend als in biefen Befonderungen ; und wag jede von dieſen hat, das hat fie allein, denn das unterfcheivet fie von dem Anvern. So Iehre nun auch die Kirche in der Trinitätslehre. Die drei Subfiftenzen oder Perſonen feien real unterſchieden durch ihre Eigenthümlichkeit. Bas könne nun die Eine göttliche Natur Anveres fein, als ver Gemein: oder Gattungsbegriff, der nicht real, ſondern nur in der Betrachtung von jeder ber Perfonen unterfihieden fe? Diefen Gebraud des Wortes Natur, wonach darunter hie zum Indivi⸗ duum geworbene allgemeine Natur, oder die Natur, wie fie feinem andern Individuum weiter zufommt, zu verfieben fet, fehe man auch aus der Lehre von der Einheit ver Gottheit und Menfchheit in Ehriftus. Denn nicht jene gemeinfame Gottheit, deren Begriff man in der Zrinität dent, nimmt man als incarnirt an, weil fonft auch Bater und Geift incarnirt wären; ebenfo wenig die gemeinfame Menfchheit als angenommen, denn fonft wäre ber Logos mit allen Denfchen auch den Fünftigen unirt. Diefe allge meine Ratur eriftirt überhaupt nur im Begriff; eine reale gött- liche Ratur gibt es nur, fofern fie in Bater ober Sohn oder Geifl eriftirt. Diefenige göttliche Ratur nun, die in ber Perfon des Sohnes befteht, fagen wir, hat fich incarnirt und wieder nicht bie allgemeine Menfchheit für fih, fonvern eine partitulare Eriftenz der Menfchheit allein angenommen. — Hienach individuirt ſich die allgemeine Ratur ewig in fich ſelbſt, ja exiſtirt gar nicht andere als individuell. 182 Zelte Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 1. irgendwie vereint. Die Monophyſiten aber, weil fie zwei Per fonen f&hlechthin verwerfen, verwerfen auch bie Zweiheit der Nas turen, mit ber ihnen bie Zweiheit der Perfonen gegeben fcheint. Daß jede Natur auch Hypoſtaſe fei, fuchen fie fo zu beweifen: Das Wefen oder die Natur fer das allen Individuen einer Gat⸗ tung Gemeinfame (dad xoır0r); aber biefes eriftire nirgends für fih, fondern nur in einem Individuellen. Folglich könne das Weſen nur in Gedanken für ſich gedacht werden, aber es fei nicht real für fih. Ob es an ihm felbft real fei, oder nur nomina= liſtiſcher Begriff, darüber war Damit noch nichts entfchieden. Aber es folgte Daraus, daß eine reale Menfchheit nur ald id:n beftehe, und ebenfo die Gottheit. Alles isıxo» aber nennen fie vuoozaaıg ; -vnooreoız iſt ihnen das Weſen felbft, aber als indivibualifirtes . Einzelmefen, und die ovorz oder gvors ift alfo wefentlih Ein: zelmefen. Jedes beftimmte idıxor oder Die umonzaoıg ift im Ders hältniß zum Allgemeinen, dem Wefen (oder Gattungsbegriff) ein Accidens, das zum Weſen Hinzufommende; jedoch muß ein idıxor binzufommen, damit das Wefen eriftire. Ferner unterfcheidet ſich Dad idıno» von anderm ihm Wefensgleichem durch diejenigen Merfmale, die ihm allein unter allen eigenthümlich find. Hieraus ergab ſich der Schluß für Die monophyſ. Chrijtologie, daß die Natu: ren nicht anders real gedacht feien, als wenn fie auch bypoftatifch oder als idırov gedacht find. Das Problem wäre, dag göttliche iöınor des Sohnes und das menfchliche des einzelnen, Menfchen Jeſu (in welchen iöıxois auch das Weſen gegeben ift von beiden) in eine Einheit zu bringen. So wenig es mm angienge, aus zwei Hppoftafen derſelben guos oder Gattung Eine zu mas hen, fo handle es ſich doch bier um die Einigung zweier ver: fhiedener Naturen. Diefe fann nun nicht dadurch bewerf: ftelligt werben, daß das boppelte iö.xo» beider geeint wirb, wäh⸗ rend das Wefen ungeeint bleibt; denn ba müßten bie Wefen für fi), getrennt von ben geeinten iöwxois beftehen können, fie können aber nicht für fich beftehen, fondern nur in Individuen. Es wäre da auch nur in dem Aceidentellen, dem idıno» eine Einheit erreicht, in ber Hauptſache, der guoıs, wäre nichts gefchehen, die guneıs, wenn fie in der Zweiheit blieben, müßten, um zu exiſtiren, zu Geſchichte d. Kirchent. v. dem Generiſchen n. Individuell. in Chriſtus 183 einem doppelten iö:x0r, je ihrer Art tendiren. Mithin lohne es den Verſuch umgefehrt zu beginnen, und bie Einigung an den goes vor Allem ſich vollziehen zu laſſen. Gelinge biefes, habe man aus den zweien Eine, neue, in ihrer Art einzige pvoıs (die Xowrorns , das theandrifche oder gottmenfchliche Wefen), dann gelte auch von die ſer ovoi« ober pro, daß fie nur als id oder in einem Individuum eriftiren könne, fo fei auch die Ges fahr befeitigt, Daß dieſes Weſen in Chriftus zwei Hypoftafen bringe. So fei Ehriffus eine individuelle Perfon gottmenfchlichen Weſens. °®) Die Kirchenlehrer gewannen biefer Debuction gegenüber nicht fogleih und allgemein. einen ficheren und klaren Standpunkt. Zwar ihre Bedenken gegen die Einigung im Gebiete der Naturen, ihre Furcht vor einer unehrerbietigen Verwandlungs⸗ oder Vermi⸗ fhungslehre traten fogleich hervor. Aber fie wußten nicht fogleich, ob fie zugeben follten ober nicht, daß jede guoıs real nur eriflire als idınor. Nicht wenige meinten Anfangs, fagen zu müffen, daß in Chriſtus nicht eine individuelle Dienfchheit eriftire, weil Daraus die Monophyſiten fofort eine menfchlidye Hypoftafe ableiteten, fon- dern das allgemeine Wefen der wahren Menfchheit, nicht als Begriff, fondern ald reale Fülle gedacht, fei vom Sohn Gottes angenommen, und bier ſchloß ſich dann leicht diejenige Form ber myftifchen Chriftologie an, wornach in Chriſtus Die Totalität ber Menſchheit als in dem zweiten Adam beſchloſſen ift. ?°) se, Chriſtus ift den Monophyſiten gleichfam eine ganz eigenthüümliche, lebendige, unauflösliche, zur Entelechie gewordene Syntheſe, bie nicht dadurch begriffen wird, daß fie in ihre Beſtandtheile aufge löst wird, denn dabei gienge gerade ihr Charakteriftifches, das fie vom Göttlichen und Menfrhlichen unterfcheidet, die XKexoröıns over das Chri ſtusweſen verforen. =” Anaftafius Sinaita le c. 10-12: Die Subftanz iſt feine partifulare Natur, fondern univerſale. Unfer ganzes Wefen (to- taım massam nostram) hat Chriftus angenommen und iſt geworben der Erfiling unferer Ratur. Denn weil er das Ganze was gefallen war erretten wollte, das ganze Gefchlecht aber gefallen war, fo fentte er fih ganz dem ganzen Adam ein, das Leben dem Geftor- benen, drang in die Ganzheit veffen ein, mit bem er geeint war, das Banze befeelend gleihfam als die Seele eines großen Leibes. ‘ 184 Zweite Yeriode. Erfte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 1. Allein da die Monophyſiten entgegneten, das führe zu einem Nihilianismus, denn wenn Chriftus Die ganze Menfchheit anges nommen habe, aber nicht ein beftimmtes Menſchliches, fo fei er nicht Etwas geworden; ſei er aber nicht Etwas, ſo ſei er Nichts; So geißt das Menfchengefchlecht Leib Chrifti, als welcder durch Alle gleichmäßig hindurchgeht und doch in jevem einzelnen Gliede befonvers wohnt nah dem Maße des Glaubens, denn die Glie: der-bezeichnen eine Befonderheit, und was ihm gilt, gilt nidt von der Gefammtheit des Körpers. Und da der Apoftel von Leib und Gliedern fprach, bezeichnet er zwar ben Unterſchied zwifchen der Gattung und dem Theil, aber da er uns nicht die Gattung Eprifii nannte, fonvern feinen Leib, fo fagt er damit: Chriftus fei mit der Allgemeinheit unferer Subftanz geeint, nicht aber mit einer befondern Inpivipualität, denn fonft hießen wir nicht fein Leid und feine Glieder. Er wollte ung alle und ganz zu feinem Gewande oder Leib maden. Er ift beides, Gott und Menſch, aber nicht ein Gott und ebenfowenig ein Menich, er ift als Gott und Menſch durch allgemeinere Ramen bezeichnet, denn er befteht nicht aus befondern Hypoſtaſen, fonvern aus den allge: meinen Subflanzen. (Man fieht hier deutlich, daß Anaſtaſius fowenig als die Monophyfiten Individualität von Hppoſtaſe uns terfcheivet, daher vom Zugeflänpnig menfchlicher Individualität Doppelperfönlichkeit fürchtet.) Dan ann auch nicht fagen, daß er ein Theil der Subftanz fei, denn die Theile der Subflanzen find wieder Subflangen, und was man Theil nennt, hat doch wieder die Art des Ganzen völlig an fih, und fo wird er das Ganze zu nennen fein (dynamifh 9) und nicht ein Theil: denn man kann nicht von ber Theilung der Subftanz reden, wie von ber einer Kugel. Chriftus if alfo nicht dadurch Menfrh geworden, daß er einen Theil der menfchlihen Natur annahm, fondern das Ganze. — Ebenfo dürfe man auch nicht fagen, er habe nur einen Theil der göttlichen Subflanz angenommen, den Sohn. Denn der Unterfhied von Theil und Ganzem fei nicht auf Gott an« wendbar. Gott fei auch als Sohn feine natura particularis spe- cialis oder singularis Orat. I de S. Trinit. c. 18 ©. 240. Und Ruſtikus ib. ©. 40 fagt: Chriſti göttlihe Natur ſchließt auch den Bater und den heil. Geiſt ein, und feine menfchliche Subflanz die übrigen Menfchen. Diß ſchließt fih an die ältere Lehre an, daß Epriftus anapyyr avilafs ou Yusıdoa pupanaros, biefe anaoxy {ft aber durch ihn auch aoxn Anfang und Princip univerfeller Art, eine univerfale Kraft ver Wiedergebärung Aller durch feine neue Geſchichte der Kirchent. v. nem Generifchen u. Individuell. in Chriſtus. 185 ferner wäre da Chriftus das allgemeine menſchliche Gattungs⸗ weſen; aber es fei Dem Gattungswefen weientlich, allen Indivi⸗ duen derfelben Gattung zuzufommen, und es müßten baher alle Menichen Chriſtus fein: fo zog man fich hievon zurück, und geftand ein *0) individuell menfchliches Weſen in Chriſto zu, *%) wie ver: Menſchheit. Johannes von Damaskus wendet dieſes fo: es feien zwar nicht alle Berfonen in Chriftus geftorben und auf: erſtanden, wohl aber fei diefes unferer ganzen Natur in ihm wiverfahren. L. IH, c. 6. ©. 213 ed. Lequien. Alfo nicht blos ein Menſch noch eine rinzelne Menfchennatur, aber auch nicht wir nach unferer Perfönlichkeit, aber wir nach unferer Natur find vom Logos angenommen. Bir find nad unferer Natur in ihm auferflanden, gen Himmel gefahren u. f.w. Theodor Abukara, zu feiner Schule gehörig (Opuscula II, ©. 386 ff.) fucht die uni⸗ verfale Bedeutung der Menfchheit Chriſti mit feiner menfchlichen Individualität und Einzelpeit zu verbinden. Man könne nicht fagen, daß Eprifti Denfchheit und Chriſti befeelter mit Intelligenz begabter Körper Daffelbe feien. Sagen wir: er hat die Menfchheit angenommen, fo ift das die DMenfchheit unfer Aller, vie wir Men» chen find, während dagegen fein Leib und feine Seele fein vor: nemlich ift, denn fonft wäre er uns nicht weſensgleich oder müßte ber Leib des etwigen Sohnes ver Leib unfer Aller fein, die wir Menfchen find. Das Allgemeine ift ihm dabei nicht Nichts, fein bloßes Gedankending, aber es ift unförperlich, nicht in die Sin» nenwelt fallend und univerfal, fichtbar wird dieſes Införperliche erft durch die idicrmrsg Hprorıxal, die individualifirenden Prädikate. Man fieht übrigens hieraus deutlich den phyſiſchen Erlöfungsbe: griff der Zeit. Theodor Abuk. VI,452: Ein in Honig getauch⸗ ter Melonenkern foll die Süßigfeit, wenn er gefäet wird, auf der Frucht mittheilen ; fo habe Chriſtus, Indem er die Menſchheit, wie fie vor ber Sünde war, annahm und in den Honig feiner Gottheit tauchte, auch uns Theil an ver Süßigkeit gegeben ac ol KORXOL Tod NENOW0G Ta an Avımy apa xal nara Sundoxyv (per traducem). Bergl. Theodor Abuf. 1. c. II, 398 ff. und die Stelle bei Eu- thym. Panopl. P.I. Tit. VI. Die Gegner fuchen durch die Frage die Ehalcedonenfer in die Enge zu treiben: bat der ewige Sohn ein alfgemeines Wefen (xoım0v ıı neayua, rbv nadokov ardponer) oder uspınav zı ettvas Individuelles angenommen? Antworten fie: ven allgemeinen Menfchen, over das generifche Weſen, fo heißt es: diefes fällt ja nicht in die Sinne; wie kann ein Unleibliches 186 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. ſchieden babei auch bis tief in's Mittelalter hinein bag Prineipium individuationis mochte gebadht werden, fei es quantitativ als Ne⸗ gation (orEonoı), Yimitation der Gefammtfülle der Gattung, fei es als Bereicherung des allgemeinen Gattungsbegriffs; fei es als son außen durch bie Materie (oxo£) bewirkt, fei es als ein qua⸗ litatives, inneres Princip. Für die kirchliche Stellung zu dieſen Fragen iſt beſonders bes Boethius Werk gegen Neſtorius und Eutyrhes ) epoche⸗ bildend geworden mit feinen Definitionen von natura, substantia, persona, bie er den griechifchen pvous ober ovoie, vrootaaıs und noooozov gleich fest. 1?) Er nun gibt zu, daß jedes Wefen ober jede Natur individuell eriftire; aber ben monophyfitifchen Schluß fih einigen mit einem Leiblihen? fo bliebe Chriftus unfichtbar, wie e8 die allgemeine Natur if. Und da das Allgemeine mehreren Subjelten zukommt, fo hätte er viele Hypoſtaſen, überhaupt aber wäre dann Chriftus ung nicht wefensgleih, denn wir find arora. Lautet aber die Antwort: ver Sohn hat nepıxov ardgumor angenommen, fo ergeben ſich zwei Dypoftafen (Neftorianifih). Es fet, wird von den Kirchenlehrern geantwortet, feines von jenem beiden, fonbern vielmehr zu ſagen: er habe Yuaıv usoıxs avdguns angenommen, b. i. aröus, indem er zur Hypoſtaſe berfelben warb. Diefe Natur des Einzelmenfchen iſt zwar on, Ev aroum db. eı) Boöthii opp. ed. Basil. 1546. "De duabus naturis et una persone Christi adv. Eutychen et Nestorium ©. 948— 957. 2 S. 951: Natura est cujuslibet substantiae speciflcata proprietas; persona vero rationabilis naturae individua subsistentia. 960: Hujus (Eutychetis) error ex eodem quo Nestorii fonte prolabitur, nam sicut Nestorius arbitratus non posse esse naturam duplicem quin persona fleret duplex, atque ita cum in Christo naturam duplicem con- fiteretur, duplicem credidit esse personam, ita quoque Eutyches non putavit naturam duplicem esse sine duplicatione personae. Er fragt dann noch befonders, wie denn aus zwei Naturen Eine werben könne? Nicht anders, als indem entweder die eine aufhöre, indem fie fih in bie andere verwandle, 3. B. ein Tropfen Wein in's Meer gegoffen, oder indem die zwei Dinge ſich mifchen und gegenfeitig mopificiren, fo daß aus beiden ein neues Drittes ents fiebe, das weder das eine ift noch bas andere, indem beide agendo und patiendo durch einander beftimmt feien, wie 3.8. durch Miſchung von Honig und Waſſer ein neues Drittes werde, ver Meth. I) Das Generiſche u. Individ. in Chriſtus. Theodor Abuk. Bosthius. 187 laßt er nicht gelten, daß mithin, wer zwei Naturen in Chriſtus lehre, auch zwei Individuen oder Perfonen habe. Nicht: zwei Perfonen; denn es könne wohl eine Natur exiſtiren, ohne Hypo⸗ ftafe oder Perfon zu fein, wie bie ganze unvernünftige Natur beweife ; alfo der monophyfitifche Begriff von Perfon fei zu phyſiſch,“ fege fie mit phyfifcher Individualität gleich. Nur bie geiftige Natur Fönme auch perfönlich fein. Es fei alfo wahr, daß Chriftus als wirklicher Menfh ein menfchliches Individuum nad) feiner phyſiſchen Seite fein müſſe; aber damit feien noch nicht zwei Perfonen in dem Einen Chriftus gegeben. Aber auch nicht wie fpätere vervollftändigend beifügen, zwei Inbivibuen. Denn zwar zwei Individuen beffelben Weſens (Paulus, Petrus) fünnen nicht eines werden, aber bier fei von Wefensverfchiedenem bie Rede. Dazu fomme, daß bie göttliche Natur des Sohnes fein Individuum oder Theil, Gott nicht Gattung fei, das wäre tritheiftifch. Das heißt wohl: gegen den Sohn Gottes, der nicht ein Theil Gottes, fondern ber ganze Gott fer, Tonne ſich die menfchliche Individualität nicht fo felbftändig und ausfchließend verhalten, wie gegen eine andere menſchliche Individualität. — Sie fahren fort: +?) Eine geiftige Natur, alfo auch die Chriſti, fönne zwar allerdings nicht ohne Perfünlichfeit fein, aber daraus folge nicht, daß fie an ihr felbfr müffe perſönlich fein, um wirf- ih zu fein. Die geiftige menfchliche Natur könne ber Perfon bes Sohnes einverleibt fein, fo fei fie nicht ohne Serfon. Durch den affımirenden Aft dieſer göttlichen Perfon werde eine nad Leib und Seele individuelle menfchlihe Natur gebildet, Die von ber realen Menfchheit nur ein individueller Theil, nichte- beftoweniger fo befchaffen fei, daß, was zum allgemeinen Be⸗ griff menfchlicher Natur gehört, in aller VBollftändigfeit und Rein: beit darin enthalten fei. Die monophpfitifche Lehre aber, indem fie in Chriſtus eine neue Yvow annehme, und zwar ald idr, führe dahin, daß wie überall, fo auch hier Die gvaıs der Xurororng eine mehrfache Individualiſirung haben, alfo Chriftus feine Ein: jigfeit verlieren werde. 3) Bergl. 3.8. Leontius de sactis Act; VIL bei A.MaLL c. T. vu, S. 62ff. S. 13f. 19. 20, ud 188 Zweiie Periode. Erſte Epoche. Abfcpnitt IL Kap. 1. Diefe Polemik gegen den Monophyfitismus zeigt deutlich genug, daß bie Kirchenlehrer Natur und Perfon nicht blos unters ſcheiden, fondern auch ein Fürfichfein der menfchlichen Natur ohne eigene Perfünlichfeit annehmen mußten ; **) ferner daß, wenn fie denn doch die beiden Naturen zu einer Einheit bringen wollten, fie dieſes doch nicht anders zu bewerfitelligen vermochten, ale indem fie dem Apollinarismus ähnlich, die VBolftändigfeit ber menfchlihen Natur nicht behaupteten und im Gebiet der persona eine ganz ähnliche Bermifchung ober Transsubstantiatio annahmen, wie die Monophyfiten im Gebiete der Natur. Nur die menſch⸗ liche Individualität bewahrten fie für bie menfchlihe Natur Chrifti; *°) im Uebrigen bat troß bes Eifers für eine vom Sohn Gottes unterfchieden bleibende menfchlihe Natur biefe feinerlei Selbftändigfeit, fie fubfiftirt nur in dem Logos. Er ift Das Sub: ſtanzielle, fie ıft nur das felbfilofe Aceiventelle, wie auch Das individuell Menfchlihe in Chriſtus im Verhältniß zum menſch⸗ lichen Gattungswefen nicht als deſſen wahre reine Erfcheinung, fondern als das Accidentelle gedacht iſt. Dabei ift unverkennbar, daß die Kirchenlehrer im Begriff der natura und persona fi) nicht gleich bleiben. inerfeitd fagen fie: persona non subsistit . praeter naluram ; bie natura fei das bie persona Tragende, biefe babe ihr Beftehen in der natura, welche in fo fern nicht accidens, fondern Subftanz fei; ja Die persona fei im VBerhältniß zur Natur das Accidentelle (ovußeßrxos). Sp, menn von Menfchlihem die Rede if. Wenn man nun aber hievon die Anwendung auf die Gott: beit machen wollte, fo wird eriwiebert: in Gott fei nichts Acci- bentelled ; es habe vielmehr 3. B. die Perfon des Vaters nicht — — | 24) Ebenſo wurden die Kirchenlehrer zu einer beſtimmteren Unterſchei⸗ bung der oͤnboraoc und der Yuoıs oder ovoia auch in der Gottheit Chriſti durch den Einwurf veranlaßt, daß, wenn die Natur des Sohnes Menſch geworben ſei, die ja auch die Natur des Baters und Geiftes if, fo feien auch diefe ihrer Ratur nach Menfch ges worden. ) Wiewohl auch diefe nicht ficher geftellt ifl, wenn die persona in Chriſtus der Logos iſt, von persona aber die obige Definition bes Bosſthius gilt. Innere Berwandtfchaftzw. der kirchl. Richtung sec. 6u. dem Monoph. 189 wie ein Accidens fein Beftehen in einem Andern, fondern in fid; was juft die Definition der Subftanz if. Werner nimmt in Shriftus die göttliche Perfon oder Hypoftafe die Stellung ein, daß fie das Tragende für die menfchlidhe Natur oder das iſt, worin diefe ihr DBeftehen hat. *%) Was heißt das aber anders als daß, was auch gefagt werben möge über das Berhältnig von Ovoi« Ober pvors zur vrooraons im Allgemeinen oder in Anwen: bung auf eine der Naturen, doch immer bie Menfchheit zur Gottheit in das Verhältniß des Accidens kömmt, das feine Sub: flanz in dieſer Gottheit hat? Da nun aber auch der Monophyſitismus, obfchon er die Einigung im Gebiete der Natur will bewerfftelligt fein laffen, doch die menfchliche Natur nicht etwa als eine göttliche Weſensbe⸗ fimmung mit Apollinaris auffaßt und fie fo ewig fichert, fons dern die menfchlihe Natur nur als felbftlofes Accidens an der göttlichen Natur denkt, *7) mag immerhin feit der Unio die götts lihe Natur als ebenfofehr der menfchlichen eigen gedacht fein wie umgefehrt — fo erfennt man wohl, wie im legten Grunde bie beiden Parteien von einander nicht fo entfernt waren wie fie glaubten. Die Monophyſiten bezeichnen nur den Nisus eine inni⸗ gere Einheit der Naturen zu erreichen als die Chalcebonenfer, leiften aber für ben Nachweis der inneren Zuſammengehörigkeit bes Göttlichen und Menfchlichen nicht mehr als dieſe. Die Ehals cebonenfer wiederum bezeichnen ben Nisus ein wahrbaftes und relativ felbftändiges “Menfchliches ohne Vermifchung und Ders *#) Leontius bei A. Mai. l. c. ©, 52 (und ähnlih Belastung): Das dvvnoorarov — die menſchliche ova« — ſei was ev äriop öyeı 1b elvar, nal oux Ev davrp Haopsitaı, die Unooraaıs dagegen xal Tor roũ nad avro alvam Aoyov nardyaı. Zivar avunöorarog Fünne man bie (menſchl.) gvaıs nicht nennen, aber daraus folge nicht, daß fie vrnooraaıs fei, fie könne ihr Beftehen haben in einem andern, — der göttlichen Hppoſtaſe. Die Monophyfiten fagen auch, die Einheit der Perſon bleibe bei den Chalcenonenfern nur etwas Acciventelles, Eigenfchaftliches; fei nichts Reales. Bergl. die intereffante Erörterung des Bars hebräus sec. 13. Assem. 1. c. II, 288 ff. und des Elias sec. 8, Ass. II, 96, - 188 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 1. Diefe Polemik gegen den Monophyſitismus zeigt beutlich genug, daß bie Kirchenlehrer Natur und Perfon nicht blos unter feheiden, fondern auch ein Fürfichfein der menfchlihen Natur ohne eigene Perfönlichfeit annehmen mußten ; *') ferner daß, wenn fie denn doch die beiden Naturen zu einer Einheit bringen wollten, fie dieſes doch nicht anders zu bewerfftelligen vermochten, als indem fie dem Apollinarismus ähnlich, die Vollftändigfeit ber menſchlichen Natur nicht behaupteten und im Gebiet ver persona eine ganz ähnliche Bermifchung oder Transsubstantiatio annahmen, wie die Monophyfiten im Gebiete der Natur. Nur die menfchs liche Individualität bewahrten fie für die menfchlihe Natur Chriſti;““) im Uebrigen hat troß bes Eifers für eine vom Sohn Gottes unterſchieden bleibende menſchliche Natur dieſe Teinerlei Selbftändigfeit, fie fubftftirt nur in dem Logos. Er ift das Sub: ftanzielle, fie ift nur das felbftlofe Accidentelle, wie auch bag individuell Menſchliche in Chriſtus im Verhältniß zum menſch⸗ lichen Sattungswefen nicht als deſſen wahre reine Erfcheinung, fondern ald das Accidentelle gedacht ift. Dabei ift unverkennbar, daß bie Kirchenlehrer im Begriff der natura und persona ſich nicht gleich bleiben. Einerſeits fagen fie: persona non subsistit . praeter naturam ; die natura fei bag bie persona Tragende, biefe babe ihr Beftehen in der natura, welche in fo fern nicht accidens, fondern Subftanz fei; ja Die persona fei im Verhältniß zur Natur das Arcidentelle (ovußeßrnos). Sp, wenn von Menſchlichem die Rede if. Wenn man nun aber hievon die Anwendung auf die Gott: beit machen wollte, fo wird erwiedert: in Gott fei nichts Acci⸗ bentelles; es babe vielmehr 3. DB. die Perfon des Vaters nicht ) Ebenfo wurden die Kirchenlehrer zu einer beftimmteren Unterſchei⸗ bung der Undoraaıs und der Yuoıs oder ovoia auch in ber Gottheit EHrifti durch den Einwurf veranlaßt, daß, wenn die Ratur des Sohnes Menſch geworben fei, die ja auch die Ratur des Baters und Geiftes ift, fo feien auch diefe ihrer Ratur nach Menfch ge worden. 5) Wiewohl auch dieſe nicht ficher geflellt ift, wenn die persona in Chriſtus der Logos if, von persona aber die obige Definition bes Bosſthius gilt. Innere Berwandtfchaftzw. der kirchl. Richtung sec. 6u. dem Monoph. 189 wie ein Accidens fein Beftehen in einem Andern, fondern in fi; was juft die Definition der Subftanz if. Ferner nimmt in Chrifius die göttliche Perfon oder Hypoſtaſe die Stellung ein, daß fie das ZTragende für die menſchliche Natur oder das ift, worin dieſe ihr Deftehen hat. *) Was heißt das aber anders als daß, was auch gefagt werben möge über das Verhältni von Ovoia Oder pvors zur vaooraoz im Allgemeinen oder in Anwen⸗ dung auf eine der Naturen, doch immer die Menſchheit zur Gottheit in das Verhältniß bes Accidens kömmt, bas feine Sub: flanz in diefer Gottheit hat? Da nun aber auch der Monophyfitismus, obfchon er bie Einigung im Gebiete der Natur will bewerfftelligt fein laffen, doch die menfchlihe Natur nicht etwa als eine göttliche Weſensbe⸗ fimmung mit Apollinaris auffaßt und fie fo ewig fichert, fon: dern die menschliche Natur nur als felbfllofes Accidens an der göttlichen Natur denkt, “) mag immerhin feit der Unio bie götts liche Natur als ebenfofehr der menschlichen eigen gedacht fein wie umgelehrt — fo erfennt man wohl, wie im Testen Grunde bie beiden Parteien von einander nicht fo enifernt waren wie fie glaubten. Die Monophpfiten bezeichnen nur den Nisus eine inni⸗ gere Einheit der Naturen zu erreichen ald die Ehalcenonenfer, feiften aber für den Nachweis der inneren Zufammengehörigfeit bes Göttlichen und Menfchlichen nicht mehr als dieſe. Die Chal⸗ cebonenfer wiederum bezeichnen den Nisus ein wahrhaftes und relativ ſelbſtändiges Menſchliches ohne Vermiſchung und Ber: ““) Leontius bei A. Mai. 1. c. ©. 52 (und ähnlich Gelaſius): Das svunoosaror — die menſchliche ovain — fei was sv ärdop öxeı rd elvar, xal ovx &v Javım Demgsitaı, die Undoracıs dagegen xal Toy ou nad" avıo alvam Aoyov xardyeı. Zwar avunöoraros fünne man die (menſchl.) guos nicht nennen, aber daraus folge nicht, daß fie vnocraaıs fei, fie könne ihr Beftehen haben in einem andern, — der göttlichen Hppoſtaſe. ) Die Monophyfiten fagen auch, die Einheit der Perfon bleibe bet den Chalcenonenfern nur etwas Acciventelles, Eigenfchaftliches; fei nichts NReales. Vergl. die intereffante Erörterung des Bars hebräus sec. 18. Assem. 1. c. II, 288 ff. und des Elias sec. 8, Ass. II, 96. 190 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfıhnitt I. Kap. 1. wandlung zu gewinnen, fommen aber im Grunde, obwohl fie es ſich nicht geftehen — doch folgerecht auch nicht über die monophyſitiſche Anfchauung der Infubftantiation - des Menfchlichen in der Gottheit hinaus. Mögen fie auch die Subſtanz, in welcher die Menſch⸗ heit ein felbftlofes Beftehen hat, Hypoſtaſe nennen, für das Ver⸗ hältniß ber Gottheit zur Menfchheit ändert das nichts Weſent⸗ liches. Dig ift der Hauptgrund, warum Monophpfitifches immer wieder innerhalb der Kirche rekrudescirt. So ift nad) dem langen vergeblichen Kampfe der Sieger zu Chalcedon mit ben ſich nicht gefangen .gebenden Beftegten um bie Mitte des fecheten Jahr: hunderts in der Kirche felbft. Die monophpfitifche Strömung wieber jo mächtig, daß der Dreifapitelftreit eine Zurüdziehung der Gunſt beweist, die der antiochenifchen Richtung zu Chalcedon überwies gend zu Theil geworben war. Juſtin ian fette ja fogar auf der Synode v. J. 553 die Formel durch, welde das ergänzende Seitenftüd zu dem Yeoroxos bildet, daß Einer aus ber heis ligen Dreieinigfeit für ung gefreuzigt if. An dieſe Strömung ſchloß fih im folgenden Jahrhundert die monotheletifche Bewe⸗ gung an. Andererfeitd aber blieb das Gefühl, daß das Mono⸗ phyfitifche Die Wahrheit ver Menfchwerdung aufheben müßte, gleich: falls Iebendig und erzeugte bei den Chalcedonenfern eine immer . fteigende Reaction gegen das Monophyfitifche, vor deſſen Siege fie dur) das Vorhandenfein einer monophufitifchen Gegenkirche fo Tange als der Firchliche Hauptſchauplatz die griechifche Kirche ift, gefchügt waren. Wie die Neftorianer, fo fuchten feit der Verfolgung durch bie Kaiſer auch die Monophyſiten vornemlich jenfeits der Gränzen bes griechifchen Reiches einen Haltpunft zu gewinnen. In Syrien, Armenien und Aegypten mächtig, blieben fie in lebendigem Zuſam⸗ menhang, befonders durch die Mönche vermittelt, bis die Gefahr bes einbrechenden Muhamebanismus und die Schwächung Des Reiches durch die monophyfitifche Partei den Kaifer Herafliug zu neuen Vermittlungsverfuchen bewog. s) Doc diß führt ſchon zum monotheletifchen Streite über. 2 Es gibt noch jeßt monophyſitiſche Nationallirhen, ſowie zer freute Gemeinden, diefe in Syrien, Mefopotamien, Perſien, Spätere Geſchichte des Monophpfit. Abyffinien. 191 welde noch Jakobiten heißen, jene in Armenien, Aegypten und Abpſ⸗ finien. Die Abyffinier fliehen (vgl. Gobat, Bafeler Miffiong- magazin 1834, 1. 2) noch bis auf diefen Tag wie verzaubert an berfelben Frage, die ven alten Monophyfitismus befchäftigte. Ihr Metropolit (Abuna) fleht noch unter dem alerandrinifchen (foptifchen) Patriarhen. Das Eine Natur aus zweien geworten fei, {fl ihre allgemeine Lehre, vie Art wie, das ift Gegenſtand ihres Nach⸗ denkens und Streited. Wie bei den Jakobiten im bewußten Zus fammendange mit Ephrem ſowohl für das heil. Abendmahl als bie Menfchwerbung dem heil. Geift eine große Nolle zugetpeilt wird, indem er ald bas den Logos und die Menfchheit (im Abend mahl die Elemente) verbindende Princip gedacht iſt, fo fchließen fih die drei riftofogifchen Anfichten in Abyffinien an die Lehre vom heil. Geift an (1, 286). Die erfte in Tigre ausgebreitete, von einem ver lebten Abunas aus Aegypten ftammente ifl: Inter dem heil. Geiſt, womit Chriſtus gefalbt wurde, fei feine Gottheit zu verfteben, die des Beiftandes des heil. Geiftes nicht bepurfte, va fie ihn ewig beſaß. Chriſti Gottheit felbft alfo fei das Band zwifchen der menfchlichen und göttlichen Natur und mache beive zu Einer Natur. Zefus habe fich felbft gefalbt und nicht ein ans derer (vgl. ©. 172); die zweite in den Provinzen Godſcham und Laſta nimmt an, die Bereinigung der göttlichen mit der menſch⸗ lichen Natur fei durch den heil. Geift bewirkt worden. Die dritte in ben übrigen Provinzen und in Schoa herrſchende Anficht meint, der Menſch Jeſus fei zwar von feiner Empfängniß an mit ter Gottheit vereint, habe aber auf dieſelbe Weife, wie auch wir, den heil. Geift als Gabe des Baterd empfangen, um als Menſch das Erlöfungswerf vollbringen zu können und die Salbung mit dem heil. Geifte nennen fie die dritte Geburt des Sohnes. Diefe dritte Anfiht fogar an Adoptianismus erinnernd, betont offenbar die wahre Menfchheit Chrifti mehr als die andern zwei, Tann bie Goftmenfchheit im Anfang nur potenziell annehmen, und drückt ven Gedanken, daß die fleigende Verwirflichung des gottmenfchlichen Lebens ein wirklich Neues brachte, durch das Wort: dritte Geburt aus. Indem fie fih aber dafür auf Joh. 3. berufen, wo die Ge⸗ burt aus dem heil. Geift eine neue Geburt heiße, leben fie an ber Grenze der Anfiht, welche einen Antheil an ber menfclichen Unreinigfeit au Chriſtus von Maria her zufchreibt, wiewohl fie das nicht zu Ende zu führen ſcheinen, ſchon des herrichenden Mas riencultes wegen. — Einige fcheinen auch erfi nad der Himmels. fahrt oder nach dem Weltgericht die Vereinigung beider Naturen zu Einem Weſen anzunehmen (S. 110). Wir haben alfo hier den Verſuch, auf monophyfitiiher Grundlage nicht blos den Un: 19% Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt IL Kap. 1. terfihien beider Seiten, ſondern auch fogar einen fortgehenven, ſteigenden Proceß der aktuellen Menfchwerbung zu conftruiren und fo dur Zuziehung der Lehre von der Salbung mit dem heiligen Geifte der Forderung einer wahrhaft menſchlichen Entwidlung gerecht zu werden. Der Alt der Menſchwerdung ſetzt Anfangs nur die gottmenfchliche Potenz; die aktuelle Gottmenſchheit kann erft durch die Salbung , alfo Entwidlung und Steigerung der Menſch⸗ heit verwirklicht werben. Das Berhältniß freilich des heil. Geiftes und des Sohnes bleibt im Dunkeln; die Monophyſiten lehren mit den Griechen nicht, daß der heil. Geil auhb vom Sohn ausgehe. Dabei fcheint es freilich auch wiever, daß Einige (S. 105) diefe bie Menfchheit Chriſti betreffende Salbung nur ald Weihe oder Ausrüflung zum Amte anfehen, alfo ihr Feine conflitutive Bes deutung für Chriſti Perfon beilegen; während Andere Chriſti Ans tpeil am Heil. Geift mehr in Analogie feßen mit dem unfrigen. Die armenifchen Monophyfiten hielten fidy, vielleicht nor von Barfumas her, meift an Julian von Halicarnaß (As- sem. II, 292. 296). Das ift noch jetzt ihre Ehriftologie, (vergl. Ass. Diss. de Monophys. D). Sie behaupten, nah Barhebräusg, mit der Union unmittelbar ſei Eprifti Leib vollfommen geworben, nicht erft allmählig gemwachfen, oder leidensfähig, oder verlegbar gewefen, nicht flerblich oder gefchaffen, oder von umfchriebener Geſtalt. Die Beichneidung habe er nur fiheinbar erlitten, er habe nur gefchienen zu fpeifen, in Wahrheit aber nie gegefien, außer fo, wie bei Abraham. (Unter Athanaſius im Jahr 726 ver einigte fi momentan der armenifche Katholitos Johannes mit dem Erfteren, aber fie giengen bald zu Julians Lehre zurüd. Dagegen ftehen die ſpriſchen Jakobiten und die ägpptiſchen in kirchlicher Gemeinfchaft. — Die alten Seften find unter ben jeßigen Munophpfiten fat verſchwunden.) Sie ſelbſt nannten fi gern Diafrinomenoi (Proteftanten gegen das Chalc.). Analog mit jener armenifchen Meinung ift die Xehre bei manchen Abyffiniern, daß überhaupt die menfchliche Seele ſich nicht erfi mit dem Leibe entwidfe, fondern vom 40. Tage an volltommen und fertig in den Leib eintrete.e Schon Zenajas hatte das wie bei allen Menfhen, fo auch bei Chriſtus angenommen. Doch wien ans dere Monopppfiten, wie Dionyfius Bar Salibi, 3ohannes von Dara, Jakob von Sarug, Jakob von Eveffa u. U. hierin von ihm ab und lehren, daß in demfelben Augenblid das Wort ſich mit Seele und Leib verbunden habe. Assem. II, 158. 159. Im Abendmahle nehmen viele Monophpfiten, wie Bar Salibi und Bar Hebräus zwar die reale Gegenwart Eprifti an, aber ohne Berwandlung ver Elemente, vielmehr in der Art, die wir Spätere Geſchichte des Monophyfitismus. 193 bei Ephrem und der myflifchen Schule ver Sprer fanden. Das Borbild der Unio Eprifti mit den Elementen iſt die Unio des Wortes mit dem Fleifh. Durch den heil. Geift wird Brod und Wein von Chriſti Leid und Blut angeeignet. Der heil. Geift, herabfleigend auf den Altar (wie bei ver Incarnation in die Jungfrau) macht die Elemente zu Leib und Blut des Wortes Gottes (Assem. II, 190) und gibt ihnen die beiebende, erleuchtende, fermentirende Kraft. Aber nicht durch ihre Natur find Brod und Wein Leib und Blut, fonvdern durch die herablommende Gnade des heil. Gei⸗ fies (S. 293 ff.). Diefe Anficht hat auch Anaſtaſius Sinaita und ber Abt Rupertus von Deu. Jakob von Sarug dagegen nimmt, wie es fcheint, bie Berwandlungslepre an (IL, 194). Berner, Chriſtologie. IL 2te Aufl. 13 Zweites Rapitel. Die monotheletifhen Streitigkeiten des fiebenten Jahrhunderts. Die ökumeniſchen Synoden vom 3. 680 und 693, Wie wenig die monophyfitifche Denfweife zur Zeit ber chalcedonenfifchen Synode ſchon innerlich überwunden war, erhellt zur Genüge aus dem ungeheuren Umfang biefes lange dauernden und noch nicht beigelegten Streites, der bis. auf Juſtinian in- mehr als einer Beziehung noch als ein Streit innerhalb ber Kirche ſelbſt aufgefaßt werben kann, und an fo vielen Punk: ten auch in der kirchlichen Lehrbildung neue Bewegungen hervor: rief. Erſt feit Juftinian wurde mit ben monophyfitifchen Ein- flüffen in ber griedifchen Kirche beflimmter gebrochen, wozu einestheild bie fortgehende Spaltung in der Partei neben der Rüd: bildung zu einer Art von Dyophyſitismus, anberntheild ber Um⸗ fand beitrug, daß die Monophyſiten großentheils feit den Ver⸗ folgungen fih auf außerrömiſchem Gebiet bewegten, ja im fol genden Jahrhundert durch den Einbruch des Muhamedanismus größtentheils der Einwirkung der übrigen Kirchen entzogen wur⸗ den. Vom Chalcedonenſe aus betrachtet, ſtellt ſich daher die Sache ſo dar, daß erſt von Juſtinian an die unbeſtrittene Allein⸗ herrſchaft der Lehre von den zwei Naturen in der griechiſchen wie in der lateiniſchen Kirche datirt und die Verſuche fallen gelaſſen werden, die Autorität des Chalcedonenſe ſelbſt wieder in Frage zu ſtellen, oder doch den Monophyſiten irgendwie in der orthodoxen Kirche eine Stellung zu ſuchen. Aber fo tiefe Wurzeln hatte bei allem Tadelnswerthen bie wonophyſitiſche Grundanſchauung in dem criftlichen Bewußtfein, Die Hauptvertreier des Monotheletismus u. des Dyotheletismus. 195 daß auch jetzt noch nach der Ausfcheibung bes Monophyſitismus in den Grenzen der Kirche felbft der monotheletifche Streit fi erhob. ) Der Monotheletismus ift feiteng feiner Hauptlehrer, bes Patriarchen Sergius und Pyrrhus von Conftantinopel, Cyrus von Aerandria, Theodorus von Pharan und bed Hono⸗ rius Patriarchen von Rom, ale ber Verſuch zu betrachten, auf Grund ber befeftigten Zwei⸗Naturen⸗Lehre das vom Monopbyfi- tismus fo ernft vorgehaltene Problem der Lebengeinheit der Perfon zu einer -Art von Löſung zu bringen, und es ift nach dieſer Seite nicht in Abrede zu ftellen, daß die Kirche auf dem Punfte der Entwidhing fand, wo auch innerlich angefehen an biefen Verſuch die Reihe kommen mußte, wenn gleich politifche Mo⸗ tive und Taiferliche Plane nicht unterliegen, diefen Trieb ireniſch zue Berfühnung des Monophyfitismus auszubenten. Vom Chal- cebonenfe aus angefehben bat fi dagegen in dem Nefultate Des GStreites bie conſequente Ausbildung ber chalcenonenfifchen Lehre nach einer wichtigen Seite hin vollzogen. Freilich fo, daß nur um fo 'gebieteriicher eine andere Löfung bes genannten Problems gefordert war, als die monothefetifche Löſung von der Kirche ver: dammt worden war. Die vornehmſten Vertreter biefer Seite find Sophronius, fpäter Patriarch von Serufalem, der. Mönch Marimus und Agathon von Rom. Treten wir ben Streitigfeiten felbft näher. Es ift früher von dem großen Einfluß der ägpptifchen Mönde bie Rebe ges weien (S. 61), welcher vom Ende des vierten Jahrhunderts an ſich fpürbar machte. Vom 5. Jahrhundert an zeigte fich ja zwifchen ihnen und zwifchen ben fprifchen Mönchen, namentlich der von dem ältern Ephrem flammenden myſtiſchen Richtung berfelben, eine manchfaltige Verbindung, der ohne Zweifel e8 zuzufchreiben it, daß troß dem Wirken eines Theodoret und trotz dem ben alten Antiochenern. befreundeteren Chalcedonenfe der Monophyſi⸗ tismus in Syrien und Afien überhaupt eine fo ausgebreitete Macht gewinnen konnte. In diefen Klöftern fand nun wahrfcheinlich auch Y Die Monopppfiten blieben dabei, daß zwei Naturen auch zwei Willen oder Aeußerungsmeifen haben müßten; daß Ein Wille Eine Natur verlange. 13 * 196 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. jene eigenthümliche Vermiſchung von Platonismus oder Neopla⸗ tonismus und Chriſtenthum ſtatt, deren ſprechendſter Typus bie Schriften des Pfendo-Dionpfius Areop. find, dieſes Ora⸗ feld geheimer Weisheit, deſſen Ruhm am früheften die Mono⸗ phyſiten verfündigen, der aber um feiner Myſtik willen auch in ber Kirche großes Anfehen errang und beflen Preis noch im ganzen Mittelalter wieberhallt, ja deſſen himmlifche Hierarchie das Urbild für die irdifche heißen Fan. Die Entftehung biefer Schriften dürfte in das 5. Jahrhundert fallen. Es ift nöthig, bei ihnen etwas zu verweilen, ,- weil fie durch ihre myſtiſche Chriſto⸗ logie ein wichtiges Band zwifchen dem Monophpfitismus und ber Kirchenlehre bilden, und weil fie für die Entftehung des Mono: theletismus ein wichtiger Erflärungsgrund, fa eine Art Borfpiel find. Zugleich dürfte der Areopagite und feine weit verbreitete Geltung eine gewichtige Beftätigung der obigen Behauptung fein, bag in dem alten Monopbyfitismus ein pantheiftifcher Hintergrund fei, womit jedoch nicht gefagt fein fol, Daß der Areopagite ein ausgefprochener Monophyſit war, wohl aber, daß feine gefammte Welt: und Gottesbetrachtung biefer Familie zugehört. 2) 2) Opp. Dionysii Areop. cum scholiis S. Maximi etc. edidit Balth. Cor- derius. Antw. 1634, ©. 500 ff. De div. nom. c. 2. Engelhardt, „die angeblihen Schriften des Areop. Dionpfius, überfeßt und mit Anmerkungen begleitet, Sulzbach 1823, 2 Thle. Engelhardt ſetzt die Entſtehung biefer Schriften ins 5. Jahrhundert und nimmt ‚ einen nähern Zufammenhang bes chriftlicden Verfaſſers mit ber Säule des Platoniters Proclus an. Was oben bei Barfır daili bemerkt if, und das Anfehen des Areop. bei den Monos phufiten, fpricht für einen Zufammenpang auch mit dem Mono: phyſitismus. Hierotheus ift der angebliche Lehrer des Areo⸗ pagiten (de div. nom. c. 8) und Barfudaili hat unter dem Namen des Hierotheus jene Schrift gefihrieben, in der er aller Dinge Uebergang in die göttliche Natur gelehrt hat. So meldet Barhebräus (Assem. 1, 293. 30 f.). Bei den Monophpyfiten wurben bie Schriften des Areopagiten viel gebraucht (Assem. II, 295. 207. 302. 307 und befonders S. 120. 121), überfeßt und com« mentirt. Möglih, daß Barfupailis Fiction (zu der er durch . den Drigenismus in manden Klöftern Tann geführt worben fein, ver zum Neoplatonismus eine Brüde bilvete) die Beranlaflung Borläufer des Monothel. Der Pfeubodionyf. Areop. S. Gottesiehre. 197 Er fagt in der Schrift von den göttlichen Namen (c. 2. $. 10): bie Gottheit Jefu, die aller Dinge Urfache ift, Alles erfüllt und mit dem Univerfum feine Theile in Einklang erhält, ift weder Theil noch Ganzes, und wiederum Theil und Ganzes. Denn alle Theile und das volle Ganze umfaßt fie in fich felbft; fie iſt volllommen in dem Unvollfiommenen, benn fie ift ber Vollkommenheit Ur: beberin: in den vollfommenen Dingen aber ift fie unvollfommen, denn fie ift über deren Bollfommenheit nach Hoheit und Ur- fprung. In den Dingen, die ber Geftalt nach mangelhaft find, ift fie die geftaltende Geftalt und Princip der Geftalt: aber nicht minder in den Geftalten auch der Geftalt ermangelnd, weil über alle Geſtalt. Sie ift das Wefen, das allen Wefen ganz und gar innewohnt ohne Befledung, und zugleih über alles Weſen ganz und gar erhaben. Alle Principien der Dinge und alle Ordnungen beftimmt fie und ift doch über jedem Princip und feder Orbnung flehend. Sie iſt das Maaß der Dinge und ihre Zeit (d. b. ihr Maaß nach Raum und Zeit) und doch ift fie über und vor ber Zeit; voll in den armen Dingen und in den vollen überfließendb; unausfprechlich, unnennbar; tiber den Verftand, über das Leben, über das Weſen, Über bie Natur u. f. fe — Der Areopagite läßt jo einerfeits abfolut jeden Begriff von Gott, jede namentlihe Eigenſchaft erlöfchen .in der unfaßbaren göttlichen Einheit, in dem göttlichen Dunfel und felhft aus ben Wirkungen. ſoll nicht nach dem Caufalitätsgefeg irgend auf Gott felbft zu⸗ rüdgefchloffen werden dürfen. „Die Urfachen feien außerhalb ihrer Wirfungen und erhaben über fie nad) dem Geſetz ihres eigenen Urgrundes.“ ®) Hierin fpricht fih aufs Stärffte bie Erciufivität dieſes Gottesbegriffes der auch dem Monophyſitis⸗ wurde, einen mehr verfirchlichten Neoplatonismug unter vem Na⸗ men des heil. Schülers von Hierotheus zu verbreiten. Es mag hiebei die Ahnung walten, daß von einer ‚freien Cau⸗ falität noch nicht die Rede if, fo lange das Cauſalitätsgeſetz nur in feine? phofifchen Geftalt auftritt D. 5. aus dem Wefen der Wirk ung auf das der Urfache ficher ſoll geichloffen werben Tönnen. Allein eine folche freie Eaufalität, die außer aller Achnlichleit mit der Wirkung fein fol, ift troß ihrer fcheinbaren Erhabenheit, troß ihres abfolut fupernaturalen Charakters wieder phyfifch weil Willkür. 198 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. mus zu Grunde Tigt, gegen alles Enbliche und Menſchliche aus. Es findet nach diefer Seite fchlechthin Feine Aehnlichkeit zwischen Gott und felhft dem Menfchen Statt, ja nicht einmal eine objective Beziehung: Gott ift zu erhaben bazu. Aber bie Kehr⸗ feite hievon ift nothwendig, daß bie Welt als Welt nicht if, fondern in fo weit fie ift, ift nur göttliches Weſen in ihr; denn in ‚fo weit fie ift, ift Gott die Einheit des Getheilten, Das Sein in dem Seienden, die Krafteinheit der Kräfte, das Leben bes Lebendigen, aber freilich fo, daß er, indem er biefes ift, aud wieder als dariiber binausfeiend gedacht wird als ein fchlechthin eigenthümliches und abſolut unbegreiflich überfeiendes Sein. Wir begegnen bier wieder im Wefentlichen dem Standpunft bes Philo, nur daß Philo das pofitive Verhältniß Gottes zur Welt im Logos zufammenfaßt, Das negative in dem ov. Daß aus biefem ö» nun bag Ueberfeiende (vrepovonor) wird, Dazu mag die Trand- cendenz bes chriftlichen Gottesbegriffs beigetragen haben, an ber auch der Sohn, nad dem Areopagiten, feinen Antheil haben muß. Nicht minder tritt eine Verſchiedenheit nach der pofitiven Seite des Verhältniſſes zur Welt durch bie dee ber Menſch⸗ werbung ein, ber fi der Areopagite nicht verfchließt. Aber doch ift dieſer Fortichritt, wie wir gleich fehen, und zwar nach beiden Seiten ein nur precärer, aus bemfelben Grunde, um berjelben Mängel willen, bie wir an Philo bemerften. Wir haben näm⸗ lich bier den fühnften Flug eines fowohl religiöfen als philofo- phifchen Bewußtſeins zu der Abfolutheit des göttlichen Weſens, welche den frommen Sinn anfprechen oder mit Ehrfurcht erfüllen und dem Denfen den Schein unenblicher Tiefe geben kann, während in Wahrheit hier nur bie innere Armuth und Leerbeit einer Gottesidee zum Vorſchein kommt, die fih in nur phyfifchen Kategorien zu bewegen weiß. Da wird wie naturtrumfen und efftatifch das ethifche Weſen Gottes ignorirt, aber gleichwohl ge- wähnt, daß man unendlich Erhabeneres über Gott vorzubringen habe. Indem nun aber Gott wie ber in Allem fo über Allem Seiende ift, ja die Berneinung des Vielen durch die göttliche Einheit überwiegt, fo ift folgerichtig in Gott jeber Unterfchied ber Hppoftafen aufzugeben; in dem überfeienden Gott fällt Allee Gotteslehre und Chriſtologie des Areopagiten. 199 in unterfchiedslofe Einheit zufammen. Es ift zwar viel bie Rebe von dem Vielen, neben dem Einen; aber die Dreiheit in Gott behält nur eine völlig precäre Stellung. *) Er will das Eine in ber Bewegung, im Proceſſe ſchauen. Allein biefes ift nur mög⸗ lich bei realem Unterfchiede der Momente, während hier bie Unter: ſchiede nicht durch die Einheit gefebt, fondern empirifch ober tra⸗ bitionell aufgenommen, und in bie unterſchiedsloſe Einheit wieder verfenft werben. Sp behalten fie nur die Bedeutung, eine niedrigere noch nicht zur böchften Einheit aufgeftiegene Bewußtfeinsfiufe zu bezeichnen. Mit. den Unterſchieden oder dem Dielen bezeichnet ber‘ Areopagite die Welt. Aber auch fie fann aus dem fo eben an- gegebenen Grunde es nur zu einem bofetifchen Dafein bringen; denn fie iſt ebenfo ſehr Nichte als Etwas, da, was fie ift, Alles Gott ift, und bach wieder Gott ebenfo fehr nicht in Allem, fon dern über Alles hinaus. Was ſich hieraus für die Chriftologie ergibt, erhellt Leicht: nach ſolchen Prämiſſen vermag ber Areo- pagite weder anthropologiſch noch theologifch die fpecifiiche Menſch⸗ werbung in Einem zu begründen. Vielmehr nimmt er fie aus ber Kirchenlehre auf, ohne im Stande zu fein, fih in ein treues unb wahres Verhältniß zu ihr zu fegen. Er fagt: da Yefu Gottheit nach ihrer höchften Güte bis zur Natur fam, und wahrs haft die Subſtanz unferes Fleiſches annahm, fo daß jener höchfte Gott fih „Mann“ nennen ließ, fo ſtrahlte auch aus biefer (ber Menſchheit) Das übernatürlihe und überfeiende Weſen hervor. Nicht blos weil er ohne Vermiſchung und Veränderung fi) ung mittheilte (denn in feiner überfließenden Fülle hat er durch bie unausfprechliche Erniedrigung nichts erlitten), ſondern, was unter allem Wunderbaren das Wunderbarſte ift: ex war ein Ueberna⸗ türlicher in unferm Natürlichen; er war in dem, was zu unferm Sein gehört, überfeiend, all Das Unfrige aus und und über ung einziger Weife befisend. 5) „Wie kann, fragt er, Jeſus 6 mar- zo» ensxeve mit allen Menfchen wefentlich vereint fein, d. h. — — — — — — % Bol. Baur a. a. O. Band II, S. 235—39. 9% De div. nomin. ed. Paris. ©. 271-278 ; vergl. auch Euthym. Pa- nopl. L Tit. VIL ©. 39. 40. 200 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt IL Kap. 2. | nicht nur in der Art, wie auch ber, welcher des Menfchen Urs heber ift, Menfh Tann genannt werben (gemäß feiner Anficht, daß Gott auch alle Namen feiner Kreatur zufommen), fondern fo, daß er wahrhaft Menfch war nad) feinem ganzen Wefen?« — Mir nennen ihn, antwortet er, nicht „Menſch,«“ denn er ift nicht blos Menſch; noch ift er auch blos Über unfer Wefen (unepov- 005), fondern er ift wirklich Menſch, oͤndo ardpwzovs xai xara ardownrov. Der Ueberfeiende ift 5 «rdpanar ovoias ovmw- uevos, darum aber nicht minder tberfließend von überfeiendem Wefen, da er immer Über das Sein hinaus ifl. Ex bleibt vers borgen auch nad der Offenbarung, oder, göttlicher zu reben, auch in der Offenbarung. Dadurch aber ift er, auch ba er eins trat in das Sein, doch ein Sein Über das Sein geworben (öde ovoiar ovowdn). Weber die menſchliche Art hinaus wirkte er das Menfchlige. Kurz, er war nicht einmal Menfch, nicht als ob er nicht Menſch wäre, fonbern weil er, geboren nach menſch⸗ licher Art, doch über die menfchliche Art und über den Menſchen doch wirklich Menſch war. Nicht als Gott that er das Göttliche, nicht das Menſchliche als Menſch, fondern da in ihm Gott zu ‚einem Manme warb, offenbarte er eine neue Thätigfeit, nämlich eine gottmännliche (Heavögınnv ereoysıar). 6), Daß Pfeudo: Dip: nyſius ſich die Zweiheit ber Naturen nicht wirflich aneignen Fonnte, erhellt aus dem Angeführten, Wenn er aber ferner in ben zus legt angeführten Worten auch andeutet, daß alle Thätigfeit Chriſti eine weder blog göttliche, noch blos menfchliche geweſen fei, fon- bern flets eine Bearögıny, unb wenn er ſonach nahe daran iſt, das Menſchliche in Chriſtus nur als bie Form des Göttlichen, oder als das geftaltete Göttliche anzufehen, fo Tann er boch dieſes nicht zur Anfchaulichkeit erheben ; vielmehr ift ihm des Gött: lichen. überfeiendes, geftaltlofes Wefen, was auch in der Menſch⸗ werdung ein ſolches bleibt, immer wieder im Wege, um eine wahre Verwirklichung des Sohnes in Jeſu zu denken. Und indem er das Menſchliche mit dem Göttlichen einigen will dadurch, daß ) Epist. ad Cajum Medicum 3. 4., vergl. die Schol. des Confessor et Mo- nach. Maximus als Appendix zur Orforder Edition der Opp. bes Joh. Scotus Erigena 1681. ©. 58 ff. Chriftol. des Areoyagiten. Richtoffenbarg. in ber Offenb. 201 auch es Antheil babe an dem 1leberfeienden, fo verſchwindet es wieder in's Allgemeine und neigt ſich zum Dofetifchen. Seine ganze Weltbetrachtung, wie fie in feiner himmliſchen Hierarchie ſich darftellt, — die Vervielfältigung des göttlichen Weſens durch Alles was ift, indem es von der höchften zu ben niebrigften Stufen immer mehr fih fpaltenb berabfteigt, aber auch wies derum aufiwärts durch bie reinigende, weihende, vollendende Wirk: famfeit derfelben Stufen zurüdfehrt in die einfache Einheit, die. in Gott und die Gott felber ift, — dieſe Weltbetrachtung invol⸗ pirt mit ihrem pantheiſtiſchen Univerfalismus bes Vergottungs⸗ proceffes nur deſto mehr Schw ierigfeiten, dem Gottmenfchen Jeſus Epriftus eine eigenthümliche und integrivende Stelle im Unis verfum anzuweifen. Denn melde Stelle follte Chriſtus in dieſer Ordnung einnehmen, die fi in eine himmlifche und in bie ir difche,, deren ſymboliſches Abbild theilt ? Steht er in ber irdifchen ? aber dann ift er ſelbſt unter ber niebrigften Stufe der himmlifchen Ordnung. Ober in ber bimmlifchen? Aber dann ift fein irdiſches Sein ein Schein; er ift ferner entweder den himmliſchen Geiftern, fei es auch den höchften, coorbinirt, nur Einer der hohen Priefter des AUS, welche göttliches Leben in fich fammeln und wieder auss ſtrahlen, ober aber ſteht er an ber Spite als die höchſte Einheit, aber dann fällt er für diefes Syſtem zufammen mit der Gottheit ſelbſt und die Menfchheit verfchwindet, fo daß entweder Alle in abgeftufter Weife Gottmenfchen find, oder Keiner. In der That ift das Lestere zu fügen; denn Gott, als Gott der Ueberſeiende, it dem Areopagiten feinem Begriffe nad) unmittheilbar, wie ber Gt Philos, kann ſich felhft nicht in die Offenbarung fegen, und Tann nicht erfannt werden. So bliebe für Chriſtus noth- wendig nur eine umntergeorbnete Stelle, feine Erſcheinung umb Dffenbarung ift nicht reine Pofttion, fonbern hat die Negation und Schranke ewig fo wefentlih an fih, wie alles Enbliche. Daher ber Areopagite, um ben hier nahe liegenden Sägen eines helfe nifchen Ebionitismus zu entgehen, nur zu dem Mittel zu greifen weiß, ben Logos felbft Jeſus zu nennen, worin das Geſtändniß ligt, daß er mur einen ewigen Chriftus behalte, ber biftorifche aber fich ihm verflüchtige. 302° Zweite Periove. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. Die Lehren bes Pſeudo⸗Di onyſius nun fanden zunächſt in ber monophpfitifchen Partei vielen Anklang und Geltung, I) wäh rend feitens der Neftorianer es ſich anders verhielt. In der Kirche gewarmen fie aber bald auch ein nicht geringes Anfehen, wozu bie in ihr fich verbreitende Bekanntſchaft mit dem Platonis⸗ mug, die Erneuerung‘ des Drigenismus bei vielen Mönchen, bes fonders im Klofter Laura, ferner der Gottesbegriff diefer Schrifs ten, beffen Ueberfchwänglichfeit und Scheintiefe, endlich die Be⸗ günftigung der bee ber Hierarchie beitrug. Denn ein phyſiſcher Gottesbegriff, wie ber dieſer Schriften Tann ber Vorftellung von magifchen von ben hierarchiſchen Stufen verwalteten Kräften nur günftig fein, und da Die Kirchenlehre das göttliche und Das menfch- liche Weſen einerfeits als abfolut verfchievene Subſtanzen auf faßte, 8) anbererfeits doch deffen ſich nicht entfchlagen fonnte, Gott als das Urbild und Ziel des Menfchen anzufehen, fo ergab fi daraus eine Erlöfungslehre, wornach der Menſch aus feinem Weſen gerückt und in ein anderes gehoben werben follte, um vollendet zu werden. Nach dieſer Seite ift der Menſch, wenn er feinem Begriffe entfpricht, gut, aber eine höhere Güte oder Zugend ald bie gemeine gibt es, und fie wirb dem zu Theil, ber über Das menfchliche Leben fich hinausſchwingt oder hinausge⸗ ‚hoben wird burch jene magifchen Kräfte; Daher der Areopagit dem Möndthum eine fo ausgezeichnete Stellung anweist. Die höchfte Tugend ift nicht echt menfchlich oder Wahrheit des Meenfchlichen, fondern Negation deſſelben. In dieſer Ethik Tigt freilich, daß ber Menſch, um ſich zu vollenden, aufhören, in Gott verfentt ) Wenn nicht fogar aus ihr diefe Schriften hervorgegangen find, fide 0. ©. 196. In dem Religtonggefpräh, das Juſtin ian veranlaßte, traten die Monophyfiten mit Belegfiellen aus dem Areopagiten auf, die orthoboren Gegner erklärten, ſolche Schriften bisher nicht gelannt zu haben, und ließen fie daher als Beweife noch nicht gelten. * Siehe. ©. 144 ff. Bergl. auch Boësthius J. e. S. 952 gegen die Reftorianer: Deo atque homini quid non erit diversa ratione dis- junctum, si sub diversitate naturae personarum quoque credatur man- sisss discretio ? Anflang des Areop. in ver Kirche. Bsarögıny erioyaa. 203 ober verwandelt werben müfle. Diefe Conſequenz wird aber nicht gezogen, fondern unftet unb alternivend fchlägt die Ethik ber Efftnfe wieder in die Ethik um; welche damit vorlieb nimmt und barauf- fi) einrichtet, daß der Menſch, fo Iange er ift, weil quantitativ von Gott verfchieden, vollfommen nun einmal nicht fein kann. Wie hiemit auch ein blos negativer Begriff vom Böfen gegeben ift, bebarf feiner Ausführung. In allen diefen Beziehungen ſprach das Syſtem bes Areo- pagiten nur Das Geheimniß des Stanbpunfted der bamaligen morgenländifchen Theologie im Allgemeinen aus. Daher im fol- genden Jahrhundert auch Firchlicher Seit bie Aechtheit biefer Schriften vertheidigt, ja von den Vorkämpfern ber Orthoborie Dionyfius als der Göttliche gepriefen wird.. Mochte anfangs ber Firchlihe Sinn noch etwas Fremdes und Unheimliches hier fühlen: — feit die beidnifchen Schulen ber Neuplatonifer ger fchloffen, und äußerlich das Chriftentfum allgemeines Bekenntniß geworben war, übten biefe Schriften auf die überbildete Zeit mit ihrem fchmülftigen, rhetorifchen Ton um fo mehr einen überwäl⸗ tigenden Zauber aus, als fie mit dem Scheine tieffler göttlicher Erfennmiß Dasjenige befleiveten, was aus einer heibnifchen Ans fhauung von Bott und Welt ftammend, in der Kirche nicht ohne anfängliches böfes Gewiffen wieder eine Macht geworden war. Für die Geſchichte der Ehriftologie aber wurde der Pſeu⸗ doareopagite dadurch von Bedeutung, daß feine Heardcınn Erso- yeıa (bie gottmenfchliche Thätigfeit) eine glückliche Formel fchien, um, unbefchabet der Lehre von den zwei fchlechthin entgegenge: festen Subſtanzen doch auch der Forderung der Einheit Rede zu fiehen. Denn darüber fehien doch ein Zweifel nicht flattfinden zu fönnen, daß, wenn der Menſch Jeſus für ſich handelte, und ebenfo der Sohn Gottes für fi, durch die Menſchwerdung gar nichts erreicht wäre; daß mithin wenigſtens in ber Thätigfeit fih die Einheit ber Perfon ausprüden müfle, und zwar fo, dag in Chriftus der Gott und ber Menſch nicht blos Daffelbe wollen, fondern auch auf biefelbe Weife, mithin Form und Inhalt des Willens von Seiten beider Naturen ſich zur Einheit durch⸗ bfingen. Es hatte auch bisher nicht an vielen Kirchenlehrern 204 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfihnitt IL Kap. 2. gefehlt, welche die einheitliche Thätigfeit und den Einen Willen Chriſti unbefangen gelehrt hatten. Dazu kam die Hoffnung, durch bie Lehre von Einem Willen vielleicht die Monophyfiten zu ver fühnen, eine Rückſicht, die befonders für den Kaifer Heraflius in feiner Bebrängnig dur die Muhamedaner großes Gewicht hatte. Es erhellt nicht aus den alten Quellen, ob die Biſchöfe Athanafius und Cyrus, die zuerft mit dem Kaiſer hier über ſprachen, auf ihre Anficht aus politifhen ober kirchlich ire⸗ nifhen Gründen geführt worden find. Es fcheint das Erftere . in fo fern nicht der Fall, als jetzt die Unterfuchung in ber That auch an den Willen Chrifti naturgemäß kam, nachdem bie leibliche Seite und bie des Wiſſens fo vielfältig behandelt war. Und dag man auf den Monotheletismus auch um nicht blog Aus ferer Gründe willen fommen konnte, daß mit dem Chalcedonenfe noch gar nicht felbfiverfländlich für die Zwei⸗Willen⸗Lehre ent: fehieden war, das ligt theild darin, daß zwei Willen in einer Perfon doch aufs Beftimmtefte zwei Gentra oder che vor: auszufegen fcheinen, indem ber Wille aufs Engſte mit der Perfünlichfeit zufammenhängt; theils darin, daß die Lehre von zwei Naturen aber Einem Willen in Chriftus anfangs eines fehr alfgemeinen Beifalls ſich erfreute, indem bie Patriarchen Ser: gius von Conftantinopel und Cyrus von Alerandrien, ja auch ber Papft Honoriug ſich entfchieden für den Monotheletismus ausſprachen. Daher der Kaifer Heraflius feinen Anftand nahm, ihm den Nachdruck feiner Macht zu leihen. Es gelang auch wir: lich Die Monophyſiten im Patriarchat Aerandrien durch dieſe Lehre, bei ber bie Dionyſiſche Formel nicht fehlte, zu verfühnen . Cyrus umb die alerandrinifche Synode von 633 (630? Neander) verwirft bier bie Bermifhung und die Trennung, will aber nicht blos eine bypoftatifche, fondern auch eine phyfifche Vereinigung, beren beide Faktoren in Gebanfen nicht vermifcht feien, fondern beide fortbauern und fortwirfen, aber zuſammenwirken zu einer gottmenſchlichen Wirkung. Zuerft Einiges zur Drientirung in ber verworrenen Streitfache, bie bisher noch nicht hinreichend aufges hellt und verſtanden ift. Der monotheletifhe Streit burchlief drei Stabien. Anlaß 3. Streit u. allg. Abriß. 1. Anfangs nur: ula drsoys od. 800? 205 Im erften Stadium, das wir etwa von 623 bis gegen 638 batiren fönnen, bewegt er fih nur um bie Stage: ob in Chriftus nie &rsoyeın (Hearögınn) anzunehmen fei, wie die Monophpfiten und Monotheleten annahmen, oder Svo arcpoyamı. Das Erfte will Theodorus von Pharan, Sergius, Eyrus,®) bie conflantinopolitanifche Synode v. J. 626 und bie aleranbrinifche v. 633, das Andere will Sophroniug. 1%) Bon der Willens: fraft war da noch gar nicht befonders die Rede. Jedoch war die Mehrdeutigfeit auch des Wortes erepyeıx (operatio), wonach es ebenfo fehr das aktuelle Wollen, oder bie Thätigfeit und Wirfungsweife, als die That ober Wirkung dieſes Wollens (aroreisoua) bezeichnen kann, die Urſache, daß der Streit noch an Unklarheit litt. Dachte man an letztere, fo mußten bie Meiften geneigt fein, Eine areoyaım zu befennen. Das war bie günſtigſte Pofition für bie Vertreter der Einheit, zugleich freilich die, weiche am wenigften Bedeutung für die VBorftellung von. der Per: fon Chriſti felbft hatte. Denn es konnte fih bamit an ſich bie Lehre von zwei Naturen und Willen gleichfall8 vertragen. In dieſem erfien Stabium, wo noch gar nicht Über Einen oder zwei Willen geftritten wird, war bie Haupifrage allein bie, ob bie beiden Naturen als thätig und wirkfam zu benfen feien oder nicht? Indem bie Einen, bie fpäter Monotheleten beißen, die Menfchheit in Chriftus fo nicht denfen wollen, fonbern als thätig nur bie Gottheit, z. B. Theodor von Pharan, ſo ſetzten fie allerdings den Dyophyſitismus zu einem folgenlofen todten Lehrfag herab und find, inbem fie der Menſchheit höchftens bie Stellung ber Paſſivität laſſen, am beflimmteften dem Monophp⸗ ſitismus zugefehrt. Aber wenn ihre Gegner, 3 B. Sophronius und zum Theil fpäter Honorius bie beiden Naturen wirkfam benfen wollen, um nicht dem Monophyſitismus die Thüre zu öffnen, fo finb fie doch noch weit davon entfernt, mit bem Dyo⸗ phyſitismus ſich auch zu zwei Willen zu befennen. Vielmehr Dachten auch fie noch bie Zweiheit der nach ihrer Art wirkenden 9 Mansi X, 585. 603. 744. XI, Conc. Cstp. Act. 13. ©, 558-579. 16) Mansi XI, Act. 11. ©. 461-485. Seine Ep. Synodica ad Serg. 206 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfihnitt I. Kap. 2. Potenzen zu einer Einheit zurüdgeführt in der Perfon, indem fie Einen entfcheidenden hypoſtatiſchen Willen Ehrifti ans nahmen: natürlich alfo auch die That oder Wirkung ſelbſt als einheitlich, gotimenfchlich dachten. Der Eine Chriftus oder fein einiger, entſcheidender Wille verwirklicht hienach das Eine gott⸗ menfchliche Werf (aroreisour) durch Bermittelung der zwei leben- digen, nach ihrer Art wirfenden Kräfte oder Complere von Kräf⸗ ten (Naturen) hindurch. Auch dieſe zmeite Klaffe wird vom Standpunft des fpätern Dyotheletismus aus zu den Monothe⸗ leten zu rechnen fein und wird theilweife Dazu gerechnet, nas mentlih (3. 3. vom Concil von 680) Honorius, während Sophronius, der Urheber bed Streited, der, wie wir fehen werben, dem Honorius wefentlich gleich lehrt, ſon⸗ berbarer Weife von dem Gten Concil als rechtgläubig anerkannt wird. Die Verkennung dieſes Sachverhalte hat in bie Ge: ſchichte und Gefchichtfchreibung des Streites die größte Verwirrung gebracht. Das zweite Stadium wird durch Hon orius eingeleitet. Er will zwei nah ihrer Weife wirfende Naturen, nicht Eine sreoyaa, aber Einen Willen, ben er der Perfon zulegt. Erft hiemit war beftimmt Einwillenlehre aufgeftellt; Ser⸗ gius hatte durch fein Schreiben dazu die Beranlaffung gegeben. (Diefer fcheint fih aber vorbehalten zu haben, dieſe Einheit des Willens flatt der Perfon . vielmehr den Naturen beizulegen, und fo auch wies erspyear zu lehren.) Die Erden nioreog von Heraflius 638, die Nachfolger des Sergius: Pyrrhus, Paulus, Petrus vertraten biefelbe Anficht, und bienach geftals tete fi) das Bild des Monotheletismug, das man befämpfte. Sophronius zwar Herubigte fih dem Wunfche gemäß, den Honvrius durch deſſen Gefandte zu erkennen gegeben, wie denn die Anfichten des Sophroniugs und des Honorius nicht fehe verfchieden können gewefen fein. Aber dieſe Lehre von Einem Willen, mochte er den Naturen oder der Perfon zus geichrieben werben, wurde fowohl von des Sophron ius Schüler Stephanus, ald von den folgenden Päpften befonders von Martinus I. eifrigft beftritten, einerfeit weil ihre Vertheidiger 2. Ein Wille ver Perf.Honor. n.Sophr.)od. 2 WIE. d. at. Mar)? 207 häufig in monophpfitifchem Intereſſe damit nicht die Lehre von zwei befonberen, wenn gleich zuſammen wirkenden Naturen vers banden, aber auch, und das gilt befonderd von dem heil. Mari: mus, deſſen Lehre für Das erfte Tateranenfifche Concil 649 von Einfluß war, deßhalb, weil man nicht ohne Grund die Wahr: heit der Menſchheit Ehrifti noch nicht ſicher geftellt glaubte, wenn ihr nicht auch Die Freiheit, die Macht eigenen Impulſes, eigener Initiative beigelegt wäre, welche verlümmert erfchien, wenn ber Wille der göttlichen Hypoftafe oder Natur die entfcheidende gleiche fam fehiederichterliche Macht zugleich fein follte, wie bei Hono⸗ rius. Für die Einheit der zwei parallelen Thätigfeits- und Willengreihen warb hiebet faft feine Sorge getragen. Der Dyss theletismus, wie er von Marimus und bem Tnteranenfifchen Concil vertreten wird, geht von ber erepysın, der Wirkungsweife jeder Natur zur Potenz, zum Vermögen jeder Natur zurüd (dad Erfenntnißvermögen mit einfchließend), unterfcheidet ferner bie erepyaa ald Thätigfeit (aktuellen Willen) von der ercoyem als That, Wirkung (arorsAsoua), und ſucht in all dieſen drei Beziehungen die Dualität durchzuführen. Der Monotheletismus fam erſt hieburd) flar zu ſich ſelbſt. Er erfannte im dritten Stadium 649 — 680, daß ihm än einer unterfchiedslofen Einheit der Thätigkeiten und der Wirkungen nicht fo viel Liegen könne, al an Erhaltung ber. Einheit ber Willensvermögen im innerften Mittelpunkt der Perfon. War doch ſelbſt der Monophyfitismus in jenen beiden Beziehungen den Uns terjchieden eine Stelle zu lafien feit Severus gewohnt. Dems gemäß hielt er zwar feſt an dem Einen Willen, aber die Ans flogen, daß er bie Wahrheit der Menfchheit läugne, beftimmte ihn noch vor 645, irgendwie Einen aufammengefesten Willen anzunehmen, ber in jich den Unterſchied wirfender Kräfte (Naturen) zulaffe oder umfaſſe. So befonders der antiochenifche Patriarch Makarius, der nicht mehr auf Einer operatio befteht , fondern nur Yearögınnv erkoyeıer (ohne den Zufat uiev) will, aber bei Einem HEeinu« der Hypoſtaſe beharrt. Die Synode von Conftantinopel 680 aber befteht auf den zwei Willen ber zwei Naturen, fucht auch theilwelfe den Anfchein (im Schreiben 208 3.Ein hyp., zufg. Wille Mac)? Ec. 680: 2Will. d. Nat., d. g. p. herrfchd. an den Kaifer XI, 664), daß fie für Chriſtus einen freien menfchlichen Willen feftgeftellt babe, wir werben aber ſehen, wie fie dem Willen der göttlichen Seite durch unerwartete Zufäge wieder ein ſolches Lebergewicht zu geben weiß, daß ber menſch⸗ liche Wille ay6 einem freien zu einer bloßen wirkenden Kraft, wie fie auch der Monotheletismus zulaffen kann, und welde für ben - alleinentfcheidenden göttlichen faft nur der Durchgangspunkt ift, her abgefett, aljo doch zu gleicher Zeit im Wefentlichen des Honoriug Anficht aboptirt wird, wo er von biefem Coneil unter bie fluche würdigen Keber verfegt wird mit Verbrennung feiner Schriften durch die Hand der Synode. !1) Nach biefem Ueberblick betrach⸗ ten wir bas Einzelne. Erftes Stadium bis 638. An der Formel mia ersoyeıa hiengen unbefangen Viele vor dem Streit; theils vom Areopagiten ber, ’®) theild, weil man boch jedenfalls im Werfe Chrifti trog ber Zmeiheit der Rahmen bie Einheit fefthalten wollte. Das Wort arioyaa aber umfaßte ja die Wirfung" wie die Thätigfeit. Die Zengniffe der Bäter waren jedenfalls nicht ungünſtig, Eyrills Grundanfchauung da⸗ für, 19) Alles in Chrifto ſchien gefpalten und bie Einheit ber Perjon mehr als felbft bei Neftoriug aufgelöst, der ausbrüds lich uiav Erspyeuar gelehrt hatte, wenn man in bie Zweiheit auch —- — — — 1iy Mansi XI, 621. 636. 684. 682, etc. Die Vertheidigung des Bon os rius, die Maximus Mansi X gibt, iſt ärmlih und wider ftreitet dem zweiten Brief des Hon orius. Kine beffere Recht: Kanne für ihn Tigt in den Schlüffen des ökumeniſchen Con⸗ cils; f. u. ”, Sophronius fonnte zwar mit Recht, wie auch Pyprrhus zu gibt, an Cyrus tadeln, daß er ular Geavdgınyy dvipyaar vom Areopagiten her citire, während diefer xaury» flatt uiar fage. Allein ber Sache nah hatte doch Eyrus Recht (f. 0. ©. 200). Dafür ſpricht au der Singular, fowie das Wort Heandgıny. 18) Bgl. Mansi XI, 583. Erfies Stad. a, ua drögy. Theod. v. Pharan, Eyrus v. Aler., Sergtus. 209 no bie erioyaz hineinziehe, flatt in biefer ober durch fie bie Einheit der Perfon zu bewahren. Sp lehrt denn Biſchof Theodorus yon Pharan, ber ältefte und beveutenbfle Vertreter der win eraoyaıu obwohl Dyos phyſit 1°): Alles, was von Chriſtus erzählt if, auch was feiner Seele und feinem Leibe zugehört, gefchah aus Einem Princip einheitlich (wexoaseis, uoradnos nei adızıparor;), beginnend und gleichfam queliend urfprlinglic aus des Logos Macht, Weisheit und Güte, hervortretend aber durch Bermittlung ber vernünftigen Seele und des Leibes; denn auch Schlaf, Müdigkeit, Hunger und Durft, Bewegung und Ruhe ift auf die allweife und allmächtige - Ihätigfeit des Logos der Menſch werben wollte zurüdzuführen ; und daher tft Alles der Einen Thätigkeit des ganzen Logos ale Eines zugufchreiben. Es iſt alfo in Chriſtus Ein Wille umb biefer ift göttlich. 5) Auch alle feine fogenannten Leiben, wenn fie gleich natürlich menfchliche Bewegungen ausbrüden, find doch bie Eine Thätigfeit des Einen und felbigen Ehriftus zu nennen bie und bas Heil bringen wollte. Auch bie natürlichen Be⸗ wegungen find in Chriſtus Thätigfeiten, nemlich des Logos. Dem zwar unfere Seele ift in Beziehung auf Dichtigfeit ober Maſſe, Schwere, Farbe u. dgl. bes Leibes nicht mächtig; aber Chriſti göttlicher,, Tebensmächtiger Leib war anders. Denn wie ein Leib⸗ Iofer gieng er aus Maria, aus dem Grabe, und durch bie Thüren, er wanbelte auf bem Meere, wie auf einem Efirih. Wenn alſo einen folchen gleichwohl Leiden trafen, fo muß babei der Wille des Logos thätig geweſen - fein, der fie wollte. '%) Leib und Seele waren für Chriſtus nichts als das willige Organ bes alfeinherrfchenden Logos, für das Hervortreten feiner ereoya, bie er nie Beod ersoyeın nennt. Die Bewegung, bie ber menſch⸗ 120 Mansi XI, 568. 569. ») | c. 568: ausod yap zo Odiyua Ev Son, nal roõßto Geixor. “) Das erinnert an Aphthartodoketismus; jedoch kam es ihm vors nemlich darauf an, alles als That des Logos aufzufaflen. Da⸗ her feßt er auch die Leiden in That um: an fich ein bebeutender Gedanke; nur Läßt er ihn nicht auch Chriſti Menfchheit oder Seele zu gut kommen, fondern nur bem Logos. Dorner, Chriftologie. IL 2te Aufl. 14 210 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. lichen Natur zufömmt, bringt nicht in ben oberften Raum; Die Stelle der Perfönlichfeit nimmt der Logos mit feiner Natur ein — die Menfchheit wird zum bloßen Gewand oder Offenbarungs- mittel, und verhält fich rein paffio zur göttlichen Natur bie zus gleich die Perfon if. Wo er von ber erioyam im Sinne ber Wirfung redet, Tann er-fie göttlich und menſchlich (gleichfam zus fammengefegt) nennen ), aber wo er Darunter die Thätigfeit, das Princip als aftives verfteht, kann er fie nur dem Logos zus ſchreiben. Die Trage aber entſteht für ihn noch gar nicht, ob von Einem Willen der Naturen zu reden ſei. Ganz ähnlich Hält fih auch Cyrus von Aler. an die wie ersoyaa, fowohl in feinen Verhandlungen mit den ägyptiſchen Monophyfiten, von denen er viele Taufende durch feine Friedens⸗ formeln wieder gewann, als in feinem Brief an Sergius. &r redet noch gar nicht von dem Willen, und ber Einheit des Willens 8), als Vermögens, fondern will nur eine wie Osar- dp Ersoyam, worunter er fowohl bie Wirkung als bie Thätig⸗ feit verfteben wird. Dem Gedanfen nach hat ex fo freilich Einen artuellen Willen, aber einen folchen, welcher nicht jede Leben⸗ bigfeit beider Naturen (bie er bewahren will) ausfchließt, wenn mir bie Zweiheit entweder in eine Syntheſe ausläuft, oder gar, wie Theodor wollte, an ber Einheit bes allbeflimmenden Logos ihren Ausgangspunkt bat. Ganz ähnlich ſpricht ſich Sergius in feiner Antwort aus. 19) Leos Brief an Flavian, über weichen Eyrus noch Bedenken verrietb, bemerft er zu feiner Beruhigung, lehre nicht zwei Wirfungsweifen, fei auch nicht fo von Eulogius v. Wer. verfianden worden. Biele Bäter haben im Gegentheil Eine srsoyaa gelehrt. Er felbft hatte eine Samm⸗ lung von Zeugniflen der Väter angelegt, die er an Freunde vers ſandte; freilich wie es fcheint Darunter auch untergefchobene. Im 1) 1. c. 6568 unten vgl. mit 569 oben. ) Bol. feinen erfien Brief an Sergius, Mansi XI, 680. 561, und befonders die Bereinigungsurfunde ©. 565. can. 7. wo unter Ber zufung auf Dionyfius wia Geandoınz svioyaa befannt wird, auch das chalcen. dv duo „user in manchfacher Berkiaufulizung. 19) Mansi XI, Act. 12. ©. 6525. 528, — —— nd Eyrus u. Serg. b, Soph.: zwei Thätigk. (dvsoy., nicht zwei Willen). 211 Uebrigen lobt er die Weisheit und den Eifer bes Cyrus, wo⸗ mit er fo Viele mit ber Kirche verfühnt habe. Allein dem Sophronius, einem gelehrten Mönd, der eben während jener Verhandlung mit den Monophyfiten in Ale randrien war, fcheint gerade bie Einmifchung coneiliatorifcher Zwede verbächtig gewefen zu fein. Er fürdhtete ein Wieder⸗ aufleben des Monophyſitismus, wenn man nicht entfprechenb ber Zweiheit der Naturen auch zwei Thätigfeiten annehme. 2%) Sn welchem Sime, fehen wir gleih. Die Sade wurde bem Sergius ald erfiem Patriarchen des Morgenlandes vorge- tragen 2"), der ihm das Berfprechen abnahm, den begonnenen Streit fallen zu laffen. As jedoch Sophronius bald darauf im Jahr 634 Patriarch von Zerufalem geworben war, erließ er zu feinem Amtsantritt ein Schreiben, in welchem er ein fehr aus: führlihes Glaubensbekenntniß in fehr ſchwülſtiger bombaftifcher Form und in einem an ben Ketzerhaß eines Epiphanius erinmernden Tone mittheilte, namentlich aber bie fallengelaffene Streitfeage Über bie evspyaız Chrifti wieder aufnahm. 2) Zuerft flellt er die gewöhnlichen Säge gegen den Dion: phyſitismus auf. Den Logos trifft Feine Umfchreibung in bem Fleiſch, er ift aflgegenwärtig, das Zleifch umfchrieben; Chriſti Leib geht von einem Ort "zum anbern, aber nicht ber Logos; iener ift greifbar, biefer ungreifbar, jener ewig, ber Maria Sohn zeitfich. Aber Gottes Sohn der das Eine ewig war, ift bas Andere ohne Wandel geworben durch Annahme ber Menſchheit. Iſt und bleibt Die Einheit unmanbelbar und ungetheilt, fo bleibt e8 auch die Zweiheit deſſen was in unmanbelbarem Unterjchieb fih darſtellt und in ungetheilter Anberheit zufammenleuchtet. Die Raturen, Wefen, Formen (uoogei) find es, aus benen bie ges heimnifvolle Einigung geworben ift, und in welden ber Eine und felbige Chriſtus gefchaut wird. Das ine bleibt Eins, nemlich das aus ben Naturen gewordene Nefultat, das nicht mehr =) ib. ©. 572. 582. 20) Nach feinem etwas fpäteren Schreiben an Honorius in Nom, Mansi XL, 529—537. 27) Mensi.XI, Act. 11. ©. 461—488. 14 * 212 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. entzwei getheilt wird aber ohne Verwandlung und Scheidung das⸗ jenige noch zeigt, woraus es iſt. Das ift bie Hypoſtaſe, die zuſam⸗ mengefette Perfon, welche befteht Durch eine nicht vermengende Mifchung und ein Feine Theilung Tennendes Zufammentreffen. Die bypoftatifche Einigung fei es, die nicht Identität der Naturen (ravro- ns) bringe fondern den Unterfchied bewahre. ?®) Beide Naturen wirfen, jede nach ihrer Art; fie haben nach der Unio weber biefelbe fich deckende, noch überhaupt bios Eine Wirkungsweife. Aber fie gehen darum nicht auseinander, haben vielmehr eine ſich ineinan⸗ berfilgende Wirfungsweife, ein Zufammenwirfen (karaAArnAos erap- yeız, ovsepyaa) nemlich für das Eine Refultat oder Werk (aro- réAccuux); biefes Zufammenwirfen aber haben fie durch bie Hypo⸗ ftafe des Einen und felbigen Chriftus, der in den beiden Naturen geſchaut wird und was jeber berfelben zufommt, wirket, nad ber weientlihen Qualität bie einer jeden von beiden eingeboren ift. Sophro nius ſchreibt alfo jeder der zwei Naturen ihre Wirfungs- weiſe ober Thätigfeit zu; aber aufferdem auch der Hypoſtaſe (oder dem Ich) Chriſti, Die er zufammengefet und doch monadiſch nennt , und welche daneben ober darüber flieht. Ja dieſer Eine Chriftus hat die Macht der Entſcheidung. Er gab wann er wollte der menfchlihen Natur Zeit oder Raum zu leiden oder zu wirken, zu wachen u..f. w. Denn nicht unfreiwillig ober gezwungen ließ er Solches an ſich fommen, wenn es gleich der _ menfchlichen Natur gemäß war, fondern Gott ließ fich gefallen, bem Fleiſch nach zu leiden, aber litt und wirfte nicht, wann bie natürlichen ober fleifchlichen Bewegungen es verlangten, und zum Handeln oder Reiben trieben, fondern wann er wollte. Die menfch- lichen Leiden und Thätigfeiten fammeln fich gleichfam oder Tegen fih nieder in feiner Perfon, ja er ift nicht bios bie lebendige Nieber- lage für fie (zauias) fondern auch der Schiedsrichter (movrang) ber über ihre Berwenbung entfcheibet. *) Und darum (weil 22) Doch nennt er fie auch gvoıxiv xad’ unooracıy Eracır. ©. 477. ©. 481: gvony nal za" umooracır ivacıs. Das Borherige heißt im Tert: uber co Ev äv, ro eb aurar (Puoenv) yeyovög dnotölsone, nyxätı Slga dmipäuevor. #)106. 486, x Soppronius. Zwei drsoysum, Ein entfcheidender Wille per Hypoftafe. 213 doch das göttliche Ich das eigentlich Entſcheidende, Hanbeinbe war) war fein Menfchliches übermenſchlich, denn es war über⸗ haupt nur ein durch feinen freien Willen angenommenes ; ebenfo hat er nicht wie unter Gewaltbrud und zwangsweiſe (Tugarsıxos, araynaorog) Oder ſo gewirkt, daß wie oft bei ung in ihm feine Willigfeit da wäre, fondern wann und wie viel er wollte, geftattete er fowohl Denen die ihm Leiden zufügten, als ben Leiden felbft, bie naturgemäß (naza Yvorr) wirkten, Raum. Alle Wunder find zwar durch die menfchlihe Natur aber durch die Perfon bewirkt, damit die göttliche Natur in ihm erkannt wirbe, wie aus ben Leiden die Menfchheit. Und fo ward der Eine Sohn erfannt der jede Thätigfeit aus fich hervorbrachte, die göttliche und bie menfchliche. Die gotterleuchteten Männer ermahnen, bie biblifchen Worte zu unterfcheiden, bie einen auf bie göttliche, die andern auf die menfchlihe Natur. zu beziehen; aber auch fo fagen fie alles von demfelben Sohn, die gefammte Thätigfeit kann Keiner trennen yon der Einen Sohmfchaft. 7°) Aus dem Gefagten er: hellt, daß Sophroniug, fo fehr er für die Zweiheit der evep- yescı eifert, doch über fie den eigentlich allein entfcheidenden Willen der Hypoſtaſe ſetzt, alfo der Sache, wenn auch nicht den Worten nad Einen durch die beiderlei Thätigfeitsweifen der Naturen ſich vollziehenden Willen fegt, der dem Einen Chriftus zufleht. Bon einer Zweiheit des Willens vebet er lein Wort; ein Wille ber menfchlichen Natur Könnte ihm jedenfalls nicht eigentlich freier Wille fein, fondern nur eine aftive Kraft, bie ihren Impuls anderswoher empfängt; — alfo von Theodorus unterfcheibet er fih nur fo, daß biefer mur von einer paffiven Menſchheit fpricht und ben Logos beftimmt als den allein Handelnden be: zeichnet, während Sophronius zwar ber Hppoftafe gegenüber, auf die er ſtatt auf den Logos zurüdgehen will, bie Menfchheit gleichfalls nur als beterminirt und in fo fern pafliv, an ſich 25) ©. 488: al; viös dyımaonsro 6 nacav db avrov (|. avrov) nEopsgnV evboysıav, Belav za nal avdgenivzv. — Alla nal ovrag enl tod ävos viod pacır (ol Heöpoovss), Navay — dvipysr oun av Ts Xmpicas rᷓc üs Vudentog. 14 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Rap. 2. aber als ausgeftattet mit eigenem Gefeb der Bewegungen benft. 2°) Auch der Areopagite meint er, rede von der neuen gottmännlichen Wirkungsweiſe deßhalb, weil bie Eine ‚gotimenfchlihe Perſon Alles wirfe, wenn auch durch die beiden Nahen (S. 488 f.). Die Stellung, die Sophronius hiemit zu dem alexandr. Friedenswerk und zu der mia ersoyae einnahm, bewog ben Pas triarchen Sergius, ſich vorfehrend an Honorius zu wenden. Sergius fürdhtete das Nahen eines Sturmes, zumal er den. Sophronius fo auffaßte, ald wolle er auch eine Zweiheit des Willens in Chriftus, nicht blos zwei Wirfungsweilen unter dem Einen Willen bes Alles wirkenden Einen Chriftus. Syn feinem Briefe an Honoriug fpricht er fich folgendermaßen aus: Heraclius habe nad feinem Siege über die Perfer mit einem Severianer ein Glaubensgeſpräch gehabt und ben ortho⸗ doxen Glauben gegen ihn geltend gemacht, dabei auch von Einer ercoyaa Chrifti gefprochen; auch fpäter dem Eyrus damals Di- ſchof der Lazier Davon erzählt. Cyrus aber, unficher ob man von Einer Ersoyeız reden bürfe, babe ſich deßhalb an ihn, Sergiug, gewandt. Er habe den Cyrus auf Stellen ber Väter hinge wiefen bie fo reden, aber feine eigene Anficht ausgefprochen. In⸗ zwiſchen habe Eyrus faft ganz Aegypten, Thebais, Libyen durch Säge gewonnen, unter denen auch Die ie erdpyeum war, und durch dieſe von ben Vätern nicht vermehrte, oft aber felbft geübte Condeſcendenz die Monophyſiten zur Anerkennung zweier Naturen, bes chalcebonenfifchen Coneils und Leos gebracht. Sophroniug, damals Mönch, neulichft zum Patriarchen von Jeruſalem erwählt, fei biefer Condefcendenz entgegen geweſen. Diefes nun wolle er, Sergiug, bem Honorius vorlegen. Seines Ermeſſens wäre es graufam durch einen bie reine Lehre nicht gefährbenden Kragepunft ftreitfüchtig die kaum gewonnene Einheit wieder zu zerreißen, was geichehen müßte, wenn aus ber Kormel bie wia ersoy.z, wie jener wolle, wieber geftrichen wiirde. Er habe viel mit ihm ver- handelt und Sophronius habe nicht vermocht, bie Lehre von =) Des Sophronius Lehre wirb als orthodor bezeichnet, Conc. VI. Mansi XI, 556. Sergius an Honorius son Rom. 215 einer boppelten srsoysın burch patriftifche oder fonobale Zeugniffe zu belegen. Dem Cyrus habe er gefchrieben, ex. möge nach ges wonnenem Frieden Niemand eine oder zwei arapyez lehren laſſen, fondern nur Einen und denfelben eingeborenen Sohn, der Alles, ſo⸗ wohl Das Gott als das dem Menſchen Geziemende gewirkt habe, ben fleiſchgewordenen Gott, aus deſſen Einheit ungetheilt fowohl Alles hervorgehe, wie auch Alles auf fie zurüdgeführt werben müſſe. Die Formel uix ergpyau, obwohl von einigen heiligen Bätern gebraucht, ſcheine doch Einigen fremd, und erfülle. fie mit dem Verdacht, es könnte auf Monophyſitismus abgefehen fein; fie werde daher beffer vermieden. Die Formel Svo srsoyaaı fei auch von feinem anerkannten Kirchenlehrer gebraucht und vers lege Diele, fie fei um fo mehr zu fliehen, weil, wer zwei erso- yeias in Ehriftus wolle, zwei Willen fegen müffe und zwar zwei entgegengefeßte, als ob z. B. der Logos das Leiden zum Theil wolfte, bie Menfchheit aber diefem Willen widerſtrebte, fo daß auch zwei das Entgegengeſetzte wollende Subfefte herauskämen, denn es können nicht in einem unb bemfelben Subfeft zwei Willen zugleih und in Beziehung auf Daffelbe beftehen; bag hieße Chrifti Menſchheit von feiner Gottheit fonbern und bie Menfchwerbung auflöfen. Die Lehre der gottbegeifterten Väter füge bentlih, daß nie das vernlinftig befeelte Fleiſch des Herrn in Geſchiedenheit und aus eigenem Impuls, dem Winfe des mit ihm bypoftatifch vereinigten Qogos entgegen, feine natürliche Bes wegung vollbracht habe, fonbern wann, wie und in mweldem Maqße der Gott Logos es wollte. Unb wie unfer Leib von ber Seele regiert wird, fo war auch immer und in Allem bag geſammte menfchliche Lebensſyſtem Chriſti ein gotibewegtes, wie auch Gregor von Nyſſa dem Fleiſche das Leidentliche, das Altive aber Gotte zuweiſe. Er habe daher die Formel der Ein⸗ heit oder Zweiheit zu gebrauchen widerrathen, wenn gleich nicht, wie verlangt werde, das Friedenswort der ui arspya« verworfen werden könne; Sophronius habe ſich Damit zufrieben gegeben, Ruhe verfprochen und nur von ihm, Sergius eine fehriftliche Erklärung verlangt, bie er gewährt habe. Aehnlich Habe er ſich auch Fürzlich gegen den Kaiſer erklärt, vor zu feinen Unter 916 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt II. Kap. 2. fuchungen hierüber gewarnt, und bei dem Hergebrachten ſtehen zu bleiben gerathen: Daß aus dem Einen und felbigen Fleiſch⸗ geruorbenen Wort ungetheilt und ungetrennt jegliche göttliche und menfchliche Wirfungsweife hervorgehe. So lehre auch Leo offens bar in den Worten: agit enim utraque forma cum alterius communione, quod proprium habet. ?7) Zweites Stadium. Per Monothelctismus in kirchlicher Herrſchaſt und feine Zeſtreitung befonders in der occidentalifhen Kirche vom Jahr 638— 648. Honorius antwortet dem Sergius im Ganzen billigend. 7) Er fieht gleichfalls beide Formeln als folhe an, bie nur unnützem Schulftreit dienen, weicht aber, während Sergius die wia ersgyew offenbar bevorzugt, darin ab, daß er fie, möge man fie nun auf die Naturen oder auf bie Perfon beziehen, nicht angemefjen findet. Denn bie Perfon babe viele Thätigfeiten, nicht eine blos und nicht zwei, bie Naturen aber wirfen jede nad ihrer Art, es fei alfo richtig von der ercpyem (Thätigkeit, Wirkungsweife) abzufehen, bagegen aber zurü.d: zugeben auf den Willen Ehrifti. In Beziehung auf biefen behandelt er das faft als felbfiverftändlich, was Sergiug noch faum angedeutet hatte, „ba die Menſchheit mit dem Logos natürlich geeint fei, (nalurali unilate copulata) und fo Chriftus Einer, fo befennen wir Einen Willen Chriſti (er fagt — —— 27, Während der lateiniſche Text forma utraque im Nominativ bat, nehmen die Monotheleten diefe Worte als Ablativ nopgz, wo⸗ durch das Subjelt des Zeitworts „pie Perfon“ flatt „der Na: turen“ wird, und die eine Perſon als die allein handelnde und wollende (wenn auch Durch die Naturen) erfcheint. 2%) Mansi XI, Act. XI. ©. 537 ff. von einem zweiten Brief an Sergius gibt Act XII, ©. 580. 81 ein Fragment, geichrieben nachdem Sophronius an Honortius eine Gefandtichaft ge richtet, die diefer dahin infiruirte, er möge nicht weiter auf der Sormel der vo endoyaaı beftehen, was fie auch in feinem Namen verfprah, wenn Eyrus von ber ula erseyam abflehe. 2 ! Zweites Stad. Honorius. Ein Wille der Einen Perſon. ExGeo. xcor. 217 nicht Einen Willen feiner Dienfchheit, wie Marimus ihn nad ber beuten wollte), Vermöge feiner übernatürlichen Geburt ge- ſchah es, daß in ihm nicht verfchiebene ober wiberfprechende Willen waren, und bat er gefagt, ich thue nicht meinen Willen, fondern ben meines Vaters, fo ift Das aus Herablaflung zu unferem Stanb- punft gefchehen, für den er Vorbild fein will.“ Im zeiten Brief fagt er, es fei flatt Einer Wirkung oder Wirfungsweife (operatio) vielmehr in wirfender (unus operator), Chriſtus zu lehren, welcher durch beide Naturen wirfe; und flatt ber zwei operationes müſſen wir zwei Naturen in ber Einen Perſon lehren, die Das Ihrige wirken. 2°) Fest erſt, da alle Patriarchen, Taum den Sophroniug ausgenommen, ber fich ſchweigend verhielt, Eins waren, ließ Heracliug feine äxdeoıs nioreng erfcheinen, in welcher über Einheit oder Zweiheit ber erioyaaı zu flreiten verboten, aber auch ausdrücklich die Einheit des Willens gelehrt wurde, da, ja nicht einmal Neftorius gewagt habe, eine Zweiheit beffelben zu behaupten. 3°) Die "Erdeors hält fih alfo nur genau an dag, was Honorius gebilligt hatte. ®') — — - m ?®), Utrasque naturas in uno Christo unitate naturali copulatas cum alte- rius communione operantes et operatrices confiteri debemus. — Pro una opetatione oportet nos unum operstorem conälteri, et pro dua- bus operationibus, ablato geminae operationis vocabulo , ipsas potius duss naturas — in una persons unigeniti — praedicare propria ope- rantes; vgl. XI, 582. 621. 686. 684. , Selbſt Sophronius nahm fa der Sache nach bie Einheit des Billens an. Die Einheit der drdpyaa war in ver Erdssıs nicht gelehrt. So konnte Sophronius hörftens darüber unzufrieden fein, daß diefe nicht ausprüdlich verworfen, die Zweiheit ver ersoyeraı in dem Sinne von zwei durch ven Einen Willen bes herrſchten Kräften nicht ausprädtich gelehrt wurde. Jedoch richtig geliehen bedurfte es deſſen faum, da kaum Semand, nicht einmal ein Severianer, bie Zweiheit ver Wirkungsweiſen, die noch für Sophronius übrig blieb, läugnen Tonnte. 35 Die Sache des Honorius gehört befanntlich zu den causes celäbres. Diejenigen, welde eine Infallibilität des Yapftes annehmen au ohne Eoneil , fchienen hier noch mehr ins Gedränge zu kommen, als Diejenigen, welche wenigflens ber Bereinigung bes Papſtes [4 218 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. Man Tann ale das mehr oder minder bewußie Streben ber Monotheleten bezeichnen, die chalcedonenſiſchen Lehre von den zwei Naturen nicht zum Princip zweier paralleler Lebensſyſteme in Chriſtus werben zu laffen, welche die Einheit der Perfon fprengten. und der drum. Synode bie Infallibilttät zufchreiben. Die Erfies ren fuchten zweierlei Auswege, die man aber beide als verfchollen bezeichnen fann. Die Einen, wie Onuphrius, Bellarmin und Gretfer, Baronius, Binius, Schott maren den ver zweifelten Berfuch, das Zaktum ver Berdammung des Honorius als sines Häretikers abzuläugnen, fie aus einer Berfälfhung der Alten des 6ten Concils abzuleiten; auch die in diefen Alten ent baltenen Briefe des Honorius als untergefchoben anzufehen. Allein diefem Ausweg ſchenken die Meiften ſelbſt kein Bertrauen. Eine ganze Reihe von fpäatern, auch öcumeniſchen und in ver sömtfchen Kirche anerfannten Synoden wiederholt jene Berbams mung, wie auch mehre Päpfte, namentlich Leo II., fih an biefer Berdammung ausbräüdlich beipeiligt Haben. Ste ift ein nach allen Seiten hiſtoriſch fo feſtſtehendes Faktum, daß nur um den bedenk⸗ lichen Preis einer allgemeinen Erfoütterung der Glaubwürdigkeit ber Tirchlichen Traditionen diefe Operation Erfolg haben könnte. — Auch flieht durch die Difputation des Marimus felbft, vie wenige Jahre darauf folgte, fell, daß Honorius einen Brief - ſchrieb, in welchem er gegen die Willenszweipeit ſich erklärte. — Andre fagen daher: Honoriug fei zwar verbammt, aber mit Unrecht, beftreiten alfo zu Gunften der Infallitbilität des Papſtthums, im Kaltifchen die Infallibilität von öcumeniſchen Eoneilien, die mit Päpften einftimmig waren. Bier wirb ges fagt: daß Honorius ſei rechtgläubig geweſen, erhelle aus dem Zeugnifie feines Sehretärs bei Marimus am Ende feiner Dies . putation. Er habe freilich Einen Willen gelehrt und die Zwei⸗ heit verworfen, aber die Meinung fei gewefen: man bürfe nicht zwei menfchliche, fich widerfprechenne Willen lehren; — eine beinahe Lächerliche Eprenreitung ; denn von zwei menſchlichen Bilen hatte Niemand geredet, das gehört alfo gar nicht ber. Auch hat Honorius nicht etwa blos gefagt, daß zwei wider: fprehende Willen, ein göttliher und ein böfer menfchlicher in Chriſtus nicht fein können, fondern überhaupt, daß zwei Willen nicht können in Chriſtus fein, weil nur Ein wollender fein könne. Was will jenes aus den Intereffen des Sekretärs leicht erflärte Zeugnig im Angefiht der Urkunden felbfi, die uns aufbewahrt find, im Angefiht all der Scumenifchen Synoden, die darin bie N Bedeutung des Monotheletismus. Honorius Häretilr? 219 Aber freilich and Das Täpt fich nicht läugnen: So begreiftich es it, daß felbft orthodoxe Ehalcenonenfer und redliche Dyo⸗ phyſiten von einer Scheu ergriffen wurden, folche zwei yarals Ile Reihen von Bernmftthätigfeiten in Chrifius’ anzunehmen, — — Häreſe ſehen? Honorius hat freilich, im Unterſchiede von Sergius, nicht die Einheit auch der Evioyaa lehren wollen, fo wenig als die Zweiheit, ex hat vielmehr befonvers im zweiten Brief die Zwei-Naturenlehre behauptet. Aber er hat die Einheit des Willens nicht aufgegeben, auch nie zugeflanden, daß der Wille Sache der Naturen fei und ihnen folge, fondern er hat dem Einen Wollenden, d. i. der Perfon den Einen Willen zugefchrieben, wenn gleich fo, daß dieſer Eine, der ja die menſchliche Natur in fi . aufgenommen, auch durch fie als fein Organ alfo gottmenſchlich wirke. Bon diefem Standpunkt aus iſt es dann allerdings, wie Honorius fagt, etwas Eitles, von Einer Thätigfeit oder von zweien zu reden. Denn fieht fehl, daß der Wille als gottmenſch⸗ licher Einer if, fo iſt er thätig feiner Art gemäß in fehr vielen Tpätigleiten, nicht in einer oder in zweien; fo daß gerade bie Ablehnung der Frage nach ver Einheit oder Zweiheit als einer gar nicht mehr hergehörigen feinem monotheletifchen Standpunkt recht Har entfpricht. Ueberhaupt aber widerfprechen biefe Briefe ber fpäteren Orthodoxie in mehrfacher Dinfiht. Wie Theodor von Pharan, fließt Honorius mit Sergtus von zwei Willen auf zwei Wollende, er dagegen beienne Einen Willen, weil vie Ratur, nicht die Schuld von der Gottheit angenommen fei: zwei Billen in demfelben Subjelt würden fi) wiverfprechen müſſen; widerfprechen fie ſich nicht, fo gehen fie, wenn die Berfon Eine fei, in Einen Willen zufammen. Den Willen flieht er als Sache der Perfon an, nicht der Natur, könnte alfo nur um den Preis zweier Perſonen zwei Willen zugeben. Daher erklaͤrt er auch die Worte: „Vater, es gehe dieſer Kelch vorüber, doch nicht was ich will, ſondern was du will“, nicht von einem menſchlichen, dem Vater zu unterwerfenden Willen, ſondern ſagt: das habe Chriſtus in unſerem der Sünder Namen, nicht im eigenen geſprochen, man dürfe alfo nicht daraus noch auf einen fortvauernden eiges nen menfchlihen Willen in Chriſtus fchließen. Diefer if ihm burch den Alt des Incarnation felbft ſchon gänzlih zu Einem Villen mit dem bes Logos oder zu einer Beſtimmung an dem: . felben geworben. Endlich flimmi er dem Sergius bei, daß bie men ſchliche Natur in Chriſtus fih zur göttlichen nur als paſſives Organ verhalte, daß fie nicht abgefondert ober ans eigenem Trieb 220 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt DM. Kap. 2. woburch die Idee der Incarnation zum leeren Wort berabgefett und begraben zu werden fchien, zumal der Logos ſtets auch extra carnem fein follte, — ber entfchievene Sieg des Monotheletismus hätte bie Lehre von zwei Naturen zu einer tobten, folgenlofen Thefe herabgeſetzt; ja Die ganze Iebenbige Wirflichfeit diefer Perfon wäre fo conſtruirt geweſen, als ob es feine Lehre von zwei Naturen gäbe, fondern das Gegentheil. Hiftorifch ausgebrüdt: mit Leos Brief an Flavian und befien gefammter Anfhauung war ber Monotbeletismus und namentlich auh Honorius nit im Einflang. Das fühlte man trog der Entfcheidung bes Honoriusg, zuerſt im Abendlande. Zuerſt einige Worte über die äußere Geſchichte des Streites in ſeinem zweiten Stadium. Nach dem Tode des Honorius im Jahr 638 ſchlug der römiſche Stuhl eine ihm entgegenge⸗ ſetzte Richtung ein, wobei ihn und ſeine Freunde in Afrika die Abſicht mehrer Statthalter ſich gegen den Kaiſer zu empören und eine entgegengeſetzte Politik einzuſchlagen, unterſtützte. In Rom wirkte Leos Andenken und die nicht eben gern geſehene Zuſammenſtimmung des Patriarchats in Conſtantinopel mit Lieb⸗ lingsgedanken der fürſtlichen Politik; in Nordafrika, Libyen, Nu⸗ irgend eine Bewegung, entgegen dem Winke des hypoſtatiſch ihr geeinten Logos, wollte, ſondern überall nur beſtimmt war durch dieſen, wann und wie er wollte: wogegen Marimus fo ent⸗ ſchieden fih ausfpriht. Da nun auch von einem Widerrufe des Ho norius die Geſchichte gänzlich ſchweigt, der doch, wenn er ftattgefunden hätte, eine unvergeßliche Kunde geweſen wäre, fo bleibt nichts übrig, als fich darauf zurückzuziehen: Honorius habe nur als Privatmann geirrt, nicht aber Öffentlich und als Papft eine Härefe verbreitet, eine Auskunft, die uns hier nicht weiter angeht, vie aber in den Instructiones historico - theologicae Jo. Forbesii a Corse in feiner gelehrten Abhandlung Über die Mo: notheleten ©. 222—291, befonbers ©. 288 ff. ausführlih und gründlich beleuchtet if. Er zeigt, daß die Briefe des Hono⸗ rius den Charakter einer epistola deeretalis an ſich tragen. — Aber die Spnode, wenn fie zwei Willen der Naturen fo Iehrt, daß der Wille des perfonbildennen Logos die Initiative und Entfcheis dung habe, unterfcheinet fih von f. Sinn „Ein Wille der Perſon“ weniger als «8 fheint; mehr dagegen Maximus von beiden. Dpothel. v. 638 an. Martin. Stephanus. Marimus. Tonoc 648. 221 mibien, Mauretanien bie alte Verbindung mit Rom, wohl aud das warme Intereſſe das dort für Die Antiochener lebte. Den Stügpunft für die nun beginnende byotheletiiche Bewegung bil- beten die römiſchen Bifhöfe Johann IV, Theodorus und befonders Martin I. Die geiftigen Vorkämpfer aber waren Stephanus und ber griehifhe Abt Marimus. Jener ein Bertrauter bes Sophronius hatte biefem der durch den Saras ceneneinfall befchäftigt war, wie er erzählt, mit einem furdhtbaren Eide gelobt, den Kampf fortzuführen. Er that e8 in entfchieden dyothel. Weife. Es gelang ihm, bie Gegner durch Reifen, auf Symoben in den genannten afrifanifchen Landſtrichen zu unter: drüden.°?) Kür den Occident und Drient aber, befonders das Hanptland Aegypten war Marimus der gemanbtefle unb ers folgreichfte Verfechter der Lehre von zwei Willen unb bewies einen Eifer für feine Ueberzeugung, ber ihm das Martyrium zuzog. Namentlich bat er fich durch feine Difputation mit dem gewejenen Patriarchen von Gonftantinopel Pyrrhus Ruhm erworben, inbem dieſer — nicht ohne bie Hoffnung auf Wieders einfegung, ſich als überwunden befannte und Frieden mit Rom fuchte und fand. »ꝛ) Da nun Synoden in Afrika und. Rom zeigten, bie Hoffnung auf Einigung durch bie fo vielfach fchon verbammte "Exrdeos bed Heraklius würde vergeblich fein, fo ließ der Kaiſer Conſtans biefelbe fallen, und feste im Jahr 648 ben Tunos 7 niorewg an ihre Stelle. °*) Der Zwed war Friedensftiftung durch Verbot bes Streitend über Zweiheit der Thätigfeiten und Willen oder Einheit; bie Einheit des Willens war nicht aufgegeben. Aber jet entbrannte der Streit von Neuem noch heftiger. Das later. Concil im Jahr 649 verdammte auch den zunos unter Martin I. und bie Folge war nur, daß jegt auch im Orient ber Dyotbeletismus auflebte. Was bie inmere Gefchichte des Streites in biefem Stabium a2, Mansi X, 892 ff. Concil. Rom. Later. 449. ' 33), Freilich fiel er bald wieder ab, als er durch den Kaiſer wieber Patriarch geworben war. 3) Mansi XI, 1029. 222 Zweite Perlobe. Erſte Epoche. Abfchnitt U. Kap. 2. angeht, fo iſt beſonders der Difputation des Marimug mit Pyrrhus 25), ſodann der Abhandlung bes Stephanus für das römifche Concil des Biſchofs Theodor und das lateran. Concil unter Martin I. zu erwähnen. 6) Sn jener Difputation wendet Pyrrbus vor Allem ein: zwei Willen festen zwei Wollende voraus; in Einer Perſon formen nicht zwei Wollende fein. Marimus antwortet: bie Kirche lehre in ber Trinität drei Wollende, aber Einen Willen, zum deutlichen Beweis, daß ber Wille Sache der Natur fei, nicht der Perfon, denn fonft müßten drei Willen in Gott fein. Nach Pyrrhus Behauptung würden für die Trinität drei Willen berausfommen. Sei aber der Wille Sache der Natur, fo folge, baß zwei Naturen zwei Willen haben. Die Zweiheit bezeichne nicht nothwendig einen Widerſtreit. Woher follte auch ber Widerftreit kommen ? von ber Natur, ober vom Böſen? Aber Gott macht feine böfe Natur und Böfes iſt nicht in Chriftus. Pyrrhus erwiedert: Geſetzt ed gehörte das Wollen der Natur zu und enifpräde ihr, fo wären bie heiligen Männer, weil gött- lichen Willens, göttlicher Natur (alfo Chriftus gleich) Marimus antwortet: das Obiekt des Willens fei bei Jenen göttlich, aber nicht das Wollen ſelbſt. Nun richtet aber Pyrrhus feine Einwen⸗ dungen unmittelbar gegen die Behauptung felbft, der Wille müße ber Natur entfprechen und bie Natur eines jeden Dinges bezeichnen. Wechſeln wir ja mendlich oft mit dem Wollen, würden alſo damit auch die Natur wechfeln müflen. Marimus weift wieder auf den Unterfchieb zwifchen Form und Inhalt: Wenn auch. ber Inhalt wechsle, das Wollen bleibe und entipreche der Natur bes Wollenden. Nun ehrt fih Pyrrhus gegen ben Begriff des natürlichen Willens d. h. des der Natur bes Wollenden nothwendig entfprechenden. Alles Natürliche hat die Nothwendig⸗ feit an fich, fonach bliebe Feine Freiheit (exovosor) übrig. Sein Gegner erinnert aber daran, daß in Gottes Natur die höchfte Freiheit fei, und überhaupt in der vernünftigen Natur nichte 35) Mansi X, 710—759. 86) Mansi X, 897 ff. Difputation zwifhen Marimus und Pyrrhus. 293 Unfreiwilliges ; die Freiheit könne auch zur Natur gehören. Pyrrhus gibt zu, daß mit der vernünftigen Natur auch Wille verbunden fei; mit Chriſti zwei Naturen alfo auch zwei natürliche Willen gegeben fein. Aber man könne ja auch fagen, aus zwei natürlichen Willen fei der Eine Wille Chrifti zuſa mmengeſeizt, wie Chriſtus Eine zufammengefeßte Natır aus zweien genannt worben ji. Marimus fagt, es fei von allen Philofopben und chriftlichen Tcheofophen zugegeben, daß Spnthefen nur bei Dingen möglich feien, die ein Beſtehen im fich haben, nicht aber bei ſolchen, die nır an einem andern (als Arcidenzien, Eigenfchaften überhaupt ſelbſtlos und ohne Fürſichſein) find. Schon aus dieſem Grund könne hier (da Chriſti Menſchheit Fein Beſtehen für fich babe) von einer Zufammenfegung nicht die Rebe fein; wie follte aber auch eine Zuſammenſetzung ber begränzten und unbegrängten Natur, des Sterblichen und Unfterblichen möglich fein, und wie follte Ehrifti Wille als zufammengefeßter noch Eins bleiben fönnen mit dem Willen bes Vaters? — Haben alfo, fragt Ppyrrhus, wie die Naturen, fo auch bie Willen in Chriflus nichts mit einander gemein? Nichte, antwortet er, als bie Hypo⸗ flafe der zwei Naturen felbft (S. 717). Und gegen die Eins wendung: Bewegte aber nicht der Logos bie Menfchheit Ehrifti ? macht Marimus geltend, diefe Annahme trenne gerade Chriftus; denn Mofes und David allerdings wurden bewegt durch feinen Winf wie Alle, Die durch Ablegung ber menfchlichen Eigenfchaften für die göttlihe That empfänglic) geworben find. Aber fein Auszeichnendes war, daß er nicht bios als Gott, fondern auch als Menfch wollte, und zwar fo, baß der menfchliche Wille ber bier ift, nicht tadelnswerth war. Der Logos fchuf die Menſch⸗ heit zum Sein, nicht zum Nichtfein aus dem Nichts, fie kann aber nicht fein ohne Willen, ohne Selbftbehauptung, und Kraft des Wiberfiandes 3. B. gegen Feindliches. Daher hatte Ehriftus auch wirflich menfchliches Wollen und menſchliche Bewegung ; er hatte 3. B. Furcht, nicht gegen feine Natur, ſondern zur An⸗ zeige für das natürliche Vermögen zum Widerſtand. Aber während bei und die Natur ımb ihre Bewegungen dem Willen voran gehen, fo tft bei Ehriftus Alles, auch das Leiden, nicht durch ”- 294 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. bie Natur, fondern durch feinen Willen beftimmt , welcher eine Macht Über feine Natur war und fo übernatürlich, aber Dazu angewandt wurde, bie Natur zu wollen und die volle Wirklich- feit der Incarnation zu beflätigen. Der Wille, ber freilich nur in Chriſto folhe Macht hatte über feine Natur (den Leib), gehört aber nah Maximus wefentlih zum Begriff bes DBernünftigen. Denn es gebe drei Gattungen bes Lebenbigen: Organiſches, Animalifches und Bernünftiges; Bewegung, nicht blos Leiden fei in ihnen Allen, aber im Bernünftigen Die freie Bewegung (x- mow avıebovoos), alſo bürfe ung ber „natürliche Wille“ fein Bedenken machen, er bedeute Das was zur menfchlihen Natur gehöre, den freien Willen. Die Thiere werben beivegt, bie Men⸗ ſchen bewegen fi durch ihren Willen, der Menſch ift Gottes Ebenbild, Gott aber ift frei. Alle Menichen haben Willen, nicht der Eine hat ihn, der Andere nicht, fo gehört alfo menſch⸗ licher Wille zu den charateriftiichen gemeinfamen Merkmalen bes Menfchen. Und wenn alfo ber Logos Fleiſch werden wollte, und zwar vernünftig befeeltes Fleiſch, ſo war er auch ale Menſch wefenslich ein wollender. Wenn die Bäter fagen, Chriftus babe unfern Willen formirt, fo bedeute das nicht, es habe der Logos feinen Willen beftimmt, fondern er als Menſch babe in ſich und durch ſich Die Menfchheit Gott dem Bater unterworfen umb fo ein Beifpiel vollfommener Art aufgeftellt, damit auch wir freis willig und unterwerfen. Wie weit unterfcheidet fih Maximus von den Lehrern bes vierten Jahrhunderts (Bd. I, ©. 1071 ff.), bie für bie Freiheit in Chrifius keine Stelle übrig laffen! inter ber Frei heit verſteht er aber nicht Wahlfreibeit, fonbern bie Höttliche Freiheit, die Chrifti Menſchheit, weil fie bie wahre ift, von Anfang fo zugekommen fei, daß fie Alles Ungöttlihe, was an fie berantrat, abwies und überwand. So bringt Marimus eine Zweiheit von Willen zu Stande, bie parallel neben einander verlaufen, und ohne ſich zu berühren, doch beide bas Göttliche wollen. Ja er führt bie Unterfcheidung noch weiter fort, nicht blos zwei Willensvermögen find in Chriftus, nicht bios eine boppelte Reihe yon Willensthätigfeiten, unb zwar fo, daß bas Masimns für die Breipeit der Menfchheit Eprifi. Gtephanus. 225 Eine, was von Chriftus berichtet ift, nur von dem Logos, das ambere nur von ihm als Menſchen gewollt fein foll, (wofür er anführt Joh. 7, wo das Gehenwollen nur feiner Menſchheit babe zufommen fönnen, Phil. 2 und Gal. A, wo bie Inter werfung unter das Geſetz ſich nicht auf feine Gottheit beziehen könne) fondern aud das Refultat (anorsAsaua) iſt ein Doppel: tes, in fomweit es nicht außerhalb feiner ift, ſondern auf feine Perfon felbft ſich bezieht, obwohl bie beiberfeitige Thätigfeit in bemfelben Objekt zufammentreffen fonnte. Der Hauptgrund, der gegen bie Monotheleten von Stepha⸗ nus in feiner Denkſchrift an die Inter. Synode v. J. 449 aufs geftellt wird, ift, daß Chriftus nicht mehr von Natur vollfommes ner Gott und von Natur vollfommener Menſch wäre, vielmehr areAns, ober wie Maxim us fagt, eAdms, wenn er nicht einen weſentlich menfchlichen, wie einen wefentlich göttlichen Willen ge- habt hätte. Gott ift nicht mehr Gott, und der Menſch nicht mehr Menſch, werm man nicht Gott den wefentlichen ober na= türlihen (ovawön , gvomnr) göttlichen Willen zufchreibt, dem Menfchen den menfchlichen und ebenfo in Betreff ber ersoyem. Damit war die chalced. Formel „vollfommen in ber Gottheit,“ „vollkommen in der Menfchheit“ zum Schiedsrichter gemacht, dem auch ein conftantinop. Patriarch nicht wagen durfte entgegenzus treten.) Die Monotheleten mochten ſich zwar durch das Chal- 2”, Ganz ebenfo ift dieß der Punkt im chalc. Symbol, auf den fi anf der later. Synode Marimus von Aquileia ſtützt. Mansi X, 1060. 1061. Daß ein befonderer menfchliher Wille zu Chalcedon gemeint gewefen ſei, wenn er fchon nicht ausbrüdlich gelehrt wurde, das wird dabei als felbftverfändlich vorausgefeßt, und doch war eben darüber der Streit. Die alten Symbole jagen niht: Einen Willen, noch find fie gegen zwei Willen, alfo find fie für zwei Willen, das ift der Schluß, der gemacht wird. ©. 1057. Daß fogar Neftorius nur Einen Willen will, das ift Feine Barnung gegen Dyotheletismug, das nüßte den Monotheleten nidt. Sondern nun wird gefagt: Neftoriu iſt ſchon verwor⸗ fen, der Einen Willen lehrt, alfo auch der Monotheletismus. Mit Zug und Recht konnte eigentlich nur das gefagt werben: weil die alten Spmbole über Einheit und Zweiheit des Willens fich nicht Dorner, ShHriftologie. IL 2te Aufl. - 15 226 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. - cebonenfe beengt fühlen, aber fireng genommen auch ihre Gegner; denn das Chalcedonenſe lehrte ebenfo beftimmt bie Einheit ber Perſon, wie bie Zweiheit der Naturen. Diefe Zweiheit wollen die Firchlichen Monotheleten auch in Chrifto behaupten (Mansi X, 1024), aber fie giengen von ber Einheit der Perfon aus, und Yeiteten aus biefer nicht minder die Einheit des Willens ab, als ihre Gegner aus ber Zweiheit der Naturen die Zweiheit bes Willens, fo daß beide Parteien ſich mit gleihem Recht auf das Chalcedonenfe ftügen konnten. Beſonders gelungen iſt dieſes aus: geführt in dem Schreiben des Patriarhen Paulus von Con: flantinopel an Theodor von Rom.°®) Der Logos, der Fleiſch warb, fagt er, blieb was er war, und wurde, was er nicht war, daher fümmt alle Gott und dem Menichen gebührende Thätigfeit aus dem einen und bemfelben fleifchgeiwordenen Logos und ift auf einen und benfelben zurüdzubeziehen. Die Unge⸗ fhiedenheit und Unvermifchtheit bleibe, der eine und berfelbe Gott ausfprechen, fo könne feine der beiden Parteien ald von ihnen verdammt angefehen werben, ja wenn fi bie lateranenfifche Syn⸗ ode auf die zmölf Anathematismen des Cyrill als von der ephefinifhen Synode ſanktionirte beruft (Tom. X, 1040. 1041), biefelben alfo anerkennt, fo ift nach dem Frühern faum ein Zweifel, daß Cyrill weit eher die monotheletiſche Grundanſchauung theilte; fein vierter Anathematismug verbietet gerade dag, was die Dyo- theleten thun, nämlich die einen Worte Chrifti auf ihn als Men: fhen, abgefehen vom Logos für fih gedacht, die anderen als Gottes würdig, nur auf den Logos zu beziehen. Und die Spnode vom Jahr 553, von welcher (Mansi X, 1045) gleichfalls vierzehn Be: fiimmungen auf dem Iateranenfifchen Concil vorgelefen wurden, anathematifirt im 7. Canon den Gebrauch der Zweizahl, fofern damit zwei gvaeıs idiovnöcraroı gemeint wären, fie verdammt nicht die Formel Eine fleifchgewordene Natur des Logos an fi, fondern nur wenn damit die Aufhebung des göttlichen oder menſch⸗ lichen Weſens oder deren Bermifchung gelehrt fei, unn ebenfo fol die Anbetung nur Eine fein. Theodorets Schriften aber, nicht blos feine zwölf Kapitel, fondern alle die er gegen Eyrill und die ephefiniiche Synode gefchrieben hat, werden verdammt, in ihm aber ein Mann, der ohne Zweifel die dyotheletiiche Grundan⸗ fhauung theilte. 28) Mansi X, 1020 ff. Verhältniß des Chalced. zu dem Streit. Lateranenf. Eoncil 649. 297 Logos hat Fleiich geworden die Wunder gethan, und die Leiden am Fleiſch freiwillig unfertmegen übernommen, daher zu fagen ift: Gott hat gelitten, und bes Menfchen Sohn ift vom Himmel berabgefommen, gemäß der unzertrennlichen, perfönlichen Einigung der zwei Naturen. Daher lehren wir aud Einen Willen unferes Herrn, damit wir nicht einen Gegenſatz oder Unterfchieb ber “ Willen diefer einen und felbigen Perfon Chrifti zufchreiben, ober ihm mit ſich felbft im Streite denfen, ober zwei Wollende ein- führen. Dieſe Lehrbeſtimmung verwahre er aber gegen ben Ber- dacht, als wolle er Damit die zwei Naturen in einander mengen, oder bie Eine aufheben, fondern fie fei nur fo gemeint, baß feine vernünftig befeelte Dienfchheit göttlich bereichert durch die abſolute Einigung, durch den Logos den göttlichen und unter- fhiedslofen Willen gewann, daß fie flets getrieben und bewegt vom Logos, in feiner Zeit getrennt oder nur eigenen Triebs, ent⸗ gegen dem Geift des mit ihr perſönlich geeinigten Logos ihre natürliche Bewegung vollbradhte, fondern wann, wie und in wel- dem Maß der Logos wollte, damit wir nicht eine Naturnoth- wenbigfeit ihm auflegen. Die Worte: „ich thue nicht meinen Willen“ und „nicht wie ich will“ verfieht er, wie wir es oft fanden, mit Gregor fo, daß Chriſtus Solches aus unferer Perfon und nicht für fich gefprochen, und erinmert im Uebrigen ben rö- mifchen Papſt an den Widerſpruch, in den er mit Hon orius trete. Martinus I. aber und das Iateranenfifche Concil lehren unter Anathem die Wahrheit zweier Naturen, bie unvermijcht und ungefchieden in ber Perfon aufbewahrt feien; ebenjo dauern auch die menſchlichen und göttlichen igenfhaften indiminute und indeminorate fort (Can. 7. 9). .Namentlih babe unfer Herr und Gott Chriſtus duas voluntates cohaerenter unitas, nicht minder ebenſo duas operationes (Can. 10. 11); wer Einen Willen oder Kine operatio lehre, oder das Bekenntniß ihrer Zweiheit ablehne, der Täugne die Wahrheit der Menfchwerdung (dispensatio). 3%) Endlich wird der Tppos verdammt, weil er 3% Diefe Synode fagt weiter: „Wenn auch nur Etwas von den gött⸗ lichen Eigenſchaften Jemanden, der nicht göttlicher Subflanz ifl, 15 * 298 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt IL. Kap. 2. die Wahrheit in Stillſchweigen erftiden wolle. Die Formel von einer Heardoınn erepysıa wird als bedenklich behandelt und nur in einem Sinne zugelaffen, der was fie will, Die innige Durch⸗ bringung der ersegya« zur Einheit, ausfhlieft. Marimus und Sophroniug meinen, die Formel brauchen zu können, aber ohne Das nix, deſſen Sehlen aber, wie wir bei Honorius ſahen, nichts Wefentliches ändert, benn bie Einheit ligt in ber Zufammenfegung. Im Dritten Stadjum 649-680, fuchen zuerft die Kaifer den Wiberftand gegen den Typos mit Ge: walt nieberzufchlagen, indem fie ihn als politiiche Widerfeglichkeit behandeln. Die Borfämpfer des Dyotheletismus ftarben ald Mär⸗ tyrer verbannt und nach fehmählicher Behandlung, Martin i. I. 655, Marimus 662. Erfchredt fügten fich fchweigend die folgen: - den Päpfte Eugenius und Vitalianus. Aber ald Adeodatus 677 Papft warb, excommunicirte er bie griechifche Patriarchen, und ba ed ihm erwiedert wurde vom Orient, fo war bie Folge ein förmliches Schiöma. Diefer Zuftand war dem Kaifer Conftan- tinus Pogonatug, feit er allein herrfchte, unerträglih. Er eröffnete fchon i. 3. 678 Unterhandlungen mit Domnus von Rom behufs einer neuen Synode; deſſen Nachfolger Agathon gieng gleichfalls darauf ein, und nachdem er gleichfam um den rechten Ton anzugeben, zu Rom ein Concil gehalten , richtete er an bie 6te Synode von Conftantinopel 680 — 681 ein Schreiben, das beiwohnen kann, und dieſer in folcher Beziehung JoN fein können, wie Gott ſelbſt: fag’ an, mas würde ta noch hindern, daß Alles was Gottes ift, aufhörte (cedant) ? Was wäre die Folge? „Daß uns Alles fih vermifcht, dag Oberfle zu unterft koͤmmt, das Un: terfie in Die Höhe fleigt?“ Wie weit ift doch dieſes Alles von einer realen Communic. idiomatum entfernt! — Das fei bie conftante - Lehre der Väter, wird hinzugefügt. I.C. Ba — —— Dritt. Stadium. Haupifirtplt.: d. Wille Sache d.Perf.? od. d. Nat.? 229 eine ähnliche Stellung fir die Befchlüffe einnehmen follte, wie einft der Brief Leos. Was die innere Gefchichte des weiteren Streites anlangt, fo geben beide Parteien von anerkannten Säten aus. Die Mono⸗ theleten von der Einheit des wollenden Subjefts, woraus fie auf bie Einheit auch des Willens fchließen, ihre Gegner von ber Zweiheit der Naturen, aus ber fie auch die Doppelheit der Willen folgen. Bündig war aber ber Schluß der Erſteren nur dann, wenn das Wollen mit dem Ich oder Subjeft zufammengehört und nicht Sache ber Natur ift, und bie Folgerung der Gegner, wenn ber Wille Sache der Natur, nicht aber der Hppoflafe ums mittelbar if. Hierin konnte alfo ein ethifcher Gegenfag zwifchen Natur und Perfönlichfeit verborgen liegen, jedoch ligt die Haupt: fache vielmehr barin, daß bie Einheit ber mollenden Perfon den Monotheleten der Ausgangspunft war, indem in ihr bie Gegenfäge der zwei Naturen ſich zur Einheit vermittelt und aus: geglichen haben follten (mochten fie im Uebrigen dyophyſitiſch ober monophpfitifch Tehren), während die Gegner, ausgehend von den zwei wollenden Naturen oder natürlichen Willen zu Feiner andern Einheit famen, als zu der, daß bie beiden Willensreihen, welche von den 'entgegengefeßten Naturen ausgehen, theils denſelben Willensinhalt, jede auf ihre Weile ſich aneignen, theils zufam- mengehalten gedacht find durch eme und biefelbige Hypoftafe. Der charafteriftifche Ausdrud der beiden ‘Parteien wurde nun bei den Monotheleten: der Eine Wille fei der hypoſtatiſche Wille Chriſti; bei ihren Gegnern: der Wille fei Sache der Natur und entfpreche immer feiner Subſtanz, was Einen Willen babe, das babe auch Eine Subſtanz, Ein Wille fei in ber Trinität, weil Eine Subſtanz. Weil im Vater, Sohn und Geift Ein Wille fei, fo folge, daß in ihnen bie Natur bie gemeinfame das Wol⸗ lende fei. Die Monothefeten müßten in Gott nach ihrer Lehre vom Impoftatifchen Willen tritheiftifch drei Willen annehmen, oder um die Einheit des Willens zu behaupten, die Mehrheit ber Hppoftafen Täugnen. Der Sohn Jeſus Chriftus könne nicht Einen Willen haben, denn fonft wäre entweder feine Menſchheit unberüdfichtigt und bie Incarnation geläugnet, ober müßte 230 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. auch von einer Incarnation bes Vaters und Geifted bie Rebe ſein, damit nicht der eine gottmenfchliche Wille Chrifti von dem des Vaters und Geiftes verfehieden fei. Die immer wieberfehren- den Ariome ber Dyotheleten find die Säge: bie Naturen find nicht tobte, ruhende Kräfte, jede lebendige Kraft muß auch eine Aeuße⸗ rung haben, jegliches Weſen aber äußert ſich feiner Natur gemäß; wie biefe, fo ift auch fein Wille und feine Thätigkeit befchaffen. Wie die Monotheleten unermüdet darauf beftanden, daß zwei Willen neftorianifch zu zwei Perfonen führen, fo fuchten ihre Gegner zu zeigen, daß Ein Wille in Ehriftus auch nothwendig auf Eine Natur, alfo zum Monophyfitismus zurüdführen müßte. Die ältern Monotheleten, wie Theodor, Sergius und Hos norius erleichterten ihnen auch den Beweis, daß fie noth⸗ wendig bie menſchliche Natur in ihrer Wahrheit verfürgen, und für Ausfagen des N. T. von einem befondern menfchlichen Willen Chrifti während feines irdiſchen Lebens feine Stelle haben, dies felben vielmehr flatt auf feine eigene Perfon ohne Grund auf uns beziehen müflen. Freilich hielten die Monotheleten entgegen, daß, wenn doch das Fleifch nur das Fleiſch Gottes des Logos fei, und dieſem nah Cyrill bie Leiden und bie Wunder zugehören, nothwendig ſowohl die menfchlichen ald die göttlihen Wirkungen biefem Einen Fleifchh gewordenen Logos zugehören und fo fei nr Eine Thäs tigkeit in dem Einen Chriftus, denn auch die Veränderungen auf der menfchlichen Seite feien nur dadurch wirflic geworben, daß der Logos fie zuließ nach feinem weifen allmächtigen Willen, der bafür das monabifche einheitliche Prinzip war, wenn bDiefer gleich durch die vernünftige Seele und ben Leib fich vermittelte. Sonady fei in Ehriftus nur Ein Wille anzunehmen, nemlich ber göttliche, der auch Menfchliches als das Seine wollte, und in befien Willen auch die Leiden der menfchlichen Seite in letzter Beziehung Thätigfeiten find. Die Menfchheit fei das in jeder Beziehung abhängige oder paflive Organ der göttlichen. So nad) Theodor von Pharan befonders Makar ius von Antiochien. 4%) *) Mansi Tom. X, 743. Bgl. Baur, a. a. O. 108 ff. Mansi Tom. XI, 688. Ang. Mai. VII, 194. =. u _ mm | u Defenfive u. Offenfive d. Monotheleten. Malarius v. Antiochien. 231 Die chaleedonenfifche Lehre von zwei unvermifcht bleibenden Nas turen könne dabei, meint Makarius, wohl behauptet werben, benn bie Menſchheit fei das Paſſive, die Gottheit das Aftive. Diefer fommen die Leiden nicht zu, und fo feien die Naturen ver: ſchieden, aber auch auf einander bezogen ald Gorrelate, und der ' Handelnde auch zum Leiden Beſtimmende, fei einzig der Wille des Logos. Er geht aber auch zum Angriffe fort, und führt von Pyrr hus und Andern Angebeutetes weiter aus. Wollte man in dem Einen Chriftus zwei Willen annehmen, fo müßten fie ents weder glei oder von einander verfchieden fein. In beiben Fällen wären fie außer einander, unb bamit bie Menſchwer⸗ bung felbft aufgelöst. In beiden Fällen käme man auf Unge⸗ reimtheiten. Zwei gleihe Willen nemlich könnten in Chriftug nicht fein, fondern fie müßten zufammenfällen in Einen, benn fonft hätten wir entweder einen dem menfchlichen Willen. gleichen zweiten Willen, während dod ber Wille des Logos unveräns derlich ift, oder wir erhielten zwei abfolute Willen, während doch Die menfchliche Natur feinen diefer zwei haben könnte, wie auch die Kirchenlehre zwei abfolute Willen nicht zulaſſe. Müßten mithin bie zwei Willen fchon ungleich fein, fo müßte, dba ber göttliche Wille des Logos gut ift, der menſchliche Wille nicht gut fein, die Willengzweiheit müßte fortgehen zur Annahme eines Willens des Fleifches, der nad dem Apoftel Gottes Geſetz ſich nicht unterorbnet, Feindſchaft wider Gott ift, zu zwei entgegen: geſetzten Willen, einem guten und einem böfen. Zum minbeften fei der menfchlichen Natur die Bewegung der Furcht eigen, etwas Tadelnswerthes, das Chriftus nicht an fich haben dürfe. Dem entgehe man nur, wenn man mit ben Vätern einen befonbern Willen des Fleifches Chrifti überhaupt läugne. Die Menfchheit Chrifti verhalte fich zum Logos ganz nur wie ber Leib zu der Seele. Es fei ſonach überflüffig, ja unzuläffig, zwei außer einander ftehende Willen anzunehmen. Die Dyotheleten ihrerfeits, beſonders der bis 662 fortwir⸗ fende Marimus und Anaftafius fuchten theild diefen Eins würfen zu begegnen, theils zu zeigen, daß eine fo vein paſſive, nur bewegte, eines eigenen Willensheerbes beraubte Menjchheit 232 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IT. Kap. 2. noch feine wirkliche und Chriſti Vorbildlichkeit für und bei folcher Lehre verkürzt wäre. Sie beriefen fi) gegen jene Einwürfe auf Die Doppelte Bes deutung , die das Wort Fleifh im N. T. habe.*’) Anaftafius und Marimus bie Ghriftologie anfnüpfend an bie Gottebens bilblichfeit des Menſchen, fagen, das Fleiſch an fih, wie es aus Gottes Hand bei Adam heroorgieng, fei nicht ungöttlich, fei unſchuldig (dö@ßArros), das Böſe fei wider die Natur. Die denkende und begehrende Aktualität ber Seele ift nad Anaſtaſius gottentflammt (Hsogvzor). 1) Adams Seele fei aus dem Weſen des Logos burch befien Willen auf unfagbare Weife hers vorgebracht, fie fei Daher äxdeos, Heouoios, rein, unbefledt, uns fterblich, *°) ja fie blieb auch nad) dem Fall in ihrer inneren, gottebenbifblichen Lnfterblichfeit. Die Seele bebarf daher feiner fo wefentlichen Umbildung, wie ber Leib, fondern nur einer gei⸗ fligen Zurechtftellung. Diefe gottähnliche Seele nun, welche durch die Schöpfung berausgefegt war, pflanzte er fich felbft wieder ein durch die Menſchwerdung, jo daß die reine, menfchliche Seele wie der Logos fie von Anfang dem Adam: mitgetheilt, aus ihm, durch ihn, mit und in ihm ihr Beſtehen hatte (unsorr). Diefe Seele und der Logos find einander nicht fremd. Sei doch, fagt er, nach dem Areopagiten der vernünftige Wille der Seele nichte Anderes als die Kraft der Intelligenz und bes Begehrens, mit Gott verbunden zu werden (nwanzeoda), eine Kraft, bie ber Seele von Gott weſentlich gefchenft ſei. Ebenſo fei die Liebe, — +. #1) Anastasius Presb., Ang. Mai. VII, 195. MansiX, 787. 4%) 16 Aoyıarınov nal Emdvurenov borndss Hlnıa. Nachher fpricht er von einer Odlyoıg Aoyıarızy. Diefes, wie die Lehre von Eprifi gnomiſchen Willen zeigt, mie im monothel. Streit unter Ouiyan auch die Actualität der Intelligenz verfianden wird, beſonders fpäter vgl. Baur. c. ©. 196. #3) Achnliches werben wir auch bei Maximus finden, während man im Abendland dem Monophpfitismus weit fehroffer gegenüber: ſteht und an der abfoluten Heteroufie des Göttlichen und Menfchlichen weit confequenter ferhält. Bei Marimus und Anaftafius iſt troß ihres Dyotpeletismus hier ver Areopagite fpürbar. Vertheidigung der Dyotheleten. Marimus. Anaflafius Presb. 233 unfere Aufgabe, nad dem Areopagiten nichts Anderes, als bie einheitliche auf Verbindung gerichtete Seelenbefchaffenheit. Aber gleichwohl fei von Gott verfchieden der vernünftige Wille. Sonach hat Anaftafius in Chriftus ein gefchaffenes und ein ungefchafs fenes Göttliches, denn es ift nicht blog die Einheit ber Hypoftafe oder bie moralifche Zufammenftimmung ber Willen, wodurch er bie zwei Naturen verbindet. Kine Zweiheit untabelidher Thä⸗ tigfeiten und Willen meint er doc behaupten zu fürmen, unge fhaffen der eine Wille, - gefchaffen ber andere. Schon bei ung, meint er, finde ſich eine Analogie folher Zweiheit. Eltern unb Berwandte lieben fer ein natürlicher, tabellofer Wille der Seele, aber fie verlaffen unb verläugnen um Gottes Willen fei in Wahrheit ein göttlicher, übernatürlicher, preiswürbiger Wille, fo dag in dem Einen Menfchen zwei tabellofe Willen feien. So nun babe Chriftus, gehorfam dem Joſeph und feiner Mutter, fih als Kind in natürlicher Liebe von ihnen Tieben. und Tiebfofen laffen, um ung allenthalben gleih zu fein, ausgenommen bie Eünde. Wiederum aber, wenn er zur Mutter. fpricht: Weib, was babe ich mit dir zu fchaffen? oder, wer meines Vaters Willen thut, der ift mir Vater und Mutter, fo zeigt er. ung feinen göttlihen und übernatürlichen Willen, ber für uns vor⸗ bildlich fein wollte. Kommt er biemit_nicht auf drei Willen in Chriſtus, zum Beweis der Möglichkeit zweier? Der höhere menfchliche, gott: ebenbildlich, ein gefchaffenes Göttliche, fol Mittelglied fein, aber macht den göttlichen Willen des Logos entbehrlich, und man fieht nicht, wie Anaſtaſius biefen und den höheren menfchlichen aus einander halten kann. Eine andere Analogie, um eine Zweiheit von Willen zu conftruiren, nimmt er von dem Schlafe ber. Da rube zwar bie Aftivität aller Sinne "und boch bleibe bie ver: nünftige Seele in Xhätigfeit. Und wie unfere Seele Manches allein wirkt ohne den Leib, 3. B. Liebe zu Gott und Glauben, kurz, alle Tugenden, fo auch der Rogos in Chriftus durch feine unumfchriebene, allweltlihe und lberweltliche göttliche Energie. Andererſeits beberrfchte, belebte, entwidelte der Logos in Chriſtus burch die gottgefchenfte Rebensfraft feiner vernünftigen Seele feinen 234 3weite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt II. Kap. 2. eigenen Leib, wie er bas auch fonft den Seelen verleiht. Und wie ber Logos, der nach feinem Bilde gejchaffenen Seele verlieh, feelenleiblih (wuxardoınos ‚- owurzoypvyae), zum Typus auf Chriſtus, zu wirken, fo wirfte der Logos vor der Menſchwerdung zwar unbegrenzt im Himmel, aber gottmenfchlih in Chriftus (Hearöpınog). Das find Gedanfen, welche ſich großentheils ſchon bei Mari: mus, bem Lehrer des Anaftafiug finden; nur baß er, wie wir oben fahen, faft noch eiferfüchtiger die Menſchheit der bloßen Paffivität entnimmt, zu ihrer Natur den freien Willen rechnet, "mithin die Menſchheit in Chriſtus als eine das Ihrige aus eige⸗ . nem Impulſe wollende bem Logos und feinem Willen gegen überſtellt. Um ſomehr iſt nun aber die Frage, wie Maximus der mono⸗ theletiſchen Einrede begegne, daß ſich der Logos und der Menſch auf ſolche Weiſe fremd gegenüber ſtehen. Die gottebenbildliche Weſens⸗ gleichheit des Urmenſchen vor dem Fall und der Menſchheit Chriſti mit Gott kann hier noch nicht genügen, auch wenn ſie, wie bei Maximus, ſich mit dem Theologumenon verbindet, in Gott ſei Mittheilbares und Unmittheilbares von einander zu unter⸗ ſcheiden, das Erſtere werde zum Eigenthum des Menſchen oder in ihm zum gefchaffenen Göttlichen. Da ſtünde bie reine Menſch⸗ heit, Chriſtus mit eingefchloffen, gleichſam als eine Götterfamilie ba; aber abgefehen von der Frage nach dem Unterſchied zwifchen Chriſtus und den Wiebergeborenen bliebe nachzuweiſen, wie fern der höchſte unmittheilbare Gott ber Logos felbft und fein Wille mit dem gefchaffenen Göttlihen oder der Menfchheit in Chriftus in einer Rebenseinheit fiehen könne? Wir verweilen hiebei bier noch nicht länger; es wirb fpäter ber Ort fein, ben myftifchen Hintergrund in ber Lehre des Marimusg genauer zu betrachten und fein Verhältniß zur Chriſtologie zu erwägen. Diefes um fo mehr, als er in feinem Kampfe für den Dpothe⸗ letismus als Kirchenlehre wohl nicht abſichtslos von dieſem Hin⸗ tergrund abſieht. Auf die Frage, was ihm denn als Band ber Einheit zwifchen den zwei Naturen und Willen übrig bleibe, wenn fie doch nach ihm in zwei einander nicht beftimmenben Marim. Zürf. für die Einigung d. Nat. Teowogarrıdoa. Hepeyaeyoıs. 435 Reihen verlaufen, antwortet er vielmehr: die perfünliche Einigung (Erwos drogen); denn im Logos hat die Seele Ehrifti ihre Subfiftenz (Undorn). Im diefer Beziehung in Eins zufammen- gebracht, tauſchen bie Naturen ſich gegenfeitig bas was jeder phyſiſch zufomme aus, fo daß es gemäß ber geheimnißvollen Einigung jeder von beiden zufomme, aber ohne Verwandlung und Vermengung bes natürlichen Weſens. Daher könne man wohl reden von einem gemeinfamen Willen beider, nur nicht von Einem, fondern gerade jene Mittheilung weiſe barauf zurüd, daß die zwei Naturen nicht Eins, fondern ungleich feien. Jede der Raturen wirft für fih, wenn fie auch den Willen der andern fi) aneignet. Das nennt er den roonos arudncenc. +) Dazu fomme ale weitere Folge der bypoftatifchen Einigung bie geheim⸗ nißvolle Weife des Kreiſens der Naturen Ehrifti in einander (die zegıysonow). Diefes zufammen meint er, laſſe dem Aus- druck von einer Hearögınn ersoyau fein Recht; und fo wenig Chriſtus nur Eine Thätigfeit zeigte, fo babe er doch eine neue und geheimnißvolle Offenbarungsweife beider Thätigfeiten in einer Einheit gehabt. *°) *%) Mansi X, 745 f. Es ift nicht deutlich, ob er jenen Austaufch (arridooıs) nur auf das Objelt, ven Inhalt des Willens oder auch 3. B. auf göttliche Eigenfchaften bezieht. Erwägt man ben Un: terfchien des Mittheilbaren und Unmittheilbaren in Gott (worin ein Reflex ver fataphatifchen und apophatifchen Theologie zu fpüren fein möchte), fo Tann jener Austaufch auf das Letztere fih auch in Chriſtus nicht bezogen haben ; das Mittheilbare aber wohnt Chrifti Menfchheit felber ſchon ein als das gefchaffene Göttliche, fo daß am fiherfien nur an einen Austaufch oder an eine Gemeinfam: feit in Betreff des Willensobjekts gevaht wird. Vgl. oben bie Disputation mit Pyrrhus. Höcftens kann fi ihm wohl hieran noch eine nominelle Communic, idiom. angefchlofien haben, d. t. eine Uebertragung der Namen. — *5) ib. anogomtos rednog rjs eis allnlag ıay Xpıwrov YVoso» Tepı- xopy0ens ©. 753. Maximus hat hiedurch, wie überhaupt durch die Kraft feiner Dialektik viel zur Feſtſtellung ver Kirchenlehre bei: getragen. Wie er als Schöpfer ver Lehre von ber Perichorefis und zum Theil auch der arzidooıg fann angefehen werben, fo hat 236 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt I. Kap. 2 Wenn Marimus auf eine ſich relativ felbfländig aus F ch bewegende Menſchheit auf das auressnor derſelben ein fo großes Gewicht legt, fo zeigt fih darin ein bedeutender Fortfchritt gegen bie * kenne von n Crift Willen im vierten Jahrhundert. Statt er auch die Begriffe von Derfon und Natur fehärfer zu unterfcheis ben gefucht. Die Naturen (auch die göttliche) find nicht Hypo⸗ ftafe an ihnen ſelbſt; fie find zwar beide nicht ohne Hppoſtaſe (avunsararoı), aber in einer Hppoſtaſe (evemvoraroı, evunagnro), wie auch die Hypoftafe, obwohl nicht ſelbſt Natur, doch auch nicht ohne fie, fondern in ihr ift (evsauos). Vgl. S. Maximi Confess. Opp. T. Il. ed. Combefls. Par. 1675. Ilepgi Heinnaroy dvVo ru Evag Koırov ©. 98 ff. Zhr volles Licht für feine Denkweiſe erhalten diefe Säge erft durch den in feinen Scholien zu Gregor enthalte nen weiteren Sap (vgl. Append. zu Jo. Scotus Erig. ed. Gale): daß Bott die unsoraoıs aller Gläubigen fe. Doc hievon unten ein Mepreres. Er braucht ven Ausprud, der Sohn fei die Hypoftafe der beiden Naturen, d. h. wohl das Realprincip ihrer befondern oder individuellen Subfiftenz. — Er hat fi mit den möglichen Formen der Einigung überhaupt viel befchäftigt. Wefenseinpeit finde flatt bei Perfonen, Individuen (3. B. derfelben Gattung); bypoftatifche Einheit bei verſchiedenen Wefenheiten wie Leib und Seele. Einigung der Relation (xara ayeoıw) finde Statt, 100. verſchiedene yranar zu Einem Willen GWillensobjekt 2) zufammen: treffen. Aneinanverfegung finde Statt bei Brettern, Ineinander: fügung bei Steinen; Ineinantergießung (Mifchung) bei verſchie⸗ denen Beuchtigfeiten, Ineinanderwürken bei Trodenem und Feuch⸗ . tem, wie Mepl und Waffer, ein Gemenge bei Berfchievenem, was verfhmolzen wird, Zufammenhäufung bei Trodenem un. f. w. Die Weſenseinigung hat Statt unter Solhem, was verfchieden bleibt in den Hypoftafen (Trinität); die hypoftatifche Einigung dagegen hat ihre Stelle bei vem , was verfihieden im Wefen bleibt. Diefe Verſchiedenheit der menfchlichen und ver göttlichen Subſtanz, auch ihrer zum Theil entgegengefeßten Eigenfchaften will er zwar bewahren, aber er unterfcheivet fi wie Anaftafius von den Chalcedonenſern dadurch, daß ihm die menfchlihe Natur auch etwas ber göttlichen Verwandtes hat. In Gott gibt es ein ued- exzoy, etwas, woran bie Kreatur Theil haben fann; im Men fen eine hieran Theil habende Seite (ein nerdxor). Jedoch iſt diefes bei ihm weder für ven vollendeten Epriftus, noch für den Anfang feiner Menfchheit fo zu denken, wie die Donotheleten wollen, nemlich daß das Menfchliche die Empfänglichleit wäre zu Marimus fchreibt Chriſti NMenſchheit die Freiheit zu. 237 einer Chriſtologie, welche das Menſchliche nur als paſſives Organ und als Durchgangspunkt für den allmächtigen Willen des Logos benft, firebt Marimus zu einer ethifchen Chriſtologie fort. Die Menfchheit Chrifti fol in fich felbft einen Fokus für Willens: impulfe, für Tugenden und gute Handlungen haben; Chriſtus fol nicht bios ein in. Menfchengewand hanbelnder Gott fein. Dadurch erfchien erft Chrifti Vorbilblichfeit in neuem Licht, und bie Schläge, die von bier aus auf ben Altern Monotheletismus fielen, blieben, wie wir gleich fehen werben, nicht wirkungslos. Anaftafius verftärkte fie folgender Maßen. Wuaͤre Ehrifti Seele, fagt er, eine müßige todte Kraft, ſo wäre das ein Beweis, daß ſie gar nicht exiſtire. Wäre ſie der göttlichen Fülle oder Mittheilſamkeit, ſondern vielmehr iſt ihm auch das Menſchliche weſentlich aftio und frei, und feine An⸗ fhanung führt viel mehr zu einer Verdoppelung oder Bervielfäls tigung göttlihen Seins, als zu einem Wirken Gottes burd menſchliche Organe. Greatianifch will er felbfländige Weſen auffer Gott, und flieht fo der Immanenz Gottes entgegen; nur daß er das wahre Wefen des Geſchaffenen als aus Gottes Weſen ftams mend denkt. Solche PBerboppelung des Göttlichen ward in Chris ſtus dadurch, daß eine reine adamitiſche Menfchheit in ihm iſt neben dem Logos. Aber für die Einheit ift damit freilich wenig geſchehen, was am ſchlagendſten in ver bei ihm fich findenden Formel ligt: Chriſtus ift die zwei Naturen. Die Vergöttlihung tes wahren Menfhlichen ſchlägt bei ihm dahin aus, mehr vie Zweiheit als die Einheit zu flärfen. Erwägt man dann weiter, daß ihm ver Logos nach feiner Allgegenwart auch bei ven Gläu— bigen if, wie dieſe an ihrer reinen Menfchheit ein‘ kosmiſches Böttliches gleichfalls darſtellen, fo fiebt man gar nicht mehr, worin denn Chriſti fperififche Beveutung beftehen, oder mas denn bie eigenthümliche Berbindung bes Logos mit ver Menfchheit Jeſu bereuten fol? Er nennt fie freilich eine hypoftatifche; aber Gott iſt ihm ja auch die Hypoftafe aller Gläubigen, ihre höhere, wahre Perſönlichkeit. Und auch fo bleibt ihm ver Logos überweltlichen Wollens und Waltens, während der menfchliche Wille enplich if. Der Dualismus bleibt alfo fleben und es ift eine. bloße Behaup⸗ tung, wenn er doch meint, bei feiner Theorie ſei Chriſtus vmo- Otaoıg OUvderos T5V Yvoınyv 109 arpomv draipecıv Ev davro xar' ax- par naravsilsca nal 8is Ev ays0a 15 Toy oixalay dvadsı N8Q0P, 238 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. willenlos, fo würde fie unfreiwillig dem Logos unterworfen fein, wie Apollinaris lehrt (Bo. 1,993 ff.), fo wäre fie den Wol⸗ fen oder Sternen Ähnlich, die ohne eigenen Willen regiert wers ben, fo war Chrifti Seele willen und thatlos in dem Habe, ein geiftfofes der Sprache und bes eigenen Denkens (Aoyos erdıc- Beros) ermangelndes Organ, durch welches ber Logos nur hin- burch ſprach; fo hätte der Logos den Willen und bie Thätigfeit der doch von ihm durch fein Einhauchen gewordenen tabellofen Seele vernichten müffen. Nun find aber Glaube und Liebe wie alle Tugenden nur möglich durch ben freien Willen (exsoor) und bie eigene Thätigfeit der Seele. Spräche man alfo die Eigen- haften unferer Natur, wodurch fie conftituirt wird (zus ovoze- Tixag Ti nuereons pvoeoc idsoryras), Chriftus ab, nemlic den wefentlichen Willen und die Thätigfeit der Seele (Heiroıs xai ersoyee), ſo wäre feine Menfchheit den unvernlinftigen Weſen gleich. Diß führt aber zur Hauptfache. Es ift beſonders dag Wert Ehrifti, auf das er zurüdgeht. Es gehörte zu feiner Aufgabe, Gehorſam zu üben, den Willen und das Geſetz des Vaters zu erfüllen. „Ich bin vom Himmel berniedergeftiegen nicht daß ich meinen Willen thue, fagt er, fondern daß ich vollbringe das Merf und feine Gebote halte.“ Hat num Chriftus überhaupt feinen Willen in feiner vernünftigen Seele, nad) welchem Willen oder durch welchen hat er bes Vaters Gebote gehalten? Nach bem Willen des göttlichen Logos? Aber deffen Wille ift ja ges bietend, berrfchend, und des Vaters Wille ift ein und berfelbe mit dem Willen des Sohnes. Durch welchen Willen alfo? denn ein Anderes ift Doch der gebietende, ein Anderes der gehorchende Wille. Man bat nur bie Wahl zu fagen, ber gehorchende fei Wille des Logos, eben damit aber auch bie göttliche Natur bes Logos arianifch zur Unterthanin, Dienerin zu machen, was fei- ner Widerlegung bedarf, ober. aber muß man einen wahrbaften menfchlihen Willen in Chriftus zugeben. Gehört doch auch an fih ſchon Freiheit (Exsoor) zur "Tugend und Erfüllung des Ge ſetzes. Sonach ift ein vom Willen des Logos verfchiedener und doch reiner, guter und freier Wille anzunehmen, eine vernünfz _ tige Kraft des benfenden, überlegenden Willens (HsAnoıs Aoyınr, Anaftaf.: Beveutg. eines bef., freien menfchl. Will. für d. Werk Chriſti. 239 Belsvınn nai daronemn) Mur fo erhält es feine Bedeutung, Daß er die Knechtsgeftalt annahm, um die Gebote, gegen bie der Knecht, Adam, ungehorſam geweſen war, durch feinen Gehorſam in Sinechtögeftalt zu erfüllen, und um die Schuld zu tilgen, die ber Knecht auf fih und ung Iud, den Tod, den ber Knecht (Chriſtus) burch feine Gottesgeftalt im Gehorfam bis zum Tode bezahlte. +6) *) Erwähnung verdient hier» ein Fragment (Mansi XI, 597 ff.), das auf dem 6. Eoncil von cyprifchen Bifchöfen, angeblich aus einem fehr alten Cover athanafianifher Homilien über die Stelle Joh. 12, 27: „Sept tft meine Seele betrübt“, vorgelegt und von der Synode als athanaſianiſch, freilih wohl mit zweifelhaften Recht (vgl. Bd. I, 1072. 972), anerfannt wurde. Dier wird in ganz anderer als byotheletifcher Tendenz eine ges wis im Wefentlichen anzuerlennende Zweiheit in Chriſtus in ſei⸗ nem irdiſchen Leben im Intereſſe feiner wahren menfchlichen Ent: widiung gelehrt. Während ver Dyotheletismug eine Zweiheit verewigt, vie er als. bietbenve Zweiheit des göttlichen und des menfchlichen Willens beſtimmt, ift hier eine momentane Zweiheit gelehrt, nemlich zwifchen dem Willen des Logos zur Menſchwer⸗ dung und Erlöfung, welcher auch ſchon ſtets grunpfäglicher Le: benswille des Logos if, und dem Willen bes Zleifches, der, wenn auch an fih tadellos, doch geopfert zu werden befiimmt war. Hier wird -ausgegangen davon, daß Chriſtus uns habe müflen ähnlich fein, damit wir könnten Gott ahnlich werben. Er habe daher, in unfere Achnlichkeit Hinabfleigenn, gerade in Demjenigen am meiften ung gleich werden müſſen, worin wir der Umwand⸗ Tung beburften, in dem Leidentlichen, damit er diefes über bie Leidentlichkeit erhöbe. Zwar nicht fo, als ob die Gottheit wäre verwantelt worden, ſondern die Leiventlichkeit, die von den leiblichen und pfochifchen Bewegungen her ihm zufam, wurde be fiegt und fam ihm zu, damit fie befiegt würde; und befiegt wurde fie veßhalb, damit das ganze Weſen der menfhlichen Gattung feiner Berwandtfchaft gemäß davon Segen hätte. Denn von ihm anfangend werben wir alle aus Leidentlichen verwandelt in Erhas benheit über Leiden und Leidenfchaft und aus dem Tode bargeftellt als Lebendige. Darum irre fih Keiner, wenn der Herr, ver Gott und Menſch zugleich ift, fpricht: „Seht ift meine Seele betrübt!“ Denn das gefhah dadurch, daß die Gottheit es zugab (sinovang), das Fleiſch aber aufgeregt fich erhob (eyarponsvns); denn es war der Gottheit wohl möglich, jene Erfhütterung ber Seele zu hin- dern, aber fie wollte nicht, um nicht die Aehnlichkeit mit "ung 240 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt II. Kap. 2. Solide Gründe num und der auf Dofetismus ober unvoll= ftändige Menſchheit Iautende Vorwurf, den wir immer wieber, bei Marimug, Stephanug und Anaftafiug fanden, riefen im Monotheletismus eine ganz ähnliche Erſcheinung, wie im aufzulöfen. ALS Bild diene das Verhältniß des mit Waffer ges mifchten Honigs. Findet die Erregung des Fleifches in dem Herrn Statt, fo ift das gleichfam das Ueberwiegen des Waſſers, das in dem Honig gemifcht if; tritt aber wieder bie Gottheit hervor und zeigt ihre Kraft in Wundern, fo if das, wie wenn die Süßigfeit des Honigs das Wafter bewältigt hat. Denn das vermag die Gottheit, bald vem Fleiſche das Nebergewicht zu laſſen (zo mAsovaoı), bald aber es zu beberrfchen, feine Leidentlichkeit und Schwäche aufzuheben. Das Lebtere zeigt fich bei Chriſti Faften in der Wüſte, das Erftere bei feinem Hungern nach den 40 Tagen. Das Fleifh überfluthete, damit ſowohl die Verfuhung Zugang hätte, als ver Berfucher beſchämt würde. So trägt er auch bie Erfihütterung des Zleifches bei dem nahenden Zode; denn wie hätte er können gehorſam fein anftatt unferes Gehorfams, wenn er nicht auch einen Widerfpruch (evarriaua) in ſich trug und dieſen befei« tigte? Wenn in ung, vom Fleiſche her, ein Widerfpruch auffteigt, und wir übertreten, vom Fleiſche befiegt, dag Gebot, fo ſtößt ung Sünde zu. In dem Herrn mußte, vom Fleifche her, zwar aud ein Widerſpruch entfliehen, aber es mußte auch fein Gehorfam überwinden. Denn wenn er gleich Gott ift, fo iſt er es doch im Fleifhe und vollbringt den Gehorſam im Fleifhe (nara saexa) und bewältigt den Willen des Fleifches durch ven Willen der Gotts heit, wie er fagt: „Ich bin vom Himmel geftiegen, nicht, daß ich meinen Willen thue, fondern des Baterd.“ Er nennt auch den Billen des Fleifches feinen eigenen Willen; denn das Fleiſch war fein eigen; denn der göttliche Wille des Sohnes ift von dem Wil⸗ Ien Gottes nicht getrennt. Der Wille. des Fleifches aber mußte fih bewegen, um dem göttlichen unterworfen zu werben; und fo wird der Sefammtungehorfam der Denfchen aufgehoben durch die fen wunderbaren Gehorfam Chriſti für und. Ebenſo führt er die Worte: „Und was foll ich fagen, Bater! rette mich aus biefer Stunde“, ald Worte an, die Chriftus gemäß der Bewegung im Fleiſche ſprach. Aber die gleichfolgenden: „Doch darum bin ich in diefe Stunde gelommen“ zeigen ſchon wieder bie überwindende Gottheit, fo daß ber göttliche Wille dem fleifchlichen kaum mehr zu erfcheinen geftattete; fo zeigt er die Wahrheit feines Fleiſches, "aber auch feine Unterwerfung. Und weiterhin, als was achtet er Die Monotpeletenlehre vom zuſammengeſetzten Willen. 241 Monophyfitismus hervor, wovon ſich die Spuren ſchon bei Pprrhus zeigten. " Es gehört hieher theils die Fortbildung ber Lehre von Einem Willen zu der von Einem zufammenge- fegten Willen, theild und noch mehr bie Lehre von den ſoge⸗ nannten gnomifchen Willen. Der Monotheletismus gab nemlich fpäter die Sätze ans den Vätern zu, daß jede Natur, bie ift, auch wirken muß, ſowie daß bie Art der Wirffamfeit fi) nach der Art der Natur zu richten bat, daß fonach mit zwei Naturen in Chriftus auch zwei natür- liche Willen anzuerfennen feien. Aber er fucht diefe Zweiheit in einer Einheit zufammenzuhalten, und zwar nicht blos in der Ein- beit der Perfon, die für fich ein fehr formales Band werben fonmte, fondern biefe höhere Einheit beider Willen nennt er felbft wieder Willen, aber zufammengefegten (ex zo» dvo Qvor- x07 Beinueror Er cı ovrderov). Er hofft durch ſolche Wah- rung des menfchlichen Faktors die Differenz von dem Dyothele⸗ tismus in ihrer Bedeutung herabzufegen und doch bie Einheit der Thätigfeit ober auch ihrer einheitlichen, Kraft feſtzuhal⸗ ten. Hiemit ließ er von feiner urfprünglichen Vorſtellung, wo⸗ nah die Menfchheit ſich zu der Gottheit nur rein paffiv als Bewegtes zum Bewegenden (Beoxivnzor), wenn nicht gar als Accidens tr Subftanz verhielt, ab und dachte die Perſon nicht das Leiden ? nicht als eine Unehre und Schande, fondern als feine Ehre und des Baters; und er befchleunigt mehr das Leiden, als er es flieht: „Baier, verberrliche deinen Ramen.“ Meinerfeits, fagt er, ſoll Feine Ablehnung folgen, fondern weichen fol bie Widerrede und fliegen das, dem nicht widerredet iſt. Denn bie fleifchlihe Natur lehnt den Tod ab, und fo follte es fein um ber Wahrheit der Kleifchwerbung willen. Der göttliche Wille aber wählt das Heil ver Welt, das durch ven Tod bewirkt wurbe; da zeigt fih als erfüllt vas Wort: daß ich thue den Willen des, der mid gefandt hat. Kein Menſch ift, ver fih nicht in Etwas oder eine Zeitlang vom göttlihen Willen Iosgezogen hätte; nur in Chriſto wurde die Ungetrennthpeit des Willens bewahrt, und ihm nad» folgend gewinnen wir in feiner Aehnlichkeit Die rettende Einigung mit Gott. Wir werben fogleich ähnliche Gedanken auch bei den Monotheleten feben. Derner, Chriſtologie. II. Zte Aufl. 16 242 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. als rein göttliche, auch nicht wie bie Gegner bios ald ben ge⸗ meinfamen Ort, in welchem beide Naturen niebergelegt feien, fondern als wollende und im Wollen gottmenfchliche. Der Wille, in welchem beide Naturen ſich zur Einheit durchdringen, fei ber hypoſtatiſche Wille, der fo gut wie es bie Hypoſtaſe thue, bie menfchliche Seite an fi habe. Aber freilich erreichte man damit für die Anerkennung bes menſchlichen Willens als eines befon- beren Momentes noch Nichts, wenn man nicht dahin fortgieng, auf der menfchlichen Seite auch einen wirklichen Willensprozeß zuzulaffen, an welchem die göttliche Natur nicht unmittelbaren Anz theil nehmen fonnte. So kamen biefe Monotheleten dazu, zu fagen: während ver Wille Des Logos ſich felbft ewig gleich bleibe, fo verlaufe ber menfchliche, obwohl an ſich mit dem göttlichen geeinigte, durch einen Willensprogeß. In deſſen erften Momenten, fei der menſch⸗ liche mit dem ewigen, göttlichen Willen noch unausgeglichen ober gar in Spannung; aber jedesmal ende der Prozeß menjchlicher Seite in einem Willensentfhluß und in einer Thätigfeit ober That, bie ſich mit dem göttlichen Willen völlig identifizire. Das Refultat fei in concreto jedesmal Ein Wille, der fowohl gött- lich als menſchlich fei, eine Thätigfeit, ein Werk gottmenfch- licher Art. +7) Die Kirchenlehrer wandten gegen bie ganze Theorie ber Zus jammenfegung (die doch auf ein wefentliches für einander Paſſen oder Zufammengehören führt) die Unvereinbarfeit des Gefchaffenen und Des Ungefchaffenen, des Unbegrenzten und bes Begrenzten ein; ein Einwurf, der fich freilich mit gleichem Recht oder viel- — — +7, Sp glaube ich die monotheletifche Lehre von Eprifi gnomiſchem Villen verfiehen zu müffen, gegen weldhe noch Photius sacc. 9 gefchrieben Hat. So verfianven {fl darin ein merfwürbiger Ber: fu von unerwarteter Seite her enthalten, die Menfchheit Chriſti, noch mehr als fonft gefchah, zur Wahrheit zu machen, und einer wirklich menfchlichen Entwidlung Raum zu laſſen. Sie ſprachen von Chrifti yraun als einer BovAevrıny, berathenden, als einer die Gegenſätze ausfcheidenven (1&» ayrıneımdvor agırıny), als einer zuvor nicht Gewußtes erforſchenden (ayvoovudvo» Zyrytıny, Mansi X, 741), als einer wählenden und Borfäge bilvenden. Wie diefes an bie Agnoetenlehre erinnert, fo auch bis auf einen gewiffen Grad an Die Monotheletenlehre von Chriſti gnomifhen Willen. 243 mehr Unrecht gegen den hriftologifchen Gedanken überhaupt kehren Tieße; fie argumentirten ferner aus der trinitarifchen Lehre von Einem und demfelben Willen in Vater Sohn und Geift, indem ba ber Wille bes Sohnes, weil mit dem menfchlichen zuſammenge⸗ fest, verfchieden würde von dem bes Vaters und Geiſtes, ober auch Bater und Geift gottmenfchlihen Willen haben müßten; fie finden die Synthefe von Göttlihem und Dienfchlichem monſtrös bas neftorianifhe Dogma; denn für die Dauer jedes Willens« proceſſes fegen fie die Menſchheit in Chriftus für ſich wirkend nad iprer Art, und wenn fie auch den Proceß in einer gottmenſch⸗ lichen Einheit enven laſſen, fo bleibt doch während deſſelben das Band zwifchen der menfchlicden und ver göttlichen Natur nur ein relatives, nur eine Bezogenheit zweier relativ felbfländiger auf einander. Bier kommt wieder zu Tage, wie der Monophyfitiss mus die Raturen fo befiimmt, daß fie zwei Perfonen find, foweit fie noch nicht geeinigt heißen können. Er faßt das Problem au als Einigung zweier Berfonen, weil ihm jede Natur nur als pers fönliche (in feinem Sinn) exiftirt. Das verbirgt fih zwar, wenn die Menfchheit als mit der Incarnation erft entflanden gedacht, eine präeriftente Menfchheit aber, die dem Eutpches oft vorgeworfen wurde, verneint wird und zwar fo, daß die Incarnation ſchon eine abfolute perfönliche Einigung bringt im erfien Anfang. Cs tritt aber hervor, wo bie Einigung der zwei perfünlichen Naturen oder ber zwei Perfonen erſt Refultat im gefchichtlichen Proceß des Lebens ChHrifti fein fol. Sonach tft diefe Lehre von dem gnomis fen Billen nichts Beveutungslofes. Der Monophyfitismus macht fih damit an die Löfung deffelben Problems, das der Neſtorianis⸗ mus hatte, aber nicht Löste, aus zwei Perfonen Eine refultiren zu lafien. Daher ift es natürlich wie merfwürbig, daß auch bier von einer ayerıny Ermaıs bie Rede wird, fowie anderen neftoriant- fhen Formeln, natürlih nur für die Zeit des Proceſſes, der bet dem älteren Neftortanismug nicht fo fiher zu feinem Ziele kömmt. Andere Monotpeleten fcheinen die Einheit des Willens dadurch erfirebt zu haben, daß fie ber göttlihen Natur abgefehen von der Menſchwerdung, gar nicht einen Willen (vd. h. wohl keinen einzelnen concreten Willensatt) zufchrieben,, fie ohne Willen dach⸗ ten, in Chriſti Menfchheit aber zum actuellen Willen gelangen ließen (dt. c. 741). Da hätten wir die Formel, das Göttliche fet als Weſen, das Menichlihe als Wirklichkeit dieſes Weſens, als die Form oder srdgysun deſſelben zu denken. 16 * 4A Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. (toaysiapos). Endlich aber die Lehre vom gnomifhen Willen erfcheint ihnen ebjonitifh. Die Einheit, weldhe durch den gno⸗ mifchen, wählenden, berathenden, fich entfchließenden Willen er- reicht werben könne, fei feine Wefenseinheit, ſondern mur eine eigenfchaftliche, die nur eine neflorianifche Einheit (eine moralifche oder xaza ekovoias, avdertiar) fei. *°) Der von ber Trinität hergenommene Grund beweist frei lich nicht, denn wenn bie drei Perfonen in der Xrinität einen und benfelben Willen haben fönnen, fo muß noch viel- mehr eine Perfon einen Willen haben Tonnen, wenn fie auch aus zwei Naturen oder Subftanzen zufammengefept iſt. Freilich fagen die Dyotheleten, in Gott fei Eine Natur in ben brei Perfonen, und baher Ein Wille in biefen, denn der Wille folge überall der Natur. Allein abgefehen davon, dag man von bier aus auf Einen Willen in verſchiedenen menfchlichen Perfonen kommen könnte, fonnten die Monothe⸗ leten erwiedern, die Zweiheit der Subftanzgen, aus denen ber Gottmenſch zufammengefegt fei, nöthige noch nicht zur An⸗ nahme einer Zweiheit des Willens; denn auch ber Menſch bes fiehe aus zwei Subftanzen, Leib und Seele, und doch werbe man bei ihm nur Einen Willen annehmen. Sie fonnten ferner fügen, Die gefammte Thätigfeit Chrifti ale eines Ganzen fei Eine, das Ganze fei bie Perfon, alle feine Thätigfeit fei per⸗ ſönlich, hypoſtatiſch; wolle man nun, um der verfehiedenen Subs ſtanzen willen, doch die Thätigfeit diefer Perfon zu einer boppel- ten machen, fo müſſe man ſich eine dreifache Thätigkeit gefallen laſſen, weil Seele, Leib und Logos drei Subſtanzen feien; *°) und wenn Maximus erwiebert: allerdings, aber nur, wenn man drei Nuturen in Chriftus annehme,, was bie Monotheleten felbft nicht wollen; ferner Leib und Seele conflituiren zufammen erft den Begriff (eidoc) des Menfchen und biefer Begriff werde jerfiört, wenn das Eine von Beiden fehle, alfo fei das — — — , So Maximus namentlih in feiner Diſputation und Joh. Damascenus. )10.X. ©, 744. 745. Kirchl. Beftreitung des zuſammengeſ. u. gnom. Willens. Marimus. 245 menfchliche Wefen, ober die menfchliche Subftanz Eine, nemlich eben die Einheit von Beiden, fo konnte ja Pyrrhus ganz Daſſelbe auf den Gottmenfchen anwenden, inbem deſſen eigen- thümliches und untheilbares Wefen oder fein Begriff (eidos) gerade fo in der Einheit des Logos und bes Menichen- befteht, wie ber Begriff des Menſchen in der Einheit von Leib und Seele. Bon der Ehriftologie felbft aber, welche von Männern wie Marimus entgegengeftellt wurde, waren bie Monotheleten nicht ohne Grund umbefriedig. Denn zwar das ift in berfelben ohne Zweifel fehr anzuerkennen, daß nicht bios überhaupt bie menfchliche Seite, fondern daß insbeſondere das menschlich Ethifche, das avzesscıor von ihnen flarf will betont werden. Nach biefer Seite retten fie das Wahre der antiocheniichen Lehre, nur ver: tieft Durch bie religiöfe Betrachtung. Allein leider ift dieſes nicht burchgeführt. Bon einem Prozeſſe abfoluter Einigung, dem biefe Zweiheit dienen foll, ift nichts zu fehen: Chriftus foll vielmehr nur die reine abamitifche Seele haben, die aus Gott, unmittelbar heilig und göttlich war, und in bie nichts von einem wirklichen Werden bineinfällt, daher auch dag auzeäsoor bier nur zur abfolut fertigen Geiſtesmacht wird. — Neben biefer heiligen, fer: tigen Seele und ihrem Willen foll nun ber Logos mit feinem Willen fein und ſich zu ihr ald ber gebietende verhalten, dem fie gehorcht. Mit jenem avreisnor der Menfchheit Chrifti geht biefes nur fo zufammen, daß bie menfchliche Natur Chrifti fi felbft den Gehorfam gegen ben Willen des Logos frei gebietet, und zwar nothwendig, gemäß ihrem reinen Wefen. Aber da haben wir zwei Willensreihen, die zwar wie in präftabilitter Harmonie von felbft zufammenftimmend fi) fortbewegen, aber da fie einander nicht einmal beftimmen, noch weniger durch einen Prozeß zur Einigung kommen, fo ift für die perfönliche Einheit viel zu wenig Sorge getragen Der Menfh Jeſus if ardenonos xvgiaxog, homo dominicus, mit dem Logos einzig durch das Band verbunden, welches (f. 0.) gar nicht beftimmt chriftologifch ift, nemlich Daß er den Grund feines inbivibuellen Dafeins in ber Hypoftafe des Logos habe. Der urbilbliche menfchlihe Wille 246 3weite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt U. Kap. 2. Chriſti ift Dabei fo ſehr von demjenigen, was in ihm ewig Different vom Logos bleiben foll, der menfhlihen Natur, abhängig gemacht, baß die Doppelheit verewigt iſt; Davon zu ſchweigen, daß es wenig ethifch Tautet, den Willen an fih und in allen feinen Thätigfeiten nur von einer fertigen, beiligen Natur abhängig fein zu laſſen. Kein Wunder, daß diefe Spike bes. Dyotheletismus, zu der fich die genannten Männer binreißen ließen, die Monotheleten nicht für fi) gewann, fondern daß fogar die Kirche es geratben fand, fo weit nicht zu gehen. Damit treten wir ber firchlichen Entſchei⸗ bung näher, bie aus biefen Kämpfen vefultirte. Sp ausbauernd bie Begünftigung war, welche auch noch bie Nachfolger des Heraclius dem Monotheletismug zu Theil werben ließen, der Gegenfat gegen ihn hatte fih, zumal feit dem Yateran. Coneil, in der Kirche immer mehr organifirt, und fie dergeftalt ges fpalten, daß der Raifer Conftantinugs Pogonatus bem an ber Gewinnung Roms gelegen fein mußte, eine entgegengefete Politik einzufchlagen fich veranlaßt fah. Er wurde Dazu unter Anderem von dem Papfte Agathon aufgefordert. °) Der Kaifer berief ein’ Concil nach Conftantinopel im Jahr 680, an weldes Agathon ein Schreiben richtete. °Y) Hier befennt biefer: Ein Herr in Jeſus Chriftus aus zwei und in zwei Weſen (ovoaı), unvermifcht und unverwandelt, ungetrennt und ungefchieden, nirgends der Einigung wegen der Unterſchied der Naturen auf gehoben, fondern die Eigenthümlichkeit beider bewahrt, aber zu= fammenlaufend in Eine Hypoftafe oder Perfon; beide zufammen vermöge hypoſtatiſcher Einigung fo unauflöslih, daß die in ihm geeinten Naturen nur in der Betrachtung getrennt werben. Diefe Perfon ift zufammengefegt aus beiberlei Geftalt, deren jede ihr Eigenthümliches wirft in Gemeinfchaft mit ber andern. Daher fordert die Regel der Frömmigkeit, dag Ehriftus wie zwei Naturen oder Wefenheiten, fo auch zwei natürliche Willen und zwei natürliche Thätigfeiten babe. Das Schreiben an bie 20) Mansi XI, Act. IV, ©. 233— 257. 81) Mansi XI, Act. IV, ©, 286-297. Agathon. 247 Kaiſer fügt °) hinzu, den göttlichen Willen und bie göttliche Thätigkeit habe Chriſtus von Ewigkeit gemein mit dem weſens⸗ gleichen Bater, den menſchlichen Willen und die menfchliche Thätig- keit babe er zeitlich von und mit unferer Natur angenommen, aber dieſe zwei Willen feien nicht” zwei enigegengefeßte, ſich wiberftreitende. Seine Borfahren haben nie unterlaflen, gegen biefen monopbyfitifchen Irrthum (von gnomifchen Willen) ebenfo zu eifern, wie gegen bie Härefe der Trennung, welche nur durch die Willenöbeichaffenheit oder Eintracht die beiden Naturen ver: binde. Wenn Chriftus fage, „Vater iſt's möglich, fo gehe biefer Kelch vorüber, doch nicht, was ich will, fonbern was du willſt,“ fo Ieuchte Daraus, wie aus feinem Gebet, doch ein menfchlicher Wille hervor, verfchieden vom göttlichen. Cr nimmt alfo, mit Ambrofius zu reden, meinen Willen an und meine Traurig- feit, mein find beide; er nahm fie an aus Liebe zu mir. So fpricht auch der Herr „ich bin vom Himmel gefommen, daß ich nicht meinen Willen thue, fondern bes Vaters, der mich gefandt hat,“ und bei Matthäus „meine Seele ift betrübt, bie in ben Tod.“ Das könne doch nicht das Wort ober ber Geift fagen, fondern das fpreche er aus der menfchlichen Natur heraus, welche dem Willen bes Baters unterworfen war; der Logos würde doch nie fprechen können: „nicht, was ich will.“ Weberhaupt müſſen die Schriftftellen bald verftanden werden von der Menſch⸗ beit, bald von ber Gottheit Chrifti. Von der Gottheit Die Wunder, 4 B. Joh. 5, 27 ff., wie der Vater die Tobten erweckt, jo auch der Sohn; oder Matth. 11, 27: „Niemand erfenmt den Vater, denn nur der Sohn;“ „was ber Herr will, fhafft er im Himmel und auf Erben.“ Als Menſch aber fagt er: „meine Speife ift, den Willen deffen zu thum, der mich gefandt hat.“ Bon dem Mens ſchen ift gefagt: „er konnte ſich nicht verbergen,“ „er forderte über das galiläifche Meer übergefegt zu werben;“ denn ale Logos war er allmäctig, allgegenwärtig, Wie irrthümlich alfo fei es, nicht Beides wohl zu unterfeheiden. Aber Natur und Wille des Menfchen, angenommen von ihm, war eben bamit 1.0.6. 240, ’ 248 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt I. Kap. 2. auch geheilt und konnte nicht ihm entgegen fein; benn ber Schöpfer aller Dinge bat Teinen Widerſpruch gegen ſich geichaffen oder in ber Menfchwerbung angenommen. Die Zweiheit ber Naturen und ber Willen lehre befonders deutlich auch Phil. 2, und wer ben menfchlichen Willen Täugne, müffe auch die menfch- liche Seele Täugnen; dem weder feine Gottheit habe, was bie Natur betrifft, einen menfchlihen Willen gehabt, noch feine Menfchheit von Natur einen göttlichen, noch enblic könne aus Chriſti beiden Naturen ein anderer Wille außer dem natürlichen folgen. Bielmehr die menfchlide Natur wurde nur durch Die Allmacht feiner Gottheit erhöht und die göttliche durch feine WMenſchheit ung offenbart. Wolle man Einen Willen, fo müſſe man biefen entweder göttlich nennen, oder menſchlich, oder aus beiden zufammengefegt und vermilcht, oder bie Einheit des Wil end und der Thätigfeit ableiten aus der einen zuſammengeſetzten Natur. Wieberholt fügt er aber bei, daß die Unterfchiede nur in der Betrachtung bleiben. _ Die Synode ſelbſt *2) nimmt die Formel bed Agathon im Wefentlichen an, dehnt die chalcenonenfifchen negativen Cautelen auch auf die zwei phufifchen Willen und Thätigfeiten aus, und fügt Hinzu „zwei natürliche Willen, nicht einander enkgegengefegt, bas fei ferne, fondern fein menfchlicher Wille, folgend, nicht widerſtrebend, vielmehr unterworfen feinem göttlichen und allmäch⸗ tigen Willen; denn ber Wille bes Fleifches mußte bewegt werben, ‚aber unterworfen dem göttlichen Willen, wie Athanafius gefagt bat (f. Anm. 4%), Denn wie fein Fleiſch Fleiſch des Gotteslogos beißt und ift, jo heißt auch der Wille feines Fleiſches des Gotteslogos eigener Wille und ift ed. Denn wie feine allerheiligfte, tabel- loſe, befeelte Menfchheit durch bie Vergottung nicht aufgehoben wurde, fondern im eigenen Stande und beffen Grenze blieb , fo ift auch fein menfchlicher Wille durch die Vergottung nicht aufs gehoben, fondern aufbewahrt, wie Gregorius fagt: Sein Wille ift nicht Gott entgegen, fonbern ganz vergottet. Und fo ſtrahlen in ber einen Hypoſtaſe Chriſti unferes wahren Gottes &) Mansi Tom. XI. Conc. Const. Act. XVII, ©. 636—40. Spnode v. 681. Heberficht über die Bedeutg. d. monotpel. Streites. 249 feine zwei Naturen durch, und er bat in biefer Perfon die Wun- der fowohl als die Leiden fo vollbracht, daß jede der zwei Naturen in Gemeinſchaft mit der andern das ihr Eigenthlimliche will und wirft. Syn folcher Weife lehren wir zwei natürliche Willen und Wirkungen, welche paffend (xaradArAoc) in einander zufammens laufen, zum Heil des menfchlichen Geſchlechts. Ueberblicken wir den monotheletiichen Streit in feinem ges fehichtlichen Zufammenhang , fo läßt er ſich als ber Verſuch be- trachten, den feit A51 eingebrungenen Dualismus zum Stillſtand und theilmeifen Rückgang zu bringen. Die Einheit der Perfon war zu Chalcedon nur ausgefagt, aber in ihrer Vereinbarkeit mit der Prämiffe zweier Naturen nicht aufgezeigt, vielmehr fiel gerabe auf diefe Zweiheit Das Hauptgewicht. Wie nun aber auch biefe beiden Naturen fich zu einander verhalten oder vermitteln mochten zur Einheit, das wenigftend war eine Allen gemeinfame und daher Berfühnung verfprechende Wahrheit, Daß Chriftus ale Einer gewirkt und gelebt habe. Was war natürlicher, als daß bie Meonotheleten den Riß nicht weiter dringen laflen, fondern wie auch die Naturen ſich innerlich verhalten mochten, daran feſt⸗ halten wollten, daß das Produft der Naturen nicht ein ſich wider⸗ fprechendes fein, ja Überhaupt nicht eine Doppelreihe von Wirk: ungen und Thätigfeiten Statt finden fünne ine folche fimul- tane Doppelreihe war auch nicht einmal in Leos Brief „enthalten, ſondern eher ein Wechfeln von ſolchen Thätigkeiten (beziehungs⸗ weife Leiden), welde die Eine Perfon durch bie göttliche, und folchen bie fie Durch die menfchliche Natur vollbringt,, fo zwar, bag dabei die Gemeinfchaft mit der andern Natur nicht aufges geben fein follte. Die monotheletifche Lehre blieb Daher ohne Rüge fo lange, als fie nicht mit dem Monophyfitismus in Bezie⸗ bung trat; fobald dieſes geſchah, fo mußte fie als Angriff auf bie chalcedonenſiſche Naturenlehre empfunden, es mußten die Hüter kirchlicher Tradition gegen fie in Bewegung gefegt werben. Mochte der Monotheletismus immerhin den Angriff gegen bie zwei Naturen nicht aus fich entwideln, ja felbft den Streit über bie Zweiheit von Xhätigfeiten ober Willen aufgeben oder ver: bieten, alfo für ſich ſelbſt nur die bisherige kirchliche Dulbung 250 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. neben der andern Anficht beanfpruchen: das aufgeweckte trabitio- nelle Bewußtfein fonnte, nachdem einmal die Gefahr für das Chalcedonenfe erfhaut war, jih in nichts Anderem beruhigen, als in der Verdammung des Monotheletismus. Das Chalcedo: nenfe follte und mußte feine Confequenzen zu Tage legen. Anz dererſeits Fonnte aber auch den Monotheleten die Einheit der Perfon vor jener Doppelreihe nur fo lange gefichert erjcheinen, als von der doch einmal feftgeftellten Zweiheit der Naturen abs gefeben wurbe. Es war ben Monotheleten daher folgerichtig nicht bios um bie Einheit der gottmenfchlichen Thätigfeit und Wirkung zu thun, in biefem Falle hätten fie ja lehren können, daß bie zwei Willen der zwei Naturen zufammentreffen zur Hervor⸗ bringung Einer gottmenfchlichen Thätigfeit und Wirkung, d. h. fie hätten Fönnen nahezu Dyotheleten fein. Aber: vielmehr ihre Anfänge abgerechnet, ſuchen fie von ber Einheit ber Wirfung und Thätigfeiten aus auch die Einheit des Willens zu erobern, b. 5. wie ihr Name befagt, Ein Willensvermögen in Chriſtus geltend "zu machen. Daß biermit das chalceonenfifche Symbol nicht befteht, ift einleuchtend, wie wäre die Wahrheit menfchlicher Natur ohne Willensvermögen denkbar ? Und als bie Aufmerf: famfeit ſich hierauf gerichtet, fo konnte auch bie Einheit ber Thätigfeit (erepyac) nicht mehr unbefehen angenommen wer: ben. Denn war ein menjchlihes Willensvermögen zwar ba, fam es aber nie zu einer Energie beffelben, fonbern war es nur gleichfam ruhend, fchlafend in Chriſtus, fo war man bem Monotheletismug , ja Monophyfitismug verfallen weil eine re⸗ gungslofe, tobte menfchlihe Natur fogut ale gar nicht ba ill. Man mußte, gieng man von jener Zweiheit der Naturen - aus, auf Dyotheletismus fommen, und fo geſchah ed, Daß ge rabe burch bie monotheletifche Lehre die Zweiheit ber Naturen bie im Chalcedonenſe nur gefegt war, jetzt auch fortgebilbet wurde zur Iebendigen Wirflichfeit ber Naturen oder zur Zweiheit der Willen und ber Thätigfeiten. Es ift aber nur zu einleuchtenb, ba das Problem, Das im Chalcedonenſe nicht gelöst, im Streite mit ben Monotheleten (z. B. von Marimus und Agathon) faft aus dem Geficht verloren Die Gegenfäge im Symbol v. 3.681. Occiventalifche Seite in ihm. 251 war, nemlich die Einheit der Perfon aufzuzeigen, nım unendlich erfchwert war. Während das Abendland weder auf dem Yateranens fifchen Concil, noch bei Agathon diefe Aufgabe erwog, vielmehr Alles gethan glaubte, wenn nur Reos Brief und feine Con- fequenzen feſtſtänden, fo haben dagegen bie dem Monotheletismus und Monophyjitismus minder fchroff entgegenftehenden Drientalen die Seite der Einheit nicht vergeflen, fonbern eine Reihe von Sägen dem conftantinopofitanifchen Concil beigefügt, durch welche ein Gegengewicht gegen bie Lehre von zwei Willen gegeben fein follte. Aber dadurch ift in das Symbol felbft ein unbeilbarer Widerfprud eingedrungen; zwei entgegengefegte Anſchauungen, die nicht zufammengehen, find in bemfelben zufammengeftellt. Die eine Anficht, die wir bie occi dentaliſche nennen können, findet das Band für beide Naturen zuveichend gegeben in ber Einheit der Perfon, welche, obwohl göttlich, doch zugleich für die menfchliche Natur, Die nicht perſönlich Durch ſich gedacht wird, bie Stelle des Ich vertreten und zu ber Menfchheit gehören fol. Wäre nun bei der hergebrachten Firchlichen Annahme flehen ge: blieben worden, baß die göttliche Natur von der göttlichen Hypo⸗ flafe fich in Feiner Weiſe trennen laſſe, fo hätte mit dem gött- lichen Jh auch die göttlihe Natur ber Menfchheit zugehören müffen, und, wenn auch nicht die menfchliche Natur durch bie göttliche verbrängt oder vertreten werben follte, fo hätte fie body das göttlide Wiſſen und Wollen als ihr eigenes haben müffen , °*) und dann wäre bie Frage entflanden, wie ein wirklich menſch⸗ liches Wiffen und Wollen noch eine Stelle behaupte. — Wollte man biefe Sonfequenz nicht, fo wurde man immermehr bahin getrieben, bie göttliche Natur und bie göttliche Perfon von einan⸗ ber zu trennen, Die göttliche Natur der menfchlichen zur Seite zu flellen, die Perfon aber in ber Mitte der nebeneinander: ſtehenden Naturen, gleichfam als ben gemeinfamen Ort anzu: fehen, der beide umfchließe, ober ber burch beide ausgefüllt fei. Diefen Schritt zu thun, glaubte man im Abendlande (jo ſchon 5, Wie fpäter die Intherifche Lehre befagt. 252 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. Auguftin, ſpäter ein Concil von Toledo) durch folgende weitere Erwägung ſich genöthigt. Nach der Trinitätslehre iſt die Natur des Sohnes diefelbe mit der des Vaters und Des heiligen Geiftes, das, was ihn umterfcheivet von der mit ihnen gemeinfamen Natur ift nur feine Hypoſtaſe oder Perfon. Hätte mun auch feine Natur die Menfchheit angenommen, fo hätte fi) ergeben, daß auch der Vater und ber Beil. Geift nach ihrer Natur Fleifch geworden fein. Daher wurde bar: auf ein Gewicht gelegt, daß nicht Die Natur fonbern nur bie Perſon des Logos die Menfchheit angenommen habe. Da ber Akt der Annahme als der perfonbildende Moment gedacht wurbe, fo war alfo hiermit ſchon gefagt, daß die göttliche Perfon ohne die Natur es fei, wodurch fih das Band zwiſchen ber Menfchheit und dem Logos Fnüpfe, um burch fich bie menſch⸗ lihe Natur auch mit feiner eigenen göttlichen in Verbindung zu bringen. Das Ich Fonnte am eheften für bas beide Vereinigende gelten; waren boch jebenfalld beide Naturen in ber einen Perfon zufammen. Sobann aber, weil ber Begriff diefes Ich nur burd) Abſtraction von den Naturen, von allen Befonderheiten und Qualitäten entfteht, welche die Naturen zu dem machen, was fie find, fo ift es das an ſich Leere, Eigenfchaftslofe, gegen alle Unterfchiede Indifferente, und es konnte nun als- gleichgültig für bie Menfchheit erfcheinen, ob fie ein eigenes Ich habe, oder das göttliche, beide Naturen fonnten in einem folchen Ich ſich zuſam⸗ menfinden. Zwar findet fich das Ich nirgends fo vor, ein folches Ich, das feine befonderen Qualitäten bat, ift ein Abftraftum. Allein es fam darauf an, die beiden Naturen, fir deren innere Vermittlung oder Zufammengehörigfeit man nichts auszufagen wußte, irgendwie zufammenzubringen, und ba bot das Sch gleich fam den .willfommenen Ort, Das neutrale Medium, barin beide zufammentreffen, wenn es gleich urſprünglich von ber göttlichen Natur ber ſtammt. Nah diefer Seite zeigt fih alſo nichts DBefleres in dieſer Chriſtologie, als bie locale Einigung, mit welcher auch, um bie Naturen nicht gleichſam in dem gemeinfamen Ort blos nieder: Gegenfäge im Symbol v. 681. Deeident. und orient. Seite darin. 253 gelegt fein zu laſſen, fih die Lehre von dem Sneinanber- freifen beider Naturen, ohne die Grundanfchauung zu ändern, vereinigte. Die Grundzüge diefer Anfchauung fegen fich in der abenblän- difchen Ehriftologie Jahrhunderte hindurch fort; es ift aber offen- bar, daß. auf biefe Weife bie Naturen felhft noch gar nicht vers einigt find, fondern mir äußerlich mit einander verbunden, ja ein folches abftraftes Ich, von der Befchaffenheit, daß es auch das menfchlihe Ich erfegen Fan, kann auch in fich Feine zufammen- haftende Kraft befigen, bie Naturen Tönnen nicht einmal mit diefem ch lebensvoll und wirklich geeinigt fern; ein ſolches eigen⸗ ſchaftsloſes Ich ift ein todtes Abftraftum, es ift nur ſtark und lebensvoll durch Die Naturen, von denen es abftrahirt ifl. Frei⸗ fih wird gewöhnlich diefer Weg nicht zu Ende gedacht; bas Sch wird immer wieder, weil es göttliches Ich ift, mit dem nAnvone göttlicher Kräfte ausgeftattet gebacht, aber dann ift offenbar zu der Anficht zurüdgegriffen, daß ganz wie die Perfon bed Logos fo auch feine Natur der menfchlihen Natur zus gehöre. Die wirkliche Doppelreihe im Willen und Wiffen ift aber nur erreichbar, wenn das Sch des göttlichen Logos von feiner Natur geſchieden wird, fo daß die letztere nicht unmittelbar ebenfo wie das göttliche Ich der menſchlichen Natur zu eigen wird. Wie freilich bei biefer Doppelheit ber Willen eine Bürgichaft dafür gegeben fei, daß der menfchliche Wille Ehrifti mit dem göttlichen zufammenftimme, das wird von biefer Seite nicht gefagt. Denn auch die reine abamitifche Menfchheit genügt nicht, da fie ja fallen fonnte; Tonnte fie es aber nicht, weil fie von Anfang vollendet war, wie 3. B. Marimus meinte, fo fehlt es an der Wahrheit der Menſchheit. Die andere hriftologifche Anfchauung , die wir bie orien⸗ talifche nennen Fönnen, weiß für biefe Zufammenftimmung ber Willen vollftändig genug zu forgen, fie fieht das Ich nicht als das. leere Fachwerk für beide Naturen an, nicht ale ein Drittes zu den zwei Naturen, fondern, nad altfirchlicher Weife, fieht fie in dem Ich nichts als die an ihr felbft und mefentlich per⸗ - fönliche göttliche Natur. Alfo nicht ein Leeres, fondern ein Volles, 954 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. nicht ein Indifferentes gegen bie Unterfchiede göttlicher und menſch⸗ licher Natur, fondern ein in ſich Beſtimmtes, welches die menfch- liche Natur affumirt hat, von welchem aus dann die lebendige Berbindung mit der menſchlichen Natur zur Anfchauung zu brin- gen war. Bier ftellte fi) das Problem fo, wie eine wahrhaft menfchliche Natım mit der göttlichen Hypoftafe fammt ihrer Natur Eins fein könne? Hier fam es barauf an, bie ummittelbare Zufammengehörigfeit der Naturen, ihre innere Vermittlung mit einander aufzuzeigen. Der orientalifche Theil des Symbols gibt hier, wie wir faben , folgende Antwort: die zwei phyfifchen Willen find einan- der nicht entgegen, fondern der menfchlihe Wille folgt (emeros), d. h. er hat Feine Snitiative, er hat fich felbft feinen Impuls zu geben. Er ift ferner überhaupt nicht feinblich oder widerfpenftig, fondern unterworfen bem göttlihen und allmädtigen Wien.) Da gebt das entfcheivende Wollen aus von dem innerften Mittelpunfte Chrifti, feiner göttlichen die Perfönlichkeit bildenden Natur; urfprünglic zwar find zwei Willen ald Ber: mögen gebadht wie zwei Naturen, ja die Vermögen auch als wirfend, aber ber göttliche Wille nimmt in feinem Verlauf bei jedem Willensaft den menfchlichen durch feine Allmacht Hin. Allein fo ift der menfchliche Wille immer nur im Berfchwinden da, er wird gegen bie dyotheletiſche Thefe abforbirt von dem göttlichen und mit ihm fo verfchmolßzen, daß nur ber Eine götts liche Wille durch die menfchliche lebendige Natur wirft. Aber bas führt offenbar im Wefentlichen gerade zu Hon orius und zu dem Monotbeletismug zurück, den das Concil verdammt. So übel zufammenftimmend lauten die Schlüffe dieſes Cons cils, fo groß ift die Verwirrung Über die eigentliche Sachlage bei demfelben geweſen, daher unfere Reformatoren Recht gethan 8), Der Anlauf, ver im 2. Stadium des monotheletiſchen Streites befonvders von Marimus in ethifhem Intereffe gemadt war, eine wahre Menfchheit dadurch, daß ihr das aurekovcıo» zulomme, zu bewahren, gebt alfo, um mit Johannes von Damascus zu reden, durch das Concil von 680 in dem vnekovao» der Menfchs heit unter (Joann. Damasceni Opp. ed. Lequien, Tom. L ©. 520). Gegenfäge im Symbol v. 681. Oriental. Seite. Berh. 3. Honor. 255 haben, dieſes Concil nicht mehr anzuerfermen. Nicht blog jenes Schwanfen zwifchen den oben genannten zwei entgegengefebten Betrachtungsweifen, fondern auch das Schwanfen zwifchen einer neftorianifirenden Doppelreihe von Willen und Willen, und zwi⸗ fhen . einem monophyfitifchen Uebergewicht ber göttlihen Natur, vor welcher die menſchliche nie zur freien Thätigfeit kommen fann, fällt den Vätern diefes Concils zur Laft, und die Wider: ſprüche werden bamit übel verföhnt, daß Alles biefes zugleich geſetzt wird. Es läßt fih zwar im Dyotheletismus in feiner ungebro- chenen, confequenteften Geftalt bei Maximus eine Reaction gegen die Allgewalt der göttlichen Natur zu Gunften einer wahren und freien Menfchheit Chriſti verfpliren; aber wie fehr auf feinem Wege die Einheit der Perfon gefährdet warb, haben wir gefehen, daher wir ung nicht wundern dürfen, daß, um biefem zu ent gehen, im legten Stabium bes monotheletifchen Streites fo plöglich zu dem alfmächtigen Willen ber göttlichen Natur zurüdgebeugt wurde, wogegen Maximus fo beflimmt proteflirt hatte. Eben damit aber ſtand man fachlih wieder bei der Lehre, welche ihren offenen Ausdruck in bem unus operator filius dei Christus und befien una voluntas im erften Stadium bed GStreited ge- funden hatte. Aber die fozufagen oftenfible Kirchenlehre, die im Wortlaut anerfannt, nach dem monotheletifhen Kampf den kirchlichen Ruf diefes Concils beflimmte, war hinfort der Dyotheletismus. Und fo wird begreiffich, wie fi im folgenden Jahrhundert, vermeint- Sich auf gut kirchlichen Grunde in Spanien eine Lehrbildung verbreiten konnte, deren Schwerpunft darin befteht, der Menſch⸗ beit Chrifti die Selkftändigfeit und Freiheit zu retten, neben ber überlieferten Lehre von den Naturen. In dieſem Zufammenhang aufgefaßt, fteht der Adoptianismus nicht mehr als ein hiſtoriſches Räthſel, als eine fremde repriftinivende Erſcheinung, fonbern als Fortfegung des Strebens von Marimus, ald Bertreter eines zufunftreichen Prinzips, und als Proteft gegen die Verflüchtigung ber Menfchheit da, zu welcher in ber Berufung auf bie bloße Allmacht des Logos an fih in dem 6. Concil ein fo flarfer 256 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt W. Kap. 2. Impuls gegeben war, ber, wie wir fehen werben, bie mittelalterliche Ehriftologie im Großen beberrfcht. Noch einmal flammte der Monotbeletismus in ber griechi- fhen Kirche unter dem Kaiſer Philippifus (Barbanes) auf, und gelangte i. J. 714 durch Diefen zur Herrichaft. Er lieg ein neues Concil zu Gonftantinopel halten, welches die Beſchlüſſe bes 6. Concils verdammte, und fih in einem Symbol für den Monotheletismus erklärte. Die Bifchöfe fügten ſich ebenfo leicht als dem entgegengefeßten Befenntniß i. J. 681. Aber zwei Jahre darauf ftellte Anaftafiug II. den Dyotbeletismug ber, und bie Bifchöfe waren ebenfo bereit, auch jest wieber ihr Bekenntniß zu ändern. Neben dem tiefen fittlichen Verderben in ber grie⸗ chiſchen Geiftlichfeit war an biefem charakterlofen Wechfel, wie bie Gerechtigfeit anzuerfennen gebietet, auch die Charafterlofigfeit des Symbols der 6. Synode Schuld, das fid) monotheletifh und Dyotheletifch deuten ließ. Dffiziell jedoch galt, beſonders feit dieſem erneuten Kampf, der Dyotbeletismus und es gehörte zum dog⸗ matifchen Styl, neben dem Monophyfitismus auch den Mono: theletismus zu beftreiten. Was freilich unter dem menfchlichen Willen zu verftehen fei, ob bie Kraft der Selbftentfcheidung oder nur ein Wollen, hinter welchem und über welchem die Determis nation des göttlichen Willens ſteht, blieb unerledigt. Man bes rubigte fih damit, durch den Dyotheletismus die Wahrheit der menschlichen Natur noch vollfommener ald das Chalcedonenfe bes fannt zu haben, und glaubte nun um fo getrofter offen die bisher mehr implicite ftatuirte Unperfönlichfeit der menfchlichen Natır, ohne Berluft für dieſe behaupten zu Fünnen. °°) Wir find hiemit bereits an den Punkt gekommen, wo bie Entwidlung des chriftologifchen Dogma in ber griechifchen Kirche ſtehen blieb und ſich abſchloß, wo ber griechifche Geift ohne "weis 56, Der im Reiche proferibirte Monotheletismus erhielt fich in dem Libanon und Antilibanon unter ven Maroniten. („Zwei Ras turen, Ein Wille und Eine Tpätigleit“.) Sie follen ihren Namen von einem heil. Abte Marun haben. Schon Theoporet kennt einen ſolchen lange vor dem monotheletifchen Streit, was fpätere der Inteinifchen Kirche ſich zuwendende Maroniten als Beweis ber Sernere Monotheletengeſch. Maroniten. Drufen. — Joh. v. Damask. 257 tere bogmatifche Produktivität den bisherigen Ertrag zu refapitu- Iiren und zu bergen ſucht. Hiebei ift noch etwas zu verweilen. Johannes Damascenus (umd. J. 750) verbient eine genauere Darftellung, weil er mit großer Klarheit bie Firchlich gewordenen Refultate der bisherigen Bewegung thetifch und anthitetifch zu⸗ fanmenfaßt, mit den erprobteften Gründen ber Väter feftftellt, befonders aber, weil er nicht blos einen Abfchluß der griechifchen Dogmatik bezeichnet, in ber er bie höchfte Autorität für immer blieb, fondern weil fein Hauptwerk Teol oododoss niorenz Sec. 12 (unter Eugen III.) ins Lateinische überſetzt, auch frühe feten Orthodoxie ihres Volles vorbringen. Nah Andern hießen fie früher Mardaiten (Vgl. Richard Simon, Histoire Critique des Dogmes etc. 1711. ©. 147—164. Neander, K.G. Bd. 3. ©. 276. Joh. Damasc. LS. 528. Philipp Wolff, „die Drufen und ihre Borläufer“, ©. 234 f. Kloſe, Ztihr. f. hiſtor. Theol. 1850. ©. 334 ff.) Noch ift hier einiger Mifchformen in verfelben Ges ‚gend zu gedenken, die man nicht mehr chriftliche Häreſen nennen kann, fondern in welchen (wie sec. 3 im Manichäismus) außer: ehriftliche Religionen durch hriftliche Einwirkungen mobificirt wer: den. Die Drufen geben iprem Muhamedanismus einen Beifag von chriſtlichen Ideen. Der ägyptiſche Kalif Hakem wird von ihnen als eine Incarnation Gottes verehrt. Urheber des Spſtems und eigentliches Haupt ver Selte war Danafi Wolff, ©. 263 ff.). Die Berührung von Muhamedanismus und Chriftenthum bewirkte bei den Einen "unitarifche Tendenzen, bei den Andern Incarnas tionslehren, mandfaltiger Art. Das Lebtere, 3. 3. auch bei den Roffairiten, weldhe Gott in der Gehalt Alis erfchienen fein laſſen, und ihm fogar Präexiſtenz vor Erfihaffung ber Himmel und der Erde zufchreiben, überhaupt Prädikate Chriſti auf ihn übertragen. — Die römifche Kirche hat nicht ohne Erfolg wieder: holte Verſuche gemacht, die Maroniten für fich zu gewinnen, da⸗ ber fie bei ältern römifchen Schriftſtellern ſehr milde beurtheilt zu werben pflegen. Es wurden ihnen große Zugeftändniffe gemacht: eigene Ordination, Xiturgie, Prieſterehe, Kommunion unter bei derlei Geftalt, eine mit dem Kurialſyſtem im Widerſpruch ftehende Berfaffung. — Spuren des Monotpeletismus finden fih auf noch anderwärts nach dem fiebenten Jahrhundert, namentlich ges hören hieher die Armafiten, von Harmafius in Aegppten. ck Joan. Damasc. Opp. 1, 528. Dorner, Ghriftologie. IL 2te Aufl, 17 258. Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. der abendländiſchen Kirche zugänglich wurbe, und namentlich bem Petrus Lombardug vorlag. Wir fnüpfen am Beften an bie legten chriftologifchen Vers handlungen an, denen Johannes Dam. nicht blos in dem ge nannten Werke, fondern auch in der eigenen Schrift von den zwei Willen, Thätigfeiten und übrigen natürlichen Eigenfchaften in Chriſto) befondern Fleiß zugewendet bat. Denfelbigen Herrn Jeſus Chriftus, fagt er, befennen wir als vollfommenen Gott und vollfommenen Menfchen. Er bat Alles, was ber Vater, mit Ausnahme der Ungezeugtheit, und Alles, was der erfte Adam, mit Ausnahme der Sünde. Er hat aber auch, entjprechend ben zwei Naturen, das biefen zufommenbe doppelte Natürliche, zwei natürlihe Willen, den göttlichen und den menſchlichen, zwei na⸗ türliche Thätigfeiten und eine doppelte natürliche Willensfreiheit eine göttliche und eine menfchliche und ebenfo doppelte Weisheit und doppeltes Wiſſen.“s) Das find bie natürlihen Eigen: fhaften, die den Naturen zu ihrem Beftehen nicht fehlen können. Zur Begründung biefes doppelten Lebensſyſtems ftelt er nur Ichärfer folgende Hauptgründe zufammen, die wir meift ſchon bei Marimus fennen gelernt haben. Was gleichen Weſens iſt, muß auch gleichen Willens und gleicher Thätigfeit fein, was ein verſchiedenes Weſen bat, muß auch in beiden Beziehungen ver- fhieden fein. Umgefehrt, das was einen und denfelben Willen und biefelbe Thätigfeit hat, ift auch beffelben Weſens, und bie Berfchiedenheit in dem Erfteren ift auch eine Verſchiedenheit im Lesteren. Außer der göttlichen Natur gibt ed drei Wefenarten, organische, animalifche und ‚vernünftige, jebe von ber andern verſchieden durch Befchaffenheiten, die zu ihrer Natur gehören. Zur vernünftigen Wefenklaffe gehört das aurefsnor; jo gewiß nun jene andern Arten ihre Unterfcheidendes als etwas für ihre Natur Conftitutives haben, fo gewiß Bat auch die menfchliche Klaffe die Willensfreiheit als etwas Natürliches an ſich; dieſe 87) Opp. T.I, 6529-54. Auch die Monophyſiten hat er in einer be= fondern Schrift befämpft. 58, de Aid. orth. lib. III, Cap. 18. Johannes von Damaskus. 259 iſt aber nichts Anderes, als Wille (Hernoıs). °) Die Thiere werben beherrſcht von ihrer Natur, im Menfchen beberrfcht bie Willensfreiheit feine Natur, alſo ift der Menſch Willenwefen (Hernzınos). Was wir nicht erft lernen, fommt unferer Natur zu; das Wollen lernen wir nicht, alfo gehört es zu unferer Natur. Gott hat die Willensfreiheit, die menſchliche Natur ift Gott eben- bildlich, alfo gehört die Willensfreiheit zu ihr. Was Alle haben und nicht der Eine mehr, ber Andere weniger, gehört zu ihrem allgemeinen Wefen. Alle Menfchen aber haben Willen, alfo ges bört er zur Natur; wäre er nicht Sache der Natur, fo wäre er perfönlich oder gegen die Natur, aber im Ießteren Fall wäre er ein Derausfallen aus ber Natur. Nähme man dagegen das Erftere bei Chriſtus an, alfo einen hypoſtatiſchen Willen, wie bie Monotheleten thun, machte man überhaupt ben Willen zur Sache der Perfon und nicht der Natur, fo kämen für vie drei Perſonen in Gott drei Willen heraus, während bie Kirche nur Emmen belennt. | Am jedoch zu verfiehen, wie er bie Zweiheit ber Willen und Thätigfeiten denkt, ift auf feine mäheren Unterfcheidungen einzugeben. Es tft zu unterfcheiden das Wollen überhaupt, Das beftimmte Wollen und das Subjelt des Wollens. Das Wollen überhaupt if nur das Vermögen zu wollen (Heinzıxn Suvauız), wodurch die Natur ein willensfähiges Weſen ift (Heinzıxor). Der beſtimmte Wille aber ift der Wille mit Bezug auf Das Objekt, bezeichnet den Inhalt, das Gewollte; diß nennt er Heinue promor; endlich wollendes Subjekt ifl, wer jenes Vermögen der Beinoıs wirklich braucht. Da zwei willensfähige Naturen ba feien, fo feien zwei Pillen zu lehren, und fichtlich legt er für feinen Dyotheletismus das Hauptgewicht nicht fowohl auf eine flete Aktualität beider, als vielmehr auf ihr dynamifches Vorhandenſein; denn er gefteht, daß nur Ein Wollender in Chriſtus fer, °%) der Eine und felbige Chriftus. Aber biefer eine und felbige Chriſtus will 5%, T, I. 2326. lib. IL Cap. 14. “, ©. 228. 17 * 260 3weite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL. Kap. 2. göttlich und menfchlih, und was daher ben beftimmten Willen betrifft, fo ift zwar dag Objeft oder ber Inhalt bes. Willens (BeAnzor) bafjelbe, und in materieller Beziehung alfo fein Un⸗ terſchied noch Gegenfag zwifchen dem Willen der göttlichen und ber menfchlihen Natur, er will micht getheilt, fonbern geeint, aber er ift wollend gemäß einer jeden ber beiden Naturen, fo dag alfo formal angefehen, zwei wollende Naturen, ſich auf den⸗ felben Inhalt richten. Er wollte nemlic nicht blos das, was er nad feiner göttlihen Natur ald Gott wollte, denn bie gött⸗ liche Natur an ſich wollte nicht das Effen oder Trinfen, fondern er wollte auch das, was zum Befteben feiner menfchlichen Natur gehörte, nicht im Widerſpruch mit dem, was Gott wollte, aber in ber Eigenthümlichkeit der menfchlichen Natur, welche dann auf die ihr felbft angemefjene Weiſe wollte, wenn fein göttlicher Wille der menfchlichen Natur zuließ, zu feiden oder zu thun, was ihr naturgemäß zufömmt. Sonach hat der Damascener zwar zwei bleibende Willens⸗ vermögen, welche auch beide zur Aftualität fommen, unb bie menfchliche Natur ift nicht blos Teidentlich, fondern gegenliber von ber menfchlihen Seele ift das Fleiſch abhängig und Chriſti Menfchheit willensfrei. Aber ein Auseinandergeben der Willens⸗ afte göttliher und menfchlicher Natur findet darum nicht ftatt, weil erſtens das Objeft des Wollens beiden gemeinfam bleibt, wenn gleich jede es will auf. ihre Weife ober in ihrer Form; zweitens aber, weil die menſchliche Natur in ihrem Wollen nicht willensfrei iſt gegenüber von ber göttlichen, fondern für bie Form und den Inhalt ihres Wollens von dieſer abhängt und durch fie beftimmt wird. Selbſt dasjenige aftuelle Wollen, wozu ihre Natur triebe, kommt nur zu Stande dadurch, dag der Wille ber göttlichen Natur es zuläßt oder will.) Sonach ift das Ber- mögen und bie Thätigfeit ber menfchlihen Natur umfpannt von ber göttlichen, welche allein das ganze aktuelle Leben entſcheidend beherrſcht. Sp viel Mühe der Damascener ſich gibt, den Dpo⸗ en Vgl. lib. III, Cap. 6. Wenn der Stärkere (Aöyos) es geflattet, zeigt Chriſti Geift feine eigene Herrichaft (envınaral ze nal Eneraı Johannes von Damaskus. 261 theletismus feftzuftellen, es bleibt ihm nur Ein entſcheidender Wille übrig, ber ber göttlichen Natur, neben welchem der menjchliche felbftlos iſt; und fo eifrig er den Willen zu einer Sade der Natur und nicht der Perfon machen will, um bie Willenszweiheit zu behaupten, er wird doch in lebter Be⸗ ziehung zu dem Einen entfcheivenden Willen ber göttlichen - Natur zurüdgeführt. Und da dieſe zugleich das Perfon bil dende ift, fo bat er doch Einen und zwar enticheidenden Willen der Perfon über dem Willen ber menfchlihen Natur, welcher letztere dadurch zu einer bloßen natürlichen pfychifchen Bewegung, zu einem Momente an dem Willen des einen Chri- flus wird. | Gleichwohl tritt die Zweiheit bei dem Damascener in Bes treff der bleibenden Berfchiedenheit der Naturen fo flarf hervor, dag auch nicht einmal im Werfe Chrifti eine wirkliche Einheit der Willen und Thätigfeiten fih ergibt. Während für Cyrili nichts anflößiger geweſen war, ald wenn der menfchlichen Natur in Chriftus die göttliche Kraft abgefprochen werde, während er darauf 3. B. in feinen Anathematismen beftand, daß fein Kleifch Leben gebendes Fleiſch fei, fo meint Johannes von Damaskus, daß bei den Wundern das Sprechen zwar, das Berühren und bergleichen der menfchlihen Natur zufomme, das Wunder felbft aber nur von ber göttlichen Natur gefchehen ſei.82) So wenig fommt es bei ihm zu einem gottmenfchlichen Leben. ‘Die Formel von ber Heasdon sripyeao weiß er fo zu beuten, 9°) baß darin ſowohl eine göttliche, als eine menſchliche Thätigkeit, jede in bleibendem Unterfchied von der andern gemeint fei. Die Zu fammenfegung „Beardon“ habe nur die Bedeutung ber Formel des Leo: jebe ber beiden Naturen wirfe in Chriſtus in Ges TB ngaittovı nal taura Evspyei & % Vela Bovieras Dino). Cap. 18, ©. 241: sinero xal unstaoasto 19 avrod Beiyuarı so ardgamı- vor, un xvovusv09 yvoun idle, alla Mara Diloy, a o Heior œcroũ Oele Oülnua. e) ©, 281. 238. 236. 5, de duab. volunt. $. 44. I, 558. 262 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL. ap. 2. meinfchaft mit der andern; ©") denn nie fei ja in ihm nackte Gottheit ober bloße Menſchheit. Doc gibt er fih nun auh Mühe, die Einheit beider Na⸗ turen zur Anfchauung zu bringen. Hieher gehört erfieng bie Lehre von ber perfonbildenden Kraft ber göttlichen Natur allein; zweitens feine Lehre von dem zoonos tig wrrıdocens, ©°) britteng von ber neaywonew. Nicht mit einer vorher ſchon für ſich eriflirenden Menſchheit wurde ber göttliche Logos geeint, ſondern der Logos felbft wurde zur Hypoftafe der DMenfchheit. °%) Zwar Ten Weſen kam eris flirten ohne Hypoſtaſe (L. II, 9); denn ein jedes Weſen wirb erfannt nur in der Hypoſtaſe. Diefe ift das Einzelne (arouor, neoınos L. Il, 6), welchem ‚gegenüber fteht das Allgemeine oder Gemeinfame (xoıror). Aber Allgemeines und Eingelnes find nicht außer einander; das Allgemeine (eiöos) eriftirt nicht für fich, fondern nur in den Hppoftafen und umgefehrt, das Einzelne bat in fih aud). das allgemeine Wefen, nicht blos einen Theil deſ⸗ felben, fondern das Ganze. Denn das allgemeine Wefen ift nur das, was nach Abzug des Einzelnen übrig bleibt, die Hypo⸗ ftafe mithin iſt das Allgemeine oder Die ovai« in Verbindung mit Aecidenzen oder charafteriftifchen Eigenthümlichkeiten, fo in ber Zrinität, fo in ber Chriftofogie. Aber nun fährt er fort (L. I, 9), „es iſt nicht nöthig, Daß jede der (perfönlich vereinten) Naturen eine eigene Hypoſtaſe babe; denn fie können in Eine Hppoftafe zufammenlaufen, auch fo fein, baß fie weder Teine noch jede ihre eigene Hypoftafe haben, ſondern beide biefelbige.“ Es iſt charakteriſtiſch, daß die Perfönlichfeit im Verhältniß zur Natur oder zum Weſen von ihm zu einem bloßen Accidenz (ovu- Beßnxos) gemacht wird. Diefe antife Auffaffung wird erft in ber germanifchen Zeit überwunden. Aber ber Damascener fcheint dabei auch in Wiberfpruch mit ſich felbft zu kommen. Denn wenn ſonſt bie Hppoflafe der menſchlichen Natur durch bie %) lib. III, 19. de dusb. vol. 8. 44. ©. 553., 68) ib. III, Cap. 3. 4. 66) 1ib. II, Cap. 2 und 8. —gohannes von Damaskus. Perfonbilpende Kraft des Logos. 263 individuellen menfchlichen Accidenzien gebilbet wird, bie zum als gemeinen menfchlichen Wefen hinzufommen, fo ift in Ehriftus entweber auch eine menſchliche Hypoſtaſe neben ber göttlichen, weil eine individualität und nicht blos allgemeines menfch- liches Weſen; ober aber ift in ihm zwar feine boppelte Hypoftafe, vielmehr die menſchliche ausgeſchloſſen durch die göttliche, wohl aber Tann dann Chriſtus nur die allgemeine Menſchheit haben und fein nicht aber individuelle Menſchheit, was er ſelbſt doch nicht will, indem er barauf befteht, bie allgemeine Menfchheit fönne nur real fein in menfchlichen Inbtoiduen, und Chrifti Menſch⸗ beit fei nicht nur das allgemeine Menſchheitsweſen, fondern ein einzelner menfchlicher Leib und eine einzelne Seele. Aber hier beftätigt fi aufs Neue das früher Bemerfte, dag von der menſch⸗ lichen Perfönlichfeit der eigentliche Begriff noch fehlt. Sie wird noch nicht als Das ch gedacht, als das innerfte Centrum, fondern umgefehrt, Hypoftafe ift Das Accibentelle, Inbivibuelle, das zum Innern, dem Weſen hinzukömmt, nach der mit ben Monophyfiten gemeinſamen Definition. Aber an dieſer Definition wird nicht fefigehalten, fondern, wenn es ſich darum handelt, Die göttliche und bie. menſchliche Natur ohne Doppelperfönlichfeit in Eines zu fegen, fo wird gefagt, die Hypoftafe für die menfchlihe Natur fonne auch die göttliche fein, wobei alfo unter Hypoftafe nicht mehr verftanden wird Das individuell oder accibentell Menſchliche (denn wie fönnte dieſes durch die göttliche Hypoſtaſe erfeßt wer: ben?) fondern das zufammenhaltende innere Einheitsprimzip ober das Sch, weiches, wie früher ausgeführt, wenn es von ber göttlichen Natur und der menfchlichen getrennt gedacht wird, als leere Form wohl das zufammenhaltende Band für beide Naturen fein zu können ſchien. Er lehrt alſo, daß in Chriſtus einerfeits das" allgemein menfchlihe Weſen verbunden mit charakteriftifchen Merkmalen biefes einzelnen Menſchen Jeſu und anbererfeitd bas allgemeine göttliche Weſen verbunden mit den dharafteriftifchen Merkmalen, welche die Hypoftafe des Sohnes bilden, vereint geivefen fei. Aber fo, daß bie Hppoflafe des Sohnes wieder bie Hypoſtaſe der menfhlihen Natur genannt wird, womit, wenn „Hypoſtaſe den Eompler der charakteriftiichen Merkmale“ bedeutet, 264 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. - gefagt wäre, daß in Chriſtus nım allgemeine menfchliche Natur, nicht ein Einzelner war, fondern daß Das Individuelle, Hypo⸗ ftatifche, für Die menfchliche Natur bei ihm die göttliche Hypoſtaſe gemwefen fei. Aber ber Sak von ber er-vnooraoie der menſch- Yichen Natur in dem Logos hat ihm offenbar eine andere Be⸗ deutung: nemlich bie göttliche Hypoftafe des Sohnes fei das formirende und zufammenbhaltende Einheitsprinzip dieſer Perfon, nicht blos fo, wie ber fehöpferifche Logos es überall iſt, fondern fo, daß durch den Menſch werdenden Logos und für feine Hypoſtaſe bie Elemente, welche abgefehen von der Incarnation noch feinen Menfchen ausmachten, zu einem einzelnen Menfchen vereint und formirt wurden, fo befchaffen,, daß Die Hypoſtaſe des Sohnes feine Hppoftafe fein konnte. Hätte er nun näher unterfucht, wie be ſchaffen diefer Menſch fein mußte, damit bes Logos Hppoftafe zugleich die Hppoftafe dieſes Menfchen fein konnte; hätte er na⸗ mentlich Die auch bei ihm häufige Idee hiefür fruchtbar gemacht, bag dieſer einzelne Menſch univerfaler Bedeutung und das Haupt ber Menſchen und ber Engel fei, fo hätte er von ber Menſchheit in Chriſto einen Begriff gehabt, der dieſelbe nicht zur Unper⸗ fönlichfeit verdammte, damit ber Logos ihre Hppoftafe oder Per- fonlichfeit fei, fondern flatt der Anypoſtaſie menfchliher Natur hätte er auch fie hypoſtatiſch, aber in Einheit und Selbigfeit mit ber des Logos denken fünnen. Da er ben legteren Schritt nicht. thut, jo bleibt ihm die Hypoſtaſe des Logos etwas der menfch- lichen Natur Fremdes, und ift zum Voraus nothwendig, daß bie Einheit nur auf Koften der vollitändigen Menfchheit zu Stande komme. | Ä Hypoſtaſe des Gottmenfchen ift ihm ausschließlich der Logos; davon ift Die Folge die Art, wie er die Naturen und beſonders bie Thätigfeiten zu einer Einheit zurüdführt. Er fagt zwar: 67) Ehriftus Hatte nach den beiden Naturen, einer jeben gemäß, bie Kraft des Willend (BeAyzıan Svras) und das Wollen im Allges meinen (BsAnoıs, zo Oslsır). Ferner: es haben beide Naturen auch, was ben confreten Willen ober bus Objekt des Wollens #7) de duabus voluntatibus ©. 529-554, beſonders $. 24 ff. Johannes von Damaskus. Perfonbildenve Kraft des Logos. 265 anlangt (z0 nos BeAsır, zo Heinua, 70 yrayınoy OsAnurx), von Natur einen verfchiedenen Willen, denn die göttliche Natur vers langt nit von Natur nach Speife und Trank, wie die menfchliche. Ja der Wille ift ihm mit Freiheit identifch; er nennt mit Clemens den Willen bie freie Bewegung bes felbftherrfchenden Geiſtes. 69) Er fpricht fehr ſchön darüber, ©”) wie wir mit der Yreiheit, bie ohne Sünde dem Adam gegeben war, zugleich das Gefeb em⸗ pfangen haben; beides zufammen aber für Die Tugend; benn was wir von Natur find, fei zwar Alles fchön und von bem Guten für das Gute geſchenkt, 7%) aber erft der Gebrauch deſſelben wirfe Tugend oder ihr Gegentheil. Bon Natur dem Gefete Gottes verpflichtet und unterworfen (80020), haben wir bie Freiheit als das für bie Tugend Conſtitutive (ovorerıxor), indem das Aufge: nöthigte (zo Bin yeroueror) weber Tugend noch Genuß fei. Nicht minder macht er geltend, daß von einem Gehorſam Chrifti gar nicht fönnte die Rede fein, ”') wenn in ihm nicht ein menfchlicher Wille wäre, deſſen Gehorfam frei und ungezwungen Unterwerfung des Willens unter einen andern Willen fein müſſe. Aber fo fehr er bier Chriſti Menfchheit in ihrer ganzen Vollſtändigkeit und Freiheit binftelft, fo wird dieſes Alles doch wieber fofort illuſoriſch durch die Art, wie er für die Einheit "beider Willen und Naturen Sorge tragen will oder dafür, bag beide Willen in ihrem Gegenftande immer zufammenflimmen und in ihrer ethi- fhen Form. Er erinnert fih daran, daß confreter Wille einen Wollenden vorausſetzt; Das wollende Subjekt num aber in Chriftus, fagt er, ift nur Eines, nemlich die Hppoſtaſe des freilich mit der Menſchheit vereinigten Logos. Da es nun phyfifh unmöglich ift, Daß es in einem Wefen zu einem wirklichen Wollen fommt, wenn das wollende Subfeft ber Regung ober Tendenz zu einem beflimmien Wollen wiberficht (denn was ohne bas mollenbe Subjekt geſchähe, wären nicht Wollungen,, ſondern unwillfürliche “e, ], c. 6. 28: auroxparogog vov alunoıg arısboucıog. 6. 19. ©6519. mg 97, 266 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL. Kap. 2. Bewegungen), ſo konnte die menſchliche Natur Chriſti, obwohl mit der Potenz der Willensfreiheit ausgeſtattet, phyſiſch unmöglich je zu einem wirklichen Willen kommen, ber nicht zugleih nach Anhalt und Form Wille des Logos wäre, denn auch bie Form des Willens kann zum Gegenftande und Inhalte eines Willens gemacht werben, wie ber Damascener felhft anerfennt. 7) Was bleibt fonach in letter Beziehung Anderes übrig für bie ſelbſt⸗ berrichende Willengfreiheit feiner menfchlihen Natur, als daß fie vielmehr ſelbſtlos, wie fie iſt, für Das Selbft, das fie erfet der Durchgangspunft und das Organ ift; alfo gegenüber von dem Logos gar Feine andere Stellung einnimmt, als ber Leib gegen- über von der Seele des Menschen, an welchem bie Seele phyfifch ein unterworfenes, bienenbes Organ hat?) Sonach Tann ed nur auffallen, wenn er doch wieder ”) die Menfchheit Chrifti nicht will doöros nennen, und es wirb nur Dadurch begreiflich, Daß ihm die hypoſtatiſche Bezeichmmg der Menfchheit in Diefem Aus⸗ brud zu viel war. Die Menfchheit it ihm in letzter Beziehung fo gut, wie bei den Monotbeleten nur ein Organon, womit fein Reden von einem freien Gehorfam bes menſchlichen Willens Chriſti übel zuſammenſtimmt. Schließt er doch alles Wählen, Ausſchei⸗ ben, Ueberlegen (ExAoyn, nconipenz, noitıs u. ſ. w. wie ben Aoyıouog erauporepilwor ai doralor) aus Chrifti Willen und Thätigkeit . 38, 15) 6, 16. gvamor dovior. Das bekennt er auch ausdrücklich F. 42, ©. 553. Die Seele {fi unzosrns dem Logos, S.552, deſſen Wille ent» ſcheidet (ugovsas zo Helor Hlrua Maga zo ardgpumvor, wie et nah Gregor Nyff. fagt, $. 35, ©. 549). — Ja $. 40 fagt er gerapezu: Adams Wille fei dem göttlichen nicht unterworfen ge blieben, weil er feiner eigenen yrapy Gott entgegen folgte. Deß⸗ halb Habe ver Logos menfhlihe Natur und menfchlichen Willen angenommen, keineswegs aber ardganings unoarası» , damit nicht der natürliche menfchliche Wille nach einem eigenen gnomifchen und hypoſtatiſchen Willen ver Gottheit entgegen leben möge, fon» dern in freiem Gehorfam (2?) Gott gehorche. Dan fieht hieraus auch, wie er nur Einen gnomifchen Willen in Iebter Beziehung ftatuirt, den entfcheidenden perfönfichen des Logos. ”) lb. IV, Cap. 21. Johannes von Damaskus. IIegiysonsis. Teöntog arudoe. 267 and. *) Kine metaphyſiſche Begründung hiefür ſucht er darin, daß in ber Welt zwar ein Unierſchied ſei zwiſchen überwiegend Leis dentlichem und überwiegend Thätigem (radnzınov und erepyrzıxor); fo fei z. B. der Leib der Seele gegenüber leidentlich und fie babe als vernünftige die Kraft, ihn frei zu regieren. Aber ihre Freiheit (aureSovaoeng), wie alles Andere in der Welt fei im Verhältniß zu Gott nur leidentlich, indem nur die göttliche Natur nicht lei⸗ dentlich bewegt und ohne Bewegung thätig fei. ) Aber dieſes it offenbar nicht vermittelt mit den obigen Sägen über bie Noth⸗ wenbigfeit einer Freiheit zur Tugend; er bleibt dem auch nicht treu; denn wo er vom erſten Adam fpricht, 7”) hält er ſich an bed Irenäus Say, dag Adam in wanbelbarer Sündiofigfeit habe müflen geichaffen werden, während nur in Gott Freiheit und Sündloſigkeit ohne Wandelbarfeit ift. Sonach fehen wir, daß er, der für bie ſelbſtändige vollftäns bige Menfchbeit fo eifrig Sorge tragen wollte, mit der einen Hand wieder nahın, was er mit ber andern gegeben, und zwar um der Art willen, wie er die Einheit der Perſon durch bie Hypoſtaſe des Logos, welche die menſchliche ausichloß, zu ges winnen ſucht. Umgekehrt muß man fagen, gibt er in Beziehung auf bie Selbftändigfeit der menfchlichen Seite in feiner Lehre von ber zepıyapnog und dem zoonog arnıdoces halb unbewußt mit ber einen Hand wieder, was er mit ber andern genommen. Aus ber Unio xa$ vnoorenr, welche vom erſten Anfang an als voll ſtändig zu denken ſei (zeAeia), leitet er zunächft bie megıwenos ber Naturen in einander ab (de fide orih. L. IU, 3.7. 17. 19.), wie fhon Gregor von Ra. Or. 51 ven den Naturen gefpros hen hatte, ald zepywpovomug eis aAAnAas zo Aoyo tig Ovugpvias, und wie biefe eircumincessio längft für bie Perſonen ber 79, 6. 28, ©. 544. de fide orth. TII. 76, 6. 18. maoa xtioıc xrıoın Nadmrınag xıveiruu nal Evapyal, uowy di 9 Del pvoıs dariv anadys, anadag xırovudsm, xal axırarag Frag- yovoa. 16 28, 268 Zweite Periode. Erfie Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. Trinität angewandt war, zu ähnlichem Zwed. Die Theile (user) ber Perfon, daraus fie zufammengefegt ift, haben .zu einander ein lebendiges Verhältniß; fie ſtehen nicht aus einander, ſondern Veben und bewegen fich in einander. Freilich muß dieſes (nad L. 111, 7) dahin befchränft werden, daß nur die göttliche Natur durch bie menfchliche geht, denn fie durchdringt Alles, wie fie will, während fie von nichts durchdrungen wird. Jedoch foll das nas türlich nicht bedeuten, daß ber alles burchbringende Logos mit ber Menfchheit Chrifti nur fo verbunden fei, wie mit allem Anz bern, fondern zur Bezeichnung des Verhältniſſes ift ihm das Bild vom Eifen geläufig, das vom Feuer durchglüht wird. Ohne bag bie Subftanzen bes Eifens und bes Feuers aufhören ver- ſchiedene zu fein, feien fie doch vereint und wirken vereint (nro- ueros oð Öimenusros), obwohl wie Feuer und Eifen fo Gottheit . und Menfchheit Berfchiedenes wirft, jede Das Ihrige. Die Haupt: ſache aber ift, baß durch biefe zeoıyworo« eine Mittheilung zu Stande fommt, zwar nicht von Menfchlichem, an die göttliche leidenslos bleibende Natur, aber diefe theilt von ihrer Herrlichkeit an die menfchliche mit (usradidao Ti oaupxi Tor oixeinv auyy- udror, C.7). Wie bie Unio hypostatica die Begründung ber negıyaopnows ift, fo biefe bie Begründung für ben roonos arzıdo- deog. 7°) Ä Schon viele Lehrer vor ihm hatten innerhalb der Perfon Chriſti von einem Taufche in Betreff ihrer beiden Seiten gefpro- hen, und benfelben arzıuedioreos Tor Orouazov, anallayn, orouaror emilevßs genannt. "Arridoog idwuuror war von Leontiug in feiner Schrift gegen die Neftorianer und Eutychi⸗ aner gelehrt, und der Damascener ſchickt fih an, 9) die arzidong für den Zwed ber Einheit der Perfon zu verwenden. Er fagt, daß ihr gemäß der Logos dem Fleiſch Das Seine mittheile (usre- didwo.). Aber in der Ausführung felbft wird dieſe arzidons zur bloßen Uebertragung der Namen arzidoons örouarer, ©) Um 78, ]ib. III, Cap. 28. 9) 4b. III, Cap. 8. 80, jib. III, Cap. 4. Johannes v. Damaskus. TTegızaoyas. Tesmos arrıdda. Odacıs. 269 ber Einheit der Perfon willen werben Namen, bie eigentlich ber einen Natur zukommen, auch auf bie andere übertragen. Sa ausdrücklich wird dagegen Berwahrung eingelegt, daß bie Idiome der einen Natur ber andern beigelegt werben, 81) ober zufommen. Was ift aber eine folhe nur nominelle Mittheilung der Eigen⸗ haften wejentlich anders als bie dem Cyrill fo anflößige Ana⸗ phora ber antiochenifchen Schule ? Etwas weiter führt feine Lehre von der Bergottung (Rooic) und von ber Aneignung (oixeiong). Eine Bergottung der menſch⸗ lichen Natur läßt er fchon Durch ben Aft, ber Menfchwerbung eintreten. 8?) Die göttlihe Natur durchgeht die menfchlihe und verbindet fich mit ihr in untrennbarer Weife, wie ein durchglühtes Eifen ſich nicht berühren läßt, ohne daß man zugleich auf bie Subflanz des Feuers trifft. Dadurch hat das menſchliche Wiflen Shrifti, dem nad ‚feiner Natur Unvollkommenheit beimohnt (ayro:ir) von Anfang an Antheil an dem alles umfaflenden göttlichen Wiffen. 8°) Daffelbe muß folgerichtig auch von dem Willen gelten. Wenn es im Evangelium heiße: „er nahm zu an Alter, Weisheit und Gnade,“ fo fei das fo zu verftehen, Daß er, wahrhaft an Alter zunehmend, die Schäge feiner Weis⸗ heit mehr und mehr offenbarte und den Willen Gottes mehr und mehr ausführt. Wer aber in biefen Stüden einen wirklichen Bortfchritt annehme, der Täugne, baß die Einigung mit dem Fleifh von Anfang an vollzogen warb, ber befenne auch nicht eine bypoftatifche Bereinigung , fonbern mit Neflorius nur eine oxerixij Eros und eine wıAn evoinnog. Denn wenn das Fleiſch von feinem Anfang an im Logos fein Beftehen (unnoe), ja mit ihm biefelbe Hypoſtaſe (rævrorne vᷣnoorærixij) hatte, wie follte es A) o xarovoudlouev auch (Üsorntog) Ta Tag ardpanorgros idimuara — ovrs di ri; DapKög, Yroı tjs ardgwndrrtog xaryyopouuer 1a Tüg Beorzrog Ifwnara — Em) zus imodrdosng, nüv En tod Ovvaporäpov, nar &5 dvög 189 neo0r Tavınv Öronddmusv Muyorignr Tüv PU0any ra Idiouara avıy enızidener. ) L. II, 17. 19. 83, L. III, 21. 22. de duab. vol. $. 38, &. 550. Die menſchliche Na⸗ tur xarenisrzoe (der Log0S) 177 ray nellörev Yradıy, 270 Zweite Perkode. Erſte Epoche. Abſchnitt II. Rap. 2. nicht reich geworben fein an feiner Weisheit? Die menſchliche Seele wurde fa zu des Herrn, bed Logos Seele. Daher kann er auch dem Gebete Chriſti Feine reale Bedeutung geben (L. III, 24). Im Chriſtus war Gott die Perfon, 'wie bedurfte fie, um etwas zu bitten? Sieht man aber das Gebet nad, feiner Form an, fo ift es ein Auffteigen der Seele zu Gott. Wie konnte er, der Gott war, eines‘ folhen Auffleigens bedürfen? Er weiß daher nur zu fagen, daß er unfere Rolle im Gebet gefpielt habe, uns ein Mufter babe fein und Gott ehren wollen. Mit diefer Annahme unferer Rolle iſt er auch fonft ſchnell bei der Hand, 8%) In Beziehung auf die phyſiſche Seite wirb zwar gegen bie Ju⸗ fianiften die ↄ6000 ber Menfchheit behauptet, weil der Wille zur Menſchwerdung die Uebernahme ber Leidentlichkeit unmittelbar in fih ſchloß, aber an der Kraft der Belebung hatte fie Theil, fie war, worauf Cyrill fo energifch bringt, Zworosos ; ohnehin feit der Auferſtehung tft fie allem Leidentlichen und allen menfchlichen Bes birfniffen enthoben, werm fie gleich ſtets eine umfchriebene, bes grenzte bleibt. 85) Chrifti Leib iſt ſtets begrenzt und wirb fo wieberlommen; Gott allein ift unbegrenzt; aber die Menſchheit fit zur Rechten Gottes, was nicht räumlich zu nehmen ift, fon- dern nur bebeutet, daß Die Ehre und Herrlichkeit der Gottheit bie der Logos ſtets hatte und behielt, nun auch mit ihm bie Menſch⸗ heit. hat, und daß Eine Anbetung feiner Perfon, die Menfchheit mit eingefchloffen, zu Theil wird.- „Vor einem von Feuer durch⸗ glühten Eifen ſcheue ich mich wie vor Feuer, bie Menſchheit des Loges beie ich mit ihm an.“ 8°) 84) L. II, 25. Das ſei oinslocız ; es gebe eine doppelte, 1) bie ie wirftie wahrhafte Aneignung, Annahme unferer Ratur (puomi. ovawörg), wornach er DMenfchliches habe erfahren wollen. Aber 2) eine oix. NE000NıR7 oder oxerıny, wo er nur vermöge einer befonvern Rela⸗ tion, um der Beziehung der Liebe oder des Mitleids willen, in ver Perſon eines Andern rede, und zwar fo, wie es ihm in bdiefer Rolle, aber eigentlich nicht ihm, Tendern einem Andern zukomme. So verfieht er Matth. 27, 46. Gal. 8, 13. 3 Eor. 5, 21 8) L. III, 28. IV, 1—3. ee, Das Dbige zeigt, daß er Feine menfchliche Entwicklung übrig bes hält, mit Ausnahme des Leibes. Und doch hätte er nur feiner Sohannes v. Damaskus. Todros avrdosens. Bdasıs. Oinsiacıs. 271 Jedoch würde man fich fehr täufchen, wern man biefe arzı- dons ja die Hooıs fo verftünde, Daß durch fie göttliche Eigen⸗ ſchaften der menschlichen Natur zu eigen werben. Die gött⸗ lichen Idiome können nad dem Damascener nicht von ber göttlihen Subfianz getrennt werben, jede Natur behauptet ſich felbft nur dadurch, daß fie ihre wefentlichen Idiome, die den Begriff der Natur fonftituiren (ovorazıa is pvarug), behält, und andere, die bamit nicht verträglich wären, ausfehließt. Durch bie Vergottung wurde nur bie Denfchheit zu des Logos von ihm durchgogener Natur und fein burch Aneigmmg (Oixeiooæ). Diefes Fleiſch wird des Logos Fleiſch, dieſe Seele des Logos Seele, fein Eigenthum im befonderften Sim um ber innigflen d. i. perſön⸗ lichen Berbindung mit dem Logos willen. Aber in ihrem Wefen (gvois) blieb die menfchlihe Natır unverändert, auch bie Eigen: haften beider Naturen bleiben unverfürzt und unvermengt, es it nur die Gemeinſchaft 8) (die ja eine Zweiheit voraus fest) um beren willen das Fleiſch des Herrn reich ward durch die göttlichen Thätigkeiten (erdoyamı), aber es erhielt nicht an ihm felbft göttliche Eigenſchaften (IH, 17. 18. 19). Denn zwar ber zu bes Logos Willen gewordene menjchliche Wille war auch allmächtig, jedoch nicht an ihm ſelbſt, er wirkte Göttliches aber nicht gemäß eigener Kraft (xar’ oineinv Erspyauar) fondern nur wegen bes mit ihm verbundenen Logos, ber durch das Fleiſch feine ihm eignende Kraft offenbarte. Es ift alſo eigentlich nicht eine reale Uebertragung göttliher Eigenfchaften auf. Die menfchs liche Natur mit der Vergottung gemeint, fonbern es ift nur bag wu — Lehre von dem napaympsiv des Logos, wodurch ben menſchlichen Bewegungen Raum gelaſſen werde durch Einwilligung des Logos, eine größere Ausdehnung geben dürfen, fo hätte er auch für eine geiftige Entwidlung Ehrifii Raum behalten. Oft führt er, wie Marimus, die Stelle Marc. 7, 28 an, aber nur um zu zeigen, daß ein menſchlicher Wille in ihm da war neben dem göttlichen, ebenfo Joh. 7, 28, Matth. 26, 39. Joh. 5, 80; 8, 50. 7) Daher fei der Ausprud Hsardgıny svipyaa sine regipgaos ober bie Redeweile, wo zwei Dinge in Eine Aslıs zufammengefaßt werden. IU, 19. 372 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt I. Kap. 2. ungetrennte Zufammenfein und Wirken beider Subftanzen, was mit fi bringt, daß man mit Chrifti Menſchheit nicht in Be rührung fommen kann, ohne zugleich Die göttliche zu berühren ; und was jene vollendete Weisheit und Tugend betrifft, welche ber Gottmenſch von Anfang an befaß, fo befaß dieſe nicht Chrifti Menfchheit felbft oder an fih, aber ihre Hypoſtaſe war ja ber Logos, der fie ewig befist, und fo bat fie auch die Menfchheit vermittelſt ber ihr zu eigen gewordenen Hypoflafe. ®) Treffenb . fagt er mit Marimusg (IM, 18), es gehöre noch zum alt: teftamentlichen Typus der Einwirkung Gotted auf den Menſchen, daß die Heiligen und Propheten nur beivegt wurden burch ben göttlichen Willen, alfo nicht zugleich fich felbft bewegten und darin frei waren; fo fei es nicht bei Chriſtus gewefen, feine Menſch⸗ beit fei nicht bewegt worben durch den Wink des Logos (vevuazı Aoys), wie Sergius gefagt hatte, fondern habe eigene Freiheit gehabt und frei gewollt was ber Logos. Aber er fährt fort: es fei doch die eine und felbige Perfon Ehrifti geweſen, die nach dem gött⸗ lichen und dem menschlichen Willen wollte, und daher feien bie beiden Willen des Herrn nur nad ihrer Natur, aber nicht nach ihrem Objekt und Sinn (raum) verfchieden gewefen. Aber fo ift, wie oben ausgeführt, in letzter Beziehung Doch der menfchliche Wille Chrifti nicht vollftändig, die vollfommen freie und fich zum Guten felbftbeftimmende Menfchheit ift auch in Chriſtus nicht ers fhienen, fondern nur eine durch das enticheidende veuux Aoya beftimmte; der menfchlihe Wille ift nur das Medium woburd ber Logos dieſen Menſchen bewegt. 88) Lib. III, Cap. 15. Auch in Beziehung auf die srdgysıa der pvox fpricht ex fih ahnlich aus. Er beruft fih auf Gregors.von Nyſſa Wort (in Betreff der Trinität von Gregor gemeint) ar 7 evig- ysın ula, tovtav navıng al 7 Övranız 7 avın" naca yap Eeväpyeun dvransug anorsissua. Die gefchaffene Natur könne unmöglich diefelbe Suranıs mit der ungefchaffenen haben, norh diefelbe evde- yorz, fonft wäre auch der Logos mit Furcht und Trauer behaftet. Die Eine ersoysıa ver Gottheit und des Fleifches müßte zuſam⸗ mengefebt, aber dann könnte die des Logos nicht mehr Eine mit der des Baters fein. Sohannes von Damaskus, 73 Ueberſchaut man dieſes chriftologifche Refultat ber alten Kirche, fo ift unläugbar, dag in ihr ber Abſchluß noch nicht kann gefunden werben, fo groß ihr traditioneller bis in die neuere Zeit reichender Einfluß auch if. Sie verkürzt die menfchliche Ratur, indem fie apollinariftiih auf den Rumpf einer menſch⸗ lichen Natur das Haupt der göttlichen Hypoftafe ſetzt und fo auf Koften der Menſchheit für die Einheit der Perfon ſorgt. Nicht minder aber, und das iſt nur biefes Fehlers Kebrfeite, läßt fie in ihrer ganzen Naturen: und Willenlehre das Göttliche und Menfch- liche nur äußerlich mit einander verbunden werben, und beide Naturen, unverändert auch in ihren Eigenfchaften, nur gleichfam in einander gefchoben fein. - Man entdeckt wohl Anſätze zu etwas Beſſerem, die vermuthen Taffen, daß das chriftologifche Bild, das dem Geifte vorſchwebte, troß des fertigen Scheines ber Theorie noch nicht zu feinem adäquaten Ausbrud gelangt fei. Aber die Anfäge gedeihen nicht zur Frucht. Die Lehre von der Freiheit der Menfchheit Ehrifti war offenbar nicht auf das an⸗ gelegt, worin fie bei Johannes von Damasfus endet, auf ein paſſives Hingenommen- und Bewegtwerden ber Menſchheit Ehrifti durch den Logos, auf einen Selbftverluft der Menſchheit in der Perfon des Logos, der ja auch feinen Grundeategorieen in fo fern widerfpricht, als er fonft zugibt, daß Alles was weſentlich zu einer Natur gehöre, wozu bie Hypoftafe doch ohne Zweifel ſowohl bei dem Logos als bei der Menfchheit zu rechnen, weder ohne Störung des Weſens entbehrt, noch von einer andern zus mal weiensverfchiedenen Natur real mitgetheilt werben könne. ©°) 89, Gegen die Monotpeleten macht er häufig den Schluß: daß fie bie Einheit des Willens nur behaupten können, wenn fie auch die Einheit des Wefens oder der Natur zugeben. Denn was ver: ſchiednen Willens fei, fet auch verfihiebnen Weſens, und was nicht gleichen Weſens fet, das fei auch nicht gleichen Willens. Diefelbe Argumentation muß aber darauf führen, daß entweder Chriſtus, wenn er boppelten entgegengefegten Wefens und Willens war, nicht dur Eine und diefelbe Hypoſtaſe des Logos Eine Perfon fein fonnte, oder aber, daß, wenn bie Hppoſtaſe Eine und dies felbe fein Tann und iſt für beide Naturen, diefe nicht mehr nach Wefen und Willen verfchleven fein können. — In der That Dorner, Chriſtologie. II 2te Aufl. 18 272 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. ungetrennte Zufammenfein und Wirfen beider Subftanzen, was mit ſich bringt, daß man mit Chriſti Menſchheit nicht in Bes rührung fommen fann, ohne zugleich die göttliche zu berühren ; und mas jene vollendete Weisheit und Qugend betrifft, welche ber Gottmenſch von Anfang an befaß, fo befaß biefe nicht Chrifti Menfchheit ſelbſt oder an fih, aber ihre Hypoſtaſe war ja ber Logos, ber fie ewig befist, und fo bat fie auch die Menfchheit vermittelt der ihr zu eigen gewordenen Hypoſtaſe. 88) Treffenb . fagt er mit Maximus (II, 18), e8 gehöre noch zum alt teftamentlichen Typus der Einwirkung Gottes auf den Menſchen, daß bie Heiligen und Propheten nur bewegt wurden durch den göttlichen Willen, alfo nicht zugleich fich felbft bewegten und barin frei waren; fo fei es nicht bei Chriſtus gewefen, feine Menſch⸗ beit fei nicht beivegt worden burch den Wink des Logos (veruarı Aoys), wie Sergius gefagt hatte, fondern habe eigene Freiheit gehabt und frei gewollt was der Logos. Aber er fährt fort: es fei boch die eine und felbige Perfon Chriſti gewefen, bie nach dem gött⸗ fichen und dem menfchlichen Willen wollte, und daher feien bie beiden Willen des Herrn nur nad ihrer Natur, aber nicht nach ihrem -Objeft und Sinn (yroun) verfehieben geweſen. Aber fo ift, wie oben ausgeführt, in letter Beziehung doch der menfchliche Wille Chrifti nicht vollſtändig, die vollfommen freie und ſich zum Guten felbftbeftimmende Dtenfchheit iſt auch in Chriſtus nicht ers fhienen, fondern nur eine durch das enticheidende veuux Aoye beftimmte; ber menfchliche Wille ift nur das Medium woburd ber Logos biefen Menſchen bewegt. — — — 8°) Lib. III, Cap. 15. Auch in Beziehung auf die drdgysıa der plox fpricht er ſich ähnlich aus. Er beruft fih auf Gregord.von Nyffa Wort (in Betreff der Trinität von Gregor gemeint) &» 7 eräg- yaa ula, tovımv navıng xal 7 dvvanıs 7 adry" Na0a yap eväpyera dvraneog anorsieona. Die gefchaffene Natur könne unmöglich biefelbe Suranıs mit der ungefchaffenen haben, noch dieſelbe endo- yara, fonft wäre auch der Logos mit Furcht und Trauer behaftet. Die Eine erdoysıa der Gottheit und des Fleifches müßte zuſam⸗ mengefeßt, aber dann könnte bie bes Logos nicht mehr Eine mit der des Baters fein. Sohannes von Damaskus. 973 Ueberfchaut man biefes chriftologifche Nefultat der alten Kirche, fo ift unläugbar, dag in ihr ber Abſchluß noch nicht kann gefunben werben, fo groß ihr traditioneller bis in die neuere Zeit reichender Einfluß auch if. Sie verkürzt die menfchliche Ratur, indem fie apollinariftifh auf den Rumpf einer menſch⸗ lichen Natur das Haupt ber göttlichen Hypoſtaſe feßt und fo auf Koften der Menfchheit für die Einheit der Perfon forgt. Nicht minder aber, und das ift nur dieſes Fehlers Kehrſeite, läßt fie in ihrer ganzen Naturen= und Willenlehre das Göttliche und Menſch⸗ fiche nur äußerlich mit einander verbunden werden, und beibe Naturen, unverändert auch in ihren Eigenfchaften, nur gleichfam in einander gefchoben fein. - Man entdeckt wohl Anfäte zu etwas Beflerem, die vermuthen Yaffen, daß das chriftologifche Bild, Das dem Geiſte vorfchwebte, trog des fertigen Scheines der Theorie noch nicht zu feinem adäquaten Ausdruck gelangt fei. Aber die Anfäte gedeihen nicht zur Frucht. Die Lehre von ber Freiheit ver Menfchheit Ehrifti war offenbar nicht auf das ans gelegt, worin fie bei Johannes von Damasfus endet, auf ein paſſives Hingenommen⸗ und Bewegtwerden ber Menſchheit Chriſti durch den Logos, auf einen Selbſtverluſt der Menſchheit in ber Perſon des Logos, der ja auch feinen Grundeategorieen in fo fern wiberfpricht, als er fonft zugibt, daß Alles was weſentlich zu einer Natur gehöre, wozu bie Hypoftafe doch ohne Zmeifel fowohl bei dem Logos als bei der Menfchheit zu rechnen, weder ohne Störung des Wefens entbehrt, noch von einer andern zu⸗ mal weſensverſchiedenen Natur real mitgetheilt werben könne. °®) Gegen die Monotheleten macht ex häufig den Schluß: daß fie die Einheit des Willens nur behaupten können, wenn fie au bie Einheit des Weſens oder der Natur zugeben. Denn was vers ſchiednen Willens fei, fei and verſchiednen Weſens, und was nicht ‚gleichen Weſens fei, pas fei auch nicht gleichen Willens. Diefelbe Argumentation muß aber darauf führen, daß entweder Chriſtus, wenn er doppelten entgegengefebten Welens und Willens war, nicht durch Eine und dieſelbe Hypoſtaſe des Logos Eine Perfon fein fonnte, ober aber, daß, wenn bie Hypoflafe Eine und dies felbe fein Tann und {ft für beide Naturen, dieſe nicht mehr nah Weſen und Willen verſchieden fein können. — In der That Derner, Chriſtologie. IE 2te Auf. 18 274 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. Und umgefehrt ſchwebie dem Dogmatifer bei feiner Lehre von ber arridong, nepıywonois, oineiwows eine viel innigere Einheit ber göttlichen Natur mit der menſchlichen vor, ald er in ihrer Dar legung erreicht, die immer wieder Damit endet: daß boch weber die Raturen felbft fich einander real mittheilen, noch bie Eigens ſchaften. Er iſt jepoch nicht blos durch die alten Concilienbeſchlüſſe gebunden; ſondern ſein eigener Begriff von Gott und dem Men⸗ ſchen bringt ihn in dieſe Lage. Um ben Begriff des Menſchen zu gewinnen, geht er arifiotelifh, tmbuftionsmäßig davon aus, baß ber wahre Begriff menfchlicher Natur in :Demjenigen bes ſtehen müffe, was übrig bleibe tiber Abzug des individuellen was nur Diefem oder Jenem zufomme, und fo fehaut er auf die vor⸗ chriſt liche Menſchheit aus der erfien Schöpfung, und was ihr ges meinfam ift, bezeichnet er ale die allgemeine menfchliche Natur, oder als ihren wahren Begriff. Das möchte auch zuläßig fein, wenn die Menfchheit nur als Naturwefen oder als natlirliche betrachtet werben bürfte Es ift auch nur recht und billig, daß bie Gottheit von folder Menſchheit möglichſt fireng unterfchieden werbe, im Sintereffe des Schöpfungsbegriffes wie des Ethiſchen. gefteht er auch fattifch und unbewußt der Menfchheit wieder ihre eigene Hppoftafe zu. Nicht bIos (ſ. 0.) indem er doc in Chriſtus bie allgemeine menfchliche Natur-mit Accivenzten, die ihn zu die fem einzelnen Menſchen machen, alfo Dasienige zufchreibt, was nah ihm Begriff der dnoomars im Allgemeinen if. Denn biefes iſt freilich fehr dürftig und reicht faum an den Begriff des Indi⸗ viduums, gefchweige ven der Perfonlichkeit. Aber ex fagt L. IH, 19. IV, 1. 2: Die menfchliche Seele Chriſti begleite nicht blos wiffend und denkend den mweltregierenden Rogos, und fei nicht nur eine bürftige Menfchenfeele, fondern fie wiſſe auch, daß fie Yeov vos fe. Im Himmel bewahre fie ihre Erinnerung an ihren irbis ſchen Wandel, wiſſe und fehe, daß fie angebetet werde und zu werben verdiene, denn fie wife fich felbfi als Gottes Menſchheit, fie wifle von fih, daß fie mit dem Logos bypoftatifch geeint fei. Pier wird der Menfchheit für fih ein Sich: Wiffen beigelegt, nicht blos gleichfam ein ftellvertretendes Sich: Wiffen des Logos, als iprer Oppoftafe in ihr; hier hat die Hppoſtaſe des Logos nicht die Bedeutung ber Perfönlichkeit, fondern nur des tragenden Princips. Sopannes von Damaskus. 275 Allein hiebei bleibt nur unbeachtet, daß die Lehre bes Chriſten⸗ thums vom zweiten Adam den Gedanfen in fich fchließt, mit der erften Schöpfung fei der Begriff des Menſchen noch nicht ver- wirklicht geweſen, fondern erft mit ber zweiten Schöpfung. Es iſt nicht bedacht, daß die Menfchheit, was von der Natur nicht kann gefagt werden, ein gefchichtliches, nicht bios natürliches Wefen it, Daher erft durch eine Gefchichte ihren Begriff realifirt, und daß zur Realifirung ihres eigenen wahren Begriffs eine fortſchreitende und vollendende Offenbarung Gottes gehört, burch dieſe aber ein Antheil an göttlichen Leben (2 Petr. I, 4). Steht es nun aber fo mit dem wahren Begriffe des Menfchen, fo fann berfelbe nur unvollftänbdig aus der Welt ber erften Schöpfung zumal bei der menſchlichen Sünbhaftigfeit entnommen werben ; ja es fann auch nicht genügen, auf Adam zurüdzugeben, in welchem, wenn er nicht mythiſirt wird, nur Anfänge des wahrhaft menfchlichen Lebens fein Fönnen; fondern es wirb von dem Begriffe bes Menfchen auszugehen fein, wie er durch das Chriftenthum werben fann und foll und wie er zuerft und wahrhaft in Chriſti Perfon verwirklicht iſt. Zu dem Begriffe Diefer wahren, in Chrifto er⸗ fhienenen Menſchheit wird aber nicht jene Trennung bes Weſens vom Begriff Gottes gehören, und da biefes auch auf die Gottes⸗ ivee zurüchwirfen muß, fo wird ber Unterfchied zwifchen Gott und der Menfchheit völlig anders beſtimmt werden müflen, als es da gefhah, wo von ber natürlichen adamitifchen Menſchheit auch für Chriſtus allein ausgegangen wurde. Diefe Perfon Chriſti denkt er zufammengefegt aus zwei Theilen (ucon), die für fi) felbft wieder Ganze feien, aber vers bunden zu einem neuen Ganzen nicht durch die göttliche Natur, fondern durch bie Hypoftafe Des Logos. Lnbeftimmtere Bezeich⸗ nungen für biefe Einheit find bei ihm folgende: Er fei Die zwei Raturen; fie feien der Eine Chriftus und Chriftus fei Die zwei Naturen (II, 19) Schon beftimmter ift Die chalcenonenfifche Bezeichnung: die zwei Naturen Taufen in ihm zufemmen zur Einheit der Perfon. Am beftimmteften ift die Bezeichnung: bie Eine üNooracæ mepientin 8ot Tor Övo Qvoswr (c. II, 3) oder Chriſtus fei Eine, zufammengefegte Perfon, wofür der Menſch 18 * 276 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. als aus Leib und Seele zufammengefeßt, auch bei ihm ein ge läufiges Bid if. Wenn die Monophyſiten entgegnen: Dies Bild fpreche für das Gegentheil, für Eine zufammengefette Natur oder Ein zufammengefegtes Wefen und Chriftus müßte vielmehr, wenn doch der Menſch aus zwei Subftanzen Leib und Seele zufammengefegt iſt, ein aus brei Naturen ober Subftanzen zufammengefester heißen , °°) fo antwortet er: Leib und Seele feien vielmehr nur Theile der menfchlichen Natur, als bes Ganzen und mit diefem Ganzen fei nun das Ganze Göttliche als zweite Natur bypoftatifch vereinigt. Aber wenn es nicht zuläffig iſt, ben. Leib und die Seele als einzelne Naturen ber göttlichen ald einer dritten beizuzäblen, wenn vielmehr die zwei Subflanzen Seele und Leib, wie verfchies ben fie fonft find, doch nad) dem Dammscener in bie Einheit des menfchlihen Wefens zufammengeben, und biefe Zufammen- fegung den Namen der einen menfchlihen Natur bat, fo hat er das Recht verloren, die Monophyſiten deßhalb zu tabeln, daß fie, ganz in berfelben Analogie fortfahrend,, fagen: ber Menſch, — — — — %) lib. III, Cap. 16. Die Monophyfiten fragen: „iſt das menſchliche Weſen Eins?“ Da es zu beiahen if, fo fagen fie, mithin fönne aus zwei Naturen Eine over Ein Weſen werben, auch in Chriftus. Sind aber zwei Naturen in Chriſtus geblieben, und iſt Epriftus eine Doppelnatur zu nennen, weil er aus Entgegenge: feßtem geworden ift, fo iſt auch der Menfch nicht Ein Wefen, fondern, weil aus Seele und Leib, eine Doppelnatur. Dann aber iſt Chriftus, weil ang Leib, Seele und Logos zufammengefeßt, eine dreifaltige Natur zu nennen. Hierauf antwortet er, außer dem im Text Bemerkten, wenn man frage, aus welden Größen Chriſtus zufammengefebt fei, fo müfle man nicht auf die entferns teren Stamina over Elemente fehen, die ſich in ihm finden, fon- dern auf die nächſten Einheiten oder Synthefen, 3. B. die Menſch⸗ heit. — Wenn übrigens in Epanien auf einer Synode zu Toledo um biefe Zeit der Sab von einer dreifachen Natur Chriſti ange nommen wurde, (jedoch in der römifchen Kirche beanftanvet), fo darf man vermuthen, daß jene Synote im ſtarken Gegenſatze gegen ven Monophyfitismug auf diefe Dreiheit ver Naturen fam, und e8 dürfte hierin ſchon ein Vorzeichen der aboptianifchen Richtung liegen. Joh. v. Damask. und die Monothel. und Monophyſ. 277 aus. zwei Subflangen zufammengefest, und body, wie Jeder zu: gibt, Ein Wefen, ift ein Vorbild dafür, was wir in Chriftus feben, nemlich die Bereinigung biefes menfchlichen Weſens (Natur) unb bes göttlichen zu Einem, Beides umfaflenden Wefen. Jo⸗ bannes Dam. fieht fehr wohl, wie nahe dieſe Schlußfolge ligt ; feine Antwort ift: allerdings vereinigen fih im Menfchen zwei Subftanzen zur Einheit menfchlichen Weſens (ardomrzorns), aber man fönne nicht fagen, dag in Chriſtus nur ein aus potenzirter Zufammenfegung refultirendes Wefen (Natur) fei; denn das Menfchheitswefen (ardowmnorns) fei das allgemeine Gattungs⸗ mäßige (xowor, eidos); aber von einem folchen, allgemeinen Ehriftusweien (xossrorns) fünne man nicht reden, weil ed nur Einen Chriſtus gebe (lib. 111, 3). Allein das eidos eines Weſens fann nicht von ber Zahl der es darftellenden Individuen ab: hängen. Warum follten die Monophyſiten nicht antworten können, die zowzoens fei in Chrifto und in ihm allein; er fei die voll fommene und einzige Darftellung jener höheren zufammengefegten Einheit des Chriſtusweſens? Oder warum follten fie nicht fagen bürfen: wie ber natürliche Menſch weder bios befeelter Leib, wie die Thiere, noch bios Geiſt, wie die Engel fei, fondern feine Eigenthümlichfeit- babe in ber Zufammenfegung beider Subftangen, fo fei der Ehrift wieder ein höheres Wefen als der natürliche Menſch dadurch, daß jene zufammengefegte Einheit noch eine neue reale Einigung eingebe, nemlich mit dem Göttlichen,, die bei den Nichtchriſten nur Ieere Möglichkeit bleibe, daß aber im Gebiete diefer bie yawzorns bie abfolute und fpecififche Stellung einnehme. Geht man mit den Monophyſiten von der Definition aus °'): Weſen oder Natur fei ber Gattungsbegriff, der gar nicht für ſich eriftire, fondern nur in Gedanken als Reſt übrig bleibe, wenn das idınor abgezogen werbe ; bie Hypoſtaſe aber fei nicht Anderes, als das felbftändige Fürfichbefteher einer Natur, ober eine durch gewifle Eigenthümlichfeiten gebildete Umfchreibung der Natur, fo — — — 9) Bol. Fragment aus des Philo ponus Jury opp. Joann. Dam. L G. 101 f. 278 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt IL. Kap. 2. müffen auch die beiden Naturen zugleih zwei Hypoſtaſen fein, weit fie fonft ohne Realität wären. Daher fagen die Monophy⸗ fiten durch die Einigung feien die zwei Hypoflafen und die zwei Naturen Eine Natır und Eine Hypoftafe geworben ; völlig folge wibrig aber fei es, ftatt zu fagen, nach der Unio fei eine Natur und Eine Hypoftafe, lehren zu wollen zwei Naturen und eine Perſon. Wie denn die zwei Naturen noch follen für ſich eriftiren fünnen ohne bie zwei entiprechenden Hypoſtaſen ? wie denn Chriſtus die Menfchheit haben könne, ohne einen fingulären Menſchen? So gewiß jedes der geeinigten fowohl pvaıs als vrooranıs haben mußte, weil Keines ohne das Andere zu denken fei, fo gewiß fei auch bie Einigung eine Einigung von Naturen und Hypoſtaſen ohne Trennbarfeit diefer von jenen. Wären aber nur, wie bie Kirchen: lehrer wollen aus zwei Hypoftafen Eine geworben, fo wäre bie Einigung in Beziehung auf die Hypoftafe vollfommen aber in Beziehung auf die Naturen nicht, während doch beide bei ihrer Untrennbarfeit gleiches Scidfal haben müffen. Für ihren Stanb- punkt alfo erfcheint die Kirchenlehre als inconfequent, bishars monifh und die Einigung als eine in Beziehung auf eine Seite der Naturen (ihr iöıxor) vollzogene, aber auf halben Wege ftehen gebliebene. " Der Damascener antwortet: Nur dann wäre bie Darftellung richtig, wonach zwei hypoſtatiſche Natıren, bie das allgemein Menfchliche und allgemein Göttliche enthalten, aber fo, daß deren jede für fi) unabtrennbar auch mit entfprechender Hypoftafe ver: bunden fei, als Ganze zu Einem beide umfaffenderen Weſen mit Hypoftafe werden, wenn jene beiden Iypoftatifchen Naturen vor der Menſchwerdung jede für ſich eriftirt hätten. Vielmehr aber fomme ja die menfchliche Seite nur durch den Logos zu Stande, einzig in ihm urftände fie, und alfo fei der Logos ihre Hypoftafe. Allein e8 bedarf kaum mehr, darauf aufmerffam zu machen, baß hier wieder zu einem ganz andern Beariff von Hypoftafe ausgewichen ift, als von welchem in obiger Definition ausgegangen wurde, nemlich zu dem Begriff von Hppoftafe als dem bie Perfon Chrifti tragenden Princip, ihrem Exiſtenzgrunde. Auch bei dem Damascener find alfo zwei Standpunkte zu Johann von Damasfus und der Monophyſitismus. 279 unterfcheiben, welche nicht vereinigt find; nach dem einen ift bie Eine Perfönlichfeit ebenfo gültig für die Menſchheit, wie für Die Gottheit, gleihfam jenes inbifferente Mittlere, das xagior oder Gebiet an welchem beide Naturen Antheil haben. Und dieſe Betrachtungsweiſe tritt dann hervor, wenn es ſich um Feftftellung eines vom göttlichen Willen verfchiedenen menfchlichen Willeng mit feiner Thätigfeit handelt. Denn ein Wollen ift zwar nicht mög- lich ohne ein wollendes Subjeft (66405); dieſes Subjeft reicht für ein menfchliches Wollen in Chriftus die Gottheit bar durch ihre Hypoſtaſe, die göttliche Natur aber darf bier mit ber Hypoſtaſe nicht unmittelbar verbunden wirfen, fondern muß hier ihr natürliches Wirken und Wollen zurüchalten, damit für eine freie Bethätigung ber menfchlichen Seite Raum bleibe. Hier alfo wird am Beftimmteften die göttliche Natur von der gött⸗ lichen Hypoftafe unterfchieben ; die erſtere concurrirt gar nicht als fie felbft, fondern nur durch dasjenige Moment an ihr, was fi auch für die menfchliche Natur qualifieirt und erforderlich iſt, damit in ihrem Wollen ein wollendes Subjekt fei. *) Nad dem andern Standpunkt bleibt er fi Har bewußt, daß biefes Mittlere, die Perfon, doch auch wieder göttliche Natur ift und biefe von jener nicht kann abgetrennt werben; und nad) biefer Seite wird ihm bie göttliche Natur zum Brennpunfte des ganzen Chriſtus, zum allein Hegemonifchen und Entfcheidenden, ja er nimmt feinen Anftand bie menfchlihe Natur ihr fo unterworfen fein zu laflen, wie bei ung ber Leib ber Seele unterworfen ift. °°) Bilder aber die Menſchheit in ihrer ganzen Totalität nur gleich ?2) L. II, 4. ©, 209. Cap. 9, ©. 217. Cap. 3, ©. 206: Hierher gehört befonders auch, wenn er Chriſti Perfon megusuny 7 ula vgdoracıs rõov idlay nen» mit Martmus nennt; ferner wenn die goͤtt⸗ liche und die menfchliche Natur Theile heißen, welche dur bie Eine Hppoftafis zu einem fie umfaſſenden Ganzen werben. 93) lib. IH, Cap. 15. Cap. 6, ©. 213. de duabus voluntatibus ©. 549, $. 355; ©. 552, $.42. Er fagt fogar: Chriſti vous fet nicht ovvomog (Mitbewohner) dieſer Derfon, fondern, wie auch die oagk, Xaglov ber Gottheit, während in der erften Betrachtungsweife die Oypo⸗ flafe Das zogio» der Gottheit und der Menſchheit ift. 280 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. fam den Leib für die göttliche Natur, fo miderfpricht dieſes dem Sat, daß ein eigener menfchliher Wille da fei, und wir haben bamit Doch wieder den Monotheletismug des Honorius. reis lich meint die damalige Philofophie, der Wille gehöre zur Natur, und nicht zu der Perfünlichfeit weil dag Wollen ber menfchlichen Gattung charakteriftifch fe. Aber ahnlich Tiefe ſich ohne Zweifel auch bemeifen, daß Subjeftivität und Perfönlichfeit zur Natur des Menfchen gehören. Und wenn er apagogifch fo fortfährt „ges hört der Wille nicht zu der Natur, fo gehört er entweder zur Perfon oder ift er gegen die Natur; dag Lebtere ift nicht ber Fall, wäre aber das Erftere, fo würde der Wille des Sohnes ein anderer, ale der des Vaters fein, mithin iſt, wie in der Tris nität der Wille der gemeinfamen Natur zugehört, und deßhalb nicht mehrere Willen in ihr find, fo auch in der Chriftologie ber Wille der Natur zuzutheilen, mithin eine Zweiheit der Willen in . Chrifto anzunehmen“, fo Tigt doch fehr nahe die Erwieberung : Wenn in ber Zrinität bie drei Perfonen nicht blos Daffelbe wollen, fondern einen und denſelben Willen haben, wie vielmehr wird die Perfon, die in Chrifto nur Eine iſt, Einen Willen haben müffen, und wenn in ber Trinität Dasjenige, dem am Beftimmteften ein befonderer Wille zufommen muß, nemlich Die Perjonen, doc in die Einheit eines Willens zufammengehen, wie viel leichter müffen die beiden Naturen deren Eine unperfönlich it, Einen Willen haben können, fei es immerhin einen foldhen, in welchem Göttliches und Menſchliches zum Gottmenfchen ge: einigt ift; und auf dieſe Willenseinheit kommt es, wie gefagt, bob auch bei vem Damascener hinaus, Da ein menfchlicher Wille ohne wollendes Subjekt nicht möglich ift, das göttliche Subjekt aber, indem es bie göttliche Natur mit fich führt, bie Stelle der menfchlihen Hypoftafe nicht vertreten fann, ohne ber göttlichen Seite ein monophyſitiſches oder monotheletifches Ueber- gewicht zu geben, fo wird man eine wirkliche Zweiheit der Na- turen und Willen nur um ben Preis durchſetzen fünnen, daß man aud) eine Zweiheit der Perfönlichfeiten ober auch ein menfch- liches Subjeft für die menſchliche Natur fordert. Freilich ift da- mit ber Eine Chriftus zu zwei Hypoſtaſen geworben, und bie Iſt der Monophyfitism. von Joh. v. Dam. überwunden? 281 Kirche bat dieſe Schlußfolge nie gezogen, aber aus den Vorder⸗ füpen von zwei wefensverfchiedenen Naturen und Willen fcheint fie fi) unausweichlih zu ergeben. Unb wir werben bald, bei dem Adoptianismus, eine Annäherung bierzu finden. °%) Alle die Mittel, welche auf ber Grunblage zweier weſens⸗ %) Es verdient noch Erwähnung, wie wenig dieſe Chriſtologie mit der Trinitätslehre ineinander gearbeitet if. Wird auf diefe ges blickt, fo wird geſprochen, als ob der Logos nicht blog geblieben feil, was er war, fondern als ob er auch nicht geworben fei, was er vor der Menfchwerbung nicht war. Wenn der Logos auch nach ber Menfchwerbung, wie vor ihr, formell und materiell nur Einen Willen mit Bater und Geift hat, und deßhalb fein Wille nicht zum gottmenfchlichen Willen werben foll, weil fonft au Bater und Geift gottmenfchlichen Willen haben müßten, fo if offenbar vas Band, das den Logos und feinen Willen mit ber Menſchheit verfnäpft, von ber Trinität aus angefehen, ein fehr Iofes, und man fieht kaum mehr, mit welchem Recht davon ges fproden werden will, daß der Logos die Menfchheit zu feinem Eigenen gemacht habe, daß diefer vous und fein Wille zum vous Gottes geworben, oder gar, daß anders als in figürlicher Redeweiſe dieſer Menſch Gott geworben fei, nicht blos Gott Menſch. Freilich ſoll die Lodkerheit jenes Bandes, die fich bei dem Damascener in dem häufig gebrauchten Ausprude ovvapsız verräth, 3. B. lib. DU, 15. ©. 285, dadurch firaff angezogen wer: den, daß es die Hypoſtaſe des Sohnes fein foll, die den Eini⸗ gungspunft für beide Naturen zu bilven bat. Aber wird biefer Gedanke verfolgt, fo hat nicht ſowohl vie göttliche Natur des Sohnes die Menfchheit angenommen, als vielmehr nur feine Hypoſtaſe, wovon wir die Folge fpäter fehen werden. Wiefern fih diefer Gedanke trinitarifch empfahl (damit nicht auch Bater und Geift, weil fie die Natur mit vem Sohn theilen, die Menſch⸗ heit annehmen), ift oben beſprochen. Aber auf der andern Geite erzeugt er eine neue Schwierigfeit. Denn da der Wille der gemein: famen göttlihen Natur in abfoluter Ipentität zugeichrieben wurde, fo mußte der Alt der Menfchwerbung entweder zwar ein Willensakt fein, aber dann auch doch als Alt der gemeinfamen Ratur bezeichnet werden, oder aber zwar der Hppoftafe des Soh⸗ nes und nicht der gemeinfamen Natur zulommen, aber dann auf fein Willensakt fein. If er aber nicht Willensaft, fo if er ein phpfifcher Akt, und das kreatürliche Moment in der Perfon Eprifti it dann in viel bedroplicher Weife als im Monophyſ. verlannt. 282 Zweite Periove. Erfle Epoche. Abfchnitt IL Kap. 2. verſchiedener Naturen nachträglih von biefer, die alte Zeit abfehließenden Chriftologie verſucht werden, um bie Einheit im Unterfchiede beider Seiten berauszubringen,, die Einheit der Hys poftafe, Die meoıyuenns und die darauf ſich gründende arzidoos, Deovoıs , umd oixeioors find, wie funftreih auch angelegt, doch vergeblich und nicht hinreichend um die lebendige Wirklichkeit und Einheit der Perfon Chriſti zu zeichnen. Zwar fcheint eine wirk⸗ liche Einheit herauszufommen, fte ift aber eine Unio absorptiva und die dualiftifche Faſſung der Naturen tritt hier ald negivende Excluſivität der göttlichen gegen bie menfchlihe hervor. In ber Tiefe dagegen bleibt ald Grund bes Zwiefpalted bie Zweiheit ber wefensverfchiedenen Naturen oder Subftanzen unbewegt und ewig feft auch für den erhöhten Zuftand Chriſti ſtehen. Die Lehre die hierin ligt, ift: bevor bie Naturen ſelbſt in ein inneres Berhältniß der Einheit gebracht find, fo daß fie einander, jede nad) ihrem eigenen innerften Wefen fuchen, kann es nichts helfen, durch Ineinanderweben ihres wefensverfchiedenen Seins ihrer Thätigfeiten und Wirfungen einen Schein ber Einheit hervor: zurufen, der doch nur mit Berfürzung der Einen von beiden Seiten erfauft wird, eine wirklich lebensvolle Einheit aber, in welcher, wie bie Einheit, fo auch die Unterfchiede zu ihrem vollen und ganzen Rechte fommen, nicht herausbringt. °°) Wir find an dem Punft angelangt, wo bie verfiegenbe chriſtologiſche Probuctivität im Drient eine fcholaftifhe Behand⸗ Iung des Dogma noch vor der abendländiſchen Scholaftif ein> leitet. Es lohnt nicht, diefe traditionelle Theologie von der des Eutbymius Zigabenus Panopfia und Nicetag von Ehone ein Bild gibt, °9) weiter zu verfolgen. Dagegen fest fich auch in ber vertrodnenden orientalifchen Theologie noch ein grüner Pfad fort, mehr im Rüden des officiellen Kirchenthums, ber von Manchen betreten, ung zeigt wie auch in bürrer Zeit bad *) Auch Nicolaus v. Methone und Ricetas haben Feine reale Communic. idiom. *) Bel. Ullmann, Nicolaus v. Methone, Euthymins Zigabenus und Ricetas Ehon., oder die dogmatiſche Entwidlung der griech. Kirche im 12ten Jahrhundert. Stud. und Krit. 1883, DIL Die griechifche Myſtik. Marimus, 283 chriſtliche Gemüth fortpulfirt und unbefimmert um ven hohlen Lärm um bie orthoboren Begriffe ſich ungeftört der Totalan- fhauung der Perfon Ehrifti zuwendet. Selbft unter ben eifrig: ſten Kämpfern für bie fpäteren Formeln ber Firchlichen Orthodoxie haben bie Edleren wie Marimus und Johannes von Das maskus, fowie Theodor Abufara u. A. fih nicht verfagt, fih an diefer frifcheren Duelle zu laben. Die chriftologifchen Ideen, bie wir bier werben zu befprechen haben, gehören zu ben vor: nehmften Erſcheinungen der griechifchen Myſtik, für welche der „göttliche Dionyfins“ tonangebendb war; fie verdienen um fo mehr Beachtung, als fie Die Vorausſetzung und Grundlage für die romaniſche Myſtik des Abendlandes bilden. 97) Wir haben bisher m Marimus den Dialeftifer und ben bedeutendſten Borfämpfer bes Dyotheletismus kennen gelernt. Das fheint im Widerfprucd mit dem Möoftifchen, Areopagttifchen in ihm, was wir nun noch zu betrachten haben, und woran er ficht: fich mit der ganzen Innigkeit feiner Liebe hängt. Allein es if, als ob er, gerade weil er den moniftiichen, ja pantheiftifchen Zug in ſich felbft fo ſtark verfplirt, dem Monophyſitismus und Monotheletismus fo ftarf entgegentrete. Durch feinen Dyothele⸗ tismus gewinnt er vor feinem Gewiſſen gleichfam die Erlaubniß, um fo ungebinderter jenem moniflifchen Zuge fich hinzugeben. Es iſt dad Prinzip der Freiheit, das er dem arenpagitifchen Spftem einzuverleiben ſucht, und wodurch er wenigſtens beflen Anthropologie fortbildet und ben erften Grundftein fir eine Welt gewinnt, bie weber blos Schein neben Gott und Gottes Symbol, noch auch eine Wirklichkeit zwar aber eine gottentleerte ifl. Die Zweiheit ift ihm die Borausfegung ber wahren Einheit: fo in ber kirchlichen Chriſtologie, fo überhaupt. In feiner Myſtagogie ſchildert er einerfeitd, wie alles in der Welt Symbol Gottes ift, vor Allem bie Kirche. Sie hat typiſch in Aehnlichfeit mit Gott 97, Zuſammenhängender ift die griehifhe Myſtik zum erfienmal dargefiellt von Gaß: die Myſtik des Nic. Cabaſilas vom Leben in Ehrifto 1849. Einf. S. 1-224. Leider konnte er nicht die Werke des S. Maximus vollſtändig benügen. 984 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfchnitt IL Kap. 2. dieſelbe Energie wie Gott. ꝰs) Wie verfchieden auch bie Gegen: fäge in ihr feien, fie verleihet allem gleichmäßig göttliche Geftalt. Man fieht hieraus, wie dem Marimug, ben wir mit aller Schärfe die Zweiheit in Chriftus nach allen Seiten haben durch⸗ führen ſehen, dieſe Zweiheit fein Dualismus fein fol. Eher könnte die Weltwirklichfeit da bie prefäre Bedeutung haben, bie Eriftenz Gottes im Symbol zu fein. Allein er fährt fort: nicht blos die Kirche und die Welt fei Spmbol Gottes, fondern au Gott und die Welt Symbol der Kirche. Ja auch ber Menfch ftelle fombolifh die Kirche, wie die Kirche den Menfchen dar, fie verhalten fi) wie die Räder des Ezechiel, fie feien. eins im Andern. Darin ligt offenbar: fie feien einander nicht fremd, fondern haben eine innere Beziehung auf einander, fie feien aber auch unterfchieden, gerade um in einander fein zu können; Einheit im Unterfchieb, Unterfchien in ber Einheit. Daher fagt er auch, die Sinnenerfenntniß fei fombolifche Erfennmiß der Idealwelt (sorze) und biefe feiein der Sinnenwelt (sruzuoye). Diefe Tendenz zur Einheit, nachdem der Unterfchied ge: fihert ift, tritt begreiflicher Weife in feinen kirchlich wichtig ges worbdenen Schriften fehr zurüd. Er ift aber durch fie ben Chal⸗ cebonenfern und den gewöhnlichen Dyotheleten fehr überlegen und bier ift fein Anfchließungspunft an den Areopagiten. Als gro- Ber Verehrer deſſelben hat er beſonders in feiner Myftagogie mit biefem barin gewetteifert in ben heil. Ordnungen ber Kirche bie fpmbolifhe Darftellung des myſtiſchen Prozeſſes zu fehen, in welchem die göttlichen Kräfte herniederfteigen und ber menfchliche Geift in Gott erhoben wird, namentlich ift dem Maximus ber Kultus, bie Liturgie, Darftellung aber zugleich auch Ver⸗ jüngung, reale Fortfegung dieſes Prozeſſes. Jedoch unterfcheidet fih Die Art, wie feine Einigung bed Göttlichen und Menfchlichen zu Stande fümmt, fehr wefentli von dem Areopagiten, und exit damit tritt feine Eigenthümlichkeit in ihr volles Licht. Die Tataphatifhe und apophatifche Theologie des Areopa- giten der bejabende Weg der Raufalität und ber verneinende Weg — — — 9®, II, 498. 4 Die griehifche Myſtik. Maximus. 285 der eminentia fpielt bei ihm feine fo große?) Rolle, wie bei dem Areopagiten; er fommt nicht in Gefahr wie biefer, bem vielnamigen Gott den über alle Namen erhabenen Namenlofen fo gegenüber zu ftellen, daß der Geift zum Schluß wie in einen Wirbel gezogen wird, bei dem ihm Sehen und Denfen vergeht, oder in ein abfolutes Nichtwiffen, das dem „Glauben“ Bahn machen foll, aber bei überwiegendem theoretifchem Trieb auch feptifch ausfallen, Gott und Welt träumerifch verlieren fann. Es iſt vielmehr in ihm, wie fchon fein Eifer für Chriſti menfchlichen Willen. andeuten fonnte, mit dem Triebe zur Eontemplation ber ethifche fo vereint, daß fie fich gegenfeitig geſund erhalten. Zwar bat er jene Grundlage des Areopagiten, bie Gott bald ſchlechthin unmittheilfam und erhaben denkt, in ber Welt alfo nur einen Schatten bed wahrhaft Göttlichen fieht, bald aber auch Gott mittheilfam und die Welt des Göttlichen voll denkt, theo⸗ retiſch nicht überwunden, wohl aber greift fein religiös fittlicher Geift zu Sägen über, die .er vor der apophatiichen Theologie nicht verantworten kann. Sp fagt er, bie Liebe ift dag Er fahren (naxoysır) einer Entzüdung zum geliebten Gegenftanb (Bott); fie drängt und raftet nicht, bis das Ganze mit dem Ganzen geeint, bis das Ganze im Ganzen geliebt iſt unb umſpannt von dem Ganzen. 1%) Ferner es ift das vollfommenfte Werf der Liebe und ihrer Wirkſamkeit Grenze, den durch fie Berbundenen Eigenfchaften und Namen durch babituellen Tauſch gemeinfam zu machen, den Menſchen zu Gott zu machen, Gott aber als Menfchen erfcheinen zu laſſen, vermöge der einen und umvandelbaren Willensbewegung. 1°) Die Liebe ift aller Güter Endziel, da fie die Liebenden zu Gott bem höchſten Gut und ”) Doc kennt er fie nicht blos, fondern fagt auch I, 494: 4 ex «av Oioenr xaraparınag OsoAdyay, vapxa oısi zoy Aöyor, indem er Gottes Urſächlichkeit nicht anders als aus ver Sichtbarkeit erfenne; wer aber anoparınas En ar ayarmpdoenvy Gsoloyei, Rreüna nos z07 A0y0v wg 27 aoya Osor ovıa und erfennt nass 109 Unaga- yradtor. 0) Schol. zu Gregor Naz. ©. 18—21 bei Scotus Erig. ed. Oxf. Die Liebe nennt er ein naoysır änoracıy NEog avıd ac Egator. 105, CC. Capita Theologica et oeconmomica I, 517. 8. 27—29. - 286 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. alles Guten Quelle hinleitet und mit ihm vereint. Der Glaube ift die Baſis, die Hoffnung die Vermittlung, die Liebe aber beren Erfüllung, indem fie ben legten, begehrenswerthen Gegens ftand mit ihrer ganzen Kraft ganz umfaßt, baher auch ber Bes wegung bes Glaubens und ber Hoffnung Stilfftand und Ruhe verleiht im Genuffe bes Durch fie gegenwärtigen Gutes. Sie ift das erfte, das auserlefene Gut, für den, ber fie bat, wie fie denn Gott und bie Menfchen durch fich vereint und bewirkt, daß der Schöpfer der Menfchen wie ein Menſch erfcheint, indem ber Menſch durch fie vergottet, und foweit es für ben Menfchen erreichbar ift, zu der Unwandelbarkeit Gottes bergeftellt wird. Durch Gott follen wir nach ihm Gott werden, aber durch Ber: mittlung des aurefscıor, fo zwar, baß er das bloße Wahlver- mögen ald unvolllommene Stufe der Freiheit anfieht, als ihre wahre Form aber die, daß der Menſch unmwandelbar die Anlage für das Gute, die ein Antheil an ber göttlichen Subftanz ift, bewahrt und dureh Ausfcheidung oder Fernhaltung bes an fich möglichen Gegentheils dieſes fubftantielle Gute befefligt und im chriſtliche Tugend verwandelt. Sole Säge, bie fi bei ihm häufig finden, find nicht chriſtologiſch, fonbern ſoteriologiſch und anthropologifch gemeint. Sie find aber auch für die Ehriftologie richt ohne Bedeutung und bedürften in ihrer ethifchen Haltung nur einer Entwidlung um bie bee der Gottmenfchheit als das notb- wenbige gemeinfame Ziel ber abfteigenben göttlichen und ber auf fteigenden menfchlichen Liebe, als die Hochzeit (yauos) (um einen Ausdruck der fpäteren griechifchen Diyftif zu gebrauchen) zwiſchen Gott und der Menfchheit zu bezeichnen, was allerbings dann auch fo. gefchehen Eönnte, daß bie Menfchwerbung Gottes in einer Weife univerfalifirt würde, bei der für bie hiftorifche Per⸗ fon Chriſti wenig oder nichts Auszeichnendes mehr übrig bliebe. In jene Gedanfenveihe von einer allgemeinen Menfchwerbung Gottes als Zieles der Menſchheit geht er auch wirklich ein, und bringt die Vergottung des Chriften in Analogie mit Chrifti Gott⸗ menfchheit, wenn er fagt: 10%) die Fülle der Gottheit, die in 102) I, 489, . Die griechifche Mypſtik und ihre chriſtolog. Idern. Maximus. 287 Chriſtus von Natur war, fei in den Ehriften durch Gnade, ſo⸗ weit ihre Natur fie faſſe. Aehnlich, wenn er jenen Prozeß ber Bergottung als ein Leiblichwerben bed Logos (owuarovcdu:) burch praktiſche Tugenden befchreibt und fagt: Sp wirb ber Menſch wegen feiner Liebe zu Gott für Gott Gott und Gott wird wegen feiner Liebe zum Menſchen für den Menſchen Menſch. So findet das ſchöne Wechfelfpiel ftatt, daß Gott Menſch wird durch bie Bergöttlihung des Menſchen und ber Menſch Gott durch die Menfchwerbung Gottes; denn immer und in Allen will der Logos Gottes und Gott das Myſterium feiner Berleiblichung verwirklichen. Gott wird in fo weit dem Menfchen durch feine Menfchenliebe zum Menfchen, als der Menſch durch feine Liebe fih fir Gott zu vergöttfichen wußte; und fomeit als ber Menſch durch feine Tugenden den weſentlich unfichtbaren Gott durch Die Zugenden offenbart, in foweit wird er geiftig in bie Erkenntniß des Unfichtbaren eingeweiht. '9°) Ferner '°*) fagt er: Immer wird Chriſtus myſtiſch mit Willen geboren, indem er Fleiſch wirb durch die Erlösten und zur jungfräulichen Mutter bie gebärenbe Seele macht. — Deßhalb warb. der Logos Menfchenfohn, "damit er zu Göttern und Söhnen Oottes die Menfchen made. Das wirb dort gejchehen, wo Ehriftus jest iſt als Haupt bes ganzen Leibes, als Borläufer zum Vater für ung, für das, was mit und werben fol. Denn in ber Verfammlung ber Götter, ber . Erlösten, wird Gott mitten inne flehen. Aus folhen Stellen fieht man wohl, wie Marimusg Chriſtus eine univerfale Bedeutung gibt; aber genau genommen ift e8 nur der Logos, der diefe hat, was für folchen allgemeinen Prozeß der Bergottung ber biftorifche Chriftus Teifte, iſt ſchwer zu fagen, zumal bei ver Stellung, die er der Freiheit vorbehält. Der Logos wirb nad ihm fortwährend Fleiſch in manchfaltiger = Maximus trennt nicht Wollen und Erkennen; ſoviel geliebt wird, ſoviel wird erlannt; er nennt mit Clemens Aler. den Willen voor» Ogaxıızov. Mansi X, 733. 4) Expos. in Orat. Domin. I, 854: «del — Hay yarvaraı Xopıorög uvoti- xös, dia 167 owlondve» Gapnsuevos, xal urtöpa Mapddvor arteg- yaloysvos 37 yarıdıdary wuygv. OO. Capita theol. et oecon. I, 490. 288 Zweite Periode. Erfie Epoche. Abſchnitt DI. Kap. 2. Meife, denn Alles it Symbol Gottes und ftellt momentan ober nad einer Seite Gott in die Gegenwart, zumal im Kultus. Der Logos ift ihm außer Chriftus Fleifch geworden auch im Worte ber heil, Schrift; das Senfforn im Evangelium ift zunächft Gottes Wort, in biefem ift auch göttliche Kraft, ja das Senfforn ift der Herr felbft dur den Glauben im Geifte in die Herzen ge= füet. Wer biefes Senfforn burdy feine Tugenden forgfam pflegt, ber bringt es dazu, daß wie geflügelt die göttlichen Kräfte ſich auf ihn niederlaffen (I, A486). Sp wird der Logos auch forte während Fleiſch, indem er in und wieder geboren wird, nicht minder, indem der innere Menfch fich Außert und bdarftellt in Tugenden. os) Diefes fortwährende Serabfteigen bed Logos Gottes in die Chriften ift bedingt durch ihren Willen. Chriſti Werk wird nicht befonders in Betracht gezogen, er ift als Gott⸗ menfch Vorbild des myſtiſchen Prozeffes (nuoövouns I, 490); als Urſache unferer Vergottung iſt er Logos oder mit biefem verwechſelt. Ja er lehrt weiter: der menfchlihe Wille muß aufs fleigen durch verfchiedene Stufen. Er darf nicht hängen bleiben an dem Aeußeren, das unnüg und Fleiſch ift, an ber Vielheit der bunten Weltdinge, obwohl fie Gott fymbolifiren, an dem Buchſtaben der Schrift, an dem Fleiſch Ehrifti, fondern die wahre Liebe und die Erfenntmiß fuchen geeint ihren Ruhepunft über allem Kreatürlichen auch über Chrifti Menfchheit, und haben bei dem nadten (yvuros) und reinen Logos, wie er war vor der Menſchwerdung und Schöpfung, ihr Enbziel zu fuchen. 106) ws) f, o. I, 354. 498. 106) J, 486: zelsvraioy — Sıadoas To NHoıxilor, Eis aUTOY AyYradzag xat- avr& zo» nepi Moradog Aöyov. — Tö tig ayanıs pvormgiov Nar- Toy UrEQAIpEL Tav Yyeyovötnv T0Y 1007, TNpüg Harıa Ta Hera De0r tupAöor anspyalousvov. Diefe göttliche Blindheit ver Seele für alles was nicht Bott die Monas ift, wird auch „ber Seele Mönch⸗ tum“ genannt. I, 418. 450-487: den Anfängern erfheint Chriſtus in Knechtögeftalt, aber denen, die ihm folgen auf den Berg der Ber: Härung, erfcheint er in der Gottesgeftalt, die er hatte bevor bie Welt war. Und in ihrer Erkenntniß wie in ihren Tugenden geſchieht feine Wiederkunft, und die heil. Evangelien, feine Gewänber, ers fiheinen ihnen weiß und hell. — ©. 498: Der Logos, der als Die grierhifche Myſtik. Marimus. 289 Es ift deutlich, daß hiemit in letzter Beziehung Chriftus als bloße Theophanie bafteht, und feine hiſtoriſche Bedeutung ſich verflüchtigt, wie er denn auch auf biefe, angeblich höchſte Stufe das Wort anwendet: wenn wir aud) Chriftus gefannt haben nad) dem Fleiſch, fo kennen wir ibn doch jest fo nicht mehr. Der Gottmenfch hat ihm fo wenig eine ewige Bedeutung, daß vielmehr Ehrifti Menſchheit für die höhere Stufe als ein zu überfchreiten- bes Hinderniß ber vollen Erkenntniß und Liebe des reinen Gottes bafteht. Ä Hier ift nun der Punkt, wo er mit der verneinenden Theo- Iogie des Areopagiten noch zu feinem Schaden zufammenhängt. Er durchbricht defien Standpunkt anthropologifh im Ausdruck bes ethifch refigiöfen Bewußtfeins, indem er durch feine Lehre yon der in Gott ſich vollendenden Freiheit eine wirkliche gotige= - fättigte Welt zu gewinnen fucht, bie der Zurüdfchlingung der Welt in Gott Widerftand entgegen fest. Allein er vermag nicht, von jener abfoluten Tranfcendenz, Unendlichkeit und Unfaßbarfeit Gottes theoretifch, theologiſch abzulaffen, über welche Doch bie Sehnſucht feiner Liebe hinaus if. Als das abfolut Göttliche, ale das höchſte Gut ſchlechthin erfcheint immer wieder auch ihm der unfaßbar Majettätifche, der weſentlich Unmittheilfame, wovon die Folge ift, daß bie Liebe mehr dem Menſchen ald Gott eignet, was den Menfchen in ben Wiberfpruch verwidelt, daß feine Liebe ihn zu dem Gott zieht, ber fie nicht liebend beftätigen, fondern. folgerecht nur abforbiven kann. Nicht minder ergibt fi) Gott, im Anfang bei Gott ongeis nal yuvuvovs vovg tag aAndslag sol Tor OAmv unse Ohne alvıyua und nagaßoiay in ſich trägt, wird den Dienfchen zu gut, bie die nackte Idealwelt nicht fallen fönnen im reinen Geift, Fleiſch in mandfader Weile. Kara Yyap NV own» nEocFoAhv 0v yuuva Noosßailsı Adya 6 Yustepog vous alla Adym ossapxmuevo. Der Anfang ber nadyreia iſt noth⸗ wendig eos ocgxe. Allmählig aber moeosßaivorres t Mvevuarı, xal tò Hayv av oyuarov (die heil. Schrift) zoig Asnrorögois Denp)- pacıy anufinvreg &v nadapp nadagüs Ägıora yırdusda nara 10 Öv- varov ardgwnorg, eig ro dvvacdaı Asyaıv „ovxdrı nara gapna“ (2 Cor. 5, 16), — dia tiv AmAyv nos To» A0yov yupig rar en avıg xalvpmaıwr tod voog mgogßoiAnv. Vgl. noch befonvers I, 502. $. 73. Dorner, Chriſtologie. IL 2te Aufl. 19 290 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt II. Kap. 2. baraus, daß ber höchſte Gott fich nicht infarniven kann; das Mittheilfame Gottes ift mur ein Untergeorbneted in Gott: ber wahrhaft Weife und Liebende foll wiffen, daß das Höchſte in Gott unmittheilfam ift. Offenbar ift durch ſolchen Gottesbegriff aus ähnlichem Grunde, wie bei den Gnoftifern die Chriftologie mit Dofetismus bedroht. Maximus hat def auch feinen Hehl, wenn er fagt: auch in ber Infamation ift Gott überweſentlich geblieben, 107) und er ſpricht damit nur bag legte Wort . ber Kirchenlehre aus, wie er fie bat feftftellen helfen. Gott ift affo durch den Gottmenfchen (nicht blos ben irdi⸗ fhen) auch verbüllt; offenbar nur theilweiſe — d. b. ſymbo⸗ fh. Für die theophanifche Mienfchwerbung , die fih nicht anf Chriftus allein befchränft, ift Chriſtus nur der Anfangspunft oder der biftorifhe Mittelpunft; Gott wird in ihm, wie er überhaupt in feinen Symbolen ift, fo weit offenbar, als es für ben Anfänger genügt. Auf dem Gebiete ber Theorie behält alfo fchließlich die apophatifche Theologie doch Recht, mag fie ihr Ziel den Unerfennbaren ober den Lieberunerfennbaren nennen ; fie gebt über in die heilige Dämmerung, fie wirb durch bie erha= beneren Gebanfen wie auf Wolfen getragen in ben burchfichtigen Aether der myftiihen Schauung- (1, 498. 8.59) und lebt fo ein Leben der innern Anbetung und bes Gottesdienfted. Und ba ber fpmbolifche Kultus der Kirche. recht eigentlich in dieſem heiligen Helldunkel mwebt, fo findet in ihm ber myſtiſche Geift feine Heimath. Findet bier ein Unterfchieb ftatt zwifchen bem Hfeudvareopagiten und Marimus, fo ijt eg der, daß jener ben Ueberſchwang des göttlichen Tichtes zugleich göttliches Dunkel (Beios yropos) nennt, während Maximus gegen bas Ber: finfen in biefen Abgrund Gottes einen Haltpunft durch ein ethi- fhes Maß ſucht. Dem Menfchen wird foviel des Göttlichen zu Theil als feine Natur faßt; daher allerdings der bezeichnen- dere Ausdrud für das Element der Myftil des Marimus das heilige Helldunfel if. Die Welt fteht im Allgemeinen nad) Maximus Gott gegenüber als das Element, barein er ſym⸗ 0?) ], 88. 56, Die griech. Myft. Das Antipriftol.in Marim. Ausfi.aufd.rom. Myſt. 29 1 boliſch feine Ideen oder Worte einzeichnet; Gott ift ihm zugleich das Urreale, das alles Sein Tragende oder die oͤndorcos« aller Dinge, wie das formende Princip berfelben. Die fichtbare, ver: gänglihe Welt ift nur unvollfiommen Gottes Symbol; vollfom- mener, aber auch nicht vollfommen kann fi Gott ausprägen in dem Menſchen, der unvergänglih ift und durch feinen Willen Gottes Ebenbild werben ann. 98) Das Abendland, wie hoch ed auch den Marimus flellt, bat den Widerfprud wit der Firchlichen Chriftologie, der in ihm wie in bem Arenpagiten verborgen ligt, noch viel beftimmter berausgefeßt, wie wir bei Scotus Erigena fehen werben. Da nimmt die Myftif einen firenger fpefulativen Charafter an und biefer ergänzt und mäßigt fich weniger durch den praftifch teligiöfen Trieb. Erſt ſpäter bricht diefer im Abendlande durch, wie befonbers feit den Biftorinern. Da bat er auch nicht in dem kirchlichen Kultus wie bei Maximus und dem Areopa- giten feine Heimath und fein Lebenselement, fondern bewegt fich freier und fucht bereits mehr fubjeftive Innerlichfeit. — we, Der Myſtik des Maximus gieng nicht blos die hierarchiſch-kirch⸗ liche des Areopagiten, ſondern auch die der fubjeftiv asketi— fhen Srömmigkeit des edleren alteren Mönchthums voraus, dar: geftellt in Männern, wie Macarius d. Aclt., Marcus Ere: mita, Johannes Elimacus (sec. 5 und 6, vgl. Gap. c. ©. 53 ff.) ; auch fie trachten nach unmittelbarer Einigung mit Gott, (yapns, ouyxeaoı; mit dem heil. Geifl, yavcıs ano Hsov, nah ber göttlichen nadn, nach der Einftrahlung des bypoftatifchen Kichtes, nach der Bermifchung mit Gottes Subftanz — ovugpvgscdu Heo—). Die Staffeln der Läuterung, Reinigung, Erhebung werten aber von ihnen nur als fubieltive Gemüthszuſtände bezeichnet, nicht an objektive Yirchliche Handlungen gefnüpft; die objeftiven Sakra⸗ mente werben ihnen nur zu Symbolen ver fubjeftiven Zuftände, als fubjektiver Saframente. (So Faften und Thränen, fo bie myſtiſche Freude, ver heil. Taufe und dem heil. Abendmahl ent- fprehend.) Auch Chriſtus erhält da Feine weſentliche Stelle; er iſt Vorbild. Marimus dagegen fucht dieſe ſubjektive Myſtik mit der des Areopagiten zu vereinigen, wie eine Bergleichung feiner Myftagogie (II, 489-529) mit den Capp. de charit. und Capita theolog. et oecon. I, 894—634 zeigt. 19 * 292 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfgpnitt IL Kap. 2. Dagegen ift die myſtiſche Ader bes Maximus, berem Eigenthümlichfeit in dem Sneinander des Religiöfen und Spefu- fativen, fowie biefer beiden Seiten der Myſtik mit dem Glauben und vornemlich dem Kultus der Kirche befteht, auch in der fpä- teften griechifchen Zeit noch nicht ganz verfiegt. Ein merfwür- diges erft neueftend gebührend gewürdigtes Denkmal !?°) hievon ift der Hefpchaftenftreit von 1341—1350 und bie Myſtik des Nikolaus Cabaſilas nah 1350. Wir verweilen babei um fo mehr, als bier vie Gottesivee der alten griechifchen Kirche ſich charakteriſtiſch ausfpricht, zugleich aber die der Lateiner ihr gegenüber tritt. Die Bebeutung bes Hefychaftenftreites kann richtig nur verftanden werden, wenn er im Zufammenhang mit dem Standyunft des Dionyfius Pfeubvareopagita aufgefaßt wird. Diefer hatte, wie wir ſahen, Gott fowohl ald den vielnamigen und allwitffamen, wie als den Namenlofen bezeichnet. Sp er- fcheint er zunächft als der Nahbare, Mittheilfame, aber weiter: bin ebenfo fehr oder noch mehr als der fchlechthin Tranſcendente, Unnahbare, und das wahre Willen von ihm ift das Nichtwiffen, bas Stilleftehen des Redens und Denkens, das Schweigen ber tiefen Ehrfurcht por dem überfchwänglichen uns in Dunfelheit hüllenden Xichte, und biefe heilige Scheu des im Nichtwiflen Bott wiffenden Geiftes wird am angemeffenften durch Hingabe an ben heiligen Kultus der Kirche bethätigt, deren fymbolifchen Bräuche dieſelbe Amphibolie haben, daß fie von der Gegenwart bes Göttlichen einen Eindrud gewähren, aber zugleich den Schleier darüber halten. Aber die apophatifche Theologie läugnet, was bie Fataphas . tifche ſetzt; Gott kann nicht Cauſalität der Welt fein, weil bag feinem unendlichen Weſen entgegen wäre; umgefehrt, bie em⸗ pirifche, ja die religiöſe Betrachtung laßt fich e8 nicht nehmen, daß Gott wirklich als die höchſte Urfächlichfeit zu denfen fei und ne girt ſo die Sätze der apophatiſchen Theologie. In dieſer dua⸗ 0, Gaß a. a. O., vgl Engelhardt, bie Arſenianer und Heſycha⸗ ſten in Jitgeus Ztſchr. f. hiſt. Th. VIII, S. 48-185. . Die fpätere griechiſche Myſtik. Nikolaus Cabaſilas. Heſychaſten. 293 liſtiſchen Schwebe Fonnte nur jene Difchung des fpefulativen ober metaphyſiſchen Denkens und ber Religion fich halten, die doch weder mit ber apophatifchen noch mit ber Fataphatifchen Theo: Iogie vollfommen Ernſt macht. Daher ftatt Die entgegengefegten Säge auf Daffelbe Anſpruch machen zu laffen, verfahren die Hefschaften nach älterem Borgange bei Marimus fo, daß fie die Anfprüche beider Arten der Theologie auf Verſchiedenes ver- Dee Die negirenden Sätze haben nad ihnen freilich ihr volles Recht im Gebiete des göttlihen Wefeng, denn dieſes ift ſchlechthin einfach), transcendent, unnahbar; aber Gott ift nicht bios Weſen, fondern auh Energie oder Kauſalität. Nach ber erfteren Seite bleibt er und ewig unerreichbar und unbefannt; aber bie letztere iſt keineswegs blos eine Bewegung oder ein Aft, noch weniger blos gefchaffene Welt, fondern fie ift Die Peripherie um das göttliche Centrum, eine göttliche Welt zweiter Ordnung, ein Strahlenfranzg um Gottes Wefen, voll von realen göttlichen Lichtfräften, die nicht geworben find, fonbern ewig aus Gott emaniren. 1% Die myſtiſche Ruhe und Schweigſamkeit wirb ber feligen und verflärenden Anſchauung diefes nichtgewor⸗ benen Lichtes theilbafl. So Palamas der Sprecher ber Mönde vom Berge Athos. Diefes Licht wirkt nun als reinigendes und vollendendes Element, indem es fich den frommen zur unaden gelangten Seelen mittheilt. Auf biefem ‚Wege wird alfo ein Sompromiß zwilchen zwei gleich feftftehenden Sägen getroffen, ber abfoluten Unmittheilbarfeit des göttlichen Weſens felbft und der Mittheilbarfeit göttlicher Kräfte. Wir werden bei Thomas Ag. etwas Achnliches finden. So viel erhellt aber, daß eine Ehriftologie von bier aus folgerichtig ausgebildet, kaum anbere als fuborbinatianifh, wenn gleich emanatiftifch hätte ausfallen fönnen. Aus dem Logos wäre der Einheitöpunft jener beutero: göttlichen Welt der Lichtfräfte geworden. Und bie griechifche Kirche, 110, Diefe Kräfte der Lichtwelt bypoftafiren fie und berühren fich fo mit dem gnoflifchen Pleroma, mit der Lehre von der dofa« Gottes, und mit den emanatififch tingirten Angelologieen; es ift darin au die Nachwirkung der himmliſchen Dierarchie des Areopagiten, und der mehr realiftifhe Ausorud der Ideenwelt zu fehen. 294 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. indem fie auf mehreren Synoden ben bier zu Grunde Tiegenden Gottesbegriff freigab, gibt unbeabfichtigt zu verflehen, was auch aus der Berwerfung bes Filioque erhellt, daß fie dem Subr ordinatianismus nod nicht entwachfen if. Schwerlich wirb man auch in Abrede flellen können, daß ber Verzicht der Heſychaſten auf den höchſten wahren Gott und ihr Verkehr mit ben Licht: fräften, den getheilten Gottheiten zweiter Ordnung ſchon zum Heidenthum zurüdneigt, davon zu ſchweigen, daß ihr Erlöfungss und Reinigungsprozeß nicht chriftlich,, ſondern theild negativ as⸗ ketiſch, theils phyſiſch gefärbt if. 11) Den Hefpchaften mit Palamas an ber Spite ftellten ſich Barlaam und Afyndinog entgegen, welche lateiniſch Ges finnte (Auzısopoores) hießen, aber doch auch eine Stüte an Nicephorus Gregoras und Andern fanden, während bie Hefychaften, wenigſtens ihre Hauptthefig, auch von Nikolaus Cabaſilas Bifhof von Theffalonih und Markus Eugent tus, Erzbiſchof von Epheſus vertheibigt wurden. Die Latiniſirenden beftritten den Unterſchied der Hefpchaften von Wefen und Wirffamfeit, unterfchieven aber um fo beftimms ter von ber Wirkfamfeit das Gewirfte. Eine Wirffamfeit neben bein Wefen zu fntuiren, bieße, fagt Nicephorus, in Gott felbft ein Accidens feßen. Aber der Gottesbegriff ift erft gewon⸗ um) Die Lichtmaterie verflärt den Menfchen. Diefer phyſiſche Zug in der griechifchen Gnadenlehre zeigt fih fhon frühe felbft in ver Befchreibung der Wirkungen Chriſti auf unfer Gefchleht ſchon dur feine Geburt u. f. w., fiehe o.; vergl. befonders Theopor Abufara Op. ed. Gretser c. VI, ©. 452. Man fage: Wenn man einen Melonentern in Honig taudt und fäet, fo theile fi die Suͤßigkeit des Kernes auch der Frucht mit. Ovra nal 6 Xoiorag mv pioıv En T7s EAnımdovs MOLdTNTog, 4yovv EX TNG anaptiag annxada- pas dı& tod Aylov Banriauatog, avdlaßev auıyv — ayparıov ola nal 7» nal duriodn ro moörspor. Kal tußdwac auıjv ıw ned rs Beorrros — yını neröwxev Yulv Tyg YAunvrytog, @G Ol KORXoL Tod | nönovo; 16 an avıoy apa, nal xara Bıadoyy» (per traducem). Diefe phyfiſche Betrachtungsmweife, vie in fo ausgedehntem Maße ben Begriff der Sünte und ber Gnade lange beherrſcht, corre⸗ fpondirt ganz dem Uebergewicht, das hriftologifh im Vergleich mit der Perſon auf die Natur fällt. Die fpätere griechifche Myftil. Heſychaſten und Nikolaus Cabafilas. 295 nen, wenn jegliche Theilung von Gottes Wefen ausgefchloffen wird. In Gott ift fein Sein, das nicht auch Thätigfeit, Aftus, wäre und umgefehrt, es kann in Gott feine Thätigfeit geben, in ber nicht auch fein Wefen gegenwärtig wäre. Seste man ein Wirken ohne Wefen, fo fehlte e8 an dem wirfenden Subjeft, fäme das Wirken erft zum Wefen hinzu, fo ergänzte es einen vorherigen Mangel des Weſens und bas wäre gegen Gottes Einheit und Einfachheit, wie auch gegen ben Begriff Gottes, als des Guten. Denn das Gute fann nur gedacht werben als ſich felbft bethätigendes. Chriftologifch ergibt fich hieraus, daß, wo Gottes Wirkfamfeit ift, da auch unabtrennbar feine Wefenheit fih finden muß, und da er auch in den Gläubigen, ja au in der Natur wirft, fo muß feine Gegenwart überall als eine nicht blog operative, fondern fubftantielle gedacht werden. Es ligt baber diefer Anficht ob, irgendwie das Sein der Wefenheit Gottes in Chriſtus von der gegenwärtigen Wirkfamfeit in Anderem zu unterfcheiben. 12) Es ift nicht befannt, Daß Die Gegner ber Hefpchaften dafür etwas geleiftet hätten. Die Sprecher ber Hez fochaften Dagegen zogen Folgerungen, wie: Iſt in Gott bie Wirkſamkeit ſchlechthin ungefchieden von ber Wefenheit, fo ift feine Wirffamfeit ebenfo ewig, wie feine Wefenheit, und mir fommen entweder origenijtifh auf eine ewige Schöpfung, ober muß die göttliche Dreiheit durch Gottes Wirkfamfeit geſetzt wer⸗ den, flatt daß der Sohn ein Erzeugniß und ber Geift ein Aus: gang Gottes if. Iſt ferner das Haben und das Sein ſchlechthin in Gott eines, fo fünnen wir ihn nur entweder auch nad) feiner Wefenheit erfennen oder gar nicht, während wir ihn doch aus feiner Wirffamfeit erfennen, aber nicht nad feinem Wefen. Da Gottes Weſen ſchlechthin einfach ift, Gottes Wirkungen aber viel fa, fo wird es unmöglich, die Wirkungen als in Gott begrün⸗ bet zu erfennen, ‚wenn man flatt eine Vielheit der Wirkfamfeiten Gottes anzunehmen, fie mit dem einen Wefen Gottes iventifizirt. Cabaſilas unterfcheidet daher in Gott ein Solches, moran on — — — — 2) In ganz ähnlicher Lage iſt die orthodoxe Theologie der lutheriſchen Kirche, z. B. bei Calov. 296 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. Theil genommen werben kann (uedexzor) von einem Unmittheils baren; das Lebtere ift ihm das Innerſte Gottes, fein Gentrum, fein eigentliches Wefen oder Sein. Das Andere ift Gottes Beſitz oder Habe, die er daher mittheilen Ffann. 19) Nicephorug verwirft folchen Unterſchied in Gott, und bezeichnet ihn als vor⸗ chriſtlich. Gottes Weſen fei zugleich unmittheilfam und mittheil- fam, Gott fei ebenfo ganz in fi, wie ganz und weſentlich für das Andere, und thätig, ohne deßhalb theilbar zu werben ober fih an ein Einzelnes zu verlieren. Den Palamiden wirft er den doppelten Fehler vor, daß fie die Wirffamfeit Gottes, bie fie als das Mittheilbare Gottes denfen, ohne Selbftbehauptung an Dasjenige ſich verlieren laffen, an welches es fich mittheilt, und daß fie Das Unmittheilbare Gottes des Inhaltes berauben, ber boch gerade feine Fülle und Lebendigkeit ausmacht, Gottes Wefen alfo nur als ſich felbftbehauptende Leere übrig behalten. Man jteht, wie in biefem intereffanten Streit auf beiden Seiten eine Ineinanderbildung der fataphatifchen und apophati⸗ Ahen Theologie erftrebt wird; von den Hefochaften fo, daß fie gleihfam in Gottes Wefen felbft ein Heiliges und Alferheiligftes von einander fcheiden, auf das Erfte die Fataphatifche, auf dag. Zweite aber bie apophatifche Theologie anweifen. Diefe Vers theilung des Gebietes, welche nicht blos in Gott eine Ueberord⸗ nung bes doch leeren Weſens über die Iebendige Fülle hinein- trägt, wird mit Recht als Reſt des vorchriftfichen Gottesbegriffes von Nicephorus und den Lateinern verworfen, fie felbft aber bringen es nur zum Poftulat, daß Gott nad) feinem ganzen Wefen als zugleih in fih und für fih, wie für das Andere feiend gedacht werden müſſe. Die Einheit dieſes ſcheinbaren Gegenſatzes und das Wort des Räthſels iſt der Geiſt. Er erſt ift wirklich in ſich feiendes Wefen, und doch zugleich in biefer ſich ſelbſtbehauptenden Reflerion in fih auch allgemein Wefen, — —— 2... — 1) Dieſe Unterſcheidung findet ſich auch bei Thomas, und ſie iſt die Vorausſetzung der lutheriſchen Chriſtologie, welche Eigen⸗ ſchaften oder Beſtimmungen Gottes als mittheilbar ohne das Weſen anſieht. Die fpätere griechifhe Myſtik. Nicephorus und Cabafilas. 2097 Das für Andere fein will. Oder genauer: die Wahrheit bes Geiſtes, das Ethiſche, ift erft im Stande über jenen Gegenfat bes unmittheilfamen ſich felbft behauptenden, und bes mittheil- baren Wefend zu erheben, über den Gegenfat des jübifchen und des heidnifchen Gottesbegriffes. Denn das wahrhaft Ethiſche vereint in fich die Gerechtigfeit und bie Güte, und Liebe ift weber ohne das Eine noch ohne das Andere. Eine. fi ſelbſt im Geben nicht behmuptenbe Liebe ift Smanation, ein phufifcher Aus: flug, über welchen Geſichtspunkt die griechifche Theologie nicht wefentlich hinauskömmt, foweit fie von Gnade ſpricht. in bloßes Hüten der Grenzen, eine bloße. Selbftbehauptung in Un⸗ mittheilfamfeit anbererfeits ift zwar gerecht, aber ihm fehlt noch bie freie Macht, über die eigene Fülle ohne Selbftverluft zu ver: fügen, nicht nur bie Luft Dazu. Erſt in der innigen Durchbringung . beider Momente kann der wahre Gottesbegriff gegeben fein. Die Gegner der Hefpchaften bringen es nur zu einem Zufammen- fprechen beider, behalten aber damit: Doch die Aufgabe im Geficht. Cabafilas läßt zwar die Lichttheorie jener Myſtiker zus” rüdtreten, ohne Zweifel, weil fie der Kirche und dem hiſtoriſchen Chriſtenthum zu wenig eine ſichere Stelle läßt, dagegen hält er mit ihnen an dem Unterſchiede des Weſens und der Energie Gottes feit, und verwendet ihn für das Syſtem des Firchlichen Lebens fo, daß er die heiligen Handlungen ber Kirche, beſonders die Saframente durch jenes Göttliche zweiter Ordnung mit Kräf: ten der Erneuerung ber Stärkung und ber Vollendung ausges ftattet werben läßt, dieſes Alles aber auch mit Chriſti Perjon in Beziehung zu ſetzen fucht. Chriſtus iſt ihm ber Ruhepunkt (neraAvua) des menschlichen, auf dag jenfeitige höchſte Gut ge⸗ richteten Begehrens; die üppige Weide der Gedanken, in ihm if das ewige Gut biefer Zeitlichfeit einverleibt. Er führt bie tra- bitionelfe Rehre von den zwei Naturen mit dem doppelten Willen fort, nur mit dem Unterfchied, baß er ähnlich, wie ber Areo⸗ pagite und Marimus, ben Logos auch in der Menſchwerdung überwefentlich und trog ber Wefensgleichheit mit uns feine Menſch⸗ beit auch übermenfchlich und vergöttficht denken will. Weberhaupt löſen fih ihm durch die Vergöttlihung der Menſchheit Ehrifti 298 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. bie feften Umriffe derſelben merklich in ben Logos auf, und es behält ihm vie Menſchheit vornemlich nur bie Bedeutung, Die reale gefchichtliche Einpflanzung des göttlichen Prinzips in bie Menfchheit zu bezeichnen. Selbftändig verweilt er baher nur bei bem Gebiet, in welchem ſich Chriftus als dieſe göttliche und doch dem gefchichtlichen Organismus der Menfchheit einverleibte Macht bethätigt, das ift das Gebiet der Kirche mit.ihren Sa framenten, welde die Werkzeuge und. Kanäle für das aus Chriſtus ausftrömende Leben find, und weldhe von felbft auf Seven wirfen, dem nur die paffive Willfährigkeit nicht abgeht. Die heil. Taufe ift vor Allem die Zeugung bes neuen Lebens in Chrifto, aber auch Erleuchtung. Die dreimalige Anrufung bildet bie theologifche, die Antertauchung und bie Wiebererhebung bie öfonomifche Seite ab, letzteres in der Sprache der That oder braftifch, denn auf die Nachfolge Ehrifti fomme es an. Alles ift eigentlich ſchon gefchehen in Chriſti Tob und Auferflehung, , ed bedarf nur der Uebertragung ber Kraft des von ihm und durch fein Verdienſt geftifteten Bades auf und. Ja nicht blos die Gabe und das Licht, auch die Sehfraft und Die Kraft bes Athmens ſtrömt auf uns von dem Einen Duell. — Die Salbung (uvoor), fein zweites Saframent, bezeichnet ſymboliſch die Weihe ber menschlichen Natur, zunächit in Chriſtus, wodurch biefe zur Aufnahme der göttlichen Natur befähigt und veredelt ward. Aber das menfchliche Gefäß Ehrifti mit feinem Inhalt ift zugleich als weihendes und im Saframent ber Salbung fortwirfendes Prins zip der Menfchheit einverleibt. Beſonders aber ift es das heil. Abendmahl, in welhem er die mpftifche eier ihren Höhe⸗ punft erreichen Täßt. Die Einprägung des göttlichen Bildes in ber Taufe, die Begeiftung durch die Salbung find nur bie Vor⸗ ftufen für bie Vollendung ber ganzen menſchlichen Natur burch bie gottmenſchliche Natur im ‚heil. Abendmahl. Was in Chrifto ber menfchlihen Natur geſchah, das gefchieht durch dieſes Sa⸗ frament fortwährend dem einzelnen Menfchen, und es läßt fich baher aus der Schilderung befien, was den Abendmahlsgenofien wiberfährt, abnehmen, welches Bild von ber Bereinigung Gots tes mit der Menfchheit in Chriſtus ſich würbe ergeben haben, Die fpätere griechifche Myſtik. Nikolaus Cabaſilas. 299 wenn biefe Myftif ledig der trabitionellen Formeln fich chriſto⸗ logiſch würde ausgefprocdhen haben. Chriſtum aufnehmen in biefem Mahl, kommen wir in Blutsverwandifchaft mit Gott und Chriſtus und biefer feiert mit ber Kirche, feiner Braut, bie geiftliche Hochzeit (yauos). Die Wirkung erftredt ſich auf den ganzen Menſchen. Wie Chrifti ganzes Wefen, aud, fein leib- licher Organismus zu einer höheren Natur geworben und vers göttlicht iſt, fo wirft auch das heil. Abendmahl, und dieſe Wirs fung feiner göttlichen Phyfis, die mit unferem Organismus ſich vermifcht , fi) ihm eingießt und ihn dermaßen umwandelt, daß gegen die Verwandtſchaft mit Chriftus die Berwandtichaft mit dem leiblichen Vater verfchwindet, ja die Chriftum. ung näher dringt, als wir ung felbft find, ift die erfte und nächſte Wirs fung ,_burch welche das Unreine, zur Sünde Reizende in ung über: wunden wird, fo daß ber Geift nun nach feiner angeborenen Art feine Schwingen frei regen fann. 11%) Es ift alfo eine Nas turmpftif, ſakramentlich gehalten, durch welche Die menfchliche Subſtanz mit der Subftanz Chrifti verbunden, fa vermiſcht wird, was bei Cabaſilas das Eigenthümliche bildet, und wodurch er fih in ben Stand zu fegen fucht, auch Chrifti Menſchheit, nicht blos dem reinen göttlichen Licht ober dem nadten Logos eine Bedeutung für bie Heilsvollendung zu geben. Denn nicht ber Logos für fich, fondern der mit der menfchlichen Natur vers einigte Logos, feine gottmenfchliche Subftanz, in der auch das Menfchliche übermenfchlih und mit dem Göttlichen vermiſcht iſt, ift Die Lebenseſſenz, welche aufgenommen in unfern Organisınug, 2) Bol. Gaß L.e., 143ff. Nach dem Sape, daß die Urfache mit ihrer Wirkung gleichartig fein muß, ber in der Gefchichte des Dogma vom heil. Abendmahle eine große Rolle fpielt, läßt die befchrie: bene Wirkung des heil. Abendmahls in den Empfängern, um fo gewiffer einen Schluß auf das dabei wie in der Stille wirkende chriſtologiſche Bild zu, als bei Eabafilas das Objektive des heil. Abendmahls Chriſti Berfon, namentlich aber fein Leib und Blut if. Man wird Gap recht geben müflen, wenn er fagt ©. 145: Eutychianiſche Sätze, die auf die Chriftologie angewendet, verpönt waren, werben doch ohne Schen in vem Gebiete ber Wirkungen des heil. Abenpmahles angewendet. 300 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. ihn veredelt und in fein eigenes Wefen. verwandelt. 115) Was bie geiftige Seite anlangt, fo bat allerdings Cabaſilas bie Freiheit des Willens, bie er fehr betont, nicht in wirflichen Ein- fang mit dem Wirfen ber Gnade gefegt, wie biefe phyſiſche Saframenten=Tehre zeigt. Cr laßt die Gnade und bie Freiheit mit einander abwechſeln, und ift von der Meinung nicht frei, baß jede für fih, ohne die andere, an die Vollendung hinan⸗ führen könne. 11%) Aber doch findet ſich bei ihm noch eine an⸗ bere Idee, in welcher er den ausfchließenden Gegenfat ‘von Gnade und Freiheit zu überfchreiten fucht, und zwar ſowohl von göttfiher Seite als von menfchlicher, eine bee, welche ihm bazu dienen fol, in Gott felbft jenen Gegenfag von Nothwen⸗ bigfeit und Freiheit, der in ber Unterſcheidung von Gottes Weſen und Wirken eingehüllt iſt, zu überfteigen und zu ver: föhnen, und bie endlich aud für eine geiftige Wirfung bes heil. Abendmahls eine Stelle übrig läßt, ja fi zum Ausgangspunfte einer eigenthlimlichen Shriftologie eignen Fönnte, Das ift feine Lehre von dem giizoor, ber Zaubermacht ber göttlichen Liebe. Der Liebe ift die Selbftentäußerung eigen. Durch fie tritt der Liebenbe aus ſich heraus (edıorara) ſich hin- zugeben an den Geliebten, um nur für ihn zu fein. Diefen Liebeszauber verfendet ber Brautigam wie ein Geſchoß in das Herz, einen Strahl von feiner Schönheit. UN) „Er verwundet bie Seelen und bie Größe der Wunde, das Verlangen der Seele weist auf den Berwundenden, welcher die Seele in heifiger Efftafe der Liebe aus ſich heraus und in ihn bineinzieht, hin⸗ geriffen von der Macht der Liebe und doc, frei. Aber ebenfo ift dieſe Liebesmacht auch in Gott felbit eine Macht, die ihn aus feiner Erhabenheit, Unmittheilfamfeit und Leidenglofigfeit ber: ausgezogen und genöthigt hat, wie ſchon Dionyfius andeu⸗ 8) TTepl tᷓc xoroᷣ Lars lib. IV, $. 55: 6 yae ns lang agtos aurög xıvei 09 dITOVuSsvoy, Xal nefiorndı nal moüs davıay nerafalleı, ©. 9%. Chriſtus fei das Haupt und das Herz in der Kirche, feis nem feibe. 146) Cf. lib. VII, 8. 111. 112. ©. 196. 1) Lib. U, 86. 182. 138. ©. 56 f. Die fpätere griechiſche Myfit. Nikolaus Cabaſilas. 301 tete, 19) aus fich herauszutreten, und wie in Efflafe ber Liebe ſich ſelbſt zu entleeren. 11%) Dem nicht in feiner Region blei⸗ bend, ruft er zu ſich den Knecht, den er Tiebte, fondern felbft fucht er ihn durch Herabfieigen, und nahend zeigt er durch ſich das Liebesverlangen und fuchet das Gleiche, läßt von dem Berjchmähenden nicht ab, und ift dem Trotzenden nicht gram, und hart verfolgt bis vor die Thüren, thut und trägt er, um die Liebe zu zeigen, Alles und ſtirbt. 120% Und doch iſt auch damit das Größefte nicht gefagt, denn nicht bios fo weit geht der Herr in die Gemeinfchaft mit den Knechten ein und reicht ihnen feine Hand, fondern auch fich felbft hat er und ganz gegeben, wogegen wir bed lebendigen Gottes Tempel find, dieſe Glieder Shrifti Glieder. Diefer Glieder Haupt beten die Cherubim an, diefe Füße, diefe Hände bangen an jenem Herzen.“ Sp ift ihm Chriſtus der gegenwärtige Gott, ber Nichte als die Liebe übrig behalten, aber buch deren Schönheit, als einen unwiderftehlich wirkenden Liebessauber die Welt überwunden bat, nachdem er. gleichjam zuerft in fich feine außerweltliche Er⸗ babenheit überwunden hatte, um denen, die er gewinnt und be: feligt, näher zu fein, als fie ſich felbft, ja um ihr anderes Selbft zu werden. Und wenn gleich biefe Darftellung in faft gewalt⸗ famer Weife den warmen chriftlihen Gottesbegriff an bie Stelle bes antifen, des abftraften unendlichen Wefens der Spekulation fest, fo flreift er doch auch noch daran, dieſe Liebe in Gott nicht als eine bloße einmalige oder momentane Bewegung, nicht als eine einmalige Gaufalität, zu ber etwa unter Anderem fi jenes Wefen Gottes erichloffen hätte, zu faflen, fondern als — — — ı®) De divinis nominibus, c. IV. 8. 13 f. 19) Lid. VI, 8. 16. Kadanep yap mr avdoannv zovs epwvrag eklornde TO gYilroo9, Orav vrepßally nal xp8i00ov Ydrıaı vu9 Öslaudvor, zo» loov TeOnov 6 negi tovs avdewnovg Egug row Feov Erdvaoev. 8. 18. 19: &dsı dd un Aavdaven apodga gılav, alla vs us yioryę ayanns douvaı neigar nuiv, nal ösilaı or Eoxarov — Epwra. Tuv- u unyavaras 2 »svacıy, nal Mpaynarsveraı nal mosi di or oleg ta y6vor av dsıva nadeiv nai odurndiva. ©. 135. 136. 120) Cf. VI, 19—24. $. 99 ff. . 302 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt IL Kap. 2. bas eigentliche Sein und als das wahre Leben. Denn jo wenig⸗ ftens ftellt er das. Liebesieben der Chriften dar. 1°") Aber auch in Beziehung auf Gott felbft, bat er die Ein- fiht, daß ed der Natur des Guten wefentlich ift, fich mitzu⸗ theifen, um biefes zu fi) heranzuziehen. Das fieht man aus ber Lehre, die er ebenfo ſchön als zuverfiähtlich ausführt, 22) daß ſowohl das Menfchengeichleht von Anfang an auf den Gott: menfchen gefchaffen und für bie. Vereinigung mit. ihm beflimmt war, als der Gottmenfch für die Menſchheit. „Ihr ſeid nicht Euer ſelbſt, denn ihr feid theuer erfauft,“ fagt Paulus, denn des neuen Menfchen wegen warb von Anfang bes Menfchen Natur gefchaffen, Verſtand und Begehren wurben zu Ihm hin bereitet, Vernunft empfiengen wir, damit wir Chris ftum erfennen, Begehren, damit wir zu Ihm eilen, Gedächtniß empfiengen wir, bamit wir Ihn tragen, benn auch fir unfere Erihaffung war er das Urbild. Denn nicht der alte Adam ift das Mufterbild für den neuen, fondern der neue für ben alten. Sf, wie gefchrieben fieht, ber neue geworben in Aehnlichfeit bes alten, fo ift das von ihm nur gefchehen, damit er bie Krankheit der Natur aufhöbe durch feine Arznei und das Sterb- liche verfchlungen würde vom Leben. Der ältere Adam ift des zweiten Nachahmung und nach der bee und dem Ebenbild deſ⸗ felben ift er gebildet. Die menfchlihe Natur ftrebte zwar zur Unfterblichfeit von Anfang, kam aber erjt dazu durch den Leib des Erlöſers, den er zum uniterblichen Leben von den Todten auferwedte, wodurch er ber Herzog ber Linfterblichfeit für das Geſchlecht ward. Daß ich das Ganze fage, den wahren Mens m mm — — — — 2 Cf. VII, 8. 164 - 167. 12?) Lib. VI, 8. 182--189. ©. 166, $. 132: Kal yap dia Tor namor avdponov Avdpune Pucıg ovväorn To EE apyij;, xal vodg xal Emı- Yuula nop05 Ensivoy xateoxevacdın. — Ov yap 6 Nalaıög Tov Rawod ar 6 wiog Ada 15 nalawd apadeıyua. ©. 167, 8. 133: 6 mee- ofvrepus roõũ devrsgu ulunne, nal nara rg» iöday Eneivu xal ty» &i- xova nönlacreı. 8. 135: nal iva 0 mar eine, zov alndıror -avdgwnov xal töleıor xal zoonev al lag xal rar aAkmm Evan navıoy NpOTog nal uovos ädekev Ö Gwıyp. Die fpätere griechiiche Myſtik. Nikolaus Cabaſilas. 303 fen und den vollfommenen bat, was ben Gharafter und das Leben und alles Andere anlangt, zuerft der Erlöſer dargeftellt. Wenn nun diß in Wahrheit des Menſchen Idee und Beſtimmung ift, auf welche fchauend Gott ihn als die letzte Kreatur bildete, nämlich das reine, von Vergänglichfeit und Sünde freie Reben; wenn ferner dem Einen — dem erſten Adam — viel daran fehlte, vollfommen zu fein, der Andere aber felbft vollfommen in Allem feine Bollfommenheit ben Menſchen mittheilte, und das ganze Gefchlecht auf ſich harmoniſch bereitete: wie follte man nicht fagen, daß das fpäter Gelommene für das Frühere das Muſterbild war, und daß jenes ber Archetyp, dieſes aber von ihm genom⸗ men it? Die Urnorm (karor) von Allem ift der letzte Menſch, nicht der zulegt ans ber Erde bervorgegangene, fonbern ber, zu welchem Natur, Wille und Gedanfen den Menfchen ziehen, Chriſtus. Und nicht blos der Gottheit wegen, ſondern auch ber andern Natur halber ift biefer die Ruheſtätte aller menfchlichen Liebe und die Wonne der Gedanken (xaralvur Tor ardpw- ni50r7 EUOTOP, Tuvpn Aoyıouar). 17°) | Die gegebene Darftellung zeigt, daß Cabaſilas unwill⸗ fürlich doch feiner früher erwähnten, der heſpchaſtiſchen ähnlichen Gotteslehre untreu wird. Denn wenn feine Myſtik in bem gött⸗ lichen Liebesleben fchwelgt, und wenn er beutlich genug Gott ſelbſt als Liebe denft, fo hat er jede Erinnerung daran, daß in Gottes Wirkſamkeit doch nicht Gottes Wefen fei, das Höchſte vielmehr ewig unmittheilbar bfeibe, vergefien. In demjenigen, worin ber Geift ben ewigen Rubepunft und die eigene Vollen⸗ dung findet, fieht er das höchſte Gut, und nicht blos für den Menſchen, fondern auch an fih und für das Univerfum, mie feine Chrijtologie beweist. Cabafilas ftellt, wenn auch min: der ſcholaſtiſch, in feiner ſakramentalen Myſtik den Vereinigungs⸗ verfuch perfönlicher Innerlichfeit und firchlicher Frömmigkeit dar, und ift Darin vielleicht am Meiften dem Thomas von Aquino 23) L. VI, 8. 139. Er fährt fort: ob ydo Eorıw, ov un Nagsorıy, ode’ dorıv, Öntocg ur ouvsorıw Adv, üsye Toig Imovos nal avızc eyylpr eori ıyc nagblas. L. VI, $ 140. ©, 168. 304 3weite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. ähnlich. Erſt als das byzantinifche Reich zu Falle Fam, und bie zum Theil flüchtig gemworbene griechifche Theologie Teinen feften Firchlichen Haltpunft mehr hatte, fieht man den gleichſam liturgiſchen Charakter der griechifchen Myſtik ſchwinden, und biefe zum Theil in Berührung mit dem Abendlande, vornemlih in Italien eine ähnliche Geftalt annehmen wie bei dem Areopa⸗ giten, ja Scotus Erigena. — Bei Männern, wie Georgiug Gemiftius mit dem Zunamen Pletho, 12%) Beffarion, dem Derfaffer des Hermes Trismegiftug, denen ſich viele Ita⸗ liener anfchloßen, wie Marfilius Ficinus, dev, ältere Graf Piko von Mirandola, gieng bie griechifche Wiffenfchaft in eine neoplatonifche Theofophie über, welche vielfach nicht blos des firchlichen, fondern auch bes chriſtlichen Charakters vergaß, einen Kultus des Schönen und der Wiſſenſchaft an bie Stelle des Chriſtlichen fette und wonnetrunfen in ber platonifchen Philo⸗ fopbie das Evangelium fand. Da warb offenbar, baß bag künſt⸗ fiche Gebäude ber theofogifchen Begriffe in ber griehifchen Kirche nicht mehr in dem Innern ber Geifter fein Fundament hatte, fondern daß es, fobalb die tragende Macht der Tradition und ber kirchlichen Umgebung fehlte, in fi) zufammenbrady und aus den Ruinen nur ein Geift hervorfchaute, welcher, als ob Nichts in der Mitte läge, wieder auf dem Boden ter antifen heidni⸗ chen Philofophie fteht und die Götter Griechenlands zurüdzu: führen, in dem Glanz ihrer Schönheit, dem Reichthum ihrer Weisheit zu fchwelgen ben Verſuch machte. Wir haben dieſes nicht näher zu verfolgen, nur das fei noch bemerft, daß, als bas Mittelalter zu feinem Ende fi) neigte, bie beiden Ströme der Myftif, der orientalifche und der oceidentalifche (wie über: haupt in andern Männern die beiderfeitige Kultur), eine Ber: einigung fuchten und theilmeife fanden in einem ber bedeutendften Männer des 15. Jahrhunderts, dem Kardinal Nifolaus von Cuſa, Biſchof v. Briren, welcher auch durch feine Schidfale nach Griechenland geführt, Die Bereinigung der griechifchen und latei- 24) Bergl. Gap, Gennavius und Pletpo, Ariftotelismus und Plas tonismus in der griech. Kirche 1844. S. 24— 98. Die fpätere griechiſche Theologie. 305 nifchen Kirche als feine theuerfte Lebensaufgabe verfolgte, und welchem auf feiner Rüdfehr aus Griechenland zur See, wie burch eine Erleuchtimg von Oben, wie er fagt, der Blick des Geiftes zu der Anfchauung erhoben ward, in welcher ihm Gott als die höchite Einheit aller Gegenfäge erfchien , eine Anfchauung bie den WMittelpunft des Spftemes bildet, deſſen chriftologifche Seite uns fpäter näher befchäftigen wird, und bag auf Gior⸗ dano Bruno fo beveutend eingewirkt hat. 17°) 2 Bol. Scharpff, der Karbinal und Bifhof Nikolaus von Eufa I. Zheil, Mainz 1843. F. % Clemens, Giordano Bruno und Nikolaus von Cuſa; 1847. Morit Carriere „die philos fophifche Weltanfhauung der Reformationgzeit in ihren Beziehun- gen zur Gegenwart“ 1847. ©. 16—25. 365 ff. a — — — — — Dorner, Chriſtologie. II. 2te Aufl. 20 Drittes Kapitel. Der Adoptianismas und das Srankfurter Eoncil 794. Heer wenige dogmengeſchichtliche Erſcheinungen ift das Urtheil fo unficher, aber auch fo fehmwierig, wie über den Adop⸗ tianismus, welcher von ben 'Zeitgenoffen mit dem, was als Ne⸗ ſtorianismus galt, zufammengeworfen, von Spätern, welche biervon ben biftorifchen Neftorianigmus zu unterfcheiden wußten, wenigftend mit diefem vermengt wurbe.- Andere wie befonbere Walch finden ihn mehr den Worten als den Gebanfen nad von ber orthoboren Lehre verfchieden, ober fehen in ihm eine Eonfequenz bes orthodoxen Spftemes, welche unmwiderftehlich feinen inneren Widerſpruch zu Tage bringe; während noch Andere in bem GStreite mehr eine Spiefindigfeit zu finden glauben, an welcher der jugendliche Verftand der barbarifchen Völker feine erite Probe abgelegt habe. Es muß zum Voraus gänzlich unwahrſcheinlich fein, daß wir in einem fo bedeutenden Kampfe nur eine Wiederholung von längſt Dageweſenem erblicken dürfen. Maßen ſich doch in ihm bie bedeutenberen Firchlichen Kräfte der Zeit mit einander, auf ber einen Seite ein fehr großer Theil der fpanifchen Kirche, mit ihrem auf alte Traditionen fich flügenden Haupte Elipantug Erzbifchof von Toledo, und mit Felix von Urgellig, von welchen Legterer, der Hauptträger des Adoptianismus, eine nicht ges wöhnliche Geiftesfchärfe, Bildung und Belefenheit in den Vätern zeigt ; auf ter andern Alcuin, Lehrer und Freund Karls bed Großen, bie afturifchen Bifchöfe Beatus und Etheriug, Der Adoptianismus. Seine Bertreier u. Gegner. Sein Urfprung. 307 Yaulinus von Aquilefa und Agobard von Lyon mit all den Männern aus ber beutfchen, fränfifchen, itakenifchen und brittifchen Kirche, welche auf den Concilien zu Regensburg 792, Sranffurt, Rom 799 und Aachen 800 mit biefer Sache fi beichäftigten. Allerdings findet eine Aehnlichfeit des Adoptia⸗ nismus mit früheren Ericheinungen, befonders bem biftorifchen Neftorianismus Statt. Es iſt auch gewiß nicht bebeutungslog für die Neubelebung ber Gebanfen ber antischenifchen Schule, dag im Dreifapitelftreit und befonders auf dem Concil v. 5%. 553 bie Kirche ſich fo angelegentlich nicht blog mit Neftorius fondern and mit Theodor von Mopsveftia befchäftigte. In⸗ dem bie Verfolgungsſucht fich nicht ſcheute, auch in bie Afche jener im Frieden mit der Kirche entichlafenen Männer und ihre Werfe den Bannftrahl zu werfen, geſchah es auch bier, daß gerabe jegt erſt auch Funken ihres Geifted weit umber ver fireut wurden und ba und bort zlinbeten, am meiften in Ge genden bie vor dem Arm bes byzantinischen Hofes ficherer waren, wie Nordafrifa und Spanien. Aber deßhalb barf doch ber Adoptianismus Teineswegs für einen bloßen Nachzügler gelten, ber ſich in einem ber gefchichtlihen Strömung entlegenen Winkel verfpätet hätte, fei es ald ein unüberwundbener Reft des alten Reftorianismus, fei ed als eine aus Unkunde mit den frühen Borgängen bier entftandene alte Härefe. Wir wiflen genug von ber alten fpanifchen Kirche, um zu erfennen, daß fie fein abenbläns diſches Seitenftüd der chalbäifchen Chriſten darſtellt, fonbern in lebendigem Berlehr mit dem übrigen Abenblande und Nord⸗ afrifa ftand, auch bei aller Eigenthümlühfeit und Selbftändigfeit mit ber römifchen Kirche eine fortgehende Kirchengemeinſchaft pflog, und in ihren zahlreichen Goneilien, beſonders ben ins letanifchen, auch eine theologifche und dogmatiſche Lebendigkeit bewies, wodurch fie ſich im fiebenten und achten Jahrhunderte vortheilhaft auszeichnete und unter vielen Außern und innern Kämpfen eine Art von nationalem, landeskirchlichem Charalter, vornemlich unter Leitung ber toletanifchen Erzbifchöfe zu ges winnen wußte. Die Hauptfache aber ift, der Adoptianismus trägt bei aller Gleichheit ber Geiftesrichtung mit bem Neſto⸗ 20 * 308 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 8. rianismus doch einen eigenthlimlichen Charafter, vermöge beffen er in das Problem juft wie es sec. 8 nicht aber zur Zeit bee Neſtorius lag, einzugreifen fuchte. Gelingt es diß zu zeigen, fo fteht ſchon auch feit, daß er Feine bloße Spitfindigfeit war. Der Adoptianismus darf auch nicht blos aus dem Gegen: fage gegen Reſte des Arianismus und Sabellianismug, oder aus dem Kampfe gegen Bonofianer einerfeits und Migetiug andererſeits erflärt werden. ) Es iſt wahr, auch die an- tiochenifhe Schule fuchte einen Stützpunkt wider arianifche Schrifterflärung darin, daß fie beflimmter zwifchen der "gött- lichen und der menfchlihen Seite unterſchied und bie niedri⸗ geren Prädikate auf bie Iehtere bezog, um fie vom Sohne Gottes abzuhalten. Aber dazu, das Prädikat vios Yeros auf Ehrifti Menfchheit anzuwenden, war weder dem Arianis⸗ mus, noch einer ebjonitifhen Anficht wie der des Bonofus gegenüber, irgenb ein zwingender Grund vorhanden. Vielmehr muß fie, die Adoptianer dazu ein pofitives Intereſſe der genauen . Bezeichnung ihrer eigenen Anſicht bewogen haben. Allerdings waren bie in Spanien lange dauernde Kämpfe mit dem Arianismus der Weſtgothen eine gewilfe Vorbereitung für biefen neuen Streit. . Noch mehr enthielt die Sefte der Prigeillia- niſten und Sabellianer (zu welch letzteren Migetiug gehörte, den Elipantus um 780 feheint befämpft und befiegt zu haben,) fowie der Monophufitismus, der von Afrifa ber noch Tängere Zeit hindurch auch in Spanien ſich verbreitete, eine Aufforderung, bie wahre Menfchheit Ehrifti vor einer theophanifchen Verflüch⸗ tigung derfelben zu bewahren, fo wie von ber göttlihen Natur die Leidentlichfeit und Veränderlichfeit entfernt zu halten. Im Gegenfag gegen den Monophpfitismus find die Spanier auf dem 11. und 14. toletanifchen Concil Triphyſiten und ftellen fi auch in Gegenfag gegen den Monotheletismus. In biefem letzteren Kampfe gewöhnt fidy die fpanifche Kirche offenbar daram, gegen alle Vermiſchung die Unterfchiede in der Chriftologie her⸗ N Bonofus von Sarvifa um 390 ſah in Ghriflus nur einen aboptirten Menfhen. Migetius lehrte, ver Logos fei in Jeſu Perfon geworben, ver hf. Geift in Paulus, der Bater in David. Hiftorifche Urfachen des Adoptianismus. 309 vorzufehren, wie au fchon am Ende bes 6. Jahrhunderts bie Trinitätslehre in ähnlicher Richtung ausgebildet war, und zwar fo, daß bie toletaniſche Synode bier an bie Spitze ber kirch⸗ lichen Bewegung getreten war. Man kann zu biefen nega= tiven Beranlaffungen des Adoptianismus auch. einige pofitive Momente hinzufügen: . die zahlreichen Reſte der antiochenifchen Schule befonders in Nordafrika, die im Rampfe gegen arianifche Barbarenvölfer und durch bie obenerwähnten Dyotheletifchen nord⸗ afrifanifhen Synoden ſich geftärkt haben werden. Und nicht minder darf man vieleicht annehmen, daß als fich die altchriſt⸗ liche Bevölferung Spaniens mit den arianifirenden germanifchen Stämmen amalgamirt hatte, fih als Refultat eine Bildung er gab, welche auf Schärfe bes Begriffs, wie auf die freie menſch⸗ liche Perfönlichfeit auch theofogifch ein befonberes Gewicht Tegte. Das find Alles Momente, die für bie Entftehung des Adoptianismus in Betracht Tommen. Aber daß biefe negativen und pofitiven Factoren das chriftologifche Refultat hatten, bas im Adoptianismus vorligt, begreift fh doch erft vollitändig, wenn wir ung ber Stufe erinnern, welche das chriftologifche Dogma vor dem Adoptianismus erreicht hatte. Er ift nicht eine Erſcheinung, die ebenfo gut früher hätte kommen können, noch weniger eine bloße Nepriftination bes Neſtorianismus, fondern er fest ſich Das chriftologifche Problem gerade in ber Lage vor: aus, Die wir in ber griedhifchen Kirche Tennen gelernt haben. Jene negativen und pofitiven Faktoren fegen in bie bisherigen, ber fpanifchen Kirche gar nicht fremd gebliebenen chriftologifchen Refultate ein, und indem das Problem, wie es durch Die dyothe⸗ letiſche Synode v. % 680 ſich für das Kirchliche Bewußtſein ftellte, von jenen Faktoren der fpanifchen Kirche bearbeitet wurde, entitand Die adoptianifche Lehre. Sie unterfcheidet fich, fagen wir, von dem Neftorianismus beftimmt. Denn die Adoptianer haben gegen Das Yeoroxos nichts eingewendet, gegen die Zweiheit ber Perfonen nicht erft nad: träglich fondern von Anfang an entſchieden proteftirt; eine An⸗ nahme ber Menfchheit durch den Logos von Anfang an gelehrt, yon einer erft durch Tugend verdienten Erhöhung nicht fo, wie 310 Zweite Pertope. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 3. die Neftorianer und befonderd Theodor von Mopsveftia, fon: dern mehr nur fo gefprochen wie eö auch in ber Kirche gefchehen fonnte, fo lange ber Stanb der Erhöhung noch nicht in den ber Erniedrigung völlig hineingetragen wurde, fondern ein Fortſchritt vom leßteren zum erfteren blieb. a) Der vios Beros ber Antio⸗ chener. ift allerdings auch Adoptivfohn; aber bildet bei ihnen nicht ben Mittelpunkt ihrer Anficht, und ift wenigftens mehr als bei den Aboptianern Refultat eines verbienenden ethifchen Proceſſes. Die Neftorianer, dem Monophyſitismus entgegenftehend, bewegen ſich chriftologifch in dem Gebiet der Naturen, und nur ſecundär ja ungern fommen fie auf die Perfon. Die Adoptianer, welche bie Zweiheit der Naturen, ja der Willen nicht erft zu erfämpfen haben, fondern als Firchlih anerkannt vorausfegen fünnen, be wegen fih auf dem Gebiete der Perſon, deren Einheit bis bahin mehr vorausgefeßt, als beftimmter gedacht war. Und zwar ift, was wohl zu beachten bleibt und mit dem Charalter ber Bölfer zufammenhängen wird, die am aboptianifchen Streit füch betheiligen, bier zum erfienmal beiberfeits unter Perfon Klar bas Ich verftanden, nicht aber bio, wie bei der vmooraoız des Damasceners, noch Überwiegend das tragende Princip der Eris flenz, oder gar das ovußeßnxos, Acridens an der Gattung, dem gemeinfamen Weſen, oder das Dafein der Subſtanz in Eigen thümlichkeit, Die eigenthümliche Eriftenzweife der Subftanz, ein Schwanfen, das, wie wir fahen, fo viel Verwirrung bei ben griechifhen Chriſtologen anrichtete ?). Die Adoptianer nüpfen alfo an bie bisherigen Entfcheis dungen für zwei Naturen und zwei Willen an; aber fie ver langen daß folgerichtig diefe Zweiheit auch in einer Sphäre ihr Recht erhalte, die bisher noch außerhalb des Streited gelegen hatte, in ber ver Perfon, nicht fo, wie gefagt, daß fie auf zwei — — 1a) Vgl. Alcuini opp. ed. Frobenius 1777. c. Felic. L. IV, 5. ©, 828. V, 1. 2. 1,15, vergl. Paulini Ag. L. III, c. Felic. Ven. 1734. Agobard. adv. dogma Felic. ) zumal für bie Trinttät großentheils wieder zurückgenommen werden mußte, was für bie Chriſtologie gefebt war, 3. B. daß bie Oppoflafe nur ein avupeßnnös an der vola fei. Berh. des Adoptian. zu ben Antiochenern u. zum Concil v. 650. 311 Iche in Chriftus hätten fommen wollen, davon find fie entfernter als felbft Theodor von Mopoveſtia, wohl aber jo, daß fie bag Eine und felbige Ich wirklich als ein beiden Naturen gemeinfam eiguendes, als bas beide Naturen zur Schheit Erhebende und ihren Begriff vollendend Abfchliegende benfen wollten. Der Adoptianismus ift alfo nach diefer Seite allerdings die ächte Fortſetzung ber im Dyophyſitismus und Dyotheletismus einge- fohlagenen Richtung der Kirche felbit, nichts zur allgemeinen menfchlichen Natur Chriſti Gehöriges ihm abfprechen zu laſſen. Er will gleihfam die Früchte der bisherigen Entwidlung aud für Die Perfon einärmbdten Die „Einheit ber Perfon“ unb zwar bie unterfchiebslofe Einheit war bisher vorausgefegt; ber Hauptausprud dafür iſt „der Sohn.“ Der Sohn bezeichnet die Perſon, er ift der Ausbrud für die Einheit der Hppoftafe, ja das Rettungsmittel ber Einheit bei jener weit auseinandergehenben Zweiheit. Denn wie unendlich und wejentlich verfchieden auch die Naturen feien, und ben Naturen gemäß bie Willen, bas blieb die Bertröflung: der Sohn ift Einer, der die zwei Naturen an fich hat, er ift der Gottes: und ber Menſchenſohn. In der Borftellung nun, hiemit die Einheit geborgen zu haben, flört freilich der Adoptianismus in einer fehr unfanften Weife: zus glei) aber macht er fo tiefen Eindrud, daß von. biefem Streite an eine rüdläufige chriftologifche Bewegung ſich batirt, bie der Sache nach den Dyophyſitismus und ben Dyotheletismug immer mehr yaralyfir. Mit der Selbſtloſigkeit der menſch⸗ lichen Natur fleigt Cyrill wieder am Horizont der Kirche auf, und die damals nur mit Mühe abgewandte Anfiht, daß bie Menſchwerdung das Wunder fei, wodurch an bie Stelle ber menfchlihen Subftanz bie göttliche gefegt ward, und nur das Accidens der erfteren übrig blieb, brach fich jetzt wenigſtens in der Auffaſſung des heil. Abendmahles Bahn, zum Surrogate dafür, daß bie alten chriftolog. Canones nicht mehr freie Hand ließen. Sp bilbet der Adoptianismus einen Scheidepunft für bie Chriftologie. Die Richtung auf die Zweiheit und ihre folgerechte Entfaltung, bie bisher nach allen ſchweren Kämpfen immer wieder burchgebrungen war, fommt in ben Aboptianern auf ihre 312 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 3. Spike, aber zugleich auch durch ihre fiegenden Gegner zu ihrem Wendepunft. Und bie erfie That der beutfhen Eoncilien über bie Chriftologie ift wie unvollfommen und unbeholfen man fie auch finden mag, die Einlenfung aus der bisherigen Bahn in eine entgegengefegte, beren confequentes Enbe ber Rüdgang binter das chalcebonenfifche Concil war. Daß in Chriftus ber wahrbaftige Sohn Gottes aus des Vaters Wefen geboren war, der in ihm die Menfchheit annahm, barüber ift feine Differenz. 9) Aber Felix geht davon aus, wenn in Chriftus wirklich zwei Naturen mit ben zwei Willen verbunden feien, fo daß Ehriftus ein Doppelwefen, ge- minae substantiae gigas fei, fo fönne unmöglich dieſe Einheit ber Perfon wieder fo behandelt werben, daß ber Unterſchied ber Naturen in ihr vergeflen, eigentlich alſo Chriftus doch wieder nur eine Natur fei und nicht zwei; gleichwohl gefchähe bag, wenn man nicht etwa blos fein göttliches Wefen, fondern wenn man Chriftus im eigentlichen Sinn (proprie) Sohn Gottes, oder den eigenen (proprium) und natürlichen (naturalem) Sohn Gottes nenne d. h. das Ich doch wieder nur für Die göttliche Natur beanfpruche, nicht aber wirklich auch die menfchliche Natur baburch gefrönt denfe. Diefe müffe ebenfogut wie bie göttliche Natur nicht blos eine Sache, fondern Sohn fein, nemlich des Menſchen Sohn, wie die göttliche Natur duxch pafjelbe Ich Gottes Sohn, bürfe nicht Durch letztere abforbirt werden. Dagegen zwar hatte Felix nicht das Mindeſte einzuwenden, daß um ber Einheit mit dem Sohne Gottes in der Perfon willen aud ber Menfch Zefus den Namen Sohn Gottes erhalte; er ift nancu- pative deus, und bie Lehre von ber Uebertragung ber Namen von ber einen Natur auf die andere, wie wir fie in der griechi⸗ fhen Kirche fanden, macht ihm nicht das geringfte Bedenken, ja er fucht durch feine Theorie fie näher zu begründen. Aber bas Bewußtfein will er fich nicht verbunfeln laſſen, daß des Menfchen Sopn anberer Natur fei als Gottes Sohn, nemlich ein Treatürs 5) Lib. m: 5. dei Filius ex deo sabstantialiter natus essentialiter habuit omnem potestatem cum patre et spiritu sancto. Felix feßt hinzu: haec potestas data est fllio virginis. Lehre des Felix von Urgellis. 313 liches Wefen, von anderer Subftanz als die Gottheit, daher der Sohn Davids unmöglich natürlicher Sohn Gottes heißen könne, fondern der eigentliche und natürliche Sohn Gottes fei nur bie zweite Perſon der Zrinität; wer das läugnen wolle, ber müfle auch fagen, daß der Vater aus fich ſelbſt die Menfchheit Chrifti, wie den ewigen Sohn Gottes gezeugt babe. *) Chriſtus iſt Sohn Gottes nah der Schrift und Sohn Davids; da nun aber Einer nur Eines Vaters von Natur fein fann, wie fol ber, welcher Sohn Davids ift, auch im eigentlihen Sinne natürliher Sohn Gottes fein kömen?*) Wolle man bie Eins beit der Perfon foweit durchführen, daß Chriftus nicht blos nach feiner göttlichen Natur, fondern auch nach feiner menfchlichen im eigentlichen Sinne Sohn Gottes fei, fo vermifche man Gott und den Menfchen, Iaffe feinen Unterfchied mehr zwifchen dem Schöpfer und der Kreatur, zwiſchen Wort und Fleiſch, zwifchen dem Ans nehmenben und Angenommenen. 9) Man Iöfe damit, daß man ihn auch nad) feiner Menſchheit eigentlich und wahrhaftig Gott md Gottes Sohn nenne, feine fo tröftliche Aechnlichfeit mit den Gläubigen auf. Wie können wir Glieder Gotted oder Chrifti nach feiner Gntiheit werden? Seine Gottheit hat feine Glieder fondern nur ihren Tempel an der Menfchheit. Die Menfchen werden durch die Verſöhnung Kinder Gottes, Adoptivföhne, aber bie aboptiven Glieder müſſen auch ein aboptives Haupt haben (L. 1, 4. 14). In der Glorie feiner Gottheit, vermöge deren er in Allem bem Bater ähnlich und aller Kreatur unähnlich 9 Lib. III, cap. 7. nullo modo credendum est, ut omnipotens deus pater, qui spiritus est, de semet ipso carnem generet. °, Lib. IM, cap. 1, und lib. I, 12. Christum duos habere patres deum omnipotentem et David regem, et non posse proprium filium duos habere patres. ®) Lib. III, 17. ita in singularitatem personae confunditis (geminas in Christo naturas) ut inter deum et hominem, inter carnem et verbum, inter creatorem et creaturam, inter suscipientem et susceptum nullam esse differentiam adstruatis. Lib. II, cap. 12. Quodsi idem redem- tor noster in carne sua, — adoptivus apud patrem non est, sed verus et proprius filius, quid superest, nisi ut eadem caro ejus non de massa generis humani, neque de carne Matris sit creata et facta, sed de substantia patris, sicut et divinitatis ejus generata? 314 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 8. ift, kann er ja nicht ung in Allem gleich fein ausgenommen bie Sünde (excepta lege peccati), fondern allein in der Menfch- heit ift er uns in Allem gleich geworben, nämlich in ber Natur, während was feine Glorie betrifft fein ihm Aehnlicher oder Gleicher exiſtirt. Was farm denn Vorzüglicheres, Ehrenvolleres und Heiligeres von Gott ber menfchlihen Natur zuertheilt wer⸗ den, als jene Gabe, durch welche nach dem Fall die Kreatur als eine von Gott verfühnte erfannt wird? Höher Tann, meint er, die menfchlihe Natur nicht fteigen, als daß fie zu einer in bie Gottesfohnfchaft aufgenommenen (aboptiven) wird, was bars über hinausgehe, wäre Verwandlung des Wefens , mithin Auf: hebung bes Linterfchieves der Naturen felbf. Aber wie bie Natur der Sache, fo ſpreche auch die Schrift für dieſe Lehre: fie nenne Gott Chriſti Haupt 1. Cor. 11, 3, rede von feiner Salbung, fage dag Gott in Chriſto, nicht aber, daß biefer Menfc Gott war, bezeichne ihn als den Kürfprecher und Mittler, was er nur fein fönne, wenn er Menfch fei. Chriſtus ſelbſt füge: Niemand ift gut, denn ber einige Gott, weil nur Gott weientlih und von Natur gut feis er befenne, ben Tag bed Gerichtes nicht zu wiffen; bie Evangeliften reben von feinem Wahsthum an Alter, Weisheit und Gnade, Paulus Iehre, baß er ben Leib ber Sünde angenommen und bie Knechtsge⸗ flat. ) Man möge doch nicht in biefen niebrigeren Ausſagen über Chriftus die Liebe und das Mitleid verfennen, bas ihn zur Annahme der Menfchheit bewog. In den Knechtszuſtand fam er um unfertwillen. 2) Wenn doch Ehriftus von Natur 7) ib. II, 13. 14; lib. II, 3; lib. IV, 9 ff; Mib. V, 8. 4. 7. 8-10; lib. VI, 1—3. 7.9. In 305. I, 14 bezog er die xagıs auf bie Menfchheit, die aAyIsıa auf die Gottheit VIL 6. Sonder⸗ bar ift, daß er lib. II, 19 die zwei Genealogien bei Matth. und Luc. fo unterfcheivet, daß die erftere in ver auch Heidinnen fich finden, feine Abſtammung nah dem Fleiſch, die des Lucas, in ber Prieſter fiehen, feine Abſtam mung nach dem Geifte ausprüde. Die Adoption der caro feheint ihn hiernach in eine Linie mit den heiligen Männern und Propheten zu ſtellen, und ihm in Bezug auf Adoption nur eine grabuell höhere Würde zuzufchreiben. 9) VI, 1-8, JIU, 3. Er wurde servus conditionalis burch feine Ge⸗ nn Felix. 315 wahrer Menſch ift und in Allem Gott unterthan, auf welche Autorität Kin will man biefen Menſchen des Herm (home dominicus) yon Mutterleibe an ben empfangenen und gebornen wahren Gott nennen? (IV, 12). If der vom Sohne Gottes angenommene Menf von ber Empfängnig und Geburt an wahrer und geborner Bott, wie konnte ber Herr die altteftament- liche Weiffagung vom Knecht Jehovas auf fi anwenden, wor⸗ nad der Knecht von Gott aus dem Leibe ber Mutter gebilvet warb (Jeſ. 49, 5)? In der Knechtögeftalt kann er doch nicht wahrer Gottesfohn fein (VII, 2. 14). Dieſen Menſchen aber hat der Sohn Gettes von ber Em: fängnig an in der Einheit feiner Perfon mit fich aufs innigfte vereint, fo daß des Menfchen Sohn zu Gottes Sohn ward, nicht in Verwandlung ber menfchlichen Natur, fondern durch Gnade (dignatione) und daß ähnlich zum Menfchenfohn der Sohn Gottes warb, nicht durch Verwandlung ber Subflanz, fondern fo, daß jener in Gottes Sohn ein wahrer Sohn war. 9) burt von: der Jungfrau. Quid potuit ex ancilla nasci, nisi servus ? Er war servus dei, Gottes Geſetz unterworfen (VI, 4), weil alles Kreatürliche freiwillig ober gezwungen Gott dienen muß. In diefem Gehorfam war er zwar frei, denn er war auch filius adop- tivas; aber doch Heiße er nicht blos Knecht, weil er gehorche, ſon⸗ dern weil er zu geborchen babe; er fei per naturam servus Patris et filius aneillae ejus, non solum per obedientiam. Das iſt ver Sinn des servitium conditionale. 9% L.V,1: Qui illum sibi ex utero matris scilicet ab ipso conceptu in sin- gularitate suae personae ita univit atque consernit, ut Dei filius esset hominis Alius, non mutabilitate naturae, sed dignatione, simi- Hter et hominis fllius esset Dei fllius, non versibilitate substantiae sed in Dei filio esset verus filius. — 2: credimus verum et pro- prium Dei filium, ac verum Deum, qui secundum formam Dei bis ge-. nitus est ; primo videlicet de Patre sine carne absque matre; secundo vero ex matre cam carne sine patre, Illum verum Deum ex utroque pa- rente ineffabilliter genitum credimus, cui Pater per David loquitur: ex utero ante Luciferum ’genui te. 8: et-ex Deo Deus et homo ex homine in singularitate personae unus atque idem sit Christus Dei, sicut quicumque homo ex anima de nihilo creata et carne ex utroque parente formata unus est utrisque parentibus, patris sui videlioet et matris Alius. Alfo in dem Gottesfohn war des Menfhen Sohn ein 316 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfıhnitt I. Kap. 8. Nun Fann der Denfchenfohn auch nuncupative „Bott“ heißen; benn wenn nad) dem Wort des Herrn (Job. 10, 35) die Schrift biejenigen Götter nennt, zu welchen das Wort Gottes gefchah, . obwohl fie nicht von Natur Gott, fondern durch Gottes Gnade von ihm welcher der wahre Gott ift beifieirt und Götter unter ihm genannt find, fo nimmt in berjelben Weife Gottes Sohn, unfer Herr und Erlöfer, nach feiner Menſchheit, wie dem Weſen fo dem Namen nad), obwohl herrlich und auserwählt vor Allen, wirflicher Sohn, genauer: in der singularitas der persona, nicht aber in ber natura Alii dei; und doch war es Ein Chriflus, weil die singularitas personae filii Dei — fein Ich ohne die Natur — auch Ich des Menfchenfohnes war, (dei flius — bominis Allius esset) wodurch diefer in Dei fllio verus filius wurde, nicht blog eine angenommene Natur blieb. (Bgl. oben ©. 90 Leporius). Das Intereffe des Adoptianismus ift gar nicht blos Gott und ben Denfchen auseinander zu halten ; denn dieſes Intereſſe wirft bei ihm nur zur Auseinanderhaltung der Raturen, was ja auch bie Kirchenlehre fagen zu wollen frhien, wenn fie ver Einheit Feine Stätte in den Naturen und was dazu gehört fondern in ber vnooracıs allein laffen wollte. Der Adoptianismus will freilich weder daß die Natur des Gotte sſohns die Menfchheit angenommen babe, noch will er der menfch lihen Natur etwas von der götts lichen wirflih zu eigen, zum gleihfam natürlichen Befitz wer: ben laſſen. Aber viefes Auseinanverhalten ver Raturen bat im Adoptianismus anders angefehen feinen Grund darin, daß er die Menfchheit Chriſti vollftändig denken will, ohne welches ja aud die Menſchwerdung nicht vollftändig fein Tann. Dem Aufferein: anderfein ver Naturen aber gibt er ein Gegengewicht, indem er das Ich des Sottesfohnes auch eigenes Ich des Menfcheniohnes fein läßt, fo daß er glauben fann , durch Ein und Daffelbe die Bolftändigkeit ver Menfchheit Eprifti und ihre Einpeit mit dem Gottesſohn im innerften Seinspunft gewonnen zu haben, während er aufferdem für die menfhlide Natur noch ven fie mit ver göttlichen verähnlichenden Proceß der Adoption übrig hat. Seine Gegner haben das nicht gefühlt, daß fie in Betreff ver Perfon hinter der Unionslehre des Adoptianismus zurädbleiben (f. u. Anmerk. 23). Sie fuhen nur den Gottesfohn mit der menſch⸗ lihen Natur zufammenzubringen, und gehen, wie Niebner ©. 426 richtig gefehen, zur eyrillifchen Lehrweife in der Haupt⸗ face zurüd. — Bergl. Paulin. 1. c. I, 12. I, 25. II, 4. Felix. Verhältniß der Assumtio zur Adoptio. 317 aufs Wahrhaftigfte mit ihnen eine gemeinfame Stellung ein auch in allem Uebrigen, in der Borherbeftimmung, Erwählung, Gnade und Aufnahme, in ber Annahme des Namens eines Knechtes u. f. f., damit Derfelbe, welcher weientlih mit Vater und heil. Geift in ber Einheit ber Gottheit wahrhaftiger Gott if, in ber Form der Menfchheit mit feinen Erwählten durch bie Gnade der Adoption beifieirt und mit dem Namen Gottes aus⸗ geftattet würbe. 10) Felix laßt bie ganze Majeftät (d. b. Ehre) Gottes um der Affumtion willen auch auf den Menfchenfohn übergehen. Es fragt fih nun, ob bie Adoption ihm Daffelbe ift, wie bie Affumtion oder- ob fie auf biefelbe vielleicht erſt fpäter und nicht unmittelbar folge? und biefes hängt mit einer zweiten Frage zufammen, wie denn biefer adoptive Sohn mit dem Sohn Gottes doch Eine Perfon, wie immer wiederholt wird, fein könne? Was das Erfte betrifft, fo waren Manche ſchon verfucht, zu fagen, die Adoption fei nichts Anderes, als die Affumtion. So fei das Wort adoptio auch bei älteren Vätern und vielleicht in der Mozarabifchen Liturgie gebraudt. Da würde das Ganze zum Wortfreit. Allein einmal pflegen die Adoptianer nicht von einer angenommenen menjchlicen Natur, fondern von einem angenommenen Menfchen zu reden; ferner nehmen fie Adoption in dem Sinn, wie bei den Chriften, welche Durch fie Kinder Gottes werden. Sodann aber unterfcheidet Felix bei Chriſtus ſelbſt nach feiner Mienfchheit eine fleifchliche und eine geiſt—⸗ liche Geburt, die leßtere gefchehe dur Adoption, Die erftere, bie dem zweiten Adam, wie ung zufommen müſſe, babe er durch die Geburt von der Jungfrau. Die Affumtion des aus Maria 0) c. Felic. IV, 2. vgl. Epist. Episcoporum Hispaniae ad Episcopos Galliae : Credimus deum dei fllium sine initio ex patre genitum non adoptione sed genere, neque gratia sed natura; dagegen hominem Christum non genere fllium sed adoptione, neque natura sed gratia; — unigenitum ex patre sine adoptione, primogenitum vero verum hominem assumendo in carnis adoptione etc. Idem qui essentialiter cum Patre et Spiritu S. in unitate deitatis verus est deus, ipse in forma humanitatis cum electis suis ‘per adoptionis gratiam deiflcatus flebat et nuncupative deus. 318 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt II. Kap. 8. geborenen Kleifches finde flatt von der Empfängmß an, aber durch fie habe Ehriftus den Leib der Sünde angenommen, ben ber Prophet Sacharia ald ein ſchmutziges Gewand bezeichne. !!) Es wäre zwar zu viel behauptet, wenn man ihn durch biefe natürliche Geburt in unferem Fleiſche eine wirkliche Sündhaftigkeit auf Ehriftum übertragen ließe; denn dagegen fpricht ſich Felir ent fchieden aus: 12) es ift mehr eine Außerliche Unreinigfeit, Sterb- lichkeit u. |. w., an die wir dabei werben zu benfen haben. Aber allerdings war feine Meinung nicht, daß Chriftus Die Natur Adams vor dem Fall angenommen babe, was 3. B. Marimnug, Anaftafius wohlbedacht gefett hatten, um nicht aus der noth- wendig nach ihrem Wefen wollenden und thätigen menfchlichen Natur Chriſti einen Widerſtreit mit dem göttlichen Willen ber sorbrechen zu laffen, fondern die Menſchheit, wie fie burch bie Sünde geworden war. Diefe Natur nun war alfo für ſich nur auf gleicher Stufe mit dem erften pfpchifchen Adam und zwar, was ben Leib angeht, mit Adams Befchaffenbeit nach dem Fall, wenn ſchon feine Seele aus Nichts gefchaffen und vom Some Gottes angenommen war. 13) Diefe Annahme verband beide aufs Innigſte in der Einheit der Perfon (des Ich, singu- laritate personae). Aber gleihwohl war für ihn noch eine zweite Geburt nöthig, bamit auch feine Mienfchheit zum Sohne Gottes würde. Diefe zweite geiftliche Geburt nun ift die Adop⸗ tion, welche er von feiner Auferftehung an aus der Bfuttaufe bes Todes befeffen hat. 19% Wollte man diefe zweite geiftliche 1h) Lib. U, 13, 16; VII, 8: vestimentum ex transgressione de carne peccati sordidum, quam induere dignatus est. 2) Lib. I, 15 f. o. . M Lib. V, 1—3. 14) Lib. II, 16. Qui est secundus Adam, accepit has geminas genera- tiones (wie bie Chriften): primam videlicet, quae secundum carnem est, secundam vero spiritalem, quae per adoptionem fit, idem re- demtor noster secundum hominem complexus in semet ipso continet: primam videlicet, quam suscepit ex virgine nascendo ; secundam vero, quam initisvit in lavacro a mortuis resurgendo. Bielfeisht der Sinn: die zweite Geburt hatte er von ber Auferfiehfung an, nachdem fie in der Zaufe begonnen. Verhältniß ber Assumtio zur Adoptio. 319 Geburt, welche durch Adoption gefchieht, ihm abſprechen, fo bliebe nur bie erfle, fleifchliche übrig, ja fo müßte man noth⸗ wendig vorher auch dieſe erfte, fleifchliche aufheben, weil durch fie die geiftlihe nöthig ward, Hienach hat Felix die Adoption Chriſti wenigſtens vollkändig erft von dem Stande der Erhöhung an datirt, und daher auch die Worte bei ber Taufe und Ber Härung : „bu bift mein lieber Sohn,“ nur auf die göttliche Natur beziehen wollen. °°) Wenn nun aber Chriftus vor feiner Ers höhung noch nicht aboptiver Sopn, ausgeftattet mit der Fülle der göttlichen Gaben und ber göttlichen Majeftät war, fonbern blos Menfchenfohn, obwohl mit dem Sohn Gottes in Einheit der Perſon ftehender, fo war für eine menfchliche Entwicklung, fo wie für Unvollfommenheit feines Wiffens Raum, ohne daß man bephalb auch den antiochenifchen Sag ihm zugufchreiben berechtigt wäre, ber Menfchenfohn babe durch feine Tugend und Forts fhritte feine Erhöhung verdient; vielmehr fcheint er mit feinen Gegnern der Auguftinifchen Anjicht von ber Gnade näher ges fanden zu haben. 6) Wenn biefes das Verhältniß zwifchen der Aflumtion und ber Aboption ift, fo ift offenbar das weſentliche Intereſſe bee Adoptianismus darauf gerichtet, Chriſti Menfchheit nicht aus ber freatürlichen Sphäre- berausrüden zu laflen, ſondern fie im Ans fang als gefchaffen aus Nichte, was die Seele, geboren aus Maria, was den Leib betrifft, ung wefentlich gleich, nach ber Auferftehung aber fie als neue Schöpfung unter dem neuen Nas men ber Adoption anzufehen, von wo an dann aud bie beiden Naturen denen ein und baffelbe Ich eignet, fi) noch näher treten. — — 15) Lib. I, 15. 1, 20. Der Taufe Chriſti ſcheint er keine beſondere Bedeutung für die Adoption gegeben zu haben, vielmehr vorge⸗ zogen, an die alte Lehre von der Auferſtehung als einer neuen Geburt ſo anzuknüpfen, daß er, ſtatt als die dritte Geburt des Sohnes Gottes, fie als die zweite nach feiner menſchlichen Seite anfah. Anders faßt ihn Paulinus I, 44 auf, aber nicht ohne Willkür. ®) Lib, VII, 9. Quae flle de humanitate Filii Dei, in qua natus homo, per adoptionis gratiam meruit esse quod est, et accipero quod habet. 320 : Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfchnitt I. Kap. 8. Daß biebei, foweit e8 die beiden Naturen angeht, jeder De: griff der Menſchwerdung des Sohnes Gottes ausgefchloffen ift und bleibt, der jene Schranfe zwifchen Gott und der Kreatur überfchritte, ift Harz; aber mußte der Adoptianismus nicht felbft die Annahme ber Menfchheit durch den Sohn Gottes auf: heben, und bie oixeiwors zwiſchen beiden Naturen abſchwächen? Der Menfchenfohn, wie er ihn befchreibt, ift ein Ganzes, eine Perſon für fih, wie es ſcheint; welche Bedeutung bleibt ba noch ſelbſt der Affumtion? Und wie fann bei folder ewigen Doppel fohnfchaft in Ehriftus die Einheit der Perfon beitehen? Diefes ift Die zweite Hauptfrage. Die Gegner des Felir (auch Paulinus I, 48. II, 8) be fennen felbft, daß er zwei Perfonen, Söhne in Chriftus nicht wolle. Auch nicht in der Art will Felix ben Menfchenfohn Gott und aboptiven Gottesfohn nennen, daß er zwei Götter, wenn auch in verfchiebenem Sinne, in Jeſu zugäbe (Alc. V, 1) Die Gegner werfen ihn nur vor, daß er folgerichtig zur Zweiheit ber Perfonen fommen müßte. Allein ber Adoptianismus meint, mit gleichem Recht oder Unrecht wäre Das auch von ber ortho⸗ doxen Lehre zu fagen, wenn bie Zweiheit mefensverfchiedener Naturen folgerichtig durchgeführt werde: und Selir hat vielmehr die Einheit der Perfon auf dem burch die bisherige Firchliche Entwicklung vorgezeichneten Wege feftzuhalten geſucht. Er läßt dag Chriftum begründende Prinzip in der Art das Ich biefer Gefammtperfon fein, daß der Menfchenfohn das Ich, das freilich zu feinem Begriffe gehört, habe in dem Gottesfohn (f. o. Anm. 9). In gewiffer Art hatte Johannes von Damasfus Ähnlich ge- lehrt (evvzooraoie). Jedoch Schloß deſſen Lehre auch die Any: poftafie der menfchlichen Natur in fih, was bie Adoptianer nicht wollen; bie Enypoſtaſſe aber hatte er mehr in dem Sinn ge nommen, baß das Ich des Logos Das tragende Realprinzip der Menfchheit fei als in dem, daß es der Menfchheit wirflih eigen werde und fie zur Bollftändigfeit der Dienfchheit ganz fo bringe, ale wäre ed ihrer Natur urfprünglich zugehörig. Daher mit biefem göttlichen Ich der Damascener fowohl als die Kirche bie göttliche Natur fo verbanden, daß fie doch wieder allein felb- Berh. der Doppelfohnfch. zur Einh. der Perfon. Die fpan. Biſchöfe. 321 fländig und hegemonifch ift, und die menfchliche Natur nur zum Durchgangspunkt des göttlichen Willens, fa zu der Selbfilofig- feit vebuzirt wirb, wie fie dem Leibe zufommt. Dagegen haben bie Adoptianer bie göttliche Natur von dem göttlichen Ich in fofern beftimmt unterſchieden, als fie nur das Letitere der Menfch- beit, die dadurch Menfchenfohn wird, zu Theil werben Tießen; fie haben, fefthaltend an der Zweiheit in dem Einen Chriflus, ihn ale das Doppelwefen gebacht, welches nur durch bie Eins heit Des Ichpunktes zufammengehalten fei, fo daß die Wahrheit und Selbftändigfeit beider Seiten in dieſem zweifältigen Chriftus gewahrt bleibe. !) ine und dieſelbe Perfon hat durch ihre Be: zogenheit auf die verfchiedenen Naturen eine doppelte Sohnfchaft : Som aber iſt fie in beiden, fei es erft von ber Auferitehung fei es fchon von Anfang an, fofern ſchon durch die assumtio der Gnadenakt geſchah, durch welchen der Menſch das gött—⸗ liche Ich — ohne die göttliche Natur — zum eigenen Ich erhielt. Dahin ſind die Adoptianer im Intereſſe für die menſchliche Per⸗ ſönlichkeit gekommen. Sie halten daran feſt, daß auch die menſch⸗ liche Natur perſönlich ſei, wenn gleich durch das göttliche Ich das ſich ſelbſt gleichſam wirklich leihet an den Menſchenſohn durch den Aft der Annahme, und bie Menſchheit empfängt dieſes Ich zu ihrem Eigenthum. Nach ihrien verlor alfo die menfchliche Natur gar nichts von ihrer VBollftändigfeit und ihrem Eigenthum, denn das göttliche Ich, abftrahirt von der göttlichen Natur, gibt nur ganz baffelbe, mas das menfchliche ch geweſen wäre. Uebri⸗ gens war natürlich auch ihnen Chrifti menfchlihe Natur vor ber assumtio noch fein Menſch, fondern erhielt erft in und mit ihr ihre Hypoſtaſe. Achnlih wie Felix, der dialektiſch gewandte Bertreter ber Partei, lehrten auch bie Bifchöfe Spaniens. In ihrem Schreiben an Karl den Großen !®) befennen fie aufs 7) Paul. I. 82: Mendax spiritus conatur astruere, quia per incarna- tionis dispensationem et unigeniti proprietas in dualitate nominis sit geminata, in proprii scilicet et adoptivi, et unio individuae Dei- tatis in plurali sit numero, dgl. I, 55. iq Alcuin. opp. II, 567 ff. cap. X: in uno eodemque Dei et hominis filio in una persona duabus quogue naturis esse plenis et perfectis Dorner, Chriſtologle. IE 2te Aufl. 21 322 3Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 8. Beftimmtefle die Einheit der Perfon, aber meinen auch in reli⸗ giöſem Intereſſe die Adoption fefthalten zu müflen, bie fie früher . eintreten lafien, ohne aber über die Art ihrer Vermittelung und ihr Verhältniß zur assumtio ſich näher auszufprechen, fo wenig ald Elipantus in den Fragmenten, bie wir von ihm haben. Der Lestere fchreibt dunkler als Felix, fcheint aber ein tieferer Geift gewefen zu fein. Bei ihm finden ſich noch zwei been, bie für eine höhere Form des Adoptianismus hätten verwandt werben können, nemlich um ben Menfchenfohn mit bem Gottesfohn zu einer innigeren Einheit zufammenzufchließen. Einmal nemlich nennt er ben breieinigen Gott unius glomeratio raritatis, unius ambitus dileclionis coaeterna substantia. Gott it ihm Einer trotz der drei Perfonen, weil .Eine fubflantielfe Liebe fie zur Einheit Einer Liehesumfaffung vereinigt. In der Liebe ift gleichfam die höhere, als ein Sein, nicht blos als actus (die Ablative fkatt der Accuf. find fpanifches Latein) dei et hominis domini et servi visibilis atque invisibilis, tribus quoque substantiis, verbi scilicet animae et carnis, ut credatur in una eademque dei et hominis persons et homo deiflcus (-ficatus) et humanatus deus. — Talis enim erat illa susceptio, quae et deum hominem faceret et ho- “ minem deum (cap. XI). Er war ald Menfch servus, aber als Alius Dei fet er dominus servi, alfo Herr feiner ſelbſt, was ſich nicht widerfpreche: adoptivus fei ja adfiliatus (cap. 12). Eine Erniedrigung Lege hierin nicht, fonvern nur eine Berablaffung, weil die Bes freiung de dominatu antiqui hostis justitia potius, quam potestate babe gefchehen follen. Diefer ethifche Weg der Berföhnung werde aufgehoben, wenn man, wie Beatus und Etherius wolle, ihm die ung gleiche Menfchheit abfpreihe (S. 568). Die Knecht⸗ fhaft fol Epriftus nicht, wie die Gegner meinen, in dem Sinne äugelchrieben werben, als wäre er ungetreu unter dem Geſetz ale einem äußeren Zwange geweien. Bielmehr gelten ihnen bie Prä⸗ difate des sorvus und adoptivus für vollkommen vereinbar, und zur eadoptio wird die Luft und Freiheit zum Gehorfam im Gegenfage gegen bie Knechtſchaft des Geſetzes gerechnet. Der Geift der Adop⸗ tion gebe die forma bene agendi, verleihe ut possit agi, quod docuit (cap. XIV). Hieraus erhellt, daß fie, hierin von Felix verfchies ben, die adoptio nicht erfi von der Auferfiefung an datiren fonn« ten. — Bei Elipantus findet fih noch nichts von der Formel nuncupativus deus, fondern erft bei Felix. Ber. zur Einheit der Perfon. Elipantus von Toledo. 8323 gebachte Einheit oder Perfünlichfeit, welche bie drei Unterfchiebe ber Perfonen wieder zufammenfchließt. Wenn dieſer Trinitäts: begriff auch für die Einheit des Gottes⸗ und bes Menſchenſohnes vorbildlich werden konnte, fo kommt auch von Seiten der Menſch⸗ beit Chriſti ber demfelben Ziel die Lehre entgegen, daß ber Menfchenfohn nicht bios ein befchränftes einzelnes Individuum, fondern von univerfaler Bedeutung war. Denn die Gottähnlich⸗ feit, die er dadurch bat, eignet ihn wieder um fo mehr zu ber Einigung mit dem Logos in der Identität ber Perfon Mit ihm, fagt er, ber nach feiner Menfchheit aboptirt ift, find auch wir aboptirt, mit ihm, dem Gefalbten (Chriſtus) find auch wir gefalbt. Ehriftus wäre, wenn er auch nach feiner Menſchheit eigentlicher und natürlicher Sohn Gottes heißen könnte, zu einer . Hoheit entrüdt, bie er nicht will, die Die Menfchwerbung aufs - böbe, bei ber er auch nicht mehr Urbilb und Prinzip unferer Herrlichkeit bleiben Tönnte, da ung nicht verheißen ift, daß wir nad) der Auferftehung feiner Gottheit, fonbern Daß wir ihm als Menfchenfohn ähnlich fein werben. ') Auf Seiten der Gegner dagegen ift ein entgegengefeßtes religiöfes Motiv, fie fürchten für Chrifti Einzigfeit, wenn er nicht auch nad feiner Menſchheit eigentlicher Sohn Gottes fei, fie wollen auch die erlösten Ehriften ihm fo nahe nicht rüden laſſen. 20) Gleichwohl haben die Aboptianer an der Wefensverfchieden beit der zwei Naturen noch feftgehalten und bie fuhftantielle Auf⸗ fafjung ber Liebe ale des beide Naturen zu Einer Perfönlichkeit zufammenfchließenden Bandes, ſoviel wir wiflen, nicht weiter vers folgt. Da fie nun, wie gezeigt, zwar Eine Perfon für bie dop⸗ pelte Sohnfchaft fegen, aber mit dem noch nach dem Damas⸗ 19 Alcuini Opp. Il, 586 ff. 2°) Das Eoncil zu Sranffurt 794 vertritt dag Intereffe der Macht und Herrlichkeit, die Adoptianer das AIntereffe der ethifhen That der Herablaffung Chriſti. Die adoptio des Menſchenſohnes (felbft wenn fie durch ven Gottesfohn gefchieht) fieht das Concil als eine injuria an. Die Verweigerung ber persona für den Menfchenfohn erfcheint ihm als ein Recht des Bottesfohnes, ohne ein Unrecht gegen die Menfchheit Chriſti zu fein. 21 * 394 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 8. cener zuläßigen Sat Ernft machten: Es ſei das Subjeft des Sohnes Gottes (abgefehen von feiner Natur), wie e8 das Subs jeft der göttlichen Natur ift, auch zum eigenen Subjeft für bie menschliche Natur geworben, und ba fie dem gemäß einen dop⸗ pelten incongruenten Rebendverlauf, einen dem Gottesfohn nur par: allel Taufenden Menfchenfohn annahmen : fo fagten ihre Gegner, baß die Perfon da nur die Bedeutung erhalte, eine Berfnüpf- ung zwifchen dem Gottesfohn und dem Menfchenfohn zu bilden, baß aber ber eigentliche Gebanfe der Menfchwerbung des Sohnes Gottes, und der Gottheit dieſes Menfchen aufgegeben fei. Die Eine Perfon war in der That nur nod) das ibentifche leere Ich, ein formales Band, der zwei wefentlich außer einander bleiben: den Naturen. Es ift alfo die Wahrung bes chriftologifchen Grundgedankens, einer wirklichen Menſchwerdung Gottes, um bie es den kirchlichen Gegnern zu thun iſt.?) Es ift wahr, Alcuins, des Frankfurter Coneile, des Beatus und Etherius Gründe, um jene van Erwors des Athanafius ober den cyrilli- fhen Grundgedanken ohne ben antiochenifehen Einfchlag, an wel⸗ chen fi die Adoptianer hielten, geltend zu machen, find zum Theil ſchwach, namentlih, wenn es fih um die Begründung ber eigenen Anficht handelt; denn da wird vornemlih nur anf das alte Bild der Einheit von Leib und Seele oder auf die Un- erforfchlichfeit des Geheimniffes und auf die göttlihe Macht zurüdgegangen, welche, als fie wollte, Alles aus ‘dem Nichte fhaffen konnte, daher aud feinen Widerſtand an irgend eis ner Natur findet fo daß Gott aus ihr machen kann, was er will, mithin auch aus der menschlichen Natur einen natür- lichen Gottesfohn. Etwas ftärfer ift aber namentlih Alcuin in der Kritif des Adoptianismus. Er fragt, ob jeder Menſch eigentliher Sohn feines Vaters ſei? Wird diß bejaht, fo erinnert er baran, baß ber Menfch der Seele nach aud nicht vom Bater ſei, ſondern nur dem Fleiſche nach, mithin wenn — — — — — — ·— 29 Lib. VI, 10: geminae gigas substantiae, totus proprius Dei patris Filius et totus proprius Virginis matris fllius inseparabilis in personae unitate, vel Filii proprietate unus. — Paulin. J, 12. 14: Debuit homo in Deum proficere — non decebat Deum in homine deficere. Kirchliche Beſtreitung des Adoptianismus. Paulinus. Alcuin. 325 der ganze Chriſtus nicht Gottes eigener Sohn heißen dürfe, auch ein Menſch nicht Sohn feines Vaters fein könne. Fer⸗ ner argumentirt er aus der Einheit der Perſon ſo, ob ein Sohn eigentlicher und adoptiver Sohn eines und deſſelben Vaters ſein könne? Ferner aus der Verſchiedenheit der Naturen, ob der Sohn wahrer und eigentlicher Sohn der Jungfrau fein könne? Sie geftehen das zu, während fie, was bie göttliche Seite be: treffe, nicht den ganzen Chriftus den wahren und eigentlichen Sohn Gottes nennen wollen. Weiter fucht er fie dahin zu brän- gen, daß nad) ihnen nicht der ganze Chriftus angebetet, auch nicht dem Menfchenfohn die Wunder zugefchrieben werden dürften. Er fragt, ob die Adoption flattfinde bei einem eigenen ober einem fremden Sohne? Natürlich bei einem fremden. Aber wann denn Chriſtus Gott fremd geweſen fei, daß er ihn hätte aboptiren müffen? Bielmehr fei in feiner Empfängnig unb Geburt felbft ber wahre und eigene Sohn Gottes empfangen und geboren worden. Ueberhaupt fucht er die Aboptianer zu überführen, daß fie folgerichtig auch die Einheit der Perfon fallen laſſen, dagegen in bie neftorianifche Trennung einwilligen müſſen. ) Aber auch feiner eigenen Anficht fucht er ?°) einen, wie er fagt, grammatifchen oder dialeftifchen Unterbau zu geben. Die Frage fei, ob trotz ber Verfchiedenheit der Naturen doch der Menfchen- fohn proprius. dei filius fein fünne? Das hänge von ber all- gemeinen Trage ab, ob das, was einer Subftanz eigentlich ober als Eigenes zufomme, immer von berfelben Subftanz fein müffe, wie Das, dem ed fo zufomme? Er meint, daß unläugbar Etwas was anderer Subftanz ift als ein Anderes, doch dieſes Andere baben fönne als fein Eigenthum, fo daß um dieſes realen Berhältnifies willen nun auch diefes Andere zu einem Prädifat oder einer * Degeilhnung bes Erften werden könne.?“) Auch hier = Epist. ad filiam in Deo carissimam I, 921 ff. contr. Fel. I, 11 ff. 38) I, 921. 2%), I, 921. Tu vero de grammatica tua profer regulas naturales, ostondons quaedam propria non ejusdem substantiae esse, cujus propria esse dicuntur. Nam propria dicimus nomina, non quae nostrae sint sub- stantiae, sed quae specialem nostrae habeant substantiae significationem. 396 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfchnitt I. Kap. 3. ift eine Ummenbung fpürbar. Die früheren Kirchenlehrer hatten befonders im monotheletifchen Streit darauf beftanden, daß, was nicht derfelben Natur fei, auch nicht biefelben Präbifate u. dergl. haben könne, und baranf bie bleibende Zmeiheit von Chriſtus begründet. Daher war auch nad) biefer Seite Die arzidoos und oinsioors mehr nur nominell geblieben und höchſtens eine Stei- gerung ber menfihlichen Kräfte flatuirt worden, wobei nur bie Seite des Wiffens dem Charakter der griechifchen Kirche gemäß eine Ausnahme machte. Jetzt dagegen wird bie Zweiheit ber Subftangen ſchon dahin zu mildern begonnen, daß die menfchliche Natur als proprium und Prädikat ber göttlichen zufomme. Da- bei wird natürlich verfichert, Daß dieſes unbefchadet der Zweiheit ber Subftanzen gefcheben foll, aber ebenfo unverfennbar ift, wie ihre Verfchiedenheit hiemit ſchon wefentlich abgeſchwächt zu wer: ben beginnt. Nach biefer Seite geftaltet fich der Unterfchieb bes Adoptianismus von dem was zu Frankfurt Kirchenlehre warb fo, daß jener die Perfon oder das Ich Des Sohnes Gottes der menfchlichen Natur will zu eigen werben laſſen, biefe aber bie Menfchheit zum Prädifat bes Gottesfohnes macht, was fie weſent⸗ lich vergöttlicht. Sofern bie Adoptianer den göttlichen Eigenfchaf- ten die menfchliche Natur ähnlich werben laffen, nehmen fie doch nur eine Erhöhung der eigentlich menfchlichen Natur an, mehren aber eiferfüchtig jede Vermiſchung oder Transfubftantiation ab. Ihre Gegner langen am Gegentheil an; fie leiten es auch nicht . aus einem befonderen ober fpäteren Afte ab, daß bie eine Natur zum Präbifate der andern werde, fondern aus bem At der Menfchwerbung felbft, während die Adoptianer das Intereſſe der wahren und vollftändigen Menſchheit, das fie bei ihrer Lehre von dem Sohne des Menfchen leitet, der das Ich als eigenes ebenfowohl Bat, wie der Sohn Gottes, au Terrarum quoque possessiones proprias esse dicere solemus, I Srael heiße Joh. 1, 11 proprium Gottes. Dum in rebus humanis tam multa proprietatis nomine appellantur, cur in solo Alio dei haec pro- prietas non potest esse, ut sit proprius fllius dei, qui ex virgine natus ost, qui solus inter omnes fllios Dei hoc habuit proprium, ut una sit persona cum eo, Alcutn. "397 dadurch vertreten, daß fie die Adoption von ber Affumtion be- ſtimmt unterfcheiden, mögen fie auch darin unter fich abweichen, daß fie beide mehr ober minder aus einander rüden. Die Richtigkeit unferer Auffaffung des Adoptianismus er heilt noch befonderd aus dem weiteren Verlauf der Gefchichte. Denn während ber Adoptianismus Eine Doppelperfon bat, beide Raturen perfönlich und felbftändig denkt, nur daß das Ich, wo⸗ durch beide yerfönlich find, beiden gemeinfam fein foll, fo fagen bie Kirchenlehrer: wenn auch die menfchlihe Natur perfönlich fei, fo fei die Menfchwerbung gar nicht gefchehen, ſondern zwei volftänbige perſönliche Wefen feien da nur neben einander, und bie Hypoſtaſe des Gottesfohnes denken fie dem Weſen menfchlicher Natur fo fremd, daß fie das menfchliche Ich durch das Göttliche ausgeſchloſſen und die menfchlihe Natur ausdrücklich und beſtimmt als unperfönlich feit der Unio fegen. Und wenn die Transfubftantiation zwei Momente umfaßt, erftend bie Ver⸗ tilgung, Vernichtung ber einen Subftanz, fo daß von ihr höch⸗ ſtens Acridentien übrig bleiben, zweitend das Treten einer andern Subflanz an die Stelle der vernichteten,, natürlich nicht fo, daß die frühere Subflanz oder ihre Accidentien ihre eigene Vollendung in dieſer fielfvertretenden Subſtanz hätten, fondern fo, baß bie frühere fubftantiell aufhört und verwandelt ift in bie neue: fo muß man fagen, daß die den Adoptianern entgegenftehenden Kir: chenlehrer und das Frankfurter Coneil befonders, nun bie große Wenbung machen zu einer hriftologifhen Transfubftans tiation überzugehen, nicht zwar in Betreff ber Natur aber des Ich. Denn erftens lehren fie ausdrücklich bie Vertilgung, Verzehrung (deleri, consumi) der menfhlichen Perfönlichkeit durch die göttliche; benfen mithin bie Perfönlichfeit als eine’ Sub» ſtanz — und zweitens laffen fie an bie Stelle ber yertilgten menfchlichen von Anfang an bie göttliche Perfon des Sohnes treten. 25) 25) Schon ber Diaconus Pafhafins (+ 512) Hatte in feiner Schrift Libri II de Spir. Sancto contra Macedonium (dgl. Cave, hist. liter. S. 318) II, 4 gefagt: In Ohristo gemina substantie sed non gemina persons ost, quia persona personsm 60nN- 328 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 3. Iſt nun aber entfchieden, daß die menfchlihe Natur nicht perfönlich fei in Chriftus, auch nicht perfönlich werbe durch bie Perfon des Gottes Sohnes abftrahirt von feiner Natur, dann ift auch Kar, daß von einem boppelten Sohn gar nicht mehr darf die Rede fein, und fo begreift man, wie Alcuin fo eifrig darauf beftehen Fan, daß Chriſtus, auch feine Menſchheit mit eingefchloffen, furgweg ber Eine untheilbare Sohn Gottes ges nannt werde. Denn es foll fein anderes Subjeft ald Träger der Präbifate da fein ald der Sohn Gottes. Zwar beharrt er Dabei: non deus conversus in hominem, aber er fagt, was mit dem Sinne der Chalcedonenfer fchwerlich zufammengeht: sed homo glorificatus in Deum (Ill, 17). Zwar fagt er ferner: nec homo a natura humanitalis recessit ut non esset homo, sed natura humanitatis proprietatem naturae servavit; aber wie flimmt dieſes dazu, daß bie persona humana, Die doch zur menfchlichen Natur nad ihm felbft gehört, getilgt ift sumere potest, substantia vero substantiam non potest, siqui- dem persona res juris est, substantia res naturae, Auf viefe Stelle beruft fih das Frankfurter Eoncil ausdrücklich. Diele merkwürdige Stelle feßt wie felbfiverfiändlich voraus, daß von einer Perfönlichkeit bei dem Menfchen nur im Sinn ver Rechtsperſönlichkeit, nicht aber der phyfifchen die Rebe fein die Rechtsperfönlichteit aber wohl in einer höheren erlöfchen könne. Alcuin (c. Felic. I, 12) fagt: in adsumptione carnis a Deo persona perit hominis, non natura; cf. Paulin. I, 12. II, 4, der fhon ganz an den Lombarden erinnert. — Jene Bertilgung ſetzt freilih einen Moment menigfiens voraus, wo eine perfönlice menfchlihe Natur war vor ber wirklichen Unio und ihren Folgen, alfo vor der Menſchwerdung — ein Reſt des Cerinthianismus. Allein wenn die Perſönlichkeit zur Bollfländigfeit des menſch⸗ lichen Weſens gehört, das angenommen werden follte, fo ſchien e8 unvermeidlich, fie für einen Moment zu feßen, dann aber auch vertilgt werben zu laffen. Ebenfo fagte Innocentiug Ul in einer Defretale: quod persona Dei consumpsit personam hominis (vgl. Thom. Aq. Opp. XII, ed. Antwerpen ©. 27. Erſt die fpätere Lehre iſt: persona non praeintelligitur assumtioni, sed est terminus assumtionis). Thomas fucht viefes Wort bahin umzudeuten: per- sona divina unione impedivit, ne humana natura propriam persona- litatem haberet, die fie ohne die Unio hätte. Alcuin. Srankfurter Eoneil. Unperſönlichkeit der Menſchheit. 329 durch die göttliche? Wenn bie menfchliche Perfon getilgt und bie göttliche an die Stelle getreten ift, wo bleibt Da — auch abgefehen von der glorificatio in Deum, ber Dyotheletismus? Ja auch bie Zweiheit der Naturen erhält jegt einen andern Sinn. Denn früber, jo lange auf die Perfon nicht geachtet ward, fondern nur auf die Naturen, waren diefe verfchiedene, relativ felbftändige, ja ſchlechthin entgegengefegte Größen; jede von beiden war ale ein vollftändiges Ganzes gedacht, als, Subftanz in Verbindung mit einem Compler von Eigenfchaften ober Aceidentien, deren Trägerin bie Subflanz war: und ben Monophyfiten (3. B. felbft dem Severus) wurde aufs Aeußerſte wiberftanben, ba er ein folches beſonderes fubftantielles Tebenscentrum für die menfchliche Natur in Abrede ftellte. Jetzt Dagegen bat ſich durch die Reak⸗ tion gegen ben Aboptianismus, der in der Linie der chalcedon. Schlüſſe forigehen wollte, die Sache dahin geändert, daß (ob⸗ gleih der menfchlihen Natur der Name der Subftanz bleibt), eine Macht über fie gefegt ift, die nicht blos, wie ſchon 680 entichieven ward, allmächtig die menfchliche Natur Chrifti beftimmt, fondern welche durch Tilgung bes innerften Centrums der menfchlichen Natur, ber Perfönlichfeit und durch Sichfegen an deſſen Stelle der Sache nach die menfchlihe Natur zur bloßen Hülfe herabbringt und bie ihres eigenen Schwerpunftes beraubte, in einen fremden aber verfegte menfchliche Natur aus der Stel: lung einer befondern Subftanz neben ber göttlichen zu ber eines realen Prädifates ober Prädikatencomplexes an dem über fie ge- fommenen höheren Centrum herabſetzt. Nicht in feinen eigenen pofitiven Leiftungen, aber darin ligt die große Bedeutung des Adoptianismus, daß durch feine Be⸗ fämpfung ein großer Abfchnitt in der Geſchichte des Dogma ge⸗ macht wird. Weiter fonnte in der Durchführung ber chalcebo- nenfifchen Grundgebanfen nicht gegangen werben als er verfuchte: er bildet den Schluß einer Yangen Reihe von Arbeiten, um alles Monophufitifche gänzlich auszurotten. Aber indem er dem Werfe ber alten Synoden von A451 an die Krone auflegen will, zeigt fih der Kirche bie Gefahr der Auflöfung bes chriftologifchen Ge⸗ dankens felbft, des Verluſtes ber Idee ber Menfchwerbung an 330 Zweite Periode. Erfle Epoche. Abſchnitt U. Kap. 2. ein geifliges Doppelleben, ja an eine Doppelperfon. Sie hatte mit Mühe früher in Beziehung auf die Naturen fi) einer transfub: ftantüirenden Incarnationslehre entfchlagen; jetzt griff fie doch bazu in Beziehung auf das vertilgte und vom Logos vertretene Ich.?6) Und wie fehr die Kirche feit dem Ende des 8. Jahr⸗ bunderts in biefem monophyfitifchen, ja apollinariflifchen Zuge war, in weldem nur eine feinere Form bes Dofetismus zu feben ift — zwar nicht unmittelbar im Gebiet der Naturen, wohl aber dem entfcheidenden, höheren Gebiete der Perfon, baflir braucht nichts Anderes zum Beweis angeführt zu werben, ald daß glei) das 9. Jahrhundert bie Abendmahlslehre des Paſſcha⸗ fius Radbertus fieht und freudig begrüßt. Wir werden aber auch balb genug die unmittelbar chriftologifchen Folgen dieſes aboptianifchen Streites fehen, der auf ber Scheibegrenze zwiſchen ber alten und der mittleren Zeit ligt. 26), Statt oona, yuyz macht Apollinaris drei Theile und meist den voog allein dem. Logos zu. Ganz fe wird jeht über den Leib und bie vernünftige Seele noch gefeßt die persona, welche nur bie göttliche Hppoftafe if. Dritter Abſchnitt. Das Mittelalter. Bon neunten Jahrhundert bis zur Reformation. Beginuender Derfal der dyophufitifchen Grundlage des _ Chalcedonenfe. Einleitung Wahrend die griechifche Kirche nach Johannes v. Da mascus fleigendem DBerfalle äußerlich und innerlich, ſittlich, re⸗ ligiös und wiſſenſchaftlich enigegen gieng, war bereits in ber abenblänbifchen Kirche dem Chriſtenthume eine neue Stätte bei Nationen bereitet, die erſt durch bie Kirche zu Culturvölkern ges worben find. Die abenblänbifche Kirche trägt eine von ber prientalifchen durchaus verfchievene Eigenthümlichkeit an ſich. Das Chriftentfum wirb bier nicht vornemlich als Lehre, fon= . bern ale Sache bes Willens aufgefaßt. Die Kirche ift hier nicht bie felbfilofe Dienerin des Staates, an ben fie ihre Freis heit und fittlich-religiöfe Aufgabe um äußeren Glanz unb Herr⸗ lichkeit verfauft, zufrieden mit geiftlichen Formen, mit welchen das Staats⸗ und Volksleben bekleidet if, fonbern hier ift fie ihrer ſelbſt als einer göttlichen und ſelbſtändigen Anftalt bewußt, bier zeigt fie in Martyrien und aufopfernder Miffionsthätigfeit einen lauteren Eifer und unterwirft fo eine Neihe ber barbari⸗ ſchen Bölfer dem Kreuze, ja fie dient wefentlich durch ihr auss gebildeteres Kirchengefeg ber Gründung neuer Staaten unb 332 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt TIL Ordnungen unter ihnen. Sie nimmt nicht vorlieb damit, Ans erfennung und Ehre bei ben irdiſchen Machthabern zu genießen, fondern fie fest fih als Ziel, die Welt dem Geſetze Chrifti zu unterwerfen. Da fie aber fich felbft als die Vertreterin dieſes Gefeges, ja als bie Stellvertreterin Chrifti denkt, fo ergibt fih daraus, daß die abenbländifche Kirche, je bewußter ihr Geift bervortritt, deſto mehr die Unterwerfung nicht blos der Völler, fondern auch der Staaten unter bie Kirche ſich zum Ziele fest. Der Begriff der Kirche erleidet hiermit eine wefentlihe Um⸗ wandlung und im Zufammenhang damit die Auffaffung bes Werkes und der Perſon Chrifti. Der griechifchen Kirche ift Shriftus überwiegend nur bie geoffenbarte Weisheit Gottes, fein Werf die Erleuchtung durch Die nioris O0006oßog, alfo Chrifti prophetiſches Amt die Hauptfahe. Im Abenp- lande dagegen fichtlih unter der Nachwirfung des Geiftes, ber das alte römifche Reich ſchuf, Tebt das Streben, die alte römifche Univerfalmonardie durch ein allumfafjendes, präfentes, nicht erſt fünftiges Königreich Chrifti, durch eine geiſtliche Univerſalmonarchie zu erfegen. Dieſes Königreich, deſſen irdiſche Darftellung in ber Hierarchie gegeben ift, ift ein Reich der geiftlichen Herrfchaft, Zudt und Gnade, und das phantaftifche, noch wie über der Erbe ſchwebende deal des Areopagiten läßt fih im Abendlande auf ben feften Boden der Wirflichfeit bernieber, gewirmt umfaffende Macht und concrete Lebensgeftalt. Unter das Gefeg. der Kirche wird Das ganze Leben ber Völker zu bringen verfucht, und biefeg Geſetz umfaßt ebenfo das, was fie von der Kirche empfangen, als was fie Teiften follen; unter den Gefühtspunft des Geſetzes werden beide, Gnade und Werfe geftellt, durch Betheiligung an beiden iſt der Einzelne dem Königreiche Chrifti zugehörig. In⸗ bem bie Hierarchie zu ber prophetifchen und priefterlihen Würde ſich jegt auch bie königliche beilegt, und ſowohl die Gnade als bie Werke die fie forbert unter diefen oberften Gefichtspunft ge⸗ flellt werden, meint fie zwar bie Eroberung ber Welt für Chrijtus erft zur vollen Realität in dem Königreich Ehrifti zu bringen : aber unbewußt alterirt fi ihr das Ehriftenthum in ein Mittel zur Macht, in etwas Phpfifches nach Naturgefegen Wirkendes, in Einleitung. 333 etwas was die Hierarchie, um frei bamit zu walten, in ihre Macht befommen hat, indem fie durch Chriſtus ſich an Shrifti Stelle gefegt glaubt, um an feiner Statt ein Regiment zu üben, das ebenfo fein perfönliches Regiment zurücddrängt, als es bie Chriften ihres Föniglichen Prieſterthums beraubt. Es ift be zeichnend, daß ſchon bei Auguftinus und dann durch dag ganze Mittelalter das Chriftentbum, fofern es in ihm fih um eine Mittheilung Gottes banbelt, nicht als bie Religion bezeich- net wird, burch die wir in Lebensgemeinfchaft mit dem leben- bigen Chriftus, der wahren fchöpferifchen Heilscaufalität fommen, fondern an die Stelle des perfönlichen Ausdrutfes „Chriftus,“ tritt als hersichender Terminus ber unperfünliche Ausdrud „Gnade“, welcher möglich macht, das höchſte Gut in etwas Anderem, als in der Gemeinfchaft mit dem perfönlichen Chriſtus felbft zu fehen, in etwas, das zwar in Gebanfen von ihm wenigfteng urfprüng- lich abgeleitet, dabei aber doch als eine velativ-felbftänbige und nach Ehrifti irdifchem Werfe in die Gewalt der Kirche gefommene Hotenz betranhtet wird. Wäre nicht das Chriftenthum flatt in jedem Momente in dem lebendigen Chriftus und feiner That zu centriren, vielmehr als ein Sachliches, Dingliches gedacht, fo würbe fchwerlich das Wageftüd unternommen fein, Chriſti Stell vertretung übernehmen zu wollen. Die Hierarchie denft fich nicht fowohl als die fheurgifche Macht über Chriftus, vielmehr gemäß ihrer Geringfchägung ber Perfönlichkeit ale die Macht über die Gnade oder über die göttlichen Heilsfräfte, über ben Schatz, welder zur Berfügung der Kirche ald des geiftlichen Königreiches Chrifti geftellt if. Die Kirche und ihre Diener werben nicht (mie noch in ber griechifchen Kirche bis auf dieſen Tag, 3 2. felbft bei dem heil. Abendmahl) als die Werkzeuge betrachtet, durch welche gleihfam durchfichtig für den Glauben ber leben⸗ bige und gegenwärtige Chriftus das Wert an ben Einzelnen vollbringt, das er feiner Macht vorbehalten hat, fondern Ehriftus ift gleichfam deiftifch nad) Einfeßung der Anftalt, die fein König: reich ift, in den Hintergrund getreten, in ben Vordergrund aber die gegenwärtigen Machthaber, die ihn in feiner Abwefenheit vertreten; dieſe find mit folder Vollmacht ausgeftattet, daß ein 334 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IH. Grund zur Sehnſucht nach ſeiner Wiederkunft und ſeinem Wieder⸗ antritt bed Regimentes laum übrig bleibt. Kein Wunder, daß im Mittelalter auch die Theologie in Beziehung auf die Perfon Ehrifti faft Feine neuen Triebe zeigt, fondern von den Werken der Vergangenheit zehrt, bagegen ſich ben Dingen zuwendet, welche dem bezeichneten Kirchenbegriff näher liegen. Diß zeigt fi) von mehr als einer Seite. Für die Trinitätslehre war zwar auf dem Concil zu To: lebo im Jahr 589 der Ausgang des heil. Geiftes auch von dem Sohne feftgeftellt und in der abenblänbifchen Kirche angenommen. Aber dieſe vollftändigere Gleichſtellung des Sohnes mit bem Bater, hatte chriftologifh Feine Wirkung außer etwa bie, ben fo eben befprochenen Uebergang von der Perfon des Gottmenfchen zur Gnade zu vermitteln, indem man nun den h. Geift als die Gabe Chriſti, deren bie Kirche mächtig ift, art Chrifti Stelle treten Tieß. Der h. Geift, diefes perfönlich Vorgeftellte, aber als etwas Ding- liches Behandelte, ift ed, womit bie Kirche einmal für immer von Chriftus ausgeftattet if, und Ehrifti Bedeutung geht für bie irbifche Chriſtenheit darin auf, dieſen beil. Geift ber von ihm geftifteten Anftalt einmal für immer verliehen zu haben. Hiernach hätte Ehriftus der Kirche gegeben, zu haben das Leben in ihr felber, keineswegs aber wäre ed Werf bes heil. Geiftes die Gläubigen fhon auf Erden unmittelbar zu dem felbftregierenden und ewig lebendigen Haupte der Kirche zu führen. Der Beil. Geift un verlierbar an einen Stand gefeffelt, und in ihm ber Kirche mitgetheilt, macht fie all der göttlichen Kräfte theilhaft und mäch⸗ tig, die fich in Chriſtus concentrirten. So wird unwillfärlich bie Kirche zur Incarnation Gottes, und zwar zur gegenwärtigen, lebensvollen, während bie Incarnation Chrifti zu einer lebloſen -Bergangenheit wird. Dem Contraft zwifchen ber Wirklichkeit und zwifchen dieſem Anſpruch auf die Göttlichfeit der Kirche fonnte fich freilich das Bewußtſein nicht entziehen; es beginnen ſich fofort mächtiger proteflirende Sekten zu regen. Auch fchrieb bie Kirche, felbft in Beziehung auf ben Klerus ben ihr anvertrauten Kräften nicht eigentlich heiligenbe, fondern nur Sünden vergebenbe und weihende Mächte zu, und fo Tonnte das Bedürfniß, deſſen Einleitung. 335 Befriedigung Ehriftus ift, fich die heilige Gottheit in ber Eins beit mit ber Menfchheit zu vergegenwärtigen, wohl noch Iebenbig - bleiben. Aber dieſer Trieb fuchte, nachdem bie Kirche fich zu folder göttlichen Hoheit hinaufgedacht hatte, feine Befriedigung nicht mehr ſowohl in Ehriftus, als in den reinen Repräfentanten der Menfchheit, den Heiligen und befonders ber Marian. Hiezu trug noch vornemlich Folgendes bei: Einmal der Stand der hriftologifchen Frage feit Dem aboptias nifchen Streite. Bon dem Concil von Chalcedon bis zu dem von Frankfurt, fahen wir, hatte Die Kirche beharrlich den immer erneuten Richtungen widerfirebt, welche. in wohlgemeintem Eifer die Perfon Chriſti übernatürlich und volllommen göttlich zu denken, Die Menſch⸗ heit Ehrifti durch Verwandelung oder Bergottung ihrer Wahr: beit zu berauben getrachtet hatten. Sie hatte zu dem Ende felbft einen Dualismus der Naturen, des Wollend und Wiſſens nicht gefcheut, fondern perpetuirt, der in der praftifchen Frömmig⸗ feit und ihren Ergüſſen nothwendig und von felbft immer wieder vergeffen wurde. Aber als es nun gegen ben Aboptianismus burchgefegt war, daß Chriftus auch nach feiner Menfchheit Gottes Sopn fei, da drang unwiberftehlih der lange zurüdgehaltene Strom hervor, da wırde die Menfchheit Chrifti ihrer eigentlichen Bedeutung beraubt, das Bild von feiner einheitlichen Perfon fo fehr in die Tranſcendenz ber puren Gottheit fublimirt, daß er vor dem Auge bed einfältigen Glaubens nur noch als „unfer Herrgott“ dafland. Durch fcheinbare Steigerung war fo bie Ehriftologie dabei angekommen, ald wäre ber Gottmenfch, der mits leidige Hohepriefter, der unferem Gefchlechte angehört, nicht mehr, fondern als wäre er nur der Gott, der Unnahbare und Heilige, wie er in feiner Majeflät von ber vorchriftlichen Menſchheit ges dacht und. geflirchtet war, und von bem nur noch bie Wieberfunft zum Gericht zu erwarten flieht. Kein Wunder, daß vorchriftliche Schreden vor Tod und Habes bie Chriftenheit aufs Neue bes fielen, daß fie einen Erfag für das verlorene gottmenfchliche Mitleid in den Fürfprechern fuchte, welche bie ideale Kirche bil- dend bie fünbige Menſchheit vor dem verzehrenden Teuer bes Richters ſchützen follten, bes Heiligen in welchen der Gottmenſch 336 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IM. übergegangen war. ‘Der Berfuft des hiftorifchen Gottmenfchen, - des Menfchenfohnes voll Gnade und Wahrheit rief fo in dem religiöfen Bedürfniß ganz Ähnliche Triebe wieder wach, wie wir fie vor Chriftus in dem mythenbildenden Heidenthum und feinen hriftologifchen VBorfpielen gewahrten. — Allerdings war auch bei biefer Grundanfchauung von Ehrifti Perfon, wie fie das Mittel: alter durchbringt, eine hiſtoriſche Erfcheinung oder Offenbarung Gottes noch nothwendig. Die Kirche, die göttliche, konnte ja nicht von felbft aus dem Boden der Menfchheit gewachfen fein, fie bedurfte göttlicher Stiftung und göttlichen Bollmachtsbriefes. Allein fo wenig ald die Menfchwerdung Gottes die Begründung ihrer Nothwendigfeit in der bloßen Mittheilung göttlicher Wahr: heit oder in dem prophetifchen Amte für fih finden kann, denn dazu bebürfte es nur etwa eines infpirixten Menſchen, fo wenig hat fie ihre genügende Begründung in dem bloßen föniglichen Amte, denn Gott ift der allmächtige Herr und König auch ohne Menfchwerdung. Es hätte zur Stiftung bes Königreiches, ale welches ſich Die Kirche Dachte, nur eines zweiten Mofe, als in- fpirirten Geſetzgebers, ausgeftattet auch mit der Macht Über bie Gnaden Gottes beburft. ) Nur an Einen Punkt hatte, freilich in verfümmerter und entitellender Weife eine richtigere Auffaffung fih noch geflüchtet. Es war angemeflen, fagte man, daß Gott feine Gnade nicht unmittelbar ertheilte, fonbern daß es bie durch Shriftus ethiſch verdiente Gnade war, die den Menfchen zu Gute fommen follte. Aber diefe Gnade, nachdem fie verdient ift (der heil. Geift), bedarf nicht eigentlich mehr der Fortdauer und bes Fortwirkens des Gottmenfchen, fie ift ein einmal für immer der Menfchheit zugeeigneter Schag, fo daß alfo dieſe Be⸗ gründung höchſtens eine momentane Vereinigung Gottes und ber Menſchheit in Chriftus, eine länger dauernde Theophanie er: heiſcht. H Es iſt auch in dieſer Beziehung nicht zu überſehen, daß im Mittels alter unter ſehr angeſehenen Lehrern Zweifel darüber Statt findet, ob die Menſchwerdung Gottes ſei nöthig geweſen, ob nicht viels mehr Gott, nach feiner freien Macht auch ohne Chriſtus, Alles was dieſer gebracht, hätte geben Tonnen, f. u. Einleitung. 337 Indem die mittelalterliche Frömmigkeit der lebendigen, gott: menfchlihen Mittlerfchaft Chrifti verluftig, fich vermöge dichten⸗ der Phantafie einen Erfab in dem Kran der mittlerifchen Ge: flalten, vornemlich in der Himmelskönigin ſchuf, fo findet barin auch noch ein anderer Zug bes natürlichen Herzens eine Des friedigung, jener DVerzagtheit und Trog, Trägheit und Hochmuth vereinigende Zug zur Vergötterung ber Natur, d. h. der Menſch⸗ heit und ihrer Kraft auch ohne bie chriftlihe Gnade. Denn Maria, die Mutter des Heren iſt nicht eine erlöfungsbebürftige und fo den andern Gliedern ihres Gefchlechtes weſentlich gleiche, fondern fie ift ihrem Kreife emtrüdt durch Freiheit von Erb: fünde und wirklicher Sünde, abfolut rein und heilig von Geburt an, und eben durch dieſe ihre Bollfommenheit, die fie vor Ehrifti Geburt hat, ift fie fähig und würbig, bie Gottesgebärerin zu fein. So ftellt fie, die für Die mittelalterliche Frömmigkeit ber Kirche eine fo centrale Bedeutung gewonnen bat, dar, was aus der menfchlichen Natur auch ohne die Erlöfung durch den Gott- menfchen werben Türme. Wie ferner Maria das Ideal der reinen Menfchheit over der Kirche vor Gott darftellt, und fie, welche die Menfchheit auf dem Herzen trägt, eine für Gott und Chriftus unwiderſteh⸗ liche Fürbitterin in allen Nöthen der Gegenwart ift, fo tritt fie felbft in Beziehung auf das Leiden Chrifti, wodurch doch der Kirche die Gnaden erworben fein follen, an Chrifti Stelle. Denn nit fowohl auf der Paſſion Chriſti verweilt ber Blick diefer mittelalterlichen Frömmigfeit, ſondern bie Leiden ber Maria, der .mater dolorosa um ben leidenden Sohn werben in den fihönften Liedern gefeiert und mit ber heißeften Gluth ber Andacht betrachtet. - Sp ift wiederum Alles umgefehrt. In Maria ift die reine Menſchheit, die Dienfchheit wird in ihr, ſelbſt an biefer Stelle, nicht fowohl als bie zum Tode geliebte gedacht, vielmehr als die actio Tiebende und um ber Leiden Chrifti willen leidende, Chriftus aber fteht nur ale ber von ber Menfchheit Geliebte vor dem Auge, als ber, ben wir liebend ehren, indem wir die Leiden der fchmerzenveichen Mutter mit: fühlen, dem wir alfo in unferer Paffionsfeier flatt uns vor Dorner, Chriſtologie. IL 2te Aufl. 22 338 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt IIL ihm in Reue und Scham vernichtet und gerichtet, aber auch von feiner überfchwänglichen, leidenden Liebe getröftet und umfaßt zu wiffen, die Opfer unferer Theilnahme, des Reichthums unferer Liebe durch die Mutter auf den Altar feines Kreuzes nieberfegen. Sp wird die Stätte, Die das Denkmal der menfchlichen Schul und Armuth und des Reichthums der göttlichen Barmherzigkeit fein fol, verfehrt in den Ort des Triumphes ber menfchlichen Natur, der natürlichen Gefühle des edlen Herzend, das jenen weheklagenden Töchtern zu Serufalem ähnlich da dem Herrn Mitleid darbringen will, wo es gilt fein Mitleid mit ung und unfere Schuld an feinem Leiden zu betrachten. Zeigt ſchon in dem Letzterwähnten fi der Mangel an tieferer Ethik, indem fentimentale Rührungen des natürlichen Herzens kunſtreich an die Stelle des Sterbeng mit Chrifto gefegt werden, und in Gemeinfchaft mit den Leiden der Mutter um den Sohn bie Kraft haben follen, ung Gott wohlgefällig zu machen: fo tritt dieſelbe Grundanſchauung, die im Innerſten pelagianifch ift, mit bemfelben Erfolge, nemlich der Zurückdräng⸗ ung des lebendigen Chriftus, hervor in demjenigen Ritusacte, ber mehr als irgend etwas Anderes die mittelalterliche Frömmig⸗ feit charakterifir. Das heil. Meßopfer (vor dem das Beil. Abendmahl ald Communion völlig in den Schatten tritt), ift bie feltfame Jneinanderwebung jenes Dualismus, der den Grundzug bes mittelalterlichen officiellen Katholicismus ausmacht, des Pe: lagianifhen und des Magifchen. Oberflächlich angefehen könnte man benfen, das Gewicht, das die Euchariſtie beſonders feit bem Iten Jahrhundert gewinnt, zeige ein recht erwachtes Des bürfnig bed Verkehrs und der Gemeinſchaft der Seele mit Chriftus. In der That aber tritt die Meffe an die Stelle des lebendigen Chriftus, und ift der folenne Ausprud dafür, daß er der römiſch katholiſchen Frömmigkeit nicht der noch vegierende und Gnaden fpendende Herr und König if. Denn einmal, wer ift dieſer Chriftus, auf beffen reale Gegenwart im Abendmahl fcheinbar ein fo großes Gewicht gelegt wird? Iſt es ber er- höhete Herr und König der Geifter, der ſich zu der Seele herab: neigen will zu feliger Bermählung ? Keineswegs. Der Chriftus Einleitung. 339 ber Meffe ift nicht hingewandt zu ber Seele, fonbern zu Got, er it das Opfer, bas Gotte dargebracht wird vom Priefter, und das in ber Communio dem Menfchen gefchenft wird, — aber auch durch Privatmefle ung zu gut kommen kann. Und von ber Gewißheit, von Ihm yerfönlih umfaßt und geliebt zu fein, be fommt die Seele nichts zu fehmeden. Sodann ift Chriftug über: haupt im heil. Abendmahl nicht mehr der gegenmärtig Handelnde, fondern Die Kirche ift es in feinem Namen , ihn verwendend. Es ift felbft an diefem Orte nicht auf die Feier und Stärfung ber unmittelbaren . perfünlichen Liebesgemeinfchaft zwifchen Chriſtus und der Seele abgefehen. — Man hört oft die Rede, es habe durch Die evangelifche Auffaffung bes heil. Abenpmahles daſſelbe an feiner reichen Bedeutung unenblih verloren. Bielmehr bie römiſch katholiſche Auffaffung ift Armuth in Vergleih mit der evangelifhen. Denn was nad der erfteren im beil. Abendmahle immer und immer wieder gefchieht, das ift nur bie ewige Wieder⸗ bolung des hiftorifchen Faktums, des Opfers Chrifti, das doch vielmehr, wenn es auf Golgatha genügend gefchehen ift, einmal für immer gilt, und ohne Wiederholung zu ewiger Wirkfamfeit aufbewahrt und zu erwiger ſich individualiſirender Kraft erhoben ift in dem erhöheten Herrn. Aber es genligt Chriftus nicht, wie es bei der römifchen Meſſe den Anfchein gewinnt, den Seinigen Straf- Iojtgfeit oder „Snaden“ zu erwerben, . fondern er will ihnen, wenn fie gläubig das Andenken an feinen Tob erneuern, ale höchſtes Gut fich den Lebendigen, Perfönlichen geben. So ift es alfo nur Ehriftus in feinem irbifchen Leben, der Sterbende, als Opfer vor Gott bargebrachte und ben Schat ber Gnaben ber Kirche begründende, ber immer wieder der Gemeinde oder viel- mehr Gotte vorgeftellt wird. In dieſen Kreis ber Vergangen- beit feines irdifchen Lebens bleibt Eprifti Bedeutung eingeichloffen. Die Gemeinde foll nichts Anderes empfinden, ald wie wenn Ehriftus in diefem Augenblick wiederholt den Opfertob ftürbe. tigt nun aber fehon hierin eine Zurüdftellung bes lebendigen Ehriftus Hinter den Vergangenen, welcher Letztere nur durch bie Gewalt eines abfoluten Wunders zu wiederholter paraftatifcher Präſenz gebracht wird, fo ift daſſelbe noch vielmehr darin fichts . 22 * 340 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt II. bar, daß Chriftus ſelbſt in der Meſſe faft nur als etwas Dings liches und Stoffliches behandelt wird, als die Materie, deren for mende Kraft der Priefter ausgeftattet mit ber Conferrationsformel fein fol. Der Priefler macht (conficit) die Elemente zu Chrifti Leib und Blut, zum gegenwärtigen Chriftus; auch ift es nicht Ehriftus, der fich felbft ald Opfer dem Bater darbringt, fondern ber Priefter, die Kirche ift es, von der Chriſtus bargebracht wird. Sp verhält fih Chriftus paſſiv, der Handelnde ift der Priefter, und nur darin bleibt Chrifto felbft eine Activität, daß er einft bie Kirche geftiftet und einmal für immer fie mit der Kraft aus⸗ geftattet hat, durch ihre Opferhandlung, für die er ber Stoff ift, in jeder Wiederholung derſelben neue Gnaden von Gott ſich zu erwerben. Tritt aber fo wiederum bie Kirche als bie handelnde verdienende und fein Opfer opfernde, in ben Bordergrund, fo ift abermals fein Bild fo zurüdgebrängt, daß ein Fortfchritt ber Chriftologie, der feine lebendigen Impulfe immer nur von ber Srömmigfeit her erhalten kann, gerade foweit nicht erwartet wer⸗ ben darf, als der Zauberfreis biefer Vorftellungen reicht. An Chriſti Stelfe tritt in der volfsthüimlichen Frömmigkeit bie Welt der Heiligen auf der einen, und die hl, Meſſe auf ber andern Seite. Wenn in Chrifti Perfon das Thun und das Leiden ver- einigt, und durch feine gottmenfchliche Einheit fein Leiden ein Thun, und fein Thun ein Leiden ift, fo tritt Dagegen für biefe Frömmigkeit das Thun und das Leiden in jenen zwei erlöfenden Surrogaten aus einander, wodurch beide alterirt werden. In ber heil. Meſſe iſt Chriſtus reine Paffivität; dagegen bie Activität fällt ber Kirche zu, welche bie Unvollkommenheiten ihrer Wirklichkeit nicht im gottmenfchlichen Mittler, aber in der fürbittenden Welt ber Heiligen vergißt, in der fie fich felbft nach ihrer idealen Ge: ſtalt anfchaut, wie fie vor Gott ſteht, wie fie Chriftum gebar, und die Opfer ihrer Liebe und Tugenden Gott darbringt. So bildete fi in dem Kirchenthum ein Syſtem aus, das wie darauf berechnet ift, Chrifti ganze Bedeutung darin aufgeben zu laſſen, fich felbft durch Ausftattung der Kirche mit der Vollmacht und Kraft feiner Stellvertretung entbehrlich zu machen für bie ganze Zwifchenzeit feit feiner Himmelfahrt bis zur Wieberfunft. Einleitung. Gottesbegriff des Mittelalters. 341 Doch in letzter Beziehung muß auf den Gottesbegriff des Mittelalters und ſein Verhältniß zum Begriff der Welt zurückgegangen werden. Analog mit den magiſchen und pela⸗ gianiſchen Vorſtellungen die in eigenthümlicher Weiſe in dem Mittelalter gemiſcht find, hängt es einerſeits feſt an dem ſchlecht hin tranſcendenten und ſupernaturalen Gottesbegriff, es bringt andererſeits die Welt, vor Allem die Kirche, in eine ſolche Selb⸗ ſtändigkeit Gott gegenüber, welche nur als Vergötterung und als falſche Selbſtändigkeit der Welt angeſehen werden kann. Es kommt darauf an, dieſen ſcheinbaren Widerſpruch zu Iöfen, und den Grund zu erfennen, weßhalb der mittelalterliche Katholicismus ung bald als akosmiftifcher Pantheismus der die Welt in Gott transfub: ftantiiren will, bald als Deismus erfcheint. Die Löſung bürfte barin liegen, daß ein ethiſcher Gottesbegriff noch nicht durchge: brungen, fondern ein überwiegend phyfifcher, wenn auch in den ver: ſchiedenen Epochen ber Scholaftif verfchieben, noch der herrſchende ift. In der erften Zeit war Gott noch ganz vorberrichend unter der Kategorie ber abfoluten Subſtanz oder Eſſenz gedacht, Gott ‘allein hat Sein im firengen Sinne, er ift das Sein, während bie Welt aus dem Nichts ift und das Nichts ewig an fih hat. Es erhellt leicht, wie diefe Auffaffung, von Scotus Erigena am firengften durchgeführt, fich einerfeitd an Augu = finus, andererfeits an den Neoplatonismug und den ge: feierten Areopagiten Dionyfius anfchließt. In diefer Linie liegen au Anfelmus und Thomas. Die Welt hat in focher Lehre nur ein prekäres Sein, und das Spftem würde förmlich pantheiftifch fein,. der Welt aber nur ein Scheinbafein übrig lafien, wenn nicht wie die Tranfcendenz Gottes fo das ſelb⸗ ftändige Kürfichfein der Welt dem Glauben boch fo feit ſtünde, dag in die Grunbfäden noch ein anderer Einfchlag gebracht wird. " Freilich ift nur Bott die Realität ſchlechthin, alles Andere mit: bin fann nur in dem Maße Sein haben, ald ed zum Wefen Gottes irgendwie gehört ?) und die Confequenz hiervon fcheint — — 2) Bgl. die Ambigua bes Maximus Confeſſor bei Scotus Eri⸗ gena de divis. Nat. ed. Ox., Anhang. 342 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt IIL fein zu müffen, daß das Eigenthümliche der Welt erſt ba be: ginnt, wo das Sein überhaupt aufhört, alfo bei dem Nichte ; was aber Sein in der Welt it, das fcheint vielmehr Gott zu fein. Das wäre rein afosmiftifcher Pantheismus an den Elea⸗ tismus erinnernd. Allein ſchon die Jahrhunderte um Chrifti Geburt hatten eine Theorie gefucht, welche die fchlechthinige Tranſcendenz Gottes Mit der Selbftändigfeit der Welt, beibe aber damit vereinigen follte, daß Gott ber Urſprung und das Ziel der Welt, fofern fie real ift, fei. Das ift die Vorſtellung des Emanatismus °) einer Mifchung des vorchriftlichen. und hriftlichen Gottesbegriffes. Dem Cmanatismus ift Gott üher bie Welt die aus feiner Fülle ſtammt, einerfeits fchlechthin er: haben; er ift das Unendliche und urſprünglich alleinige Sein, aber aus ihm ijt auch eine Welt hervorgegangen, welche abfteigt bis zu den unterften Timitirteften Stufen des Daſeins, wo das Nichte bie größefte Gewalt hat. Gleichwohl, fofern diefe Wefenftufen außerhalb Gottes find, find fie felbftändig und in ihrer Sphäre Gott Ähnlich, waltend wie Gott in feiner Sphäre, zumal fie, fofern ihnen Sein beimohnt, göttliche Wefen haben, probuctive Kräfte des Guten von Natur, mur in geringerem Maße als Gott. Sie haben alfo auch Freiheit, d. h. bewußte Cauſalität in ihren vernünftigen Klaffen. Sind fie einmal geſetzt, fo bes wegt fie folgerichtig Gott nicht von Innen, noch weniger findet eine immer innigere Vermählung Gottes mit ihrem Weſen ftatt, fondern fie bewegen vermöge ihres (göttlichen) Weſens ſich felbft, berm Gott ift hier nicht übergreifendes Sein, fondern hält fi) als das unendlihe Wefen aufferhalb bes Endlichen, — unver- ändert auch in der Emanation der Welt, wie ja fhon Philo ſelbſt Das göttliche Leben einem ewig überfprudelnden und doch nie fich entleerenden Becher verglih. So kann alfo auf Pan: theismug eine beiftifhe Anſchauung aufgepfropft werden, wie fie bem Pelagianismus zufagt. Jedoch in ber Beftimmung des Zieles bricht unwillkürlich Die pantheiftifche Baſis wieder durch. Denn ber Emanatismus fofern in ihm ein ethifcher Trieb wirft, —— — — — — — - 9 Bgl. Heinrich Ritter, die Emanationdlehre. — — Einleitung. Gottesbegriff. 343 fieht die Entfernung von Gott, die ihm mit ber Entflehung ber Weltwefen gefest it, ald Sünde ober Abfall an, als Ideal daher die Aufhebung des außer Gott Seins, das Entrücktwerden aus fich ſelbſt und über fich ſelbſt hinaus in das göttliche Wefen, wie wir bas fo vielfach als einen ethifchen Grundfag der vom Neoplatonismus tingirten Dentweife gefunden haben. Die Eon: fequenz wäre num freifich, daß bei diefer nur quantitativen Auf: faffung des Lnterfchiebes zmifchen Gott und Welt, ja von Gut und Böfe, Die Erlöfung Aufhebung der Welt wäre, wie bie Trenn- ung von Gott ber Welt Anfang ward, Aber dieſe emanatifti- fhen Boritellungen erfuhren, je mehr das chriftliche Princip fi geltend machte, deſto mehr Mobificationen , ſowohl an biefen als an andern Punkten, wodurch fie ihrer inneren Widerfprüche fich zu entlebigen fuchten. Obgleich nemlich dem Emanatismus in alfen feinen Formen weſentlich iſt, als das Innerſte, Höchſte in Gott nur das abſolute phyſiſche Sein zu ſetzen, als das Weſen der Welt aber ſo weit ſie iſt, nur Gottes Weſen, wobei höchſtens ein quantitativer Unterſchied zwiſchen Gott und Welt bleibt: ſo zeigt ſich doch hiebei, wie der Emanatismus immer mehr über ſich hinausgetrieben wird. Bei Erigena, wenn er auch von göttlicher Cauſalität ſpricht, gedeiht die Welt noch nicht einmal zu der Selbſtändigkeit, wie im Emanatismus. Er bleibt im Weſentlichen dabei ſtehen, daß nur Gott iſt (Acosmismus) und Sein hat; die Welt nur Erſcheinung oder Symbol Gottes ſein kann. Denn um freie Urſache zu ſein, die ein wirklich Anderes and ſich entläßt, müßte Gott etwas Beſtimmteres fein, als das abfolute Sein, dürfte feine Geiftigfeit nicht ald Secuns bäres, Accefforifches behandelt werden. Da kann alfo auch von feiner Mittheilung Gottes, noch weniger von eigentlicher Incar⸗ nation bie Rebe fein. Es durchbricht ja weder Gott hier die Schranfen, die ihm feine Unendlichkeit auferlegt , noch kommt eine Welt zum Steben, an welde bie Deittheilung geſchehen Tönnte, Aber das chriftliche Bemußtfein Iebt davon, daß es fich Gott mittheilend denfen darf. Mittheilung aber fett, wenn fie nicht Schein fein foll, das reale Dafein verfchiebener des Mit theilenden und Empfangenden voraus, Diefes weist zurüd auf 344 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt IN. \ . ben Heroorgang ber Welt aus Gott; die Erlöfung und Vollen⸗ bung hat feinen Sinn ohne die Schöpfung. Die Kategorie bes Wefens und der Erfheinung war fortzubilden zu der ber Urfache und Wirfung. Damit befchäftigen fih Anfelm, bie Biktoriner, Thomas, Duns Sfotug, welder bei dem Wil: len anlangt. Doc verweilen wir etwas bei den Hauptgeftalten ! 1. An den legten großen Bertreter des Platonigmus, am Marimus fhloß fih Johannes Skotus Erigena im folgenden Jahrhundert an (de divisione naturae L. V. Ox. 1681), der nicht blos ein Geiftesverwandter war, ſondern auch in fehr vielen Punkten feines Syftems von ihm beſtimmt ifl. Wie weit bie Aehnlichfeit beider in den Grundgedanfen gehe, ift erfi neuer- dings gebührend hervorgehoben. *) Es fpielt auch bei Erigena bie negative und affirmative Theologie (vgl. ob. S. 197.289 f.) ihre große Rolle und bildet den Hebel für die Fortbewegung bes Syitems, womit bereit bie Doppelheit des Ausgangspunftes be- zeichnet ift; einerfeits das empirifche Wiffen von einer Vielheit, anbererfeitd das Vernunftwiſſen von einer Einheit, Gott. Auch bie Bielheit ſtammt ihm nicht mehr aus einer ewigen von Gott unabhängigen Materie; ihre Urfachen hat Gott einzig in ſich felber. Es ift alfo in letter Beziehung Gott allein die Einheit, und die Bielheit hat fein Prinzip ihrer felbft außer Gott. Es käme nun nur darauf an, zu zeigen, wie fie aus ber göttlichen Einheit wird und hervorgeht. Allein ber ben Erigena noch beherrfchenbe neuplatonifche Gotteshegriff macht es unmöglich, Diefes zu leiften. Haben wir felbft bei Marimus gefehen, wie er (trog feiner ethifchen Freiheitslehre) in feinem Gottesbegriff über den Areopagiten nicht wefentlich hinausfommt , fo gilt daffelbe ähnlih von Erigena. Gott ift in letzter Beziehung das über: feiende Sein, von dem auch das Sein nicht Tann präbizirt wer- ben, weil er bie abfolute Einheit aller Gegenfäge nicht wäre, wenn er das Nichtfein nicht wäre und das Sichnichtwiflen, wie das Sein und das Wiffen. Wäre er irgend etwas Beftimmteg, fo wäre er für biefen Standpunkt nicht mehr das Abſolute. Er 9 Baura. a. D. 2, 269 ff. Einleitung. Gottesbegriff. Erigena. 345 it alfo das fchlechthin abſtrakte Sein, das zugleich Nichts iſt. Es ift Mar, daß aus biefem eleatifchen Gotiesbegriff bie Welt nicht kann abgeleitet werden. Die Trinität in Gott wird zum bloßen Namen. Nun ift aber die Welt da, wie wir aus ber Empirie wiffen, und es fragt fih, wenn fie doch nicht kann a priori aus Gott abgeleitet werben, wie fie ſich mit dem Gottes⸗ begriffe der Spefulation wenigftens reimt Der rechte Begriff von ihr wird ihre Bereinbarfeit mit dem Gottesbegriff nachwei- fen können und dadurch vielleicht auch auf dieſen ſelbſt ein Licht zurüdfallen laſſen. Das ift um fo mehr zu hoffen, ba die Welt nad) ihrem Bes griffe auf Gott als ihren ewigen Ausgangs: und Zielpunft zurüd: weist (V, 24). Die ihre Realität anerfennende bejahende Theologie muß auf Gott als ihre Urfache zurüdgehen. Es kommt alfo darauf an, zu zeigen, daß Gott wie übermwefentlih und ſchlechthin tranfcendent, fo auch Urfache oder Welt der Urfachen fei, der die Welt als Wirkung gegenüber fteht. Die Armuth ber Kate: gorie des Seins oder ber Realität bringt es nun mit fih, daß ber Fortgang nur durch Theilung des Seins (divisio na- turae) geſchehen kann. Das Verhältniß zwifchen Gott und Welt wird fo beftimmt, daß Gott logiſch das primitive Ganze oder Au iſt, dieſes Alls Theile aber bilden die Welt. Oder -in ver: wandten Bild: das Sein, das Gott ift, ift das allgemeine Weſen, gleihfam der Gattungsbegriff nicht als fubjeftives Pro⸗ buft der Reflerion, fondern platonifch als Realität, ja auch nicht bios als Urbild, fondern auch als produktive, fruchtbare Urfache. Diefes allgemeine Wefen artet und indivibuirt fih, und dieſe feine Selbftanalyfe ift die Schöpfung einer realen Welt; fie bat aber ewig ihr Endziel wieder in Gott und die Selbftauflöfung Analytif der Welt, als außer einander liegender Enblichfeit und Bielheit, ift deren Vollendung. Der ewige Hervorgang Gottes aus fi) (processus) ruft die Vielheit hervor, die Rück⸗ fehr des Bielen in bie Einheit ift deffen Ziel. Das Univerfum iſt ihm wie eine genealogifche Karte, welche auffteigend und ab- fleigend zugleich gelefen werben muß, deren Glieder aber fich nicht blos (deiſtiſch) aus andern Gliedern, fondern auch alle flets 346 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt II. aus Gott ableiten. Doc das genealogifche (zeitliche) Verhältniß für fih wäre nur Suceeffion; es ift aber auch wieder Alles, fofern es nicht blos Scheinfein ift, zu begreifen als fimultan präfent (gleichfam wie auf einer eingetheilten Landfarte) in den causae primordiales, deren Einheitspunft das Wort Gotted mit der in ihm enthaltenen intelligibefn Welt ift (II, 16. V, 25). Die Natur als Einheit deifen, was ift und nicht ift (natura- universitas, Gott und Menfchen umfchließend), zerfällt ihm in vier Grundformen. Die erfte fchafft und wirb nicht gefchaffen ; die zweite wird gefchaffen und ſchafft; die dritte wird gefchaffen und fehafft nicht, bie vierte wird nicht gefchaffen und fchafft nicht. 5) Der Eintheilungsgrund iſt alfo ber pofitiv und negativ ange wandte Begriff der fehöpferifchen Saufalität und der Wirkung. Wie nun ber überwefentliche Gott doch zugleich Caufalität fet und warum er ſich dazu beftimme, bas wird nicht erörtert, fons bern nur das fteht dem Erigena feft, Daß er das Motiv dazu in fich felbft tragen müffe. Als das üderwefentliche Sein Tann er nicht hervortreten, um Gaufalität zu fein. Urfächlichkeit zu fein bringt in Gott eine Beſtimmung, welche feiner abftraften Ein: fachheit und Sichfeldftgleichheit widerſpricht. Wie reimt er nun bas Beſtehen einer Welt und zwar eimer folchen, in ber Gottes Sein immanent ift mit dem abftraft einfachen Charakter dieſes feines Seins? Dadurch, daß er — an Verwandtes bei Marimus ja Sabelliug ſich anfchließend — die Welt unter dem Gefichtspunft ber Erfheinung Gottes, der Theophanie betradhtet.*) Dem bas hat die Theophanie an ſich, die Gegenwart Gottes zu ſym⸗ bofifiven, aber nicht eigentlich auszubrüden. Die Thenphanie ift als Gottes That, micht blos als ein Modus feines Seins ges dacht; in ihr aber bleibt doch Gott was er ift, überwefentlich, 5) Die vierte bezeichnet Gottes Übermweltliches Sein, bie erfte Gott, fofern in ihm die Potenz zur Schöpfung ligt. Diefe wird in der zweiten zur Idealwelt, die Cauſalität iſt für die dritte, die Welt der Wirkungen. 6) L. V, 25. ©. 253. c. 26. ©. 256. I, 7. 8. Die apparitiones divinae find causarum aeteruarum imagines, die causa alfo erſcheinendes Befen. Einleitung. Mittelalterlicher Gottesbegriff. Erigena. 347 er ſcheint nur hinein in die Welt, daß er aus ihr wieder her⸗ porleuchte und von dem Geifte der Bernunftwefen ja nad ihrer Empfänglichfeit erfannt werde. Die Theophanie erfordert nun freilich ein Meblum, einen Stoff, darin fie erfcheint. Wir wollen bei der Frage, woher biefer Stoff? nicht Tänger verweilen, obwohl Cauſalität und Wirkung in ber Theophanie auf die Kategorie von Wefen und Erſcheinung redueirt find und feine wahre Stelle mehr behalten, wenn nicht etwa bei bem Stoffe, in welchem bie Theophanie gefchieht. 7) Genug, er fagt: Gott nehme aus fich felhft Stoff und Veran⸗ laffung der Theophanie; er benft darin Gott wirffich urfächlich und zwar in mandfaltiger Ferm, fo daß namentlich auch ber Geift zum Ebenbild Gottes gefchaffen eine Theophanie fein fann und if.) Wichtiger ald biefes ift, daß er ben vernünftigen Geiſt ald den Zwed barftellt, für welchen bie Theophanie if. Nicht für ſich ſelbſt, noch für die Natur geht Gott zu feinen apparitiones fort, fondern der Menſch befonderd, feine Selig: feit und Gotteserfenntniß ift Dabei Gottes Zwei.) ft aber ber Menfch als Zweck Gottes in Gott aufgenommen, fo ift er als reale Wirkung gewollt und bie göttlihe Cauſalität erreicht bier ihre Spige. Der wahre Menſch ift Mikrokosmos, bie voll: fommenfte Theophanie, anbererfeits Zweck aller Theophanie in dem Mafrofosmus, die Mitte des Allg, Anfang und Ende, bie äußerften Gegenfäge in ſich zufammenfaffend und darin Gottes ) Alles Sinnliche, die ganze Sichtbarkeit ift ihm nur ein Schein der wahren Welt, in der fie allein befteht, aus ver fie ift, in bie fie zurückkehrt dadurch, daß fie die Sichtbarkeit, Materiatur überhaupt verliert, ohne aber fih ſelbſt zu verlieren. Denn das wahre Weſen der Dinge iſt ewig in ihren causis primord., in bie fie wiederfehren. Diefe Sinnlichkeit it nur ein Accidens des Weſens, und biefes kann nicht finnlich wahrgenommen, nur geiftig er: fannt werden. Sie ift nur ein Schatten des Körpers, nur ein Echo der Stimme. L. V, 25. ©. 253. cell. I, 3, ®, Die divina essentia if} per se incomprehensibilis, aber fie erſcheint per tutellectum (d. i. des Menſchen Weſen) in intellectibus I, 10. 7. 917.8. 348 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt IT. Ebenbild und Zweck (I, 9). In ihm gebt alfe das Syftem, das bie Welt nur ald Erfcheinung Gottes, ald Theophanie auf: faßt, bereits über fich hinaus; im Menſchen, der Selbſtzweck ift, kommt e8 zu etwas abfolut Werthvollem neben Gott, das gleich⸗ wohl in Gott und feiner Immanenz begründet fein muß, daher ſich doch Erigena nicht enthalten fann, in Gott ein doppeltes Sein zu unterfcheiden,, jenes unerfchloflene Abfolute und ein An- deres ale biefes, welches die Prinzipien der realen Welt, d. h. in Iegter Beziehung des wahren Menfchen, des Geiftes. in ſich trägt, was man fpäter durch den Linterfchieb zwiſchen Gottes unmittheilbarem und mittheilbarem Wefen nah Maximus aus: zudrücken fucht.'") Die Immanenz nun, wonach Gott dad wahre Weſen der Welt ift und bleibt, wird mit ber Caufalität, beren Realität eine wahre von Gott verfihiebene Wirkung Gottes fors bert, dadurch vereinigt, daß die Vollendung der Kreatur mit ind Auge gefaßt wird, Der Ausgang aus Gott führt in bie Diffe⸗ renz, und zwar in immer weiter gehende bis zu bem Unter fhieb von Simnlichfeit und Geift, Sünde mit eingefchloffen, und dem von Mann und Weib, wodurd bie reine dee des Men⸗ fhen, die Gottes ewiger Zweck ift, mit Thierähnlichem behaftet wird. Es kann foheinen, als ob in der Spige biefer Differen- ziirung fi) am meiften die Unterfchieblichfeit realer Wirkungen von Gott, alfo am meilten die Realität ver Welt offenbare. Alen Erigena ift hievon fehr weit entfernt. Bollfommene Urfache ift Gott nur in der Vollendung, wo bie Caufalität ganz gewirkt hat, Die Wirkung alfo der Urſache gleich geworben und aus ihrer Differenziirung, bie nur ein Scheinfein begründet, zur |—— — — —— 10) II, 17. Zwar dulde die einfache Natur (Gott) nichts in ſich, das nicht fie ſelbſt ſei, daher dürfe an der Ewigkeit aller Dinge die in Gott, fa die Gott find, niemand zweifeln. Divina na- tura, extra quam nihil est, et intra quam subsistunt omnia, nihil intra se recipit esse, quod sibi coössentiale non sit. Aber er fährt auch fort: creatriceom quidem naturam nihil extra se sinere — totum vero quod creavit et creat intra semet ipsum continere. its tamen, ut aliud sit ipsa, quia superessentialis est, et allud. quod in se "creavit, nam se ipsum creare non verisimile videtur. Einleitung. Mittelalterlicher Gottesbegriff. Erigena. 349 Einheit mit. ber Urſache zurückgeführt iſt. Wie ſich dieſe Rückkehr vermittelt, darüber unten em Mehreres, wie auch über bie Stelle, welche der Ehriftologie bleibt. Hier ift nur noch zu bemerfen, daß biefe Einheit der Vollendung (adunatio) zwar nad) des Erigena Meinung die Welt nicht aufheben, fondern zu ihrer Wahrheit bringen foll; ift doch als die Wahrheit der Welt und ale Gottes des Erfcheinenden Zweck der wahre Menfch, genauer, die fpefulative Gotteserkenntniß bes menfchlichen Geiftes und bie Seligfeit darin bezeichnet. Allein um diß durchführen zu Fönnen, müßte erſt der Gottesbegriff umgeftaltet fein, indem das Höchfte in Gott, das verfchloffene abftrafte Sein, das zugleich Nichts iſt, etwas fehr Leeres Teineswegs aber ein Gegenftand reicher, bes feligender Erfennmiß iſt. Es offenbart fich alfo hier nur baffelbe Unbefriedigende, ja Widerfprechende nach der theoretifchen ober fpefulativen Seite, was wir bei Marimus fanden. Beide fönnen von demfelben ererbten neoplatonifchen Gottesbegriff und feiner Scheinerhabenheit nicht los fommen, denn bie Liebe fällt nach Marimug, die Seligfeit des Erfennend nah Erigena ganz und allein auf des Menfchen Seite und fo fehlt beiden ber würdige Gegenfland; ja fie behalten, ohne es zu wiflen, bem Menfchen das befte Theil vor, Liebe und Weisheit, und ftellen damit der Sache nad) den Menfchen höher ald Gott. Dabei ift aber ein Unterfchiedb, der in der Berfchiebenheit bes Ethiſchen und des Spefulativen feinen Grund bat. Dem Marimus ift dag Ethifche, nicht die Erfenntniß als folche, fondern die liebende Er: fenntniß das Höchfte, und damit ift gegeben, daß nad) ihm ber Menſch, fi) hingebend an Gott, ihn allein zum Zwecke macht, alſo fih nur als Mittel weiß, ohne Daß Gott, ald das abftrafte Sein dag er ift, durch Gegenliebe, die auch den Menſchen zu ihrem Zwecke machte, e8 erwieberte. Denn ihm ift nicht Gott in fich die Liebe, fondern- der Menſch. So nimmt zwar ber Menſch das Beſte für fih, das Lieben, aber weil der Gegenfland ber Liebe im Innerſten nicht ethifch gedacht ift, fo ift diefe Liebe ſelbſt noch nicht vollfommen ethiſch, fondern gibt fich ſelbſt auf an das göttliche Sein in ihrer Efftafe. Sie weiß ſich nicht als zu behauptendes höchſtes Gutes, und bie Richtung auf eine wirflih reale Weit 350 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt M. durch Betonung ber ethifchen Freiheit fommt fo doch nicht zu ihrem Ziele, weil fie ihre Affirmation nicht in dem göttlichen Liebes: wefen finden fann, das vielmehr feinen egoiftiihen Schein und feine Berfchloffenheit behält. Erigena feinerfeits zeigt entjchies ben weniger ethifchen Charakter; von Liebe und Freiheit ift bei ihm fo gut wie nicht die Rede, und fo fann feine Spefulation ein bloßer Rüdfchritt gegen Maximus ſcheinen. Allein wenn er von ber Liebe des Menfchen, die Gott zum Zwecke hat, nüht rebet, vielmehr von der Spekulation, die Gott zum ©egenftand des Genuffes und der Seligfeit macht, fo thut fich hierin nicht bios fehr beſtimmt ein von Max imus verfanntes Moment bes Erhifchen auf, nemlich dag auch der Menſch Selbftzwed ift, fon- dern ebenfo nad) ber objektiven Seite hin darin, daß nach ihm der wahre Menih Gottes Zwed ift; benn damit ift, wenn auch weit nicht confequent und beftimmt genug, Gott an fich doch als die Liebe beftimmt, fo daß dieſes Höchſte, was bei Mari: mus auf des Menfchen Seite fiel, bier auf Gottes Seite zu ftehen fümmt. Aber freilih weiß Erigena als ſolchen Zweck Gottes nur die Seligfeit des Menfchen in der Contemplation zu bezeichnen und fchweigt von des Menfchen Liebe. Und fo fehlt auch bier dem Zwecke (Gottes) der würdige Gegenftand, die an ſich geſetzte Liebesthat Gottes ijt noch nicht rein ethiſch, und diß iſt ber Grund, warum auch Erigena trog dem, baß er ben Men- fhen zum Zwecke des erfcheinenden Gottes macht, Doch es nicht dazu bringt, die Welt vor dem Untergange durch ihre Vollendung fiher zu ſtellen. Dem nur burd ben ethifchen Charafter, die Freiheit, wenn er bie Welt daran partizipiren ließe, könnte er ihr bie ewige Unterfchiedenheit von Gott in der Einheit mit ihm fichern und den göttlichen Saufalitätsbegriff zur Wahrheit werben laffen. Erigenas Syſtem hat unverkennbar eine emanatiftifche Grundlage. Dahin gehört ber processus aus Gott, die uns mittelbare Wefensgleichheit der Welt mit Gott, beſonders aber ber Gedanke ber divisio, welche, je weiter fie fortichreitet, deſto mehr von dem Einfachen, Göttlichen entfernt. '’) Dagegen bleibt 1 Im Dedilationsichreiben an Karl den Kahlen, zu der von biefem Einleitung. Mittelalterticher Gottesbegriff. Erigene. 351 ihm die Seite des Emanatismus fremd‘, wonach bie von ber göttlichen Vollkommenheit ſich entfernende Welt zu einer gottver⸗ laſſenen Selbftändigfeit deiftifch fortfchritte. Vielmehr hält er mehr platonifch an ber übergreifenden Immanenz Gottes in der Welt auch als zerfpaltener feft und läßt fie, fofern fie wirklich ift, ftets in ihren primordiales causae begründet, ja in Gott enthalten und Gott fein. Cher ald zur Lehre von jener Selbitänbigfeit” ber Welt, die feinem nicht ethifhen Monismus abfolut zuwider it, läßt er fich zu dem Verſuch hinreißen, die Getheiltheit, Sinn lichkeit, Sünde ald bloßen Schein zu behandeln, ber vor ber wahren Das Ganze umfaffenden Contemplation ſchwinde und fich in die vollfte ewige Harmonie auflöfe. Da wird ihm dann für die wahre Betrachtung Dasjenige an jenem Allem, was von Dies fer Harmonie verworfen würde, zum Nichtfeienden, Dasjenige daran aber, was doch ift, ift als gut und der Schönheit des Weltganzen bienend aufzufaflen. ') Bliebe Erigena biebei ſtehen, fo würbe bei folcher- ftets vorhandenen Apokataſtaſis jeg⸗ licher Fortfchritt, jegliche Gefchichte negirt, fo wäre das Ethiſche, das er wenigftend in Korm der wahren Erfenntniß noch als das Allgemeine Ziel fefthält, völlig in einen ewig in ſich felbft Frei- fenden Naturprozeß verfenft. Allein von diefer Confequenz hält er fih im Ganzen ferne, fieht nicht blos die Erfenntniß noch als der Bollfommenheit und Befreiung bebürftig an — (mas an fih wohl damit beftünde, daß in der Welt Alles in befter Orb: nung fei und nur die Auffaffung der Welt durch den Fehler ber Bereinzelung zerrüttet), fondern auch bie Getheiltheit und Sinn- lichfeit, welche freilich es nie zu einer vollen Realität bringen fann, aber doch ein realer Mangel an ber Lebensmacht ber göttlichen Einheit in der Welt ift, muß nah ihm durch einen Prozeß überwunden werben, den wir nun fennen zu lernen haben. verlangten Ueberfegung der Scholien des Marimug zu Öregor v. Ras. fagt er: Man Ierne von Marimus unter Anderem: qua ratione, quae sunt maxima multiplicatione, minima sunt virtute. 2, Eine gewiffe divisio ift nöthig zum Erkennen (dem höchſten Gut). IV, 6. 8. 178. 352 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IT, Einerfeitd zwar iſt dieſe fichtbare Welt mır ein Accidens bed Weſens, nur ein Schatten der wahren Geftalt, nur ein Echo der Stimme. Denn die wahre Welt ruht in dem Verbum; bie primordiales causae , beren forma intellectualis, univer- salis das Wort ift, find das wahre ewige Wefen der Welt, in das biefe zurüdfehrt aus dem groben finnlihen Schein. Und ba ligt die Trage des Schülers nahe (L. V, 24): fage mir denn, ob das Wort Gottes, in welchem bie Urfachen aller Dinge auf ewige Weife beſtehen, eingetreten fei in die Wirfungen der Ur fachen, d. 5. in dieſe fichfbare Welt oder nicht? Alfo: ob nicht auch die Menſchwerdung zum Scheine werde, wenn die Sicht: barfeit ald Schein behandelt wird? Der Lehrer antwortet zuerft: Wer die Menfchwerdung läugnet, ber ift ber wahren Religion fremd geworben. Wie er das meint, wird durch feine Lehre vom Menfchen deutlicher. Er fucht zu zeigen, daß der Menſch mehr als Schein ſei. Er ift nad) dem Bilde ber Trinität gemacht (1, 23). Die Auszeichnung der menfchlichen Natur ift, die Sub- ftanzen aller Dinge in ſich zu vereinigen. In ihm ift alle ficht: bare und unfichtbare Kreatur zufammengefchloffen,, Geiftiges und Leibliches, daher er die Werfftätte heißt und bie Mitte von Allem; benn in ihm ift Alles enthalten, was auf Gott folgt, auch die Engel. Man fann fo einen Augenblid meinen, Erigena nehme ben Anlauf, um im Menfchen auch für die materielle Natur eine Bedeutung, ohnehin aber die Stätte univerfaler Empfänglichfeit für das univerfale Prinzip des Logos zu gewinnen. Aber ſo⸗ fort Ienft er wieder ein. So hoch ſteht der Menſch nad) feiner Integrität betrachtet, die das Paradies ift (IV, 15). Da ift ihm das Wort der Lebensbaum, da ift er in feiner Idealwelt, in feiner Heimath. Aber in diefem Paradied waren die Proto⸗ plaften nicht zeitlich. Den materiellen Leib hat der Menſch nicht urfprünglich, fondern erft durch die Sünde (IV, 13); die Sünde aber freilich ift nicht erft eine Zeitlang nach feinem irbifchen Dafein geworden, fonbern fällt mit dem Eintritt in die Welt bes Getheilten zufammen. Die Erlöfung muß ihm daher beftehen in ber Negation biefes Abfalls, in ber Umwendung der Wirkun⸗ gen in ihre primorbialen Urfachen, in ber Aufhebung bes Ges J Erigenas Gottesbegriff und Chriſtologie. 353 theilten (II, 14. S. 55. IV, 15. ©. 197 ff.), dieſem phyſiſchen Proceß. | Es fieht alfo dem Erigena feit, daß biefes materielle, getheilte Sein doch nicht bloßer nichtiger Schein, fondern ein - Schein ift, der eine Bedeutung und Macht bat, daher much real überwunden fein will. Nur foheint eine Menfchwerbung nad biefen Prämiffen unmöglich, denn an der leiblichen Natur Antheil nehmend, müßte Chriftus auch in die Befledung ber Sünde ein- gehen. Aber auch überflüſſig; denn dieſe Zurüdführung in bie causas primordiales fcheint ein allgemeinerer Tosmifcher Proceß fein zu müſſen, zu welchem Chriſti Menfchheit nichts beitragen fann, vielmehr nur die allmächtige Gottheit des Wortes. Gleihwohl läßt er den Lehrer auf obige Frage (V, 24) weiter antworten: Er hat Knechtsgeſtalt und die ganze menfchliche Natur angenommen; in biefer aber fubflftirt die ganze Welt. Sp bat das Wort Gottes, in welchem Alles gemacht ift und urſäch⸗ licher Weiſe befteht, nach feiner Gottheit ſich berabgelaffen in Die Wirfungen biefer Urfachen, in dieſe finnliche Welt, bie menſch⸗ liche Natur ammehmend, in ber alle füchtbare und unfichtbare Kreatur enthalten if. Und das ift deßhalb gefchehen, um bie Wirkungen der Urfachen, welche er nad) feiner Gottheit ewig in fich trägt, nach feiner Menſchheit zu retten und fie in ihre Ur⸗ fachen zurückzurufen, damit biefe in ifmen durch eine unausfprech- - - liche Einigung erhalten würden. Stiege Gottes Weisheit nicht herab in die Wirkungen der Urfachen, fo gienge auch) bie Ur: fächlichfeitt unter; denn mit bem Untergange ber Wirkungen bfiebe auch Feine Urfache, wie umgefehrt: denn das ift Die Art folcher Verhältnißbegriffe, mit eingnder zu ftehen und zu fallen (S. 252). Hierin ligt der Gedanke: ohne die Menfchwerbung drohte der Untergang ber Welt der Wirkungen und dadurch auch ber Urſachen. Wiefern aber? Hat er Doch gelehrt, daß bie effectus ewig beftehen in ben causis primordialibus, in ihnen ihr wahres Wefen und Sein.haben. Man könnte verfucht fein, ihn fo zu verfiehen, daß ihm Chriftus nichts Anderes fei, als ber Ausdruck bes ewigen Berhältnifies, daß die effectus trog bes entgegen Dorner, Chriſtologie. IL 2te Aufl. 23 354 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt IM. geſetzten Scheines ewig in ihren Urfachen ruhen, und biefe fich ewig zu den effectus entfalten. Da wäre Chriſtus nur Symbol einer allgemeinen und ewigen Wahrheit, der Einheit Gottes mit der Welt, vornemlih dem Menfchen als der Mitte der Welt. Da fagte er dann nur: ſo gewiß wir als Chriften glauben, daß Das ewige Wort in Chriftus herniedergeſtiegen ift in bie Welt ber Wirfungen, und die Menfchheit, in der das AU ruht, rubet in dem Worte, fo gewiß ift auch daran feflzubalten, daß über⸗ haupt das ewige Wort ewig mit ber Welt der Wirfungen in Einheit ift und bleibt; und ohne dieſes (ewige) Herniederſteigen ber causae primordiales, deren Archetyp das Wort ift, in bie Wirkungen, würden biefe felbft Nichts fein. — Allein ba wäre Ehriftus nur eine finnbilbliche Figur für ein Philoſophem, für ein allgemeines, unzerflörliches Verhältniß zwifchen Urfache und Wirfung; er hätte da feine Bedeutung für eine reale Erlöfung oder Bollendung, weil die Welt eigentlich ftets in ihren ewigen Urgründen wohl bewahrt wäre. Das kann aber fchon bephalb feine Meinung nicht fein, weil er doch die Getheiltheit und das materielle Sein als ein Uebel bezeichnet, wovon eine Erlöfung Noth thut. Hat jened Uebel, mit welchem Sünde gegeben ift, gleich nicht bie weſenhafte Realität, wie die Idealwelt, fo bemeist “ ihm das doch nur, daß es überwinblich, nicht aber Daß eine Er- Iöfung von dieſem Scheine nicht nöthig. ifl. Nun ift freilich wahr, daß dem Erigena bie Erlöfung zus meift in der Weisheit, in dem fpefulativen Wiſſen befteht. Aber doch muß auch diefes erft gewonnen werben (S. 282 ff.) und iſt nicht von felbft da. Vielmehr ift zunächft fein Gegentheil Gegenwart. Und Hier ift nun der Punft, wo er ben Prozeß ber Voll⸗ endbung ber Welt an Ehrifti Perfon anzufchließen fucht. In dem Eingebornen Menfchgemordenen ift zuerft individuell (specialiter) bie ganze Welt hergeftellt worden: am Ende ber Welt wird fie in ihm allgemein und generell wieder bergeftellt werden. Was er an fich fpeziell vollbracht, wird er an Allen vollbringen, nicht blos an den Menfchen, fondern an aller fichtbaren Kreatur. Denn in feiner Menſchwerdung hat das Wort Gottes feine gefchaffene Subftanz übergangen, feine unangenommen gelaffen: die menſch⸗ Erigenas Chriftologie. 355 liche Natur annehmend, hat er alle Kreatur angenommen. Folglich, wenn er feine angenommene menfchliche Natur wieder bergeftellt bat, fo hat er alle fihtbare und unfihtbare Kreatur hergeſtellt. Run bat er wirklich die ganze menfchliche Natur annehmend, fie in ſich ganz über alles Sichtbare hinaus in feine Gottheit ver: wandelt Cconvertit). Folglich hat er die ganze menfchliche Natur, bie er ganz annahm, ganz in fich felbft und ganz im ganzen Ge⸗ fhlechte gerettet (S. 252). Chrifti Menfchheit ift ihm dabei nicht bios in der Art bie Zufammenfaffung bed mundus, mie jeder Menſch, fondern in Chrifti Menſchheit find die primitiae ber ganzen Menfchheit (L. V, 27. ©. 257). Die ganze Menfchbeit it in ihm erhöhet und ſitzend zur Rechten Gottes (II, 23. S. 72). Sie iſt in ihm zu Gott geworden. Und das Eigenthümliche hat das Haupt der Kirche ſich felbft vorbehalten, daß feine Menfch- beit der Gottheit nicht blos theilhaft ober deifizirt, fondern daß fie felbft Gottheit würde (verum etiam ipsa Deitas fieret). In ihm allen ift die Menſchheit ber Gottheit in Einheit der Sub: ſtanz adımirt (S. 252). Das er damit die Dienfchwerbung wieder auflöfen und nur das Verbum als das umiverfale Prinzip der Vollendung binftellen wolle, fann nicht behauptet werden, obwohl er nur befhalb jo wie wir fahen fprechen fann, weil ihm bie eigentliche Hauptſache in Chriftus nur die Gottheit ifl. Ebenfowenig Gewicht Darf aber auch auf fein Belenntmiß zur orthodoren Lehre von zwei Naturen gelegt werden (L. V, 25—27). Denn dazu kann er ſich höch⸗ ftens befennen für Chrifti irbifches Leben. Aber auf welche Weife vermittelt min Ehriftus unfere Rück⸗ fehr in die primordialen Urfachen? Bor allem jo, daß er wie ges fagt in feiner Perfon diefe Rückkehr in Gott auf die vollfommenfte Weife zuerft vollbringt, in ihm aber urbilblih, ja prinzipiell fhon die der ganzen Menfchheit ligt. Sodann fo, baß ex hiemit auch für den Adunationsprozeß außer ihm zur vermittelnben Urſache ward. Das Wort Gottes war allen vernünftigen Wefen, ben fihtbaren und unfichtbaren unbegreiflih, fagt er (L. V, 25. ©. 252. 253), bevor es Menfch warb, aber in ber Incarnation gleichfam herabſteigend ift es erfennbar geworhen, Damit . 2 2 356 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL iſt aber auch das Urbild deſſen, was wir ſein werden, erſchienen. Denn (II, 14. S. 55) wenn Chriſtus, der Alles erkennt, ja der Verſtand von Allem iſt, in Wahrheit Alles, was er angenom⸗ men, geordnet hat: wer wird zweifeln, daß, was zuerft an dem Haupte gefhah, zum Mufterbilb für die ganze menfchliche Natur, auch nachfolgen werde in dem Ganzen? Freilich bleibt hiebei noch immer unerledigt, wie denn Chris ftus ohne Sünde in biefe geiheilte Natur und Welt habe ein- treten und alfo Das leiften fünnen, was wir fo eben fanden. Eriöfer fann doch nicht Derjenige fein, ber felbft mit ber Ge theiltheit behaftet ft, wovon bie Erlöfung nöthig ift, fondern nur Der, in welchem feine Gefpaltenheit mehr ift, ber bie differentia ı mystice in spiritum aufert (II, 14. ©. 55 cell. V, 20. ©. 243). Ligt darin nicht, daß nur ber Erhöhete Erlöſer ift, wie er auch Ehriftus den zweiten Adam deßhalb heißen läßt, weil in ihm abunirt fei, was im erften Abam in Zertrennung (3.3. des Ges fhlehts) gegangen war (L. IV, 20. ©. 211)? Er geht auf bie Frage nicht näher ein, wie Chriflus, wem er ſelbſt erft ber Befreiung von ber Getheiltheit beburfte, jenes Mufterbilb für ung erfennbar habe darftellen können? Jedoch Fonnte er bier wieder an feiner Lehre von den göttlichen Theophanieen eine Stüge finden, bie ihm um fo näher lag, meil er dadurch auch mit jener feiner Auffafjung der Welt im Einflange bleibt, wonach biefe ganze Sichtbarkeit nur ein Echo der wahren Welt, nur ihr flüchtiger Widerfchein if. Das göttliche Wefen an ſich ift für bie Betrachtung fchlechthin unerreichbar und kann auch in ber Menfchwerdung nicht ganz faßbar werben. Inſofern Gott übers wefentlich if, kann er alfo allerdings nicht Menfch werden, am wenigften eingehen in die Getheiltheit und Gefpaltenheit, z. B. der Gefchlechter. Das wäre eine Negation feiner felbft, ein Abfall von fih. Inſofern alfo Ehriftus an jener Getheiltheit noch par⸗ tizipirt,, infofern ift er noch nicht der vollfommene Gottmenſch (Gott in ihm noch nicht Menſch geworden und ber Menſch nicht Gott). In dem biftorifhen Chriftus fann daher Gott nur in einer Weife ſich offenbart haben, welche zugleich eine Negation davon ift, daß er wirklich in ihm hervortrete, d. b. er kann nur Erigenas Chriſtologie. 357 in dem Bilde ſich zeigen, welches einen Willen ausbrüdt, für gegenwärtig zu gelten, zugleich mit ber Korberung an bie Men⸗ fhen, durch das Bild fi) anregen zu lafien, um in Negation des Bildes ſich in das Bildloſe oder Urbilbliche zu ſchwingen. In feiner einzelnen Perfon und Geftalt fann Gott ſich nach feinem Weſen offenbaren, alfo auch in Ehrifti irdifcher Erfcheinung nicht: an ihr offenbarte das Wort nur, wie burch einen Refler feiner ſelbſt, daß Gott, nit was er if. Das offenbart num freilich auch die fichtbare Welt überhaupt, fofern fie ihre Wahrheit nur im Ewigen hat, und er ift folgerichtig genug, bie Theophanie in Chriftus in Eine Reihe zu ftellen mit einer multiplex theophania, wodurch das Wort ohne Ende in bie Erfenntniß englifcher und menfchlicher Naturen eintrat (L. V, 25. 26). Das gefchichtliche Leben Chriſti hat aber nah ihm doch das Auggezeichnete, daß es jened Hinausgehen über die Theophanie ind Urbild⸗ liche Durch Chrifti Gefchichte felbft fordert und erleichtert. Denn fie geflattet nicht, feinen Begriff abzufchließen mit feinem zeit- lichen Leben, das noch mit Bergänglichfeit behaftet ift; feinem irdiſchen Dafein folgte ja feine Auferflehung und Himmelfahrt, worin objektiv die Forderung enthalten ift, nicht bei feiner irdi⸗ fhen Erſcheinung fteben zu bleiben, fondern ihn in feiner Wahr- beit zu ergreifen, wonad er alles Endliche, Getheilte, Materielle überfchritten und bie ewige abfolute Adunatio yon Gott und ber Kreatur vollbracht hat. Und fo wenig er Chrifli ir diſchem Leben feines inneren ethifchen Gehaltes willen eine wahre Be⸗ deutung abzugewinnen weiß: es ift ihm doch in fofern vor Anderem eine bebeutfame Theophanie, als barin fchon Borandeutungen jenes übergefchichtlichen höhern Dafeins vorfommen (3. DB. das Wandeln auf dem Meer, die Verflärung), in dag er ſtufenweiſe durch Tod, Auferftehung und Himmelfahrt eingehen follte, und in das er ebenfo flufenweife die Menſchheit und die Natur. erheben wird; denn er ift in feiner Vollendung felbit Gottheit geworben. Der Einfluß des Erigena ift im Anfang bes Mittelalters fein geringer gewefen. ?°) Kür einen großen Theil feiner pan- 1 3. 8. in dem Lib. I Exceptionum c. 24, das dem Richard von St. Viktor zugefchrieben wird, heißt er Erfinder ber Theologla. 358 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt IL. theiftifchen Site war er durch den Pfeuboareopagiten und Mari: mus gebedt, die auch im Mittelalter in höchſten Ehren fanden; befonders aber fam ihm zu Statten, baß bie ältere, roma⸗ niſche Myſtik des Mittelalters (sec. 12), ſowie bie davon fer- mentirte Scholaftit noch eine ihm fehr verwandte Seite an ſich bat, fowie, daß bie erſte Zeit der Scholaftif überhaupt dem Pla tonismus befreundet if. Erſt 1209 wurde aus Beranlaffung ber Amalricianer das Hauptwerk des Erigena von ber Parifer Univerfität verworfen. 2. Dem Anfelmug ift Gott nicht blos das unendliche be- fiimmungsiofe Meer des Seins; biefes Meer der Unendlichkeit fucht bei ihm ein Centrum, woburd Gott ſich denkt und hat. '*) — “) Auch dem Anfelmus freilich if das Allgemeine überhaupt ein felbfländig Wirkliches und das Einzelne wohl die Erfcheinung- aber nicht die Realität deſſelben. Haſſe, Anfelm v. Canterbury 1852. II, 98. Auch Anfelms Eintheilung ver Wahrheit (des Wahren) 1. c. S. 112 erinnert an Erigenag Divisio. Auch Ans felm fagt: Es ift Ein Wort, mit dem Gott fih und mit dem er die Kreatur fpricht S. 151. In ihrer Urfache ift vie Wirkung noch Eins mit der Urfache. Im abfoluten Geift feien die Dinge nicht, was fie in fih find, fondern was er felbft if. Erft ihr Heraus: treten aus dem ewigen Grunde flellt fie dem abfoluten Sein ge genüber, aber auch zugleich in das ſchwankende Werben, das fein Nichtfein immer in fih trägt und nur in fofern tft, als es jenem feinem wahrhaftigen Seyn nad und nahe fommt ©. 152. Mit bemfelben Gedanken, womit Gott fih venft (se ipsum), denkt er auch die Kreatur: denn er kann fih nicht denken, ohne fih auf als das zu denken, was er if, Grund des Anderen, des in ihm Begründeten. Gehöre doch das Non-Ipsum, ver Gedanke ver Krea- tur, zum Ipsum felbft, fofern in der Urfache die Wirkung noch nicht Wirkung, fondern felbft die Urfache fei. In Gott find bie Dinge noch nicht Dinge, fonvern eine Beflimmtheit am (fchöpfe: rifchen) Denken des Schöpfers. Bon dieſem Denken, der Eon- ception ber Welt fucht er aber ven fehöpferifchen Alt ver Ber: wirflihung der Welt zu unterfcheiden, um ein wirklich Ande⸗ res zu befommen. Aber freilich vergeblich, weil fie doc Thon als Daſſelbe von ihm gedacht fein muß, als was fie wirklich wird d. e. ©. 217. 218). Auch Haffes Vorſchlag (S. 218-220) fann bier fchwerlich ausreichen: man habe fih daran zu erinnern, daß Erigena. Anfelmus. 359 . Das bedeutet ihm bie Dreieinigfeitslehre, zu ber er, vom Areo- pagiten und Erigena beſtimmt abweichend, zurückkehrt. Als ben Anfelm Gott als Geift das Conkreteſte, Sein, Leben, Den fen u. f. f. fei, daher Gott die Totalität alles Seins umſchließe und zugleich wieder biefe Zotalität des Seins in der Einheit fei- nes Selbfies befaffe. Denn wenn die Totalität jener Momente in ihrer unendlichen Füle= Belt, Gott aber zu ihr vie Einheit fein foll, fo haben wir damit noch immer feine Berboppelung bes Seins, fondern Gott ift eben die Welteinheit und die Welt Gottes Pleroma. Mit ven Kategorieen des Seins, bes Lebens, des Denkens, wird man nie weiter als zu einem fpielenven Uns terfchiede zwifchen Gott und Welt fommen. Findet das göttliche Denten ewig die Welt fhon vor in Gottes Sein (als Idealwelt bei Erigena), fo Löst ſich nothwendig der Schöpfungsbegriff in das Sichdenken Gottes auf. Erft ein ethifcher Gottesbegriff ver: wehrt es, im Sein Gottes unmittelbar auch ſchon die Totalität der Momente, vie die Welt bilden und im Denfen Gottes wie feine Selbftaftualifirung,, fo auch die Berwirklichung jener Mo⸗ mente feines Seins, d. h. der Welt zu ſehen; erft durch ihn kann der Unterſchied und die Einheit Gottes und der Welt verbürgt wer: den. — Auch an dem (erigeniftifhen) Uebergewicht des Er: tennens über den Willen leivet das Mittelalter noch lange in feiner Theologie (f. u. 368f.). Da das Erfennen fi auf das Sein Gottes richtet, nicht auf den auch Gottes Sein beſtimmen⸗ den Willen, fo bleibt Alles, auch die Schöpfung einfeitig unter den Gefihtspunft ver Nothwendigkeit geftellt. Gott ift pa nad der Nothwendigkeit feines phyfifchen Seins Urgrund einer Welt, und wir können Gott gar nicht denken, ohne in feinem Sein — flatt durch feinen Willen — die Welt gelebt zu denken. Dem Anfelm, welder als allgemeinften Zwed Gottes in der Schöpf- ung die Manifeftation feiner Gedanken ſetzt, Tigt es nahe, au die Manifeftation des Gedankens, welcher Selbfigevanfe Gottes it, zu fordern (I. ec. ©. 224). Allein das ift hier der Chriftologie nicht fo günftig, als es ausficht. Jedes Weltwefen ift bier weſent⸗ lich nur Moment der Totalität; die Einheit aber kann nicht mit einem Momente der Totalität zufammenfallen. Anders wäre es erfi, wenn Chriftus Fein einzelnes Weltweien, fondern nur bie wahre allgemeine Menfchheit felbft wäre, und wenn Chriſti Indi⸗ vidualität, das ihn von Alfen Unterſcheidende, nur in feiner eins zigen Berbinpung mit dem Verbum läge. Pieran fireift er de fide Trin. c. 2.1. c. ©. 105. 360 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt nu. Dreieiniger ift Gott ein Ipsum, und das ift für Anfelm ber "Ausgangspunkt für den Hervorgang eines Non-Ipsum, der Welt. Aber er bleibt Dabei, dag nur Gott alles Reale fei, die Welt aber, fo weit fie ift, zu Gott gehöre. 3. Bei den Biftorinern, namentlih Richard, wurde bie Trinitätslehre zum Stüßpunft für eine beftimmtere Unterſcheidung in Gott, weldye bie Mittheilbarfeit Gottes mit feiner Selbftbe: bauptung in ber Mittheilung vereinigen ſollte. Rich ar d wirft bie Frage auf: Einerfeits find Macht und Weisheit als mittheil- bar zu benfen. Anbererfeits find die Eigenfchaften Gottes feine Subftanz; Macht, Weisheit, Ewigfeit ift er felbft, Gottes Sub: ftanz aber kann nicht mittheilbar fein, denn e8 kann nichts Höhe: res als Gott und nichts Gott Gleiches geben. Wie flimmt nun beides zufammen? Er antwortet: es gibt eine individuelle Subftantialität, und eine allgemeine. Die erftere ift unmit- theilbar, gehört nur Einem zu. Was Gott zu Gott macht, ober feine fingulare Subftantialität ift unmittheilbar ; dagegen bas Allgemeine ift mittheilbar. Das Individuelle Gottes nun ift, daß er Weisheit, Allmacht, Liebe u. ſ. w. ift, nicht blos hat, wäh- rend wir Weisheit nicht find, fondern haben. Individuelle Sub: flanz nun, ein Wefen sui generis, ift ihm Gott durch feine Dreieinigfeit. Die Allgemeinheit der göttlichen Subftanz hat ſich innerhalb Gottes durch den ewigen trinitarifchen und in fich be⸗ ruhigten Proceß zugleich zur individuellen von ber Welt beſtimmt verſchiedenen Dafeinsform, bie unmittheilbar, obwohl abbilbbar tft, zuſammengezogen. 15) So hat Gottes Perfönlichfeit durch bie Trinität in fich felbft ein Pleroma, über welches er mitthei- lend verfügt, ohne deßhalb fich ſelbſt aufzugeben. Nie kann er fih felbft, Das was ihn zum abfoluten einzigen Geift sui generis macht, mittheilen, nemlich daß der Empfangende das Empfangene nicht nur hätte, fondern wäre. Solche Selbfimittheilung hat nur in der Trinität ihre Stelle. Nun ift aber der Zug der myſtiſchen Sehnſucht nach Gott Damit nicht befriedigt, daß fie nur gleihfam an bem unper⸗ 15 Richard v. St. Viktor de Trin. L. I, 15. I, 11-13. Ritter 0.0.0. 3, 559. Die Biltoriner. Richard. 361 fönlichen Weſen Gottes Antheil hat. Sie fucht Ihm ſelbſt, fie will nicht blos in ber Sphäre des Göttlichen bleiben, welche in verfehiedenem Maße an Verſchiedene fich mittheilend, die ver: fhiedenen Wefenftufen begründet. Die altgriechifche Myſtik war wohl Damit befriedigt, vor dem Leberfeienden ehrfurchtsvoll in myſtiſche Schauung verfunfen zu fchweigen, in Bewunderung unb Anbetung des Geheimniffes Gedanken und Rebe ftille ftehen zu laſſen, und auch noch bei Erigena bat die Myftif noch "mehr den Charakter des Wiffens, der Theofophie. Aber von ben Biftorinern an zeigt fi) fchon die mächtiger werdende Sub: jeftiottät darin, baß die Myſtik bie Bewunderung Gottes unb feines überfhwänglichen Weſens nur als Vorſtufe anfieht, indem fie vielmehr Gott ſelbſt genießen will. Der heilige Affekt diefer Myſtik durchbricht bie areopagitifchen Schranfen von der ewigen Ueberſchwänglichkeit und Unmittheilbarfeit Gottes, fowie ‚die Lehren von der Abhängigfeit der niebrigeren Wefenftufen von den höheren, burch welche allein das Göttliche nieberfteige und fih zu einer Art von Gegenwart in feiner Erfcheinung bringe. Jener Affekt firebt vielmehr mit jugendlicher Kraft und pocht gleichfam an der Thüre auch des göttlichen Geheimniſſes, an dem Heiligthume feiner Einzigfeit; es ift ihm nicht blos um bie mit: theilbaren göttlichen Kräfte, fondern um Gott felbft zu thun, bag er fich ihm erfchließe und zu genießen gebe. - Aber wie ge- langt das Subjekt dazu? In folhem Verlangen ift allerdings ſchon ein Gotteshegriff eingehülft, ber über die phyſiſche Erha⸗ benbeit Gottes hinaus iſt. Denn nur perfönliche Liebe kann mit folder Inbrunſt umfaßt werden. Allein andererfeits fteht ja dem Richard gerabe feſt, daß die Einzigfeit, gleichjam Individualität, Das was in Gott das Höchfte ift, das Verſchloſſene, Unmittheil⸗ bare ſei. So bleibt dieſer nah Gottes Genuß verlangenden Liebe nichts übrig, als zu fagen: durch folhe Liebe könne und müffe der Menfch über fich ſelbſt hinaus entrüdt und entzüdt werden in das göttliche Wefen, feine Vollendung vollbringt ſich durch Efftafe, alfo durch eine uerußamg eis &AAn yEros, eine ſub⸗ jettive, myſtiſche Transfuhftantiation. Denn erft dann ift bie feurige Gottesliebe befriedigt, wenn fie in Gottes Genuffe, 362 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL gotttrunfen aufgeht. 5°) Und dazu ift der Menfch fähig, nicht durch feine von der Sünde gefchwächte Kraft, aber durch Gott. ?°) Nüchterner war vor Richard Hugo gewefen !”) und noch ftärfer war bei ihm die Subjeftivität bervorgetreten. Mit der Frage über Gottes Mittheilbarfeit und Unmittheilbarfeit hat er ſich nicht eingehender befcyäftigt: er benft Gottes Wefen mit theilbar. Aber vom Menfchen fagt er nicht blos, daß er unend- lichen Vermögens für Gott fei, fondern au, daß er nur das werben fünne durch Verdienſt und Entwidlung wozu die po- tentia und virtus in ihm fei von ber Schöpfungsgnabe her. Wie er aber der objektiven Gnade und Mittheilung Gottes noch eine innere Bedeutung geben will, ift nicht deutlich. Hugo verhält fih Abnlich zu Erigena, wie Maximus zu dem Areo- pagiten. Es ift bie Freiheit, es find bie ermachten tieferen ethi⸗ fhen und religiöfen Bebürfniffe, welche ven Hugo weder blog bei ber facramentlichen Gnabe noch blog bei der fperulativen Anfchauung ftehen bleiben Yaffen, — aber doch zu dem ererbien ftarren Gottesbegriff nur hinzutreten. Dagegen Richard von benfelben tieferen anthropologifchen Impulfen bewegt, ringt mit biefem Gottesbegriff, fucht ihn zu erwärmen, aber er erligt ihm und fommt flatt der firchlichen farramentlichen zu jener myftifchen Transfubftantiation. Wenn irgend etwas, fo kann bie Gefchichte der Myſtik im Mittelalter zeigen, ſowohl daß es einer wirklichen Um⸗ geftaltung bes Gottesbegriffes beburfte als auch daß biefe, um zu gelingen, mit einer weiteren Verinnerlichung bes Lebens gleichen Schritt halten und aus noch tiefergehenden, bewußten Tebenserfah- rungen vefultiren mußte. Erſt die evangelifche Heilsgewißheit fonnte ber Anfang eines neuen Fortfchritted ber Gottes⸗ und Chriftuserfennmiß werben. Sie reifte heran durch den Fortſchritt in ber Erfenntniß vom Amte Chrifti. — — — — — 154) Er ſpricht von einem raptus, excessus etc. De contemplat. IV, 22. 0, Nach Albertus M. kann ver Menſch Gott berühren aber nicht faffen. 22) Riebner, Hugo v. St. Bictor 1832. Ritter a. a.D. Bd. 3, S. 507 ff. Die Biltoriner. Hugo und Richard. 363 Richards Myſtik aber, deren efftatifche Art häufige Nachfolge fand, mußte nad) Einer Seite ſich völlig ähnlich wie Erigena zur Ehriftologie verhalten. Der in der romanifchen Myftif noch fo ſtark nachwirfende antife, neoplatonifche Gottesbegriff Tieß in allen Of: fenbarungen Gottes , auch in Chriftus und den Saframenten nur Bilder fehen, über welche hinaus in das Wefen ſich zu ſchwingen ober entzückt zu werben bie Aufgabe fei. So fucht diefe Myſtik Gott hinter feiner Offenbarung, im Geheimniß, in demjenigen Wefen, das doch wieder nach feinem eigenften Begriff unzugänglich verfchlof- fen fein ſoll; in Demjenigen dagegen, worin er fich genffenbart hat, glaubt fie Ihn nicht zu finden. Sie bleibt nicht mit Unrecht kalt bei bem Pompe ber Firchlichen Theurgie, der Transfubftantiation der Elemente in den gegenwärtigen Gottmenfchen, beren Kebrfeite bie ihr anftößige Verwandlung bes Göttlichen in ein endliches, phyſiſch gebundenes Ding if. Sie verlangt nad) einer innigeren Vers: einigung mit Chriftus als der finnlichen greifbaren, nach einer geiftigen, und auf bem Boden bes Geiftes Tann fie ber Unend⸗ lichkeit göttlichen Wefens freien Spielraum gönnen, zumal -fie nicht davor zurückſchrickt, fondern fi) darnach ſehnt, in dem Meere biefer Unenblichfeit zu verfinfen. Ihr Sarrament ift der Ges nuß ber übermwältigenben Siüßigfeit Gottes, welcher fih an bas äußere Saframent als an ein Bild anfchließen kann, aber nicht baran gebunden if. Gleichwohl wirb man jagen müflen, daß ber Myſtik gerade Das fehlte, was bie Kirche befonders in ben an Chrifti Stelle getretenen Sarramenten nur zu reichlic) hatte, aber freilih nur durch ein höheres Princip mit dem wahren ber Myſtik hätte vereinigen fünnen. Denn ebenfo wichtig, wie bie Geiftigfeit und Freiheit Gottes, welche die Myſtik vertritt, iſt für das Bedürfniß der Frömmigkeit das Andere, dag „Die Gnade fih finden läßt an einem Orte“, daß Gott gleichjam feine phy⸗ fifche Unendlichkeit negirt oder zufammenzieht, um für perfönliche Menfchen perſönlich faßbar zu fein. Das legtere Bedürfniß weiß die Myftif nicht zu befriebigen, wie bagegen bie Kirche in ihrer mittelalterlihen Sacramentenlehre zwar bie Objectivität Gottes dem einzelnen Menfchen nahe zu bringen, die Gnade fich in unab⸗ läffigem Wımber fir die Subjeftivität immer wieder greifbar machen 364 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL zu laſſen fucht, alfo von objektiver Seite her einer bebüfnigreichern Subjektivität mit neuen Mitteln enigegenfommt, aber ihr Ziel boch nicht erreicht, weil fie das Göttliche nicht in das Innere bes perfönlichen Geiftes, fondern mehr nur in bie äußere Natur deſſelben einzuführen weiß, d. b. weil ihr gerabe das fehlt, wor⸗ auf die Myſtik einfeitig und daher aud ohne Erfolg gerichtet if. Das höhere Princip, welches die unendliche Geiftigfeit ver- eint mit der Concretheit, ift ber wahre Begriff der Perfönlichfeit, oder bie göttliche Liebe wie fie in Chriſtus perſönlich erfchien. Durch fie wird ſowohl das Bedürfniß der Myftif, Gott vor bem innerften Geifte gegenwärtig ja eigen zu haben, als bas Bebürfnig der Firchlichen Frömmigkeit befriebigt, daß feine Un- enblichfeit ſich concentrire zur Faßbarkeit. So wenig die Myſtik des 12ten Jahrhunderts hiefür ſchon Yeiftet, weil bie Keime eines höhern Gottesbegriffes nur erft in ihrer Oottinnigfeit eingehüllt find, fo muß man doch fagen, daß fie ihm vorarbeitet, und fo wenig fi) von ihrem Gottesbegriffe aus für die Chriftologie ein Gewinn hoffen läßt, fofern unter dies fer wirkliche Offenbarung bes bildloſen Wefend zu verflehen wäre, fo werben wir doch unten noch eine andere Seite biefer Myſtik fennen lernen, welche wirklich Bebeutendes für die Chriftologie “ enthält, jenen früheren Gottesbegriff aber freilich hinter fich läßt. Entfchievener windet ſich die mittelalterliche Theologie von Erigenas und des Neoplatonismus Einfluß erft im 13ten Jahr⸗ hundert los. Sabellianismug und Suborbinatianismug waren auch bier wieder die Stufen gewefen, durch welde bie Repro⸗ buftion bes Gottesbegriffes vom 11ten Jahrhundert an, (ähn⸗ lich wie zuerſt sec. 3. 4.) fich vollbradhte. Der Hauptvertreter _ bes Sabellianismus war Abälarb gewefen. Der Subordi⸗ natianismus Dagegen Tonnte zwar innerhalb der Kirche nicht mehr als nafter Arianismus auftreten, wohl aber theils fich hinter eine Art von Tritheismus verfteden, wie bi Roscellin, theild mit Sabellianismug verbinden, wie bei dem Abt Joachim von Floris (um 1200) deran Tertulliang Trinität der drei Weltalter ers innert. Da fie aber bie Chriſtologie nur an wenigen unten zu befprechenden Punkten berühren, fo verweilen wir bier nur noch Ern. Sabellian. u. Suborb. Abaͤlard, Roscel., Abt Joach.; Amalrich. 365 einen Augenblid bei Amalrih von Bena und David von Dinanto, um dann zu der Scholaflif des 13ten Jahrhunderts überzugehen. Es ift jest ziemlich anerkannt, daß Amalrich und feine Schule aus Erigena fehöpfte, der mit ihr und mit ben fabel- lianiſchen, fowie fuborbinatianifchen Theorien des 12ten Jahr⸗ hunderts im Anfange des 13ten die Tirchlihe Verdammung ers fuhr (vgl. befonderd Concil. Lat. 1215 Mansi XXI, 981). Sein myſtiſcher Pantheismus zog breift Die Confequenzen für Theorie .und Praxis, welche ihn mit der Kirche in Colliſion bringen mußten. Sein Unterfhied von Erigena bürfte barin beftehen, daß er fchon beftimmter auf. die Welt als die Wirk⸗ lichkeit Gottes blidt, alfo des afosmiftifchen Hanges ber bei Erigena noch mächtig ift fih mehr entichlägt, um an bie Stelle der Berfenfung der Welt in Gott beftimmter als Erigena in der Welt bie Selbfiverwirflihung Gottes zu fehen. Der erigeniftifche und von vielen Kirchenlehrern gebrauchte Ausdruck: Gott ift Alles, wendet fih bier, wo Das Princip ber Subjels tivität ſich fchon Fräftiger (auch in der Oppofition gegen bie kirchliche Objektivität) zeigt, ſchon in den andern um: Alles if ©stt, aber sensu eminenti: Der Menſch ift Gott. Diefer Sag ift freilich in dem bes Erigena involvirt, aber baß er daraus entwidelt werbe, dazu gehört eine völlig andere Stellung des Geiftes zur Idee Gottes und zum Chriſtenthum, als bei Erigena Amalrich fagt zwar mit biefem: Gott fei das Wefen aller Dinge, und das Sein von Allem. Aber er will nicht bei der Befchauung bes ewigen idealen Seins verweilen, fondern lehrt: Gott könne nicht im ſich gefehen werden wohl aber in den Kreaturen, wie das Licht in der Luft. Die Ideen im göttlichen Verſtande find ihm nicht ewig, fonbern fie haben das Werben in ſich, fie fchaffen und werben gefchaffen. Er fcheint alfo das Werden, die Enblichfeit in Gott felbft als eine Beftimmung feines geiftigen Seins aufnehmen zu wollen. Damit iR dann auch die Welt nicht mehr Thenphanie Gottes; ber Pan⸗ theismus des flarren Seins zu welchem Erigena noch immer hinweist ift in den Pantheismus bes Proceſſes verwandelt. Bei 366 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfehnitt II. einem leeren enblofen Proceß aber konnte Amalrich fih nicht beruhigen, es treibt ein theologifcher Faktor in feinem Geiſte. Daber fagt er weiter: Gott fei das Ende aller Dinge‘, denn alles werde in ihn zurüdfehren um unveränderlich in Gott zu ruhen und Ein Wefen (Individuum) mit ihm zu fein. Daß er damit nicht eine Vernichtung meinen fann, erhellt aus dem Weiteren was und von ihm aufbewahrt iſt. jeder Menſch müſſe ein lieb Chrifti werben; Gott werde zu allen Zeiten Menfch, aber (wie es fcheint) fortfchreitend, ald Bater in Abraham, als Sohn in Maria, während ber heil. Geift täglich in ung Menfch werde. So ift ihm auch Gott allerdings im heil. Abenpmahl gegenwärtig; doch wirb er es nicht erft durch die Confecration, fondern biefe fpricht nur aus, was ſchon da if, die Einheit Gottes und der Natur. jene Rüdfehr in Gott ift aber nad) ihm nicht erft im Jenſeits, fondern fchon bier möglih. Wenn ber Geift in vollfommener Liebe in Gott gerüdt"wird, fo fehrt er aus fich in feine eigene ewige Idee in Gott zurüd, verliert fih (d. 5. ſich als finnfid) Einzelnen) und gewinnt bad wahre göttliche Sein, ift auch nicht mehr blos Kreatur noch fieht und liebt er Gott nur durch die Kreatur, fondern ift felbft ber fichtbare und geliebte Gott d. h. es hat fi Gott in ihm incamnirt. 8) Bol. Dahn, Gefchichte ver Keber im Mittelalter Bd. 8, 1850. ©. 182 ff. Mansi Coneil. T. XXII, 1080. Dixit etiam, Deum esse essentiam omnium creaturarum et esse omnium. — Asserebat etiam Deum non videri in se, sed in creaturis sicut lumen in aöre. — Ne- gabat idearum in mente divina aeternitatem. — Asseruit ideas quae sunt in mente divina et creare et creari. — Dixit etiam, quod ideo finis omnium rerum dicitur Deus, quia omnia reversura sunt in eum, ut in Deo incommutabiliter quiescant et unum individuum atque incommutabile in eo manebunt. — Amalricus cum suis sociis dicebat, nos esse naturalia membra Christi quia fingebat eandem animam Christi in omnibus bonis hominibus habitare. — Sic Deum locutum fuisse in Ovidio sicut in Augustino. — Pater in Abraham incarnatus, Filius in Maria, Spiritus S. in nobis quotidie incarnatur. Hanc insaniam nisus fuit ponere Amalricus — spiritum rationalem, dum perfecto amore fertur in Deum, deflcere penitus a se ac reverti in ideam propriam, quam habuit immutabiliter — in Deo. Amalr. 9. Bena. Dav. v. Dinanto. Die Schol. Thomas Ag. Goitesb. 367 Verwandt biemit ift auch bie Lehre des David v. Dis nanto, daß Gott der Stoff (esse materiale) wie das Forms prineip in allen Dingen fei. '9) Der offener hervortretende, der Myſtik entfrembetere Pan⸗ theismus und ber widerfirchlihe Ton diefer Männer war ohne Zweifel eine der Haupturfachen, dag mit Erigena und mit dem Neoplatonismus vom 13ten Jahrhundert an gebrochen wurde. Die ariftotelifche Philofophie trat ihre Herrfchaft noch in der erſten Hälfte sec. 13 an. 4. Die Scholaftif Diefes Jahrhunderts fucht beftimmter dem Pantheismus fih zu entziehen und den chriſtlichen Gotteshegriff zu gewinnen. Aber fie hängt doch in Thomas von Aquino mit den früheren Standpunkten in Form und Inhalt noch enge zufammen. Hatte Anfelm aus dem Glauben heraus fpecu: lirt, Abälard dagegen das Wiffen und Begreifen zum Fun⸗ bament bed Glaubens gemacht; hatte darauf Richard dag übernatürliche mpftifhe Schauen ald das wahre Organ ber Gotteserkenntniß aufgeftellt, fo ftelt dagegen Thomas zwei einander ergänzende Erfenntnißarten zufammen, entſprechend zwei verfchiedenen Wiffensgebieten. Der eine Theil ber Optteswiflens fhaft iſt beberrfchhar von der Vernunft, dem begrifflihen Er: fennen zugänglich; das ift natürliche Gotteswiſſenſchaft, Meta⸗ phyſik; Der andere höhere Theil überfteigt wefentlih bie Vers nunftfraft, ift für fie unerfaßbar, nur durch pofitive Offenbarung dem Glauben gegeben und durch Hinausgehobenwerben über ſich ſelbſt in Gottesgenuß oder Gottesſchauung erreichbar. Alfo zwar nicht mehr alle wirkliche Gotteserfenntniß wirb mit dem Areo⸗ pagiten in jene myſtiſche übernatürliche Schauung verfenft; die Welt wird nicht mehr als bloßer Schein oder als bloße Theo: phanie mit Erigena angefehen: der Geift hat ſchon ein eners — — 7) Hahn a. a. O. S. 189. Er ſchrieb ein Buch de Tomis oder Divi- sionibus was an Erigenas Werk erinnert. Auch Werke arabis fiber Raturphilofoppen und Commentatoren ariftot. Werke von Avicebron und Algazel verbreiteten unter Arifioteles Nas men pantheiftifche Säbe, daher das Pariſer Concil i. 3. 1209 den Ariftoteles verdammte. Aber das Berbot wurde bald antiquirt. 368 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt IIL - gifcheres Bewußtſein des Seins und das Tommt auch der Welt beides aber der Lehre von ber Erfenntnißfraft bes Geiſtes zu Gute. Aber das Höchſte und Beſte foll doch der Bernunft ſchlechthin unzugänglih, nur durch eine Art von intellectualer Magie erreichbar fein; und dieſes Höchfte, alle Begreiflichkeit Ueberfteigende wird ale ber Zweck gedacht, wozu ber Menſch ges ſchaffen ift, fo daß aud hier im Hintergrunde nur eine Vollen⸗ bung, welche des Menſchen Ende wäre, übrig bleibt. Ein In⸗ einanberarbeiten ber beiden Erkenntnißarten in bem chriftfich er- leuchteten Geift geht über den Gefichtöfreis aud) eines Thomas hinaus ; und ſchon hieraus erhellt, daß Thomas in letzter Be⸗ ziehung das Göttliche und das Menfchliche nur als excluſive Größen zu faflen weiß. Wir wollen nicht dabei verweilen, wie mit biefem abfoluten Supernaturalismug auf dem Erfenntnißgebiet auch der Prototyp für bie Art gegeben ift, wie das Subjeft an ber göttlichen Heildgnabe allein Antheil erhält, wie bie magiſch wirfende Gnade und die ZTransfubftantiation für biefen Stand» punkt nothwendig find. Auch welche Folgen fich hieraus für bie Chriſtologie, wäre fie erft neu zu formiren geweſen, ergeben hätten, leuchtet von felbft ein. Aber hier ift noch ein Blid auf - bie natürliche von Thomas mit befonberer Liebe ausgeführte Gotteslehre zu werfen, um zu fehen, welche Stellung zur Chri- ftologie fich auch von ba aus ergeben muß. Thomas läßt zwar bie Welt nicht durch ein Reiben Gottes, wie der alte Emanatismus entftehen, auch ift fie ihm nicht un⸗ mittelbar ſchon mit Gottes Sein gegeben. Sie entfleht ihm durch den thätigen Schöpferwillen, ja er fpricht dabei auch von Gottes Güte. Aber näher betrachtet ift dieſer Wille ihm nicht bie legte Cauſalität fondern nur Durchgangspunkt und Werkzeug für eine hinter ihm liegende Urfache. 20) Diefe Urfache ift nicht bie göttliche Liebe, fonbern ber göttliche Berftand, durch welchen der Wille in der Weife einer ihn beberrfchenden Nothwendigfeit - bewegt wird, dem gegenüber alfo der Wille doch wieder leidend ”) Bgl. 9. Rittera. a. O. Bp. IV, 286 ff. Anders Branig, Gef. d. Philoſophie feit Kant. Erſter Band, Einleitung ©. 444 f. Gottesiehre des Thomas von Aquino. 369 if. Diefer göttliche Verſtand aber enthält als oberfte Zweck⸗ einheit nicht bie Idee einer ethifhen Welt: die Produktion biefes Gedanfens wäre als ethifche That nit reiner Verſtandes⸗ alt, fondern Aft der Liebe, und es wäre alſo vielmehr auf diefe zurüdzugehen gewefen; fonbern ber göttliche Verſtand ift nichts als der lebendige Spiegel der Fülle und Schönheit des göttlichen Seins und Lebens. Ueber dieſe phyſiſchen und äſthetiſchen Kategorieen kommt Thomas nicht hinaus. Gott denkt und weiß die Welt, ſagt er, indem er ſich ſelbſt denkt. In ihm iſt nemlich ein unmittheilbares Weſen und ein mittheilbares. In⸗ dem Gott das Letztere denkt, denkt er nothwendig die Welt, und dieſes Denken determinirt ſeinen ſchöpferiſchen Willen. Indem er nemlich ſich mittheilbar denkt, denkt er ein Anderes, an das er ſich mittheile, und das ihm dadurch ähnlich ſei. Dieſes Denken aber iſt ſchöpferiſch. Und da er in feinem Weſen alle möglichen Formen und Maße feiner Mittheilbarfeit denkt, fo find in feinem Sichdenken auch alle möglichen Arten ber Weſenclaſſen gefegt. Die Einheit all diefer Möglichkeiten, die Wirklichfeit werden, ift bie Welt, in ber’ der Menfch das Band zwifchen der bloßen Natur und bem reinen Geifte if. Die Weltwefen find unter einander durch ben verfchiebenen Antheil an der göttlichen Rea⸗ lität verfchieden, ber fie conftituirt. Won Gott, der freilich allein ber urfprünglich Mittheilende ift, unterfcheiden fie fih fo nicht | durch ihr fuhflantielles Wefen; denn diefes ſtammt gleichfam aus ber divisio ber göttlichen Natur durch den Intellectus und nad diefer Seite ift der Unterſchied nur ein quantitativer; Gott ift das abfpfute Duantum der Realität, Die Weltwefen partielle Realitäten, die ihm nur ähnlich find. Aber gerade biefe quan- titative Unterfcheidung Gottes nicht bios von ben Einzelweſen fondern auch von ber Welteinheit ift auch wieder eine unliber- fteigliche Kluft zwifchen Gott und zwifchen der Welt, die nur biefer unvollfommenen Mittheilung ihr für fi) Beftehen verbanft. Wäre die Mittheilung vollfommen, fo wäre auf biefem Stanb- punkt die Welt ferbft nicht mehr, fondern nur Gott: und doch ift dieſe unwollkommene Deittheilung auch als Urfache der Un⸗ vollfommenheit der Gefchöpfe gedacht, Die mithin, wenn fie nicht Dorner, Chriſtologle. EL 2te Aufl. 24 - 370 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt m. bie Idee ihrer Vollendung fallen Taflen, jene volllommene Mit⸗ theilung erftreben müffen, welche ihr Ende wäre. Sofern aber bie Welt befteht, ift auch die Mittheilung Gottes nothwendig unvollfommen, Gottes Sein nicht adäquat, und ſelbſt ber Ge- danke der Ergänzung bes Einzelnen durch bag Univerfum oder kirchlich ausgedrückt durch den myſtiſchen Leib der Kirche kann ba nur ein Palliativ fein. Noch weniger kann folgerich— tig bier von einem vollkommenen Sein Gottes in Einem, Chriftus, die Rede werden. Was Anderes iſt aber von dem Allem die Urfache, ald daß der Gottesbegriff auch bier in ber phyfifchen Kategorie bes unendlichen Weſens feſtge⸗ halten ift, dieſe quantitative Unendlichkeit des Seins aber, bie freilich für ſich mit der Enblichfeit fchlechthin incongruent bleibt, als Gottes höchſte Herrlichkeit und innerſtes Weſen vorgeftellt it? Die chriftliche Idee von Gott als der Liebe iſt wohl im. Glauben da; aber das Erfennen hat fie noch nicht zu ergreifen vermocht. Sie fpielt herein in das Gebiet des fich immer mehr hriftianifirenden Denkens, denn fonft wäre auch nicht von Gottes Mittheilung die Rede; aber fie bewältigt nicht den antifen Gottes⸗ begriff; und fo bleibt ed bei einer Zwittergeſtalt, — bem Ges präge der romanifchen Kirche und Theologie. | Duns Scotug enblih macht allerdings infofern einen bedeutenden ortichritt in feinem Gottesbegriff, als er den Willen Gottes nicht als etwas blos Werkzeugliches, durch Gottes Denfen Determinirtes, fondern als das Primäre im Ver⸗ hältniß zur Welt fest. Auch ihm ift Gottes inneres Wefen ſchlechthin transcendent. Als trinitarifcher ift er aber nah Scotug fo in fi befriedigt, daß feine Nothmwendigfeit bes Denfens oder des Seins ihn zur Weltfchöpfung determinirt, ſondern es ift rein fein Wille, daß eine Welt und daß diefe Welt iſt. Diefer Wille aber bat feinen weiteren Grund. Es ift fein Gebanfe ber Weisheit, es ift fein Impuls ber Liebe, der ihn bewegt, fondern wir haben bei dem pofitiven Factum ftehen zu bleiben, daß Gott Die Welt hat ſchaffen wollen, daf er das Sittengefeß, das er gab und nicht ein anderes aufgeftellt hat, und nur das ift mit Iogifcher Nothwenbigfeit gegeben, daB wir, einmal von Gotteslehre des Duns Scotus. 371 ihm geſchaffen, auch eine weſentliche Beziehung zu ihm haben, und ihm ähnlich ſein ſollen. Gott iſt hienach in letzter Be⸗ ziehung, im Verhältniß zur Welt nur die Willkür. Der Unter⸗ ſchied zwiſchen ihm und uns iſt, daß er die abſolute Willkür iſt, und wir die relative, ihm, dem Herrn verpflichtete. Aber daraus folgt weiter, daß von einer inneren Wirkung des Geiſtes in uns, die nicht Negation unſeres Weſens wäre, ſondern deſſen Verwirklichung diente, die Rede hier nicht ſein kann, wie auch daß für eine abſolute Selbſtmittheilung Gottes an die Welt keine Stelle bleibt. Und obſchon mit dem Willen wenigſtens die Form für das Ethiſche gewonnen iſt, ſo iſt doch das Ethiſche ſelbſt nicht als nothwendiger Inhalt dieſes Willens gedacht; es hat hier ſogar eine noch zufälligere Stellung als bei Thomas. Die abſolute Form der Freiheit, deren Inhalt das Ethi⸗ ſche ſein müßte, iſt zu ſolcher Selbſtgenugſamkeit angeſpannt, daß ſie zum Ethiſchen ſich nur wie ſpielend verhält, in einer vermeintlich höheren, überſittlichen majeſtätiſcheren Sphäre ihr eigentliches Sein hat. Aber dieſes angeblich überſittliche Sein, wenn auch als Wille gedacht, iſt in Wahrheit vielmehr unterſittlich. Der Wille als Willkür iſt ebenſoſehr nur phyſiſch, wie der von etwas An⸗ derem als er ſelbſt determinirte Wille des Thomas. 21) Es erhellt zum voraus, daß die betrachtete Gotteslehre ber Hauptrepräfentanten der romanifchen Zeit der Chriftologie nicht eben fehr günftig fein konnte. Nicht minder aber auch, wie fie um — 21, Die Tranfcenvdenz des Gottesbegriffes, wie die Scholaftil fie auf: ftellt, bildet eine folche Scheivewand zwifchen Gott und Jeſu, daß Lesterer nie im Stande ift, den ganzen Logos aufzunehmen, fon» dern diefer bleibt immer noch um fo mehr außer Jeſu, als, dem phyſiſchen Gottesbegriffe gemäß, auf die Unbegrenztheit und Un⸗ endlichfeit Gottes der Hauptaccent fallt. Duns Scotus und Albertus ver Große ftellt fogar die Aehnlichkeit zwilchen dem Unendlichen und Endlichen in Abreve; vgl. Ritter, Gefhichte ver chriſtlichen Philoſophie Bo. IV, 197. 380 ff. 382. 273. Nach Thomas aber kann Ehriftus folgerichtig nur der höchſte Grad des Antheils an dem mittpeilbaren Weſen Gottes, firenge gefprochen nicht das Gottfein zugefprocen werben. Bel. auh Richard v. St. Bict. de Trin. I, 15. U, 11. 12, . - „I * 372 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IH. in verfchiedener Weife geeignet war, zu jenen falfhen Surro⸗ gaten eines lebensvollen und wirffamen Bemußtfeind von ber Bedeutung ber Perfon Chriſti Erlaubniß, Anlaß, Unterlage zu geben, enblich theils Durch die Lehre von der Gnade theils von ber Kraft oder göttlichen Natur des Menfchen die Menfchwer- dung Chriſti faft entbehrlich zu machen und ihre reale Bedeu: tung für das Leben des Einzelnen und ber Kirche herabzu⸗ prüden. 2°) Ä Treten wir nach dieſer Einleitung in die Geſchichte ber fholaftifhen Chriftologie felbft ein. nn 27, Die Nothwendigkeit der Menſchwerdung Gottes wird daher nicht zufällig von den meiften Scholaftifern in Abrede geftellt, ſelbſt von Thomas, wie denn das Pantbeiftifche in feinem Spflem theils der Menfchwerdung Gottes vorgreift, theils fie entbehrlich macht. Gottes Gnade Hätte auch ohne Menfchwerdung an ſich daſſelbe erreichen können, was durch fie. — — — — — — Dritter Abſchnitt. Erſtes Kapitel. Der Nihilianismus und ſeine Bekämpfung. Die Geſchichte unſeres Dogma zeigte ſchon bisher, daß um des Uebergewichtes der göttlichen Seite in Chriſtus willen ſeit dem 5. Jahrhundert ein ſich allerdings immer verfeinernder Doketismus die dee bes Gottmenſchen unabläſſig bedrohte, und vornemlich nur mit Hülfe des Abendlandes niedergehalten wurde, welches bei der Feſtſtellung der Zweiheit der Naturen und deren Durchführung in einer Zweiheit von Willen, Thätigkeiten und Wir⸗ kungsweiſen immer das entſcheidende Wort ſprach, fo daß ber Adoptianismus nach dieſer Seite nur eine Uebertreibung der abendländiſchen Orthodoxie zu nennen iſt. Aber vom 9. Jahrhun⸗ dert an gewahren wir, wie das Abendland bemfelben Zuge zur Berflüchtigung der menfchlidhen Seite, den es im Morgenlande ftets befämpft hatte, verfällt. Wenn der Adoptianismus bie alte abenblänbifche Richtung auf die Zweiheit folgerecht fortzu⸗ bilden gefucht hatte, fo bat bie abenbländifche Kirche, indem fie ihn von ſich wies, mit den Confequenzen unbewußt ſchon auch die Prämiffen zu bekämpfen begonnen, daraus fie floßen. Es ift freilich nicht der alte Doketismus oder Eutychianismus oder Monophyſitismus, dem fie verfällt; bie Verwerfung ber alten Härefen wird vielmehr traditionell fortgeführt. Aber das Lebensinter⸗ eſſe der Frömmigkeit wirft fich wie gezeigt auf Surrogate Ehrifti, bie 374 Zweite Periode. Erfle Epoche. Abfchnitt IN. Kap. 1. ihm wefentlich nur die Bebeutung bes Logos in vergangener Menſch⸗ werbung für die Frömmigkeit übrig laſſen. Anzeichen davon, daß die menfchliche Seite Ehrifti fiir das Mittelalter zurüdtritt, liegen im Allgemeinen ſchon in der großen Bedeutung, welche die areopagitifche Myftif im Abendlande feit Erigena gewann und auch behielt, als Erigenas Autorität fhon verdächtig geworben war ; ferner in dem, was wir bereite über die ältefte Myſtik des Mittelalterd, namentlich die der Bif- toriner gefunden. Es bleibt und nun aber noch bie eigentliche firchliche Scholaftif zu betrachten übrig. 1. Peter der Rombarbde behandelt die Chriftologie im dritten Buch feiner Sentenzen (Distinet. I—XXII) in ziemlich ge⸗ nauem Anfchluß an den Damascener. Das ihm Eigenthümliche, bei dem wir ftehen bleiben, kann ſchon eine Probe ber fcholaftiz fhen Kunſt abgeben, in Aufwerfung neuer oder Beantwortung alter Fragen, bie wenig religiöſes Intereſſe berausfühlen laſſen, Scharffinn und Berftand zu beweifen. Er meint, die Menſch⸗ werbung hätte auch Durch den Vater und den heiligen Geift ge ſchehen Können; es fei nur angemeffen geweſen, daß derfelbe durch ben die Welt warb fie auch erlöste, wie auch angemeflener bie Sendung deſſen fei, der von einem Anbern als deſſen, der von Keinem if. „Der Sohn wird gefandt von dem, von bem er geboren ift“ (worin unzweifelhaft etwas von Suborbinatianismus - Tatitirt). Andere Gründe find ganz formal, 3 DB. damit nicht, wenn der Vater oder Geift der Dienfchenfohn würde, ber, welcher Bater ijt in der Trinität, Sohn würde in ber Offenbarungsmelt, und fo diefe und jene ihre Correſpondenz verlören (Distinct. D. Die menſchliche Natur, die der Sohn annahm, ift nicht blos eine Eigenſchaft, fondern eine Natur, Leib und Seele umfafjend, ober die Subftanz der Menſchheit. Nun ift freilich der Leib und bie Seele nit Eine Subftanz, fondern jede Perfon bat zwei Natu⸗ ren oder Subftanzen, bie’ leibliche und bie geiftige, aber bas Eine Weſen der Menfchheit, zu welchem jenes beides gehört, Hut er angenommen. Er nahm biefes fo an, daß feine Menſchheit aus ber Jungfrau, durch ben heiligen Geift gereinigt, frei von aller Befledung der Sünde war, nur daß die der Menfchheit anhafs Petrus Lombarbus. 375 tende Strafe, vermöge feines Willens, zurückblieb. Auch bie Jungfrau hat der heil. Geift vorher ganz von der Sünde gereis nigt und felbft vom Zunder berjelben befreit, nad ben Einen durch Vernichtung, nach Andern durch ſolche Minderung, daß fie nachher nie in den Fall Fam zu fündigen, wie auch ber Beil. Geift in ihr die Kraft ohne männliches Zuthun fruchtbar zu wer⸗ ben vorbereitete (Dist. ID. Ob er wohl dem Fleiſche nach ˖ in ben Lenden Adams und Abrahams war, fo hat er doch, wie Auguftin lehrt, nicht in Adam geflindigt; denn er flammt von ihnen nicht in Folge der Concupiscenz bes Feeiſches; ; in dieſer Beziehung war er nicht in den Vorvätern. Die Thätigleit des Sohnes bleibt freilich in ber Menſch⸗ werbung bie Hauptfache, aber fie fchließt die bes heil. Geiftes nicht aus, fo wenig als bie bed Vaters. Die Werke der Trini- tät find nah Auguſtinus untrennbar. Chriſti Menfchheit ift aber nicht aus ber Subftanz des Beil. Geiſtes; er kann auch nicht Sohn deſſelben genannt werden, obwohl er durch ihn in fofern ward, als durch ihn aus Maria der Stoff zubereitet wurde für bie Einigung mit dem Worte (Dist. IV). Länger verweilt er bei der Frage, ob des Sohnes Per- fon oder Natur bie Menfchheit angenommen, fei es bie Perſon derfelben oder die Natur (f. o. S. 188). Leicht fei bie Antwort in fofern, ale weder des Sohnes Natur noch Perfon eine menfchliche Perfon angenommen habe, vielmehr des Sohnes Perſon babe die menſchliche Natur fich angeeignet. Aber bie Frage bleibe übrig, ob auch die Natur des Sohnes die anneh⸗ menbe war, und fie fei unentſchieden; das 6. und 11. toletanifche Concil (i. 3. 597 u. 653) emtfcheide ſich dahin, daß allein ber Sohn und nicht die Trinität den Menfchen im bie Eigenthüm⸗ fichfeit feiner Perfon,. nicht aber in die Einheit der Natur, die der ganzen Trinität gemeinfam ift, aufgenommen habe. Die göttliche Natur fei die Einheit in der Dreieinigfeit, dieſe Einheit babe die Maria nicht geboren, fondern nur den Sohn, obwohl die ganze Trinität bei ber Bildung bed angenommenen Menfchen mitwirkte. Auguftinus dagegen fcheine die Natur, bie auch bem Bater zufömmt, als Menſch geworben zu benfen. De trini- 376 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 1. tate lib. I. cap. VII, 11 fage Auguftin: Chriſtus fei, Knechts⸗ geftalt annehmend, unter fich felbft erniedrigt; denn er habe bie göttliche Geftalt, in der er dem Vater gleih war, in ihr nicht verloren. Diefe göttliche Geftalt müfle Die Fülle der göttlichen Natur fein, und ähnlich ſpreche Hilarius und Hieronymus.) % Diefe Frage war auch zwifchen Roscelin und Anfelm um 1092 zu einer ausführlichen Berbandlung gekommen. Roscelins Nominalismus forderte Tritheismus, den er dann theologifch durch die Behauptung rechtfertigen wollte: wenn man die Perſonen in der Trinität nicht als tres res per se (separatim) oder als drei Indi—⸗ viduen anfehe, fondern fie mit einer gemeinfamen Natur denke, fo müßte auch Vater und Geift Menſch geworben fein. Daher fei zu fagen, die drei Perfonen feien nur Eins in Macht und Willen Gwecken); denn nur fo fei es möglich, daß allein der Sohn Menſch ward. Aehnlih Gilbert de la Porret. Anfelm nun verwirft den Zritheismug; die drei Perfonen feien nur drei Relationen in Gott (wie fpäter Innocentius IH. Epistol. T. 1. Paris. 1682. ©. 544 zweifelt, ob auf die drei Perſonen nomina propris anwend⸗ bar feien. Die Kirche lehre numerifh Einen Gott; die Einheit der Perſonen beftehe nicht blos in der Zugehörigkeit zu Einer Gattung (ſei nicht blos generifch), Tondern fie wolle eine vollkom⸗ mene Einheit, die Gott eben durch die Dreiheit ver auf einander bezogenen zufammengehörigen Perfonen fell. Auf jene In: ftanz Roscelins aber antwortet Anfelm: für Rosceliw der den ganzen Gott in drei Individuen theile, wäre ed gerade bepufs wahrer Menfchwerbdung Gottes nöthig, daß alle drei Pers fonen Menfch würden; für die Kirche nicht, weil fie in dem Sohn einerfeits durchaus denfelben Gott ganz fieht, wie im Bater, ans dererfeits aber doch in einer andern Relation, over weil fie Unter: fhiede in dem Einen Gott hat, fo daß nicht -alles, was dem ganzen Gott im Sohn zulommen muß, auch dem Bater zufommen müßte. Anfelm geht aber noch weiter. Er fagt, es fei au nicht möglich, daß der Bater und ber Geift zugleich Menſch würden mit dem Sohn. Sie fönnten ed nur um ber gemeinfamen Natur willen. Aber die Kirchenlehre Taffe ja die Incarnation nur - als eine Einheit der göttlihen und menfchlihen Berfon gelten; auf die göttliche und menfchliche Natur alfo beziehe fih die In⸗ carnation nicht. Die göttlihe Berfon fei Menfh geworden, fei Eine Perfon mit der aufgenommenen Menfchheit, aber nicht die Natur. Sonft hätte ſich die Gottheit in die Menfchheit ver: wandelt und umgekehrt. So entfrheidet ſich alfo Anfelm dafür, If die Perf. oder die Natur des Sohnes Gottes Menfch geworden ? 377 Er felbft num entfcheibet fich dafür: des Sohnes Perfon habe die menfchliche Natur angenommen, aber auch bie göttliche Natur babe ſich mit der menfchlichen in dem Sohne geeinigt und fie fich angeeignet. Zwar bie beiden Perfonen, Vater und heil. Geift, daß nicht die göttliche Natur des Sohnes Menſch geworben fet, fondern die Perfon; eine Behauptung, deren Eonfequenzen ihm offenbar noch nicht vor Augen fiehen. Er fohließt damit: wenn nun aber nur die göttliche Perfon und nicht die Natur bei ver Menſchwerdung betheiligt fet, fo könne man offenbar nicht mehr davon reden, daß die drei Perfonen Menſch geworben feien in Chriſtus, es wäre denn, daß mehre Perfonen Eine Perfon werben fönnten (vergl. Haffe Anfelm II, 291 — 305). Im folgenden Jahrhundert nennt auch Abälard das Beſprochene als eine Streitfrage, Autoritäten für und wider werden in feiner Schrift Sic et Non aufgeführt. Der genannte Gilbert wilf Gottheit (Weſen, Natur Gottes) von Gott unterſcheiden, und nicht jene Menſch werden Iaffen, fonvdern nur Gott, d. h. bie Perfon und awar des Sohnes (vergl. Baur II, 516. 617), Bie an diefem Punkte die Chriſtologie von dem Streit zwifchen Realismus und Nominalismus gleich bei feiner Entſtehung bes rührt wird, fo auch, wie ſchon Anfelm fleht, noch an einem andern (Daffe, a. a. ©. ©. 105. Anfelm de fide Trin. c. 2). Er fagt: wer nicht weiß, daß der Menſch etwas ift, auch abge: fehen von ben Individuen, der wird, wenn er von dem Menſchen reden hört, immer nur eine einzelne Perſon ſich vorflellen, und wie will Der den Satz verfiehen: daß der Logos den Menfchen angenommen, d. h. eine andere Natur, nicht eine andere Perfon. Der Nominalismus mußte auf die Perfönlichkeit der. menſch⸗ ligen Ratur dringen, weil er das gemeinfame Menfchliche, das Generiſche nicht als real, fonvdern nur als fubjeltives Produkt anfah, die Realität ver Menfchheit Eprifti nur mit ihrer Indivi⸗ dualität hatte. So jedoch nur in den roheren Anfängen des Nos minalidmus, wo fich die platonifchen Universalia ante rem und bie nominaliftifchen post rem fchroff gegenüber fanden. Später hat auch der Rominalismus ſich zu universalia in ro befannt und da⸗ rin mit Recht gerade eine Steigerung der Bedeutung der Indivi⸗ dualität gefehen. — Man fieht aus dem Gefagten zugleich, wie der Realismus zu der oben angeführten Anfiht kommen konnte, dag Chriſti Menfchpeit nur die allgemeine menfchliche Natur, ohne irgend welche Befonverheit fei; — was für eine myftifche Chriſto⸗ logie benüßt werben konnte — ; vieles nemlich fo lange, als man 378 Zweite Periode, Erfte Epoche. Abſchnitt IN. Kay. 1. haben die Knechtsgeſtalt nicht angenommen, aber bie göttliche Natur fei damit nicht von der Menfchwerbung ausgefchloffen. )_ Werm Kirchenlehrer fagen: Das, was dem Sohn eignet, aber nicht, was der Trinität gemeinfam ift, hat einen Menſchen angenommen, fo fei das fo zu verftehen: nicht gleichmäßig in ben drei Perſo⸗ nen, fondern eigentlih nur in der des Sohnes Babe ſich Die göttliche Natur mit der menfchlichen geeinigt. Das fei auch bie Meinung des Damasceners (L. III. cap. VD. Er wolle fagen, bie Fülle der göttlichen Natur und nicht blos ein Theil fei in ber Perſon des Sohnes geeint mit der Menfchheit. Doch meint er: ber Ausdrud, „die göttliche Natur fei Fleifch geworben,“ unter- bleibe beſſer. Jeder einzelne Menſch habe ja auch bie ganze — — — Perſönlichkeit und Individualität nicht unterſcheidend mit jener auch biefe der Menſchheit CHrifti glaubte abſprechen zu müſſen. Da konnte dann auch die Frage entfiehen, die Innocentins W. a. a. O. ©. 545 aufwirft, ob der Menſchheit Chrifti ein Eigenname zulomme? Der Realidmus wäre über biefe Trage für ChHriftus erfi hinausgelommen, wenn er in Chriſti Menfchheit nicht blos das allgemein Menichlihe, welches nad Abftraktion von den Individuen übrig bleibt, fonvern die ver: wirflichte wahre Idee der Menfchheit gefehen hätte, bie weit mehr, als in der abamitifchen Menfchheit zum Borfchein kommt, in fi enthält; denn da hätte die Menfchheit in Ehriftus zugleich eine Einzigfeit und daran ihre Individualität gehabt. Sie wäre dann freilich eine Erfcheinung, zu der die Idee der Menfchheit, wie fie in der göttlichen Conception lag, ewig temdirte. Ihr Erfcheinen in der Wirklichkeit einer Perfon läge fo ewig in ber Weltidee. Indem aber an diefem Punkt eine hiſtoriſche Perſönlichkeit in ber göttlichen Idealwelt felbft gründete, und ein conflitutives Moment derfelben bildete, wäre die platontfche Idealwelt für die die Perſonen Acciventien find an einem entfcheidenden Punkte durch⸗ brochen; fie müßte ih Aun insgefammt in einen göttlichen Rath: ſchluß umwandeln, der Perfonen, Gefchichte und einen ethiſchen Drganismus von Perfonen flatt der unbeweglichen, abfiraften Ideen Platons zum Inhalte hat. Wir werben bald fehen, daß fhon sec. 12 eine Richtung diefen Weg einfihlägt (f. u. ©. 389 ff.) 2) Das Kater. Eoncil v. 3. 1215 (Mansi XXU, 981) braucht fogar den Ausdruck: Unigenitus Dei Alius J. Ch. a tota Trinitate communiter incarnatus, Petrus Lombardus. 379 — menſchliche Natur in ſich, und doch könne von ihm etwas gelten, was von Andern nicht. Ein Grund, der freilich ziemlich trithe⸗ iſtiſch klingt, ſofern hier verfahren wird, als wäre die Einheit in Gott nur die generiſche, wovon er ſonſt ſehr weit entfernt iſt. Würde er dagegen die göttliche Natur realiſtiſch als das den Per⸗ ſonen Gemeinſame auch hier feſthalten, ſo müßte er, um nicht auch Vater und Geiſt wenigſtens ihrer Natur nach als Menſch⸗ geworden zu bezeichnen, mit Anſelm die Menſchwerdung auf die Perſon des Sohnes ohne ſeine Natur beſchränken. Was wäre dam aber eigentlich durch die Menſchwerdung ber Menſchheit zu Gute gefommen, wenn doch bie ganze Fülle des göttlichen Weſens in der Natur Tigt, biefe aber bei ber Menfchwerbung nicht betheiligt wäre? ine Perfon ohne ihre Natur ift leer, inhaltslos — die Menſchwerdung Gottes ift da ein bloßer Schein geworden. Die Schwierigkeit tft alfo nicht gelöst. Er fügt bei: die göttliche Natur hat die menfchliche zwar angenommen, d. i. bie menſchliche Geftalt mit ſich geeinigt, aber nicht zur Eigen: thlimlichfeit und Einheit mit der göttlichen Natur. Die Naturen “ blieben in ihrer Eigenthlimlichfeit, und fo kann man nicht fowohl fagen, bie göttliche Natur fei Menfch geworden, als: der Sohn Gottes. Eine menſchliche Perfon aber nahm er nicht an. Denn jened Fleifch und jene Seele war noch nicht in eine Perfon ver einigt, ſondern fie wurben erft unter einander geeinigt in dem⸗ felben Nu, da fie mit dem Worte geeinigt wurden. Within bes fand noch Feine Perfon aus Leib und Seele, fondern eine Perfon wurde erft Durch die Annahme. Was das Wort annahm, das war nicht eine aus Seele und Leib zufammengefegte Perfon und das Wort empfieng feine menfchliche Perfon, fonbern Leib und Seele empfangend, hat e8 fie unter einander und mit fich felbft geeint, und indem es fie einigte, empfangen. Aber wie ift, das wäre bie Hauptfrage, biefes Empfangen und biefe Einigung zu denfen? Die führt ihn nun (Dist. VI) auf jene Erörterung, die ihm ben Vorwurf bes Nihilianismus zugezogen hat (Dist. VI. VIN). Er unterfuht, was denn die Menfchwerbung des Sohnes Gottes bedeute, und was als ihre Nefultat zu bezeichnen fei? Nach feiner Art befragt er „die Weifen“ der Borzeit und 380 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfchnitt TIL Kap. 1. Gegenwart und theilt die Anfichten in brei Slaffen. Die erfte, die wir am beften Die des Eyrill von Alerandrien nennen kön⸗ nen, hat ihren adäquateſten Ausdruck darin, dag nicht bios Gott Menſch, fondern eben dadurch auch ber Menſch Gott geworben ſei. Hienad hätte Gott angefangen, ein menfchlihes Vernunft⸗ weſen zu fein, das er zuvor nicht war; und jenes menfchliche Bernunftwefen fieng an Gott zu fein, nicht von Natur, noch durch Berbienfle, fondern durch Gnade, fo daß in Chriſtus die Menſch⸗ heit präbeftinirt war, Gottes Sohn zu fein. "Nach diefer Auf: faffung ift in Chriftus Die Menfchheit übergegangen in das Sein Gottes, ohne darin unterzugehen; und zwar dadurch, daß bie Gottheit fie fich aneignete und zu einem Momente ihres eigenen Seins machte. Die zweite Auffaffung ift der Sache nad) die herrſchende firchliche,, befonders von Joh. v. Damas kus vertreten. Nach ihr ift der Sinn des Satzes, „Gott iſt Menfch geworden“ dieſer: Gott hat angefangen in zwei Naturen feine Subfiftenz zu haben, oder aus drei Subftanzen: Leib, Seele, Gottheit zu fein; ber Sinn des Satzes: „der Menſch ift Gott geworden“ aber: Jeſus Ehriftus ift nur Eine Perfon, einfach vor der Incarnation, nad ihr zufammengefest aus Gottheit und Menfchheitl. Da nun bie Perfon feine andere warb ale zuvor, ſondern biefe felbige Perfon, die einfach war, nun au zur Perfon des Menfchen geworben ift, fo fann auch gefagt werden, der Menſch ift Gott geworden. Nicht jene Perfon ift geworben, fondern fie ift nur auch zur Perfon des Menſchen oder zufammengefegt geworden. Diefe eine Perfon, fofern jie vom Vater und Geift unterfchieden - ift, batte die charafteriftifche Eigenthlimlichfeit der göttlichen Sohn: fhaft des Wortes Gottes gebildet; fie bildete auch bie charak⸗ teriftifche Ulnterfchiedlichfeit der Menſchheit, wodurch biefe ver fchieden ift von ber Mutter und den übrigen Dtenfchen; beide Naturen bleiben in Chriftus aufbewahrt, nach der Einigung aber nicht wie befonders gelegte Theile, ſondern als unter ſich geeint zu einer zufammengefegten Hypoſtaſe. Das ift eine fubftantielle, b. h. wahre Einigung, obwohl nicht aus ben zwei Naturen eine dritte Eine zufammengefeßte Natur wurde, fondern fie find nur Petrus Lombardus. j 951 geeint zu der einen zufammengefegten Perfon des Sohnes Gottes, das Krentürliche bfieb Freatürlich und das Unkreatürliche unfreatürs ih, das Sterbliche ſterblich, Das Unſterbliche unfterblih, und ebenfo Das Umfchriebene und das Unumfchriebene. Als dritte Anficht führt er diefenige an, welche nicht bios in Abrede ftellt, daß göttliches Sein zu menfchlichem geworben fei und umgefehrt, fondern au, daß eine aus ben Naturen zus fammengefegte Natur wurde, ja daß überhaupt in der Menſch⸗ werbung ein Menſch oder eine Subflanz aus Leib und Seele, zufammengefegt oder geworben fei. Die Einigung habe nicht bewirfi, daß aus zweien oder dreien (Leib, Seele, Gottheit) Eine Ratur oder Perfon warb oder zufammengefegt wurbe, fonbern daß mit Leib und Seele als einem Gewande (indumentum) dag Wort Gottes bekleidet wurde, um ben Augen ber Sterblichen angemeflen zu ericheinen. In bie Einheit feiner Perfon nahm hienach Chriftus jenes Beides nicht fo auf, als ob jenes Beides oder ein aus ihnen zufammengefegtes Wefen eine Perfon mit bem Worte, ober felbft Wort geworben wäre, ſondern nur ſo⸗ fern durch den Zutritt jener zwei feine Mehrung der Perfonen- zahl eintrat, und weil des Wortes Perfon, die zuvor ohne das Gewand war, durch deflen Annahme weder getheilt noch vers änbert warb, fonbern unverändert eine und biefelbige blieb. Nach biefer Anficht fei Gott nur befigmweife oder nach der Geſtalt, bie er annahm, Menſch geworben, secundum habitum, eine Formel, die an fih mandyfaltigen Sinnes, immer etwas bebeute, was zu einem Anbern erſt hinzutritt, ihm zufällig ift, fo daß biefes auch könnte ohne baffelbe fein, möge es nun buch fein Hinzus treten eine Veränderung ausüben oder erleiben, oder nur bag Eine von beiden, ober feines. Hier habe es den Sinn, daß bas binzufommende Zufällige verändert werde nicht in feiner Natur, fondern eine andere Geftalt und Form annehme, wie ein Kleid ab- gelegt nicht biefelbe Geftalt hat, die es annimmt, wenn ed ans gezogen if. Indem der Sohn einen wahren Menfchen, d. h. einen wahren Leib und eine Seele annahm, ward feine Geſtalt (habitus) als ein Menfch erfunden, d. h. einen Menfchen habend, warb er als ein Menfch erfunden, der er nicht war für fich, 382 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. fondern für bie, denen er in der Menfchheit erſchien. Und das fei der Sinn des Wortes: Gott ward Menfch, wie um bed an- nehmenden Gottes willen gefagt werbe: es ward der Menſch Gott. So ward Gott Menſchen ähnlich , nicht in einen Menſchen um: geftaltet, fondern angefleivet mit einem Menſchen, den er einiger: maßen mit fich vereinigend und ſich gleichmachend, mit der Uns fierblichfeit vermählen ſollte. ?) Die erfte diefer drei Klaffen, die am Meiſten mit Energie bie Idee realer Gottmenfchheit erfaßt, fertigt er ziemlich Kurz (Dist. VII) mit der Bemerkung ab, wenn jene Subftanz ange fangen hätte, Gott, Gott aber fie zu fein, fo hätten wir eine Subftanz , bie nicht immer Gott war, fo wäre eine Subflanz Gott, die nicht göttliche Subftanz ift, fo wäre Gott etwas ge⸗ worden, was er nicht immer war; denn das Gewordenſein be⸗ zeichnet ein zuvor nicht Gewefenfein. Aber auch gegen bie zweite Auffaffung macht er allerlei Einwendungen; vor Allem Die, daß wenn die Perfon Chriſti zufammengefegt wäre, Gott und ber Menih Theile diefer Perfon heißen müßten; wäre nun aber ber Sohn nur ein Theil diefer Perfon, fo wäre der Sohn Gottes vor Annahme der Knechtögeftalt bios ein Theil und nicht ganz und wäre gerwachfen durch den Zutritt der Deenfchheit zu feiner Gott⸗ heit. Iſt nun aber der Sohn Gottes nicht ein Theil der Perfon Ehrifti, fo feheint auch nicht gefagt werben zu können, daß dieſe Perſon aus Gott und Menſch beftehe oder zuſammengeſetzt fei. Das geben Manche zu, führt er fort, und fagen: Allerdings treten die Theile eined Ganzen mit dem Erfolg zufammen, daß aus ihnen Etwas, was nicht war, conftituirt wird, was bier nicht gelten könne, aber biefe Unio fei nicht nad) Art einer Ver⸗ einigung von Theilen zu benfen, fondern ein Geheimniß. — Enbiih führt er (Dist. VI) für bie noch übrige dritte Anficht pofitiv an, baß werm Gott wefentlich Menſch ober der Menfch Gott wäre, fo wiirde, wenn Gott den DMenfchen im weiblichen 8) Dist. VI. veram hominem susclpiendo habitus (ejus) inventus est ut homo, id est, habendo hominem inventus est ut homo non sibi sed eis, quibus in homine apparuit. Nipilianismus des Petrus Lombardus. 383 Gefchleiht angenommen hätte, was er konnte, das Weib wefent- lich Gott fein und umgefehrt. Gegen dieſe dritte Anficht, welche das Band ber Unio weſentlich Iodert und der Menfchheit nur die Bedeutung einer wenn auch andauernden Theophanie gibt, ja ausdrücklich befennt, dag nad ihr der Sohn nicht ſich felbft als Menfchen gewußt babe, fondern nur für die Menſchen Menſch gewefen fei, führt er Feinerlei Gründe an. Mit diefer Auffaffung hängt enge zufammen, daß er nur nach der menfchlihen Natur Chriftus Mittler fein Tat. *) Da nemlich die Menfchheit für den Sohn Gottes etwas Zufälfiges ift, das in feiner Weife zu einer Beftimmitbeit feiner Perfon wird, fonbern nur fein Ericheinen für Andere zum Zwecke bat, ja ba Gott anders ald durch die Erſcheinung in einem Menſchen hätte beifen können, wenn er nur gewollt hätte (Dist. XX) fo ift bie menfchlihe Natur ihm nur ein felbftlofes Ding und zufälliges Mitte. Die göttliche Natur aber bringt er mit der menfchlichen, ihrem Gewande, nicht fo innig zufammen, baß bie mittlerifche Bedeutung derfelben auch auf bie mit ihr geeinte göttliche Natur ſich beziehen könnte. Diefe vielmehr bleibt für fich, und mit dem Sohne Gottes, wie mit dem Vater und heiligen Geifte find wir verföhnt ; durch den Sohn Gottes aber nur fo, wie auch durch den Bater unb den heiligen Geifl. Die ganze Dreieinigfeit tilgt unfere Sünden, Chriftus aber beißt Mittler einzig feiner Menſch⸗ beit nicht feiner Gottheit wegen. Er iſt durch jene Mittler zwifchen ber Menfchheit und bem breieinigen Gott, beſonders als Beifpiel des Gehorfams. Zugleich fehen wir .alfo bier, wie ber Menſchheit für fich erlöfende Kraft zugefchrieben wird, was ſich dann leicht auch auf Andere übertragen ließ, um fo mehr, ale biefe verfühnende Kraft nicht eigentlich dem mittlerifchen Wefen einwohnte, fondern e8 ift nur dag göttliche Wohlgefallen, welches, ftatt (wie es auch könnte) ohne Mittler ſich verföhnt zu willen, bie mittlerifche Leiftung anfieht, als hätte fie die mittleriſche Kraft; in Wahrheit aber bleibt für Chriſtus faum etwas Anderes * Weßhalb fi Stankarus auf ihn mit befonderer Borliebe bes zieht. ⸗ 384 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt II. Kap. 1. übrig, als das ewige Verföhntfein Gottes durch fein Leiden zu zeigen und bie Menfchen zur Liebe und Demuth in feiner Nach: folge zu erwecken. Nach der Anficht, für die der Lombarde ſich zu entfcheiden fheint, weiß nicht Gott objektiv ſich in Chriftus aud ale Mienfchen, fondern das Menfchfein Gottes wirb auf das fubjeftive Gebiet ber menfchlichen aber von Gott beabfichtigten Borftellung gefpielt. Gott hat ſich objeltiv befleidet mit dem Gewande der Menfch- heit, um als Menſch zu erfheinen. Cbenfo bie Berfühnung ift in Chriftus nicht eigentlich real erworben, fondern feine Erſchei⸗ nung und fein Leiden ift nur ein objeftiver Vorgang, welcher für Gott und für die Menſchen dafür gelten foll, die Verſöhnung vermittelt zu haben. 5) — Das altchriftliche Wort, daß in Chriſtus bie Menfchheit zum göttlichen Thron erhoben und beifteirt fei, weiß er nur zu verwerfen, wofür er fich meint Darauf beziehen zu fünnen, daß der Ausprud homo dominicus (xveiaxos) von angefehenen Kirchenlehrern beanftandet war, ©) Es verfteht ſich leicht, Daß der Lombarde aufs Beftimmtefte gegen ben Adoptianismus fih erklären mußte, fowie gegen jebe Annäherung daran, bie Menfchheit perfönlich zu denfen; ?) ferner fonnte er nicht anders als von Ehriftug, welcher nur Menfchheit hatte und trug, nicht aber Menfh war, ausfagen, baß er ans zubeten, daß er ſündlos, allwiffend u. |. w. fe. Er kann frei: lich die Frage nicht umgehen, ob benn nicht nach Lucas feine Menschheit zugenommen an Alter, Weisheit und Gnade bei Gott und den Menfchen ? Aber bei der Selbfilofigfeit auf die er bie Menfchheit Chrifti beichränft, bleibt ihm nur übrig zu &) Dist. XIX: factus est homo mortalis ut moriendo diabolum vinceret; damit nicht injuste et violenter der Teufel überwunden würde, mußte es ein Menfch \thun. Per ipsius poenam — omnis poena relaxatur, — Secundum humanam naturam mediat Deo Terinitati. 6) Aber das war nicht in doketiſchem Intereſſe, fondern nur in antiebjonitifchem gefchehen. ?) Gerfönlich ift ihm quod per se sonat; die menfchlihe Natur iſt aber nie per se sonans fondern flets mit dem Logos verbunden und nur in ihm beftehend. Nihilianismus bes Petr. Lomb. 385 fagen, daß Jeſus von der Empfängniß an voll Gnade und Weis⸗ heit war. In ihm war bie Fülle der Gottheit, nicht blog Guben des Geiſtes wie in ben Heiligen. Diefe find nicht wie bas Haupt das alle Sinne in ſich vereinigt, fondern nur wie Glieder, Die auch etwas von den Sinnen haben. Er nahm alfer- dinge zu an Gnade und Weisheit aber nicht in fich fondern. in Andern die durch ihn zunahmen, indem er den Altereftufen gemäß , die Weisheit und Gnade, die in ihm war, mehr offenbarte und Dadurch zum Preis Gottes aufförberte. Er fagt von Chrifli Seele daher aus, daß fie Alles wife, was Gott weiß, aber nicht fo klar und durchfichtig fei ihr dieſes Alles wie es dem Schöpfer if. Denn fie fei Kreatur, Die Kreatur aber fann in Nichts dem Schöpfer gleich fein. Er hat das Willen ohne Maaß, aber doch ift Gottes Weisheit viel höher und voll fommener ; d. h. er hat Weisheit fo weit als die menfchliche Na⸗ tur dafür empfänglich if. Während aber feine Seele von Natur empfängfic) (naturaliter capax) ift Alles, aber nicht far, zu wiffen, ſo iſt fie doch nicht empfänglich dafür gemacht Alles zu können, damit fie nicht für allmächtig und Damit für Gott gehalten würde (Dist. XIV). &benfo war Chriftus allgegenwärtig als totus d. i. nad feiner Hypoftafe, aber nicht totum d. i. nach feiner ganzen Natur, denn er war auch Menſch (Dist. XXI). Diefe legten Züge zeigen, wie doch der Grundgebanfe bes Lombarden berfelbe ift, wie bei den Antiochenern, daß fi) Gott⸗ heit und Menfchheit fchlechthin nicht vergleichen Taffen, alfo außer einander bleiben müſſen. Die alte antiochenifche Schule hatte zwei Hauptausprudsweifen; entweder: Jeſus fei der vios Beod Oeroͤe, zur Einheit mit dem Sohn Gottes nur adoptirt, ober: er fei Tempel, Kleid Gottes. Das Erftere hatte fi) der Adoptia- nismus angeeignet in lebendigerem Intereſſe für eine reale Menſch⸗ heit, dag Letztere um bie Grenze der Einigung zu bezeichnen ; und Diefes, aber nicht das Erftere eignet ſich auch der Nihilianismus an. Beide fegen die Menfchwerdung des Wortes zu einer bloßen Beziehung deffelben zur Menfchheit herab, Iodern alfo ihrem Gotteshegriffe gemäß das Band zwifchen beiden fo ſehr, Daß nur eine Erong oyszınn Übrig bleibt und infofern Tann man Dorner, Shrifiologie. IL 2te Aufl. 25 j t 386 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfepnitt IT. Kap. 1. den Nihilianismus eine Fortſetzung des antiochenifchen Stand⸗ punktes nennen. Aber während dieſe Unio ber Beziehung vom Adoptianismus in dem ethifchen Intereſſe für Chriſti volle und reale Menfchheit angenommen ward, ift biefes Intereſſe bei dem Lombarben gänzlich zurüdgetreten. Ja ihm tft es eis gentlich nicht mehr um Durchführung des dhriftologifchen Ges dankens zu «hun, ben er vielmehr fallen läßt, fondern um eine folche Wendung der traditionellen Lehre, wodurch bem eigent⸗ lichen Problem ausgewichen würde, und wobei ed troß der Menſch⸗ werbung Gottes doch bei der Unmöglichkeit einer wirklichen Ver⸗ einigung der Gottheit und ber Menſchheit, bie ihm im Begriffe des Schöpfers ligt, fein Beenden babe. Denn eine folche Menſchwerdung, wie bie bes Lombarden, ift eine bloße Illuſion. 2. Der Satz des Lombarden, daß Gott durch die Menſch⸗ werbung Nichts geworben fei, ift in ber That wenig davon vers ſchieden, daß die Menfchwerbung Nichts erreicht, geſetzt habe, d. h. daß fie eigentlich nur eine Theophanie fei. Oder: ber Nihilianis mus hebt die Menſchwerdung felbft auf und läßt an Stelle ihres Gedankens nur eine Beziehung, Relation Gottes zur Menfchheit übrig. Er erregte ſolchen Anſtoß, daß das lateran. Concil v. J. 1179 unter Alerander Ill. ihn ver: dammte und mehre Schriften gegen ihn gefchrieben wurden. Nas mentlih gehört bieher Johannes v. Eornwall Schrift. 9 Diefer zeigt in fehr weitfchweifiger Weife, daß die heil. Schrift Chriſtus als einen Menfchen, mithin als etwas neben anderem Gleichartigen bezeichne, das feinen Anfang in ber Zeit habe. Daber man fagen müſſe, Gott fei Etwas geworben. Dad Ges gentheil wirde auf (Manichäismus) Dofetismus führen. Und zwar nicht Eigenfchaften feien unter biefer Menſchheit zu ver⸗ fieben, fondern ein Subftantielles, Leib und Seele. Jedoch if er weit davon entfernt, unter dem homo etwas Anderes zu vers ſtehen, als die natura humana (Seele u. Leib). Und die For: mel: Gott ift Menſch, der Menſch Gott geworben, will er nur — ®, Joannis Cornubiensis Eulogium ad Alex. Pap. III in Martene Thes. novns anecd. Y, 1657. Baur a. a. DO. U, 568—569. Yetr. Lomb. Beftreit. d. Nihilian. Johann 9. Cornwall. Abälard. 387 fo verſtehen: die göttliche Perſon (aber ohne bie göttliche Na⸗ tur) iſt Menſch, d. 5. menſchliche Natur geworben; unb bie menschliche Natur göttliche Berfon, aber nicht Gottheit oder gött⸗ lihe Natur. — Aber der Lombarde war durch Dogmatiftifche Beweiſe nicht widerlegt, noch weniger war gezeigt, Daß die firchliche Chriſto⸗ logie mit fih im Einklang fei, wenn fie den Nihilianismus Ser: warf unb doch felbft die Menfchheit Chriſti zu einem felbftlofen Weſen feit Zurückweiſung des Adoptianismus fo entſchieden machte, Der Sab des Nihilianismus fpricht nur naiv gleichfam das Ger beimniß der Chriftologie aus, welche trotz dem, daß fie von Menfchwerbung Gottes in anderem Sinne ald dem einer Theo: phanie reden will, doch die Menſchheit Chriſti unperſönlich, ein bioßes Gewand Gottes fein läßt, oder aber die Gottheit (Die göttliche Natur) gar nicht in die Incarnation bereinzieht, fondern blos bie abftrafte Perfon des Logos. Ganz ähnlich war fhon vor dem Lombarden Abälard um bie eigentliche Idee der Menfchwerbung gefommen, Er geht wie gefagt von einem mehr fabelliantichen Gottesbegriff aus (deſſen auch der Rombarde von Abt Joach im geziehen wurde). Gott it fchlechthin unveränderlich, fagt er,?) daher kann er nicht etwas geworben fein, was er nicht ewig war; am wenigften fann er etwas Gefchaffenes oder gar Leib fein, der doch zur Menfchheit gehört. Daher wagt er ed, was Petrus nicht mehr wagte, bie altkirchlichen Sormeln; Gott fei Menfh, der Menſch Gott geworden, zu verwerfen aus ähnlichen Gründen, wie wir es bei der antiochenifchen Schule ſahen. Wenn aber ber Lombarbe zu feinem Refultat mehr von der Unperfönlichfeit der menfchlichen Natur aus fümmt, und infofern bei feiner Rüdfehr zu den an⸗ tiochenifchen Formeln vom „Gewand“ ober „Tempel“ doch firen- ger in ber Linie ber Kirchenlehre bleibt, entfprechenb bem Ueber⸗ 9, Introduetio ad Theolog. IH, 1126 ed. Paris. 1616. Gott fei überall seeundam substantiam, ungleich aber ſei er secundnm operationis effcaciam, nicht durch localis adventus da. In Chriſtus fei bie Menfchheit erhöht, die Gottheit temperirt, das Elektrum ale Miſchung aus Gold und Silber bezeichne Chriſti Beichaffenpeit, ©. 737. 25 * « 390 Zweite Periode. Erfie Epoche. Abſchnitt IL Kap. 1. faßt dieſes weit tiefer und inniger ale gewöhnlich. Kin immer wieberfehrender Gedanke bei ihm ift, daß die Menfchen nicht der Engel wegen, zum Erfag der Bollzahl der Erwählten nach dem Fall eines Theiles der bimmlifchen Geifter gefchaffen feien; viel mehr umgefehrt wäre es kindiſch, zu meinen, Gott habe vor dem Falle der Engel feinen Plan zur Schöpfung der Menſchen gehabt. Biel richtiger fei ed zu fagen, eines gewiffen Men: fhen wegen feien auch die Engel gefchaffen, wie alles Andere; denn die Schrift fage: nicht blos durch ihn, fondern auch um feinetwilfen ift Alles gemacht, was gemacht ift, und nennt ihn das Leben der Welt. Die Weisheit, die vor Gott fpielte vor ber Schöpfung, ſpricht: meine Luft ift die Gemeinfchaft mit den Menfchenfindern. Was heißt diß anders, als: bevor Gott erwas fhuf, war es ber Ratbichluß, daß ich, das Wort Gottes, Fleiſch würde und in ben Menfchen wohnte in großer Liebe und höch⸗ ſter Niebrigfeit, worin die wahre Luft befteht? daß ebenfo, wie Das Weib gefchaffen warb um des Mannes willen, fo auch um Ehrifti willen die Menfchheit gefchaffen würde, aus weldyer ihm die Kirche werben foll? — Was läßt ſich für ein flärferer Gegen» ſatz denfen, als zwifchen dieſer Auffaffung, wonach zum ewigen göttlichen Begriffe von der ‘Menfchheit die Menfchwerbung, vie Bereinigung mit der Gottheit gehört und zwifchen ber gewöhn⸗ lichen, wonach Gott und Menſch durch ihren Begriff fih ewig ausfchließend gegen einander verhalten follen ? Freilich fcheint nun Ruprecht auch wieder anders zu reben. Sp, wenn er anderwärts fagt: baß ohne bes Menſchen Sünde eine Urfache nicht gewefen wäre, warum ber Menſch Chriftus ©. 158. c. 20. 21. ©. 163. 164. L. IV. c. 2. ©. 165. c. 6, ©. 166. De Gloria et honore filii Dei sec. Ev. Matth. L. IH, 26. De Gloria Trinit. L. XIII. c. 19-21, in Joann. c. VII. Diefer felb: fländige und originelle Geift hat bis jeßt die verdiente Beachtung nicht gefunden. Belanntlih hat er die Vernichtung und Bers wandlung der Subftanz im Abenpmahl nicht angenommen, läßt fie vielmehr von Ehriftus ähnlich affumirt fein, wie der Logos die Menfchheit annahm, eine Lehre, welche von dem lateranen» fiſchen Concil unter Junocenz IV. verworfen worden iſt. Ruprecht von Deuß. 391 aus ber Niebrigkeit in Gott ‚hätte aufgenommen werben follen. Aber er will bamit boch nicht fagen, daß bie Menfchwerbung überhaupt einzig in der Sünde ihren Grund habe, fondern nur das ligt darin, für feine Liebe fei gerade die Sünde und unfere tieffte Niedrigfeit das Mittel geworben, woburd er das, was ihm die wahre Luft ift, geworben fei, bie tieffte Herablaffung in die Niedrigfeit in höchſter Liebe. Es ift alfo in ber kühnen Sprache der Liebe geredet, wenn er, gleichfam in Chriſti Liebe fich verfeßend, fagt, die Sünde habe das Berbienft um Chriſtus, daß er jene feine Luft an ber Herablaffung bis zu dem tiefften denkbaren Punkte babe bethätigen können. Außerdem benft er bei dem Sichaufnehmenlaflen aus der Niebrigfeit befonderd an die Knechtsgeſtalt, die ihren Nothwendigkeitsgrund auch ihm in der Sünde bat. Ueberhaupt aber Tigt bei ihm beſonders ber Ge⸗ banfe zu Grunde, es finde ein ewiges göttliches Sei flatt, daß dem Sohne Gottes die höchſte Dffenbarung ber Liebe, bie feine Luſt ift, auch habe gewährt werben müſſen, und ber Gebanfe wird nach allen Seiten durchgeführt, daß bie Menſchen und ihre Gefchichte ihre Zweckbeziehung in Chriftus haben. Wie er biefes vorausſetzt in Beziehung auf die Sünde, fo auch in Beziehung auf den Tod; die Menfchen mußten flerben, und burften nicht vom Baum bed Lebens eſſen, weil nur dadurch, daß wir ſterb⸗ lich wurden, es möglih ward, Daß auch Chriſtus ben Tod fehmedte, der zu feiner tiefften Erniebrigung, zur Offenbarung bes höchſten Gutes, feiner Liebe, wie zu unferer Erlöfung ges hört. 7) Ueberhaupt ift Ruprechts Lehre vom Böſen nicht ohne Eigenthümlichkeit. Es befchäftigt ihn Die Frage viel, ob Gott allmächtig bleibe, wenn er das Böſe nicht wollte und das Böſe doch ward. Ob nicht zu fagen fei, Gott habe gewollt, daß das Böfe werde, da es unter feinem Vorherwiſſen geworben fei ? Darauf könne man fagen: ber Herr babe, obwohl allmädhtig, 12, Es ift alfo Ruprecht nicht inconfequent, wie Julius Müller behauptet. Er fagt vielmehr de Glor. et hon. filii hominis L. XIV: Es Haben auch einige Kirchenlehrer gemeint, das Böfe fei von Gottes Willen umſchloſſen, indem fetnetwegen Gottes Sohn habe Menſch werden und fierben müffen. « 8090 Zweite Periode. Erfle Epoche. Abſchnitt II. Kap. 1. faßt biefes weit tiefer und inniger ale gewöhnlich. Ein immer wieberfehrender Gedanke bei ihm ift, Daß die Menſchen nicht der Engel wegen, zum Erſatz der Bollzahl ber Erwählten nad dem Fall eines Theiles der himmliſchen Geifter gefchaffen feien; viel mehr umgefehrt wäre es findifch, zu meinen, Gott habe por dem Falle ber Engel einen Plan zur Schöpfung ber Menfchen gehabt. Biel richtiger fei es zu fagen, eines gewiffen Mens ſchen wegen feien auch die Engel gefchaffen, wie alles Andere; benn bie Schrift fage: nicht bios Durch ihn, fondern auch um feinetwillen ift Alles gemacht, was gemacht ift, und nennt ihn bag Leben ber Welt. Die Weisheit, bie vor Gott fpielte vor der Schöpfung, fpricht: meine Luft ift die Gemeinfchaft mit den Menfchenfindern. Was heißt diß anders, als: bevor Gott etwas fhuf, war es der Rathſchluß, daß ich, das Wort Gottes, Fleiſch würde und in den Menfchen wohnte in großer Liebe und höch⸗ ſter Niebrigfeit, worin die wahre Luft befteht? daß ebenfo, wie Das Weib gefchaffen warb um des Mannes willen, fo auch um Chriſti willen die Dienfchheit gefchaffen würde, aus welcher ihm die Kirche werben fol? — Was läßt fi für ein flärferer Gegen: ſatz denken, als zwifchen diefer Auffaffung, wonach zum ewigen göttlichen Begriffe von der Dienfchheit die Menſchwerdung, bie Bereinigung mit ber Gottheit gehört und zwifchen ber gewöhns lichen, wonach Gott und Menfch durch ihren Begriff fi) ewig ausſchließend gegen einander verhalten follen ? Freilich fcheint nun Ruprecht auch wieber anders zu reden. Sp, wenn er anderwärts fagt: daß ohne bes Menfchen Sünde eine Urfache nicht gemwejen wäre, warum ber Menſch Chriſtus ©. 158. c. 20. 21. ©. 163. 164. L. IV. c. 2. ©. 165. c. 6, ©. 166. De Gloria et honore filii Dei sec. Ev. Matth. L. III, 26. De Gloria Trinit. L. XIII. c. 19--21, in Joann. oc. VIIL Diefer ſelb⸗ fländige und originelle Geift hat bis jet die verdiente Beachtung nicht gefunden. Belanntlih hat er die Vernichtung und Ber: wandlung der Subftanz im Abendmahl nicht angenommen, läßt fie vielmehr von Chriſtus ähnlich affumirt fein, wie der Logos die Menfchheit annahm, eine Lehre, welche von dem lateranens fiiden Concil unter Innocenz IV. verworfen worben if. Ruprecht von Deuß. | 391 aus ber Niedrigkeit in Gott ‚hätte aufgenommen werben follen. Aber er will damit doch nicht fagen, daß bie Menfchwerbung überhaupt einzig in der Sünde ihren Grund habe, fondern nur das ligt darin, für feine Liebe fei gerade bie Sünde und unfere tieffte Niedrigfeit das Mittel geworden, wodurch er das, was ihm die wahre Luft ift, geworben fei, die tiefſte Herablaffung in die Niedrigfeit in höchſter Liebe. Es ift alfo in der kühnen Sprache der Liebe geredet, wenn er, gleichfam in Chriſti Liebe fih verfeßend, fagt, die Sünde habe das Berdienft um Chriftus, baß er jene feine Luft an der Herablaffung bis zu dem tieflten denkbaren Punkte habe bethätigen können. Außerbem benft er bei dem Sichaufnehmenlaffen. aus der Niebrigfeit befonders an bie Knechtögeftalt, bie ihren Nothwenbigfeitsgrumd auch ihm in der Sünde bat. Ueberhaupt aber ligt bei ihm beſonders ber Ges banfe zu Grunde, es finde ein ewiges göttliches dei ftatt, daß dem Sohne Gottes die höchſte Offenbarung der Liebe, bie feine Luſt ift, auch babe gewährt werben müſſen, und der Gedanfe wird nach allen Seiten durchgeführt, daß die Menfchen umd ihre Gefchichte ihre Zwedbeziehung in Chriftus haben. Wie er dieſes sorausfegt in Beziehung auf die Sünde, fo auch in Beziehung auf den Tod; bie Menfchen mußten flerben, und durften nicht vom Baum bed Lebens efien, weil nur dadurch, daß wir flerb- ich wurden, es möglih ward, bag au Chriſtus ben Tod fehmedte, der zu feiner tiefflen Erniebrigung, zur Offenbarung bes höchiten Gutes, feiner Liebe, wie zu unferer Erlöfung ges hört. 2) Ueberhaupt if Ruprechts Lehre vom Böſen nicht ohne Eigenthümlichkeit. Es befchäftigt ihn Die Frage viel, ob Gott allmächtig bleibe, wenn er das Böſe nicht wollte und das Böſe doch warb. Ob nicht zu fagen fei, Gott habe gewollt, daß das Böfe werde, da es unter feinem Vorherwiſſen geworben fei? Darauf könne man fagen: der Herr babe, obwohl allmädhtig, 12) Es ift alfo Ruprecht nicht inconfequent, wie Julius Müller behauptet. Er fagt vielmehr de Glor. et hon. Alii hominis L. XIV: Es Haben auch einige Kirchenlehrer gemeint, das Böſe fei von Gottes Willen umfchloffen, indem fetnetwegen Gottes Sohn habe Menfch werden” und flerben müſſen. 392 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt II. Kap. 1. irgendivo feine Wunder nah Markus thun können, wie viel weniger babe Gott in den böfen.Geiftern irgend eine (Wunder⸗) Kraft bemeifen fünnen. Engel und Menſch fielen nicht aus Kraft in Mangelhaftigfeit, fondern aus Mangelhaftigfeit in Mangel- baftigfeit ; fie fielen nicht fo, daß fie ald Heilige und wie in eine Burg der Heiligfeit geftellt, in Das fielen, was ber Heiligfeit entgegen ift, fondern zu dem Ende, daß fie heilig würden, und bazu fortichritten. Nicht aus einer Heiligkeit, die er noch nicht erreicht hatte, fiel der Engel, der dur den Fall zum Teufel wurde, fondern weil er fich felbft geftel als fich genügend, wag alfo nicht ein Fallen aus der Tugend in die Sünde, fonbern ein Bleiben in Dem war, ald was er gemacht ward, ein Blei⸗ ben in ber Leere, Die ein Mittleres ift zwifchen dem wahren und heiligen Weſen Gotted und zwifchen jenem Nichts, daraus er Alles gejchaffen hat. Die übrigen Kreaturen fehren in Das zu⸗ rüd, daraus fie gemacht find, in das Nichts; aber die Engel und die Menfchen zwar nicht in das Nichts, fo daß fie über: haupt nicht wären, aber in fich felbft verharrend und Gott, ber das wahre Sein ift, zu genießen verfchmähend, find fie eitel, ja bie Eitelfeit felbft, und der Teufel ift nicht bios eitel (vanus), fondern auch ber Fürft aller Eitelfeit. Sagt doch felbft der Sohn, bag er nichts könne von ihm felber thun, ſonach ift Gottes All macht bewahrt, wie Gottes Güte. Ruprecht meint, daß Alles, was wirflih ift, von Gott gewirkt, fo wie, daß das Böſe nicht yon Gott gewirkt wird, fondern daß es blos Die Leere, Das moralifche Nichts fei, welches ohne Gott fih in fich felbft be⸗ haupten und fidh genügen will; folder Selbftgenügfamfeit könne Gott nad feinem gerechten Urtheil fi) nicht mittheilen. Das Böfe trat ein unbefchadet der Macht und Güte, und bephalb- mußte ber weife Gott Menſch werben, für Alle fterben, und fonnte der Menſch anders nicht gerettet werben. Unmittelbar hieran 13) fchließt er die ausführliche Erörterung über das zuerft erwähnte Thema. Das verftehe ſich für jeden Gläubigen, daß ber Sohn Gotted ein fterblicher Menſch nicht geworden wäre, 12) Tom. II. ©, 135 in Matth. XXVI, de glor. et hon. filii hominis. Ruprecht von Deutz. 393 wenn nicht wir wären fterßlich geworben burch bie Sünde. Aber es frage fich weiter zurück, ob es nicht überhaupt für das Men⸗ fchengefchlecht irgendwie nöthig war, daß der Gottmenſch Haupt und König Aller wurde? Bon allen Heiligen und Erwählten ift gewiß, daß fie Alle und Einzeln auch ohne bie Sünde wären geboren worden in ihrer Bollzahl nach dem Vorſatz Gottes, den er vor dem Fall in dem Segen ausſprach: „feid fruchtbar und mehret Euch.“ So abgefchmadt es daher wäre, zu meinen, baß bie erften Menſchen ohne die Sünde nicht würden gezeugt haben, oder daß bie Sünde deßhalb nöthig war, bamit die vielen ge: sechten Menſchen werden könnten, ebenfo abgeſchmackt wäre eg, zu meinen, baß ohne die Sünde Chriftus nicht geworben, ober daß für ben, der dad Haupt und der König aller erwählten Engel und Menfchen iſt, vornemlich die Sünde die Urſache feiner Menfchwerdung warb und nicht die Luft feiner Liebe, die er an den Menſchenkindern hatte. Diefer Rathſchluß warb nicht vers eitelt durch das Eintreten der Sünde, fondern nun gefchah das: „wo aber bie Sünde mächtig ward, ba warb auch übermächtig bie Gnade.“ Es ziemte Dem, wegen befien Alles und durch ben Alles ift, daß er ald Urheber des Heils durch Leiden voll endet ward, Darin ligt das Gewicht bes väterlichen Gebotes, barın der Schmud des Gehorfams des Sohnes ber Liebe, daß er fih erniebrige, und wir fünnen vertrauungsvoll dem Throne der Gnade nahen. Freilich, wenn wir im Geift bie Himmelshöhen betrachten und darin den hocherhabenen Sohn Gottes zur Rechten ber Majeftät, da magft du erbebend fprechen, was wird aus und den unnüsen Knechten und Sündern, wegen beren Sünden er Solches gelitten hat! Aber da vernimm als fein Wort (denn er ift fanftmüthig und von Herzen bemüthig): Auch ich wäre jegt nicht fo groß, wenn nicht deinethalben, wenn nicht für Die Sünde des Gefchlehts. Die Gottlofen wurden für ihn zur Ur: fache feiner Krönung und fo dürfen fie, wenn fie glauben, ge⸗ troft ihm nahen, 1) Chriftus nennt ſich um feiner Luft an ben Menfchenfindern willen am liebſten Menſchenſohn, verbergend 1) C£. comment. in Joann, cap. III. L. IH. ©. 268. 3094 Zweite‘ Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt II. Kap. 1. feine Herrlichfeit , offenbarend feine Demuth, bejonders aber nennt er fi) Sohn des Menfhen, damit wir ung ihm recht nahe und ihn al8 unfern Bruber dächten. Denn warum bat er nicht, wie er doch Fonnte, einen Menſchen aus der Erde gebildet und an⸗ genommen, ſondern unfer verberbtes Fleifh? Weil dann nicht daſſelbe Fleiſch die Sünde fühnte, das fie begieng, und er ein Frembling für ung wäre. Wiederum nicht ein Engel, ſondern Gottes Sohn ward Menſch, !°) weil auch bie ftärffte Kreatur nicht im Stande war, und vom Teufel zu befreien. Auch kann ein Engel nicht Menſch werben und ſich mit menfchlicher Seele befleiden. Sein ift aber die menfchliche Seele nicht minder als ber Geift der Engel. Eben daher find auch Geifter der Engel und der Menſchen für einander weber faßbar noch empfänglich, fondern nur Gott, ber ungefchaffene Geift if fahbar für jede vernünftige Kreatur. 1%) Nicht eines Gefandten bedurfte es, fons bern des Sohnes, weldyer die menſchliche Seele durch das zarte Wefen feiner Gottheit durchdränge und fie ganz mit fih zu Einer Perfon verbände ald einem würdigen Preis für Adams Schuld, unvergleichlih foftbarer als jeder Enge. So hat es ihm ge ziemt; und diß Werk ift für fein Haupt die glorreiche Inſignie nicht minder feiner Huld als feiner Macht, denn er wollte und er allein konnte auf ber Wage des Kreuzes unfer ganzes Ges ſchlecht aufwiegen in vollftem Uebergewicht. Richard von St. Viktor befchäftigt fich gleichfalls beſon⸗ ders mit ber Frage nach der Nothwendigkeit der Menſchwerdung Gotted und zwar des Sohnes Gottes. Sie ift ihm begründet darin, daß die Erlöfung mit dev Gereshtigfeit im Einklang blei- ben, daher mit Genugthuung verbunden fein mußte. Würde der 19) a. a. D. 267. Man fieht Hieraus, wie er die endliche Natur des Menſchen ber unendlichen Gottes gar nicht blos entgegenfeßt, fonbern von ers flerer um Chriſti willen eine Borftelung hat, wonach fie mit ber göttlichen zufammengehört; von ber göttlichen aus durch die Größe der Liebe Gottes, von der menſchlichen aus durch vie Größe der Niedrigkeit und Bepürftigkeit, die für Gottes Liebe etwas Locken⸗ des hat und deren Kebrfeite die unbefchräntte Empfänglichleit if. Ruprecht von Deus. Richard von St. Bitter. 395 Menſch dur das reine Erbarmen gerettet, ohne Mitwirkung ber Gerechtigfeit, fo bliebe auf ihm die ewige Schmach feines Falles, und wenn auch nicht der Teufel ihm flets vorhielte, daß er an Das kein Recht habe, was er befige, fo würbe doch auch ohne äußere Ankläger das eigene Gewiſſen den Menſchen an bie unbezahlte Schuld mahnen, und er fönnte biefe Schuldforderung und die Scham nie ganz verwinden. Nun aber fann ſich ber fromme Glaube der Genugthuung für die Tosfaufung mehr rüh⸗ men, als fie zuvor ber Schmach des großen Falles ſich ſchämen mußte, fo Daß in ber ganzen Welt die Gemeinde in aller Zus verficht fingt: O wahrhaftig, nothivendig war Adams Sünde und unfere, weil fie durch Chriſti Tod getilgt iſt; o glückliche Schuld, die eines folchen und fo großen Erlöſers werth war ! !7) Die Genugthuung mußte aber der Anmaßung in dem Sünden: falle entfprehen. Nun war Adams Sünde bie Selbfterhebung yom Niedrigften zum Höchften. Zur Genugthuung*beburfte es daher einer Erniebrigung von dem Höchſten zum Niebrigften. Schon deßhalb Fonnte nicht ein Menſch erlöfen, fondern nur eine Perſon der höchſten Trinität. Ueberdem, ba gerechtfertigt und befeligt werden mehr ift als gefchaffen werben, fo würde, wäre ein Menſch der Erlöfer, einer Kreatur mehr verbanft als dem Schöpfer, und bie größere Verpflichtung wäre gegen jenen. Nichte befto weniger gienge nach dem Maßftab ber Gerechtigkeit Das den Menfchen Nichte an, was eine nicht menfchliche Perfon thut, wogegen es vernünftig ift, daß ein Bruder für den Bruder, ein Sohn für den Bater genug thut. Sonad mußte der von bem Höchften zum Unterſten ſich erniedrigende Gott Menſch werben. '?) — — —. 1) Liber de IncariL ad Bernh. Clarevall. editio Col 1621. cap. VUI. ©. 429: Nuno fidelium devotio magis gloriatur de redemptionis suae satisfactione, quam prius confusa sit de tantae dejectionis oppro- brio; in tanutum ut ubique terrarum Ecclesia fidelium cum omni Aducia canat: O certe necessarium Adae peccatum et nostrum, quod Christi morte deletum est! O felix culpa quae talem ac tantum meruit habere redemptorem! . *, Darauf, daß Chriſtus nicht blos Bruder, ſondern quasi alter Adam, caput et principium omnium in ipso resurgentium ſei, kommt er in 396 Zweite Periove. Erſte Epoche. Abfchnitt III Kap. 1. Er gieng und nad) in das Eril (de Immanuele I, X); in ihm it Gott mit ums, nicht blos dem Namen nach, fondern fubftan- tiell (c. XII). Etwa nur vermöge der Gegenwart feiner Maje⸗ fit? Aber was wäre Großes darin, mit den Menfchen fo zu fein, wie mit den Teufeln ? denn fubftantiell iſt er überall. Son: bern es ift das Sein feiner Perfon in unferer Natur, durch — — —— der Schrift de Immanuele 3 I. cap. X zu reden. De Incarn. führt er mweiter aus: der Sohn habe müflen Menſch werben; nicht ver Trinität fei die Genugthuung zu bringen gewefen, namentlich nicht dem Sohn, fondern dem Bater. Diefer fei der die Strafe Fordernde, habe folglich nicht Fönnen Menſch werden und zugleich die Strafe bezahlen, cap. IX. — ferner (cap. X): rativ exigebat, ut ruinse nostrae reparator per exinanitionem descenderet de similitudine Dei ad similitudinem lapsi: Filius autem est imago et figura patris, was der heil. Geift nicht fei. Adam habe zwar burch den Berfuch, die Weidbeit zu rauben, fpeciell gegen den Sohn, die Weisheit Gottes gefündigt, aber wie ſchön fei das Berhältniß, daß ver Bater die injuris Filii habe rächen, der Sohn fie verzeihen, ja auch bei dem Bater Verzeihung auswirken wollen. Divisit itaque inter se summa illa personarum trinitas, unus Deus, negotium sa- lutis humanae, ut unam eandemque hominis culpam Pater puniret, Filius expiaret, Spiritus sanctus ignosceret. Rihard wie Rus precht halten alfo an Anſelms Verſöhnungstheorie feft, die der Lombarde verließ, indem er nur die menfchliche Ratur Chriſti mittleriſch denken wollte. . Der Einwurf fhwebt Richard wohl — por, ob nicht, wenn in Chriftus auch der Sohn Gottes die Ges nugthuung geleiftet, der Sohn ſich felbft bezahle, d. h. ob nicht der ganze Borgang epideiftifher Schein werde? Aber ftatt zu des Lombarden das Werk Ehrifti abſchwächender und die Menſchwer⸗ dung fugspendirender Antwort überzugehen: Es habe nur ber Menſch Zefus uns erlöst, fucht alfo Rihard durch Bertheilung der Momente an die drei Perfonen der Trinität zu helfen, was freifich ziemlich tritheiftifch ausfällt. Er fährt fort: daß nur durch Gottes Menfchwerbung könnte geholfen werden, das haben ſchon die Alten aus dem Judenthum und felbft dem Heidenthum gewußt. Wie denn ber heil. Dionyfius dem Paulus zu Athen auf die Frage, ob der Altar für einen Göttergeift oder einen Menſchen fel, geantwortet habe: der Unbelannte müßte wahrer Gott und wahrer Menfch fein. Aber wer habe folche Herablaffung zu er: flehen gewagt? cap. XIU. Richard von St. Bitter. 397 welche er theilhaft wirb ber menfchlichen Natur und wir feiner göttlichen. Er ift Gott mit ung, Das perfönliche Zeichen unferes erneuten Heimathrechts (signum repatriandi nos), unferer Fünf: tigen Herrlichkeit (c. XIV), durch die Incarnation ift Gott gleich: fam unfer Einer geworden. Hat nad dem Fall Einer aus ber Trinität nur ironisch fagen können: fiehe Adam ift geworden als unfer Einer, fo fünnen wir nun vertrauungsvoll fagen: ftehe Gott ift geworden ald unfer Einer (ec. XIX). Gott aber ward Menfh, damit der Menſch würde wie Gott, fo daß Das, was Bater und Geift nur ironifch jagen fonnten von Adam, num wirklich geworden ift in Chriſto: Adam geworben ale unfer Einer; in Chrifti Perſon ift „ber Menſch geworden unfer Einer“ feiner Gottheit wegen, Gott unfer Einer der Menfchheit wegen (c. XX). Aber noch mehr, was von Chrifto gilt, gilt auch von ung, dem erfien Adam. Denn da Chriſtus eine ber drei Perfonen der Trinität ift, wird Adam nicht, der Herrlichkeit Chrifti configurirt, gleihfam Einer aus ihnen werden? Die Ironie und der Bor: wurf hat fih in Ernft und Glückwunſch verwandelt, das Ligen: wort bes Verführers, welches Gottgleichheit verhieß, ift zu Wahr: beit geworben: fiehe der Menfch ift geworden wie Gott, wiflend Gutes und Böſes; er ift geworden wahrer Gott, was ber Ber: führer auch nicht einmal zu denken vermochte (c. XXD. '?) — — — 19) Cesset iam ironia, dicatur iam de sententia ! dictum est hoc expro- brando: dicamus modo hoc glorilando, et gloriflcando et Patrem et Filium et Spiritum sanctum, ex quo factum est, per quem factum est, in quo factum est totum, quod propter nos factum est. Dic, impie Zabulon , qui valet nunc fraus tua ? Plus est , quod contulit nobis Christi misericordia, quam nobis abstulit illa tua fraudulenta malitia. Ecce homo factus est, quasi Deus, sciens bonum et malum, quod tu fraudulenter promisisti. Ecce homo factus est verus Deus, quod tu quidem nec eogitare potuisti. Erwähnung verdient noch, dag Richard de Imman. I, 11 richtig erfennt, daß die jungfränliche Geburt nicht um der Reinheit Eprifti willen nöthig war. Si Imma- nuel noster de utroque sexu nasci voluisset et hoc ratio exigeret, utrumque ad mundam prolem seminandam purgare potuisset (wie es bei Maria jedenfalls habe. gefchehen müflen). Aber si de utroque (sexu) carnem assumeret, utique et a proprietatis suae similitudine longius recederet, et ad nostram minus appropinquaret, zu feiner 396 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt TIL. Kap. 1. Er gieng ung nad) in das Eril (de Immanuele I, X); in ihm ift Gott mit ung, nicht blos dem Namen nad), fondern fubftan- Hell (c. XI. Etwa nur vermöge ber Gegenwart feiner Maje⸗ tät? Aber was wäre Großes darin, mit ben Menſchen fo zu fein, wie mit den Teufeln ? denn fubitantiell tft er überall, Son⸗ bern es ift Das Sein feiner Perfon in unferer Natur, durch der Schrift de Immanuele + I. cap. X zu reden. De Incarn. führt er weiter aus: der Sohn habe müflen Menfch werben; nicht ver Trinität fei die Genugthuung zu bringen gewefen, namentlich nicht dem Sohn, fondern dem Bater. Diefer fei der die Strafe Fordernde, habe folglich nicht Fönnen Menſch werben und zugleich die Strafe bezahlen, cap. IX. — Ferner (cap. X): rativ exigebat, ut ruinae nostrae reparator per exinanitionem descenderet de similitudine Dei ad similitudinem lapsi: Filius autem est imago et flgura patris, was der heil. Geift nicht fei. Adam habe zwar durch den Verſuch, die Weicheit zu rauben, fpeciell gegen den Sohn, die Weisheit Gottes gefündigt, aber wie ſchön fei das Berhältniß, daß ver Bater die injuria Filii habe rächen, der Sohn fie verzeihen, ja auch bei dem Bater Verzeihung auswirken wollen. Divisit itaque inter se summa illa personarum trinitas, unus Deus, negotium sa- lutis humanae, ut unam eandemque hominis culpam Pater puniret, Filius expiaret, Spiritus sanctus ignosceret. Rihard wie Ru- precht halten alfo an Anfelms Berfühnungstheorie feft, die der Lombarde verließ, indem er nur die menfchliche Natur Chrifti mittlerifch venfen wollte. . Der Einwurf ſchwebt Rihard wohl — vor, ob nicht, wenn in Chriftus auch ver Sohn Gottes die Ge: nugthuung geleiftet, ver Sohn fich felbft bezahle, d.h. ob nicht der ganze Vorgang epideiftifcher Schein werde? Aber flatt zu des Lombarden das Werk Chriſti abſchwächender und vie Menſchwer⸗ bung fuspendirender Antwort überzugehen: Es habe nur ber Menſch Jeſus und erlöst, fucht alfo Richard durch Bertheilung der Momente an bie drei Perfonen der Trinität zu helfen, was freilich ziemlich tritheiftifh ausfällt. Er fährt fort: daß nur durch Gottes Menſchwerdung könnte geholfen werden, vas haben fihon die Alten aus dem Judenthum und felbft dem Heidenthum gewußt. Wie denn der heil. Dionpſius dem Paulus zu Athen auf bie Frage, ob ver Altar für einen Göttergeift oder einen Menden fet, geantwortet habe: der Unbekannte müßte wahrer Gott und wahrer Menſch fein. Aber wer habe folche Herablaffung zu er: fieden gewagt? cap. ZIU. Richard von St. Biktor. - 397 welche er theilhaft wirb der menfchlichen Natır und wir feiner göttlichen. Er ift Gott mit ung, das 'perfönliche Zeichen unferes erneuten Heimathrechtd (signum repatriandi nos), unferer fünf: tigen Herrlichfeit (c. XIV), durch die Incarnation ift Gott gleich- fam unfer Einer geworden. Hat nad) dem Fall Einer aus ber Trinität nur ironifch fagen können: fiehe Adam iſt gemorben als unfer Einer, fo fönnen wir nun vertrauungsvoll fagen: fiebe Gott ift geworden als unfer Einer (c. XIX). Gott aber warb Menfch, damit der Menfch würde wie Gott, fo daß Das, was Bater und Geift nur ironisch fagen fonnten von Adam, num wirflich geworben ift in Chriſto: Adam geworden als unfer Einer; in Chrifti Perfon ift „der Menſch geworben unfer Einer“ feiner Gottheit wegen, Gott unfer Einer der Menfchheit wegen (c. XX). Aber nody mehr, was von Chrifto gilt, gilt auch von ung, dem eriten Adam. Denn da Ehriftus eine ber drei Perfonen ber Trinität ift, wird Adam nicht, der Herrlichkeit Chrifti configurirt, gleichfam Einer aus ihnen werden? Die Jronie und ber Bor: wurf bat fi in Ernft und Glückwunſch verwandelt, das Lügen⸗ wort des Verführers, welches Gottgleichheit verhieß, ift zu Wahr: beit geworben : fiehe der Menſch ift geworden wie Gott, wiflend Gutes und Böfes; er ift geworben wahrer Gott, was ber Ber: führer auch nicht einmal zu denfen vermochte (c. XXD. '9) 19) Cesset iam ironia, dicatur iam de sententia ! dietum est hoc eXpro- brando: dicamus modo hoc gloriando, et glorificando et Patrem et Filium et Spiritum sanctum, ex quo factum est, per quem factum est, in quo factum est totum, quod propter nos factum est. Dic, impie Zabulon, qui valet nunc fraus tua? Plus est , quod contulit nobis Christi misericordia, quam nobis abstulit illa tua fraudulenta malitia. Ecce homo factus est, quasi Deus, sciens bonum et malum, quod tu fraudulenter promisisti. Ecce homo factus est verus Deus, quod tu quidem nec cogitare potuisti. Erwähnung verbient noch, daß Richard de Imman. I, 11 richtig erfennt, daß die jungfräuliche Geburt nicht um der Reinheit Eprifti willen nöthig war. Si Imma- nuel noster de utroque sexu nasci voluisset et hoc ratio exigeret, utrumque ad mundam prolem seminandam purgare potuisset (wie es dei Daria jedenfalls Habe geichefen müflen). Aber si de utroque (sexu) carnem assumeret, utique et a proprietatis suae similitudine longius recederet, et ad nostram minus appropinquaret, zu feiner 400 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfcpnitt TIL Kap. 2. Logos hätte mit mehr als Einem Menfchen in dieſem Verhältniß ber Unio ftehen fönnen. °) Die Einzigfeit des Gottmenſchen ligt alfo nicht in feinem inneren Wefen, die jede Wiederholbarfeit ausfchließt, fondern nur in dem empirifchen Factum, daß ein zweiter Gottmenfch nicht erfehienen iſt, und fo wenig es in Gott irgend welche Nothwendigfeit ber Menfchmerdung gab, vielmehr nur eine convenientia, fo wenig ligt fie in der Zdee des Menfchen. Gegen den Nihilianismus tritt er auf, jedoch fo, Daß er möglichft wenig das göttlihe Wefen bei der Menfchwerbung betbeiligt fein läßt. Die Unio 'fei ein Ge: ſchaffenes d.h. falle in die Kategorie ber Gnabenerweifungen an Gefchaffenem, bezeichne Feine befondere Seinsweife Gotted (Q. II, Art. 7). Die menfchliche Natur ift ihm unperfönlich (non per se subsistens); fie fei, fagt er, nicht in fih fondern im Logos verfönlih, was ein Vorzug für fie fei. Darin ligt die Aner- fennung, ohne alle Perfünlichfeit wäre fie nicht eine vollfommen menfhlihe Natur, aber ihr Trieb zur Verfönlichfeit habe in Chriſtus feine Befriedigung in einem Anderen, Höheren als fie felbft fei, gefunden, in einem für fie fchlechthin Webernatürlichen was freilich damit nicht fiimmt, daß fie dadurch ausgezeichnet fei, indem diefes Doch die Fähigfeit der Aneignung, Empfänglich⸗ feit für das enthält was andererfeits fchlechthin über ihre Natur hinaus fein fol. Diefer Widerſpruch bat aber feine tiefere Wurzel in ber fchon erwähnten magifchen Borftellung von ber Gnade welche die Erlöfung der menſchlichen Natur überhaupt fo zu denfen liebt, daß die Menfchheit aus ihrem Wefen in ein abjolut Anderes entzüdt werde. Von Gott aus ergibt fich da, baß ber Alt der Menfchwerbung den naturgemäßen Trieb menfchlicher Natur zur Verfönlichfeit fiftirt und durch Die gött⸗ m 2-10 — mm 8) 0.1. Art. 7. ©. 24. Q. II, Art. 7: Persona divina non ita assumsit unam naturam humanam, quod non potuerit assumere aliam, weil fonft personalitas divinae naturae esset ita comprehensa per unam naturam humanam, quod (ut) ad ejus personalitatem alia assumi non posset, quod est impossibile.e Non enim increstum a creato comprehendi potest, Q. X, 1. IX, 4. P.1.Q. XII, 7. Thomas von Aquin. 401 liche Perfon gebunden fowie erfegt habe, was an € erinth erinnert. *) Die caro Chriſti iſt ihm daher an fih nur Natur, ohne eine Spur von Perfönlichfeit, — obwohl er doch die Materie als principium individuationis anfieht, °) mithin Chriſtus nad ihm fchon Durch die Materie die er trug ein individueller Menſch fhien werben zu müffen. Der Logos nemlic iſt zwar aus⸗ fehließlih das yperfönliche Princip, die Menfchheit daher nur Stoff und Natur für ihn; aber er ift in ber Art das perſon⸗ bildende Princip, daß er, was fonft der Materie und ihrer Tendenz zur begrenzten individuellen Geftalt zufömmt, durch feine ein Individuum aus dem menschlichen Stoffe bildende ausſcheidende und zufammenbhaltende Kraft bewirkt. Dagegen will au) Thomas nicht die göttliche Natur Menſch geworben fein laffen, weil fonft auch Vater und Geift Menfch geworben fein müßten rad) ihrer Natur, fondern nur die Perfon bed Worted. Naturae divinae convenit assumere ratione personae. (Summa P. III. Q. II. Art. I-I). Die göttliche Natur Tann nur prin- eipium incarnationis (Ausgangspunkt) heißen, fofern fie bie persona filii in fi) trägt. Dieſe aber ifi primo et propriissime — 9) Q. IV, 2. Innocenz IIL habe in einer Dekretale geſagt: quod persona Dei consumpsit personam hominis. Allerdings würde die menſchliche Natur ohne die Incarnation eine eigene Perſönlichkeit gehabt haben; doch genau genommen werde das was noch nicht ſei, auch nicht conſumirt; Das Wort bes Innocenz habe alſo nur den Sinn: persona divina sua unione impedivit, ne humana natura propriam personalitatem haberet 15. 292). Cafjetan in feinem Commentar erinnert dabei daran (S. 275), daß nad Thomas ein Einzelwefen (natura singularis) ohne Perfönlichkeit unvollfländig ſei, in der personalitss, der eigenen oder fremden geliehenen das Ziel oder die Abgrenzung finde, die es ſuche. Die menfchliche Ratur in Chriſtus nım, fährt Cajetan fort, assumta ad personalitatem divinam totum appetitum personalitatis plus quam satiatum ac consummatum habet et conseqnenter quieseit absque appetitu quocungue alterius personalitatis. Daher genau genommen bie menſchliche Ratur an Hervorbringung eigener Perſönlichkeit gehindert worden fei, niht werde (S. 298). 96. 34: Q. VI, 1. Dorner, Chriſtologie. II. te Aufl. 26 402 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt TIL Kap. 2. annehmend; ohnehin ift die Perfönlichfeit terminus bes Pro⸗ -ceffes. Mithin bleibt das göttliche Wefen felhft ober die Natur aufferhalb ber Deenfchwerbung fleben ; das directe Widerfipiel neuerer ebenfo einfeitiger Theorieen, welche den Sohn behufs der Incarnation ſich zur bloßen göttlichen Natur glauben herab- feten laffen zu müflen. Die Bedeutung ber Menſchwerdung be⸗ fchränft fi ihm hienach darauf, daß der menfchlihen Natur die göttliche Perfon des Sohnes eingefügt wurde, aber nicht bie göttliche Natur. Allerdings fteht die göttliche Perfon mit ihrer‘ Natur in inniger Verbindung, fie läßt aber von biefer in bie menfchlihe Natur Teinen Antheil an ber göttlichen übergeben, fondern nur Gnaden, fo weit die menfchliche Natur fie faſſen fann. Gnade aber ift etwas Gefchaffenes. 9% Chriſti Menſch⸗ heit hatte Antheil an ber Freatürlichen Gnabe, die nach ihrem Begriff immer nur eine enbliche fein kann; aber bie göttliche Natur bat fich felbft zurücbehalten, und nicht an die Menſchheit mitgetheilt. Die Unio weit entfernt davon, eine Dafeingweife Gottes zu fein, ift ihm blos ein Verhältniß zwifchen Gott und ber Menfchheit, 7) ift nur eine Form ber göttlichen Gnade gegen einen durch fie ausgezeichneten, für fie präbeftinirten, aber aller dings auch erft durch fie gebildeten Menſchen. In Gedanfen muß das Angenommene vor dem Annehmen gefegt werden ; aber die Perfon wird bei Ehriftus nicht gedacht vor der An nahme, weil fie erft Refultat der Annahme if.) Gleichwohl fagt er: es fünne Feine größere Gnade gedacht werden, als bie in Chriftus war, obwohl fie auch in ihm nur endlich und als Gefchaffenes, Eingegoßenes war. In der der Gnade theilhaftigen MWefengattung ift Chriftus das univerfale Princip und fo Haupt ber Kirche. °) Doch hievon unten mehr. 6) ©. 42b. Anima Christi creatura est, habens capacitatem finitam. cf. Q. VI, 12. ) Q. XVI, 6 relatio quaedam. 0. XXXV, 5. Jedes von der Zeitlichkeit aus von Gott ansgefagte Verhältniß feßt nicht in Gott etwas Reales (aliquid secundum rem) fondern nur secundum rationem. 9) Q. IV, 2. 5) Q. VI, 9. Q. vII. Thomas von Aquin. 403 Diefe merkwürdige Beſchränkung der Menfchwerbung auf ‚ bie Perfon bes Sohnes ohne feine Natur; von ber wir ſchon früher Spuren fanden, hat außer dem angegebenen trinitarifchen Grunde ohne Zweifel noch einen andern, nemlidy den, das Pro: blem der Incarnation dadurch zu erleichtern aber freilich auch in einem weſentlichen Punkte zu umgeben ober fallen zu laſſen. Masfirt war dieſer Rüdzug bei Thomas und feinen zahlreichen Nachfolgern dadurch, daß doch die Perfon des Sohnes mittelbar ein Band zwifchen der menfchlichen und ber göttlichen Natur blieb, woburd ein Berhältnig ſich bildet, das der menfchlichen Natur die Gnaden von ber göttlichen her einträgt. Was die Wirfungen der Menſchwerdung auf Ehrifti Menſch⸗ beit betrifft, fo bleibt Thomas im Wefentlichen bei der Lehre des Lombarden, mur daß er unter einzelnen Modificationen weitere Ausführungen gibt. Im Allgemeinen denkt er bie Gnade in Chriftus nicht als wachſend, fondern mit dem Afte der Menſch⸗ werbung fchon fo vollfommen Chrifto mitgetheilt, daß innerlich angefehen, eine Zunahme ber Kraft nicht denkbar war. Er war yon Anfang an nicht blos viator fondern auch comprehensor 1°) und zwar fowohl in Beziehung auf fein Wiffen, als feinen Willen. Er hatte aber (Q. IX, 1) ein boppeltes Wiffen, eine doppelte Weisheit. Als Sohn natürlich die abfolute gött⸗ liche, als Menſch hatte er das Willen der Seligen, d. i. eine Erkenntniß aller Dinge im Wort. Aber fein menfchliches Wiſſen ift wieder zweifach, erftend ein eingegoflenes und nad diefer Seite war fein Wiffen in ihm potentiell, das nicht auch actuell gewefen wäre; zweitend war in ihm auch ein Erfahrungs: wifien (scientia experimentalis oder acquisita). 1!) Wichtiger ift, Daß auch nach ihm Chrifti Willen nicht das göttliche Wefen w) Q. XI, 2. Q. XXXIV, Q. IX, 4. Q. XV, 10. 1, Ein folches hatte ex früher geläugnet: Sentent. lib. II. dist. XIV. In der Summa fagt er, es wäre in Chriſto etwas Ueberflüſſiges, nemlich die Potenz erperimentaler Erkenntniß, wenn er nur eins gegoffenes Willen hätte, bezeichnet aber doch (S. 52b) das Ers fahrungswiſſen mehr als ein durch inventio als durch disciplina Gewordenes. 26 * 404 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfehnitt TIL Kap. 2. umfaßt, denn feine Menſchheit blieb Freatürlich und in den Schran- fen der Kreatur; es fei aber unmöglich, Daß eine Kreatur das gött- liche Wefen umfafle. 1?) Zwar Alles, was ift, war und fein wird in der Welt erfennt Chrifti Seele in dem Worte (Q. X, 2) aber nicht das Mögliche; denn bie Erfenntniß der unenblichen Möglichkeiten in Gott wäre die Erkenntniß feines unendlichen Weſens (art. 2). Chrifti Seele weiß hienach Alles, was Wir- kung ift, auch den Tag des Gerichts, und das Nichtwiſſen deffelben ift nur ein Nichtwiflen für Andere (non facit scire). Den un⸗ enblihen Gott erfennt Chrifti Seele, aber umfaßt nicht fein Weſen, die oberfte Urfache aller Wirkung, und fo umfaßt Gottes Wiffen mehr als Chrifti Seele, indem Gott fih felbft umfaßt. An Wiffenskraft nahm feine Menfchheit nicht zu, aber doch mehrte fich fein Erfahrungswifien, welches er neben der von An⸗ fang vollfommenen scientia beatorum burch feine scientia in- fusa hatte. Vermöge der letzteren ſah er Gott und in Gott Alles, wußte auch (Q. IX, coll. XI, 1) infofern Alles aus fich, als feine Seele durch die gratia infusa Ausdruck bes Urbildes des Logos war, foweit die menfchlihe Natur biefen faßte. Ebenfo fpricht er Chrifti Seele auch die Allmacht ab, biefe fomme nur dem unumfchriebenen Sein Gottes zu; '°) fie Fünnte nicht einmal für -fich ihren Körper allmächtig beherrfchen, fondern bas vermag fie nur als Inſtrument der Gottheit. Ebenſo ers weckte nicht fie durch eigene Kraft den Leib, fonbern mir bie Gottheit, für welche bie Seele Inftrument war. Was beftimmter den Willen anlangt fo lehrt er einen göttlichen alles wirkenden Willen in Chriftus (principium pri- mum movens). ') Dennoh war in ihm auch ein menſch⸗ 12) Q. X. 1. sie-facta est unio, — quod increatum manserit increatum et creatum manserit infra limites creaturae. Est autem impossibile, quod aliqua creatura comprehendat divinam essentiam (P. I, Q. XII, 7), eo quod infinitum non comprehenditur a finito. Et ideo dicendum, quod anima Christi nullo modo comprehendit divinam essentiam. Hier haben wir den bireften Gegenfaß gegen die lu⸗ therifche Lehre. 3) Q. XII, 1. 4) Q. XVIU, 1, XLII, 2. Thomas von Aquin. 405 licher Wille, der fein tobted Inſtrument war; fonbern Inſtru⸗ ment ber Gottheit war die menfchlihe Natur fo, daß fie durch den eigenen Willen, nicht durch zwingende Nothwendigkeit be- wegt wurde. Das iſt dem menfchlihen Willen nicht zumiber, dag Gott ihn innerlich bewege, diefer bleibt doch menfchlicher Wille, denn Gottes Wille wirft Wollen. Näher betrachtet aber war in Chriſtus ein doppelter menfhlider Wille, ber finnliche und der vernünftige. Nach dem erfteren (voluntas sen- sitiva) wollte er auch Anderes als Gott, denn Gott will an ſich nicht die Dinge des finnlichen Willens, dem ber Sohn Gottes vor dem Leiden Raum geftattete. Doc trat durch den finnlichen Willen nie ein Widerfpruch (contrarietas) gegen den vernünf⸗ tigen Willen ein, fondern nur eine Berfchiedenheit. Der Wille des Wortes und der menfchliche VBernunftwille blieben unbewegt und unverzögert Seitens bes finnlihen Willens ; ja fie wollten ſelbſt, daß dieſer wirfe, und fo bleibt die Einheit in Chriftus ungetrübt. Der Erlöfungswille war und blieb abfolut. Was endlich das Verhältniß bes geiftigen Willens zum göttlichen be: teifft, fo ſchließt er auch bier fi) dem Damascener an; Chriſtus babe einen freien Willen (liberuam arbitrium) und ein Wahl vermögen (Q. XVII, 4); auch ein mit fih zu Rathe Gehen und discurfives Denken (XI, 3), aber nicht eigentlich eine freie Entſcheidung aus fich, fondern. ein Beſtimmtwerden durch Gott, der den Willen als eine ſecundäre Caufalität bewegt und eigent: ih in legter Beziehung alleine wirft. 6) Dennoch da dieſe eine oberſte Urfache in zweierlei Formen und zwar jo wirft, daß Die menfchliche auch etwas von ber göttlichen Verſchiedenes, obgleich) ihr Inſtrument ift, und ein gewifles für fih Sein bat, fowie eine eigene Wirfung gemäß ber eigenen Form, fo hat ſich Chri- ftus feine Herrlichkeit auch verdient, 7%) obwohl fie ihm ſchon von Natur zufam. Edler nemlich ift, was Jemand durch ſich 19 Q. XIX, 1.2. In Eprifto fei Eine vis operatrix, welche aber duo operata oder operamenta gemäß den zwei Naturen habe. Alfo im Weſentlichen Monotheletismus. w (. XIX 8. j “ 406 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt II. Rap. 2. felbft ald was er nur durch einen Andern bat. Wie freilich Chriftus, das was er fihon hatte, fich erft erworben habe, dar⸗ über gibt Thomas feine Auskunft, wenn man fie nicht in ber Beichaffenheit feines Leibes findet, welche nicht gegen feinen Willen aber auch nicht blos der Erlöfung wegen, ſondern auch der menfchlichen Natur halber nothwendig habe defekt fein müſſen '7), natürlich ohne Sünde. Auch dem Satz des Lombarden fchließt er fi ch an, daß Chriſtus Mittler ſei nicht als Gott, ſondern als Menſch. Als Mittler hat er die Extreme zu verbinden. Das könnte er nicht als Gott für ſich, denn da iſt er nicht verſchieden von Vater und Geiſt, aber als Menſch ſteht er in der Mitte und iſt ver⸗ ſchieden von Gott der Natur und von den Menſchen der Würde, der Gnade und Herrlichkeit nach. 8) Hier iſt alſo wieder die begnadigte Menſchheit die Mittlerin, nicht die Gottmenſchheit. Kein Wunder, daß Thomas nun unmittelbar auf Maria über⸗ geht, deren Geburt mit ber Wiedergeburt zufammengerüdt wir, ja mit der Heiligung. 9) Ihre Seele hatte durch foldye Heilig: ung bie Fülle“ der Gnade und glänzt feit ihrer Geburt auch nicht ihrer Empfängniß in einer Reinheit bie nächſt Gott größer nicht kann gedacht werden. 2%) Auch bie Leiftungen ber mittlerifhen me nſch lichen Natur Chrifti find ihm nicht die legte zureichende Urfache unferer Erlöfung. ?') Zwar fein Leiden namentlich war nothwendig d. h. für ihn geftedte Aufgabe zum Heil der Welt. Aber diefer Zwed hätte auch anders können er veicht werben, denn Gott find alle Dinge möglich. Unbeſchadet ber Geredhtigfeit hätte Gott ohne Strafe die Schuld vergeben m Q. XII, Q. XXXI, er nahm unreines Fleifch von Adam an, um e8 durch die assumtio au reinigen. 10) (). XXVI, 2. 19, Q. XXVL. %) Q. XXVII, 2. ©. 102°. Das Feft der Empfängniß der Maria werde von ber römifchen Kirche nicht gefeiert, aber in einigen Kirchen geduldet, und ſei nicht ganz verwerflich, wenn man dabei nicht fagen wolle, fie fei in ihrer Empfängniß fehon heilig geweſen. 21) Q. XLVI. x Thomas von Aquin. 407 können; doch war fein anderer Weg paflender. Es hätte auch ein alferfleinftes Leiden zur Erlöfung des menfchlichen Geſchlechts von allen Sünden genügt, aber um der Angemeflenheit zu ges nügen, hatte er wenigftend alle Arten von Leiden zu tragen. ?°) Er fragt, wie damit, daß er Schmerzen litt, bie größer waren, als die aller Andern, und daß namentlich feine ganze Seele litt, feine Seligfeit (fruitio beata) in bemfelben Momente beftehe ? Er antwortet: in ihrem Weſen, wenn auch nicht in all ihren Kräften fei fie felig geblieben. Ja, während er fonft fagt, daß Chriſtus viator und comprehensor zugleich war, Ienft er um des Leidens Willen dahin ein, das Band ber Cinheit unter den verfehiedenen Seiten feines Weſens anfangs noch Ioder ober doch löslich, die Menfchwerdung Gottes alfo nicht von An⸗ fang an vollftändig vealifirt zu denfen; nicht einmal fo weit als ber Begriff menſchlicher Natur es möglich läßt. Er fagt: „Sp lange er Wanderer war, fei feine Herrlichkeit aus den höheren Regionen feines Weſens in die niedrigeren, aus ber Seele in den Leib noch nicht herniedergeſtrömt, und andererfeits auch die höhere Seite feiner Seele Durch die niebrigere in Demjenigen nicht gehindert geweſen, was zu ihrem Wefen gehörte, unb fo habe ber höhere Theil des Seele im vollfommenen Genuß ges ftanden, während Chriſtus Titt.“ Daß Thomas den Begriff der Menſchwerdung Gottes nicht erreicht , ja ihm auszuweichen fucht, fieht man - abgejehen vom Bisherigen, bejonderd noch aus der Art, wie er bie Formeln „Gott ift Menſch, der Menſch Gott“ behandelt. ?°) Alle gött: lichen Eigenfchaften können zwar dem Menfchen Chriftus zuge fehrieben werben und bie menfchlichen dem Sohne Gottes; aber nicht eigentlich als den beiberfeitigen Naturen irgendwie zufommenb, fondern firenge genommen, nur der Perfon. Denn das Menfch: liche und Göttliche fieht er als Entgegengefeßtes nicht Zufammen- gehöriges an; ntgegengefegtes aber fünne von einem Dinge nicht in einer und berfelben Beziehung ausgefagt werben, fondern —— 27, Q. XLVL 6 ff. 2) 0. XVI. — — — — 408 Zweite Periove. Erſte Epoche. Abſchnitt II. Kap. 2. nur in verfchiedener. Alfo von ber Perfon nicht in ihrer Tota⸗ lität, fondern nach der göttlichen Seite oder ber menschlichen. Allein wie nahe ligt da die umgefehrte Frage, wie denn bie Eine Perfon könne für die einander fo abfolut entgegengefeßten Naturen die Perfon fein? Doch biemit befchäftigt fih Thomas nicht, fondern ftellt nur (XVI, 6) den Canon auf: Was ber Einen Natır zufommt, kann von ber andern nicht, wenn biefe für fi genommen wird (in abstracto) fondern nur fofern fie in der Perfon ift (in concreto) ausgefagt werden. Ueberhaupt aber beichränft er, wie der Tombarbe befonders den Sag, daß in Chriſtus der Menſch Gott fei. Er läßt ihn nur in dem Sinne. gelten, daß das, was die Stelle der menfchlihen Hypo⸗ ftafe vertritt, Gott fei. Diefe Perfon freilich, der Logos, ift ewig Gott, aber was kommt davon dem Menfchen zu gut? Die menſch⸗ fihe Natur ift des Gottesfohnes geworben; aber wie? Sie ift ihm nur ein Präbifat des Logos, wie feine Vergleichung zeigt: Man könne wohl fagen ein Menfch ift weiß geworden, aber nicht dieſes Weiße ift Menfch geworden. Und, ließe er nur wenigftend dieſes Prädicat ,. die Menſchheit, Gott zu eigen werben; be⸗ trachtete er es nur wenigſtens als hinfort zum Sein des Sohnes Gottes gehörig ; alfein vielmehr fagt er (XVI, 6), die Menſch⸗ werbung, fei fein neues Sein oder habitus Gottes ſelbſt, fondern nur ein Neues für Die Menfchen, oder eine neue Wirkung Gottes. Wer auf ber rechten Seite ftehe,. könne ohne ſich zu bewegen auf die Tinte fommen durch die Bewegung bes Andern ; es ändere ſich die Menfchheit, nicht Gott, und die Unio fei nur ein Verhältniß, etwas Kreatürliches. Darauf hat er fein Nach⸗ benfen nicht gerichtet, obwohl er von Chrifti Präbeftination redet, ob denn nicht der ewige Ratbichluß der Menſchwerdung Gottes Unveränberlichfeit ficher ftelle, ohne das wirkliche Einsfein Gottes mit der Menſchheit in Chriftus auszufchließen. Dagegen bat Thomas, wo er feine Myſtik forechen läßt, chriſtologiſch Bedeutenderes gegeben. Soweit als Thomas der menſchlichen Natur eine ſelb⸗ ſtändige Bedeutung beläßt, nähert er ſich dem Adoptianismus, indem ihm die Menſchheit Chriſti an der Gnade Theil hat, die Thomas v. Aquin. Joh. Duns Scotus. 409 ‚nur ein Kreatürliches iſt. Aber feine Grundrichtung ift dem Adoptianigmus entgegengefeßt. Das ligt am beutlichften in bes Thomas Lehre von Chrifti freiem Willen. Das göttliche ch ift allein das Handelnde. Bei ſolchem Schwanfen Fann es dann auch nicht zu einer gottmenfchlichen Einheit kommen. Trog feiner Prämiffen fol die Deenfchheit an der Hypoftafe des Sohnes Theil nehmen können, das Kreatürliche an dem Leber: freatürlichen. Aber auch dieſes kann nicht helfen. Das Jh ift für ſich eigenſchaftslos; denn die göttliche Natur iſt ja nicht Menſch geworden. Aber fo ift e8 ja nur wieder bie formale Einheit, gleichfam der leere Raum oder Ring, welcher indifferent an fi) Entgegengefettes, Menfchliches und Göttliches umſpannen fann. Daß eine Bermittlung der göttlichen und menfchlichen Natur in einer folhen formalen Einheit nicht gegeben ift, erhellt von ſelbſt. Sie ift auch durch die nachwirfenden emanatiftifchen Borftellungen von dem Berhältniß zwifchen Gott und ber Kreatur zum Voraus ausgefchloffen. Denn diefe laßt es nicht zum vollen Unterſchiede, daher auch nicht zur wahren Einheit fommen. Die Thätigfeit Chrifti aber breitet fi) in einem Doppel foftem des Willens und Wollens aus, einem göttlichen und einem menjchlichen; ja das legtere verzweigt fich wieder in eine Zweiheit, in das Wiffen und Wollen vermöge ber eingegoffenen Gnade, und in die Thätigfeit des erwerbenden erfahrungsmäßigen Erfennens, fowie des finnlihen Wollens. Alles diefes wird in Diſtinktionen auseinandergelegt, aber fo, daß das einheitliche chriſtologiſche Bid das man fucht obruirt und auseinander: geriffen ift, nicht ſowohl der fcholaftifchen Darftellung halber, als weil ein foldhes Bild nur im Widerfpruch mit feinen Prämiſſen wiffenfchaftlih zu Stande fommen könnte. Selbft die Mitthei⸗ fung der Eigenfchaften, von der er viel rebet ift ihm wefentlich nur eine nominelle, feine Mittheilung der Naturen an einander. 2. Duns Scotus ?*) feheint auf den erften Anblid dem Thomas und dem Lombarben chriftologifch wefentlich gleich zu fein; 2%) cf. des J. Duns Scotus Commentar über die Sentenzen ed. Hugo Ca- vellus Antw. 1620. T. U, L. II. IV. 9. Ritter, a. a. DO. IV, 870 ff. . A410 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 2. denn auch er befchränft die Menſchwerdung auf eine Relation zwifchen Gott und dem Menfchen; und nicht bie affumirende Na⸗ tur hat oder gewinnt in ſich eine reale Relation zur affumirten, fondern nur die affumirte zur affumirenden. Die Bewegung fällt nur auf bie Seite der Menſchheit; fie ift Die gewirkte, ab⸗ hängige; die Wirkung wirft nicht auf Die Urfache zurück, noch ift fie in deren Wefen ewig begründet (L. II. Dist. 1. Q. 1). Auch ſpricht er fich mit Thomas gegen den Nihilianismus wie gegen ben Adoptianismus aus (Dist. VI, 1. 2. VII. X.); endlich auch darin bleibt er dem Stanbpunfte der Vorigen treu, ja überbietet ihn, daß er die Nothmendigfeit der Menfchwerdung und Crlöfung durch Ehriftus in legter Beziehung in Frage ftellt; fofern ihm Gottes unbedingter freier Wille über jeglicher Nothivendigfeit, mag fie von ber Weisheit oder bem Wefen Gottes abgeleitet werben wollen fteht (Dist. XIX. XX). Allein in anderer Beziehung ſteht DodPScotus als eine auch hriftologifch merkwürdige Erfheinung da. Schon im Allgemeinen ift in ihm erſtens eine entichiedene ethifche Richtung. Es ift die Welt des Willens und nicht die Theorie für ihn das Höchfte (L. IV, Dist. XLIX, Q. 4. ©. 515 ff). Daher ift auch in feinem Syftem bereits die Subjeftivität als freies Ich beflimmter als bei irgend Einem vor ihm. in ben Gefichtöfreis getreten. Damit ift einmal gegeben, daß es ihm nicht fo Teicht werben Tonnte, die menfchliche Perfönlichfeit in Chriftus daran zu geben. Die Art, wie er dieſes zu erreichen fucht ift folgende : Individua⸗ tion und Perfonirung fei zu unterfcheiden, jene fei noch nicht biefe, aber ihre Vorausſetzung. Nun fehe man das, was bie Perfon ausmache, entweder a. ale ein Poſitives (entitas positiva) an, das zur Individualität menſchlicher Natur hinzufomme ; wie bie Thomiften, oder b. als eine Negation. — a. Das Erftere laſſe zu feiner Incarnation fommen. Denn hätte Ehrifti menfch- liche Natur dieſes weitere Pofitive, fo wäre eine Unio nicht mög⸗ lih, denn persona est incommunicabilis existentia, und fo wäre etwas Da was inassumptibile ift, während alles Gefchaffene affumptibel fein muß. Hätte aber Chrifti Menſchheit jenes Po⸗ fitive nicht, ober nach der assumtio nicht mehr, fo gälte ber — | w— oh. Duns Scotus. 411 Canon: das Nichtangenommene tft nicht geheilt, fo fehlte ber menſchlichen Natur Chriſti die volle Gleichheit mit ung, weil ihr das fehlte wodurch fie ihren actunlen Abſchluß hat, fo wäre eine geiftige Natur ohne Perfon denkbar. — b. Aber die Perfon kann auch nicht durch bloße Negation zu Stande Tommen. Die bie Perfon fegende Negation müßte die Negation ber Ab- hängigfeit von einer Äußeren Perſon fein, und jede befonbere Seele wäre Perfon. Ferner ift jede Perfon nach ihrem Begriff unmittheilbar ; num ift aber jebe Negation mittheilbar, alfo muß das bie Perfon ausmachende etwas Pofitives fein. Jede Ne- gation ruht aufferdem auf einer Affiemation, und dieſe ift jener vorauszuſetzen, alſo ift die Perfon früher durch Affirmation als duch Regation. Getheilt werben ift eine Unvollkommenheit; dasjenige wodurch etwas ber Theilung widerfirebt (azouor) muß alfo eine poſitive Entität oder ein Vorzug fein. Und ebenfo, wenn Abhängigfeit von einer Äußeren Perfon doch eine Unvoll⸗ fommenbeit ift, fo kann ber Gegenfag gegen foldye Abhängigfeit, der zum Begriff der Perfon gehört, nur in einer entitas posi- tiva begründet fein. — c. Er felbft nun unterfcheibet zwiſchen de- pendentia actualis, potentialis und aptitudinalis. Um ihn zu verftehen, ift zu erwägen nöthig, daß ihm das Wefentliche ber Perfon nicht etwa im Selbftbewußtfein fondern in ber Unab- hängigkeit ligt, befonders gegenüber von Andern. Die Negation ber actualen Abhängigfeit conftituire, wie fo eben gezeigt, noch nicht die Perfon, auch die potentiale Unabhängigfeit nicht; denm eine folche hat das Geſchöpf dem Wort gegenüber nicht. Aber bie aptitubinale Abhängigfeit, worunter er diejenige verfteht, welche, jo viel an ihr ligt, immer im actus wäre — (3. B. das Schwere im Suchen des Gentrums, fofern nichts hindert) fcheint ihm Das zu fein, deffen Negation verbunden mit ber Negation der actunlen Abhängigfeit die Perſon bilde. Die aptitubinale Unabhängigkeit ſcheint ihm aus einer intellectualen Natur eine Perfon zu machen, zugleich aber mit der Incarnation vereinbar zu fein. Jene aptitubinale Unabhängigfeit wohnt jeder Natur bei, die Gerfon werden fann (naturae personabili), auch wenn eine actuale Unabhängigkeit nicht da if. Alles Gefchaffene iſt 412 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfchnitt IL Kap. 2. nothwendig actual abhängig vom Wort, aber bamit befteht wohl bie aptitubinale Unabhängigfeit. Denn dieſe fann, ba fie wie alles Gefchaffene fich zugleich fügfam zum Worte verhält (apti- tudo obedientiae bat), fehr wohl in actuale Abhängigfeit vom Worte in ber Art treten, daß fie durch bie Perfönlichfeit von der fie abhängt, perfönli wird; und Doch würde fie, wenn fie ihre Unabhängigkeit nicht durch die Perfon des Wortes hätte, in fich ſelbſt perfönlich werden durch Negation der Abhängigkeit und nicht erft durch eine pofitive Zugabe zu Demjenigen woburd fie diefe Natur iſt. Scotus denft alfo die menſchliche Natur in Chriftus fo, daß fie auch ohne das Wort fich perfoniren, bie Abhängigfeit von einem andern auffer Gott durch fich felbft negiven würde, obne dazu eines weiteren poſitiven Zuſatzes zu bebürfen; baß fte aber nichts deſto weniger auch die obebientiale Stellung ber Kreatur zu Gott und damit bie Empfänglichfeit dafür habe, in actualer Abhängigfeit von dem Worte und buch die Vereinigung mit ihm diejenige Negation der Abhängigfeit oder diejenige Un⸗ abbängigfeit von Perfonen auffer ihr zu haben, bie zum Begriff der Perfönlichfeit gehört. Doch wird beutlicher, was er hiemit will, durch einen andern Punkt. Er fügt bei, bag genauer betrachtet allerdings das Göttliche in anderem Sinne Perfon fei als das Menfchlihe; „denn Unmittheilbar- feit gehöre nur zum Wefen ber göttlichen Perfon, nicht aber ber menjchlihen, wenigftens nicht dem Worte Gotted gegen- über (Dist. 1. Q. 1. S. 4—6). Der Kreatur wiberftreitet es nicht daß ihr die Perfon mitgetheilt werde, weil fie wefentlich auch die potentia obedientialis in fich trägt; während bie göttliche Perſon ftatt deſſen eine weitere positiva entitas hat, bie ber Mittheilung widerſtrebt, (vgl. L. I. Dist. II. Q. VII, 38. T. I, 58), nemlih bie abfolute Unabhängigfeit. Damit, daß er für bie Menfchheit Ehrifti eine folche Tatente oder mögliche Perfön- lichfeit behauptet, iſt nun auch gegeben, baß fie ihm mehr als bem Thomas eine reale Bebeutung hat, und nicht eine bloße felbftlofe Hülle if. Daher lehnt er nicht wie Thomas ben Adoptianismus mer rund ab; fondern für bie Adoption führt Joh. Duns Scotus. 413 er an Chriſti Prädeſtination zu einer Würde, bie er nicht von Natur hat, zur Erbichaft Die ihm zwar immer, aber doch nur dur) Gnade zufam, was eben nichts als Adoption fei. Doch war fehon kirchlich gegen den Adoptianismus entfchieben, umb fo läßt er das Problem ungelöst ftehen, wendet fogar gegen die Adoption noch ein, daß fie als opus dei ad extra ber ganzen Trinität zugufchreiben wäre, alfo auch dem Sohne Gottes, daß biefer mithin (jofern er boch die actuale Perfon in Chriftus iſt) fih ſelbſt aboptirte oder fein eigener Sohn wäre (Dist. X). Scotus hätte die Präbeftination und Adoption auf jene latente oder in der Möglichkeit bleibende Perfönlichkeit-befehränfen müſſen; damit aber bliebe auch die Adoption doch nur im Gebiete Des Möglichen, wäre auf bie Wirklichkeit der Menfchheit Chrifti nicht an⸗ wenbbar. Dan fieht wohl im Ganzen das Streben, der Menfchbeit mehr als nur ein felbftlofes Sein zu vindieiren, aber bie Grundlage an bie er gebunden war, fpottete alles Scharfſinns, der fich ihren Sonfequenzen entziehen wollte, und jo weist er in letzter Bezieh⸗ ung nur auf eine Lüde hin, die ausgefüllt fein follte, aber ohne tiefer gehende Reform nicht ausfüllbar ift. Scotus Teiftet auch zweitens nicht Unmwefentliches, die Ver⸗ einigung menfchlicher und göttlicher Natur und Perfönlichfeit mög- ih zu machen. Es kommt bier feine von ben Bisherigen fehr verſchiedene Auffafjung des Uebernatürlichen und des Natürlichen in Betracht. Er will nicht eine Erhöhung der menfchlihen Natur durch Die Gnade Über ſich felbft hinaus, er will nichts von jener Exſtaſe als Vollendung des Menfchen, von jener übermenfchlichen Tugend wiffen, 2°) fondern das Uebernatürliche fordert er’ als Ergänzung des menſchlichen Weſens felbft, und während Tho⸗ mas die Gnade dadurch zu ehren meint, daß fie ein fchlechthin Neues an die Stelle des Alten fee, das über die Schranfen menfchlicher Natur überhaupt hinausgehe, während er ferner bie menfchliche Saffungsfraft nur als eine befchränfte zu denken weiß 35) L. III, Dist. XXXIV, 3: Omnis actus hominis proprie loquendo est humanus; actus convenire debet operanti ©, 228. Dist. XIV, Q. 2. 8. ©. 94—102. 414 Zweite Periode. Erfie Epoche. Abſchnitt IT. Kap. 2. und doch von Menſchwerdung Gottes reden zu Fönnen meint: - fo hat Dagegen Duns Scotus ben Sas aufgeftellt, daß Gott in die höheren Weſen nur eintreten (illabi) könne vermittelt einer Empfänglichfeit derfelben (capacitas) oder eines Vermögens, das Göttliche zu haben. Ja das Empfangen ber Gnade ift ihm zugleich Entwidlung der menfchlichen Vermögen ; bie Natur ber Weſen ift in ihrem lesten Grunde übernatürlih, Beſtimmung für Gott. Ferner lehrt er, daß die Lebendigfeit oder Wirkſam⸗ feit diefer Empfänglichleit in Proportion mit der zu empfangen- den Gnade ſtehen müffe. ) Kurz, da wir Gott den Unend⸗ lichen empfangen follen, müſſe ein nicht blos endliches, fondern unenbliches Vermögen in ber Seele fein, ?”) wenn gleich biefes fih nur allnählig entwideln und zu feiner Erfüllung mit Gott mitwirken kann. Demgemäß hat er von Ehrifti Menſchheit bes baugptet, daß fie die möglichft vollfommene Anfchauung ber Kreatur som Worte haben fonnte, bie nur eine unendliche fein fünne (gl. Baur 1. c. U, 842 ff.) Daß daburd zwei unendliche Anfhauungen herausfommen, eine gefchaffene neben einer unge- fhaffenen, macht ihn nicht irre. Kommt doch der Intellectus überhaupt nur im Unenblichen zur Ruhe ohne deßhalb mit diefem in Beziehung auf den Erkenntnißakt felbft zufammenzufallen. Nur in Beziehung auf das conerete, intuitive Wiffen nimmt auch er eine Beichränftheit der Seele Chrifti an, weil das Con⸗ erete in dem Allgemeinen das fie weiß, noch nicht beichloflen fei, wie Thomas bei feinem habitualen Wiſſen Chrifti meine. Bielmehr habe fie die habituale Fähigkeit, alles Concrete zu willen, aber allmählig. Nach diefen Sägen wird ihm bie Menfchwerbung Gottes 26) 1. c. L. IV. Dist. XLIX, 11. ©. 535 f. 2?) In Sententias lib. I, Dist. II. Q. VII, 40. Er führt dieſe Fähigkeit für das Unendliche ebenfo auch nach der Erfenntnißfeite hin aug, wie nad der Willensfeite. L. IN, Dist. XIV, Q. U. 6. 16. ©. 95. 98. Doch will er deßhalb nicht das Sichwiffen Gotied und das Wiſſen ver Kreatur von ihm gleichfiellen ib. ©. 96, L. IV, Dist. ZLIX. Q. 2. Aber davon fprirht er oft, daß die menfchliche Seele nur durch das Infinitum satiatur, quietatur. oh. Duns Scotus. 415 ein weit zugänglicherer Begriff. Denn mm ftellt ſich ibm das Problem nicht als Forderung, das Ganze im Theil, das Unend: fihe im Enblichen fein ober aufgehen zu laſſen, fondern als bie Forderung, die unendliche ethifche Empfänglichfeit des Menſchen durch den unendlichen Gott erfüllt zu denfen, der fi vom Men⸗ ſchen nicht unterfcheibet durch die Unendlichkeit des Seins, denn beide haben dieſe, wenn auch in verſchiedener Weife, fondern ber als der Unbebingte, Nothwendige und nothwendig Treie dem Menfchen als dem nothwendig Bebingten gegenliber fteht. Frei⸗ ih ift ihm die empfängliche Menſchheit nicht eine blos pafjive, fondern im Allgemeinen eine perfönliche zu fleigender Lebendigkeit und Wirkfamfeit berufene. Und fo treten für ihn weit größere Schwierigkeiten ein, als für Diejenigen Alten (z.B. Theodorus von Pharan) welche eine Chriftologie aus dem Zufammentritt des activen Göttlichen mit einer leidenden inftrumentalen Menſch⸗ beit formirten. Eben beßhalb hat er gelehrt, bie Menſchheit Chriſti babe doch wie alles Gefchaffene eine potentia obedien- tialis gegen Gott und fei daher nicht inassumptibilis für das Wort; die menfchlihe Natur alfo, wenn gleich mit immanenter Tendenz ſich zur Perfönlichfeit abzufchließen, ausgeftattet, Fönne doch die Richtung nehmen, daß fie fih felbft zur gehorſamen Stellung gegen Gott und damit zur lebendigen Empfänglichfeit für Gott und feine Aufnahme beſtimmt oder dazu beftimmt werbe, fo daß der beiverfeitige Wille bes Menfch werden wollenden Sohnes und ber fügfamen Menfchheit ſich zu Einer Perfönlichkeit zu- fammenfchließen, in welcher das Göttliche das nicht beftimmte Beitimmende, die menſchliche Seite aber die durch die göttliche beftimmte fo ift, daß biefes Beſtimmtwerden durch Gott bach zugleich auch ein Beftimmtwerden burch fich felbft zur wachfenden Empfänglichfeit für Gott if. Man fieht von felbft, wie für Duns Scotus eine wahre Menfchheit Chrifti in allmähligem Werden und Wachsthum nach ber Seite des Wiſſens und des Willens nicht blos möglich, ſondern eigentlich nothwendig wird 2°) 2°), Zwar zahlt er den Tribut an feine Zeit auch hier; er laßt vom erfien Anfang die volllommene Gnade, wie auch Bervienft in 416 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt II. Kap. 2. (Dist. XVIH, 5). Auch wirkliches natürliches Leiden ſchreibt er Chriſti Seele und Leib zu; nicht fo daß Ehrifti Wille feinen an ber Glorie des Sohnes Gottes etwa durch Die Unio Theil haben den Leib erft leiventlich gemacht hätte Durch ein Wunder, fondern fo, daß die Glorie des oberen Theiles feiner Seele nicht nieber- ftrömte in die unteren Kräfte. Diefes Anftchhalten der göttlichen Natur, um die menfchliche gewähren zu laffen, nennt er auch ein Wunder, durch welches das Natürliche wirklich warb (Leiden) ! Wenn offenbar der Gedanfe des Scotus dahin zielt, den Adoptianismus als Moment in die Chriftologie einzuführen, fo ift die Frage nur bie, ob er nicht die menfchliche Perfönlichkeit und ihre Selbfibeftimmung zur Abhängigkeit vom Sohn Gottes dem Acte der Menſchwerdung cerinthifch vorausfegen muß? Bielleiht Tigt in der Confequenz feines Gedankens, daß bie menfchlihe Natur Chrifti in fo fern vor der Menfchwerdung eine obebientiale. Selbfibeftimmung babe, als dieſe feine Natur zunächft in der Maria ift. In ihrem Gehorfam hat die menschliche Natur Chrifti Die in ihr zunächft war, bie Selbftbeftimmung zum Gehorſam empfangen umb daher die Empfänglichfeit für den Sohn Gottes. Die Präeriftenz der Menſchheit Chrifli vor der Gottmenfchheit die er bedarf, ift ihm vielleicht in der Mutter bes Herrn gegeben, und es tft folgerichtig nicht zufällig, daß ge⸗ rade im Scotismus eine ſich felbft überbietende Steigerung des Mariencultus, die Läugnung daß fie je Erbfünde gehabt, die Behauptung ihrer immaculata conceptio herrſchend wurde, 29) Epriftus fein. Diefe Gnade Teitet ex nicht von der Unio her, nicht einmal die Sünplofigfeit Chrifti, fondern vom heil. Geiſt der dieſe Seele felig und dadurch unfündlich macht ohne ihr Berbienfl L. II, Dist. XII. XVII. Es gewinnt oft ven Schein, als ob bie Unio für Scotus blos todter Schaß bliebe, die Hauptſache aber in den übernatürlichen Gnaden feiner Menfchheit läge, die auch Maria hat, und von welchen gelten muß: omnis actus hominis humanus ; dag superhumanum fei Metapher L. III, Dist. XII, Q. 4. 29) Um dieſes Dogma hat fih Duns Scotug in Paris und Cöln gegen bie Schule des Thomas und Albertus M. beſonders verdient gemacht vgl. Rosarium St. Mariä im Anhang zum L. IIL Beachtenswerth ift, daß biemit der Hauptgrund für Eprifli jung: Duns Scotus. Mariologie. 417 Allein Duns Seotug ftößt damit an einer andern Klippe an. Eine folche Uebertragung bed Gehorfams der Maria auf Chriſtus iR im Widerſpruch mit der Bedeutung, die er doch fonft ber . Perfönlichfeit beilege. Denn in Maria waren doch nur Ele mente ber menfchlichen Natur, nicht die Seele, nicht die Perſon Chriſti. Dieſe Mängel in ſeiner Chriſtologie hat er großentheils noch ſelbſt gefühlt, wie er denn eine letzte Entſcheidung manchmal nicht geben will. Es kommen aber noch andere Lücken hinzu. Zwar tritt in ihm im Unterſchiede yon der romaniſchen Scholaftif bes Thomas die Richtung des germanifchen ethifchen Geiftes ſchon Eräftiger bervor; wir gewahren in ihm einen flarfen, rin genden Geiſt, in welchem ein neues Prinzip treibt, aber noch gebunden durch feinen Gegenfat. Denn bem Uebergewichte des Theoretifchen und des Phofifchen, ber Notbwendigfeit und bes fräuliche Geburt in der alten Kirche aufgegeben ifl. Denn Maria fol aus einer Ehe und doc ſündlos entftanden fein, vergl. L. III, Dist. IV und L. IV, Dist. 11. Q. 2,11. Je unfruchtbarer die fpätere römiſch⸗katholiſche Dogmatif, namentlich nach ber Reformation in der Chriftologie ifl, deſto üppiger wucert die Marienlehre fort. Sie wird mehr und mehr zum Dogma und zehrt an dem gefun: ven chriftologifchen Triebe. Namentlich hat auch Rapmundus Lullus fih in diefer Beziehung bemerflich gemacht, vergl. Libro de la Concepgion Virginal, compuesto por el iluminado Maestro Raymundo Lullio, traduzido por Don Alonzo de Zepeda en Brus- selas 1664. Bier wird bewiefen, Chriftus fei die Finalurſache der Maria ; die Kinalurfache müfle aber, um zur Wirflichfeit zu kommen, fih fhon bei der Entflefung ver Maria dieſer eingießen ‚und dur diefe Eingießung feiner Güte, Größe, Tugend, Weis: heit u. f. w. die menfihliche Natur in Maria heilig machen; bie Neufchöpfung frecreatio) müffe mit Marias Entftehung, nicht mit Chriſtus beginnen. Und zwar wäre auch ohne Sünde biefed an Maria gefcheben, und Epriftus aus ihr geboren worben. Nähme man an, daß Maria nicht von Sünde, auch Erbfünde frei war, fo ſtünde fie unter Adam vor dem Fall. Da in ihrer Entſtehung vielmehr ſchon auf ſolche Weife die causa finalis, Epriftus wirkt, fo bildet fie ihm ſchon ein Moment feiner hiftorifchen Wirklichkeit. Der berühmtefte Mariolog neuerer Zeit it Perron. Derner, SHrifologie. II. 2te Aufl. 27 418 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt II. Kap. 2. Weſens ftellt er den freien Willen entgegen (L. IV. Dist. XLIII. Q. IV); aber in ſchroffer und erflufiver Weife. Die Folge das - von ift, daß ihm ‚die Vollfommenheit in ber leeren formalen Freiheit beiteht, ?°) der göttliche Wille ein zufälliges Verhältniß zum menfchlichen Wefen behält, und das höchſte Gut eudämoni- ftifch gefärbt ift. Unſer Wille fucht feine Seligfeit, und kann fie nur finden ale freier Wille. Aber das göttliche Geſetz, das Ob: jeft deſſelben, ift, wenn auc formal durch das kreatürliche Ber: bältniß gegeben, doch dem inhalt nach zufällig und dem Wefen bes Menfchen fremd. Die Macht des geiftig Allgemeinen, ohne bie doch die Perfönlichfeit ihren eigenen Begriff nicht erreicht, er- feheint fo als eine ber freiheit fremde oder gar bedrohliche Macht, die Scotus yelagianifirend befchränfen zu müflen glaubt. Hie⸗ mit hängt zufammen, daß das Moftifche bei ihm völlig zurüd: tritt, mithin dem Ethifchen feine lebendige Wurzel fehlt. Den antifen Zauberfreis der Ideen des Areopagiten, ben Emanatismus, der durch voreilige Gleichſetzung des Göttlichen und Menfchlichen in der phyſiſchen Subftanz eine wahre Einigung beider nicht minder unmöglicd macht als die abftrafte Trennung thut, bat Duns Sceotug entfchieven durchbrochen. Cr ſetzt einen tieferen Unterſchied, als den zwifchen Unenblichem und Endlichem oder Ganzem und Theil; Gott ift ihm das nothwendige, unbe- bingte freie Sein, der Menfd) das bedingte, nothwendig zufällige Sein. Beide find nicht blos gleichmäßig Sein, fondern auch unendliches Sein, aber verfchiedene Arten des unendlichen Seins, deren Zufammengebörigfeit er aufzumeifen ſucht. Das zwar ift ihm mit dem Begriff des unbedingt freien Seins, das Gott if, gegeben, daß ihm bas Sein einer Welt völlig zufällig wird; ja aud ihr Sofein; wir wiſſen nicht, ob Gott auch in ſich felbit dasjenige Gute Tiebt, deffen Gültigfeit in der Welt er will, und daß ung das Geſetz Gottes gegeben ift, Das offenbart und nichts Anderes, als feinen Willen, daß diefes ung gelte. Gleichwobhl, wenn Gott eine Welt wollte, fo war es nothwendig, daß fie un — — — — %) L. IV. Dist. XLIV, 2 Libertas in Deo est perfectio simpliciter. L. II, Dist. XXXVII. Q. IT, 9. Die Mängel ver flotiftifchen Ehriftologie. 419 durch feinen Willen bedingt, ja daß Gott, ober genauer fein Wille Das Ziel ber Kreatur fei, und eben daher war es auch noth- wendig, wenn wir werben follten, daß unfer Wille zwar nicht Gott gleich, aber mit Gottes Willen zufammengehörig, oder, wie er zu fagen pflegt, ihm proportionirt fei, von unendlicher Em⸗ pfänglichkeit, beftimmt für das Unendliche, wenn gleich fo, was zum Begriff des Bedingtfeind gehört, daß dieſer göttliche Wille nur allmählig und auf ethiſchem Wege angeeignet werde, mithin der viator nicht auch fehon comprehensor fei. Auf dem Wege zum Ziel fei Freiheit und Verdienſt, aber die Erfüllung mit Gutem, die dem Willen erſt Sicherheit und Seligfeit gibt, und den. Abfall fürder unmöglih macht, könne vom Menſchen nicht fommen, müße von Gott verlichen werben. Diefe Auffaffung für fich führt zur Alternative, daß Alle bie Beftimmung für Die Gottmenſchheit haben oder Keiner. Alle in fofern, alg Alle Gott oder feinem Willen proportionirt fein müffen, und wenn fie ihre Freiheit vecht gebrauchen, zu Gottmenſchen würden, ed wäre benn, daß Gott ſich ihnen als Ziel und Zweck entzöge, während doch die Welt, wenn fie ift, Gott zu ihrem Zwede haben muß. Scotus ſtellt den Grundfag auf, daß alle Afte des Menſchen menjchlich find, auch diejenigen, welche erft durch die Erfüllung menfchlicher Empfänglichfeit mit Gott zu Stande fommen. Damit fcheint gewonnen, daß das wahre Menſchliche und das Göttliche nur Die Kehrfeiten von einander ober daffelbe unter. verfchiedenen Gefichtspunften find. Aber ale ob er fürdtete hiemit nur einen vollkommenen Menfchen zu be: halten, wendet er wieder um, und macht die Menfchwerdung in Chriſtus, für die er die Einzigfeit der Stellung nicht erreicht, zu einem fchlechthin tranfcendenten einzelnen Faktum der göttlichen Allmacht oder Willfür, und vergißt über der Allmacht fo fehr ben ethifchen Geift feines Syſtems, daß er wieder fagt: jegliche Kreatur wäre von Gott annehmbar gemefen, Gott hätte auch einen Stein annehmen fünnen, ohne fi) -zu verändern. Aber eben diefes führt auf Die andere Seite, man muß, genauer betrachtet, jagen, daß es nad) Scot us au in Chriſtus zur eigentlichen Menihwerbung Gottes nicht fommen fonnte, denn 27 * 420 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt TIL. Kap. 2. mit dem innerſten Sein und Weſen Gottes tritt die Welt nicht in Beziehung, fondern nur mit feinem abfoluten beftimmungs- ofen Willen, mit feiner Macht, deren Wille für fich Ieer und ohne Herz ift. Iſt vielleicht diefer Standpunkt von ihm überfchritten durch feine befannte Lehre, daß Chriftus gefommen wäre, auch wenn Adam nicht gefiindigt hätte? Seine Säge find folgende. Den entgegenftehenden Autoritäten fei zuzugeben, daß ohne Adams Sünde Chriftus nicht als Erlöſer gefommen wäre. Aber bie Menfchwerdung fer nicht bios gelegentlib aus Beranlafjung eines andern, fondern von Anfang an befchloffen gemefen. Sie fei nicht blos als Mittel für das Heil der Menfchen, fondern unmittelbar als göttlicher Zwed gewollt. Genauer ftellt..er das fo dar (Dist. 7. 10. 19). Unter dem, was Gott außer fih wollte, war die Menfchwerbung Chriftt zuerſt gewollt: nicht etwa, weil er als Haupt der Menfchheit ewig gedacht war, fondern rein um Chriſti als Selbftzwedes willen. Die Bor- berbeftimmung jeder Seele fchon zur Herrlichkeit geht dem Vor⸗ berwiffen ber Sünde nothwendig voraus. Noch weit mehr. muß das gelten von ber Präbeftination der Seele Chriſti, welche bie höchſte Glorie in ſich ſchließt. Dieſe Menfchheit, wie ſie in Chriſtus iſt, war Gottes Endzweck vor der Herr⸗ lichkeit aller andern Seelen; aber überall will Gott früher das Ziel als die Mittel: noch mehr wollte er dieſes Ziel vor dem Borherwiffen der Sünde. Sonad hat der genannte Sat bei Scotus feineswegs die Bedeutung, eiwa einen wefentlichen Zufammenhang Gottes mit der Menfchheit, oder der Menfchheit mit der Perfon Ehrifti feftzuftellen. Vielmehr dient er eher, feine Sendung in Zufammenhangsfofigfeit mit der Dienfchheit zu ver- fegen als ein Ereigniß, das rein in Gottes freiem Wohlgefallen b. i. liberum arbitrium ruhte. Es kann nicht einmal gejagt werben ,. daß Gott nah Scotus in Chriſti Menfchheit feine eigene Berherrlihung als in einem abfolut werthvollen Gut fehe und wolle. Wie es im legten Grunde nach ihm zufällig if, bag eine Welt fei, fo auch dag Chriftus fei. Nur wenn nad Gottes freier Willfür eine ſolche Menfchheit in Wirklichkeit treten Die Mängel der fkotiftifchen Ehriftologie. 421 ſollte, fo konnte fie nicht blog als Mittel gebacht fein, fondern nur vor allem Andern. Genau genommen ift auch nicht fowohl Gottes Menfchwerbung , fonbern dieſe hochbegnadigte Menfchheit Chrifti Gegenftand der Präbeftination: daß ihm die Unio zu biefer Be⸗ gnabigung Feine innere Beziehung bat, ift ſchon erörtert. Er läßt freilich die Faktieität der Menfchwerbung ftehen, aber es zieht ſich ein ebjonitifcher Zug, der Chriftus von Gottes freiem Wohlgefallen abhängig macht, durch dieſe Chriftologie, und es hätte ihm ein Leichtes fein müſſen, eine ähnliche Präbeftination, wie bie für Chrifti Menfchheit auch für die heilige Jungfrau wie fpäter Raym. Lullus ausfündig zu machen. Die unbedingte Freiheit Gottes bei Scotus ift in Tester Beziehung abfolute Willkür, die eigentlich in jedem Moment die Melt und den Gottmenfchen müßte zurüdnehmen fünnen. Was diefe Freiheit in fich fei und wolle, bleibt im Geheimniß, und fo ift das Innerſte Gottes in der Menfchwerbung nicht heraus⸗ gefeßt oder nicht Menſch geworden. Gottes Gebot kann in- carnirt werden, aber nicht die Freiheit Die ed gab. Und felbft wenn man fagte, das Innerſte Gottes nah Scotus fei eben ver Machtwille, und biefer offenbare fih in der Schöpfung und Sinearnation, fo Tigt doch im Begriff einer ſolchen abſolut beftimmungslofen- Freiheit und Macht, daß Alles, was fie thut, zwar gut ift, aber nur weil fie es thut, nicht aber zugleich Etwas von ihr gewollt wirb, weil es in fid) gut if. Mithin wäre an fi) die Zurücknahme der Schöpfung und Incarnation ebenfo gut wenn nicht gleichſam zufällig Gott fich ſchon incarnirt hätte, und daher eine Veränderung nicht mehr zuläffig wäre, d. h. wenn nicht ber abjolute Indeterminismus es an fich hätte, durch ben Gebrauch der Freiheit felhft in das Schichſal der Faftieität zu gerathen, wonach faclum infectum fieri nequit, und fo in fein direfted Gegentheil, die Nezeffitirung überzufchlagen. So nahe er daher das Göttliche und Menfchliche zufammen- zubringen und ſo fehr er fie ihrer Exkluſivität zu entfleiden fucht, jo bleibt er doch in Widerfprüchen ſtehen. Die Beltimmungen ber Kirchenlehre von der Unio personalis fchleppen ſich auch bei ihm noch fort, aber Die gettmenfchliche Perſönlichkeit, wie fie die 422 3weite Periove. Erfte Epoche. Abfchnitt IIL Kap. 2. Kirche will, ift ihm eine tobte Kafticität. Die Unio des Wortes mit dem affumirten Menſchen ift geſchehen; er greift die Lehre der Kirche nicht ausdrüdlich an. Aber er läßt diefe That Des Sohnes Gottes bei dem, was er über Chriftologie zu fagen bat, faft ganz aus dem ‚Spiele. Er fängt, ohne den Schutt bed alten Gebäudes wegzuräumen, auf bemfelben ein neues an. Der neue feitende Gedanfe dabei, der ihn auch von den Antiochenern unter: ſcheidet, ift eine höhere Auffaffung der menfchlichen Natur. Aber nicht blos nähert er fich dabei dem Adoptianismus, wenn nicht einer Art von Gerinthianismug, fondern es bleibt auch die menfch- liche Freiheit bei feiner Gotteslehre vor einem abfofuten Präde⸗ ſtinatianismus nicht fiher. Das Wichtigfte aber ift, er erreicht bei feinem Gottesbegriff feine Menfchwerdung Gottes ſelbſt; Die menſchliche Natur kann eigentlich nur mit Gottes Willen in Be: ziehung fommen, mit dem Guten, das Gott für bie Welt be: flimmte, dem fid) aber Gottes Wefen ewig entzieht, indem es vielmehr al8 liberum arbitrium frei darüber ſchwebt. Kräftig zwar erfaßt er im Gegenfat gegen die Vorgänger die Form bes Ethiſchen, den Willen, aber indem er es nicht ontologifch, den Willen aber nur als beftimmungslofe Form und freie Will für denkt, ift auch der Wille für fi) wieder bloße blinde Macht und finft in das Phyſiſche zurüsf, wie Thomas und die Aeltern, nur gerichtet auf den guten Inhalt ohne die Form der Freiheit, aus dem Phyſiſchen fich nicht herauszuarbeiten vermögen. Das erhellt nody recht deutlich aus Demfenigen, was er über bie Noth- wendigfeit des Werkes Chrifti fagt. Chrifti Verbienft hat feinen Grund in feiner menfhliden Natur, und ift daher nicht wie Thomas will, unendlich ; denn fonft wäre der gefchaffene Wille Chrifti Gott ebenfo wohlgefällig, wie ber nicht gefchaffene, und die Dreieinigfeit liebte beide gleih. Es ift unendlid nur in fofern, als e8 für unendlich viele Menſchen zureicht, aber nicht an fih und innerlih. *) Es war aud nicht nothwendig, daß bas Menfchengefchlecht durch Chrifti Leiden bergeftellt wurde, °*) 31) 1. c. Dist. XIX. ©. 138 ff. 32) Dist. XX. ©. 143—46. I — Das neue Ferment in Scotus. Schwächen in deſſen Erſcheinung. 423 und er widmet dem Anſelmus eine ausführliche Widerlegung. Chriſti Tod ſei nur nothwendig geweſen, weil Gott ihn wollte, aber er wollte ihn frei und zufällig; denn es war zufällig, daß Gott vorher wußte, er werde leiden, aber allerdings, wenn es vorher gewußt war, ſo litt er. Es war auch keine Nothwen⸗ digkeit, daß unſer Geſchlecht hergeſtellt werde, denn bie Wieder⸗ herſtellung ergibt ſich nur aus der Vorherbeſtimmung der Men⸗ ſchen zur Herrlichkeit, in welche Gefallene nur durch Genugthuung eintreten können, die Vorherbeſtimmung des Menſchen aber iſt zufällig und nicht nothwendig. Auch das ſei zu bezweifeln, daß der Menſch ohne Genugthuung nicht verſöhnt werden könne. 33) Aber gefest, fie fer nöthig, fo fei Doch nicht nothmwendig erforderlich, Daß Gott genug thue. Wenn ferner nah Anfelm zur Genug: thuung etwas Größeres als alle Kreatur gefordert werben müſſe, fo fei vielmehr zu fügen, daß der Menſch, welcher einen unendlich | ſchlechteren Gegenftand Tiebend gefündigt hatte, durch Die Liebe | zu einem unendlich edleren Gegenftand hätte genugthun müffen. | Bon einer afdern Inendlichfeit der Schuld als der nach dem Objekte, Gott, zu beineffenden will er Nichts willen. Sa, wenn nah Anfelm fein Anderer als ein Menfch genugthun mußte, fo fei auch diefes nicht richtig; denn auch wer nicht Schuldner iſt, kann für einen Andern genug thun, wie für ihn beten; es hätte auch ein Engel, wenn es Gott gefiel, für ung die Genug: thuung bringen Tonnen. Denn jedes Freatürlihe Opfer gilt fo viel, ald wofür Gott es will gelten laffen und nicht mehr. Auch ein bloßer Menfh ohne Erbſünde von einer Mutter, wie die Maria war uud ausgeftattet mit Gnaden wie Chriſti Menfch- heit fie ohne vorangegangene Verdienſte hatte, hätte Die Tilgung ber Sünde verdienen können, und wir würben doch einem Solchen nit (wie Richard meinte) fo wie Gott verpflichtet fein, weil - er ja alles Gute von Gott hätte, fondern nur fo, wie wir der Jungfrau und den Heiligen verpflichtet find. Endlich auch jeder Einzelne fönnte für fi genugthun, wenn nur Jedem bie erfte Gnade (Taufe) ohne Berbienft gegeben würbe, wie das 3) Lib. IV, Dist. XV. Q. 1. ©. 255 ff. 424 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfchnitt II. Kap. 2. in der That gefchieht. Wie kann man deutlicher bie Dienfchwer- dung Chrifti als etwas fir die Erlöfung faft Ueberflüſſiges hin⸗ ftellen, Chriſti Verbienft um ung dem der Maria gleich fegen - und für Chriftus nur übyig laflen die Stiftung der fahrament- lichen Gnade, die aber auch wieder nur faftifch an die Menſch⸗ werbung gebunden ift, nicht nothwendig, indem Gottes Freiheit auch andere Wege gehabt hätte, bie Kirche zu fliften? Diefe Sätze find offenbar zugleich von einem pelagianifirenden Intereſſe eingegeben, Das die Sünde mie bie göttliche Gerechtigfeit nicht ernft nimmt; fie haben aber im Syſtem bes Scotus ihren Grund darin, daß er Alles an die göttliche Freiheit oder Willkür als oberften Ring aufhängt. Thomas von Ag. betrachtet die Menfchwerbung Gottes nicht als ein Neues für Gott, fondern nur für die Menfchen (ſ. 0.) Ganz fo handelt es fih dem Duns Scotus in ihr nicht um ein Sein, fondern ein Werf Gottes (factio), um Hervor- bringung einer gralia creata in einem Menfchen, die auch ohne Unio ftatt finden fonnte, und Gottes Sein in Chriftus bezeichnet " nicht einen habitus in Gott, fondern nur im Menfchen. 9) So daß die beiden größeften Scholaftifer den Gedanken ber Menſch⸗ werbung Gottes felbft eigentlich fallen gelaffen haben, der Eine mehr fo, daß er Gott niht Menfch werden läßt, fondern nur eine felbftlofe Gotteserfcheinung in menfchlicher Geftalt in Chriſto fieht, der Andere indem er zwar die Menſchheit nicht felbftlog den⸗ fen möchte, aber doch eigentlich darüber auch nicht hinaus fommt, außer negativ durch Beichränfung des Seins Gottes in biefem 3) Treffend Baur II, 832: „Gott ift Menſch geworden heißt auch nad) Duns Scotug feinem wahren Sinne nach vielmehr: Gott ift Nichts geworben, alfo auch nicht Menſch geworden, fondern alles Werden und Gewordenſein fallt nur auf die Seite ver menfchlichen Natur, wobei e8 Feines weitern Beweiſes bedarf, daß, wenn Gott nicht Menfch geworden, auch der Menſch nicht Gott gewor: den fein fann, fomit der Begriff ver Unio, wenn die eine feiner beiden weſentlichen Seiten von der andern getrennt wird, fich ſelbſt aufhebt oder etwas rein Nominelles wird.“ N Schlufrefultat. — 3. Die Myſtik per Scholaftifer. 425 Menfchen, was auf eine neftorianifche Doppelperfönlichkeit zurüd- führen müßte. 3 Die Myſtik in der Scholaſtik. So mangel⸗ haft, wie wir ſahen, die ſcholaſtiſche Chriſtologie im Allge⸗ meinen iſt, und ſo ſehr wir in ihren begrifflichen Formeln einen Fortſchritt vermiſſen, ja manche Anzeigen ſich einſtellen, daß aus ihrem Gerüſte der Geiſt ſein Intereſſe ſchon zu⸗ rückzuziehen beginne, und nicht minder dem eigentlichen chriſto⸗ logiſchen Problem als dem offenen Bekenntniß zum Nihilia⸗ nismus ausweiche, ſo nehmen wir neben den ſcholaſtiſchen Formeln doch noch eine Region wärmeren Lebens und Be⸗ trachtend und das Walten eines Bildes von ber Perfon Chrifti wahr, das in jenen Kormelu nur zu verfimmertem Ausbrud gelangt, aber dient, das Leben der privaten Srömmigfeit und zum Theil auch bes öffentlichen Kultus zu nähren und zu be fruchten. Ohne die Erwägung biefer Seite der Sache würde ein wichtiger Faktor zur Vorbereitung der germanifhen My⸗ ftif, bie wir fpäter zu betrachten haben, ſowie durch biefe der Reformation ung fehlen. Es ift befonders die Verſöhnungslehre, feit ſich das Nachdenken berfelben mehr zumanbte, für eine Chriſtologie Frucht: bar geworben, welche von Dofetismus und Nihilianismus fich ferne hielt, aber indem fie mehr die ganze gottmenfchliche Perfon ind Auge faßt, auch in feinem innern Verhältniß zu der alten Lehre von der Zweiheit der Naturen ſteht, fondern den Anfichten ber erften Periode verwandter ıft, hervorgewachſen weder aus jener Zweiheit, noch aus ber Einheit, zu ber biefe Zweiheit es bringt, fondern aus dem lebendigen Chriftenthume felbft und aus dem Eindrud, den Chrifti Lebensbild in den Evangelien fortwährend auf das fromme Gemüth macht. Es wird von vielen Männern . im Mittelalter die Möglichfeit der Genugthuung Ehrifti für ung unter Anderm barauf gegründet, daß Chriftus Haupt bed my: ftifchen Körpers der Kirche fe. Das Haupt Fünne genugthun für feine Glieder. Nach dem Vorgange des Lom barden pfle "gen die Scholaftifer in ihrer Chriftologie ein befonderes Kapitel der eigenthümlichen Gratia zu widmen, bie biefer Perfon gewor⸗ A24 Breite Periode. Erfte Epoche. Abfihnitt II. Kap. 2. in der That gefchieht. Wie kann man beutficher die Menſchwer⸗ dung Chrifti ald etwas für die Erlöfung faft Ueberflüſſiges hin⸗ ftellen, Chrifti Verdienft um und dem ber Maria gleich fegen und fiir Chriftus nur übrig laffen die Stiftung der fahrament- lichen Gnade, die aber auch wieder nur faftifch an bie Menſch⸗ werbung gebunden ift, nicht nothwendig, indem Gottes Freiheit auch andere Wege gehabt hätte, bie Kirche zu fliften? Diefe Sätze find offenbar zugleich von einem pelagianifirenden Intereſſe eingegeben, das die Sünde wie die göttliche Gerechtigkeit nicht ernft nimmt; fie haben aber im Syſtem bed Scotus ihren Grund darin, daß er Alles an die göttliche Freiheit oder Wilffür als oberften Ring aufhängt. Thomas von Ag. betrachtet die Menfchwerbung Gottes nicht als ein Neues für Gott, fondern nur für die Menfchen (ſ. 0). Ganz fo handelt es fih dem Duns Scotus in ihr nicht um ein Sein, fondern ein Werf Gottes (factio), um Hervor⸗ bringung einer gratia creata in einem Menfchen, die auch ohne Unio ftatt finden fonnte, und Gottes Sein in Chriftus bezeichnet ” nicht einen habitus in Gott, fondern nur im Menfchen. ») So baß die beiden größeften Scholaftifer den Gebanfen der Menſch⸗ werbung Gottes felbft eigentlich fallen gelaffen haben, der Eine mehr fo, dag er Gott niht Menfch werden läßt, fondern nur eine felbftlofe Gotteserfcheinung in menfchlicher Geftalt in Chrifto fiebt, der Andere indem er zwar die Menfchheit nicht ſelbſtlos den⸗ fen möchte, aber doch eigentlich Darüber auch nicht hinaus fommt, außer negativ durch Befchränfung des Seins Gottes in biefem — .— 3) Treffend Baur II, 832: „Gott ift Menſch geworden Heißt auch nad Duns Scotug feinem wahren Sinne nach vielmehr: Gott if Nichts geworben, alſo auch nicht Menfch geworden, fondern alles Werden und Geworvenfein fällt nur auf die Seite der menfchlichen Ratur, wobei es Feines weitern Beweifes bevarf, daß, wenn Gott nicht Menfch geworden, auch der Menfch nicht Gott gewor⸗ ven fein fann, fomit der Begriff der Unio, wenn die eine feiner beiden weientlichen Seiten von der andern getrennt wird, fid feloft aufhebt oder eiwag rein Nominelles wird.“ 4 Schlußreſultat. — 3. Die Myftit ver Scholaftiter. 425 Menſchen, was auf eine neftorianifche Doppelperfönlichfeit zurück⸗ führen müßte. , 3 Die Myftif in der Scholaftil. Sp mangel- haft, wie wir fahen, bie fiholaftifche Chriſtologie im Allge⸗ meinen ift, und fo fehr wir in ihren begrifflidhen Formeln einen Fortſchritt vermiflen, ja manche Anzeigen fich einftellen, daß aus ihrem Gerüfte der Geift fein Intereſſe ſchon zus rüdzuziehen beginne, und nicht minder bem eigentlichen chrifto- Iogifchen Problem als dem offenen Bekenntniß zum Nihilia⸗ nismus ausweiche, fo nehmen wir neben ben fcholaftifchen Formeln doch noch eine Region wärmeren Lebens und Bes trachtens und das Walten eines Bildes von ber Perfon Chrifti wahr, das in jenen Formeln nur zu verfümmertem Ausdruck gelangt, aber dient, das Leben der privaten Frömmigkeit und zum Theil auch des äffentlichen Kultus zu nähren und zu be: fruchten. Ohne die Erwägung biefer Seite ber Sache würde ein wichtiger Baftor zur Vorbereitung der germanifhen My⸗ ftif, die wir fpäter zu betrachten haben, fowie durch dieſe ber Reformation ung fehlen. Es iſt befonders die Verſöhnungslehre, feit fih das Nachdenken derfelben mehr zumandte, für eine Ehriftologie frucht⸗ bar geworben, welche von Dofetismus und Nihilianismus ſich ferne hielt, aber indem fie mehr die ganze gottmenfchliche Perfon ind Auge faßt, auch in feinem innern Verhältniß zu der alten Lehre von der Zweiheit der Naturen ſteht, fondern den Anfichten ber erften Periode verwandter ıft, hervorgewachſen weder aus jener Zweibeit, noch aus ber Einheit, zu der biefe Zweiheit es bringt, fondern aus dem lebendigen Chriftentbume felbft und aus dem Eindrud, den Ehrifti Lebensbild in den Evangelien fortwährend auf das fromme Gemüth macht. Es wird von vielen Männern . im Deittelalter die Möglichkeit der Genugthuung Chriſti fir ung unter Anderm darauf gegründet, daß Chriftus Haupt bed my: flifchen Körpers der Kirche ſei. Das Haupt Tonne genugthun für feine Glieder. Nach dem Borgange des Lom barden pfle gen die Scholaftifer in ihrer Chriftologie ein befonderes Kapitel der eigenthümlichen Gratia zu widmen, bie biefer Perfon gewor⸗ A426 Zweite Periode. Erfie Epoche. Abſchnitt III. Kap. 2. den fei. Chriſtus habe bie plenitudo gratiae et divinitatis in ſich, weil er das Haupt ift.*°) Die Nachfolger des Lombarden führen das aber nach verfchiebenen Seiten weiter aus. Nach Albertus d. Er. ?) hatte Chriſtus neben der increata auch eine creata gratia in fih, durch die er vor allen Andern aus⸗ gezeichnet ift. indem er biefe Gratia im Einzelnen ſchildert, fo it ihm das Erfte: Chriftus ift Das Haupt der Gemeinde. Er fheine zwar nur nad feiner göttlichen Natur, alfo nicht ale Gottmenfh Haupt zu fein, weil Bewegung und Gefühl in ber Kirche von Chriſtus nad) feiner göttlichen Natur flammen. Aber er antwortet: bag Haupt bat im Verhältniß zu feinem Leibe Drei: erlei an fich, erſtens ift es Prinzip, welches wirkſam auf die Kraft, das Gefühl und die Bewegung influirt, zweitens ftrömt es in die lieber als geftaltendes Lebensprinzip, drittens findet eine Conformität zwilchen ber Natur des Hauptes und den Glie: bern flat. Wirkſam influivendes Prinzip ift nun Chrifus nur als Gott, womit nicht ausgefchloffen ift, daß er feine göttliche Kraft vermittelft feiner Menfchheit einftröme. Als affimilirendes Prinzip, das gleichſam ald geftaltende Form überftrömt, ift Chri⸗ ſtus Haupt der Seligen und ber Begnadigten, denen er die Aehnlichkeit feines Lebens, feines sensus et motus einftrömt. Im dritten Sinne ift er Haupt nur der Menfchen; er fann nem: ih als Haupt ber ihm weſensgleichen Glieder ihnen fein Ver⸗ bienft mittheilen. -. Die Gratia dieſes Hauptes alfo befteht in ber virtus in- fluendi. Schon als einzelner Menfch hat er eine fo reiche Gnabe, — — — — 3) Petr. Lomb. Sent. Lib. III.‘ Dist. XIII. Ut in corpore nostro inest sensus singularia membris, sed non quantum in capite, — ibi enim et visus est, et auditus, et olfactus, et gustus, et tactus, in ceteris vero solus est tactus, — ita et in Christo habitat omnis plenitudo divinitatis, quia ille est caput, in quo est omnis sensus; in sanctis vero quasi solus tactus est, quibus spiritus datus est ad mensuram, cum de illius plenitudine acceperunt. Acceperunt autem de illius plenitudine nou secundum essentiam, sed secundum similitudinem. 36) Compend. theol. L. IV, de Incarn. Christi c. 14 und L. IN über die Sentenzen Dist. XIII. Die Myſtik ver Scholaftifer. Albertus M. Thomas. 427 daß fie in ihm überſtrömt (exuberat). Daher firömt er in bie lieder feines myſtiſchen Leibes geiftliche Gefühle und Bewegun⸗ gen ein, vermöge ber Duellenfülle jeglicher Gnade, die in ihm wohnt, 27) und nicht bloß als Gott, fondern auch ale Menſch frömt er den sensus et motus spiritus el gratiae in Alfe über, die ihm anbangen. Aber ald Menſch influirt er wirk fam nicht ummittelbar, ſondern meritorie, er verdient ung bie Einftrömung der Gnade, und erlöst ung, indem er Das Hinder: niß (obstaculum influxus in nos) hinweggeräumt, unfere Schul, die er bezahlte. Diefelbe Frage behandelt Thomas ausführlich. 9) Im feiner Summe führt er für die Meinung, daß Chriftus ale Menſch nicht Haupt der Gemeine fein fönne, weiter an: Gott heiße Chriſti Haupt, auch fei das Haupt ein einzelnes Glied, ſelbſt wieder abhängig vom Herzen, während Chriftus univerfell Prinzip der ganzen Kirche ſei. Sonach fcheine er nicht Haupt zu fein, fondern blog nad) feiner göttlichen Natur fie zu regieren. Er antwortet, wie bie ganze Kirche ein myſtiſcher Leib heißt, nach der Aehnlichfeit des natürlichen Leibes, fo heiße Chriftus Haupt der Kirche nach der Aehnlichfeit des menfchlichen Hauptes. Diefes mun ift Haupt in dreierlei Beziehung. Erftens dem Range nad ift es das Erſte, ebenfo der Vollfommenheit nach, denn alle Sinne find in ihm vereint, endlich der Kraft nad), denn da im menſchlichen Haupte die vis sensiliva ei motiva thront, fo flammt die Kraft und Bewegung der Übrigen Glieder und ihre Regierung von dem Haupt. Das Alles nun hat auch auf Ehriftus in vollfommenerem geiftigem Sinne feine Anwendung. Er ift Gott näher, darin ligt fein Rang, er hat die Fülle der Gnabe, darin ligt feine VBollfommenheit, er bat die Kraft in alfe Glieder die Gnade überzuſtrömen, das ift feine virtus. Der — — — — — — — 3) Comp. theol. IV, 14 influit in membra corporis sui mystici sensum et modum spiritualem secundum fontalem plenitudinem omnis gratiae in ipso habitantis. . 3@, P, III, quaest. 8, 1. Quaest. 8. 4. 7. 19. 23 Super Sentent. Lib. II. Dist. XIU ; Quaest. 1. 2, 423 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt II. Kap. 2. Gottheit Chriſti fommt es urfprünglih (auctoritative), feiner Menfchheit aber werkzeuglich (instrumentaliter) zu, den 5. Geift mitzutbeilen; und obgleih Gott Chrifti Haupt ift, fo ift doch Chriftug der Gemeinde Haupt. Das Herz aber feines Leibes, ber Kirche, ift der b. Geil. Haupt der Kirche zu fein fommt Chriſtus eigenthbümlich zu. Es gibt zwar einen Einfluß auf bie Glieder der Kirche, 3.3. durch Regierung, den auch Andere als er, lokal und temporell in feiner Vollmacht ausüben können; aber der innere Einfluß (influxus interior), durch welchen virtus motiva et sensiliva a capite derivalur ad cetera membra, fommt ihm allein zu, weil in ihm die plenitudo gratiae in ganz einziger Weife wohnt. Der Seele Ehrifti wurde Die Gnade zu Theil ald einem univerfalen Prinzipe in ber Gattung ber der Gnade Theilbaftigen. Die Kraft des erften Prinzipes in einer Gattung dehnt ſich aber univerfell aus auf alle Wirkungen berfelben Gattung, und fo Hat er als umiverfales Prinzip auch univerfale Bedeutung in Beziehung auf die Wir- fungen. Um feiner mittlerifchen Stellung zum Menfchengefchlecht willen mußte er eine Gnade haben, die auch auf Andere über: ſtrömte. Das ift die fontalis gratia des Albertug.°9) Befon- ders ftarf ift aber folgende Stelle, *%) in welcher Thomas durch bie Idee des Hauptes Die Uebertragung bes Verdienſtes Chrifti auf und vermittelt: In Christo non solum fuit gratia, sicut in quodam homine singulari, sed sicut in capite totius Ecclesiae, cui omnes uniuntur, sicut capiti mem- bra, exquibusconstituiturmystice una persona. Et exinde est, quod meritum Christi se extendit ad alios, in quantum sunt membra ejus; quia non solum sibi ‚sentit, sed omnibus membris. Wie Adam in natür- licher Beziehung Prinzipium der ganzen menfchlichen Natur war, fo iſt Chriſtus zum Haupt aller Menfchen von Gott beftelit, da⸗ ber im Reiche der Gnade fein Verdienſt fi) auf Alle feine Kin- ber ausbehnt. 39, Cf. Summa ]. c. Qu. VII, 1. 9. VIII, 1. 6.1X. Qu. XIX, 4 ad secundam. #0) Qu. XIX, 4. Resp. J N Die Myſtik in der Scholaftil. Thomas von Aquin. 429 Er beichäftigt *') fich auch mit der Frage, in welchem Sinne Chriſtus die Menfchheit und bie allgemeine menfchliche Natur an- genommen babe? Nicht in dem Sinne, wie fie, auch abgefehen von ber irdiſchen Realität, gedacht werden kann als menfchlicher Begriff oder platonifirend als dem Concreten vorangehende all: gemeine bee der Menſchheit (eidos, forma communis), das Erftere wäre eine bloße Fiktion fubjeftiver Vorftellung, die forma com- munis aber ift nicht individuell, während doch die Menfchwer: bung zu ihrem Ziele die Perfönlichfeit hat, in welcher bie forma communis fi indivibuirt. Ueberhaupt gehört ber Menfch nad) feinem Begriff auch zur finnlihen Welt, mithin kann auch Ehrifti Menfchheit. nicht ohne den finnlichen Stoff, und nicht als pla⸗ tonifched Eidos, das dem Concreten vorangeht, gedacht werben. Wenn nun aber die menfchlihe Natur weder in dem göttlichen Berftande für fih, noch überhaupt außerhalb der finnlihen Wirk: lichkeit, fondern in den concreten Individuen menfchlicher Gattung befteht, fo entftebt Die Frage, ob nicht Ehriflus die allgemein menfchliche Natur in dem Sinne angenommen babe, daß er in allen Individuen Menſch warb? Dig könnte paffend fcheinen , fagt er, ein weiſer Werfmeifter vollbringt fein Werf auf dem Fürzeften Wege. Diefer Weg der allgemeinen natürlichen Gottesfohnfchaft - aber wäre fürzer, ale ber, daß bie Bielen erft durch Einen na- türlihen Sohn zur Kindfchaft gelangten. Aber wie der göttlichen Weisheit, fo feheint dieſes auch der Liebe gemäß, und ba, was einer Wefengattung per se einmal zufommt, Allen dazu gehöri- gen Individuen zufommt, fo ſcheint es paſſend, daß bie menſch⸗ lihe Natur in allen ihren Subjeften affumirt würde. Darauf antwortet er: zur Weisheit des MWerfmeifters gebört vielmehr, daß nicht durch Vieles das vollbrucht werbe, was genügend durch Eined geichieht. Das Afjumirtwerben fommt ber menfchlihen Natur auch nicht an fich und in dem Sime zu, daß e8 zu ihrer natürlichen Eigenthümlichfeit oder ihren principia essentialia gehörte, affumirt zu werben; denn ſonſt freilich fäme diefes allen Subjeften biefer Natur zu. Gottes — 1, Qu. IV, Art. 4. 430 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt III. Kap. 2. Liebe offenbarte ſich ferner nicht blos durch assumtio , ſondern auch durch die passio für Andere. — Es ift aber auch unmöglich, bag Alle affumirt würden; denn dadurch wäre bie Vielheit der Subjefte menfchliher Natur aufgehoben. Denn da es in der angenommenen Natur fein anders Subjeft gäbe, als bie affır mirende Perfon, fo folgte, daß es nur ein einziges Subjeft in menfchlicher Natur gäbe, nemlich eben die affumirende Perfon. +?) An folhen Punkten fteht dem Thomas das Weſen Gottes und des Menfchen einander nicht fo fchroff gegenüber, wie fonft wohl in ber firchlichen Betrachtungsweife, ja wie ihm felbft in anderer Hin- ſicht (f. 0. ©. 368). Dahin gehört auch jene Lehre des Thomas: Es gehöre zur vollfommenen und nothwendigen Kenntniß Gottes von fich felbft auch die Erkenntniß feiner Mittheilbarfeit an die Geſchöpfe in verfchiedener Art der Aehnlichfeiten, und eben ba mit erfenne Gott auch die Gefchöpfe ihrer verfchiedenen Art nach in verfchiedenen Ideen, jedoch fo, daß Gott wie ein Künft- ler in Einem Gebanfen fein ganzes Werk umfaffe. ) Da ruht ihm alle Berfchiedenheit der Gefchöpfe nur in einer verfchiedenen Achnlichfeit mit Gott, welche wieder in einem verfchiebenen Grade ber Mittheilung der göttlichen Subftanz befteht. Das ift freilich .—m #2) Summa 11]. Q. IV, 8. Während ver Lombarde fi) mit der Frage viel beichäftigt, vb die göttliche Natur oder Hppoſtaſe die menſch⸗ liche Natur affumirt habe (Q. III, 1. 2), fo entfcheidet fih Th os mas fo: Nicht die göttliche Perfon, fonvern die göttliche Natur habe affumirt; aber die VPerfönlichkeit fei das Ziel (terminus as- sumtionis), Die perfönliche Vereinigung des Wortes Gottes mit einem Menſchen ift ihm bie höchfte Form möglicher Bereinigung beider, und hierin ligt Chriſti ſpezifiſche Dignität; fie ift aber nah Thomas nicht ohne Bereinigung auch ber göttlihen Na: tur mit der menfchlichen, foweit vie letztere dafür empfänglich ift, und nach diefer Seite ift Chriflus wieder Allen verwandt, die wenigſtens an ber göttlichen Ratur Theil haben. Thomas ge hört alfo nicht zu Denen, welde, um bie Chriftologie zu erleich tern, fagen: Es habe nicht die göttliche Natur Die menſchliche Natur angenommen, fondern nur die göttliche Perſon ohne die Natur, ſ. 0. ef. Abraham Calov. Systema loc. theol. Tom. VI. Vit. 1677. ©. 148. | *, Ritter, Gefchichte ver chriſtlichen Bhilofophie IV, 286. Thomas von Aquin. 431 emanatiftifch und die Conſequenz wäre, daß Chriftus, um poll: fommen zu fein, aufhören müßte, Menſch zu fein; ber bualiftifche Hintergrund ber oben S. 368 beſprochen ift, wirft aud) ba immer noch nad). Gleichwohl Iohnt eg, noch zu betrachten, wie er Daran anftreift, eine innere und wefentlichere Zufammengehörigfeit ber göttlichen und der menfchlichen Natur durchzuführen. Die menfch- fihe Natur, fagt er, war fühiger vom Sohn Gottes angenom⸗ men zu werden, ald irgend eine andere, ihrer Würde gemäß. Denn zwar alfe Kreatur hat eine ſpurweiſe Aehnlichfeit mit dem Wort, aber die menfchliche hat die Aehnlichkeit des Ebenbildes. Dur Erfenntnig und Liebe kann die menfchlihe Natur an das Wort felbft einigermaßen heranreichen (contingere). Auch ziemte es ſich, daß Gott feiner Kreatur das verfagte, wofür fie em⸗ pfänglic) war (capax). **) Dem Worte kann auf dreifache Weife etwas ähnlich gemacht werden. In Beziehung auf die Form fo, wie ein Gebäude ber conzipirten Idee des Künſtlers (verbo mentali) ähnlich ift, und in diefem Sinne ift jede Kreatur dem Wort abnlih, weil von feiner künſtleriſchen Idee umfaßt. Aber auch in Beziehung auf die Erfenntniß (intellectualitas) ift eine Berähnlichung mit dem Worte möglih, wie dem Worte, das im Geifte des Lehrers lebt, das Willen, das im Geiſte bes Schülers iſt, fich verähnlicht. In diefem Sinne ift die vernünf⸗ tige Kreatur auch nach ihrer Natur dem Worte Gottes ähnlich. Endlich wird die Kreatur dem ewigen Worte Gottes ähnlich durch Gnade und Liebe in Beziehung auf feine Einheit mit dem Va⸗ ter, und bierin vollendet fi) die Annahme an Kinbesftatt. “*) Eben dahin gehört feine klare und tieffinnige Erklärung über die der Scholaftif geläufige Frage, warum nicht der Vater, noch der heil. Geift, fondern der Sohn Menſch geworben fei? Er antwortet, weil der Sohn das Urbild iſt, wonad der Menich von Anfang gefchaffen, alfo auch wieder berzuftellen war. *%) %, Summ. P. III. Q. IV, art. I. Sent. lib. II. dist. I. Q. I, art. 2. #5) Summ. P. Ill. Q. XXI, 3. Filiatio adoptionis est quaedam simili- tudo ANliationis naturalis. 4, Summa P. III. Q. III, art. 8. coll. sup. Sent. III, dist. I. Q. Il, art. 2: imago convenientiam habet cum eo, qui reparandus erat, sci- 432 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfchnitt III. Kap. 2. Das Wort Gottes ift Die ewige Idee Gottes, Urbild für die ganze Kreatur, und wie durch Antheil an biefem Urbild alle Kreatur nad) ihren Ordnungen geichaffen ift, aber in veränder⸗ licher Weife, fo ift Durch bie nicht blos theilweife, ſondern yer- fünliche Einheit des Wortes mit der Kreatur die orbnungsmäßige Wiederherſtellung zu einer ewigen und unbeweglichen Vollkom⸗ menheit angemeflen gewefen, wie denn aud der Künftler, wenn fein Runftwerf ihm verborben ift, es burch bie dee wieder. her: ſtellt, mittelft deren er es ſchuf. Wie nahe ift bier Thomas ber Lehre des Irenäus, baß die erfte Schöpfung noch) unvollendet war, daß das immobile exemplar ftatt der mobilis imago in ber perfönlichen nicht blos theifweifen Unio des Wortes mit der Menfchheit habe erfcheinen müffen, und daß alfo nicht blos durch Die Sünde die Menſch⸗ werbung Gottes veranlaßt, fondern weſentlich zur Verwirklichung des ewigen Urbildes der Menfchheit gehörig war! 7) Es ift vielleicht hier der angemeffenfte Ort, die Gefchichte der Frage, ob die Menſchwerdung Gottes zur urfprünglichen Idee Gottes von der Welt und Menſchheit gehöre, mithin einen we- —— nn nn m — — licet eum homine ; unde decuit, ut imago imaginem assumeret. (Aehn⸗ Ich aud Albertus Magnus, 1. c. Comp. theol. cap. VI: Imago debuit per imaginem roparari). Summa |. c. heißt e8: Convenienter enim ea, quae sunt similia, uniuntur, ipsius autem personae fllii, qui est Verbum Dei, attenditur convenientia ad totam creaturam, quia verbum artifleis,, i. e. conceptus ejus, est similitudo exemplaris eorum, quae ab artifice flunt. Unde Verbum Dei, qued ost aeternus conceptus ejus. est similitudo exemplaris totius creaturae: et ideo, sicat per participationem hujus similitudinis creaturae sunt in pro- priis speciebus institutae, sed mobiliter, ita per unionem Verbi ad creaturam non participatam sed personalem, conveniens fuit reparari creaturam in ordine ad aeternam et immobilem perfectionem. Nam et artifex per formam artis conceptam, qua artiflciatum condidit, ipsum, si collapsum fuerit, restaurat. #7) Hieher gehört auch Sent. L. III, dist. I. Q. I, art. 3, wo er fagt: Durch die Incarnatio fei nicht blos Erlöfung von der Sünde, ſon⸗ dern auch humanae naturae exaltatio et totius universi consummatio bewirft worden. Bergl. die ſchöne Stelle im Prolog zu Sent. L. III, init. Geſchichte d. Frage: Utrum Christus venisset, si Adam non peccasset? 433 fentlihen Beftanbtheil des höchften Weltgutes bilde, oder ob blos ein zufälliger Grund für ihre Wirklichfeit zu feßen fei, nemlich die Sünde, etwas genauer im Zuſammenhang zu betrachten. Die ältere Kirche gieng auf diefe Trage noch wenig ein. Es genügte ihr meift, die Menfchwerdung Chrifti in der Notb- wendigkeit der Erlöfung begründet zu fehen, womit freilich das Inadäquate gegeben wäre, daß Chriſtus das höchfte aller Ver⸗ nunftweſen, in welchem die Menfchheit auf Gottes Thron erböht ift, nur ale Mittel für bie andern gedacht und begründet wäre, während alle andern Weſen die Würde haben, Selbſtzwecke und Zwede für ihn zu fein. Auf Ehrifti Perfon für fi wiirde da fein Gewicht gelegt werden fünnen, fondern nur auf fein Werk und Berbienft, auf diefes unperfönliche Neutrum. Die folgerechte Aus: bildung dieſer Anfıcht läßt in Chriftus nur eine Offenbarungs⸗ that Gottes, eine Thenphanie erbliden, für welche mit Ueber windung der Sünde ber Grund der Fortdauer aufhört, und das drängt umwiderftehlich zum Nihilianismus bin. Zwar Gott und feine Berherrlihung fann da Selbftzwed bleiben, und Gott ift auch in Chriſtus. Aber in Chriſtus ift dann nur Gott biefer Zweck, die Menfchheit Chrifti ift für den Logos aonexos' nur Mittel, wie für ung, fie felbft hat nicht Antbeil daran, mit dem Logos auch Zwei, ja Ein Selbſtzweck und ein in fich abfolut werth- volles Gut zu fein. Doc dieſes ift nur ein anderer Ausprud für die herrſchende Auffaffung, daß bie Menfchheit Chrifti un⸗ perfönlich, ein Ding oder eine Sache fei, womit freilich die eben: jo berrfchende Anbetung des ganzen Chriſtus contraftirt, in ber die Frömmigkeit, aber nicht die Theorie ein Correftiv hat. Und um fo mehr mußte dieſer Dofetismus bleiben, wenn Die Er: löfung, deren Nothwenbdigfeit die Erfcheinung des Mittlere mo: tiviren follte, nur als göttliche Lehre oder Macterweifung (nur ale Werk des prophetifchen und Eöniglichen Amtes) gedacht war. Denn für die Mittheilung der wahren Lehre ift Das Organ gleichgültig und zufällig; die Perfönlichfeit des Organs kommt dabei kaum in Betracht, und ebenfo wenig fordert bie erlö⸗ fende Machtbeweifung Gottes (gegen ben Teufel oder den Tod) Dorner, Chriſtologie. IL 2te Aufl. 28 434 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt II. Kap. 2. eine menfchliche Perfönlichfeit. Sie erfordert faum ein menfchen- ähnliches Organ. Erft, wenn der Erlöfungsprozeß ale ein fitt- licher gedacht ift, erhält Die menschliche Perfönlichfeit, fei es auch zunächft nur als Mittel, eine Bedeutung. Im fittlihen Gebiete aber fegt oder behauptet fich die fi zum Mittel machende Tiebende Perſönlichkeit ebendamit auch als Zweck, da ift Mittel und Zweck nicht mehr zertrennt. Einen großen Schritt hiezu thut Anſelms Cur Deus homo ? wo zwar nicht Shrifti Thun, aber fein Leiden als werthvolles fittliches Eigenthum und Gut ber Menfchheit, von verfühnenber. Kraft gedacht iſt. Aber fo willig bie folgende Scho- laftif die Nothwendigfeit der Erlöfung anerkannte, fo beftimmt gieng fie dazu fort, daß die Erlöfung durch Chriſtus gefchehe, fei nicht nothwendig geweſen. Gott hätte auch ohne Chriftug bie Sünde vergeben fünnen ; in feiner Freiheit ruhe die ewige Mög: Ischfeit der Vergebung auch ohne eine Mittlerfchaft. Und fo fteht Eprifti Erſcheinung im legten Grund als zufällig, faft entbehrlich, wenn gleich angemeffen (congrua) ba, was im offenbarften Wi⸗ derſpruch mit dem chriſtlichen Bewußtfein ift. Ueber: diefe nihilianiftifche Richtung find nun freilich Diejeni⸗ gen hinaus, die Chriſtus nur als die abfolut fittliche Perfön- lichfeit und faft nur als Selbſtzweck faflen, wie alle ebjonifiren- den Parteien, vornemlih auch Pelagius und in fpätern Zeiten die Speinianer. Das Beifpiel Chrifti, auf das fie dag Hanptgewicht Tegen, ſetzt eine wahre menfchliche Perfünlichkeit voraus, die als ſolche auch Selbſtzweck if. Sie können daher nicht zugeben, daß Chriſtus nur um der Sünde willen erfchienen ſei und nicht in ſich felbft feine Bedeutung habe. Im Gegen: tbeil war ihr Deismus geneigt, zu lehren, daß Chriftus ber Menfch fei, der durch eigene Tugend fi feine hohe Bedeutung gegeben und gezeigt habe, was ein Menich Teiften könne (mur Lactantius hatte mit der fittlichen bie religiöfe Auffaffung verbunden, und Chriftum als Gottes ethifche Offenbarung, lex viva gedacht). Aber fo baben wir eine Perfönlichfeit, die Zweck, aber nicht auch Mittel ift; das Werk fchwindet zum Minimum zufammen und iſt für bie Perfon faft fo zufällig, wie in der berrichenden Lehre Die gottmenfchliche Perfon für das Werf. Iſt Utrum Christus venisset, si Adam non peccasset? 435 bier die menſchliche Seite verkürzt, fo dort die göttliche und das Sittliche felbft ift ungenügend gedacht. Aber frühe regt ſich auch bei den tieffinnigeren Kirchenvätern eine Richtung, welche Chri⸗ ſtum nicht blos als Mittel, fondern auch als Selbſtzweck faffen und namentlich in dem erhöheten Herrn bas höchſte Gut der Menfchheit, dag Centrum des Weltgutes erfennen will. Dahin gehörte vor Allen ſchon Irenäus. #) Wer in der Menfchwerbung zugleich die Vollendung der Menfhheit, und nit blos der Offenbarung, mer mit Chriſtus ein Größeres gewonnen ald in Adam verloren ſah, der hatte die Nothwendigfeit der Menfchwerbung Gottes ſchon nach der ewigen Weltivee den Prämiſſen nach anerfannt. So auffer IJrenäus aub Tertullian und Athanaſius (f. o Band I, 579. 834 F.). Auch Theodor von Mopsveſtia obwohl in der Lehre vom Amte und Werfe Chrifti dem Pelagius nicht unähnlich (ſofern nach beiden Chriſtus Beifpiel ift und Bringer der Unfterblichfeit, Erlöfer vom Tod wenn gleich nicht von der Sünde) geht doch zu dem fpefulativen Sat fort, daß die Weltvollkommenheit beffen nicht entbehren durfte, ber als das fosmifhe Ebenbild Gottes in ſich, dem Urbilde, alle Gegenfäße der Welt einig. Während es alfo bei des Pelagius Be hauptung daß auch ohne Sünde Ehrifti Perfon wäre, in ber Hauptfache auf eine Verringerung der Würde Chriſti und feiner Zufammengehörigfeit mit der von ihm atomiftifch gedachten Idee der Menſchheit hinausläuft, fo fehreitet von ähnlichem Ausgangs: punkte aus Theodor ſchon dazu fort, in Chrifti Perfon ben Schmuck und die Zierde der Welt zu ſehen, in der ihre Idee 20) III, 18. 7. v, 16. 2. Die Stelle. cap. XIV, 1: si non haberet caro salvari, nequaguam verbum Dei caro factum esset, widerſpricht dem nur fheinbar, denn die erfien Worte können bedeuten „wenn die Menschheit nicht die Möglichkeit der Herſtellung zu ihrem Urbilde gehabt hätte, fo hätte fie auch nicht die Fähigkeit vom Logos ans genommen zu werben.“ Geſetzt aber, fie wären von ber Nothwen⸗ digkeit der salvatio und nicht ihrer Möglichkeit zu verſtehen, ſo fann Irenäus das Wort ownlew, das er gebraucht haben wird, auch von der Bewahrung und Vollendung ber in Adam noch unbefeſtigten Menſchheit verſtanden haben. 28 * 436 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt UL Kap. 2. gipfelt und zieht um dieſe Einzigfeit feiner Perfon zu begründen, wenn auch nicht befriedigend, die That Gottes herbei. Ganz ähnlich wie vom entgegengefesten Ausgangspunft, der Vollen⸗ "dung ber Offenbarungsthat ber, die genannten Väter dabei an- langten, baß der Inhalt diefer Offenbarungsthat zugleich bie Segung bes vollfommenen Menſchen, des wahren Urmenſchen fei, auf welchen fchon bei Adams Schöpfung bas Abfehen ge: richtet war. " Aber Pelagius und Theodor dachten Chriftum als Gut und Selbftzwed in fih auf Koften feiner Mittlerſchaft, ähnlich wie ed auch eine von ber Erlöfung losgeriſſene Trinitätslehre bei den Neuplatonifern gab; fie vermandelten ihre Chriftologie fogar zu einer Stüge für Theorieen der Selbfterlöfung. Aehn- liches Fehrte in der ſkotiſtiſchen Schule um fo mehr wieder, als wie gefagt, die Scholaftif meift die Nothwendigkeit der Er: fheinung Chrifti um der Sünde willen durch bie Lehre aufhob, bag Gott auch ohne Chrifti Mittlerfchaft hätte die Sünde ver- geben können. Lehrte man das ewige Verfühntfein Gottes mit ber Sünde oder des Menfchen Selbfterlöfung, fo war es nicht möglich, Chriſtus allein die Bebeutung als Selbſtzweckes zu ver fagen, jo mußte im Gegentheil feine Erfcheinung in etwas Ans berem als ber Sünde begründet gedacht werben. Daher fonnten bie Sfotiften fagen: Shriftus fei nicht bios um eines Andern willen bonum occasionatum, ſondern liebenswürbig in fich ſelbſt. Ein ganz anderes Motiv hatte jene alten Väter geleitet. Sie ſuchten vielmehr die Nothwendigkeit der Erſcheinung Chriſti um der Sünde willen mit der Nothwendigkeit um der Vollen⸗ dung der Welt willen zuſammenzufaſſen. So beſonders auch Gregor d. Gr. von welchem die oben bei Richard v. St. Vict. (S. 395) angeführte Stelle ftammen fol. Auguſtin ſagt zwar auch): si homo non peccasset, filius Dei non esset incar- natus (de Trin. XIII, 10) ja aud die Nothmwendigfeit von Chriſti Erfcheinung der Sünde wegen reducirt er bereits auf bie Zmedmäßigfeit und Angemefjenheit. Aber wenn ihm Chriftus nicht abjolut nothmendiges Mittel für die Erlöfung war, fo ift er ibm boch Mittel der Vollendung und um biefer willen noth⸗ Geſchichte d. Frage: Utrum Christus venisset, si Adam non peccasset? 437 wendig, wie er ihn denn auch mit ber Menſchheit wefentlich sufammenfchließt. *%) Während ferner im Mittelalter Peter Abälard, Aler. v. Hales, Albert d. Gr. °9%) die Nothwendigkeit ber Erfcheinung Chriſti um ber Sünde willen zweifelhaft Tiefen und fich mit der Angemeffenheit begnügten, die Nothwendigkeit derfelben aber auch abgefehen von der Sünde befto beftimmter behaupteten, verband, wie wir faben Ruprecht von Deuß beides fo, daß er_in bie ewige Vorherbeſtimmung der Erfcheinung Chrifti auch die Sünde als dienendes Mittel für bie Liebesoffenbarung Gottes im gött⸗ lichen Rathſchluß mit eingefchloffen dachte, wenigſtens fo, daß im erften Adam bie zureichende Kraft noch nicht habe gegeben fein dürfen, damit für die höchſte Liebesnffenbarung Gottes Raum bleibe, welche erft der Sünde gegenüber möglich if. Die Perſon Chriſti iſt ihm das abfolute Weltziel, dem alles Andere auch die Sünde dienen muß. Das bat Aehnlichfeit mit ber Lehre fpäterer Calviniften, ‚welche wenn fie gleich fupralapfarifch dachten, doch deßhalb nicht die Nothwendigkeit des Gottmenfchen nur um der Sünde willen festen, .(wie die meiften Calviniſten thaten), fondern ebenfogut auch umgekehrt die Sünde um Chrifti willen in den göttlichen Rathſchluß aufgenommen ober doch bei- des zugleich und in gegenfeitig bedingender Weife gewollt dachten, #9 August. de peceato mortali c. 26. 27. Freilich behält ihm die Menſch⸗ heit, da fie nur zur Ausfüllung der Lüde in der Engelwelt durch den Fall eines Theils gefchaffen ward, eine zufällige Stellung in leßter Beziehung. Vgl. Ambrosius de Incarn. Domini IV, 6. Gre- gorii M. Moralia II ,-11. Joh. Damasc. de fide orth. III, 18. so) Bol. Duenftedt Syst. Theol. P. II, S. 110. Albertus Magnus fagt Sentent. L. II, Dist. 20. Art. 4. nachdem er die Gründe für und wider ausführlich erwogen, wahrfcheinlicher fei, daß au ohne Sünde Chriſtuß gelommen wäre. Didacus Stella Enar- rat. in Luc. T. H. 1593 zu Luc. 15. ©. 131: Haupturfache ber Menſchwerdung ſei die Erlöfung geweſen. Nisi Adam peccasset, quanguam Christus ad extollendam humanitstem illamque praemio praedestinationis asternae beandam nihilominus erat venturus, et ut operibus nostris vigorem daret, tamen in carne passibili non de- scenderet etc. — A38 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abfcpnitt II. Kap. 2. keins ohne das Andere und jedes von beiden für dag Andere. So geht ihnen Chrifti Bedeutung nicht darin auf, Erlöfer zu fein, obwohl dieß der nächfte Zweck feines Kommens war, fon: bern auch nach vollendetem Erlöfungswert behält Chriſtus für bie Welt der Erwählten, feinen Leib, eine wefentliche Stelle, 5°) Dagegen Richard v. St. Viktor betrachtet die Sünde nicht als nothwendig, fondern als zufällig, die Erſcheinung Chrifti aber um ber zufälligen Sünde willen als nothwendig, noch mehr aber, unabhängig von der Sünde deßhalb, weil er in Chriſtus bie abfolute Harmonie der Welt, die vollfommene ewige Weltivee dermaaßen verwirklicht fieht, daß auch der Wunfch feine Stelle mehr hat, ed möchte Die Sünde nie eingetreten fein, indem vielmehr auch fie dem innigen und feligen Zufammenhange Chrifti mit ung ift dienfibar geworben. Chriftus ift Das Haupt der Menfchheit, und fo wenig, fügt befonders Ruprecht hinzu, nur um ber Sünde willen möglich oder nothwendig, daß vielmehr die Verſöh⸗ nung der Menfchen durch ihn nur möglich war, weil bie menſch⸗ liche Natur die er annahm, von Anfang auf ihn gefchaffen war. Das hat sec. 15 befonders Johann Weſſel vertreten. °?) Auch wenn Adam nicht gejündigt hätte, wäre nach ihm der Sohn Gottes erfchienen. °°) Gott mußte Menſch werben, damit s Vgl. Quenſtedt Systems Theol. Pars III, Cap. III, Membr. I, Q. 1. ©. 108. So fagt Bacanus Instit. Theol. Art. X, Q. 3: Gefept der Menſch wäre in der urfprünglichen Gerechtigkeit geblieben, fo hätte er doch dieſes Mittlers bedurft non ut reconciliaretur Deo et sanaretur a peccato — sed per quem retineretur in gratia Dei et praeservaretur a peccato. Aehnlich nach Quenſtedt 1. c. Zanchius in Hexaömer. Pars III, L. 3. c. 2. Polanus Syntagma L. VI, cap. 27. Calvin ſelbſt Instit. L. II, XII, 4 vertritt die gewöhnliche Anfiht nur fo, daß fupralapfarifhe Säge die Nothwendigkeit dee Gottmenfhen fehärfen, nemlich um der Sünde willen. 82) De caus. incarnationis L. II, vgl. Ullmann, Johann Weflel 1834 ©. 254. Dan berief fih befonders auf Eol. I, 18. Rom. VII, 29. Hebr. II, 10. Genef. I, 26. Proverb. 8, 22. 53) Ueber die veutfchen Reformatoren wird fpäter zu reden fein. Bon Melanchthon werde hier nur angeführt Opp. T. IV, 1564 ed. Wittenb. ©. 838 ff. II, 318. 319. 232. 242. I, 149. 160. Er fordert, Geſchichte d. Frage: Utrum Christus venisset, si Adam non pecpadset? 439 der heilige und ehrwürdige Körper nemlich die ganze Gemeine ber triumphirenden Seligen nicht verflümmelt wäre, fondern ſich ihred gefegmäßigen Hauptes erfreute, d. h. Tempel des Ed: feines würde, auf ben beide Mauern, Menſchen und Engel ſich vereinigt fer gründeten. Um biefelbe Zeit ftellt das Werf Roberti Caracoli de Licio de laudibus Sanctorum (Sermo Ill.) Venet. 1489, eines Francisfaners, die Gründe für die Anficht bag Gott auch ohne die Sünde Menſch geworden wäre, zus fammen. Ste find bergenommen aus ber Idee des Univerfums, aus der Würde des Menichen, feiner Seligfeit und mefentlichen Beftimmung für Gott; aus ber dee Gottes, namentlich feiner man fol auch die Schöpfung im Xichte der höchften Offenbarung, der Menfchwerbung betrachten. Denn Gottes Abficht fei, von ber Belt erfannt und geliebt zu werben, biefe Erfenntniß bringe volls . fommen erft die Denfchwervung Gottes. Gott habe aus Liebe geichaffen, um fih der Welt mitzutheilen: dieſe Selbfimittheilung” vollziehe fi in der Menſchwerdung volllommen. Die Endur: fahe der Shöpfung (causa Analis creationis) fet, fo fagt er zu Coloſſ. I, 16 ff. niht der Sohn Gotted, fondern der Gottmenſch, quia hasc copulatio divinae et humanae naturae est summum opus Dei et in hac copulatione conspicitur multiplex sapientia Dei et immensus amor erga genus humanum. Beſonders gerne hebt er hervor, Zweck feiner Sendung fei die Vereinigung der Geifter zur Kirche, daran er das Haupt fei efficaciä, perfectione, ordine et merito. Solche Stellen bei den Reformatoren find um fo beach⸗ ienswertber, da Ihr Blick fo Überwiegend auf die Lehren von ber Sünde und der Erlöfung gerichtet war, daß ihr Schweigen nod fange fein Zeugniß wider jenen Satz wäre Wer ferner bei ven Reformatoren eine Betonung diefes Punktes etwa nach Art Andr. Dfianders (der eine überwiegend Iutherifche Natur iſt) und Schwenl: felds vermiffen möchte, der wolle noch theils die abfolute Präde⸗ flinationslehre die Anfangs Allen gemeinfam war theils die ve format. Lehre von der unbeningten RNothwendigkeit Chriſti und feines Werkes für die Berföhnung erwägen. Durch beides war ihnen bereits Chriſti Kommen über die bloße Zufälligfeit hinaus: gerüdt. Daß Chriſtus aber auch nach Ueberwindung ber Sünde noch eine wefentliche innere Stellung zur Menfchheit als Haupt - feines Leibes habe, iſt ihnen auch nicht zweifelhaft, und das tft ber Kern unferer Frage. A440 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt TIL Kap. 2. Macht, Weisheit, Liebe; endlich aus der Würde und inneren Bortrefflichfeit der Perfon Chrifti. Die Menſchwerdung Gottes bient nemlich erftens zur Vollendung des Menfchen und mittel- bar des Univerfums, weil fie dem Menfchengefchlecht feine Com- pletio gibt ſowohl in Beziehung auf feine Natur als auf die Gnade und Herrlichfeit; das Erfte, weil zur VBollftändigfeit der Welt auch eine Entftehungsweife des Menfchen wie bie Chrifti gehörte; alles wirklich Mögliche muß wirklich werden; das Zweite, weil der Stand der Gnade verlangt, daß bie Kirche ihr Haupt babe, fei nun Sünde da ober nicht; ferner weil bie volle Be⸗ feligung jedenfalls erſt Durch die Menfchwerdung möglich wäre, gefeßt es wäre feine Sünde. Denn nur fo findet der Menfch feine Waide von außen und innen. Die anfängliche Difpofition der menſchlichen Natur, ihre capacitas, bie fie vor den Engeln voraus bat, daß Gott fich perſönlich mit ihr vereinige, bliebe ‚ohne die Menfchwerbung vergeblih. Aber Feine Gabe kann ihr umfonft gegeben fein. — Sodann was Gott anlangt, fo offenbarte er in der Dienfchwerbung feine Macht, Weisheit, Güte. Diefe Offenbarung gehört zum Begriff Gottes, mochte der Menſch fallen oder feftftehen. Die Menſchwerdung erhöht die menfdh- liche Natur (über die abamitifche); wenn nun biefe Erhöhung nicht fehon zum voraus beftimmt war, fo ſcheint es, hat ber Menſch aus feiner Sünde einen Segen gewonnen, was von Gott aus ungerecht wäre. Drittens von ber Perfon Chriſti aus: Es ift eben fo ſchwer, das unendliche Gut fi zu verdienen und zu erwerben, als genug zu thun für eine Beleidigung deſſen, ber das unendliche Gut if. Konnte der Menſch Letzteres nicht, jo fonnte er auch nicht Jenes. So war es. alfo ebenfo ange: meſſen, wenn ber Menſch gut blieb, daß Chriftus erfchien, da⸗ mit durch ihn Das unendliche Gut verbient würde, als es ange⸗ meffen war, daß er zur Genugthuung erfchien, wenn Sünde war. — Es werde noch als letzter Grund erwähnt, die Würde der menſchlichen Seele Chrifti. Iſt die Menfchwerdung princi- paliter um ber DVerföhnung vwoillen geichehen, fo ift die Seele Chriſti nicht als Selbftzwed gewollt, ſondern nur gleichjam ge⸗ legentlich (zulegt unter Allen, als Mittel für ihre Errettung); daß = Geſchichte d. Frage: Utrum Christus venisset, si Adam non peccasset ? 441 aber die edelſte ber Kreaturen nur occasionaliter geworben fein folle, ift unangemeffen. >% Die meiften Thomiften, wie auch ſchon Bonaventura traten biefer Anfıcht entgegen. 55) Aber Thomas felbft ift wie wir ſahen dem Gedanfen, daß die Menſchwerdung Gottes wefentlich zur Berwirflichung des ewigen Urbildes der Menfchheit gehörig jei nicht ferne. Es entfpricht der göttlichen Kraft, fagt er, daß fie ihre Werfe vollende, und fi in einer unendlichen Wirfung offenbare, was in einer bloßen Kreatur nicht möglich iſt. Diefe Forderung einer unendlichen Wirkung fiheint nun durch die Zn: carnation befriedigt; benn fie verbindet das unendlich weit Aus: einanberftehende. Auch dadurch feine das Univerſum gerabe in dieſem Werfe vollendet, weil die letzte Kreatur der Menſch barin mit dem Anfang, Gott, verbunden wird, Daraus feheine zu folgen, daß auch ohne Sünde die Menfchwerbung Gottes würbe flatigefunden haben. °%) Aber obwohl er Neigung zeigt diß zu bejahen 67) fo Hindert ihn Doc theil ber Mangel an =) Der Berf. felbft entfcheivet ſich nicht, weil darüber nichts geoffen- bart ſei. Aehnlich fagt fpäter Bellarmin de Christo L. V, c. 10: wenn Adam nicht gefallen wäre, fo wäre vielleicht Chriſtus nicht im Fleiſch erſchienen. So auch Gregor. de Valentia.. Petavius dagegen ſetzte die ſes „Vielleicht nicht“ fchon in ein „Gewiß nicht“ um; und ähnlich verführen vie meiften unferer alttirchlichen Dog: matifer, Bigand, Gerhard, Calov, Dorſcheus, Scherzer, Quenftedt; vgl. ven Reßteren 1.c. ©. 110 ff. 116. 55) Bornemlid nur Suarez (T. I, in tert. Part. Thomas disp. 5 sect. 2.) neigt fih zu D. Scotug, und fucht ven Thomas da⸗ mit zu vereinigen. Auch Bonaventura u. X. fielen ſich auf die Seite der Gegner. 5®, Summ. Pars III, Q. I, Art. III, ad omnipotententiam divinae na- turae pertinet, ut opera sua perflciat, et se manifestet per aliquem infinitum effectum : sed nulla pura creatura potest dici infinitus ef- fectus, cum sit finita per suam essentiam. 57, Mehr jedoch in dem Commentar zu Sent. III, Dist. I, Q. I, Art, U, als in der eben angeführten Stelle der Summa. In letzterer fagt er: alti contrarium asserunt quorum assertioni magis assentien- dum videtur, ficher fönne hierüber nur Gott entfcheiden. % 442 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfchnitt III. Kap. 2. Schriftzeugniffen, theils entgegengefeßte Stellen bei einigen Bätern, befonders Auguftinug; und er bleibt zulegt babei, es fei wahr⸗ fcheinlicher zu fagen, Chriſtus wäre nicht Menſch geworben, wenn feine Sünde gemefen wäre, was feine Schule mit wenig Aus- nahmen in birecte Verneinung umfegte. Drittes Rapitel. Nachdem bie Scholaftif in Thomas und Duns Scotug ihren Blüthepunft erfliegen hatte, ftellten fich alsbald vom 1Aten Jahrhundert an manchfache Zeichen ihres Verfalles ein, was fich ganz befonders in ber Ehriftologie zeigt, in welcher bie eigent- liche Scholaftit fo wenig fchöpferifchen Trieb von Anfang an bewies. Das Gefühl, daß ſtatt der bisherigen formaliſtiſchen Be⸗ handlung ein neuer Boden für die Chriſtologie zu gewinnen ſei, regt ſich am ſtärkſten und fruchtbarſten in der germaniſchen Myſtik, deren Blüthezeit in das 14te und zum Theil 15te Jahrhundert fällt, die wir aber ihrem inneren Zuſammenhange gemäß der Reformationsepoche unmittelbar vorausfchiden wollen. Hier verweilen wir nod) einen Augenblick bei der ferneren Ge⸗ ſchichte der Scholaftif felbft. ) Die Firchliche Phitofophie hatte in dem bis sec. 1A herr: fchenden Realismus das Firchliche Dogma zu befeftigen gedient. Zwar bie eigentliche Begründung deffelben follte nie in ber na⸗ türfichen Exfenntmiß liegen, fonbern nur in ber Theologie, d. h. in der göttlichen Autorität der Kirche, aber boch follte Die natürs " — y Bel. Baumgarten-Erufius Eomp. der Dogm. Gefchichte 1840. &. 269 ff. Baur 1. c. Bd. 2, 866 ff. H. Ritter Gefchichte der chriftlichen Philoſ. Bp. 4. Buch ZI. Nettberg, Occam und Luther u. f. w. Theol. Stud. und Krit. 1839. — 444 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt II. Kap. 3. liche Erfenntniß Gottes und der Welt ald eine Art von Schule für das Neid des Glaubens und der Theologie gelten, ein Widerfpruch zwifchen der natürlichen Erfenntniß und dem Glauben nit Statt finden, da beide auf einen und denfelben Gott zurüd: führen. Es ift auch früher gezeigt (S. 341 ff.), mie wichtig ber Gottesbegriff der fih aus dem Lichte der Natur ergab, für bie fcholaftiiche Behandlung der Dogmen murbe. Aber vom 1Aten Jahrhundert an löst fi dieſer Bund zwifchen der natürlichen und tbeologifchen Erfennmiß. ?) Das war bie nothwendige Folge davon, wie bei den Thomiften und Skotiften das Verhältniß von Natur und Gnade gedacht war, nemlich beiberfeitd in erelufiver Weife, fei es mehr in religidfer Tendenz wie bei den Thomiften, wo fih Präbeftinatianismus und eine Neigung zum Pantheismus anſchloß — fei es mehr in moralifcher, wie bei den Seotiften. Dort blieb folgerecht neben Gott nur eine Scheinwelt; bier wird bas abgefonderte felbftän- bige Sein des Individuums ober Subjefts behauptet. Die Auf: löſung jenes Bundes brachte eine Erneuerung des Nominalismus zu Wege, welcher wie jene Auflöſung felbft eine doppelte Geftalt annehmen fonnte, eine mehr thomiftifche oder eine mehr ffotiftifche. Der thomiftifhe Nominalismus verbanft feinen Ur: fprung der Erwägung, daß bie Glaubensſätze als ſchlechthin über Die Natur hinausliegend, herabgezogen würden wenn bem natürlichen Erfennen in Beziehung auf Allgemeinbegriffe und Gefege ber Natur objektive, alfo auch für bie Theologie gültige Wahrheit beigelegt werben follte. Vielmehr wird von biefer Seite zu Ehren ber Theologie und des Glaubens an der Brauchbarfeit der vom menfchlichen Erkenntnißvermögen zu bildenden Begriffe gezweifelt, benfelben bie objeftive Realität abgefprochen und nur eine fub- jeftive Bedeutung gelaffen. 9) Aber damit war auch für eine theologifche Erfenntniß der Boden weggezogen und es blieb nur 2), Ritter a. a. O. ©. 547 ff. 3) Sp von Durandus de S. Portiano (+ 1330) in feinem Comm. zu den Gentenzen des Lombarden. Bergl. Rittera. a. D. ©. 550-574. — DE Zerfall d. Schol. Der doppelte Nomin. Der thomiftifche. Durand. A445 ein Verhältniß des Willens zum Dogma übrig. Der Glaube, ber nicht durch Beweis entfliehen kann, ift die höchſte Tugend, ‚um fo verdienftficher, je fehwieriger er ift; auch Fein übernatür⸗ liches Licht darf die Wahrheit des Glaubens ums beftätigen, denn ba wäre wieder fein Verdienſt bei dem Glauben; dagegen barf man ebendaher auch nicht für unmöglich anfeben, daß der Glaube der Vernunft wiberfpreche, eben weil daburch der Glaube nur um fo fchwieriger und verbienftlicher wird. Das Göttliche dat feine ganz eigenen, unvergleichharen Gefete. Die göttliche Welt ift fo ſchlechthin in das Jenſeits gerüdt, fie hat feinen Zufammenhang mit dem geiftigen Erfennen im Dieffeits. Da es namentlich Feine Realität der Gattungsbegriffe gibt, fo ift Erfenntniß nur durch finnliche Anſchauung möglih. Eine ſolche gibt e8 nicht von gött⸗ fichen Dingen, alfo .gibt e8 feine Erfenntniß von göttlichen Dingen im Dieffeits. Bon Gottes innerem Wefen gibt eg keinerlei Wiffen, auch nicht durch den Glauben; denn Gott offenbart fein Wefen nicht in der Welt, da die Kreatur nicht von derſelben Art mit Gott if. Nur Beziehungen Gotted zu ung werben fir ben Glauben offenbar, diefe aber ruhen in feinem Willen, ber Feine weitere Urfache hinter fi) hat. Eine foldhe Sfepfis gegen das Erfenntnißgebiet und ſolche Geringfchägung ber Philofophie follte um jo mehr dem praftifchen Verhalten zur Empfehlung gereichen; alles aufferhalb des Reiches des Olaubens follte als werthlos erfcheinen und das Denfen wird nur dazu verwendet, feine eigene Ohnmacht für Alles Höhere zu beweifen. War früher mit ber negativen apophatifchen Theologie die fataphatifche verbunden worden, fo erhält jene fat wieder Das Uebergewicht; alle Wahr: heit ligt nur in dem fehlechthin übernatürlichen Gnadenreich, mit welchen es nur einen Zufammenhang des Gehorfams gibt, das nur emem Glauben ohne Erfennen, alfo einem blinden Glauben zugänglich ift, wie ihn objektiv heil. Schrift und Kirche "bezeugen. Sp ſchlägt diefe Form des Nominalismus zum DVerzagen an aller Wiſſenſchaft, auch der theologifchen aus; in der Meinung bie chriftliche Gnade zu erhöhen, wird fie dem Geifte entrüdt, wird ber Lichtfreis den fie verbreiten will gelöfcht, und es bleibt nur bie Dämmerung ber kirchlichen Auctorität übrig, in welcher 446 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt UL Kap. 8. es auch nicht einmal mehr ein klares Erkennen davon geben kann, was Das ſei, was der Glaube zu ergreifen hat. Die Theologie hat ſcheinbar über die Philoſophie geſiegt und den ſchlechthinigen Alleinbeſitz der geiſtigen Wahrheit ſich zugelegt; aber darüber iſt nicht blos dieſe ganze Welt entgöttert und zum bloßen Schatten geworben *), ſondern auch die Theologie ſelbſt hat ſich als Wiſſen⸗ ſchaft begraben. Nur die Poſitivität und Facticität behält Recht; es gibt kein aktives, ſondern nur ein paſſives Erkenntnißvermögen, und auch der Glaube hat nur darnach zu fragen, was die göttliche Allmacht gethan hat, aber weder kann er die Nothwendigkeit deſſelben beweiſen, noch auch nur, daß es angemeſſen war, wenn fie fo und nicht anders handelte. 5) Etwas fpäter aber um fo mächtiger entwickelte fich ber ſteptiſchhe Nom inalismus in der ffotiftifhen Schule. Der Anfagpunft dazu ligt im Syſtem des D. Scotus fihon be- fimmt genug vor; denn wenn bas Höchfte in Gott dag absolu- tum liberum arbitrium ift, jo gibt es fein ftrenges Wiffen von Nothwendigem aufler etwa dem Willen von Gottes fouveräner Wilffür: dieſes Wiſſen felbft fchließt vielmehr in ſich, daß Alles nur Wahrheit habe, fofern Gottes liberum arbitrium es fo ge: wollt; und fo ift alles Wiſſen theild nur hypothetiſch, theils im legten Grunde empiriih. Doch hatte D. Scotus felbft biefe Eonfequenzen abzuwenden und dem Menfchen, auch feinem Er- fennen eine wefentliche Beziehung zum Unenblichen zu bewahren %, Daffelbe ift das Nefultat bei den firengen thomiftifchen Präpeftis natianern, Thomas v. Bradwardin +1349 „De causa dei et veritate causarum.“ ferner Joh. de Mercuria u. A. Brgl. Baum: garten=Eruf. 1. c. ©. 267. 6, Doch unterfcheivet Durand beſonders ver Incarnation zu lieb zwifchen Gottes abfolutem und georpnetem Willen. Nach feiner abfolnten Macht hätte er auch eine unvernünftige Natur anneh⸗ men können, nach feiner georpneten Macht wäre das nicht paflend geweſen; denn es fomme hier auf ben Zweck ber Incarnation an; diefer fei die Heilung des Geſchöpfes, welche nur bei der menſch⸗ Iihen Natur nöthig und möglich war. In Sent. III, Dist. II, Q. L Bier wird er alfo ver Epriftofogie zu Tieb feinem Nomi⸗ nalismus untreu. Vgl. RitterLl c. ©. 578. Stotift. Nominalismus. Occam. 447 geſucht, was ſich mit ſeiner Betonung der Subjektivität und Frei⸗ beit wohl vereinigte. Aber fein Schüler Oecam (+ 1347) ftellte eine Korm des Nommalismus auf,- welche mit der völligen Scheidung der Philofophie und der Theologie theoretiſch, des Welt: lichen und des Geiftlichen praktiſch Ernft, machen wollte. Diefer flarfe Geift ift in feiner Vertheidigung der Rechte des Staates gegen die Hierarchie und in feiner ftrengen Ausweifung aller beweifenden Erkenntniß aus dem Gebiete des Glaubens von Einem Prineip geleitet, er will Frieden zwifchen den beiden Mächten, ber Weltweisheit und der Theologie, dem Staate und der Rirche ſchaffen durch fcharfe Trennung ihrer Gebiete. Der Kirche und ihrer Theologie gehört das Geiftliche ganz; es ift unbefugte Ein- mifhung, wenn die Vernunft fih auf die Dinge des Glaubens, ja überhaupt auf göttliche Dinge einläßt. Bon allem was fie bier fegt, kann ebenfowohl Das Gegentheil wahr fein 5). So ver: % Richt einmal am Sittengefeb macht feine Stkepfis Halt. Wenn Gott faktiſch geböte, ihm zu haffen, oder zu fiehlen, fo würde, was jeßt Sünde iſt, vervienftlich fein. In Sent. L. II, 19. ad dubium 3. 4. ed. Lugd. 1495. Aehnlich im Centilogium Concl. 5. Statt eine Erfenntniß der Nothwendigkeit oder Angemeffenheit der Menſchwerdung zuzugeben, flellt er in dem Centilogium theologicum Conclusio 6. 7. die Behauptung auf: Deus potest as- sumere omnem creaturam sive omne aliud a Deo in unitate suppo- siti. Zwar der Glaube Iehrt, er habe nur Eine Natur, die menſch⸗ liche angenommen; aber non includit contradictionem, Deum assu- mere naturam asininam — et pari ratione potest assumere lapidem et lignum ete. In der frivolften, gegen alle religiöfen Intereſſen abgeftumpfteften Weiſe wird dann unterfucht, welche Bedeutung, wenn Gott eine folche andere natura angenommen hätte, bie Communic. idiom. behielte und welcherlei Ausfagen fih ergäben. Es wird für und wider geftritten, zuleßt dabei beharrt, nad Gottes potentia absoluta haben die unfinnigften Ausfagen ihre Wahrheit, aber nach Gottes potentia ordinata, wie dieſe von der Kirche gelehrt werbe, habe das wieder feine Grenzen. Bie er hier die Communic. idd. auf Unvernünftiges, Leblofes hypothetifch ausdehnen will, fo, fährt er Centil. Concl. 18 fort, fönne in Wahr⸗ heit auch die Comm. idd. auf die einzelnen Theile Chriſti ange: wendet werben, eben fo gut als auf die menſchliche Natur über: haupt: es könne alfo gelagt werben: Chrifti Haupt ſei Chriſti . . 448 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abſchnitt II. Kap. 3. hält es ſich mit den Beweifen für Gottes Dafein, Einheit, Eigen- fhaften, gefchweige denn mit den Geheimlehren der Offenbarung. Wir find für dieſe Dinge ausfchließlih an den Glauben b. 6. bie Auctorität ber Kirche gewieſen, deren Säge nur logiſch ent- Fuß, Chriſti Auge fei Chriſti Hand. Sicut est haec (propositio) vera: Deus est homo ratione assumtionis naturae, sic haec est vera: Deus est caput ratione consimilis assumtionis. Et consimiliter pot- est probari, quod — Deus est pes. Tunc sic: iste Deus est pes Christi, iste Deus est caput Christi, ergo caput Christi est pes Christi. Nachdem er auch hierüber wieder ausführlich das Für und Wider abgehandelt, und fich für die Wahrheit ſolcher Sätze entfchieben, fagt er, daß zwar Einige die Comm. idiom. nicht in Beziehung auf die assumtio folcher einzelnen Theile wollen eintreten Taflen, aber wahrfcheinlicher fei doch fie zu ftatuiren. Jever möge wählen, was ihm beffer gefalle. Andere Sätze, die er beweist, find: Concl. 19. natura humana assumta est rationale animal, non homo: ex aggrega- tione s. assumtione humanae naturae in unitate suppositi divini ani- malia tria resultant. — 20. Unum et idem corpus numero est in uno loco (i. e. cuelo) extensive et in alio loco (ij. e. in sacramento) non ex- tensive. — 22. Non est dare maximum locum, quem corpus Christi non posset implere. — 25. Corpus Christi potest esse ubique sicut Deus est ubique: denn coexistit totum corpus Christi cuilibet parti hostiae par- vae cunsecratae. — Unde si esset aliqua magna hostia replens totum mundum, aeque faciliter posset totum corpus Ohristi cnöxistere cui- libet parti hostiae consecratae. (cf. Quotlib. IV, XI—AXXIX) — 85. Aliquis homo fuit ab aeterno cujus humanitas incepit esse. — 36. Aliquid totum fuit ab aeterno, cujus quaelibet pars incepit esse. — 37. Aliquid totum in aliquo instanti fuit, in quo nulla ejus pars fuit. — 38. Homo Christus fuit aliquid quando nihil fult homo Christus. Ferner mit Beziehung auf den Dpophyſitismus und feine Folgen Concl. 40. Deus habet duas voluntates et duos intel- lectus et duas scientias. — 41. Deus vult aliquid quod Deus non vult. Deus intelligit aliquid quod Deus non intelligit; Deus seit aliquid quod Deus non seit. Die Beweife für diefe Säge will er aber nicht als wiffenfchaftliche Beweife für ihre Wahrheit auf fielen, fondern nur dafür, daß fie aus der Kirchenlehre ſich mit Nothwendigfeit ergeben, folglich gelten müflen. Sein Berfahren ift rein formal Logifh. Indem er aber alles religiöfen Interefle’s daran baar, feiner Logik fo die Zügel fchießen läßt, ift es zweifel- haft, ob es ihm nur um pilfante und brillante Handhabung bieler Logik, oder um Herausfehrung von Widerfprüchen in der Kirchen⸗ Auflöfung d. a. Epriftol. in Stepfis. Occams Chriſtol. u. Skepticiſ. 449 wickelt aber nicht begründet werben koͤnnen. Anbererfeitd aber muß auch bie Kirche die Geringfchägung der weltlichen Kräfte, Güter, Wiſſenſchaften in Vergleich mit ihrem geiftlichen Reichthum folgerichtig dadurch beweifen, daß fie ſich um bie endlichen Dinge und befonders den Staat nicht kümmert. Indem er ferner, wie es feheint, nicht ohne Schalfheit, aus dem firchlichen Dogma ges fliffentlich logiſche Folgerungen ableitet, welche ing Abfurbe über: gehen, und fih in baare Widerfprüche verlaufen, fo fehließt er auch die Theologie und Kirche von aller Wilfenfchaft ab, ftellt ihr Reich ale ein folhes hin, wobei e8 auf gar nichts Anderes als Glauben anfomme, bem ber Widerfpruch feine Sfrupel, fondern eher das frohe Gefühl der Erhabenheit feines Reiches über alles menſchliche und vernlinftige Denfen erweden ſoll. Allerdings aber richtet fich ihm der Zweifel an der wiſſenſchaftlichen Erfennbarfeit der Dinge nicht blos auf Das Gebiet des Gött⸗ lehre zu thun if. Sicherlich aber will er damit jede Einbilpung von Wiſſen auch auf dem Gebiete des Glaubens zerfiören. Er vertheidigt zwar in Sent. L. IT,Q. 1. einige der kirchlichen Haupt⸗ beflimmungen über vie Ehriftologie gegen gewiſſe Angriffe, ſchickt aber voraus, daß er fie nicht beweifen wolle. Hier braucht ex für bie Unio das Bild der forma und materia, welche ohne aufzuhören was fie find, fih einigen können; jedoch werde Die menfchliche und göttliche Natur nicht per se unum, wie Form und Materie fonvern bier fei das Bild von Subflanz und Accidens noch bei- zuzieben, welche nur unum per accidens find. Die menfchliche Ratur bleibe auch in der Unio unperfönlich (ad 18um dubium). Die meiften der hergebrachten Fragen läßt er unerörtert, füllt aber in der kurzen chriftolog. Abhandlung die Hälfte mit dem Beweis aus, daß zwar einer der drei göttlichen Perfonen etwas zulommen kann, was der andern nicht, Daß namentlich das Konftitu: tive für Die Perſon des Sohnes Das tragende Princip Cprifti fein Fönne, wie das feine Perſönlichkeit Abſchlieſſende, weit nicht des Sohnes Natur (essentia et proprietates) ſondern nur feine Perſon ſich unire und die menfchliche Ratur perfonire, aber ben- noch wäre es auch möglich, daß die drei göttlichen Perfonen biefe menfchliche Natur annähmen, weil fie nicht die göttliche Perſon als ihre eigene erhalte, fondern nur von ihr fuftentirt ı Werde. Dornez, Chrifſtologie. II. 2te Aufl. 29 450 Zweite Periode. Erfte Epoche. Abfchnitt IT. Kap. 3. lichen, fondern ebenfo auch gegen bie Philofophie felbft, fofern fie mehr fein will als Logik. Er läugnet nicht blos mit Durand daß das Saufalitätsgefeb ung eine Erkenntniß vom Wefen ber Urfache gebe, fondern Du rands Säge noch viel weiter führend, fagt er, es fei zwifchen dem Denfen (conceptus) und dem Sein ein vollfommener Gegenfag. Das Sein feien bie beſonderen einzelnen Dinge außerhalb der Seele, fie allein feien Subftanzen ; auf fie babe ſich die scientia realis zu richten, denn Univer- salia gebe es nicht, fondern nur Kinzelned. Aber während bie einzelnen Dinge Subftanzen feien, feien die Begriffe oder Ge: banken nur Aceidentien an ber Subftanz ber Seele; und bie Arcidentien brauchen Feine Achnlichfeit zu haben mit der Sub: ftanz der Seele, noch weniger mit ben Subflanzen außerhalb ber Seele. Höchftens find die Gedanken Zeichen ber äußeren Dinge, nemlich für die Seele felbft, Die Worte aber als Bezeich⸗ nungen ber Gebanfen find vollends nur Zeichen ber Zeichen. Unfere Allgemeinbegriffe aber find nur Abftraftionen von jenen Gedanken, die Zeichen von einzelnen Dingen find — db. 5. ab» ftrahirt aus einzelnen Borftellungen ; dieſe Abftraftionen aber find fictiones, Gedanken ohne Realität, wenn nicht gar nur un: beftimmte chaotiſche Borftellungen von Einzelnem. Die reale Wiffenfchaft die er forbert, ift daher doch nicht ein Willen von ben Dingen felbft, fondern was ihm übrig bleibt, ift nur ein Rechnen mit den in der Seele fi natürlich und leidentlich nicht willkürlich bildenden Allgemeinbegriffen, das Sineinsfegen und Berfnüpfen derfelben als einer befonderen Welt für ſich. So wird ihm die Wiffenfchaft nur Wahrnehmung und Zufammen- ftellung oder Unterſcheidung innerer Vorgänge und bie Wahrheit ber Urtbeile ift wenigſtens eine fubjeftive und in dieſem Gebiet gültige. Auch auf das Meberfinnliche wird Das angewendet. Das Wiffen von ihm ift vielmehr ein Wiffen von unfern inneren Zuftänden, Erfahrungen. Diefem Wiffen fommt Evidenz burch fich felbft zu und es feßt nicht erft Anderes voraus, woraus es erfannt wird: umgefehrt zur evidenten Erfenntniß alles Anbern gehört eine folhe evidente oder (wie er auch fagt) intuitive Er- fenntniß des Intelligibeln. Diefes Wiffen ber inneren Erfahr- Occams Bedeutung. Hebergang von f. Nominal. 3. myft. Subject. A51 ung (oder innern Anfchauung) ift daher allen Zweifeln ber Akademiker gewachfen und bildet das zuverläßigfte Wiffen, wie [don Auguftinug (de Trin. XV, 1) andeute. ) In dieſen letzteren Zügen tritt das Charafteriftifche bes ffotiftifchen Nominalismus hervor. Während ber thomiflifche in Zurücdwenbung zu der negativen Theologie des Pſeudoareopagiten nur bei ber felbftlofen Hingabe des Subjektes an ben Firchlichen Glauben anlangt, fo regt ſich in dem erfteren mächtig das Bes wußtfein der Realität der Welt gegenüber von dem geiftlichen Reich, °) ja bie zulegt angeführten Säte zeigen das Streben einer Fräftigen Subjektivität, aus ben inneren paſſiv gedachten Erfahrungen finnlicher und intelligibeler Art eine geiftige Welt zu erbauen, barin ber Geift als in dem Zuverläßigften zu Haufe ſei. Man darf nicht überfehen, wie hiemit Decam ber Myſtik, wie fie in feinem Jahrhundert blühte Durch bie innere Entwid- fung der Scholaftif felbft die Thüre erfchließt, freilich ohne ſelbſt in fie einzutreten, ja vielleicht ohne es felbft zu wiffen, daß er fchotaftifcher Seit damit einem myſtiſchen Nominalismus wie dem bes Gerfon (+ 1429) die volle Legitimation ſchuf. In Occam felhft war die weltliche Ader zu mächtig, um in Samm: lung und Stilfe auch nur philofophifch geſchweige denn religiös jene innere Welt auszubauen. Aber wenn er fagt, daß wir folhe Säge, wie: ich erfenne, ich weiß daß ich Iebe, ich weiß, daß ich will felig fein und nicht irren, nicht bezweifeln können, und fie für ficherer halten müſſen als die Wahrheiten, welche die äußeren Sinne beglaubigen, *) fo ligt das ſchon in der Linie beffen, was im folgenden Jahrhundert Nie. v. Cuſa und im 1Tten Cartefius weiter ausgebildet haben, wie auch felbit in dem oberften Sag bes Realiften Raimund v. Sabunde von der Selbfterfenntniß als der Grundkenntniß biefelbe Richtung zu verfpüren ift. 2) Bgl. hiezu überhaupt 9. Ritter. o. ©. 574-604. Decam in Sentent. Prol. Q. I, kk. 5) Auch die beginnenden Raturwiffenfchaften thaten mit dem erwach⸗ enden Selbfigefühl der Staaten und Nationen das Ihrige hiefür. 9% Ritter, l. c 597, 29 452 Zweite Periode. Erſte Epoche. Abſchnitt IT. Kap. 3. Das Ausgeführte zeigt hinreichend den Verfall der Scho: Iaftif feit dem 14ten Jahrhundert, ihr Ablaffen von dem Stre- ben nach foftematifcher Wiflenfchaft befonders auch nach zufammen=' hängender Darftellung der Chriftologie, an beren Stelle die Be⸗ banblung einzelner willfürlich aufgeworfener Fragen trat, für welche bie Bezeichnung Quotlibeta charafteriftifch ift. Andere Zeichen dieſes Verfall Tiegen in dem feit dem 15ten Jahrhundert immer mehr einreiflenden Eflefticismus aus Realismus und Nominalismug, wie aus der Myſtik, wozu bald noch die von Italien und Griechen: land ber neu erwachte Begeifterung für Platon, Ariftotelesg, (. o. ©. 304) Pythagoras, ja auch für die Kabbala fam. Der Geift der abendländiſchen Völker unbefriedigt von feinem Befig greift nach allen Seiten hin von wannen ihm bie ver: Iorene geiftige Sicherheit und Freudigfeit wieder zufließen könne. Die ganze Bergangenheit der geiftigen Welt verfammelt ſich wieder im Bewußtfein befonders ber beutfchen Menfchheit, um das große Werf möglich zu machen, das geboren werben follte. Aber der Lebenspunft der Reformation felbft verbanft feine Ent: ſtehung nicht dieſem Eklekticismus, nicht den zerfegenden Mächten, fondern er bat höheren Urfprung in einer neuen Ausgiegung bes Geiftes Gottes. Ihre nächfte pofitive Vorbereitung in ber Geſchichte hat fie einmal bei Jenen, welche von ber Scholaftif und Kirchenlehre hinweg zum Worte Gottes, zu ernfter praf: tiſcher Srömmigfeit und heiligem Wandel riefen (und dahin gehören Männer, wie Gerfon, Peter d'Ailly, Nicol. v. Clemenges + 1440, Johann Weffel + 1488, Hier⸗ onymus Savonarola + 1498), die ferner durch Erfenntniß ber Sünde auch bie hohe Beftimmung der Menfchheit durch die Gnade verſtehen lernten; fodann aber auch bei Denen, bie in ſtiller Einfehr in ſich felbft nichts Anderes als ein Leben fuchten, bas Gottes voll ſowohl die wahre Seligfeit und Heiligfeit als die wahre Weisheit iſt. Der Zufammenfchluß jener biblifch praf- tifehen und dieſer myſtiſchen Richtung iſt das fchöpferifehe Prinzip ber Reformation geworden. — — — — nn | Bweite Periode. Einleitung zur zweiten Epoche, Die germanifhe Myſtik. — — Ars ſchon die Scholaftik ihrem Verfall entgegengieng, und der chriſtliche Geiſt ſeiner kirchlichen Verkörperung faſt er⸗ lag, bereitete ſich unter der Decke des Alten im Stillen ein junges Leben vor in den verſchiedenen myſtiſchen Parteien, in denen ſich einer der Hauptſtröme fortbewegt, die wenn auch nicht ohne nothwendige Tange vorherige Läuterung in ber Re⸗ formation ausmünden. Der Zufammenhang der germanifchen Myſtik ſelbſt in ihrer Blüthezeit, die ing 14. Jahrhundert fällt, auch mit jenen negativen Geiftern wie Amalrich v. Bena sec. 13 und mit den manichäifchen Seften foll zwar nicht ge⸗ Täugnet werden, fo wenig als ber mit bem Pfeuboareopagiten und Erigena. Aber nicht bloß mar die polemifche Bitterfeit gegen bie Kirche bei (Amalrich, den Brüdern bes freien Geifles und den Manichäern) in der germanischen Myſtik dem Bewußtfein eines überfchwänglichen Gutes gewichen, das bie Kirche nicht geben, nicht nehmen kann, fondern es ligt dieſer Myſtik über: haupt weniger an dem Zuftand der forialen Berhältniffe. Während das Jahrhundert der großen Concilien, das ihr folgte, ſich un ermübet und vergeblich um bie Kirchenreform bemüht, ſteckt diefe Myſtik ſich das Ziel befcheibener zwar, er Ks leichter. Dorner, CEhriſtologie. II. 2te Aufl. 454 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. Es ligt ihr an ber Reform ber eigenen Seele, an ihrem ewigen Heil, unb wenn fie mır diß erreicht, fo ift fie felig was auch draußen der Lauf der Welt fei. Fehlt ihr aljo der Trieb der Kirchenreformation im Großen, fo fehlt ihr eben Damit auch der Stachel der Ungebuld gegen bie Kirche; fie Bat fich davon befreit in ber Kirche das höchſte Gut zu fehen. Das höchſte Gut ligt ihr an einem andern Ort, in bem Grunde ber Seele, und die kirchlichen Gebräuche oder Lebensgefege verwirft fie nicht, fegt fie aber friedlich — ähnlich wie die Profeten das Seremonialgefeg — zu bloßen Allegorieen oder Symbolen ber wahren Religion, des mpftifchen Proceffes herab, für welchen in dieſen Uebungen oder gleichfam hinter und über Ihnen noch Raum gelaffen ift.- Es ift der germaniſchen Myftif um bie wahre Perſön⸗ lich keit zu thun, um das ewige Gottesbild derfelben, feine Ver⸗ wirklichung und das Wiſſen davon. Da iſt nicht mehr blos der Genug und das Schauen Gottes, das Verſulen in ihm bie Hauptfache, wie in der romanischen Myſtik; folche füge Gefühle, bas Erfahren und Schmeden Gottes und feiner Erleuchtung find ihr gar nicht das Höchſte; fie warnt fogar vor ſolcher Ge- nußſucht als einer großen Gefahr, woburd das göttliche Leben mißbraucht werde, der Schlucht zu dienen, und das Werf Gottes an der Seele zu hindern. ) Sie zeigt alfo darin ſchon etbiichen Charakter. Nicht um das Berlorengehen in Gott und im Genuß Gottes, fondern um das wahre Leben ber wahren Perfönlichfeit ift es ihr zu thun. Sie ift nicht gepeinigt von ber Dual bes Widerſpruchs, eine nur enbliche Größe zu fein, während body Gott, nach dem das Verlangen’ der Seele fteht, eine ſchlecht⸗ bin unendliche iſt; fondern dieſer Myſtik hat fich ein Reich ber Unendlichfeit im Innern der Seele erfchloffen, und fein Sag ftebt ihr fo feit als der, daß bie menfchliche Seele für das Göttliche an fih vollfommen empfänglich if. Daher erfcheint es ihr vielmehr als ein Widerſpruch, wenn die Seele fi mit einem geringeren Gute ald Gott begnügt. ) Thauleri Sermones, ed. Int. Laur. Surtus. Col. 1808, &. 260, Die Mofit über die weſentl. Einheit Gottes u. bes Menfihen. 455 Bei diefem fo wichtigen Satze, der die ganze Baſis der romaniſchen Chriſtologie erſchüttert, bleiben wir zuerſt ſtehen. Meiſter Eckhart fagt: 9 Ich babe eine Kraft in meiner Seele, die Gottes allzumal empfänglich ift; ich bin deflen fo gewiß als ich lebe, daß mir fein Ding alfo nahe ift als Gott. Gott iſt mir näher als ich mir felbft bin. — Edhart d. J. 9): Der Stein hat von feiner Natur eine Neigimg zu ber Erbe, in das Niederfte ; wer ihm das nähme, der nähme ihm fein Wefen. Würde er 1000 Jahre in der Luft mit Zwarg gehalten, ihm bliebe doch feine Neigung. Alſo bat ber Menfch Neigung und Zug zu Gott; wiewohl er doch zu andern zufälligen Dingen . wird gezogen mit Zwang, fo bleibt ihm Doch das Neigen zu Gott. Und ganz ähnlich Tauler: ) Im Grunde ber Seele ift Gott allegeit. Er ift überall und immer; aber die Seele iſt die edelſte Creatur, weil fie ihn finden, erfennen und lieben fann. °) Aber wie des Menſchen Weſen ift, nicht ohne Gott leben zu können, fo ift es much nach Eckhart Gottes Wefen, nicht ohne die Sreatur fein zu können. Gott hat bie Seele ſo Fräftig- lich lieb, daß fo ihm Jemand diefe Liebe nehmen wollte, ber nähme ihm fein Sein und Leben. Sein Weſen hänget daran, Daß er mir nahe und gegenwärtig fei. 6) Denn Gott ift bie Liebe und die Liebe ift Gott. Der gütige Gott ift von folcher Liebe gegen den Menſchen getragen, daß er fich nicht anders Hält als bienge feine ganze Gotiheit an bes Menſchen Heil. Darum verwendet er ſich felbft ganz und gibt fi bin für den Menfchen ohne von ihm ein Anderes zu fordern als daß er ſich ganz in flelivertretender Liebe für Andere freiwillig Dahingebe 2) ogl. Taulers Predigten, ed. Sranffurt 1826, I. ©. 58 ff. Thauleri Sermones, ed. Laur. Sur. S. 18 ff. TZauler, 4. Weihnachts⸗ predigt: .Nihil tam occultum habet Deus quod animase reeipere im possibile sit. 3) Le. 99 bi Surius ©. 46 |. 4, Dominic. IV. post Epiphan. und Epiphan. Serm. IL d, Zanlere Pr. L ce. ©. 58. (von Edyart vd. Aelt.) 6) ebendbaf. und II. 66, 30 * 456 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. und das nicht fiir Gottes fondern fein eigen Wohl dem er fein willfommneres Opfer barbringen kann als feings eigenen Willens Berläugnung. Und Tauler fagt unter Berufung auf Meifter Eckhart: Das Wirken das Gott wirfet in einer ledigen Seele, bie er lauter und blos findet und abgefchieben, alſo daß er ſich in fie geiftlich gebären mag, das wäre Gott luſtlicher und trüge mehr von Gott in fih,_denn das Werk, in dem er alle Ereaturen aus Nichts gefchaffen hat.) Das faßt Tauler (oder Eck⸗ bart d. J.) fo zufammen: bie Liebe ift die edelſte Tugend; denn fie machet den Deenfchen zu Gott und Gott zum Men⸗ Then. ®) Dieſe weſentliche Einheit und Zuſammengehörigleit Gottes und bes Menfchen wird dann auch — und darin fehließen fie fih an die alten Myſtiker und Theologen an, — objektiv in ber ewigen göttlichen Idealwelt, wie fie im Sohne beſchloſſen ift, ja wie der Sohn nah Maximus und Anfelm fie felbft iſt, begründet.) So ligt das Weſen jedes Menfchen in Gott: nicht blos, wie Plato wollte, die menfchliche Gattung, fondern jede Perfönlichfeit ift ihrer dee, ihrem wahren Wefen nad) in Gott; ferner aber nicht in Gott als in einem ruhenden tobten Sein; benn ba hätte bie Perfönlichfeit gerade in ihrem wahren Leben und Sein feine Geſchichte, fondern ihr Werben wäre höchſtens das Erfennen ihres ewigen feten unbeweglichen Seins und befien Behauptung. Sondern — und barm fchreitet bie gers manifche Myftif entfchieven zu einem Iebendigeren Gottesbegriff und zu einer mehr ethiſchen Auffaftung bes Menfchen fort: wir müflen Gottes Söhne oder in Gott geboren werben, und Gott in uns. Beide geſchieht zugleich und feines ohne das Andere, dag wir in Gott und baß Gott in ung geboren wird. 7 ib. I 96, in“ 9) L 104. — So bei allen nahmhafteren Myſtikern, 3. B. Eccard. sen. de duodec. donis etc. Nr. 5. 7. bei Surius ©. 781-788. Ecoc. jan. ib. ©. 12. 9. Sufo v. Diepenbrod, B. IL o. 4. ©. 897. Ruys- broch ed. Arnold, 1701. Vom ver geiftlichen Hochzeit, 9. IU. c. 4. Spiegel des ewigen Heils m 8. Trotz der Weſenseinheit Rothw. eines Proceſſes, göttl. Geburt. 457 Gottes Geburt in uns ift unfere Geburt 2 unfere Geburt iſt Gottes Geburt. Zwar ift das göttliche Wort immer und überofl, denn Gott allein ift das Wefen der Welt, umb im fich ſelbſt ift fie Nichts. Sie hat fo wenig ein Sein für fih, dag Gott mit der Welt nicht mehr Sein iſt als ohne fie. Aber die Seele allein hat ben hohen Adel, daß Gott nicht blos in ihr ift, fondern daß auch das Wort in ihr kann und will geboren werden. Eher fünnte man Glanz vom Licht, Wärme vom Feuer fcheiden, als die Seele vom Sohn (ſ. Taul. Pr. III, 34 Ecc. sen. S. 235). — Im inner: fien Grund der Seele wohnet Gott immer, da ift er immer zu finden und umgefehrt die Seele neiget flets zu ihrem Ruhe⸗ ort.!%) So könnte man benfen, was es noch weiter bebürfe, und welche Bebeutung da noch das Werben und die neue Geburt haben könne? Die Mpftifer antworten nach Meifter Eckhart: „Wäre ich ein König und wüßte das felbft nicht, fo wäre ich fein König, aber hätte ich ein ganz Gedünken, daß ich ein König wäre und dächten das alle Menfchen mit mir und id; wüßte fürtvahr daß alle Menfchen das meinten unb glaubten, fo wär ich ein König, und fo wäre all der Reichthum des Könige mein. Alſo ift auch untere Seligfeit daran gelegen, daß man befenne und wifle das höchſte Gut das Gott felbft if. Nicht Davon ift der Menfch felig, daß Gott in ihm und ihm fo nahe ift, und daß er Gott hat, . fondern davon bag er Gott befenne wie nahe er ihm ift, und daß er Gott wiffend und lie— bend iſt.«“ 19 Es bedarf alfo erft eines Proceſſes auf unfrer Seite. Mit dem bloßen Sein Gottes in ung ifls noch nicht gethan. „Gott ft uns nahe, aber wir find ihm fern; Gott iſt von innen, wir von außen, Gott ift heimlich, wir find fremde. Gott ift allezeit bereit aber wir find fehr unbereit.“ 12) Diefen Proeceß ftellt M. Eckhart allerdings mehr als einen theoretifchen, mpftifch = ſpe⸗ o, Edharts Zeflament ©. 670 und S. 18. 285. bei Sur., fowie in Zaul. Pred. III, 34. Edhart jun. bei Sur. ©. 11; Tau: fer Dom.. IV. post Epiph. und Pasch. Serm. DI. ın 2, Adv. Serm, I. ©, 18, ed. $ranff. I, 68. 458 Zweite Periove. Zweite Epoche. Einleitung. enlativen bar. Nichts hindert Gottes Kommen in ums ald daß wir anhangen dem Raum und ber Zeit. „Zeit und Statt find Stüde, Gott aber iſt Eins. Darum, foll die Seele Gott er: fennen, ſo muß fie ihn erfennen über Zeit und Statt. Soll dh das höchſte Gut ober bie ewige Outheit erfennen, wahrlich, fo muß ich fie befennen, darin fie gut ift, in fich felbft, nicht darin bie Gutheit getheilt if. In Gott allein iR das ganze göttliche Wefen; in einem Menſchen ift wicht bie ganze Menſchheit, denn ein Menſch it nicht alle Menſchen; aber in Gott befennet bie Seele die ganze Menfchheit und alle Dinge in dem Höchften, denn fie befennt fie nach dem Wejen.“ is) Mit Zeit und Statt wird dabinten gelaffen, vergeflen, überflogen auch was in Raum und Zeit if; wir erfennen das Nichte der Welt, auch unfer eigen Nichte. „Soll die Seele Gott erfennen, fo muß fie auch ihrer felbft vergeffen und muß ſich felbft verlieren. Denn wie fie fich felbft erkennt und fieht, fo fieht und erfenmet fie Gott nicht.“ 19) Die mit dem Leib verbundene Seele lann nicht Gott fehen; wir müſſen in den Geift entrüdt werden über Zeit mb Raum. „Wenn bie. Seele der Zeit und ber Stätte ledig iR, fo fendet und gebiert der Vater feinen Sopn in ber Sede — Gottes Natur ift, daß er gebe, und fein Wefen ſchwebt daran, daß er und gebe, wenn wir demüthig find.“ 15) Doch bat auch ſchon bei Edhart biefer Proceß religiös: fittliche Elemente. Die Berläugnung der Welt ift auch als Ver⸗ laſſen der Weltliebe gemeint, und zwar in Kraft eines Humgers und Durfted der Seele nad) Gott felbft, dem lebendigen, nicht bios nach einer Gabe von ihm. „Denn was er ihre Anderes gäbe, beffen achtete fie nicht. Gott muß füch mir ſelbſt als eigen geben, wie er feiner ſelbſt ift, ober mir wird Nichte, noch ſchmeckt mir Nichte. Wer aber Gott allzumal empfangen will, der muß auch zumal fich felbft geben und (von ſich) ausgegangen fein; er 2), Edpart sen. ed. Frankf. I, 61. ı3, Ebendaſ. 19 Ebenbaf. und bei Sur. ©. 232. Dom. III, p. Pasch. », Edhart sen. auf Joh. Evang. Tag in Taul. Pr. IT, 51 ff. ed. Kranff. Der Proceß der göttl. Geburt überwiegend theoretifch bei Chart. 459 empfängt Gleiches von Gott, alles was er hat als eigen, wie er es ſelber ſelbſt hat.“ 19) Die Meinung iſt alſo keineswegs, daß wir durch den bloßen Denlproceß bie edle Beſtimmung der Seele erreichen. Da wäre das Erlöfchen unferer felbft das Ziel ; währen Eckhart fagt: „Wie die Seele ſich durch Gott verlieret und alle Dinge verläßt, fo findet fie fi wieder in Gott; warm fie Gott erfennt, dann erfennt fte fich jelber und alle Dinge, bavon fie fich gefchieden hat, in Gott vollfommen.“ Da lernet fie nicht blos alle Dinge gleich anfeben, nemlic als Nichts, fonbern jeßt ſieht fie auch überall Gott, im Kleinften und im Größeften. „Denn Gott ift jegliche Weife (bes Seins) und ift in allen Weifen gleich, wer ihn nur in Allem gleich zu erfaffen wüßte. Faſſeſt du Gott beſſer in dem Einen als im Andern fo iſts gut; befler noch wenn bu ihn überall faffeft, denn dazu iſt Alles geſetzt.“ 1% So gebt alfo keine Ber: nichtung vor durch ben mpftifchen Proceß, fondern vielmehr wird mm jest jegliches Ding m feiner Wahrheit erkannt, in Gott. '°) Aber. ift nicht hiemit doch der ganze Proceß ein nur fubjeftiver, ber nur bas Erfennen nicht aber das Sein ändert? Und wie fann da noch biefer Proceß als Gottes Geburt in und, und umfere Geburt in Gott befchrieben werden? — — 16, Meiſter Eckhart l.c. III, 34. Die Gelaſſenheit wird als Selbſt⸗ vergeffenheit, Streben zur Kinvlichkeit von ihm bezeichnet, bei Sur. ©. 780, 4. Roc befiimmier zeichnet Ruysbroch tadelnd bie blos theoretiſche Abfiraetion gegenüber von ver eihifchen im 3. Bud von der geifil. Hochzeit 4 ff. „Es gibt eine bildloſe Muße auf aus der Ratur; die nicht aus Gnaden if, iſt leblos, wirkungslos oder eigenwirtenn. Es muß aus der Wüfte des unendlichen Meeres pervortreten das Bild der Klarheit, der Sohn Gottes. Wir müflen empfänglich fein dafür, daß wir Spiegel werben ber ewigen Ge⸗ bärung, des ewigen Hervorganges des Sohnes aus diefer Wüſte (ver leeren Unendlichkeit).“ 7, Eckhart sen. ed. Franff. I, 61. Teſtament bei Sur. 670. m) Tauler bei Sur. ©. 62: Deus non destructor naturae est, imo perficit eam. 9. Sufo 2. I, Thl. 2. c. 53. In dem kräftigfien Unterwurf if die höchſte Erfiandung. c. 52. Bernihtung hat feine Stelle bei ver Seele. Aehnlich Ruysbroch fehr Häufig. Die Seele hat ſich nur von ber Ereatur zu entbilden; Suſo ©. 208. 460 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. Die Myſtik denkt den Proceß fo, daß des Menfchen Selbſt⸗ verläugnung und Gelaffenheit nur die Vorbedingung für einen Lebensproceß Gottes felbft if, der in und fich fortfegen will. Gott ift nicht ein ſtarres ruhiges Sein, nicht ein bloßes Meer das den Myſtiker aufnimmt, fondern Gott will leben in der Welt; er will indem er die Welt liebt daß die Welt ihn er- fenne und liebe. Da num aber nur er felbft Die Liebe und Weis⸗ beit ift, fo muß er fih in bie Welt hineingebären. Ja, er fann in der Welt nur die Liebe umb Weisheit die er felbft ift, nur fih lieben (bei Sur. ©. 783); er liebt in der Welt feinen Sopn, oder ſich ſelbſt als Objekt. Die vielen Perfonen find in ihrer Wahrheit erft dann, wann fie ihr Weien erfannt haben, das ift aber ihr Sein in dem Sohne, ber bie Intellectualwelt und damit alles Einzelne in ſich fchließt. Sofern nım ber in feinen Grund, in bie Einheit mit dem Sohne Eingegangene fich Doch nicht ſchlechthin in Gott verliert, fondern in ihm ſich findet, . indem in feinem Wiffen und feiner Liebe Gott geboren wird, fo fommt bie Sohnſchaft in foldher Seele zur Actualität, bie zuvor, da ber Menſch in dem Bielen zerfireut und auffer fich war, eine gebundene Potenz blieb. Die Myſtiker beharren aber mit befonderer Betonung babei, daß ber trinitarifche Proceß des ewigen Hervorganges des Sohnes aus dem Bater Ein und Das⸗ felbe fei mit der Geburt Gottes in der Seele, bie in den ewig geborenwerdenden Sohn mit eingefchloffen if. So Tauler bei Sur. ©. 44, 77; Ruysbrod (Spiegel des göttlichen Heils c. 8 fi) Edhart d. 3. (bei Sur. ©. 12); Meifter Eckhart (ebend. S. 781) auh H. Suſo. — Gottes Wefen verhält fich zu den drei Perfonen wie bie Potenz zum actuellen Sein (Sufo ce. 56). Zu dem Letteren aber gehört auch bie Creatur nach ihrer Wahrheit. Der trinitarifche Lebensproceß Gottes vollbringt fih auch in ihr. In des Sohnes Geburt, in welchem wir leben, follen wir auch fehen unfere Geburt, unfern Heroorgang aus Gott. Die ewige Erzeugung bes Sohnes aus dem Bater fei nicht als pin vergangenes, abgefchlofienes Faktum zu benfen, fondern ald ewig fortgehender Vorgang: mit dem Sohne geht auch die Idealwelt, die in ihm iſt und in der auch Pantheiſt. Identific. des trinit. Proc. mit der Geburt Gottes in uns. 461 wir befchloffen find nad unferem wahren Wefen, ewig aus Bott hervor, ohne Abnahme und Zunahme, nur dag, wenn wir unfern Willen Gott nicht opfern, ber Proceß der Sohnfchaft gleihfam ing Stoden fommt in Beziehung auf uns, zu unferer eigenen Unfeligfeit. Geht er aber ohne Hindernig von Statten, dann wirb das göttliche Leben actuell, wird Sohn in ung, und wir werben vergottet. Sp ift ed bann Gott in ung, ber Gott liebt und erkennt, wie Gott feinerfeits in ben Söhnen, die zufammen Einer und Einer Sohnſchaft theilhaftig find, nur fich felbft erfennt und liebt als verwirflichten oder actuellen. !9) Sp fagt Eckhart d. J. (Zaul. Pred. I, 56): „Richt viele Söhme! Du magſt wohl und folift unterfchieden fein nach der leiblichen Geburt, aber in ber ewigen Geburt muß nicht mehr, denn Ein Sohn fein, da in Gott nichts denn Ein natür⸗ licher Urfprung ift, woher auch nichts als Ein natürlicher Aus- fluß des Sohnes ift, nicht zwei. Darum ſollſt du Ein Sohn fein mit Chriſto, fo mußt du Ein ewiges Ausfließen fein mit — — ” Sufo ©. 203: ein gelafiener Menſch muß entbildei werben von ber Ereatur, gebildet werden mit Chrifto, überbilvet in bie Gott: heit. Tauler Weihnachtspredigt I, Frankf. 1, 92. Wenn zwei follen Eins werben, fo muß fih das Eine halten leidend, das Andere wirkenn. — Dur Ihre Kräfte if die Seele empfänglich alles deſſen, was Gott ift und hat. — Aber welches Ding em: pfaben fol, das muß eitel ledig, wahn-(blos) fein. — Wenn nun der Menſch alſo die Stätte, ven Grund bereitet (durch Selbſtent⸗ feerung), fo ift fein Zweifel daran, Gott muß das Alles erfüllen, der Himmel zerrifie cher und erfüllete das Leere und Eitle (nach &ur.: Deus et natura non tolerant vacuum). Aber jener fubjeltive Proceß, den Geiſt zur Gelaflenheit, zum Schweigen zu bringen, ift fowenig als nur theoretifh, fo wenig auch magifh. Tauler Vigil. Pasch. S. 190: die Sreiheit ift des Menſchen edelſtes Gut fo daß Bott ſelbſt fie nicht zwingen will. Aber fie ift auch das ‚Bott wertbefle Gut — darum gib es ihm. Sufo 1. c. c. 52: Die wahre Bergangenheit (Selbfivergefienheit) fei Feine Vernicht⸗ ung, auch nicht bloße Berzüdung in Gott in fchaulicher Weite, fondern ein Aufgeben des freien Willms, um fih Gott zu laſſen in einem jeglichen Ru. Epiph. I. ©. 80. Die Passio der Ge laſſenheit fei suprema actio. 462 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. bem ewigen Worte.“ Das fei auch möglich, führt er fort, und Chrifius zeige das. Der Sohn Gottes nahm ja nicht biefen ober jenen Menfchen an, überhaupt Feine menfchliche befonbere Perſen, fondern nur die menfchliche Natur, für melde bie Perfon ein bloges Accivens ſei. Wie num in Chriſtus ber unperfönlide- Menſch war, deſſen Perfon Gott ward, und wie baburch bie menschliche Natur in ihm Gott warb durch Gnaden, fo können wir baffelbe haben, wenn wir unfre Perfon und Alles was Unterfchiede macht verlaffen und lediglich wieber Natur werben, und ung felbft nehmen nach dieſer Natur. Da nemlich biefelbige Natur nach der wir ung nehmen follen, durch Ammahme des ewigen Worte Sohn bes Baters geworben ift, fo werden wir auch ein Sohn bes ewigen Baters mit Chriſto, weil wir und nehmen in derfelbigen Natur die Gott geworben if. Damit ift dann nah Edhart d. 3. Gerechtigkeit, Heiligkeit, Freiheit gegeben. °°) | Man fieht, bie freilich pantheiſtiſch gedachte Menſchwerdung Gottes iſt der Mittelpunkt der Neben diefer Myſtiker, ohne fie iſt ihnen die Welt tobt und das Leben nicht lebenswerth. Sie ift Das ©, In Zaulers Pred. Franff. L 56. Im Wefentlichen ebenfo Meifter Eckhart, vgl. Convivium Ecc. bei Sur. &. 882, befonders aber Predigt am Zage St. Joh. Ev.’ S. 537. ff. wo es heißt: Misit Deus filium suum in mundum — in plenitudine temporis animae, ubi illa omne transegit tempus et spatium. Cum enim anims temporis.et loci expers est, mittit Deus omnipotens et gignit in oa Aliam suum, ©. 540. Sodann in der Schrift de duodeoim donis et gratiis Euchar. bei Sur. 1. c..778 ff. bef. Nro. 5, 7, 8. Tauler Prebigt am heil. Epriftfef, bei Surtus ©. 40 ff. vgl. mit der zweiten Chriktagsprebigt S. 44 ff. Er fpricht zwar von einer mehrfachen Geburt Gottes, die dritte if die Geburt in ber Seele, die „zur Maria“ werben muß. Aber auch er denkt dieſe Geburt als Fortſetzung Eines und deſſelben göttlichen Altes, ver ewigen Zeugung des Sohnes. Gott hat nur Ein Wort geſprochen, und in diefem ohne Anfang und Ende alle Ereaturen. Das ewige Wort gebiert fih felbfi, ja durchaus ſich ſelbſt und nichts Geringeres ohne Unterlaß in der Seele. Serm. IV. ©. 53. Auf diefelbe Weife wie in fid den Sohn, zeugt Gott in der Seele das Kind Gottes, nicht auf andere. Daß die ewige Geburt bes Pantpeift. Iventifle. des trinit. Proc. mit der Geburt Gottes in ung. 463 Kleinod ihres Lebens darin fie die Exfcheinmg ihres Heils, Die Se⸗ ligleit ihrer Seele fehen. Bei ihrem Iebenbigeren Gotiesbegriff Sohnes und die in der Zeit eine und biefelbe feien, fagt er aus: drücklich in der zweiten Predigt zum Erfchein. Fe S. 77. Vigil. Pasch S. 190 ff. Dritte Ofterprebigt ©. 206 ff. vgl. ed. Franff. 2,20. ©. 199: Zur liebenden Seele fpricht Gott: factus sum hominibus homo. Si ergo vos mihi Dil non estis, injarlam miht facitis. Gott fei alfo Menſch geworben, baß die Gottheit ganz verborgen warb in die Menfchheit, wenigftens ihr Gebraud. Werdet fo Götter, daß ganz die Menfchheit verborgen werde in mir und ihr als ganz göttlich Eich varſtellet. Auch in uns will Gott Menſch werben, damit wir Gott wärben; Chriflus gieng voran in dem Menfchwerden Gottes und dem Gottwerden eines Menſchen. ©. 206: Ein alter Lehrer fagt: Non invideo Unigenito dei filio quidquid boni illi collatum est. Nam et ego Alius illius possum evadere — per kratiam. Ibi vero tam homo unum fit cum Deo ut nulla pars supersit. — Plus aliquid dico: Vere divinus homo nae accipit Deum nee cogitat unquam de Deo extra se ipsum. Ubi namque Deum accipit, ibi capit simul et se ipsum. Unum quippa factus est cum Deo, quem et invenit intra sese, nec extrospicit eX- tra se, nec quaequam parturit extra Deum. — Sed cum Deus sese aceipiat in illo et moveat perficiatque omnia illius opera per ipsum, eundemgue tanquam se accipiat (unum quippe sunt in uno): ideo, ubicungue sese non Deus aceipit et movet, ibi et ipsum aceipit et morvet, operaturque per illum et prineipaliter ipse homo operetur. Sodann führt er des jüngern Eckhart Reve von Chriſti Ratur und Perfon fo aus (ib. ©. 207. Frankf. Ev. IT, 21): „Die menſch⸗ liche Natur, die unfer Lieber Herr annahm, iſt mir fo nahe und eigen wie ihm und deren hab ich fo viel als er oder bu, oder ale Menſchen. Die Natur if mir fo nahe als unferm Herrn Chriſto; aber nicht die Perſon. Diefe Natur, die auch meine Ratur if, nahm er an fih und zog. mic da in ber Natur gänz⸗ lich in fh, und wenn ich mit meiner Perfon zurückbleiben will, was fann er dafür? Alle unfere Natur z0g er fo ganz an fi, Daß er auch mit diefer Natur alfo wahrhaft Gottes Sohn if, wie er das ewige Wort if. — Damit hat er fich ſelbſt mit Allem was ihm der Baier gegeben, mir mitgetheilt, daß er fo mein, wie fein eigen if. Aber wehe mir, wenn ich ihm ihn der Natur gleich bin und mic nicht fürder zu feiner Perfon neige mit Tiebliger Einung. In der Ratur fliehen alle Menſchen gleich eigen und gleich nahe, der mindeſte wie der höchfle, der thärichtefte 464 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. iſt ſie ihnen auch keine Lehre, vor der wir nur als vor einem ſchweigenden Geheimniß ſtehen zu bleiben hätten; ihnen iſt viel⸗ mehr das ein Räthſel, wie dieſe Lehre nicht überall bei den Menſchen ihre Anerkennung finde, wie die Freude an ihr und ihrem Troſte eine nicht allgemeine ſein könne. Und auch die Trinitätslehre ſuchen ſie aus ihrer traditionellen Erſtarrung und Unfruchtbarkeit zu er⸗ löſen. So ſagt Tauler in der erſten Weihnachtspredigt: „Heute begehet man dreierlei Geburten in der h. Chriſtenheit. — Die erſte und oberſte Geburt iſt, daß der himmliſche Vater gebieret ſeinen eingebornen Sohn in göttlicher Weſentlichkeit, in perſön⸗ lichem Unterſchied. Die andere Geburt iſt das mütterliche Ge⸗ bären (der Jungfrau Maria). Die dritte Geburt iſt, daß Gott alle Tage und alle Stunde wird wahrlich geiſtlich geboren in einer guten Seele mit Gnade und mit Liebe. — Von dieſer minniglichen Geburt wollen wir nun allererſt reden, wie wir dazu kommen mögen und ſollen, daß dieſe edle Geburt in uns adelich und fruchtbarlich geſchehe. Das ſollen wir lernen an der Eigenſchaft der erſten väterlichen Geburt, da der Vater gebiert ſeinen Sohn in der Ewigkeit. Denn von Ueberfluß des über⸗ ſchwänglichen Reichthums der Güte Gottes mochte er ſich nicht innen enthalten, er mußte ſich ausgießen und gemeinſam machen. Auguſtinus ſpricht: Gottes Natur und Art iſt, daß er ſich ausgieße, und alſo hat der Vater ſich ausgegoſſen im Ausgang der göttlichen Perſonen und fürbaß hat er ſich eingegoſſen in die Kreaturen.“ — „Der Vater in ſeiner perſönlichen Eigenſchaft kehret ſich in ſich ſelbſt mit ſeiner göttlichen Verſtändniß und durchſiehet ſich ſelber in klarem Verſtehen in dem weſentlichen Abgrund ſeines ewigen Weſens, und denn von dem bloßen Verſtehen ſeiner ſelbſt ſpricht er ſich ganz aus und das Wort iſt ſein Sohn und das Beken⸗ nen feines Worts iſt das Gebären feines Sohns in ber Emig- feit. Er ift innebleibend in wefentlicher Einigfeit, und iſt aus⸗ . wie der weiſeſte. Alfo ift au unfers Heren menſchliche Ratur ibm fo nahe wie mir und mir wie ihm, aber wehe, wenn ich ihm in der Natur gleich bin und mir felbft mit eigner Liebe und Eigenfucht näher bin denn einem andern!“ Pantheift. Identific. des trintt. Proc. mit der Geburt Gottes in uns. A65 gehend in perfönlichem Unterfcheib — in ein Gebären feines Bildes. Er gehet (aus biefem Bild) wieder in fich in. voll fommenem Gefallen feiner felbft, das Gefallen feiner ſelbſt flieget aus in eine unausfprechliche Liebe, das ba ift ber heil. Geiſt. Alſo bleibet er inne und gehet aus unb gehet wieder ein. Alle Ausgänge find um ber. Wiebereingänge willen. Da: rum ift bes Himmeld — und des Menfchen Lauf alleredeift und vollfommenft, denn er gehet allereigentlichſt in feinen Urfprung.« 2") Das wahre Leben bildet alfa einen Kreislauf, ber das Ende mit dem Anfang zufammenfchließt, nicht einen gerablinigen Pro- gressus in infinitum, der und in eine Unendlichfeit der Ber: banmıng brächte. Wie für Gott fo gibt es für ben Menfchen nah Sufo eine felige Wieberbiegung zum Urfprung ; eine Ber- tiefung in das eigene Wefen, in eine Welt. intenfiver Un⸗ enblichfeit. Im Menſchen aber ift nicht bloß ein Abbilb bes trinitarifchen ‘Procefies, fondern eine Fortſetzung. jener verjüngt fih ewig und in den Zug feines Stromes läßt der Myſtiker fih als ein Moment, als eine Welle aufnehmen. 2) | Daß in diefen Darftellungen ber Trinität die drei Perfonen nicht als drei Iche auftreten, ift Mar genug. Aber auch ber Unterfchied zwiſchen unfrer Geburt aus Gott und dem trinitari- chen Proceſſe bfeibt bis auf ſchwache Anſätze noch vergeflen. Auh in der Teutfhen Theologie, 2°) wahrſcheinlich 2 Tauler Pred. 1, 90. 91. Frkf. Vergl. hiezu Fr. Speer, Truß Nachtigall. Berl. 1817. S. 175. Das Geheimniß der hochheil. Dreieinigleit u. f. w. 72) Berge. Sufo v. Diepenbrod, I, 2. ©. 217 f. Den Sopn nennt er den Gegenwurf ober Biederblid des göttl. Weſens in ber Vernunft des Baters, ihren Ausblid in Form der Erfenntniß, die göttlicher Bernunft Subflanz (Natur) if. Der h. Geiſt aber iſt ein Ausruns (Ausflug) des Willens in der Minne, er if das Minne⸗ band in Gott. Bgl. S. 395. Auch in der Kreatur muß dem Aus: gang oder Ausbruch aus dem Wefen Gottes, darin Menfh und Stein noch Eins find, folgen der „Durchbruch“ die Wiederkehr, das entſinkende Wievereinfähen und Einkehren ver Kreatur. ©. 997. 28) ed. Deber nach Luther 1827. 8. Pfeiffer: Theologie deutſch 1851. Vgl. Ullmann, Stun. u. Krit. 1862. — 466 Zweite Bertobe. Zweite Epoche. Einleitung. dem jüngften Werl unter den bisher Genannten, treten bie trinitariſchen Perfonen mehr zurüd, dagegen ein anderer Unter ſchied mehr in den Borbergrunb, der zwiſchen göttlichem Wefen und Wirfen Suſo hatte mit Berufung auf Auguftin gefagt (c. 56): Die Einigkeit bat ihre Wirkfichfeit an ber Dreiheit, und bie Dreiheit hat ihre Bermögenheit an ber Einigs feit. Die beutfche Theologie dagegen fucht Gott und den Men- fchen dadurch noch näher zufammen zu bringen, daß fie bie Kategorie der Wirflichfett noch nicht auf das immanente Sem Gottes anwendet, fondern erft in der Welt bie göttlichen Eigen fchaften wirklich werben läßt. | Das Alleredelſte und Luftigfte, fagt fie, fo in allen Kreatu⸗ ven ift, das ift Vernunft und Wille. *) Gott ald Gottheit sehöret micht zu weder Wille, noch Wiflen oder Offenbarung, weder DiE noch Das, aber Gott als Gott gehüret zu, baß ex ſich ſelbſt vorjehe (bejahe), wröffne, befenme (erfenne) und Liebe und fich felbit ihm ſelber offenbare in ſich ſelber, und diß noch Alles ohne Kreaturen. Und diß iſt in Gott noch alles als ein Weſen und nicht als ein Wirken. Und in dieſer (in⸗ nern) Offenbarung wird der perſönliche Unterſchied. Aber wo Gott als Gott Menſch iſt, oder wo Gott lebet in einem gött⸗ lichen oder vergotteten Menſchen, da gehört Gott Etwas zu, das fein eigen iſt und nicht ben Kreaturen. Denn es iſt in ihm felber urfprünglich und wefentlich, ohne Kreatur, aber nicht förm⸗ Ih oder wirklich. Gott will, was fo in ihm weientlich iſt, geübet und gewirket haben. Soll!’ es müßig fein, was wäre es denn nüge? Das mag aber ohne Kreatur nicht gefcheben. Ja follte weder diß noch das fein und wäre fein Werf oder Wirflichfeit und besgleihen, was wäre Dann oder follte Gott felber, oder weilen Gott wäre ex? ?5) Ohne Kreatur wäre Gott — — — — — — 2) o. 48 ed. Luther, Pfeiffer. c. 51. 26) 0.239 nad Luther, c. 31 ed. Pfeiffer. Er ſchließt: Man muß hie wenden und bleiben; wenn man Solchem wie von ferne nad: folgen und nachkriechen wollte, man wüßte nicht, wo man wäre und wie man wieber um follte kehren. — — —— — Die teutſche Theologie. Gottes Weſen actuell in ver Kreatur. 467 nur ein Wefen und Urfprung, nicht ein Werk; alle Tugend, Licht, Erkenntniß, ‚Wille, Liebe, Gerechtigfeit if in Gott nur ein Weſen und biefer feines wird gewirfet und gelibet ohne Kreatur. Aber wo.das Eine Das doch jenes Alles if, Gott, eine Kreatur an fi nimmt und ihrer gewaltig ift, daß es fich feines Eigenen da befeunen (bewußt werben) mag, wie es benn ein Wille und Liebe if, — da wird er (Gott) gelehret von ihm felber. Bott köunte ſich ohne Kreatur des Seinen und feiner Eigenfchaft uicht bekennen (bewußt werben) in wirklicher Weiſe, was doch fein fol und zur VBollfommenheit gehört. "(S. 104 ed. Pf.) Der ewige Wille, ber in Gott weientlich ift und ohne alle Werke und Wirffichfeit, iſt in ber Kreatur wirklich und wollend. Aber eben deßhalb ift der Wille der Kreatur alleine Gottes, und follte bie Kreatur mit demſelben Willen nicht wollen, ſondern Gott allein, beß ber geſchaffene Wille ſo gut tft als der ewige Wille. Die Kreater die ſich biezu wohl füget ift ber Menſch nach feinem Willen und feiner Bernunft. Es gefchieht in dem vergoiteten Menſchen, der von feiner Ichheit und Selbheit volllommen ge ſchieden Gott Tiebt um feines andern Grundes willen als weil er das Gute ift, wie auch Gott fich felber nicht Lieb hat als fü felber, fondern als gut. Wäre und wüßte er etwas Beſſeres als Gott, daffelbige hätte ex Tieb und nicht ſich felber. ?%) Sonach ift die allgemeine Beſtimmung ber Menſchheit bie Vergottung; ober fie ift da, weil Bott in ihrem Willen umb Seit Menſch werden wi. Der Urfprung ber Menfchheit ift fhon ein Anfang dieſes Zieles; fie hat fih aber, aus Gott her- vorgegangen, nicht fofort wieber in ihren Urfprung zurückgewendet, fondern bat fih in Schfucht firirt, und das ift die Sünde, bie in der Kreaturliebe ſtehen bleibt und dadurch den eigenen Proceß ber VBergottung nicht blos fondern auch den der Menſchwerdung Gottes ind Stoden bringt. Doch bleibt jene und biefe die Be⸗ fiimmung der Menfchen. Aber nun fragt fih um fo mehr, weldhe Stelle weist biefe Myftil der Menfhwerbung in Chrifius an? — — — — — — =) Bf. c. 82 8. 80. cell 48. 40, bei Pf. co. 61. 468 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. Meifter Eckhart, der überhaupt am meilten im Gebiet einer abſtrakten Spekulation bleibt, bietet faft nichts zur Ant: wort, und obwohl ein ausbrüdlicher Gegenfaß gegen die Kirchen⸗ lehre nicht hervortritt, jo ligt doch in ber von ihm fo fcharf hingeftellten Behauptung, daß Jeder für den ganzen Gott em- pfänglich und. nur in biefem Haben bie Seligfeit möglich fei, eine vollkommene Gleichſtellung des wahren Myſtikers oder Gots ‚ tesfreundes mit Chrifud. Er redet auch faft nie von ihm, fondern von Gott, und eine Reihe von Schriftitellen, Die fich auf Chriſtus beziehen, wendet er ohne Weiteres auf Gott an; felbft das h. Abendmahl, worüber er fehr ausführlich fpricht, ift ihm fchließlich nur ein Mahl der Gottesgemeinfchaft. ?) Auch bezeichnet ex es als eine niebrigere Stufe, Gott. beſſer in dem Einen als in dem Andern zu faffen. 28) ” Selbſt Tauler fagt:?9) wir müſſen im Sacrament durch das Zeichen zur Einheit mit Gott durchdringen; wir müſſen ſelbſt bie Menſchheit Chrifti überfchreiten und durch ihre Schönheit ung nicht aufhalten Iaffen; wir müſſen über alles Gefchaffene ung in das einfache Sein entzüden Iaffen, in welchem fein Unterſchied if. Auch Sufo ftellt die tieffte Abgründigfeit, die finftere Weistofigfeit in der alle Manchfaltigfeit und bes Geiftes Selbſt⸗ beit vergeht, als objeftives Ziel hin. Das fei das endlofe Wo? Joh. XI, 26. darin endet aller Geifter Geiftheit, darin allezeit fih verloren haben ewige Seligfeit ift (ce. 56). Aehnlich Ruys⸗ broch ®%): in ben Perfonen fei Gott eine ewige Wirkung, in 2”, f. oben Anm. 12. 20. und in den Instit. Tauler. bet Sur. c. 39. ©. 778 ff. bef. N. 5—8 und 12, Bgl. die Erklärung der Stelle Gal. IV, 1 von der Geburt des ewigen Sohnes in der Seele. 1. c. 540. Ebenfo Matth. XXVMI, 21 von Gott flatt von Chriſtus. 2®, Ecc. Testam. ©. 670. Nur in ven Notabiles aliquot Instit. 1. ce. 669 f. wird das Betfpiel Chriſti erwähnt, feine Seelenreinheit, der wir ung nachbilden müflen. 2) Bet Sur. 241. Fer. Pasch. S. 203. Da wirb’geforbert, hinter die Unterſchiede in Gott (die innere Offenbarung) in bie natura Dei sine distinetione zurũckzugehen, und dagegen unfer gigni ex deo dem gigni des Sohnes gleichgeftellt. 30, Die fieben Stufen ver Liebe 1.c- ©. 174-179. Belche Stelle der Mypftik f. d. Menſchwerdung in Chriſto bleibt? 469 der Natur aber eine ewige Muße und Ruhe. Nun fünnen wir zwar auch Eine Seligfeit - werben mit ‚den göttlichen Perſonen, Eine Liebe und Eine Geniegung. Aber es muß noch erreicht werben die höchſte Stufe des Wiflens, die Unwiſſenheit, da weber Gott noch Kreatur, was anlanget den Unterſcheid der Derfonen (ihre Stelle haben), fondern wir in Gott und Gott in ung eine einfältige Seligfeit find, maaßen wir ung alle felbft in die unbekannte Dunfelheit verloren haben und zerfloſſen ja gar zerſchmolzen fein. Diefes ift das Höchſte, fo in ber ewigen Seligfeit im Leben, Sterben, Genießen und Lieben erlanget wer: den Tann unb wer anders Iehret, der ift unweiſe. Jedoch Sätze wie biefe find mehr eine noch nicht abge: ftoßene Schlade der pfeuboareopagitifhen Myſtik, der Sufo, Ruysbrod, Zauler ihre Hulbigung glauben barbringen zu müflen, ?’) als daß man barin das Eigenthümliche und Beßte diefer Myſtik dürfte fehen wollen. Wenn bie alte Myſtik ver einfeitigen Objektivität den überfeienden Gott, ber Tautere Dun- felheit iſt und eine unendliche Wüſte als das Höchfte meinte preifen zu müffen, im welchem Alles vergehen ober an welchem es fih in Schein auflöfen muß, fo-bat dieſe germanifche Myſtik ſchon viel zu viel Bewußtſein ber Perfönlichfeit um dabei ftehen zu bleiben. Auch ift ihr ja nicht der Genuß Gottes die Haupt: ſache oder bie Luft an feiner Anfchauung, wie ber fpätern romas nifchen Myſtik, fie ift zu Feufch, um hier zu tänbeln und zu ‚großartig und tief, um Gott nur als Mittel zu behandeln, °°) wie Gott ihrem Herzen zu fehr fund und nahe if, als daß fie durch ben Gedanken des ftarren leeren Abfoluten könnte befriedigt fein. Wenn Sufo gegen die Entgottung als einen der gefährlichiten Irrthümer fpricht, fo fpricht er ja eben Damit gegen jenes leere Abfolute, das fih vom Nichts nicht unterfcheidet. Und ähnlich verhält es ſich, wenn fie einftimmig gegen bie Männer bes freien Geiftes reden, gegen die „florirende Vermmft, der alle Dinge entfallen es fei Hölle ober Himmelreih, Teufel oder Engel, an 3) 3. B. Rupsbroch das Königreich der Liebhaber Gottes c. 18. 2, Am meiſten fällt noch Sufo in .eine oft ſpielende Auffaflung 3.2. ©. 280. . Dorner, Chriftelogie. IE. 2ıc Aufl. 31 470 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. ihrer eigenen Natur genommen, die auch Chriſti gelittene Dienfch- beit verachtet, wenn fie num Gott barin gefunden hat“ **); wie fie uch wohl wiffen, namentlich Ru ysb roch, daß ed auch eine bild⸗ Iofe Muße aus der Natur gibt. °*) Derfelbe Ruysbrod, der den Ramen bed Doctor Ecstalicus erhalten bat, der in Gott, in dem ganzen Gott vergehen will, fpricht beutlicher faſt als Die 33) Suſo c. 51. ©. 189. c. 50 u. ©. 422 f. das fihöne Geſpräch mit vem Wilden. ©. 189: „Wird der Menfch gelöfet von haf— tenden Bildern, ſchwinget er fi fröhlich auf über Zeit und über Statt, da er zuvor entfreiet war und feines: natärliden Adels nicht brauchen konnte. — Da gefchiehet dem Menſchen wunderlich fo er ich nun anfiehet, und wie er zuvor war und wie er jebt ifl. Es dünket ipn, daß er voll Gottes fei und daß nichts fei, das Gott nicht fei, ferner daß Gott und alle Dinge ein einiges Ein feien, und ergreifet die Sache zu geſchwindiglich; er wirb in feis nem Gemüthe florirend wie ein aufgährender Moſt, er will nad feinem wohlgefallenden Sinn ale Dinge Liegen laſſen und ent fallen ihm bie Dinge, es fei Höhe oder Himmel (f. Text) — und die Saucen find ihm noch wicht zu Grund zu erfennen worben, nah ihrem Unterfcheid, ihrer Bleibniß und ihrer Vergänglichkeit. Sie find wie die Bienlein, fo fie des erſten ausſtürmen aus ben Körben, fo fliegen fie in verirrter Weile bin und ber und wiffen nicht wohin — etliche mißfliegen und werden verloren, . aber etliche werden wieder orbentlich eingefeßt. — ©. 219 wendet bie geiftlihe Tochter ein: es gebe Sole, die zur Wahrheit allein Ienten wollen durch Entgottung und Entgeiftung. Die fagen, Gott felbſt iſt ein Mittel (Hinderniß fei der objektive Gottesge: danke ſelbſt) man müfle fih allein kehren zu ber einlenchienden Wahrheit Die der Menſch felber fei. Er antwortet: es bürfe feine andere Entgottung Gottes geben als die, daß ver zornige Gott werde zum herzlichen, minniglichen Lieb. Gntgeiftet aber follen wir werben, fo daß wir uns zu Grunde laffen in Gottgelaffen: heit in Berlorenheit ver Sinnesheit und Bergeffendeit. Die Stel: len Matth. V, 2. 3. Joh. XII, 26 und-@al. UI, 20 werben be fonders oft angewandt. Bgl. auch S. 187. c. 50. Ruysbrod von der wahren Beſchaulichkeit c. 20 ff. und befondere von ber geiftlihen Hochzeit B. 2. Die Abfchnitte fiber die falfh Müßigen und Freien, über die geiftliche Unzucht unn Genußſucht. Tauler bei Sur. S. 326 ff. und 104 ff. 24) Bon der geiklichen Hochzeit Buch III, 4 fi. Königreich ver Liebh. Gottes c. 26. 83. — — — — — — — Die germ. Myſt. nicht d. unerfhloffenen Bott, fond. d. leb. zugewandt. 471 Andern ed ans mas er damit meint. Die Anderheit zwiſchen Gott und uns foll aufgehoben werben durch bie Einheit, aber überaus oft wiederholt er, daß ber Unterfchied zwifchen. Gott und und nicht ausgelöſcht werde. Die Aufgabe ift nur, daß wir in bie Stille, Einfalt, Weislofigkeit eingeben, d. h. in die reine Leidentlichfeit darin Gott wirken fann. Wird nun der Zus fand firirt, wo wir hinaus find Über Zeit und Statt, über bag Viele, bineingerüdt in Das ewige Bewußtſein ohne doch fchon die Offenbarung ‚der Liebe Gottes an ung zu haben, fo blicken wir hinaus als in. eine Wüfte, — das ift das abfirafte Ewigkeits⸗ bewußitfein, welches, wenn es nicht eigenwirkend, fondern Gotte gelaſſen ift, ung bei ſich nicht fiehen Läffet. Die „Wüfte,“ das maaß⸗ und weifelofe Sein mag da momentan in optifcher Täu⸗ fung ‘als objektive Beichaffenheit Gottes gebacht fein, während fie eigentlih nur die Entleerung des fubieftiven Bewußtſeins ausſagt; aber dieſem Hefte areopagitifcher Myſtik tritt fofort als Correltiv zur Seite, daß aus ber Wüſte des unendlichen Meeres bersortrete das. Bild der Klarheit, der Sohn Gottes, der nın aus dem finftiern Grunde für ung und in ung geberen werde. °°) Nicht in bloßer Negation, fondern „in ſterbendem Leben unb in Iebendem Sterben“ genießen wir Gottes und werben wir bie Seligfeit. Gott ift die Liebe, geizig und freigebig zugleich, fie will nehmen und geben. Wir möchten zerfließen in Shn, kön⸗ nens aber nicht, Er wills nicht und bringt ung wieder zu ung. — Zwar das Ebenbild Gottes ift ganz und unzeriheilet in ung, und wird ganz empfangen von einem jeden einfältigen Geſicht; wir leben im felbigem Bilde. und es lebet in und. Democh aber bleiben wir der Weferheit und der Natur nach allezeit ges theilet und unterfchieden ; °%) nur ohne Reflerion darauf, in findlicher Selbſtvergeſſenheit. Dem Kinde Gottes fchreibt er Dages gen ausprüdlich das Sekbftbewußtfein feiner Kindſchaft, Die Gewiß⸗ heit der ewigen Seligfeit zu. ?”) Ja er geht bis zu der Erkenntniß fort, daß jedes Kind Gottes eine eigentblimliche Einheit fei, in — [in 3) ſ. O. 3%, Der Spiegel des ewigen Heils c. 22. 3, Bon der Vollkommenheit der Kinder Gottes c. 8. ©. 15. 31 ** 472 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. welchem alſo das in ſich einige ungetheilte Ebenbild Gottes zwar ganz aber doch in eigenthümlicher Weiſe lebt. »8) Auch iſt ber Proceß der Kinbfchaft ein fortgehender. Wie Gottes Liebe ſtets „geisig und freigebig“ zugleih, d. b. heilige, nicht profufe Güte ift, fo find die Kinder Gotted arm und reich, bungrig und fatt, wirfend und müßig, Eines im Andern. Sie find nit blos eingefehrt, noch fallen fie nothwendig außer ſich, wenn fie fi) auch) wieder dem Wirfen zumenden. Sondern Gott heißet fie ausgehen, und Ausgehen ift auch Gottes Liebe. Die wahre Berfinfung in Gott bleibet ohne Unterlaß. 29) Alfo nicht dem Gotte des unerfchloffenen Myſteriums, fon bern dem lebendigen Gotte ift die Liebe diefer Myſtik beſonders zugewandt, dem Gotte der Offenbarung, nemlid ber in- neren. Es ift wohl wahr, daß ihr Gott noch nicht als heilige Liebe in feinem innerften Wefen aufgegangen tft, fie wird noch burch den Schatten bes ’Or, welches ber alten Autorität nach das Höchfte fein foll, beunruhigt, und fich ſelbſt oft untreu Aber die Offenbarung Gottes wird bier nicht zum bloßen Schein, zur bloßen Theophanie, fondern es fommt burd fie ein wirkliches göttliches Werk und ein wirkliches Leben Gottes in biefem Werk a8, Das Königreich der Liebh. Gottes c. 26. ©. 58. c. 33, ) Bon d. Boll. d. 8. Gottes c. 9.” So will auch Suſo, daß Aeußerſtes und Innerftes in einander fein. „Wem Innerkeit wird in Außerfeit, vem wird Innerkeit innerlicher, denn (Dem), dem Innerkeit wird in Innerkeit. Selbſt nah M. Eckhart will Gott ung maximum in minimo largirt, denn zu der Betrachtung, daß die Welt Nichts iſt, muß die ergänzende fommen, daß Gott überall tft, alfo auch überall gefaßt werden kann und fol. Ecec. . Test. Sur. ©. 670. Heber feine geheime Freundſchaft mit Gptt und fein Höchftes gefragt, fol er nah dem füngern Edhart 1. c. S. 46 f. geantwortet haben: nicht das Fühlen, Erfahren, Schmeden Gottes und das Empfahen feiner Erleuchtung halte er für das Höcfte was ihm geworben fet, fondern daß er alle Re: bellion und Unorbnung feiner Ratur, Können und Nichtkönnen, Daß und Liebe überwunden, daß er überall die Gegenwart bes göttlichen Lichtes babe und Alles in viefem Licht thue und daß er täglich neu anfangend, täglich wie ein nengebornes Kind (agtıyissmros Bodpoc) ſei. Der Bott der innern Offbg. f. d. Myſtiker und der hiſtor. Epriftus. 473 zu Stande: Diß Werk ift die Geburt aus Gott, das Kind Gottes. ' Um fo mehr fehrt nun aber die Stage wieder: welche Stel- fung nimmt da noch die Außere Offenbarung in Chriftus ein? Iſt der Ehriftus in uns dieſer Myftif nur ber ewige Sohn Gottes, der ewig geboren wird aus bem Bater und auch uns als Momente feiner in feiner eiwigen Geburt umfchließt, oder behält der biftorifche Chriftus feine Stelle? Zuvörderſt ift zu bemerken, daß fie bie Eirchliche Chriſto- logie nicht kritiſch behandeln, fondern zum Theil wörtlich wieder: holen. *°) Jedoch ift dabei merkwürdig, daß fie auf die Unperſön⸗ lichkeit der menfchlihen Natur Chriſti befonders gerne zu fprechen fommen: fie ift ihnen ein Artifel nicht blos überlieferten Glan- bend. So Eckhart d. j., Tauler, Ruysbrod. *') Der Grund erhellt aus dem Früheren. Die myftifche Gottgelaffenheit als Aufgeben ‚aller Ichheit und Eigenheit, gleihfam das Un⸗ perfönlich. werden tft ja nach myſtiſcher Lehre auch für ung bie Borbedingung bafür, daß. wir Kinder Gottes werben. Chriſtus ift daher einerfeits zwar der in bie Zeit eingetretene von Maria geborene ewige Sohn Gottes, aber er ift auch als Menfch Gott und Sohn Gottes, weil er -in ber fletigen Oottgelaffenheit fteht, in der „Demuth, Armuth und Niedrigfeit.“ In biefer Demuth bat er felbft feine Seele des Wiſſens entleert und ſich in bie Unwiffenheit verfest. 2) So befommt Chriſti Menſchheit für fie eine große Bedeutung. Chriſtus ift Urbild ber Myſtik. Die Miedrigfeit Ehrifti, welche im Mittelalter faſt vergeffen warb ob der Majeftät feines Königthums und der Herrlichkeit der Gaben und der Macht Die er der Kirche verliehen, (f. o. S. 331 ff.) erhält jegt eine wefentliche, integrivende Bebeutung für Ehrifti Perfon ſelbſt. “, Sufo ©. 399. Tauler Weihn. Pr. bei. Sur. S. 40 ff. Ruys- broc Spiegel des ewigen Heils o. 8, wo auch bie Kirchliche Ge⸗ nugthuungslehre vorgetragen wird, c- 20. +), Eckhart d. i. bei Sur. S. 12. Tauler dritte Ofterpr. bei Sur. ©. 206. 207. Rupsbroch 1. c. und im dritten Buch von der geiſtlichen Hochzeit. c. 4. #2, Tauler Bexag. I. G. 117 ff, 474 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. Ohne die Demuth und Armuth des Lebens und Geiftes könnte in ihm gar nicht der Sohn Gottes geboren fein. Mit befon- derer Liebe wird daher von dieſer Miyftif die Menſchheit Ehrifti ‚ betrachtet, die ihr Urbild der Meufchheit if. Die Seele, die Gottes Tochter werben wilt, muß nah Ta uler Ehrifti Menſch⸗ heit anfchauen. *%) Chriftus war und ift, fagt Ruysbroch, nach feiner gefchaffenen Seelen der höchſte und vortrefftichfte Be⸗ fhauer und Liebhaber, und genießt vor Allen aufs Höchfte. Aber nach: feiner Gottheit ift er Dasfenige was wir genießen und gibt fich allen gemein, die ihn begehren. +) Er war in feiner Drenfchheit durch die Berührung des Vaters ohne Unter⸗ laß aus der Einheit (heraus) zu allen Tugenden, aller Noth, geiftlicher und Feibficher, angetrieben und floß wiederum ans Ber- fangen und Ungebuld der Liebe einwärts zurüd und fonnte doch nicht wegen der Berührung des Vaters in der Einheit ruhen, maaßen er hierin der hochheiligen Dreiheit, welche in fich ſelbſt fruchtbar if, und in der Einheit der Natur nicht dauernd bes ftehen kann, gleich geweſen und nod iſt. Und hatte vormalg die Gnade, mın aber die Herrlidyfeit nach der Maaße feiner ge: fchaffenen Fähigkeit.“) Bor Ruysbrocds Seele ſteht ber fonderd der erhöhete Chriſtus in feiner Majeſtät. „Chriſti Menfchheit war erfüllet mit aller Gottesflarheit; feine Gottheit war durch feine Menſchheit nicht bloß verdeckt, fondern auch offenbar; ſie iſt der Leuchter darauf das Licht ſcheinet für alle Welt.“ 6) Er hat unſer aller Menſchheit angezogen, wie wenn ein König feiner Knechte Kleider anzöge. Dennoch: zierete er feinen Leib und feine Seele mit dem königlichen Kleide feiner Gottheit. Er drüdte ihr, der unyerfönlichen, feine Perfon und fein Bild ein. *7) Durch die hohe Vereinigung mit der Gott⸗ beit ift. feine Menſchheit die Fülle aller Gnaden und Gaben *) — — — — — — 3) Bierte Weihnachtspredigt bei Sur. ©. 51. 52. *) Das Königreich der Liebh. Gottes c. 86. ©. 81. #5, Ebendaſelbſt c. 26. ©. 57. #6) Der Spiegel des ewigen Heils c 9. 20. 7, Ebendaſelbſt c. 8. *e) Die fieben Stufen der Liebe co. 5. ©. 157. Vgl. noch die drei Ni un mn Edriftus Urbiſd der Myftil, unperfönkich, perfonirt burh Gott. 475 und Tugenden. Aber auch ſelbſi bie herrliche Menſchheit Eheifti mit feiner ganzen Hausgenoffenfchaft nach allem feinem und irem Vermögen if mit Lob, Dankſagung und Ehrerbietigfeit zu der Ehrbezeugung Gotted des Vaters gerichtet. | Sufo dagegen und Tauler bliden mehr auf ben leiden: den als den erhöheten Chriſtus. Die Betrachtung ber Leiden Ehrifti foll die Seele zur Gelaſſenheit führen. „Die babe Minne liebet SHEifti Leiden, das unmäßfich zu Herzen geht.« Sufo weiß viel von Leid, befonders innerem, und ſtellt es unter das Kreuz; da werde das Herz mild und vergebend und reuig. Aber doch ift ihm das Leiden nach Chriſti Bilde: mehr nur ein Leiden wie Chriſtus, ein Nachbilden feiner Leiden in Mitleid und Er: barmen mit Shriftus, Daher. ihm bie Betrachtung des Leidens der ſchmerzenreichen Mutter ebenfo wichtig if, wie das Leiden Chriſti. Zwar leidet Chriftus für alle Welt. Aber auch bie hohe Minne dürſtet «nach Leiden, _winfchet zu leiden fir alle Welt. 5%) . Ein tieferes Sündenbewußtſein tritt bei Sufo no nicht her- vor. 2) In dieſer Beziehung ſteht Tauler höher, 32) wie er auch mehr Bußprediger if. Er hebt die Lehren hervor, bie für und in Chriſti Tod liegen. Chriſtus zeigt da bie Liebe, Die auch für die Feinde leidet und ihre Sünden fi) aufladen läßt. Noch einen Schritt weiter geht die deutſche Theologie. Sie faßt Chriſti Bürher von der geiftlichen Hochzeit B. I, ce. 2. S. 9 wo von feiner doppelten Demuth, feiner Liebe, Geduld und von der Ar: beit feiner Seele für ung die Rede if. Ferner B. 2. c. 34. ©. 72 f. e: 47. ©. 86. c. 51. 61. 76. ) Sufo l. c. ©. 580. 50) Bgl. ©. 327 das poetiſch fehr ſchöne Stück von dem unfäglichen Herzeleid der reinen Königin vom Himmelreih, mo Fein Gedanke an die eigene Sünde iſt, fondern die Spitze darin beſteht: „Ach welchem if hie wirfer, "welchem ift hie größere Noth (Eprife oder der Mutter) ? Sie ift beidenthalb alfo grundlos, daß ihr nim⸗ mer gleich warb.“ Bol. ©. 440. 580. . 29 Vgl. 3. DB. die poetlfch gleichfalls überaus ſchoͤne Stelle von dem Minnefpiel das Gott mit der Seele treibt. ©. 280. #2, Bol. bei Sur. die Pred. an Sexag. &. 117, an Parascoue ©. 188 ff. 476 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. Leiden nicht bios als Leiden feiner liebenden Menſchheit auf für die Brüder worin wir Chriftus nachfolgen follen: fonbern auch als Leiden Gottes, bas er aber gleichfalls nicht blos in Chriſtus haben will. Gott als er Bott if, fo mag weder Leid noch Betrübniß oder Mißfallen in ihn fommen umb wird boch Gott betrübet um des Menfhen Sünde. So (Da) nun Diß nicht gefchehen mag in Gott ohne Kreatur, fo muß es gefchehen da Gott Menſch ift oder ba Gott in einem vergotteten Menſchen iſt. Siehe ba ift Simde Gott alfo leid und mühet ihn alfo fehr, daß Gott bafelbft gerne wollte gemartert werben und leiblich fierben, auf daß er eines Menfchen Sünde damit vertilgen möchte. Und wo Einer zu ihm fpräche, ob er lieber leben wollte fo daß die Sünde bliebe, oder fterben und bie Sünde mit feinem Tod vertülgen, er fpräche er wollte taufenbmal lieber fterben, denn Gotte ift „ Eines Menfhen Sünde leider und thus ihm wirfer denn fein eigen Marter und Tod. Thut ihm nun Eines Menfchen Sünde alfo wehe, wie thut ihm aller Denfchen Sünde? Hiebei foll man merfen wie ber Menſch Gott betrübe mit feinen Sünden. Und darum wo Gott Menfch ift oder in einem vergoiteten Menfchen ift, da wird anders nicht geflaget dann Sünde und iſt anders Fein Leib; denn Alles was ba iſt und gefchieht ohne Sünde, das will Gott haben und ift fein. Aber die Klage und der Jammer, der um bie Sünde ift, der fol und muß bleiben bis in den leibliden Tod in einem vergotteten Denfchen, und ſollte halt der Menfch leben bis an den jüngften Tag ober ewig: ih. Hievon ift Ehrifti heimlich Leiden, davon niemand faget oder weiß denn alleine Chriſtus, und darum heißt es und if heimlich. Es ift auch eine Ligenfchaft Gottes, bie er haben will und ibm wohl gefället in einem Menſchen und ift wohl Gottes eigen, benn es gehöret dem Menſchen nicht zu und er vermag fein auch nicht. Und wo Bott diß befommen mag bas iſt ihm das Würdigſte und das Allerlichftie, während es bem Menfchen das Bitterfie und Schwerſte if. 5°) 8) 0. 85, bei Bf. o 87. Sufo, Taul. d. leid. Eprif. Diet. Theol.: Bott leid. im Menſchen. 477 Aber die deutſche Theologie will mit biefem Leib um ber Sünde willen Chriftus nichts zufchreiben, was nur ihm ausfchließ- lich zufäme, ſie hebt ben Unterſchied nicht hervor, wornach Chriſti Leiden Fein Leiden um bie eigene Sünde war, wie bei und. Son⸗ dern fie faßt fein Leiden zwar ale Leid ob der. Welt Sünde auf, aber fordert nidyt minber von jedem vergotteten Menſchen auch diefes Leiden das Chriſtus litt. Das fieht man aus Folgen: dem: 5%) „Wer in Ungehorfam ift, ber ift in den Sünden; und Die Sünde wird nimmer gebüßet ober gebeflert dann mit einem Wiederfehren in Gott. — Aber kommt ber Menſch in den Gehorſam, jo ift es Alles gebeffert und gebüßet und vers geben und anders nicht. — Wäre ed benn möglih, daß ein Menſch füh fein felber und aller Dinge verzöge und alfo gar und lauterlich Iebete in wahrem Gehorſam, wie Ehrifti Menſch⸗ heit war, ber Menfch wäre ganz ohne Sünde und wäre auch Ein Ding mit Ehrifte und Daſſelbige von Gnaben, das ba Chriſtus war von Natur. Aber man ſpricht: Das möge nicht fein, — es fei Niemand ohne Sünde. Aber wie das ſei — doch ift Das wahr, je näher dem wahren Gehorfam, je weniger Sünde ; je mehr das Mein, Mir, Ich, Mich, das ift Schheit und Selbheit abnimmt, je mehr nimmt Gottes Ich, das ift Gott felber in mir zu. Wären nım alle Menfchen im wahren Gehorſam, fo wäre auch Fein Leid noch Leiden. Aber es find nım leider alle Drenfchen im Ungehorſam. Wäre nun ein Menfch lauterlich und gänzlich. in dem Gehorſam als Chriſtus war, ihm wäre aller Ungehorfam eine große bitterliche Pein. Denn ob alle Menfchen wider ihn wären, die möchten (könnten) ibn alle nicht bewegen ober betrüben, benn ber Menſch wäre in biefem Gehorſam Ein Ding mit Gott und Gott wäre aud felber ber Menſch. — Sieh’! Wiewohl das iſt, daß fein Menſch in dieſem Gehorfam fo gar lauterlich und vollfommlich fein mag ale Chriftus war, fo ift es Doch möglich einem jeglichen Men⸗ fipen, ‚nahe dazu und berbei zu kommen, alſo daß er göttlich und vergottet beißt und if. Und je näher ber Menſch biefem ce 14 Pf. 16. 478 Zweite Periode. Zweite Epoche. Ginleitung. fommt, je leider und wirfer thut ihm aller Ungehorſam, Sünde, Bosheit und Ungeredhtigfeit.“ Den freien Geiftern, welche freimüßig und ledig über alle Dinge, wie Gott, fein wollen „ber unbemeglich ift und ohne Ge⸗ wiflen und was er thut ift wohlgetban,“ hält ber Berfafler ent: gegen: „der Teufel hat auch fein Gewiſſen und ift darum befto beffer nicht. Wer ift der ſich unfchuldig weiß? Allein Chriſtus und werig mehr. Siehe, wer nun ohne Gewiſſen iſt, der iſt entweder Ehriftus ober der Teufel.“ Das alfo ift die Auszeich- mung Chriſti, daß in ihm die vollfommene Unfimblichleit , bie volle Vergottung und daß daher im ihm Gott felber ber Menſch war. Das ift bei uns noch nicht der Fall. Chriſtus liebte nicht diß oder das noch ſich felber, fonbern allein das ewige Gut und fo war Gott in ihm liebend. Aehnlich nach der Seite der Erkenntniß. Die gefchaffene Seele des Dienfchen hat zwei Augen, das eine ift die Möglichkeit zu ſehen in die Ewigkeit, Das andere zu feben im die Zeit und Kreatur unb bie Unter: fehiede zu: erfennen und bem Leibe Nothdurft zu geben ihn zu richten und zu regieren. Aber biefe zwei Augen der Seele bed Menfchen mögen nicht gleich mit einander ihr Wert üben, fon- bern foll die Seele mit dem rechten Auge in bie Ewigfeit feben, fo muß ſich das linke all feiner Werke verziehen unb vermegen und muß füh gleich halten ale ob es tobt fe; foll dann das finfe fein Werf Üben nad): der Ausiwenbigfeit — fo muß bag rechte Auge gehindert werden an — ferner Beſchauung. Wer eind haben will muß bas andre laffen fahren, denn ed mag niemand zween Herren dienen. Aber in der Seele Chriſti war es nicht alſo. In dem Anbeginne ba fie gefchaffen warb, ba fehrete fie das rechte Auge in Die Ewigfeit und in Die Gottheit und ſtund da in vollfommener Gebrauchung und Beſchauung göttliches Weſens und ewiger Volllommenheit unbeweglich und blieb da unbewegt und ungehindert von allen ben Zufällen, Ar: beiten, Leidensmarter und Pein, die in dem äußeren Menfchen je geſchahen. Aber mit dem linken Auge fah fie in die Kreatur und erfannte da alle Dinge und nahm ba Unterfcheib in ben Kreaturen, was ba beffer ober unbeffer, edeler ober un- Ehriftologie der deutſchen Theologie. 479 edeier wäre und darnach ward ber äußere Menſch Chriſti ges ehe. =) Gleichwohl, wie wir all dazu berufen ſind, daß Gott in und Menſch, daß wir mit Chriſto vergottet werben, fo iſt auch der Seele in bem leiblichen Leben nicht bios möglich einen Blid zu thun in bie Ewigfeit, zu empfahen einen Schmad ewsigen Lebens und ber Seligfeit, fondern fo fie, wie St. Dio⸗ npfius will, fich gänzlich abfcheivet von ber Zeit Kreatur und Verbildung, fo kann es dem Menſchen fo oft gefchehen, daß er barinne alſo gewohnet werde und dahin fehauet fo oft.er will, und daß ihm darnach gar leicht und geringe wird, was ihn une möglich däuchte. So oft er da wieder einfehret in Gottes Geiſt über die Zeit, fo wird Das Alles wieberbracht in einem Augen: blid, fo eher verloren war. 8) Hieraus erhellt, daß für die deutſche Theologie ber Unter⸗ ſcqhied zwiſchen Chriſtus und und zwar jept noch befleßt, aber vergeht mit der Sünde, indem auch in uns Gott bie Perfon werben foll, feineswegs aber der ewige Sohn Gottes nur in Chriſtus geboren wird. Aber auch bie fonftige germanifche Diys ſtik fommt mit allen obigen Sägen noch nicht Über eine weſent⸗ liche Coordination bes Gottmenſchen Ehriftus und des vollendeten Myftifers hinaus. Jene Unperfönlichkeit der menfchlichen Natur in Chriſtus wird vielmehr ausdrücklich für die Anforderung ver: wandt, daß auch in uns unfre Natur unperfünlich werben und 65) c. 7. Er fügt bei: Der innere Menſch Chrifti blieb unberührt von al der Arbeit, Leiden und Darter das ibm am äußern Menſchen geſchah; jener blieb in volllommmen Gebrauch gött⸗ licher NRator, in volllommener Wonne, Freude und ewigem Frie⸗ den nicht anders als nach feiner Himmelfahrt oder jetzund. So ward auch der äußere Menfch und das linke Auge ver Seele Chriſti in ihren Werfen an alle vem das ihr zugehöret nie gehindert oder befümmert, von dem inwendigen Auge Offenbar if hier nur erfi ein fletiges Nebeneinander aber nor nicht ein Ineinander des äußern und des inneren Menfchen erreicht. Der letztert Toll unberührt bleiben won den Leiden, während der Bıf. dor ander: wärte ſagte, daß ſogar Gott leiden wolle. 66) e. 8. 480 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. ſich der Perfonirung durch den ganzen Gott hingeben foll, wobei zum Theil noch darauf hingewieſen wird, bag in Chrifti unper⸗ ſönlicher Menſchheit die ganze Menfchheit alfo auch die unfrige von Bott fhon angenommen fer und wir fo nur uns in unfrer Natur und Weſenheit ald von dem Sohne angenonmnener zu nehmen, unperfönlich zu werben oder zu bleiben baben, ſo wird der ewige Sohn die Perfon in uns. °) Und au bei Sufo, fo beflimmt er jagt, daß „natürliche, menfchliche Unterſtandung Gppoſtaſe) nie könne verloren gehen noch in ber göttlichen Per fon Unterftandung je überjegt werden“ (S. 399) finden wir doch auch wieder: - „Der eingeborne Sohn ift zu vergleichen einem Bilde das unendlich manchfaltig ift, das bedeutet alle bie Menfchen, die feine Glieder find, die auch Söhne find ober werden durch ihn und in ihm“ (S. 406). Der ewige Sohn ift ihm ja gleichfalls ſelbſt die intellectuale Welt. Gleichwohl hebt Sufo gefliffentlich hervor, was Chriftum vor Allen auszeichne. „Weit höher als die Einung der Seelen in Gott iſt die Eimung der Einfließung Eprifti (des Wortes in Ehrifti Menſchheit), feit fie in einem perfönlihen Wefen if, Denn von dem erften Anfang, da er empfangen warb Menſch, da war er natürlicher Gottes Sohn, alfo daß er feine andere Selbſtſtandung hatte, 27) So Eckhart d. j. .c. S. 12 ſ. o. Wogegen Tauler (britte Oſterpredigt S. 206 bei Sur. ſ. o.) ſchon ſagt: Chriſtus von ſei⸗ ner Seite hat, meine Natur annehmend mich ſchon an ſich ge⸗ zogen; aber für mich iſt nahe feine Natur, nicht feine, Perſon. Wehe uns, wenn wir mit der natürlichen Verwandiſchaft zufrieden uns mit feiner Perfon nicht einigen! Ruysbroch wiederum Spiegel des ewigen Heils c. 8: Auch wir follen bekleidet werben mit felbiger Bottheit (wie Ehrifti Menfchheit) indem wir ihn fo ſehr Tieben, daß wir uns felbft verläugnen und unſre gefchaffne Herfon überfleigen können, dann alfo werden wir mit feiner d. i. der ewigen Wahrheit perſönlich vereiniget werben. Es fehlt dieſer Myſtik eine ausgebildete Lehre vom h. Geift, daher fie den Proceß der Kindſchaft mit der Incarnation faſt identiſicirt. — Uebrigens hat in neuerer Zeit auch Marheinecke der Unperſön⸗ lichkeit der menſchlichen Natur Chrifti eine ähnliche Bedeutung und Anwendung gegeben wie dieſe Myſtik: Spſtem der chriſtlichen Dogmatif 1847. ©. 286 ff. Chriſt. u. d. vol. Myſtiker noch coorb.Rüdbl. a. d. hr. Fortſchr. d. Myſt. 481 denn bes allmächtigen ewigen Gottes Sohn.“ — (S. 399) „Diefer Menſch Ehriftus der Herr bat das, auch vor allen Menfchen, bag er ift ein Haupt der Chriftenheit als feines Leibes. Rom. VIH, 29. Und darum, wer einft rechten Wiedereingang haben und Sohn werben will in: Chriſto, ber fehre ſich mit rechter Gelaͤſſenheit zu ihm von fich felbft, fo fommt er ba er fol.“ — „&tliche ſehen Chriſti Leben nur an nach ber äußeren Weife und nicht nach der innern, oder in der Vernunft nad) fchaulicher und nicht nad) abwirfender Weile, da fie ihre eigene Natur durch⸗ brechen follten in nachfolglicher Uebung biefes -Bildes. Sie ziehens Alles zu der Natur Wolluft und lediger Freude“ (S. 407). Trotz mancher Schwankungen läßt ſich doch ein chriſtologi⸗ ſcher Fortſchritt in der germaniſchen Myſtik Weſtdeutſchlands von Coſtnitz und Bafel - bis Holland nachweiſen. Zwar bie beiden Edharte halten fih noch mehr im Gebiete Des abftrarten „ewigen Bewußtſeins“, für welches die Gefchichte noch Feine weſentliche Bedeutung bat; aber doch ift ihr ganzes Intereſſe ſchon ber Gefchichte der eigenen Geburt zum Gottesfinde ‚oder Sohne zur gewendet, die fie ald Moment in der ewigen Sohnwerdung Gottes betrachten, womit fie wenigftens dem flarren Begriff von Gott als dem Ieeren unenblihen Sein zum Theil entfagen. Wenn aber biefe Beiden Ehriftus nur erſt eine zufällige Stelle anzumeifen wiffen, fo entfleigt für Ruysbrocd ber „Müfte“ des entleerten, gelafienen Bewußtſeins fehon das Bild des Sohnes in göttlicher Glorie, und indem wir empfänglidhe Spiegel find ber einigen Gebärung bes Sohnes, werben wir auch beren Fort: fegang. Und auch die Menfchheit Chriſti fann er bier ſchon mit bereinziehen, da er befonbers gerne‘ deren Klarheit und Theilnahme an ber göttlichen Herrlichfeit heroorhebt. Doc ifl auch nach ihm feine Gottheit Dasjenige, was wir genießen. Ein innigered Verhältniß zu dem biftorifchen Chriſtus bildet fich erſt ba aus, wo bag Leiden, das Leid ber Seele geliebt und wo, nicht ohne mächtige Beihilfe Seitens des kirchlichen Zerfalles der ins Innere, jetzt wie in ber Zeit ber Profeten, zurücktrieb, bie Ethiſtrung des Leidens unternommen wird. ‚Der immer 482 - Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. wichtiger werbenbe und immer mehr befruchtenbe myftiſche Grund⸗ fag wird jeßt: das Leiden ift zu fuchen, nicht zu fliehen. Unter biefem Leiden wird zunächſt zwar wieber vor Allem jenes Sterben in fpeculativer Abftrastton — mithin im Zufammenbang mit Reften eines nur phyfifchen Gottesbegriffes etwas verſtanden, was die Vernichtung der doch fo energiſch hervortretenden Per: fönlichfeit bezeichnen wlrbe, wenn biefe nicht vielmehr als Ziel erſtrebte, daß Bott im Menfchen bie Perfon werde. Doch fan- den wir in dieſer „Selafienheit“ auch fchon einen ethiſchen Eins ſchlag und das Entzücktwerden iſt auch ein Sichemporſchwingen über Zeit und Statt. Je mehr ſie aber dann durch die Be⸗ ſchauung der Geburt des Gotteskindes ſich zur Erkenntniß Gottes als der Liebe führen laſſen, deſto mehr muß jene leidentliche Ge⸗ laffenheit vor Gott zur Empfänglichleit für feine Riebesmittheitung , bie Leidentlichfeit dem Liebenden Gott gegenüber zur Negation nicht blos ber falfchen Activität fondern auch der falfchen Leibent- lichkeit werben. Daß diefe wahre ethifche Leidentlichkeit zugleich Activität, Verlangen nach ber Liebe — und als Einheit yon Then und Leinen Empfänglichkeit für das unenbliche Sur iſt, ſpricht befonders Ruysbroch und Tauler aus. Für Ehriftus ergibt fih da die Stellung bes Urbildes. Er bet was wir erſt zu füuchen haben: in ihm ift das höchſte Gut zu menfchlahen Be fig geworben; er beweist die Möglickfeit der Menſchwerdung Gottes auch in ung, welche Gotiwerbung des Menſchen if. Aber wenn Chriftus nux in feiner Glorie und errungenen Majeſtät vor und fiebt, fo wilrde er ung, wie wir find, und wie wir und im Lichte der Liebe erkennen, wieder richtend und fremd gegenüber bleiben, wenn nicht die Myſtik (m Tauler) zu feiner Niebrigkeit, Milde, Demuth, zu feiner irdiſchen Erſcheinung zurüdichaute. Auf ihn in feiner Erniedrigung, in feinem Leiden richtet ſich nun ver liebende Bid. Da iſt er wie wir, und erreichbar; bie Nach folge des armen Lebens Jeſu wird nun das Loſungs⸗ wort ber immer mehr ethifch und praltiſch fich geſtaltenden Myſtil Seine von uns wit durchlebte Niedrigfeit wird feine Hoheit auch zur unſrigen machen. Aus dem Urbild iſt ex fo lebenswarmes, feffelades, ermuthigendes Borbild geworben. Rückbl. aufd. chriſt. Fortſch. d. Mpft. Chr. verfühndes Leid. nieht erkannt. 483 Aber auch hier kehrt eine voreilige Gleichſtellung mit Chriſtus wieder. Jene im Mittelalter in fo manchfachen Formen vor⸗ kommende empiriſche Nachahmung Chriſti (wohin nicht blos De Stigmata, und die änßere Armuth ‘des Lebens, fon: dern auch die Nachahmung und das Nachbildenwollen der Seelenſchmerzen Ehriſti und der Maria gehören) bat ihren tieferen Grund in der Vergeſſenheit des Umerſchiedes der Reiben Ehrifti ven ben unfrigen. Jene Pflege bes Mitleids mit Maria unb Jeſu fest voraus, daß in foldhem Leiden der Schmerzen wit- fühlender Liebe fchon an fi ein gutes gottgefälliges Werk ent- halten fei; fie behandelt Chrifti Leiden als bedürfte er unferes Mit- leids oder als follte unfer Leiden, in das er und ziehen will, dem feinigen gleichartig fein, ein Leiden von Schmerzen für bie Sünde der Welt; da will biefes Mitleid mit Chriſtus fich Durch Leiden zur Miterlöſerſchaft der Welt erheben, °°) im beften Kalle will es unter dem Kreuz bie Liebe, .Bergebung, ‘Milde gegen bie Menſchen lernen; aber feiner eigenen Sünde und beſonders Schuld gebentet es wenig; es wiegt ſich lieber im bie füßen Schmerzen einer natürlichen mitfühlenden Liebe ein, ald Daß es unter dem Kreuze ſich gerichtet aber auch ſich in feiner Schuld serfühnt willen wollte. So befenbers bei Suſo. Tauler in feinem tieferen Ernſte fpricht zwar von der Höllenfahrt bie wir zu befiehen haben. Aber bald fcheint ihm biefe Reue felbk wieder verfühnende Kraft zu haben, zufammen mit täglichem Sünbenbefenntuiß vor Gott; bald fordert er die Liebe u Bott nach Chriſti Beifpiel und werfichert daß barin, wer fie habe, die Seligfeit und zwar unverlierbar gegeben fei; bald, als ob er doch zeweifelte ob auf jenem Wege ber bloßen Korberung ober des Beifpiels Chrifti ſich die Liebe zu Gott von felbft einftelle, fogt er: für unfer Exil fei ber nadte reine Glaube, nicht der von guten Werfen veriaflene, aber der Glaube, ber nichts von fühlbarem Troft zu empfangen verlange (vgl. bei Sur. ©. 237. 447 #., 160. 692). — Se fünnte Niemand fprechen, in welchem das Leid feine Tiefe — in dem Schuldbewußtſein gefunden hätte. 56, Anch fpätere Moftifer in der proteft. Kirhe find zum Theil Hiezn zurüdgefallen. 484 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. Wenn nun aber Chriſtus nur als Urbild myſtiſcher Liebe oder Vergottung, und als Vorbild einer die Welt umfaſſenden Liebe gedacht iſt, ſo bleibt ihm doch nur eine zufällige, äußer⸗ liche Stellung. Er iſt der Myſtik nur eine hiſtoriſche Perſon, sicht eigentlich Gegenſtand des religidfen Glaubens. Selbſt das Wort Glaube an Ehriftus kommt kaum bei ihr vor, obwohl fie mit der Trabition nicht bricht und fich felbft den eigentlichen Stand der Sache durch Vermifchung des ewigen Sohnes und Ehrifti oft verdunkelt. Dafür kommt fie aber auch, fo hohe Worte und Berbeißungen fie macht, zu dem Einen nicht, dem Frieden: und doch iſt es, wie zu Anfang bemerkt, der Seele Seeligfeit auf die ihre Sorge im Imerſten fich richtet. Sie klagt immer wieder Über ben Wechfel bes zeitlichen und des ewigen Bewußtfeing; fie weiß das rechte und das linke Auge nicht zu⸗ gleich zum Sehen zu bringen. br inneres Leber alternirt zwifchen Momenten des tiefften Leides, des Gefühle der Gott⸗ verlaffenheit oder „des Seins ohne Troft“ und zwifchen Mo⸗ menten ber höchſten Freude, wo fie in Wonnegefühl und Gottes⸗ fülle zu zerſchmelzen glaubt;. aber die wahre Einigung beider fehlt ihr, weil ihr die wahre ethifche Vertiefung beiber noch ab- geht. Hätte fie den Schmerz in feiner Tiefe ald Schulbbeinußt- fein. und ebenfo den Gegenſtand der Freude als bie barmher⸗ zige, bie Schuld vergebende Gnade: fo fuchten, fo deckten fi beide; und der Glaube an den Verſöhner ber Schuld wäre bie Bermählung des wahren Leides und der wahren Freude, - bie nun’ nie mehr auseinanderftrebten, fonbern- in unauflöglicher Eins heit fich zur bleibenden Grunbftimmung eines neuen Lebens eig: neten. Sp aber trägt auch dieſe edelſte Geftalt des Mittelalters deſſen Muttermal, ben unverföhnten Dualismus an fi. Und wenn wir nun gefehen haben, Twie biefer unüberwundene Dua⸗ lismus fi) in ber damit gegebenen unvolllommenen Ehriftologie zeigt, die zwifchen einem höhern Ehjonitismus unb zwifchen Do: ketismus fchwanft, fo werden wir auch zu der Hoffnung berech⸗ tigt fein, dag entweder nirgends oder da, wo für jenen Dualid- mus bie Einigung erreicht iſt, die Stätte fein werbe wo eine sollfommnere Chriſtologie ſich erbauen kann. Rückblick auf d. german. Myſtik. Nic. v. Eufa. 485 Ans derjenigen Bahn, die der Reformation zuführen mußte, wird die Myſtik durch den Bilchof von Briren Cardinal Nico⸗ laus Cufanus (von Cus im Trierfchen) und durch Ber⸗ thol dts fog. deutſche Theologie (f. u.) in der Hauptfache nur abgelenft. Wir gewahren bier eine Myſtik, welche im Rück⸗ gange zum kirchlichen Dogma begriffen und bad abenpländifche Correlat des Nicol. Cabaſilas il. Cuſanus blühend um die Zeit bes florentinifchen Concils, hält zwar viel von Meiſter Edhart*”) wie von Joh. Scotus Erigena (der bei ihm Seotigena heißt), aber von den anbern Häuptern der germani- fen Myſtik ſchweigt er. Von ber ethiſchen Myſtik, welche wo ſie regelrecht fortſchritt immer mehr die Sünde und Schuld ins Auge faßte, lenkt er zur rein theoretiſchen oder ſpeculativen über für welche die visio Dei die Hauptſache iſt. Daher hat er mehr innere Verwandtſchaft mit dem Pſeudoareopagiten, der bei ihm bie höchſte Autorität genießt, und mit Erigena, David von Dinanto, von welchen er ſich namentlich die negative apo⸗ phatiſche Theologie aneignet, ſowie die intellektuelle Anſchauung. Jene hat ihm die Aufgabe, die hergebrachten Begriffe und ihre Gegenfäge kritiſch aufzulöfen, das gewöhnliche verſtandesmäßige Denken zu verwirren und durch Antinomieen über ſich ſelbſt d. h. über ein vermeintliches Wiſſen hinauszuführen und zum Geſtändniß des Nichtwiſſens zu bringen. Dieſer dialektiſche Theil iſt ihm das Thor zur Weisheit; und das Reſultat dieſes kriti⸗ ſchen Proceßes iſt ihm die Erkenntniß des Zuſammenfallens ber Gegenſätze oder Widerſprüche (Coincidentia contradictoriorum) in Gott z. B. der universalia und particularia in der gött⸗ 0, Vergl. das Werk eines begeiſterten Schülers von Nicolaus: Apologia doctae ignorantiae in ben Opp. Nicolai Cusae Cardin. Paris. 1514 T. I, fol. 88. 39, wo eine ganze Reihe von Werken Ed: barts angeführt find, welche zu feiner Zeit auf Bibliothefen noch vorhanden waren (sermones multi, disputata multa, multe expositorla opera super plerosque libros biblise, worunter namentlich scripta super Joannem und fremde Auszüge aus denfelben erwähnt wer: den.) Endlich nennt er eine eine Bertheidigungsichrift Ed - barts, die er, Nicolaus, bei Mag. Guldenſchaf gelefen in Mainz. \ Dorner, Chriftologie. II. te Aufl. 32 486 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. lichen Visio; des Seins und Wiſſens, der Aufeinanderfolge und ihres Gegentheils, der Sichtbarkeit und Unfichtbarfeit, ja bes Schaffens und Gefchaffenwerbens..°%) Während aber ber ſpä⸗ tere Nominalismus diefe Antinomieen in reine Slepſis aus: laufen ließ, welche angeblid um fo mehr dem Kirchenglauben in bie Arme treiben ſoll, in der That aber ihn. aufs Tiefſte er: jchüttert, und für ihn nur einen geiſtlos trägen Trabitionalismug übrig läßt, eifert Nicolaus fehr fowohl gegen biefen Mechanis⸗ mus ald gegen jenes ffeptiiche Ende. Er will Die Sfepfis nur als Stachel, um zu einer höhern Form des Erkennens durch ben Glauben zu gelangen, ber ihm aber wie gefogt rein theo⸗ vetifche Bedeutung bat. ©) Die Ignoranlia ift ihm nur das Nichtwiffen des empirifchen Denkens; und er verfucht weit ener- gifcher als jene früheren, es auch zu einem affirmativen Wiffen zu bringen. Hiefür ift er theils durch bie Früchte der Scholaftif, theils durch Kenntniß der arabifchen Naturphiloſophie, die im Mittelalter weniger beachtet war, eines Algazel, Avicebron, Avicenna, vor allem aber durch feine eigenen mathematifchen und naturbiftorifchen Kenutniffe, die er befonders durch eine Art von Zahlenmyſtik für die Theologie zu verwenden fucht, fowie durch feinen ausgezeichneten Scharflinn ausgerüftet. Wir verweilen bei feinem: Spflem nur in foweit als es für dag Verſtãndniß ſeiner abriſologe von Wichtigkeit iſt. °?) vgl. de doeta iggorantia L. I, 22. 24. De Visione dei liber plus c. 9—12. 61) vgl. de filiatione Dei, wo als Refultat herauskömmt, daß die generatio filiorum Dei die Erfenntniß fei, die aus dem Glauben, tem Hören und Annehmen ber göttlichen Worte entfiehe. Bon einem religiös-fittlichen Proceß find nur pünne Spuren da. Die religiöfe Seite tritt mehr hervor in der am meiſten myſtiſchen Schrift de visione Dei. . Bergl. Dr. 5. 3. Elemens, Giordano Bruno und Rico- laus von Eufa, Bonn 1847; eine panfenswerthe und befonders in der Bergleihung der Benannten beachtensiwerihe Abhanblung, die aber die Originalität des Mannes überſchätzt, was fih ſchon aus ver großen Literatur der Männer hätte ergeben follen, auf die ih Nicolaus als auf Zeugen für fich beruft, vgl. bef. Apo- 6. ® Nur Nicol. v. Eufa. Seine Erfenntnißtheorie. 487 Die Nothwendigfeit der Dienfchwerbung des Wortes er gibt ſich ihm ſchon aus feiner Erkennmißtheorie. Wir haben zwar auch eine finnliche Erfenntniß , aber die Sinnlichfeit macht ung gleichfam zu krummen Spiegeln, die das in fie bineinfallende Bild verfälfhen; denn alle finnlihe Erkenntniß faßt die Dinge nur in ihrer Einzelbeit und einfeitig auf. Nun bearbeitet zwar ber formale Berftand biefe Anfchauungen, und findet, das Aehn⸗ liche zufammenfaflend, höhere Begriffe von Arten und Gattungen, Allgemeinbegriffe (Universalla). Der Rominalismus, ihren ſub⸗ jectiven Urfprung nachweiſend, meint. damit bie objective Wahr⸗ heit und Erfenntniß befeitigt zu haben. Auch hat die Sfepfie einerſeits vollfommen Recht. Sie muß nur noch tiefer gehen, auch die Wahrheit und Sufficienz ber finnlichen Erfenntniß in Zweifel ftellen, vielmehr ift nemlich in ung auch ein Keim von Einſicht (intellectus), die höher .ift als die blog natürliche (der ratio) und biefer ift e8 gerade, dem das empirifche und blog verftandesmäßige Erfennen nicht genügt. Der Intellectus muß freilich erſt gewedt werden und dazu find. Anregungsmittel von auffen nöthig (incitamenta). Welcherlei nun? Wären unter biefen Anregungsmitteln nur finnliche endlihe Dinge, jo würben wir ſtatt zum Schauen der Wahrheit in ihrer Ganzheit zu gelangen, immer nur bei -Einzelbeiten, die zugleich Einfeitigfeiten. wären, ſtehen bleiben. Nun ift aber der Sohn, der Menſch gewordene, der aufrechte, gerade Spiegel der ganzen Wahrheit, Gottes felbit. Durch ihn daher iſt aud für ung ber Antheil an der ganzen Wahrheit möglich: aber freilich, da wir auch ihm gegenüber zu⸗ nächſt nicht gerade und. treue, fondern krumme Spiegel find, nur daburch, daß wir jener finnlid) verftändigen antinomieenreichen Scheinerfenntnig ung entfchlagen in ſocratiſchem weiſem Nicht: wiffen, um im Glauben ihm, dem geraden Spiegel ftille zu logia doct. ign., wo die Angaben des Schülers hierüber durchaus anf Olaubwürdigkeit Anfpruc machen. Daffelbe Refultat wird fih aus dem Folgenden ergeben. Die Schriften, welche für feine Chriftologie befonvders in Betracht fommen, find: de docta igno- rantis das britte Buch; de visione Dei c. 19—25; das Büchlein de filiatione Dei; ſodann Manches aus f. Excitstiones u. U. 32 * ‘ A88 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. halten. Mit ihm vereinigt und. durch ihn immer mehr göttliches Leben in ung ziehend werden auch wir gerade und treue Spiegel ber Wahrheit, Gottes felbft und in ihm aller Dinge. So fpiegeln wir. Alles in und ab und wiſſen Alles, und Gott fpiegelt fich in ums. 6%) In Chriftus hat fih das ewige alles umfaflende - Wort in Zufammenziehung geoffenbart, um und fo nahe zu kommen und durch Anregung ber intellechsalen Erfenniniß zur höhern Wiffensftufe (zum Magisteriam) zu führen. Was iſt mm aber Inhalt diefes Wiffens? Gott und Welt, das Eine und’ das Biele, beide untrennbar verbunden. Jene negative Theologie, die er auch die mpftifche nennt, führt zunächft zur Auflöfung aller beraubenden befchränfenden Säge, aber auch zu der fchlechihin höchſten Einheit, in der alle Gegenfäge zur Indifferenz zufammenfallen, das Größefte und das Kleinſte. Während alle. Dinge auffer Gott empfänglich find für das Mehr und Deinder, fo find fle ausgefchloffen von dem abſolut Kleinſten und Größeften, können dieſe Gränzen nie erreichen, fonbern bewegen ſich nur. zwifchen benfelben ; fie. find eben empirifch gegeben ald das was fie find, und fallen nicht mit dem Begriffe, fei es dem abfolut Größten oder Klein⸗ ſten zufammen. Dagegen Gott iſt das Abfohıte in jeber Bezieh⸗ ung, alſo auch das Kleinfte, aber fo dag er auch das abfolut Größte ift, nur intellectuell erfaßbar. Diefes Eine abfolut Höchfte (identitas absoluta) ift unmittheifbar, unverfenfbar, nicht zu: fammenziehbar zu Dem oder Jenem, ewig gleich und unbeweg: lich in fih. Es ift zunächſt die Möglichkeit von Allem, aber auch die vollkommene Wirklichkeit aller feiner Möglichkeit und endlich die Einheit oder das Band der Möglichkeit und Wirklich⸗ feit. Das ift ihm bie Trinität. Während nun Gott. unendlich ift in dem negativen Sinn, daß es nichts Kleineres noch Größeres als Gott geben kann, weil er allein abfolut ift in feder Bezieh⸗ 63, De Niliat.”dei: Cognitio (die Verſtandeserkenntniß) per similitudinem est; intellectus autem, cum sit intellectualis viva Dei similitudo, omnia in se uno cognoscit. Tuno autem se cognoscit, quando se in ipso Deo, uti est, intuetur. Hoc autem tunc est, quando Deus in Ipso ost ipse. — — Nicolv. Cuſa. Die wahre Erkenntniß durch d. Sohn. Bott u. Welt. 489 ung, fo ift Dagegen bie Welt nur privativ unendlich, fie iſt un- begrängt. Es kann fein AU geben, das actu größer wäre als die Welt if, und fie alfo begränzen könnte. Denn fegte man, daß das AH immer actu größer fein Könnte, als es actu ifl, fo bieße das, ed Fünnte actu unendlich werben, wie Gott, was nicht möglich ift, da das Abfolute nicht aus dem Können hervorgeht, fondeen ewig das ift, was es fein kann, alles Geworbene aber nur aus einem Können hervorgieng, d. i. ward was es konnte, welches Werdenkönnen aber auf ein Wirkenkönnen zurückweisſt, Das dem beiwohnt, der abſolut und ewig wirklich iſt was er ſein kann. Sonach iſt die Welt zwiſchen die Grenzen des Größeſten und Kleinſten eingeſchloſſen, die ſie nicht berühren darf; ſie könnte größer und kleiner gedacht werden als ſie iſt, aber ſie könnte nicht actu ing Unendliche fort größer oder Meiner fein, weil fie fonft müßte das Abfolute ſelbſt fein können. Es muß, wenn es eine Welt geben foll, eine gebundene Potenz, ein befchränftes Können geben. Das Universum hat an fih die Zufammenge- jogenheit (contraclie); denn es eriftirt gar nicht anders als in der Weife des Zufammengezogenfeing, als Dieſes und Jenes. Während daher bie Einheit des Höchſten abſolut in fich ruht, exiſtirt bie Einheit bes Univerſums nur in Bielheit, in Zufammen- gezogenheit. *°) Das Viele aber, in welches ſich das Universum actu zufammengezogen bat, kann nicht vollfommen gleich fein, fonft würbe es zufammenfallen. Was nicht verfchieden ift, ift Daſſelbe. Daher muß Alles von einander verfchieben fein nad Gattung, Art, Zahl, und fo unterfcheivet ſich Alles von einander durch Grade, fo daß feines mit'vem Andern zufammenfällt. Keine einzelne Zufammenziehung kann genan die Stufe ber andern theilen, ſondern jedes muß jedes Andere liberfchreiten ober von ihm überfchritten werben. Alles Zufammengezogene fteht daher zwiſchen einem Größeften und zwiſchen dem Kleinſten. Was auch e Das erinnert an D. Scotus und fleht beveutend Über jener nur quantitativen Theilung des Abfoluten, der fih Thomas no nicht entfchlug; obwohl Nicol. v. Eufa fonderbarer Weife bie Willensfreiheit nicht als Princip der Contractio benüßt, ſucht er doch die ſeotiſtiſche und thomiftifche Lehre in dieſem Punkt zu vereinigen. 490 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. gegeben fei, es iſt ein größerer und ein Heinerer Grab ver Zus fammenziehung benfbar, nur daß fein wirklicher processus in infinitum actu berausfommen darf, denn das brächte eine Uns enblichfeit von Graben; biefe aber anzunehmen wäre eben fo viel als feinen zu fegen. Zum fchlehthin Höchften und fihlechihin Riedrigſten fann alfo nicht aufs oder abgefliegen werben, fonbern alles Zufammengezogene kann mehr oder minder zufammenges zogen fein als es ift, hält ſich alfo in einer Gränze, die ed nicht berührt. Die erfte allgemeinfte Zufammenziehung bes Univerfums ift die in Gattungen, welche gradweiſe von einander müſſen ver- fhieden fein. Die Gattungen wiederum eriftiren nur zuſammenge⸗ . zogen zu Arten und diefe eriftiven allein in Individuen Wie es daher nach ber Natur des Zufammengezögenen fein Individuum gibt, auffer unterhalb der Gränze feiner Art, fo kann auch fein Individuum die Gränze ber Gattung ober gar bes Univerfums erreichen, obwohl jedes eine eigenthiimliche Zufammenziehung bes Univerfums, d. h. an fih das Ganze ift, aber nicht actuell, fondern in zufammengezogener. (gebundener, limitirter) Weiſe. Mehrere Individuen derſelben Art müffen verfchiedene Grabe ber - Bollfommenbeit haben; feines daher wird innerhalb feiner Art ſchlechthin vollfommen noch ſchlechthin unvollfommen fein; feines wird die Gränze feiner Art berühren ober erreichen. Ebenſo feine Art erreicht die Gattung, feine Gattung das Univerfum; es bleibt eine Weite oder Breite des Möglichen aufler dem Wirktichen, und das Univerfum erfchöpft nicht Die ſchlechthin abfolute gött⸗ fihe Macht. Alles was ift, bewegt fich zwifchen dem Größeften und Kleinften, und Gott ift Anfang, Mitte und Ende des Uni⸗ verfinns und der Einzelnen, damit Alles, mag es auf⸗ oder abe fteigen oder die Mitte fuchen, Gott fich nahe. Alles aber, Gat⸗ tungen und Arten, ift burch ihn fo verbunden, baß es in der Mitte zufammenfällt: 3. B. die höchfte Art einer Gattung mit der niebrigften der nächft höheren Gattung, damit fie Ein Con tinuum , ein vollfommenes Univerfum bilden. Alle Berkettung aber geht durch Grade hindurch oder Stufen; zur Höchſten wird nicht gelangt, denn biefe ift Gott. Aber auch Dasjenige was einerfeitd die höchſte Ark der einen Gattung ifl, anbererfeitd bie Nicol. v. Enfa. Die Unterſchiede im Univerfum durch Contractio. 49 niebrigfte der nächfihöheren, iſt nicht etwa eine Zufammenfegung aus zwei Arten, an beiden gleich Antheil habend, fondern eine eigenthinnliche Zufammenziehung, bie aber Mittelglied iſt. Seine Art fleigt alfo fo weit herab, daß fie die abſolut kleinſte ihrer Gattung wäre; ſondern bevor fie bei dem ſchlechthin Kleinſten ihrer felbft anlangt, verwandelt fie fih oder fchlägt fie über in eine andere, eigene Art; und ebenfo nach oben. Indem 3. B. in der Gattung der befeelten Wefen (animalitatis) die menfchliche Art einen höhern Grad unter dem finnlich = Erfennbaren zu er- reichen ftrebt, wird fie in bie Bermifchung mit Dem intellectualen Weſen emporgerifien ; doch bat im Menfchen noch die finnliche Ratur das Vebergewicht, während fie vielleicht in andern Wefen es nicht mehr hat, Die dann befler intellectus als befeelte Mefen hießen. So ift nichts im Univerfum, was micht einer &igen- thümlichfeit (singularitas) ſich erfreute, die in keinem andern auffindber ift; feines übertrifft alle in Allem; feines iſt einem in Allem gleich. Denn bit indivibuirenden Principien können in feinem Individuum in ſolcher harmoniſcher Proportion zuſammen⸗ treffen, wie im andern. #5) Wenn nun aber die ganze Welt nur in Form verſchiedener Arten der Zuſammengezogenheit exiſtirt, ſo kann ſie nie das Größeſte ober Bott erreichen; denn das Größefte iſt eben da⸗ durch das Größefte, daß alle Möglichkeit der Vollkommenheit auch actuell iſt, während die Zufammenziehung, olme welche eine Welt nicht wäre, irgendwie eine gebundene Möglichkeit, bie nicht Wirk⸗ fichfeit iſt noch.actn werden kann, ausfagt. Und ba ebenfomwenig das Größefte, Gott, in zufammengezogener Weife eriftiren kann, jo feheint alfo von beiden Seiten eine Menfhwerbung Gottes, deren Nothwenvigfeit er doch bewies, unmöglich. 9%) In der That fagt er auch, 6°) die Einheit der menfchlichen 6) De docta ignor. L. I, c. 4. 5. 10. 16. L. I, 1-7 und II, 1. se, ebendaſ. TI, 2. *:) De visione dei c. 20. Ostendis mihl, lux indeflciens, maximam uni- onem, qua naturs humana in Jhesu meo est tuae naturae divinae unita, non esse quovis modo infinitae unioni similem. Unio enim, “ qua unione tu Deus pater es unitus Deo filio tuo, est Deus spiritus 492 Zweite Periode. Zweite Epoche. Cinleitung. Natur Chrifti mit der göttlichen fel nicht Die abfohıt höchſte und größefte; fie komme ber trinitarifchen Einheit der Perfonen nicht gleich. Denn während die teinitarifche wefentliche und abfolute Identität iſt, fo fünne dagegen Die menfchliche Natur mit der göttlichen in eine folche unio essentialis nicht eingehen; das Endliche könne mit dem Lnenblichen nicht in unenblicher Weiſe geeinigt fein, bemm fonft ginge es in bie Identität mit dem Unenblichen über und hörte auf endlich zu fein, wenn es wahrhaft unendlich wäre. Es könne aber auch die allen Berftanb überfleigenbe Unio in Chriftus nicht als Einigung von Entgegengeſetztem (diver- sorum) begriffen werden. Denn bie abfolute Größe, bie Gott it, kann nicht anderes Entgegegengefebtes haben, da fie felbft Alles if. Auch nicht fo kann die. Sache gedacht werben, wie Theile verbunden werben zu einem Ganzen, denn Gott Tann nicht ein Theil fein. Auch kann Gott nicht gebacdht werden, wie bie Form (das formende Princip, die Seele) im Verhältniß zur Materie, denn Gott kann mit der Materie ſich nicht miſchen. Auch nicht aus Gott mb der Kreatur zufemmengefegt Tann Chriſtus fein, denn eine Zufammenfesung aus der abfoluten Größe und aus einem Zufammengegogenen ift nicht: möglich. Dächten wir ihn ald Gott felbft, fo täufchten wir und, denn bie Kreatur ändert ihre Natur nicht; dächten wir ihn als Kreatur fo irrten wir wieder, denn bie abfolute Größe bat fein Bedurf⸗ niß nach einer Natur. Man ſieht, er nimmt die Aufgabe nicht ti Wie löst er fie nun? — {ran sanctus ; et ideo est infinita unio. Non sic, ubi natura humana unitur divinae. Nam humana natura non potest transire in unionem cum divina essentialem, sicut finitum non potest infinito infinite uniri ; transiret enim in identitstem infiniti et sic desineret esse fini- tum, quando de eo verificaretur infnitam. Qua propter haec uhio, qua natura humana est naturae divinae unita, non est nisi attractio naturae humanae ad divinam in altissimo gradu. Itaque natura ipsa humana ut talis elevatius ’ attrahi nequit: maxims igitur est unio ejus natura humanae ut humanae ad divinam, quia major esse ne- quit. Sed non est simpliciter maxima et infinite, ut est unio divina Chriſtologie des Nicol. v. Eufa. 493 So verſchieben das Univerſum von Gott iſt und ewig bleibt, fo daß weder Gott kann Welt noch bie Welt Gott werben, fo wäre ed doch auch wiberfprechend, wenn er mur außerhalb bes Uni⸗ verfums, wenn er nicht auch Anfang, Mitte und Ende ber Welt wäre. Er will und muß eine innige Beziehung zu dem Zus fammengezogenen haben. Wäre bie Zufammenziehung felbft nicht vereinbar mit Gott, wie fünnte bie zufammengezogene Creatur von dem abſoluten Sein Gottes ber fein?) Es muß alfo yon Seiten der Ereatur möglich wie für Gott nothwendig fein, daß er mit dem Univerfum ſich einigt, und feine. Einigung mit demfelben muß eine univerfale fein; er muß mit allem als An fang, Mittel und Ende geeint fein. » Auf welche Art kann nun das wirflich gefchehen? Er antwortet: mur in der Natur ber Menfchheit. Die Ordnung ber Natur fordert, daß Einiges niebrigerer Natur ift, wie das Leblofe und bas Geiſtloſe, Ans deres höherer Natur, wie bie Geifter, Anderes mittlerer Art. Wenn nun die abfolute Größe in allgemeinfter Weife das Sein von Allem ift (entitas universalissime omnium), fo ift Kar, bag dasjenige. Wefen am meiften vereinbar mit dem Größeften it, das mehr Gemeinſchaft mit dem A bat. Nun entſpricht dem am meiften bie mittlere, menfchliche Natur: fie verknüpft als mittlere in fi die Ertreme ber niedrigeren unb höheren Raturen, indem fie zugleich bie höchfle ber niebrigeren und bie niebrigfte der höhern Naturen if. Daher kann nur fie durch die Kraft des höchſten abfoluten Gottes erhoben werben; und ift fie nach allen Seiten ihres Weſens zur Einheit mit ber abfos Iuten Größe emporgeftiegen, fo find in ihr alle Naturen unb das ganze Univerfum in jeder möglichen Weife zu ihrer höchſtmög⸗ e6) De docta ignor. L. II, 3: quomodo enim creatura esset contracte ab esse divino absoluto, si ipsa contractio ipsi unibilis non esset, — per quam ouncta, ut sunt ab ipso qui absolute est, contracta exi- sterent, ac ipsa ut sunt contracta, ab ipso sint, cui contractio ost summe unita, ut sic primo sit Deus creator, secundo Deus et homo creatä bumanitate supreme in unitatem sui assumtä ‚ quasi sit uni- versalis omnium contractio, aequslitati omnia essendi (i. e. Deo, in quo maxima et minima coineidunt), hypostatice units. 494 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. fichen Stufe gelangt. Die menfchlihe Natur iſt, weil fie alles, das Sinnliche und Geiftige in fi zufammenfaßt, Mierocosmus von. Alters ber genannt worben. Iſt -alfo fie erhoben in die Einheit mit der höchften Größe, fo ift die Fülle aller Vollkom⸗ menbheiten ber Einzelnen und bes Univerſums wirflich gegeben und Alles erreicht in ber Menſchheit feine höchſte Stufe. *%) Nun eriftirt freilich die Meenfchheit nur zufammengezogen, in Diefem und Jenem (in einer Vielheit). Wie fommt er alfo auf die Unio mit Einem? Nach feinem obigen Grunbfag von der Spentität deſſen was nicht unterfdjeibbar ift, kann er fagen: Zwar die abfolute Unio ift nur in der Trinität möglich, aber die höchſte mögliche Unio mit einem Menſchen ja mit ber Welt fann ſich nur an Einem Punkte vollziehen. Er fucht auch zu zeigen, wie biefer Eine vollfommen genügen müßte, wenn er wäre. Kann die abfolute Größe vollkommen nur mit Einem ſich einigen, fo iſt diefer Menſch ebenfo Gott wie Menfch und umgefehrt, die Bolls fommenbeit des Alls, in allem den Borrang haltend. In ihm fielen, wenn er wäre, die Heinfte, größte und mittlere Natur, geeint mit der abfoluten Größe, fo zufammen, daß er die Vollkommenheit aller wäre, und Altes, wie e8 zufammengezogen iſt, in ihm als im feiner Bollfommenheit ruhte. Durch ihn erhielte Alles Anfang 6) Ependafelbf c.3. Diefer Gedanke kehrt dann auch abgefehen yon Jordano Bruno bei Marfilius Ficinus und zwar chriſto⸗ Logifch wieder. Bgl. f. Schrift: De religione christiana et fidei pietate. Argent. 1507. c. 16 — 23. c. 16: Summus opifex summum ‘manifestumgue debet opus efficere. Diefes Größefte ann nicht ein Ungefchaffnes fein, denn das wäre vielmehr- Gott ſelbſt; fein Ges fhaffenes, denn das wäre endlich. Es Hat aber in der Mitte zwifchen Gott und Kreatur noch ein Höheres Raum, nemlich ein aus Gott und dem Denfchen Zuſammengeſetztes. Der Menſch eignet fi hiezu, denn anima hominis est quodammodo omnia, praesertim cum sit in corpore ex omnium viribus composito coelique Instar teniperatissimo. Decet autem Deo communi omnium duci universam creaturam quodammodo jungi, non quidem sparsim, quia Deus summa unitas est, immo vero summatim. Naturae igitur humanae Deus uniatur oportet, in qua sunt omnis. Diele Berbin- dung fih beziehen anf bie Alles’ einigende Mitte, follte darin fich auf Alles beziehen. Chriſtologie des Nicol. v. Eufa. _ 495 und Ende ber Zufammenziehung, ja durch ihn, der das Größeſte unter dem Zufammengezogenen ift, gienge alles hervor in fein zuſammengezogenes Dafein, und ebenfo zurüd in das Abfolute, durch ihn als Mitte und Ende ber Zurüdführmg in Gott. Er begründet nun bie Wirklichfeit eines ſolchen Gottmenfchen, der die lebendige Mitte des AUS, ja Cideell, nicht zeitlich) der Ent⸗ Hehungsgrund und das Ziel des Univerfums ift, abgefehen von dem Obigen (S. 488), aus Gottes Güte und Macht. Dem Bollfommenen und Allgütigen widerſpricht Das nicht, was ohne Veränderung oder Verringerung feiner durch ihn gefchehen kann: ed entfpricht vielmehr der Unenblichfeit feiner Güte, dag Alles in angemeffener Drbnung von ihm und zu ihm aufs Beßte und Bollfommenfte gefchaifen fei. Die Wirkung biefer Liebe kann nicht mangelhaft bleiben: fondern wie er felbft fchlechthin groß ift, fo if fein Werk möglichft dem Größeflen nahe. Seine Pracht aber ift nicht befchränft durch eine Kreatur, denn nichte iſt außer ihr, fie ift unendlich. Es Fönnte daher, weil Feine Kreatur die Gränze feiner Macht ausfagt, zwar jede gegebene Kreatur von einer noch größeren übertroffen werden, bie er fchüfe. Aber wenn ein Menfch zur Einheit mit feiner . Macht erhoben wird, fo daß derſelbe nur in ber Einheit mit biefer fein Beſtehen bat, fo ift jene Macht nicht Durch eine Kreatur begrängt, fondern bleibt begränzt nur durch fich ſelbſt, es kommt aber zu Stande die volltommenfte Wirkung der unendlichen, unbegränzten, göttlichen Macht, Bieienige, an ber er es nicht darf fehlen laſſen, fonft wäre weder Gott Schöpfer, noch wäre eine Kreatur. Bon dem höchſten Gott follte alfs durch Vermittlung ber univerfalen Zus fammenziehung, d. i. der Menſchheit, das Dritte, nemlich das ALL in feinem zufammengezogenen Sein hervorgehen, nicht als wäre dieſe Ordnung zeitlich zu nehmen, fonbern überzeitlich nach Weſen und Orbmung der Bollfommenheit. ?%) Es hätte alfo Gott °°, Ebendaſelbſt c. 3. Exeitationum L. VII. Fol. 148 b. Da Gott ſprach: Laſſet uns Menfchen machen, fo dachte er an ben wahren fubftanziellen Menſchen (Chriſtus), und Adam, obwohl zeitlich vor Chriſtus, ift intellectualiter nach ihm, nach feinem Bilde darin bie 496 Zweite Perlode. Zweite Epoche. Einleitung. das All und feine Vielheit gar nicht fchaffen können, wenn er nicht auf biefen Gottmenfchen gezielt hätte, in welchem die Welt erft ihre zufällige Vielheit und Befchaffenheit, die größer ober Heiner fein könnte, verliert, mit dem höchſten Möglichen vertaufcht, und jo zugleich eine Einheit, wie vollendet wird. Ohne ihn als Ziel der Welt wäre in der Welt nur ziellofe Dlachtbeweifung, bie ihr Höchftes nicht erreichen Tann und darf: denn bie Welt für fih muß ja in jener Mitte bleiben, über bie hinaus immer ein Höheres und Niebrigered gedacht werden kann. Erſt im Gott menfchen deckt ſich die höchſte Möglichkeit und Wirklichkeit ; aber allein, dadurch, daß in ihm nicht Das Enbliche für fich die hoͤchſt⸗ mögliche Stufe erreicht, fondern dazu durch fein Aufgenommenfein in die höhere abfolute Perfünlichfeit des Sohnes Gottes "gelangt. Man fieht alfo bier von neuer Seite, wie unerläßliche Noth⸗ wenbigfeit für fein ganzes Syſtem ihm die Lehre vom Gottmen⸗ ſchen bat; nicht minder aber auch, wie wefentlich für ihn, um für einen Gottmenſchen Raum zu fehaffen, die Unperfönfichfeit ber menfchlichen Natur ifl. Durch Denjenigen, der Gott und Menſch zugleich if, iſt Gott mit dem Univerfum verbunden, ‚erreicht die Menfchheit und - das Univerfum die höchfte ihr mögliche Vollendung. Das ſchlecht⸗ hin höchſte Mögliche innerhalb_ der menſchlichen Art wäre nicht erreichbar, die Vollendung ber Menſchheit alſo nicht erzielbar auf dem Wege ber bloßen Erſchaffung immer gefteigerterer menſch⸗ licher Größen; denn da könnte einmal immer wieber eine noch größere gedacht werben, da die göttliche Macht durch nichts Ges gebenes begränzt werben kann; nach biefer Seite liefe alfo die bloße fchöpferifche Allmacht ung in den fchlechten progressus in infinitum aus. Andrerſeits, wirde eine beftimmte Gränze, (bie Grängfcheide zwiſchen Menfch und Engel) zu der hin es unend- lich viele Anmäherungen gibt, überfchritten, fo ſchlüge folche Stei⸗ gerung. ber menfchlichen Art in eine andere Art von Wefen über, bie Vollendung der menfchlichen Art aber zu ihrer fchlechthin höch⸗ Menfchheit in ver ganzen Fülle ihrer Vollkommenheiten gebacht iR, gefhaffen. Er, vie Waprpeit der Menſchheit if} daher prinei- pium, caput, primogenitus omnis creaturae. Chriſtologie des Nicol. u: Eufa. 497 fien. möglichen Höhe bliebe auch fo wieder ausgefchloffen. Das Schöpfungswerf Gottes bliebe unvollendet trog feiner ewigen aber ziellofen Sruchtbarkeit. Dagegen kann die menſchliche Art und durch fie die Welt vollendet werben und wirb es allein ba- burch, daß die abfolute Größe, ©ott, die größte Einigung ein- geht, die mit der Menfchheit überhaupt möglich ifl. Aber wenn mın fo. Gott mit bem Univerfum verbunden tft burch feine Einigung mit der Mitte, dem Mikrocosmus, wie ift denn die göttliche Natur felbft mit der menfchlichen in Chris ſtus geeinigt? Der Menſch nach feiner leiblichen Seite läßt ſich als ſinnliche Zuſammenziehung denken; fie iſt an ihr felbft zeitlich und vergänglich, fie iſt an- fih Thierheit (animalitas). Je⸗ doch ift im Menfchen auch die finnliche Zufammenziehung gleich fam in die intelleftuafe Natur verfeßt, und hat in ihr ihre Sub⸗ fiften; (subsistit, suppositatur), und der Menſch ift einerſeits bie böchfte Stufe in dem Gebiet der animalitas, aber fo daß er zu- gleich eine andre, ſpecifiſch verfchiebne Art if. Diefes nun ift von ferne ein Bild für die Unio in Chriſtus. Seine Menſch⸗ beit Könnte nicht die höchſtmögliche Bolllommenheit haben, wenn fie nicht ihre Subfiftenz (ihr suppositari) in der Gottheit, wie unfer Leib im Geift, hätte. Das Bild fei um fo mehr am fei- nem Orte, da die intelleftunle Natur etwas Göltliches,. vom Getheilten Abgelöstes ſei. Jeſu intelleftunles Wefen nun muß als ganz volffommened auch ganz 'actu exiſtiren; baber Tann es nur in dem intelleftualen Weſen Gottes, das allein actu Alles ift, fuppofitirt fein. Denn zwar der Möglichkeit nad) ift der Intellecetus in allen Menfchen das AU, und wächst flufen- weife von der Mögfichfeit in den Actus fo daß, je größer er wird, er deſto Feiner der Potenz nad if. Aber der Größefte, da er bie vollfommen actu exiftirende Gränze ber Potenz aller intelleftunlen Natur ift, kann nicht anders eriftiren ald fo daß er auch Daffelbe iſt was Gott, der Alles in Allen if. Er braucht noch das Bild von einem Polygon, das in einen Kreis eingezeichnet ifl. Der Kreis bebeutet die Gottheit, das Polygon bie Menfchheit. Das Polygon möge als das Größtmögliche ge⸗ dacht werben. Ein ſolches würde nun nicht in den begrängten 498 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. Winfeln an fich, fondern nur in der Peripherie feine Subftftenz haben, und wäre auch nicht einmal im Gedanken trennbar von ver Freisförmigen ewigen Figur. — Jedoch muß die Größe ber menfhlichen Natur nicht anf Zufälliges, wie Größe, Geftalt, Farbe, fondern auf das Subflantielle bezogen werben, 7') umb das ift die Weisheit. In Chriftus find die Schätze der Weis: beit und der Erkenntniß. Wie ein Lehrer die Geifter feiner Schüler zu fpeifen, feine Ideen, biefe inneren Geiſtesworte ihnen offenbaren muß, dieſes aber nur gefcheben fann, indem jenes innere Wort finnliche Geflalt annimmt, oder indem ber Geift bes Lehrerd aus angezogener Luft eine "Lautfigur dem geiftigen Wort entfprechend geftaltet, fo hat ber ewige Vater fein Wort, den Sohn, um unferer Empfänglichfeit gemäß bie Fülle feiner Erfenntniß und mitzutheilen, durch den h. Geiſt die menfchliche Natur anziehen laſſen.72) Der h. Geiſt hat aus dem veinen Blute der fruchtbaren Jungfrau den Leib zufammengewoben, wie die Luft durch DBefeelung angezogen wird und hat den Sohn fo geeinigt mit der menfchlichen Natur, daß ein Menfch das Wort. Gottes des Waters, und biefes Wort Das Centrum der Menſch⸗ heit war, und biefes Alles nicht allmählig, fonbern überzeitlich in einem Nu zugleih. Die Mutter aber muß das Centrum ihrer Fruchtbarfeit, nicht getheilt, diefem ihrem Sohn milges tpeilt haben, wie es fich für folhen einzigen und höchſten Sohn ziemte; deßhalb kann fie nicht fpäter wieder Mutter geworben fein, ſondern fie blieb ewig in ber Zungfräulichkeit. 8) Chriſti menſchliches Erkennen blieb aber auf Erden immer — — — 2h Ebendaſ. c. 4. 12) Ebendaſ. c.5. Ganz fo Marſil. Ficinus L.e. e. 17. 18. Auf die Kreaturen find nach ihm cogitationum Dei quasi quaedam voces extra prolatae. Er bezieht aber die Nothwendigkeit der Menſch⸗ werbung au auf bie Erlöfung, fa die Genugthuung für die göttliche Gerechtigkeit.) c. 18: Decuit Deum omnium effectorem perficere quae defecerant. — c. 23: Christus est idea et exomplar virtutum. Quid aliud Christus fuit, nisi liber quidam moralis immo divinae philosophiae vivens, de- coßo missus, et divina ipsa idea virtatum bumanis oculis manifesta? 22) Ebendaſ. e. 5. Chriſtologie des Nicol. v. Eufa. 499 von dem Alles umfaſſenden göttlichen Erkennen des Sohnes, darin es ſubſiſtirte, verſchieden. Denn obwohl auch das menſch⸗ liche Erfermen Alles umfaſſen kann, fo bedarf es doch der finn- lichen Bilder als Ayregung, während bas göttliche Erfenmen zugleich das Wefen der Sache in ſich trägt; denn es find in ihm bie Seinsgründe von Allem. Im menſchlichen Erkennen z. 2. it der Stein nicht ale Stein, fondern mır ein Bilb des Steins, und daher ift alles menschliche Erkennen bilbliches; im göttlichen, fchöpferiichen Erkennen aber'ift die Sache ſelbſt. Chriſti Wiſſen alfo war von ber Art, daß die volllommenfte bildliche Erkennt⸗ niß mit ber göttlichen geeint war. Daß bie erſtere nicht mußte von ber legtern verichlungen werben, fehe man daraus, daß ja auch im Menſchen das rein finnliche Sehen neben dem geifligen ſei und audi wohl für ſich auftreten könne. ”°) . Diefe Einheit der göttlichen und menfchlichen Natur ift und bleibt aber unaufhörlich. Auch der Tod Chriſti if Feine Zer⸗ trennung berfelben. Sene Einheit ‚wäre nicht bie ‚größtmögliche, wenn fie gertrennbar wäre. Aber wie reimt fi) bas mit ber Wahrheit des Todes Chriſti, die doch enthalten muß, daß ber Lebensgeift ans dem Leibe gewichen war? Er fagt: unfer Auge bat Sehfraft, aber es fann z. B. die Kraft der Aufmerffamfeit von ber Seele in baffelbe einfrömen oder auch füh zurückziehen. Im letzteren Fall ift aber noch keineswegs von dem Auge bie Seele ſelbſt losgezogen, fonft wäre es tobt; vielmehr wohl bie . Unterfcheitungefraft aber nicht die Lebenskraft der Seele. Augu⸗ ſtinus rede fogar von einem Priefter der die Kraft hatte, bie belebende Kraft von dem Körper zurückzuziehen, fo daß er wie tobt erſchien; aber doch blieb die Seele bei ihm. So nun au babe Chriſti Seele aufgehört. ven Leib zu befeelen und biefer fei wahrhaft geftorben, aber doch ofme von ber Wahrheit des Lebens getrennt zu fein. Bielmehr blieb in ihm die Kraft, den Lebens⸗ geift zurüdzugiehen und fo zu flerben, aber auch das Leben wie: der zu nehmen. Leib und Serfe waren momentan räumlich von — S- — —— *) De vis. Dei c. 22 z. B. der in Gedanken Vertiefte ſehe ſinnlich, aber nehme doch nichts wahr. 500 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. einander getrennt, aber nicht von ihrem perfünlichen Princip, das vielmehr für beide unauflöslich das Centrum blieb. Als Einheit betrachtet, war feine Perfon ungerftörbar; nur nad einer Seite hin und fiir eine Zeit vergänglich. Weil aber feine Menſch⸗ heit unabtrennbar wurzelte in der göttlichen Unzerſtörlichkeit, fo mußte nach vollbrachter zeitlicher Bewegung fie ſich der göttlichen Wurzel gleichförmig geftalten. Die Wahrheit ‚feiner Menfchheit erſchien in ihrer Überzeitlichen Vollkommenheit erft nach der Aufers ſtehung und Himmelfahrt, da ift fie das volllommene Bild der göttlichen Wahrheit die mit ihr gepint if, ber irdiſche Leib aäber war ‚nie ein Schatten jenes Bildes. 75)” AS Grundgebanfe dieſer Chriftologie tritt hervor, daß Chriſtus die höchſtmögliche wenfchliche Größe nicht fein Fünnte, wenn in ihm die Menfchheit in fich felbft ſubſiſtirte und nicht vielmehr Gott feine Perfünlichfeit wäre. Dadurch wird er ber Größefte nicht blos (relativ) unter den vorhanbnen, fonbern ber größtmögliche Menſch. Denn da er in ber göttlichen Natur ſubſiſtirt, fo findet eine gewiſſe Mittheilung ber Eigen- (haften flatt, damit das Menfchliche zufammenfalfe mit dem Göttlichen, wiewohl das Enbliche nie ganz mit dem Unendlichen volffommen geeint werben kann, fonbern nur möglichft vollkom⸗ men. 7°) In Chrifti menſchlicher Ratur ift die menfchliche Natur üoerhaupt von Gott angenommen (induta), ebenfo abgeſtor⸗ ben ben Begierden und auferflanden: aber deßhalb find es noch nicht bie Perfonen aller. Das kann mur geſchehen, indem ber Menſch in Freiheit durch Vermittlung von Chriſti menſch⸗ licher Natur gleichfalls in Gemeinfchaft mit Gott tritt, in Glau⸗ ben (d. i. zuflimmenbem Erkennen in intelleftunler Weile) und ?5) De vis. Dei c. 22. De docta ignor. L. IH, 6. 7. 76) De docta ign. c. 7. Ostendimus — hominem Jesum maximum in se, separatim a divinitate personam subsistendi hsbere non posse, quia maximus, et ob hoc cammunicatio idiomatum admittitur, ut humana coincidant divinis, quoniam humanitas illa inseparabilis a divinitate quasi per divinitatem induta et assumta. Dagegen de vis. dei c. 20. Humana natura non potest transire in unionem cum divina ossen- tislem, sicut finitum non potest infinito uniri etc. vgl. Anm. 67. Chriſtologie des Nic. von Cuſa. 501 Liebe, in der kirchlichen Ordnung, die ihn vollendet und ergänzt, wenn er ſich ihr gliedlich einfügt (ſ. u. Anm. 79). Wir ſchließen mit einer Stelle, welche beſonders klar ſeine Chriſtologie zuſammenfaßt. Gott wirket alles ſeinethal⸗ ben, 7”) feiner intellektualen Natur wegen hat er dieſe ganze Welt geichaffen. Er ift einem Künſtler vergleichbar ber verfchiebene Farben miſcht um ſich felbft abzumalen und .ein Bilb zu gewins nen, baran er fich erfreue und darin feine Kunſt ausruhe da⸗ mit, während er felbft nicht nervielfacht werden kann, er wenig fiens fo wie es möglich ift in dem ihm nächkten Bilde verviel- facht werde. Er bildet.aber viele Figuren, weil nur in ihnen ein Gleichniß feiner unendlichen Borzlige zu einer volllommeneren Darftellung zu bringen if. Was jebem ber Geifter von Ott “offenbart wird, ſoll nichts beflo weniger auch den andern zu gute fommen. Aber auch nicht ohne Jeſus, der gefalbt iſt vor feinen Genoffen, wäre das Werf Gottes ein vollendetes. Denn in feinem @eifte ruht die Vollkommenheit erfchaffener Natur. Denn er ift das äußerſte, vollendetfle und nicht vervielfachbare Gleichniß Gottes. Es kann nur Ein foldhes geben. Alle andern Geifter find Gleichniſſe Gottes durch feine Bermittlung, denn nur nad dem Möglichft- hohen, das in ihm wirktich if, läßt ſich der Werth alles Andern bemeffen, das um fo voll fommener ift, je ähnlicher ihm. Und alte finden ihren Ruhe⸗ yunft in jenem Geiſt als in dem Außerften Ziele der Voll⸗ fommenbheit ber Gottebenbildlichkeit, von ber fie ein Bild und eine Stufe find. Das Ausgeführte zeigt, wie Nicolaus v. Cuſa nad einer Seite wie die Myftifer, fehr weit davon entfernt ift, bie menfchliche und bie göttliche Natur als unendliche Gegenfäge zu behandeln. Im Gegentheil ift und hat nach ihm Chriſti Dienich- beit an ſich gleichfalls Alles, was Gott, nur auf gebundene MWeife. Auch unterſcheidet er fich zu ſeinem Vortheil von Pfeu- bodionyfius und Erigena dadurch, daß er auch dem Ein- zelnen eine ewige Stelle in Gott gibt, auch bie Einzelheit in 7, De vis. dei c. 26. Dorner, Chriſtologie. IL 2te Aufl. g 33 502 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. Gott zu begründen ſucht. Die Ideen in Bott find ihm nicht bie bioßen Gattungsbegriffe, deren in ber Materie ungleich ge vathende Abbilder bie einzelnen Dinge find, ſondern die Ideal⸗ weit if ibm das Sein aller Dinge, auch der Einzelnen, in ihrem - ewigen wahren Grunde, und Gott ift nicht blog die ab- Arafte Einheit, in welche fchließlich die wahre Betrachtung Alles verfenkt; fondern alle Dinge find in Gott felbft in präeriftirender Weiſe, in feiner Vernunft, beftimmter in dem Sohne, der Weis⸗ beit. Sie beftimmt bie ungeordnete Möglichkeit, fo wie fte wollte, fie ſetzt affo in fich felbft Beftimmungen, durch welche ein Jeg⸗ liches warb was es ift, Alles zufammen aber eine ſchöne Ein⸗ heit. s) Daher hat er auch über die individualität und ihr ewiges Recht fo viel Treffendes zu fügen gewußt. Erkennmiß⸗ theoretiſch läßt fih das fo ausprüden: fein Streben geht nicht. überwiegend darauf, alles in feiner Einheit zu erfennen,- ex will nicht, Die negative acosmiftiiche Theologie ale Endziel, fondern mit der myſtiſchen Gotteserfenntniß , die in intelleltualer Anfchau- ung freilich nur in einer Art von Entzidung das Ueberſeiende Abfolute erfaffen will, möchte er eine reale Welterkenntniß, ja eine concretere affirmative Theologie verbinden, als bie Theologie des übernatürlihen Schauens if. Aber ſchwerlich kann man jagen, daß er in Beziehung auf das letztere und das Verhält⸗ niß Gottes zur Welt mehr als Poflulate oder philofophifche Wünſche ausgefprocyen hat. Die Welt foll gefchaffen fein um Gottes willen, damit er in ihe fein Bild male, fi ſelbſt fehe; als ob er nicht ſich ſchon in dem ewigen Sobne fähe, der Wirk⸗ lichkeit aller göttlichen Möglichkeit, als ob Eufanns nicht uner⸗ müdet wiederholte: Die Welt folle und fünne nur ein unvollkom⸗ mened Bild Gottes fein, fonft müßte fie Gott fetbft fein und. — —— — — u 28) De venatione sapientiae c. 27: Omnia ex determinatione mentis . (divinae) in se ipsa suum terminum sic et sic essendi acreperunt. Die Materie aus der Alles gefchaffen wird rebucirt fh ihm auf die Möglichkeit, die feine Wirklichkeit ift: die Materie eriftirt alfo nit wirfiih. Der Möglichfeitsgrumd aber iſt Gottes Können oder Macht, die in ihm nicht blos mögliche Macht if, fondern alles Mögliche ift in Gott auch wirklich. Kritifches über die Chriſtologie des Nic. von Eufa. 503 unendlich, was ihren Begriff aufhöbe. Die führt aber auf einen Dualismus, der eine über Theophanie weientlich hinausgehende Chriftologie, ja eine Weltoollendung nicht zuläßt. Da kann dann wohl noch geredet werben von einer troß ber nothwendigen Un: vollkommenheit „beßtmöglichen“ Welt, und von Chriftus als Dem, welcher das in ber Sphäre der Menfchheit erreichbare Höchfte darſtellt; aber er kann nicht bie abfolute Difenbarung Gottes fein, fondern nur Gottes wenn auch vollfommenftes Symbol. Er muß, um vollfommener Menſch zu. fein, gleichſam die menſch⸗ liche Perfönlichkeit überfpringend, in das göttliche Selbſt entrückt fein, zum beutlichen Zeichen, daß die Menfchheit nicht ihre eigene Bollendung erreichen kann, fordern in das göttliche Sch über fehlagen, oder gleichfam in ihm von Anfang an fich felhft ent: rüdt fen muß. Man fieht von felbft, wie innig das mit dem ber Reformation: entgegenftehenden Katholicismus, feiner Religio⸗ fität und Ethik zufammenhängt. Solche Vorftellungen find nur da möglich, wo man zur Erkenntniß der Bedeutung der menfch lichen Perfönlichkeit nicht gelangt. Man gelangt aber nicht dazu, wenn man die Siinde fo wenig beachtet wie Nie. v. Cufa und . bie Neopfatoniler nach ihm, die in ber von ihm eingefchlagenen Bahn fortgehen. Denn erſt die wahre Sündenerkenntniß, fofern fie perſönliche Zurechnung der Schuld in ſich ſchließt und. freis lich nicht außerhalb der Erlöſung fich finden kann, vermittelt ung bie Erfenntmiß der Yreifeit, die um vollendet zu werben nicht fich ſelbſt entrüdt wird, fondern mit dem eigenen wahren Weſen d. i. dem göttlihen Ebenbild ſich zufammenzufchließen bat. ) — — — — —— w) Der Satz, daß die Stufenleiter der niedrigern und ber höhern Weſen durch mittlere verbunden, und daß durch die höchſte ge- ſchöpfliche Stufe das AU mit dem Emwigen, Abfoluten ſelbſt geeinigt fei, wird fo ausgeführt: die Kirche if der mpftifche Leib Eprifti, beſtehend aus Geiſt, Seele, Körper, d. i. den Sacramenten, dem Prieſterthum und Laienthum. Das Iebtere iſt alfo bewegte Maſſe, zu formender Stoff. Durch das Prieſterthum find bie Laien, auch der Staat mit feinen Drdnungen, in Berbindung mit Ehriftus und mit Gott. Ja dieſe hierarchiſch gegliederte Kirche wird auch der erplicitte Ehriftus genannt. Sie, oder bie 33 3 504 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. Fragen wir noch, warum denn Nicolaus fo beſtimmt von ber nothwendigen Umvollfommenheit des Weltalld und ber “Einzelnen rebet, und als Wefen oder Sußftanz einer Welt neben Gott in, lehter Beziehung die Rimitation der Potenz, die Schranfe, welche nie geftattet, daß die Potenz ganz actus werde, angibt: fo ift es einleuchtend: es war ihm dabei darum zu thun, unbe⸗ fchadet deſſen, daß die Welt ihm (thomiftifch) in Allem was fie Poſitives ift göttliches Sein und Wefen hat, doch Gott und Welt nicht pantheiftifch oder acosmiſtiſch zufammenfallen zu Taffen. Damit Gott nicht gleichfam in der Welt aufgehe, läßt er biefe nicht den entfalteten Gott fein, wobei ja- Gott zur Weltpotenz würde, fondern Gott ift ihm actu alles was er fein kann in fich felbft; in der Welt aber iſt das was in Gott vollfommen actu ift, fo weit er wollte,. zu einer zweiten Dafeindweife gefom- men, bie fid) durch nichts als die Schranfe (Unvollkommenheit) son der erflen ımterfcheiber „Indem Giordano Bruno bie Unhaltbarkeit dieſes angeblich wefentlichen Unterfchiebes .erfannte, verließ er bie fchillernde Betrachtung, die einerfeits die Welt auch in concreio ‘ewig in Gott und Gott. in ber Welt fehen, anbrerfeits doch eine unüberfteiglidhe Kluft zwiſchen der Welt ald endlicher und Gott als Unendlichem aufrichten will. Er läßt ab von jenem: „fo weit Gott wollte“ und von ber Meinung, daß die Welt größer ober fleiner, als fie ift, müßte fein fönnen. Vielmehr ift ibm Gott ober bie Subſtanz Das: felbe in zufammengefaßter Weife, was bie Welt deren Unendlich feit er lehrt in entfalteter Weife und im Außereinander iſt. Iſt aber fo bie Welt der entfaltete Gott felbft, fo Tann fir bie Berbindung mit ‘ihr deckt ebenfo die ewige und nothwendige Unvolfommenpeit des Glaubens nnd ver Liebe der Einzelnen, fofern fie nur in ihr fubfiftiren, die mit Chriſtus geeint if, wie in Chriſtus die nothwendige Unvollfommenpeit der menfchlichen Natur für fih dadurch gebedt und aufgehoben ift, daß fie unper: fönlich eingepflanzt ift der Perfon des Wortes Gottes. De docta ign. L. IN, 12. So umfafle Ehriftt Menfchheit virtaaliter et per- fectionaliter die menſchliche Art und die Kirche fei in ihm com- pHeite, und Chriſtus in Ecelesia explicite sicut unites in magnitu- dine. Exeitationum L. VIT. Fol. 144. Kritiſches über Ric. v. Euf. — Giordano Bruno u. Ric. v. Eufa. 505 Menſchwerdung Gottes in Chriftus natürlich feine befonbere Stelle bfeiben. An ihre Stelle tritt eine allgemeine und zwar phyſiſch⸗ unmittelbare Einheit Gottes und der Welt. In diefer Spur gehen auch andere Pantheiften bes fechszehnten Jahrhun⸗ berts, 3.3. Franz Puceius, dem Chriftus bie ullgemeine ratio (adyoc) in den. Menfchen ift, Cornelius Agrippa v. Nettesheim und wmande Kabbaliſten. Es fragt ſich aber, ob Eufanus jenen feinen löblichen Zweck auf feinem Wege wirklich erreichen Fonnte? Er meint, die Erhabenheit Gottes über die Welt in feinem fihranfenlofen Können oder feiner Macht zu feben, die er wohl auch Freiheit nennt. Diefes vor- ausgefeßt, hat er min bie richtige Erkenntniß, daß wenn Gott Alles wirflich machte, wozu in ihm der Möglichfeitsgrund ift, fo. wäre nicht bios die Melt ununterfcheidbar von ihm, ber in ſich Die Wirklichkeit aller Möglichkeit ift, fondern es wäre dann auch die Welt bie Gränze feiner Macht; diefe hätte fich in ber Welt erfehöpft und fo ftünde Gott nicht mehr als der Freie ihr gegen über, der noch ein Gebiet ganz Anderer Möglichfeiten in ſich begt, welche er nicht wirklich werben läßt, weil er nicht will. Aber wag ift deutlicher, ald daß biefe Macht weſentlich Willkür ift, alfo wieder jenen bunfeln Punkt in Gott bildet, von welchem Alles bedroht werben kann, auch das Ethiſche? Und wie ftimmt dazu, daß bie endlichen ‚Dinge ewig in Gott felbft, ja emige Selbſtbeſtimmungen Gottes fein follen, Gott aber actu Alles ift, was er fein fann? Aber auch Freiheit und Selbftgewißheit hat diefe Macht fo wenig, daß fie vielmehr gleichfam das Geſetz über ſich bat, nicht alles ihr Mögliche zu verwirklichen, weil fie ſonſt fich ſelbſt in dem Probufte verlöre, in dem Faktum ber Verwirklichung alles Möglichen. Iſt aber fo die Wahrung biefer - ſchrankenloſen Machtvollkommenheit oberſtes Geſetz bei der Schö⸗ pfung, ſo verhält ſich Gott darin nicht neidlos, ſo oft das auch Nicolaus verſichert; und ſo kann auch gar nicht mehr von eines wirklichen Vollklommenheit als dem Weltziel geredet werben. Die Welt iſt dann weſentlich in die Schranken der Unvolifom: menheit gebannt, das Götilich Gute ift ein anderes als bas Ihrige; fie muß und kann nur gut fein in ihrer Art, und 506 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. ſelbſt das Größtmögliche in ihrer Art ift ihre nur Durch jenen Sprung möglih wo Gott bie Stelle des eigenen Ich vertritt, alfo nur um den Preis. des Selbfiverluftes. Wie die Welt ift, wie nahe Gotte, das ift zufällig, hängt von ber göttlichen Frei- heit ab: nur ſekundär greift die Güte und Weisheit ein. Durch fie foll die Welt, in Chriftus zumal, die größtmögliche Annähe- rung- an Gott haben, aber man weiß nicht, was biefe und was ihre Gränze fei. Scheint ja die Welt, wenn fie von Gott nur durch die theilmeife Gebundenheit (contractio) ber Potenz ſich unterfcheidet, und wenn doch die Gefchichte ber Welt nichts Anderes als das Actualwerden biefer Potenz ift, in ber- That die Anwartfchaft darauf zu haben Gott zu werben, ber Die Actualität derfelben Potenzen it. Nach biefer Seite geſtaltet fih die Unterſcheidung Gottes und ber Welt, an welcher Nico- laus feſthält, zu einem Gewaltſtreich gegen das eigne Weſen, (die Möglichkeit) der Welweſen und bes Univerfums, unb es wird hieraus abermals fichtbar, daß es zu einem feflen Unter fehiede zwifchen Gott und Welt fo lange nicht formen Tann, fo lange man nur in ber Sphäre der Abfolutheit überhaupt ober der göttlichen. Macht ftehen bleibt; umgekehrt aber ift die von dem Cardinal aufgeftellte Unterfcheidung, wenn wir fie annehmen, auch von der Art, daß eine wirffiche Einheit Gottes und ber Welt in Ehrifto nie herauskommen Tann, fondern eine ewige unüberfteiglihe Scheidewand zwiſchen Gott und dem Menfchen bleibt, fo weit der Teptere iſ. Denn zwar bavon if Cuſanus zurüdgefommen, die göttliche und die menfchliche Subftanz ale abfofut verſchiedne zu fegen, wie bie Väter bes Chaltedonenſe thaten; im Gegentheil ift ihm ber Menſch ja nichts als eine beftimmte Zufammengezogenheit des Als, und biefes iſt bas Grögefte in zufammengezogner Form, was eher pantheiſtiſch lautet. Allein um biefes nicht Zugeftehen zu müſſen, wirb nun diefes Pofttive, wefentli Göttliche doch wieder nicht als das Wefen der Welt bezeichnet, fondern gefagt: ihr Wefen, gleiche fan ihre Subftanz fei die Schranfe, biefes Negative, bie imitation ihrer Vollkommenheit, worin das Geſtändniß ligt, bag ihre Bollendung ihr Uhtergang wire, ihr Tod in Gett, Nic. v. Eufa’s innere Widerſprüche. Raymund v. Sabunde. 507 und es tritt alſo hier recht ſchlagend hervor, daß nicht blos der Deismus dualiſtiſch iſt, ſondern daß auch für eine pantheiſtiſche Grundanſchauung das Göttliche und das Menſchliche excluſiv gegen einander fich verhalten. Das pantheiſtiſche Heior muß gBorepor fen und die Welt, gerade wenn fie vollendet gedacht würde, vielmehr in ſich reforbiren (was bei Ehriftus in ber Unperjönlichteit feiner Menfehheit, bei den Gläubigen -in ber effintifchen Visio Dei gefchieht)s andterfeits, fo weit wirklich die Wer ift, if ihr Wefen die Schraufe und mit biefer kann Gott ſich nicht einigen: fo weit Welt ift, ift fie ewis von Gott durch ihr Weſen geſchieden. °°) Näher ſtehen der reformatoriſchen Linie Kayın und von Sabunde?®') und 9. Savonarola. Jener ſagt in ſeiner na⸗ türlichen Theologie: Wer die Menſchwerdung Gottes bezweifelt, der läugnet der menfchlichen Natur ihre höchſte Würde ab. (Tit. 74. 75.) Es iſt auch für Gott nicht ummöglich noch ein Widerſpruch, den Menſchen anzunehmen. Das Iäßt ſich ſchon ber natürlichen Bernunft beweifen. Dem gleichwie es Gott gefiel und möglich war, die geiflige Natur bes Menfchen mit dem Fleiſch zu verbinden, fo wird er auch irgend eine Menſch⸗ heit fo ing Ebenmaaß mit ſich fegen fünnen, (sibi proportio- nare), daß fie die Gottheit faffen könne (ut sit capax Dei- talis). Wie er die leibliche Natur fo weit erheben fortnte, daß fie die intellektuale Natur, nemlich die vernünftige Seele faffen konnie, fo wird er die menſchliche Natur bis dahin erheben kön⸗ nen, daß fie für die Gottheit. felbft empfänglich fei. Und wie er machen konnte, daß die Leiblichfeit fir Gottes gefchaffenes Ebenbild, die Seele, empfänglich warb, fo wird er auch ver- mögen bie - menfchliche Natur fir fein ungefchaffenes Ebenbild empfänglich zu machen. Harmonirt doch das tingefchaffene Eben: bild mit Dem gefchaffenen faft mehr. als das gefchaffene Ehenbilb Gottes mit der Körperlichfeit. Und wie Gott das geſchaffene — — — eo, ſ. o. Anm. 67, 76. 8) Raymandi a Sabunde Theologis Naturalis seu liber Oreaturarum, ed. Solisbao. 1852; verfaßt um 1486. 508 Zweite Periode. Zweite Epoche. Einleitung. Ebenbild mit dem Leibe zu Einer Perfon machen Fonnte, fo Tamm er auch das ungefchaffene Ebenbild mit der. gefchaffenen vernünf- tigen Menfchheit in einem gewiſſen einzelnen Menfchheitswefen zu Einer Perfon machen. Das Ungefchaffene kann nicht zu einer anderen Perfon werben, aber ipsa humanitas ‚potest personari in persona imaginis, quia duae personae non possunt: con- eurrere in unam. (Tit. 265. ©. 449.) Ws Beifpiel dafür, wie ohne Berwandlung zwei Naturen in eine Einheit zuſammen⸗ geben Fünnen, ift ihm Folgendes eigenthümlid. Cs gebe, ſagt er, neben ben Confonanten Selbflfauter, per se aonantes, gleich fam personue, während jenen gegeben fei, durch die Bofale mit: zulauten. Der reinen Vokale feien es brei, a, e, o, wie brei Perfonen in der Trinität, dagegen i und u neigen ſchon zu ben Confonanten und entfprechen den zwei vernünftigen. Wefenflaffen. Wenn nun die Verbindung ber -gefehaffenen Perfon mit dem Körper in der Verbindung des Vokals u mit einem Sonfonanten ihr Bild habe, fo könne auch ein reiner Bolal mit einem der zum Conſonanten fi neigenden fich verbinden, und der fo ent ſtehende Diphthong fei Bild jener höchſten Einigung Gottes und des Menfchen. (Tit. 264. S. 447 ff.) Beachtenswerth ift in biefem Gleichniß befonders die Tendenz zur Lehre von einer menfchlichen Perjönlichfeit Chrifti. Diefe hat Hieron. Savonarsla nit. 82) Er meist auch jedes Gleichniß aus der Kreatürlichfeit ab, namentlich auch das Bild von der Einheit der Seele und des Leibes im Men⸗ fhen. Das Eigenthümlichſte und Unvergleichliche Tiege darin, daß während fonft in jeder vollfländigen Subſtanz, Natur und Suppositum ſich finde, die menfchlihe Natur in Ehriftus dem heil. Kirchenglauben gemäß fein Suppositum ober feine eigene Derfon babe. Persona filii dei personam hanc (welche auch bier wäre, wenn nicht die Unio Statt fände) in primo crea- tionis instanti, ut in ea subsisteret, sibi ipsam uniens prae- occupavit. Gleichwohl entfpreche Ehriftus auch ber Definition #2) Triumphus Crucis, L. IT, 7. ©. 211 ff. Dialogus seu Solatium itineris mei, L. IV. ©. 219-224 ed. Lugd. Bat. 1633. ® Raymund von Sabunde. Hieron. Savonarola. 509 des Menfchen, er fei suppositum in natura humana subsistens. Diefed Suppositum ift das Wort, welches Dabei allgegenwärtig bleibt wie zuvor, wenn gleich Die menfchliche Natur es nicht ifl. Ya er fagt auch, die Unio fei eine reale Relation nur von Seiten der Menſchheit, nicht des Wortes ; eine reale. Beziehung aber nicht blos zur Hypoſtaſe, ſondern auch zur Natur des Sohnes. Bedeutender, aber mit dieſen älteren Lehrſätzen nicht zuſam⸗ menſtimmend, iſt was er dem Einwurf entgegenſtellt: „das Schwarze ſei von dem Weißen, ein Widerſprechendes von ſeinem Gegentheil weniger verſchieden als Gott von der Kreatur. Eher könne alſo Schwarz Weiß als Gott Menſch werben.“ Er ani⸗ wortet: wenn auch Gott weiter von der Kreatur entlegen ſei als zwei ſich widerſprechende Dinge, ſo ſeien dieſe doch an⸗ ders von einander entlegen, denn ſie widerſtreiten einander und können daher nicht eins ſein; aber Gott und die Kreatur wider⸗ ſtreiten ſich nicht. Und wenn gleich die Einigung von zwei ſchon vollſtändigen Größen etwas für fie nur Zufälliges ſcheine fein zu fönnen, fo fei das bier doch nicht der Fall, weil das Ange: nommene zum Sein (Esse) ded Annehmenden gezogen werbe, wie auch das annehmende Wort zum Esse bes Menſchen werde. Rum lehre freilich die Philofophie: „bie Form gibt Das Sein, bie Seele aber ift die Form des Leibes; mithin gibt: Chriſti Seele Das Esse, und ift nicht unibel mit dem Worte, welches, wenn es da if, das Esse haben nicht empfangen muß.“ Aber er antwortet, bas eben fei bie Menſchwerdung, daß bie Seele in bie Theilnahme am’ Esse des Wortes aufgenommen und da⸗ durch vollfommener werbe ; das Esse bes Wortes und feine Hy⸗ poſtaſe fommt ber menfchlihen Natur in fo weit zu, als fie Theil hat an ber göttlichen, Die Incarnation follte ung ben tröſtlichen Beweis geben, daß bie Unio unferes Geiſtes mit Gott möglich fei; fie follte unfre Würde beweiſen und fie iſt vernünftig, weil * Menſchen Seligfeit im Schauen bes gött⸗ lichen Weſens beſteht. Zweite Epode. Einlenkung zum realen Gleichgewicht der beiden Seiten in Chriſti Perſon. Bon Aufang der Neformation bis zum fymbol. Wofchiuf. Erfte Abtheilung: Bis zum Tode Luthers. Exſter Abſchnitt. ‚Die Cbhriſtologie Luthers. Wie Herrliches auch die germaniſche Myſuk peobneiste, wie mächtig ihr Drang war zu gotterfüllter Perſonlichleit, wie Schönes ſie auch zu ſagen weiß über die Verwandtſchaft der gött: lichen und menfchlichen Natur, über Die fortgehende Geburt Gottes im Herzen der Menfchen, die dadurch zum Bewußtſein der Gottestindfchaft kommen; ja auch Über Chrifius ale Urbild des Myftifere, als Vorbild im Leiden und armen Leben; fo kühn fie auch enblich gewagt hat; Gott in das Leiden hereinzuzichen, weil er auch diefe Tugend wollte: fie war mit all bem nicht im Stande, den alten chriſtologiſchen Gegenfag zu binden, ber zulest in Thomas und D. Scotus hervortrat. — Die .ers eufive Yaffung des Begriffes Gottes und des Menfchen, mag fie ſich mehr in die pantheiftifche ober mehr in deiſtiſche Form Heiden, mehr dem Thomismus oder mehr dem Gfotismus zus neigen, bat wefentlich daſſelbe Refultat, die Auflöfung der wahren Menichwerbung Gottes in eine Theophanie oder in ein neflori- anifhes Doppelwefen. In dieſem Dualismus iſt bie römifche Bergleichung der Theol. vor Luther mit dem reformat. Standpunft. 511 Kirchenlehre bis auf diefen Tag flehen geblieben, wenn auch das Uebergewicht bes Thomismus und Skotismus in ihr wechfelte: beide, wie wiberfprechend fie ſich fonft in ihren Grunbans fhauungen find, find gleich fehr einer wirklichen Mittheilung des Göttlichen an bie wirkliche Menſchheit entgegen, feten das Weſen des Menfchen entweder mehr pelagianifirend als beffen nicht wirftich bebürftig, ober aber als dafür ohne Selbſtverluſt nicht empfänglich, wenn gleich bedürftig. Gott aber benfen fie im Innerften als unmittheilfam, weil er dem Einen nur bas abfohtte Sein, Die unendliche Realität, dem Andern nur der abſo⸗ Inte Wille, die ebenfo fchlechthin beſtimmungsloſe Freiheit bes ‚überum arbitrium ift, — beides phyſiſche Kategorieen, die wie Deismus und Pantheismus, ungläubiges Judenthum und Heiden⸗ thum, in ewigem Kreislauf immer wieder in einander über⸗ ſchlagen; in ihrem Nebeneinander aber oder in ihren vielfachen Miſchungen und Verbindungsverſuchen ſich dämpfen oder Schein⸗ befriedigungen ſchaffen. Es war ein neuer höherer Begriff Gottes und des Menſchen nöthig, um der chriſtlichen Grundidee zu ge⸗ nügen. Die Myſtik nun, obwohl im Ganzen dem Pantheismus näher ſtehend, bat in ihrer germaniſchen Form doch unläugbar die in Gott freie und felige Perfönlichfeit gefucht. Aber es ift ſchon angebentet, daß fte fie nicht fand. Sie theilt mit ihrem fubaifisenden Gegner ben pelägianifirenden Zug von der Bor: trefflichkeit, ja Göttlichfeit der unmittelbaren Natur. Denn einerfeits foll die Göttlichfeit fchon von Natur im Grunde ber Seele da fein, nur aber das Wiſſen davon fehlen; andererſeits foll bie vollfommene Bereinigung mit Gott, bie. Sehnfucht ihrer reli⸗ giöſen Inbrunft, zugleich ihr Untergang in Gott in feliger Efftafe alſo wiber die menfchliche Natur fein. Was aber dem Begriffe eines Wefens widerfpricht, das Fann auch nicht allgemein gefordert ‚werden; nur den Sonntagslinbern ift mit der höheren Tugend bie über ich ſelbſt hinausſteigt die höhere Seltgfeit- befchieben. Man fieht hieraus, daß auch die germanifche Myſtik fich noch nicht energiſch genug ethifiet bat, fondern in ihrem religiöfen Proceß noch etwas von idealiſtiſcher Ariftoeratie, Hoffahrt, Eudä⸗ moniemus begt, was fie hindert, zu vollfommenerer Selbft: und 512 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt L Gotteserfenntnig zu fommen. Sp macht fie immer wieder An⸗ füge, aber fie fommt nicht von ber Stelle; fie kann nicht fowohl von einer Geſchichte ihres innern Lebens erzählen, denn dazu würde eine Krife, ein Wendepunkt gehören, als vielmehr nur von einem Proceffe, einem ewigen Wechſel des Steigens und Fallens, weil die Momente des Leibes und ber Freude ſich noch fliehen, Die geeinigt und geweihet dem inneren Leben Halt, Frie⸗ den und fortfchreitende Heiligung bringen würben. Ohne dieſe febendige Erfahrung kann ſich auch die höhere Gotteserkenntuiß nicht erfchließen, die über den. Pantheismus und Deismus bin- ausführt und für die Ehriftologie die Vorausſetzung fein muß. Es ift auffallend aber bezeichnend, wie wenig in ber Myſtik ein lebendiges Schulbgefühl ausgeprägt if. An bie Vollendung, Bergottung denkt fie viel, aber wenig an die Verſöhnung und will das Ende vor dem Anfang und der Mitte, wie. denn bie „Staffeln“ des myflifchen Lebens zwar von vielen überſchwäng⸗ lichen Dingen aber nicht von einer Staffel der Berföhnung reden. Das ift der innerfle Grund davon, daß bie Myſtik nicht hat reformatorifch werben fünnen. | Sm Luther haben nah allen Anzeichen frühe jene beiden sorreformatorifhen Strömungen, bie einfache biblifch-praftifche und bie mpftifche, eine Einigung gefunden. So geſchah es einer- feits, daß an bie Stelle des mpftifchen Schauens und Genießens der Glaube trat, anbererfeitg aber biefer. eine viel innerlichere . fubftantiellere Bedeutung erhielt, als in ber griechifchen und rö⸗ mifchen Kirche. So ſchloß fih mit dem gefchichtlichen Ehriften- thum, dem Worte Gottes, bie Frömmigkeit weit inniger zufammen, als in ber Myſtik, andererfeitd ward (Wald.IV, 1639 ff.) eine höhere geiftliche Auffaffung des Hiftorifchen erlangt, Wort und Glaube, Glaube und Wort fchloßen fih in Luthers zu einem Protowy geworbener Srömmigfeit unauflöslic und fo zufammen, daß ihm jebes von beiden etwas für fich, ein befonderes Gotteswerk war, gleichwohl aber jedes von beiden innerlih und wejentlidy bes andern Bejahung und Beſtätigung. Was aber insbefonbere bie Fortbilbung: des myflifchen Stanbpunftes zum evangeli- fhen Glauben anlangt, fo iſt bezeichnenb bag, während bie Luther: Eipifirung ber Myſtik durch den evangel: Glauben. 513 Sjpneinanderbilbung von Leib und Freude auch ben ebefften My⸗ fifern noch nicht gelang, für Luther biefer Gegenfab von Ans fang an ſich beftimmter ethiſch geftaltete. Ihn befchäftigte nach den früheften Dorcumenten von ihm befonderd das Verhältniß der Liebe zu der Furcht (amor et timor). Da er in dem timor nicht etwas nur zu Befeitigendes fieht, viehnehr etwas — zumal für Sünder und Schuldige fehr Berechtigtes, fo iſt es das Geſetz und bie Gereihtigfeit Gottes, welche dem ſub⸗ jektiven Affect der Furcht entſprechen. Da er aber andererſeits weiß, daß die Liebe nicht mit der Furcht beſteht, ſo verlangt er nach einer Ineinanderbildung beider Affekte. Das objektive produktive Princip dieſer Ineinanderbildung iſt ihm Chriſtus als Verſöhner, oder genauer die in Chriſti Verſöhnung zu einer realen Macht in der Welt gewordene Einigung der Gerechtigkeit und Liebe. Denn Chriſtus hat der Gerechtigkeit ſowohl als der Liebe genug gethan. Dieſe geeinte heilige Liebe Chriſti aber iſt eine Gottesgabe für den Zwed einer probuftiven Stellvertretung fir. und in une. '). Luther hat der Wahrheit die Ehre gegeben, die bitter ift - und bemüthigt, darum hat fih ihm auch bie Wahrheit bes Evangeliums yon einer neuen Seite offenbaren fünnen. Er ifl aufrihtig in das vernichtende Gefühl der Schuld, nicht bios ) Bgl. Löſchers vollſt. Ref. Alten Bd. L vom Jahr 1516, S. 251. 259: Die eine Menſchenklaſſe dividit amorem et timorem, amans aliquid quod non timat, et timens Deum, quem non amat. Eine andere miscet utrumgue utrique, aber bringe es nicht weiter, min: dere beide durcheinander. Aber die dritte Klaffe in eundem Deum colligit utrumque, scilicet amorem et ‚timorem. Bei ver zweiten Klaſſe wie bei der erſten iſt servilis timor, der semper dividit ani- mam in duo sc. in id quod amat, et in id quod timet. Filialis autem solum unum babet quod amat et timet. Es iſt ihm darum zu thun, daß der Menſch eine wirkliche Einheit und Ganzheit werbe; wofür er in biefer Zeit oft ben Ausdruck „anima rotunda“ braucht. Beachtenswerth if ferner, wie er in dieſer Zeit die drei Geftalten (Stufen) des Glaubens unterfcheibet, womit fih parallelifiren Iaffen die drei Geftalten des Wortes; ib. ©. 231 ff. vom Jahr 1515 und ©. 291 vom Jahr 1617 mit VII, 1390 ff. XI, 2730 ff., 200. $. 8-6. 51A Zweite Periode. Zweite Epoche, Abthl. 1. Abſchnitt L bes Elendes ober der Endlichfeit, eingegangen, und damit waren bie myſtiſchen Verſuche der Bernichtigung feiner felbft überfchritten, wie bie daran fich ſchließenden falfchen, d. i. negativen und un- productiven Ideen von Stellvertretung ber göttlichen Perfon für die menschliche Perfönlichkeit. Das Schufpgefühl ift Die negative Sicherftellung des Werthes der menfchlichen Perfönlichkeit. Die Schuld hat eine unendliche Bedeutung für Gott felbft, für feine Gerechtigfeit, denn fie macht Sühne nothmendig. Darin Ligt fhon von ferne die Erkenntniß auch davon, welchen Werth für Gott des Menfchen Güte habe. Dem wahren und aufrichtigen Scpulpgefüht ift es nicht um. bloßes Ueberſehen der Schuld (Indulgenz) noch um bloße: Strafe Iofigfeit, fondern vedlih um Verſöhnung ber göttlichen Gerechtig⸗ feit wegen bes Böſen das ba iſt und nicht ba fein follte und bee Guten was nicht da ift zu thun. In folhem Schulbgefühl er greift fich der Menfch zum erſtenmal als -Perfönlichkeit, als eine unwürdige, aber fiir Gott ſelbſt und feine Gerechtigfeit nicht gleichgültige fondern bebeutungsvolle, und in dem Berlangen nach der Sühne dieſer Schuld if der erſte rein ethiſche Zug, wenn gleich nur ald Sehnfucht. nad) Negation der Negation: es iſt barin eine ideale Huldigung dem Rechte der göttlichen Gerechtig⸗ feit bargebradht. Dem Gefühl ber Ohnmacht, dieſe Sühne ſelbſt zu vollbringen, fommt nun die Freudenbotſchaft von dem gott: gefchenkten Mittler und feiner der göttlichen Gerechtigfeit ent- fprechenden Gerechtigkeit entgegen, welche, obfchon fie zunächſt fein perfünliches Sein und Haben ift, auch unfere Gerechtigfeit werben will durch ben Glauben, ber da iſt bie perjönliche Bejahung feiner unſere Stelle vertretenden Liebe, ihrer Gerechtig: feit, Heiligfeit und Kraft. Diefe feine Stellvertretung achtet die Perfönlichfeit fo hoch, daß es ihr nicht Darum. zu thun ift, fie weggufchaffen ober in fi) zu abforbiren, fondern fie als gerecht barfteflen will vor Gott in probuctiver ihr perfünliches Sein bejahender Stellvertretung, wie bie Perfon ihrerſeits im Glauben wieder zum bilbfamen Kinde wird und fi Chriſto bingibt um zum Gottesbilde bes Kindes Gottes umgeftaltet und umgeboren zu werben, in welchem bie Gereshtigfeit. Gottes nun Luther. Der evangelifhe Glaube. 515 auch zur perfönlihen Darkellung kommt in. Berföhnung und Peiligung. Ä Sn diefem evangelifhen Glauben und feiner zum Gefühl nicht bios der Enblichfeit fondern auch der Unwürdigkeit und Schuld vertieften Demuth einerfeits, feiner SHeilgzuverficht ‚anbrerfeits, ift num jenes Auf: und Abwogen ber myſtiſchen Ges fühle, jener Wechfel der Seelenzuftände zum Steben gebracht; das Leid und die rende haben ‚in ethifcher Vertiefung ihre In⸗ einandberbilbung gefunden, dadurch, daß fie beide auf benfelben Gegenſtand ſich richten, die Gerechtigkeit Ehrifti, bie in den geift- lichen Tod ber Buße, des in Ihm Sichgerichtetwilleng zieht, aber nicht ohne zugleich ‚des göttlichen Willens ber Erhaltung ber Perfönlichkeit als einer in Chriſto verfühnten inne werben zu laffen. Diefe Gerechtigfeit Chrifti gibt zwar bie Freude und ben Frieden, das Bewußtſein nun erft ein lebenswerthes Leben gefunden zu haben, aber eine Freude auf bem perennirenden Grunde des Bewußtſeins der Schuld als einer vergebenen und in Kraft wachfender Heiligung nicht, zu erneuernden, damit aus ber Olaubensgerechtigfeit bie Rebenggerechtigfeit ber neuen Per- fon hervorwachſe. Wie beftimmt Luther ſich der Berföhnung von Sünde und Schuld zumenbet, das zeigt feine innere Lebensgefchichte, das zeigt fchon feine erfte Thefe d. 3. 1517, wie fein ganzes fpäteres Wirken. Befonders fchlagend tritt das aber hervor, wenn man feine Betrachtung ber Paffion Sau mit der Myſtik, auch der germaniſchen, vergleicht. °), 2 Zn vem Sermon: „Seht weh ein Menfch“ vom Jahr 1518 fagt er: „Wer das Leiden Chriſti heilſamlich mit Frucht und Ruben betrachten will, ber muß‘ den Affect eines ſolchen Mitleids an⸗ zießen und fich vergeflalt- in benfelbigen einkleiden, als wäre er ſelbſt Eprifto in dem Leiden zugefelfet und Hitte in feiner Gefell- ſchaft. Bas er denn nun höret, das Ehriftus erbuldet, da denke und bilde er fihs ein, daß ers neben ihm auch ausſtehe. Und wenn es ihm denn zu Muthe fein wird, daß er Schmeszen und Betrübmip fühle, fo. wife und glaube er daß .auf gleiche Weiſe Chriſtus, wiewol unvergleichlich mehr, eben vergleichen Schmerzen und Leid ausgeflanden ; und daß er zwar von Rechtswegen Solches 516 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt L In diefem Heilsgfauben bat Luther praktiſch zuerſt, Ichr: baft hernach, fubieftiv oder anthropologifch das Mittelalter leide, Ehriftus aber habe dieſes Alles um feinetwillen, wie aud für andere Menfhen über fi genommen. (X, 1407. $. 3. 6.) Unfern geifiliden Tod deutet er durch feinen leiblichen an, ja nimmt ihn über fich, tödtet und erdulpet ihn. Wie dahero Epriftus befhaffen if nach feinem Leinen, fo find wir befchaffen gewefen und fo fiehts noch mit uns aus nach unferem Geif und Gemüthe oder geiftlihen Menſchen. Darum follen wir über ung felbf feufzen und weinen, daß wir mit dem flerbenvden Herrn Eprifto zugleih auch mitfierben. Das Erfte und Bornehmfle, was ung Ehriftus in feinem Leiden und Sterben zeigt, ift, ung felbft erft recht kennen zu lernen wie wir innerlich befchaffen, was vor Leute wir vor Gott feien. Es iſt umd bleibet der Beſchluß, daß Der: jenige Chriſti Leiden noch gar nicht verftehet, welcher in demſelben nicht fich ſelbſten abgemalt erblidet, und daß der vergeblich und umfonft mit Chriſto ein Mitleiden hat, welcher nicht aus feinem Leiden lernet mit ſich felbft Mitleiden zu haben und fein Elend zu befammern. Du bift ein Thor, wenn du, indem Chriſtus über dich betrübt ift, alfo ſicher hingeheſt und dich um dich nicht bes fümmerft, als bebürfte es veffen nicht; wenn du dich nur mit dem Mitleiven über Chriſti Perfon aufhältſt, nicht dich bedauerſt, fon- dern ihn, gleich als wollteſt du damit etwas Befleres verrichten, gleich als wäre es beffer, wenn du ihn in dir beweinteft undibeklagteſt und nicht Dich in ihm.“ Lc. 28, 28, Apok. 1, 7. (X, 1407. $. 7-10 vgl. v. Jahr 1521 T. XI, 786 ff. und IV, 1740 ff. über Pf. 22.) Der Heiligen Leiden mag man wohl prebigen, aber fo daß man fie gar unterfchtenlich behandle gegen dem Leiden Chriſti. Bor Zeiten im Papfttfum dat man des Herrn Leiden alſo geprebiget, dag man allein angezeiget hat, wie man feinem Erempel nachfolgen ſolle. Danach hat man die Zeit zubracht mit dem Leiden und Schmerzen Mariä, und mit dem Mitleidem, daß man Epriftum und feine Mutter Hoch beffaget Hat, und allein darauf gefehen, wie mans Häglich machte und bie Leute zum Mit: leiden und Weinen bewegete und wer Solches wohl gelonnt, den hat man für ven heften Paſſionsprediger gehalten. Aber wir prebigen des Deren Leiden alfo, wie ung bie heil. Schrift lehret. Er führt dann aus, daß allerdings Eprifti Leiden auch fei ein Borbild des Gehorſams, und wie der Märtyrer Leiden ein Preifen Gottes mit feinem Tode. „Aber Über das tft nor eine fonders liche Urſach warum Chriſtus gelitten, nemlich daß er durch fein Leiden die ganze Welt erlöfen fol, ven Himmel aufſchließen, die Luthers anthropol. u. foteriol. Fortſchr. über das Mittelalter. 517 und feinen Dualismus überfchritten, das Alterniren zwiſchen einer unperfönlich machenden — phyfiichen und magifchen Gnabe — und einer pelagianifchen Subjeftivität zum Enbe gebracht in der perfönlichen Heilsgewißheit aus Gnaben. Er befennt ber ebleren Myftif, befonders Tauler und der beutfchen Theologie viel zu verdanken und er hat mit Luft in ihrem Duell fich gebabet, befonders in den Jahren vor feinem Öffentlichen Auftreten. Aber er weiß in feiner Demuth felbft nicht, wie weit er über fie hin⸗ ausgefchritten iſt; es ift auch -fehr bie Frage, ob er der Refor- mator geworben wäre, wenn er micht den innern Kampf und Glaubensſieg ſchon vor feiner nähern Belanntfchaft mit ihr burchgemadht hätte. So aber fonnte es gefchehen, daß er ſich in fie hineinlas und wieberum, bag fie ihm für die Iehrhafte Geftaltung deffen, was ihm im Glauben gegeben war, weſent⸗ Tiche Dienfte Teiflete durch ihre vom Ballaft des Firchlichen Lehr: erbes entlaftete urſprüngliche Darlegung von been, benen auf dem Grunde der Berföhnung allerbings ihre Berechtigung beimohmt , wie. felbft die fpätete Lehre von der Unio mystica noch theilmeife anerkennt. In dem Glaubensprincip Luthers war auch eine höhere Gottesidee eingehällt: denn im Glauben „fiehet ber Menſch in das Herz Gottes.“ Luthers Lehrarbeit iſt freilich ganz überwiegend anthropologifch und foteriologifch gehalten: aber mit dem Glaubensprincip war der triebfräftige Keim gefegt, von dem aus aud die Theologie und Chriſtologie ihre Wiedergeburt in Wiederanfnüpfung an die heil. Schrift. und die erften Jahr⸗ hunderte zu erwarten haben. Daher ift vor allem biebei aus⸗ führlicher zu verweilen. | Um ein beſtimmteres Bild von ber Chriftologie zu gewinnen, wie fie in Luthers Geift lag und wie fie in feinem Sinn auszugeſtalten wäre, kann nichts beffer dienen, als ein Blid in feine geift- und lebensvolle Lehre vom Glauben. Denn mit weit größerem Rechte, als in dem Menſchen überhaupt ein Ebenbilb Gottes gefehen wird, läßt fi von demjenigen was Luther Hölle zufperren und das ewige Leben erwerben“ (vgl. XI, 770. v. J. 1534). Dorner, Chriſtologie. DI. 2te Aufl. 34 518 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abfchnitt L Luther: dem Ehriften zufchreibt durch Chriſtus, ein Schluß machen auf dag, was er an Chriſtus fieht und bat, da ihm Chriſti innerfte Bebeutung darin befteht, nichts für. ſich behalten, fondern Alles mit den Seinigen gemein haben zu wollen. Dan darf wohl fagen, das Bild das er vom wahren Glauben aufftellt, ift durch und durch chriftologifch gefättigt, und fo muß, wie ihm Chriſtus des Glaubens formendes fa immanentes Princip ift, auch Chriſti Bild aus demfelben wiederſtrahlen. Es ift biefes zugleich die ‚geeignetfte Weife, um zu erkennen, wie leicht, man möchte fagen wie natürlich es für Luther war, die wahre und volle. Menſch⸗ beit fiir Ehriftus zu behaupten, nicht obſchon fondern weil er ihm auch das wahrhaft Göttliche im vollen Maaße zufcrieb. Eine fpätere, dürre angeblich) orthabore (mie bie rationaliflifche) Zeit bat freilih mit ben bieher gehörigen Ausfagen Luthers ſich wenig befreunben können; fie hat Derartiges unter Anflagen gegen einen Joh. Arndt begraben; fie bat Die Unio mystica und damit bas Ehriftenthum wieder in ein Jenſeits gerückt ober über⸗ haupt verworfen. Aber Ausfagen biefer Art flammen aus dem Brunnen der Reformation jelbft her, da er noch am frifcheften fprubelte, da er noch weit offen ſtand und nicht aus fectenhaft befchränfter Sectenfurcht umter verroſtende Schlöffer und Riegel gelegt war. Was dabei noch befonbers erquidtich ift, befteht darin, daß, wie nahe er auch die göttliche Natur und bie menſch⸗ lie zufammenbringt buch den Glauben, die Darftellung doch immer durch ihren rein ethifchen Charakter yon Pantheismus fi ferne ball. Die Bafis des Ganzen, ja auch bie Seele iſt ihm, wie in ber Chriftologie fo in bem Glauben, die göttliche Liebe und Gnade, die fih erweist durch das Wollen von gott- Ähnlichen, gottesvollen Perfünlichfeiten, oder wie er das gerne ausdrüdt: von einem Volke Gottes. Hier verdient ſchon ber Begriff der Kindfg aft Ermägung, ber bei Luther eine viel weſentlichere Bebeutung hat, als gemöhn- ih, am wenigften ihm in einem bloßen göttlichen Rechtsverhaältniß erh iR. 9) % Bgl. Lutherus Redivivus, d. t. Chriſtenthum Lutheri. Durch Mart. Statius. Stett. 1654, ©. 182—827. Aus Luthers Werfen iſt Lehre v. Glauben, v. d. Kindſchaft, Chriſti Geb. u. unfrer neuen Geb. 519 ‚Das ift das Höhefle, fagt er, das er uns gethan und ge geben bat von oben herab, Daß er ung gezeuget und zu feinen Kindern gemacht bat, daß wir find und heißen von Gott ges borne Kinder; nicht durch Natur, oder Werf und Geſetz, fon- dern durch den Glauben an bag Wort und durch unfichibare göttliche Kraft des heil. Geiſtes, fo durchs Wort wirket. Das laͤßt ſich nicht flicken und fchnigen: ein Chriſt foll fein ein folcher Menſch, der e8 von Geburt habe, es gehören neue Menſchen dazu, bie da heilen geborne Kinder Gottes. Was ift aber ein chriſtlich Weſen, denn ein Anfang bes ewigen Lebens? Wirft bu aber dich fiir Gotteskind ausgeben und befennen ſolchen Glauben, fo wird Kaiphas für großem Gottesdienſt fein Kleid zerreißen und über dich fchreien: Blasphemasti, und die andern Alle mit ihm: Reus est morlis, denn er hat fih Gottes Kind gemacht; Treuzige ihn! (RP. Neujahrstag. Schluß.) Diefer neuen Geburt find. alle Menfchen gleich bebürftig ; alfe find aber auch in ihr. Betrachtet gleid), „Siebe fo tapfer gehet bie Schrift. mit Diefem Ding um! Iſt alles lebendiges Ding, nicht unnütze Theiding. Weil wir nu neugeborene Gotteöfinber und Erben find, fo werden wir St. Paul, St. Peter, unfer Heben Frauen und allen Heiligen gleich in der Würde und Ehre.“ Wie können wir größern. Rubin und Trog haben im Himmel und Erben, denn daß wir ber böheften Majeftät Kinder heiffen und Alles haben was er ift und bat und, wie St. Petrus berslich rühmet, daß wir find Mitgenoffien worden der göttlichen Natur? Dem wiewohl wird night natürlich ſind, als Chriſtus, fo find wir doch berfelbigen Ehren theilhaft. Chriſtus ift Luthern das Gotteslind, welches fi dem Glauben bingibt, damit wir beffeidet gehen mit göttlicher Kindſchaft. Diefes Kind ift ihm das formende Princip, das zahloſe Kinder formirt durch Wort und Glauben. Was ift aber dieſe göttliche Natur, deren wir theilbaft werden durch Chriſtus? „Die ift ein folder Spruch, fagt er, zu obiger Zufammenflellung Bald T. XI. XII. XIH. befonders feine Kirchenpoſtille und die Freiheit eines Chriſtenmenſchen gu vergleichen. 34 * 590 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt 1. deßgleichen nicht ſtehet im Neuen und Alten Teſtament, wiewohl es bei den Ungläubigen ein gering Ding iſt, daß wir der gött⸗ lichen Natur ſelbſt Gemeinſchaft ſollen haben.“ Dieſen Spruch zu erklären geht er nicht aus von dem abſoluten Sein oder Gottes Unermeßlichkeit und ähnlichen Eigenſchaften, ſondern was wohl zu beachten ift, er ſieht als das Innerſte Gottes feine geiftigen und ethiſchen Eigenfchaften. an. Darin erſt fieht er dem Menfchen das Höchfte und Beſte gegeben, damit ift zugleich alles Pantheiftifche ansgefchloffen. „Gottes Natur, fagt er, iſt ewige Wahrheit, Gerechtigfeit, Weisheit, ewig Leben, Friede, Freude und Luft und was man gut’ nennen kann. Wer nun Gottes Natur theilhaftig wird, der überfommt das Alles, daß er- ewig Tebt, und ewigen Frieden, Luft und Freude hat und lauter, rein, gerecht und allmächtig ift wider Teufel, Stind und Tod. Darum fo wenig man Gott fann nehmen, daß er nicht Das ewige Leben und ewige Wahrheit fei, fo wenig kann mans auch euch-nehmen. Thut man euch etwgs, jo muß mans ihm thun.“ ' K. Poſt. Sonnt. nad) Chrifttg.: „Wenn das Kain böret, fo fegnet er fich mit Händen und Füßen und fagt flir-großer Demuth: „„Ei behüt mich Gott für der greulichen Ketzerei und Vermeſſen⸗ heit. Sollt ih armer Sünder fo Koffährtig fein und fagen, ich fei Gottes Kind? Nein, nein, ich will mic; bemüthigen, als armen Sünder erfennen.““ Diefe la fahren und hüte dich für ihnen als für den größeften Feinden des chriftlichen Glaubens: und deiner Seligfeit. Wir wiffen auch wohl daß wir arme Sünder find, aber hie gilts nicht anfehn was wir find und thun. Wir reden nicht von unferer Natur, fondern von Gottes Gnaden. Dünket es dich groß fein, daß du Gottes Kind feieft, Lieber !. fo laß dichs auch nicht Hein bimfen, daß Gottes Sohn fommen ifl, von einem Weibe geboren, und unter das Geſetz gethan auf daß du ein fol Kind würdeſt.“ — K. Poft. am Oftertag: „Ja der Menſch entfetet ſich dafür und muß für ihm ſelbſt erfchreden, daß er foll ſolcher Ehre und Herr lichkeit fi) vermeflen. Aber wie fol man denn thun? Es if genug und allzuviel an Dem das ich wider ihn gethan habe und mich zum Schalf gemacht. Sollt ich ihn barob auch noch zum Luther: Bom Glauben. Wie wir in dem Sopne Kinver Gottes feien. 521 Lügner und Schalt - machen und dieſe tröffiche Predigt verläugnen und läftern? Da fei Gott für! — Bin ichs nicht würdig, fo. bin ichs aber nothdürftig. Und ob ich das auch nicht wäre, fo it Doch Gott würdig, daß ich ihm die Ehre gebe und ihm für einen wahrhaftigen Gott halte. Sollt ich aber nicht gläuben, fo thue ich ihm die höchfle Unehre wider das erfte Gebot, daß ich ihn für einen Lügner und. nichtigen Gott halte.“ Defonders lehrreich ſpricht er fich hierüber in der Feſt⸗ poftill von der Taufe Chriſti aus. Das Wort: Du bift mein lieber Sohn, ſei nicht um Chrifti willen gefprochen, denn er fei auch ohne das Sohn geweien unb habe. es gewußt, fondern um unfertwillen, die wir wohl das Wort aber noch nicht bas Wefen haben. Sieh auf und höre zu! Das Wort Iehret uns Chriftum erfennen, in welcher Erfenntmiß- alles Heil ſtehet. Wie das? Es fagt, daß er Gottes Sohn fei und gefalle feinem Bater wohl. Mit dem Worte machet Gott aller Welt Herze lachend und fröhlich und burchgeußt alle Kreatur mit eitel gön⸗ ficher Süßigfeit und Troſt. Wie fo? Ei wenn ich das weiß und gewiß bin, daß ber Menſch Chriftus Gottes Sohn ift und dem Vater wohl gefället, fo bin ich auch gewiß, daß Alles was er redet und thut, das ift eitel liebes Sohnes Wort und Werf, weiches aufs. Allerbept Gott muß gefallen. Nun thut und leidet . und rebet er Alles mir zu Gute. Wie könnte nun Gott fi mehr ausfchütten und lieblicher oder füßer bargeben, denn baf er fpreche, es gefalle ihm herzlich wohl daß fein Sohn Chriſtus fo freundlich mit mir redet, fo herzlich mich meinet, und fo mit großer Liebe für mich leidet, flirbt und Alles thut? Meineſt bu nicht, fo ein menfchlih Herze recht fühlet ſolch Wohlgefallen Gsttes an Chriſto wenn er une fo bienet, es müßte für Freuden in bunderttaufend Stück zerfpringen? Denn ba würde es fehen in den Abgrund des väterlichen Herzens, ja in die grundiofe und ewige Güte und Liebe Gottes die -er zu und träget und von Ewigkeit getragen bat? Aber wir find zu Falt und zu hart; das Fleisch ift zu ſchwer auf unferem Halfe, fonft würden wir ohn Zweifel in ſolchem Worte fehen, daß Himmel und Erbe vol Feuers güttlicher Liebe, voll Lebens und Gerechtigkeit, voll 522 Zweite Pertove. Zweite Epoche. Abtbl. 1. Abſchnitt I. Eyre und Lob wäre, daß Dagegen die Hölle mit ihrem euer, mit - Tod und Sünde nichts‘ wäre, denn ein gemahlet Ding. — Alſo fieheft du, daß Gott mit diefen Worten Ehriftum in fih zeucht und fih in Chriſtum — und wiederum mit benfelbigen Morten beide, fich ſelbſt und Ehriftum — feinen lieben Sohn ausſchütiet über ung, und fi in ung geußt und ung in füch zeucht, daß er ganz und gar vermenfcht wird und wir ganz und gar vergöttet werben. Wie fo? Alſo. Weil Gott fpricht, eg gefalle ihm wohl, was Chriſtus ift und thut, fo führen dich die Worte dahin, daß du Gottes Wohlgefallen und fein ganz Herz in Ehrifto fiebeft in allen Worten und Werken, und wie- berum Chriſtum fiebeft im Herzen und Wohlgefallen Gottes und find die Beiden ineinander aufs -Allertiefeft und. Höheſt. Weiter, weit denn Chriſtus, das Liebe und angenehme Kind in foldem Wohlgefallen und im Herzen Gottes gefaffet mit all feinem Reden und Thum beit ift und dir Damit Dienet, fo biſt du ges wißlich auch im felbigen Wohlgefallen und ebenfo tief im Herzen Gottes als Chriſtus und wiederum Gottes Wohlgefallen und Herz ebenfo tief in dir, als in Ehrifto, alfo baß nun du umb Gott fammt feinem lieben Sohn in bir ganz und gar if und bu ganz und gar in ihm bift, und alles mit einander ein Ding ift, Gott, Ehriftus und bu. Dahin gehen viele Sprüge im en. Johannis, als Joh. X. XIV. XVIL Er will daß wir feien wo Er if. Wo ift er? Im Wohle gefallen Gottes, im Abgrund feines Herzens. Da find auch wir, fo wir Chriſtum Tennen und lieben. Da find wir fa, meine ich, ſicher gemug. Der Meunſch, ſagt er anderwärts, muß mehr denn Menſch werben, ſoll er fromm werben. Ein Menſch mit Onaden ge⸗ holfen, iſt mehr denn ein Menſch, ja Die Gnade Gottes macht ihn gotiförmig unb vergöttet ihn, daß ihn aud die Schrift Gott und. Bottesfohn beißt (Feftpoft. am Tage Petri‘ und Pauli). Iſt das nicht Über die Maaßen groß? Noch bat ers auch in ber Schrift gefagt (Joh. X. 34): Das iſt das Werk bes Prieſterthums Chriſti. Sein Name wird - unfer Name — wir werden getauft auf feinen Namen, alfo bag aus feinem und Luther: Bom Glauben. Deffen Entſtehung. 523 unfrm Namen Ein Name wird. Davon wid Gottesooll, Gotteöbiener, Gotteserbe, Gottesreich, Oottestempel beißen. Luther fieht den Glauben nicht blos als etwas Formales und als bloße Eigenfchaft, fonbern als etwas Subflantielleg, gleichfam Gotthaftes an, weil und fofern er an Gott haftet und Gott in ihm. Im Glauben ift göttliches Sein menfchliches ges worden, nachdem das Menfchliche fich geöffnet: hat für das Gött⸗ de. Der Glaube ift in dem Stand ber Unio mystica, des Vereintſeins mit Gott, zugleidy aber ift er des Menſchen wahres Dafein, die Wahrheit der Menſchheit. Denn ſo iſt der Menſch „ beichaffen, daß er nur durch Vereinigung mit dem, was über feine —— Beſchaffenheit hinaus iſt, mit dem Böttlichen, feinem eigenen Weſen oder Begriffe genilgt. Dieſes Höhere vernichtet nicht, ſondern beſtätigt die menſchliche Perſonlichieil. Doch auch im Einzelnen ſieht er in des Glaubens Ent⸗ ſtehung, Weſen und Frücht en eine Analogie ober ein Ab⸗ bild der Chriſtologie: weil in beiden Fällen Göttliches menſch⸗ lich, Menſchliches göttlich wird. Wie Chriſti Menſchheit, ſo empfängt auch der Glaube eine Communieatio göttlicher Idiome weil er Chriſtum, dieſe oberſte Macht der Einigung. des Goͤti⸗ lichen und Menſchlichen in ſich aufgenommen. a. Die Entſtehung. des Glaubens.“) Wenn wir erfannt baden, daß Ghriftus im Vater ift und der Bater in ihm, fo werben wir hernach weiter fommen,. und - auch erfennen, wie wir in ihm find und er in ung. (Eines (das Erkennen Ehrifti im Boter, fowie unfrer in Chriſtus) gebet über fi, das Andere (feiner in uns) unter fih. Dem wir -müffen zuvor in ihm fein, mit alle unferem Weſen, Sünde, - Tod und Schwachheit, und wiſſen Daß wir vor Gott davon ges freiet und erlöfet und feelig gefprochen werben durch biefen Chriſtum. Alſo müffen wir und über und und außer und in Ihn fehwingen, ja gar und ganz in ihm verleibt und fein’ eigen fein, als die auf ihm getauft find und fein heilig Sacrament dar⸗ auf empfahen. Dadurch verleuert ſich Sünde, 668 Gewiſſen va Sialius e. ©. 266 ff. 594 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt L Tod und Teufel, daß ich kann fagen, ich weiß von feinem Tod und Hölle. — Denn ich weiß ja, daß wie Ehrifius im Vater if, alfo ich aud in Chriſto bin. Das ift das erfte Hauptitüd, Dadurch der Menſch außer und. über fi in Chriſtum fähret. Darnach gehet es wieder von oben herab. Alfo wie ih in Chriſto bin, alfo ift wiederum Chriſtus in mir. Ich habe mich Sein angenommen (assumpsi eum) und bin in Ihn gekrochen aus der Sünde u. f. w., fo erzeigt Er fich wieder in mir unb fpricht : gehe bin, diene dem Nächften, Ich will in bir fein und Alles thun; was du thuft das will ch gethan haben, allein jet getroft, Fed und unverzagt auf Mich und fieße daß bu in Mir bleibeft, fo will Ich gewißlich wiederum in dir fein.“ „Summe, durch das Wort werben wir Chriſto eingeleibt, daß alled was er hat unfer ift, und wir und fein annehmen fönnen, als unferes eigenen Leibes. Wiederum auch er alles beffen was ung wiberfährt fi annehmen muß, baß ung weber Welt, Teufel, noch Fein Unglück fchaben noch überwältigen Tann. Denn es ift feine Gewalt auf Erben fo groß, Die wider biele Einigkeit etwas vermöge. Aber damit gehet der Teufel um, daß er ung diß Band zertrenne und durch feine Tüde vom Worte reife.“ „Wie bie leibliche Speife ſich verwandelt in bes Menfchen Wefen, alfo daß fie ihre Geftalt verleuret und zu Blut und Fleiſche wird: alfo auch wenn bie Seele Gottes Wort von Chrifto mit dem Herzen faflet und zu ſich nimmt, fo bleibt der Glaube nicht müßig, fondern durcharbeitet und verwandelt den Menfchen, daß er gar in Chriſtus eingeleibet wird und Chriftus in ihm. Wie geht nun folhe Verwandelung und Einverleibung zu? Zum Erſten der Glaube ,. auf diefe Predigt gegründet, hält fi) nicht an einen geiftlihen Leib, fonbern au das natürliche Fleifh und Blut, glaubt bag es Gottesfohnes Sleifh und Blut fei, für uns bingegeben unb vergoßen b. h. . fein Fleiſch und Blut Eſſen. Darnach folget dann der bobe veiche Wechfel, daß er in ung und wir in ihm bleiben. — Er wird mit allen feinen Gütern mein, und ich mit allen Sünden und Unglüd werde fein Leib. Denn bleibet er in mir, fo muß ich Alles haben, was er ift und hat, ewiges Leben, Gerechtig⸗ Luther: Bom Glanben. Deffen Weſen. 595 feit und Weisheit, Stärfe, Gewalt und bie Güter allzumal, der fein Ende noch Zahl if, daß ich mich ihrer umterzieben und an- maßen mag ale meiner eigenen. — Wieberum, bleibe ich in im, fo muß folgen, wie gebrechlich ich bin, wie ich ftrauchle und fehle, kann mirs nicht fchaden. Denn ich werbe mit meinen Sünden und Schwachheiten yon und in ber ewigen Gerenhtig- feit und Stärfe getragen.“ „Chriſtus if Gottes Gnade und Barmherzigkeit, Berechtig: feit, Wahrheit, Weisheit, „Stärke, Troft und Seeligfeit, ung von Gott gegeben ohn allen Verdienſt: Ehriftus füge ich, nicht (als etliche mit blinden Worten fagen) causaliter, daß er Ge: vechtigfeit gebe, und bleibe ex draußen, denn bie ift tobt, ja fie iſt nimmer gegeben, Chriftus fei denn auch ſelbſt da,“ b. Das Wefen biefer Vereinigung -befihreibt er °) weiter fo: „fie machet aus ung neue Creaturen, fo jegt andere Sinne, Herz und Gedanken-Friegen. Summa, Grund und Boden meined Herzens wirb verneuert, daß ich gar ein neu Gewächs werbe, gepflanzet in ben Weinſtock Ehriftum und aus ihm gewachfen. Dem meine Heiligfeit, Gerechtigfeit und Reinigfeit kömmt nicht aus mir, flehet auch nicht auf. mir, fondern ift allein aus und in Ehrifto welchem ich eingewurzelt bin, durch den Glauben — und bin nun ihm gleich und feiner Art, daß beide er und ich einer: kei Natur und Wefens find, und ich in und burch ihn Früchte trage, bie nicht mein, ſondern des Weinftods find.“ „Man foll vom Glauben recht lehren nemlich alfo: daß du durch denſelben mit Ehrifto verbunden und vereiniget werdeſt, daß aus dir und ihm gleich als eine Perfon werde, welche fich von einander gar nicht ſcheiden noch trennen laſſe, fonbern Chrifto immerdar anhange und mit aller Freudigkeit getroft fagen möge: Ich Hin Chriſtus: nicht perfünlich, fondern Ehrifli Gerechtigkeit, Sieg, Leben und Alles was er hat, ift mein eigen; und daß Chriſtus wiederum fage: Ich bin biefer arme Sünder, das iſt, alle feine Sünde und Tod find meine Sünden und mein Tod, fintemal 6) Bergl. Statius 1.c. ©. 270. Wald VII, 306. 350. 358. 1906 f. Kirchenpofl. zum Pfingfitag. . 526 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt I. er durch den Glauben an mir hanget, und ich an ihm: daher St. Paulus ſpricht, wir find Glieder von Chriſti Leib, vom feinem Fleifh und von feinem Gebeite. — Derowegen wann du in biefem Handel beine und Ehrifli Perfon von einanber ſcheideſt, jo bift im ſchon u unter dem Geſetz und lebeſt nicht in Chriſto. « „Da er fagt: ich und ber Bater wollen Wohnung bei ihm machen, folget aus der Gnabe und Liebe Gottes, daß ber Men- fhen Herz werde ein Thron und Stuhl feiner. erbabenen Maje⸗ ftät, der muß fein befier umd edler denn Himmel und Erben 1. Cor. 3; 2. Cor. 6. — Siehe nım- weich ein groß Ding fei ber Menſch welcher ein Cheift ift: ein rechter Wundermenſch auf Erden, der vor Bott mehr gilt denn Himmel und Erden, — in bem Gott Alles und Alles ift, und er in Gott alles vermag und thut, aber vor der Welt gar bach und tief verborgen unb unbefannt.“ e. Die Früchte biefer Vereinigung. - Wer in ber Liebe bleibet, der bleibet in Gott, und that eitel ſolche Werke, bie Gott ſelbſt thut. Iſt nicht mehr ein Imuter Menſch, — und beffer denn Sonn und Mond, Himmel und Erben. Denn Gott ſelbſt if in ihm und thut folde Dinge das kein ve noch Greatur thun Tann. Das ift bie ſchöne Verheißung von ber. überfchwenglicgen Herrlichkeit der Chriſten, dag fih Gott ihnen ſo tief herunter gibt und fo nahe zu ihnen thut, baß er ‚nirgend anders ale in’ ihnen und durch ihr Wort und Werl, Mund und Hemd, fid erzeigen, fehen und hören laſſen will: — "Aus Chriſto und dem Ehriften wird ein Leib, daß diefer kann recht Früchte bringen, nicht Adams oder feine eigenen, ſondern Ehrifi, Sein Mund und. Zunge, bamit er Gottes Wort handelt und bekennet, ift nicht fein, fondern Ehrifti Mund und’ Zunge, feine Hand mit ber er wirfet und bem Nächten bienet, das ift feines Herrn Chriſti Hand. Hier if zu merken daß Gott, ber alleine Altes gemacht hat, auch ſelbſt Alles tegieret, auch alleine alles Zukünftige weiß, doch Bat zu fich genommen beide feine Engel und ung Menfchen, durch welche er will regieren, bag wir mit ihm wirlen und er mit ung. Denn wiewohl er fönnte ohne ung regieren, fo will er es doch burch uns thun, Luther: Bom Glauben. Deffen Früchte, Abbildung Chriſti. 527 Kein Wunder, daß ſich fir Luther nun auch andere Aehn⸗ kichfeiten zwiſchen Chriſtus und ben Seinigen berausftellen. ©) Chriſti Geburt und bie des Glaubens bat eine wefentliche Aehn⸗ Hichleit, wie denn im Glauben Ehriftus in ung geboren wird, oder, in anderer Wendung, wir werben ihm eingeleibt, fein Leib. Denn „Ehriftus has Die Gaben nicht empfangen in fi) und für fich allein, fondern ſie in die Menfchen auszugießen, wie benn geſchehen ift am Pfingſttag und hernach vielmal.“ Chriſtus if der Sohn, die Gläubigen durch ihn Kinder Gottes, theilhaftig der göttlichen Natur, ſo daß ſie durch ihn ſeiner Art, mit ihm einerlei Natur und Weſens find. Denn was Chriſtus iſt und bat, wiederhoſt Luther unzählige mal, das iſt des ige Menſchen eigen, dadurch, daß er fih zu eigen nahm unfer iſt. Chriſti Geburt, wie wunderbar fie iſt, ſie wird, ausgetheüet vurch das Wort. Das iſt die Weiſe und Maaß rein zu wer: den von unſerer elenden Adamsgeburt.“ So haben wir denn auch Theil an Chriſti Gewalt und Königthum. Ein Chriften: menſch ift aller Dinge mächtig. Gott thut was er will, indem er will was Gott will Er bat die wahre Weisheit, denn er ſiehet in das offene Herz des Vaters. Wie will man denn für unmöglich aufehen, daß ber Mann Chriſtus Jeſus aller Dinge mächtig fei? ober daß er auch auf- Erden im Himmel war? Waren hoch felbft bie Apoſtel auf Erben doch im Himmel. Und die Ehriften alfefammt, ſofern fie ergreifen bie unausſprech⸗ lichen ewigen @üter, fofern. haben fie auch durch den Glauben, för Weſen und Wandel im Hintmel. Nicht minder aber find die Gläubigen auch gekreuzigt, ges ſtorben und begraben mit Chriſtus. „Es veimet ſich nicht, daß wir wolkten in dem alten fünblichen Weſen bleiben, bie wir ges tauft und Chriften find. Denn daſſelhige ift ſchon mit Chriftus gefrenziget, das iſt: das Urtheil der Verdammniß und Todes iſt barliber gefprochen und gegangen. Die Ehriften find ſchon zwei⸗ % Bei Statius, ©. 257-259. 270. 308 ff. 897. Wald T. V, ©. 996. X, 1363. SKirchenpofl. zum Eprifttag und 6 Zrin. 598 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abfchnitt I. fältig geftorben einmal geiftlih, der Sünde, zum anderen auch in Beziehung auf den leiblihen Tod, dem fie in Chriſto gleich⸗ fam abgeftorben find; denn „ver Tod, der nun noch übrig if, ift für fie nur noch ein gemahlter Tod.“ „Sie leben aber au fchon eines anderen Lebens durch Chriſti Auferftehung, dadurch fie im Glauben Ueberwindung ber Sünde und des Todes, ewige Gerechtigkeit und Leben haben. Sp wir nun ſolches haben burd) die Taufe, fo muß auch folgen, baß wir nicht mehr der Sünde leben, die noch in unferem Fleiſch und Blut in biefem Leben fih reget, fondern immer biefelbige auch töbten, daß fie Feine Kraft und Leben in uns habe, fo wir anders wollen erfunden werben in dem Stande unb Leben Chrifti, ber ber Sünde ge ftorben und fie durch feinen Tod und Grab getilget und begra= ben, ‚wie durch bie Auferfiehung Leben und Sieg über Sünde und Tod erworben und durch die Taufe gegeben hat.“ „Bir miüffen glauben, daß wir auch in bem Resnrrexit fieben und gefaffet find, daß ſchon unfere Auferfiehung und Le ben in Ehrifto angegangen ift, fo gewiß als wäre es ſchon gar gefehehen; nur daß es noch verborgen iſt. Wir müſſen befennen und fagen, wenn wir felber ſterben follen: das befte Stüd an der Auferſtehung if fhon geſchehen, Chriftus das Haupt der ganzen Chriftenheit iſt durch ben Tod. hindurch und von den Todten auferftanden. Zudem ift das fürnehmſte Stüd an mir, daß meine Seele auch hindurch ift durch den Tod und mit Chriſto im himmliſchen Leben.“ 7) Auch dahin endlich erftredt fich bie Aenlihfeit, daß bie Gläubigen die neue aus Gott geborene Perfönlichkeit, die fie find, dahin geben und verweriden in ber. Liebe zum Nächften. 8) Das nennt Luther das Zeichen davon, daß das Rind Chris ſtus innen ift, fo wir und auch unter einander unfer felbft an- nehmen, fo wir anziehen und Heiden und in unferes Nächften Fleiſch, und thun ihm, wie uns Gott in biefem Chrifto thut. Und das if auch eine geiftliche Geburt und ein geiftlich Menſch⸗ ) Hauspoſt. am Oſterabend. XIII, 1090. 8) XI, 2708 ff. Luther: Des Glaubens Früchte, Anwend. auf die Chriſtol. 5329 werben; denn auf biefe Weife werben wir unter einander felber ge⸗ boren. Die Schrift nennet den Nächften unfer Kleifch, denn Gott will haben, daß ich mich feiner fol annehmen (assumere) nicht anders denn al wäre es mein eigen Fleiſch und Blut, mein eigner Leib. Chriſtus hat unfer Fleifch angezogen, das boch voll Sünde AR, und allen Sammer und Unglück gefühlet, bat fi nicht anders gehalten vor Gott feinem Bater, denn als hätte er felbft bie Sünde vollbracht die wir alle gethan haben und ale „hätte er dieſes alles verbienet, was wir haben verbienet. Phil. 2.“ — „Die Natur macht aus Einem Fleiſch viel Fleiſch und viel Leiber; der heil. Geift macht Ein Fleifh und Einen Leib aus viel Fleiſch und vielen Leibern. So weit die Natur Fleifch und Blut von einander bringet, alfo nahe und viel näher füget fie ‚ver Geift zufammen. Darum muß ich meinem Nächften dienen als thäte ich es mir ſelbſt. — Wenn ich num foldes mit Wers fen erzeige, fo ift es ein gewiß Zeichen, daß Chriſti Geburt in mir Kraft und Raum bat, und fo viel in ung fich mehren folche Werle chriſtlicher Liebe, fo viel mehret fih auch Chriſtus in ung. — Alſo erfemmet ‚man wie Chriſtus unfer fei und wie er mit und eins fei worden durch den Glauben, damit er uns Men⸗ ſchen auch in einander flechte, alfo daß -wir alle auch Ein Fleiſch und Leib werben, ‘wie er Ein Leib und Fleiſch mit uns iſt. Das zeiget an bie feibliche Ehe, davon Gott ſprach: es werben zwei fein Ein Fleiſch. 1. Diof. 2. Epheſ. 5. Wenn wir Alle ein Leib werben, fo werben wir auch mit Ehrifto geeiniget durch eine geiftlihe Ehe, das ift, wir werben alle feine Bräute und er wird und am jüngften Tage ſetzen zu richten mit ihm bie ganze Welt.“ 9) Durch den Glauben an Ehriſtus ſetzt ſich alſo nach Luther beides fort, die „Vermenſchung Gottes“ und „bie Vergoͤttung bes Menfchen;“ fo zwar, daß man ſagen muß, feine ganze Lehre vom Glauben ift von chriftologifihen Zügen" durchwoben. Nie verpißt er babei, den Unterſchied hervorzuheben, daß wir burch die Gnade werden was Chriflus von Natur iſt; Feſtpoſt. in der Frühchriſtmeß. 530 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt 1. ferner, was ebenfo wichtig (da aud Luther Die Zeit er bofft, wo ber alte Adam, unfre erſte Geburt nicht mehr nad wirft), bag wir Altes nur haben in Gemeinfchaft mit Chri⸗ ſtus und buch im. SKeineswegs aber iſt es feine Meinmg, bag in biefer Gemeinfhaft mit dem Haupte wir unperfönlich feien, oder bie göttliche Natur und ihre Güter nicht in ung, nicht als eigene haben, fondern nur darauf beſteht er mit Hecht, daß Das nicht „wachle aus unferem Garten, nit quille aus unferem Brunnen,“ obwohl es uns’ fpeifet und tränfet und ſo unſer wird und und umwandelt. Wie viel weniger, das läßt fih zum Boraus abnehmen, wird für Luther bie Menfchheit Chriſti nur als ſelbſtloſes unperfönliches Organ dageſtanden haben. Gerade für ihn war ja gar fein Bedürfniß vorhanden, bie menſchliche Seite der göttlichen gegenüber zu verfürzen, da er auch der. menſchlichen Natur überhaupt eine fo tiefe und we⸗ fentliche Empfänglichfeit und Bedürftigkeit für Gott zufchreibt. Zu- gleich Tann wohl das Dargelegte vecht fchlagend zeigen, wie eine andere Chriftologie, die nur ben Unterſchied der Naturen betonte, von ber Lebensbeziehung aber -zwifchen dem Göttlichen und Menſch⸗ lichen wenig oder nichts übrig. ließ, zum voraus auch für. feinen Glauben etwas Frembartiges und Störendes haben mußte, Denn bie Myftif feines Glaubens mußte dadurch affieirt und abgeftoßen werben. Aber auch auf eine Kolgewibrigfeit- im fpftern Sprad- gebrauch der Iutherifchen Kirche werde von bier aus noch geblit, durch den bie Chriftologie gegen bie Lehre vom Glauben‘, wider Luthers Sinn und Geifl, verkürzt ward. Daß wir durch den Glanben theilhaft werben der göttlihen Natur und zwar fo, daß das, was biefer Natur Inhalt iſt, dem gläubigen Menfchen zu eigen werbe, ja wefentlich ‚zu ber neuen, der wahren Menſchheit gehöre, das konnte und wollte man im Angeſicht bee neuen Teſtaments und ber Lehre Luthers vom Glauben no längere Zeit hindurch nicht läugnen, wie bie Lehre von ber Unio myslica beweist. Dagegen in ber Lehre von Ehrifti Perfon wird anffallender Weife 7) von dieſem Sprachgebrauch der, wie 10) f. unten. Luthers Chriſtol. Seine chriſtol. Anfänge in d. Abholg v. 1515. 531 Luther ‚wohl weiß, wie „ber neue“ fo ber höhere ift, abge⸗ .gangen. Denn von nur zu Dielen wirb in ber Intherifchen Kirche — ohne Zweifel aus falfcher Rüdficht auf Gegner, ſpäter wiederholt, baß ber Menfchheit-Eprifti ner Die Eigenfchaften, nicht bie Natur Gottes, zu eigen geworben feien. Weit richtiger fab auch bier Luther. Er nennt, wie wir fahen, Eigenfchaften feine Ratur, und was befonders treffend ift, er bezeichnet als die Natur oder dad Weien Gottes vor Allem die geiftigen und eihifchen Eigenfchaften; unb ba dieſe ebenfo mitiheilbar ale mittheilfem find, kann er fo, wie er thut von ber Einheit bes Göottlichen und des Menkchlichen im Glauben reden. Aber Luther bat nicht bios Die Anthropologie von dem Heilsglanben aus. umgeftaltet, fordern. auch für bie Chriftologie Bebeutendes gegeben. Es finden fich in feinen Schriften, zumal in feinen- früheren, die veichften und tiefften chriftelogifchen Ge: danfen, welche noch gar nicht alle in diejenige Ausprägung ber Lehre übergegangen find, bie nachher zur Tirchlichen geworben iſt. Es ift daher der Mühe wert; wie nothwendig, biefe Ans fänge wo Luthers Gemüthstiefe und ſpekulativer Geift in einer unendlich reichen und boch einheitlichen charaltervollen chriftologi- fhen Anfchauung frei waltet, — von der fpäteren Lehrform zu unterfcheiden. Dor Allem gehört hieher eine Abhandlung von Chriſto als dem Worte aus d. J. 1515. ) Hier ſchließt er ſich nicht 2) an den VLehrtropus der Zweinaturenlehre oder gar eines weientlichen Gegenfates der Natuven an. Im Gegentheil ift es bie innigfte Einheit von Gottheit und Menfchheit, die er anſchaulich zu machen ſucht. Im Kraft der Vereinigung: bat man von dem Wort nicht blos zu fagen, daß es Fleiſch habe, fon: dern auch daß es Fleiſch ſei. Andrerſeits gleichwie das Wort Gottes in Biete worden, alfo auch das Fleiſch gewißlich muß 9 Vala Xu, 2144 ff. Beſonders ©. 2158 — 2167. Latein. bei Löſcher volir Reform. Alten 1, 231 ff. Vgl. ferner aus dem Jahr 1521 die Chrifttagsprevigt vom Wort in Gott; XI, 216. Ueber Joh. 1, 1—14. VII, 1890. ) Bel. au xT, 2780 ff. (Rirenpofith) 532 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt IJ. Gott werben. Denn darum wird das Wort Fleifh, daß das Fleiſch das Wort werde. Darum wird Gott Menſch, daß ber. Menſch Gott werde. Darum wird bie Kraft ſchwach auf daß bie Schwachheit ſtark werde. Aber wie geht Beides zufammen, Menfchheit und Gottheit? Er antwortet, auf Ariftoteles fi "berufend: Sp, wie Materie und Form. Jene firebt nad biefer, und trägt ein Verlangen nad biefer (die Menfchheit nad) ber Gottheit); fie it wohl etwas in fofern fie fubfiftirt, aber in fofern fie ein Verlangen trägt nach ihrem Objekt, ift fie ohne ihr Objeft ein bloßes Vermögen, ja ein Nichts und wirb erſt etwas alsdann, wann fie ihr Objekt erreicht: jo daß biefes -ihr Sein ift und ihr Actus ohne den fie nichts wäre. 19) Aber eine ähnliche Tendenz (Intentio) wie die der Materie zur Form, fucht er von ber Form oder Gottheit nachzumweifen in Beziehung auf die Menſchheit. Gott dürfe nicht gebadht werden als bloßes Sein, fondern Gott fei auch ein ewiges Herfürbrine gen. Das Hervorgebrachte fei Gottes Wort, darin vervielfältige fi) Gott. Schon alle Kreatur, die fogenannte leblofe, die belebte, empfinbenbe, verftändige und vernünftige habe es an ſich, ſich zu bewegen, fich ſelbſt zu zeigen und zu erweden, gleichſam ein Wort von innen hervor zu bringen, das fie zuvor nicht war. Im Wachfen, Blühen und Früchtebringen gehet das Belebte gleichfam aus ſich felhft hervor, gibt etwas von ſich und kommt zu einem Dafein barin es vorher nicht war, vermehret und vers vielfältiget fich in ſich ſelbſt, gehet aber doch von ſich felbit nicht ab, ja bleibet Ebendasſelbige. Und fo gehet es auch in Gott. Er bleibet auf eine unausſprechliche Weife Ebenberfetbige und vervielfäftiget ſich indem er fich felbft erfennt, indem er redet, verfiehet, empfindet, ausläffet und wirfet. Sa wenn er nicht berfelbe biiebe, fo könnte er fich nicht vervielfältigen: fondern es wäre nur das andere Ding Dazu er gewworden wäre. Beſtimmter fiellt er diefes fo dar: In Gott ift ewige Bewegung, ewiger Gedanke. Die eiwige Bewegung, der ewige Gebanfe in Gott ift das Wort das er mit fich felbft redet und fpricht in ſeinem 'ı3) ©. 9168 f. Die Menſchh. Chr. ſowohl als forma wie als wateris in d. Menſchw. 533 Herzen, ſein Rath, Weisheit, Urtheil und Gedanke. So iſt auch im Menſchen ein innerlich Wort und das iſt vollkommener als das äußere, das nicht immer das Herz bewegen kann, wie das innere Wort thut, welches, wenn wir in Anderer Herz es ſchicken könnten, fie bewegen würde wie ung ſelbſt. Wie nım aber biefes innere Wort inwendig im Menfchen bleibet und doch kann offenbaret werben leiblich, fo bleibet auch bas innere Wort Gottes bei. Gott und ift Gott, (auch wenn es äußerlich mird). Es könnte. Iosgelaffen werben von Gott, abgefonbert und mit Anderem vermiſcht, werm es. nicht Gott wäre: fo aber nicht. (Das Aeußere ift Aeußeres des Innern, das bleibet, auch indem es offenbar wird.) Aber es wird nicht -ausgelaflen anders ale vereinigt mit dem Fleiſch oder der Menſchheit, welche ift das fihtbare Wort oder Wert Gottes, darin Gott zeiget was Chriſtus für Meinung und Gebanfen habe. Das innere Wort ſcheinet in nichte .unterfchieben zu fein vom äußern, außer daß biefes das innere Wort. in der Bewegung ifl. Chriſti fihtbares Fleiſch oder Menfchheit ift gleichfam bie Stimme im Verhältniß zum: innern Wort. Diefes büllet ſich in bie Stimme, um, obwohl es nur Ein Wort ift, ausgeſtreuet zu werben unter Viele‘ und viele Ohren zu füllen. So wird au Chriſtus, das Wort aus allerhöchſtem Munde, in die Stimme d. 5. fein ſichtbares Fleiſch eingehüllet, unter Viele ausgeftreuet und füllet ihre Ohren burch das Gehör der Prebigt vom Glaus ben, und fleiget fo. Chriſtus durch die Prebigt herab auf alle Böller, gleichwie der Regen berabfleiget. Darin daß das innere Wort Gottes zum äußeren geworben ift, gieng es liber in eine Bewegung aus fi heraus, warb was es nicht war das Unfrige annehmend, damit er uns das Seine gebe, ſo wir das Wort annehmen unb durch den Glauben bemfelben anhangen. Durch folche Bereinigung mit dem Wort burch ben Glauben gelangen wir dahin, bag von und gejagt wird nicht allen, daß wir das Wort haben, fondern auch daß wir das Wort find, gleichwie Chriftus nicht blos das Fleiſch bat, fondern auch if. Denn, „wer dem Herrn anhanget ift Ein Geift mit ihm“ und alfo iſt ein jeglicher ber aus bem Dorner, Chriſtologie. IL. 2te Aufl. 35 534 Zweite Periode. Zweite Epode. Abthl. ı. Abſchnitt 1. Geift geboren if. Was vom Geift geboren wird das ıjt Geiſt (1. &or. 3, 16. 17. Joh. 3, 8. 6.) und der Apoſtel fagt, daß wir im ihm find bie Geredtigfeit, bie vor Gott gilt. Gleihwie wir demnad genannt werden ein Geilt, Die Gerechtigkeit, die Wahrheit, die Heiligung und das Reich, alſo beißen wir auch dad. Wort, die Weisheit und bie Kraft; denn wenn wir auch annehmen das Wort, und felbft verlaflend und erniebrigend, nichts von unſerem Sinn behalten fondern ganz verläugnen, fo werben wir ohne Zweifel Das was wir annehmen und wenn wir can biefem Wort bangen unb durch baffelbige gefangen find, find wir das ganze Wort, nicht actu zwar in diefer Zeitlichkeit, auch nicht substantialiter, fondern infofern unfer Verlangen ein bios Vermögen an ſich; ja ein Nichts ift ohne Das Objekt (ſ. o.), das Objekt alfo unfer Sem und: unfer actus. iſt. Luther denkt alfo hier Die Sache fo, Daß zwar das Wort Gottes und die Dienfchheit eine Zweiheit find, infoferne fie als für ſich ſubſiſtirend können gebacht werden, ſowie daß fie nicht fich felbft verlaffen oder verlieren durch Verwandlung in das Andere, die überall nicht Statt finde. Aber es iſt in der Gottheit eine Bewegung aus ſich berans, die ohne Selbfl: verluft nach der Menfchheit als ihrem Ziel (Objectum) vers langt, nicht minder in ber Menfchheit ein gleiches Berlangen nad) der Gottheit oder dem Wort. Das einemal ift die Menſch⸗ heit bie Forma, welche Gott als der Inhalt liebend ſuchet: und fo hat Bott nicht bloß Fleiſch oder Menfchheit, fondern wird unb it Menfh. Das anderemal ift bie Menſchheit die Ma- teria, und verlanget nach ber Gottheit als ihrem Ziel, wie bie Materie begehret und firebet nad) ihrer Form und fo wird ber Menſch Gott. Beide, Menſchheit und Gottheit bleiben was fle waren, aber werben mas fie nicht waren, was fie aber werben, jede ihrem inneren Berlangen gemäß, das ift für jede von bei⸗ den bie andere, fo daß das beiberfeitige Reſultat nichts anderes iſt ale die Gotimenfchheit: natürlich fo, bag die Bewegung ale von der Gottheit ausgehend gebacht wird. Schon in diefer Darftellung ift die Beſtimmtheit erfreulich Luthers Epriftologie. Die Denfchheit iſt ihm nicht bloße Form. 5353 mit ber er an das Schriftwort, an Ehrifti hiftorifche Erſcheinung anfnäpft. Er geht fichtlich ſchon hier von. dem Glauben aus an Chriſtus unfre Gererhtigfeit; den Glauben felbft aber fat er nicht bios als Aufnehmen der Sündenvergebung, fondern umfaffender ald Anfang der Unio mystiea. Was auch über bie wiffenfchaftliche Erpofttion felbft zu fagen fein mag, '*) bie een, die er bier ausfpricht, find bedeutend, Die Trinitäts⸗ lehre fucht ex in Klub, die immanente Trinität mit der trans eunten in innere Continuität zu bringen durch bie Unterfcheidung des innern unb äußern Wortes und aud den innern Zufammenbang zwifchen dem Wort Gottes im Sleifche und dem in der Schrift ſiehet er. '°) Nicht minder fchließt “er fchon hier Chriftologie —— “) Später (T. X, 1377) kommt er auch auf den fcholaftifhen Ber- fu zu fprechen,. entweder die menfchliche Natur als Form der göttlichen (als Inhaltes) zu fehen; als auf ben umgelehrien, bie göttliche Natur als das Formprineip der menſchlichen zu bezeich: nen. Keines von beiden genüge (wie auch die alten Bilder nom feurigen Eifen u. f. m. hinken. Theſ. 43. 44.) Gr felbft hatte, wie gezeigt, Beides zu vereinigen gefucht, wodurch beiden Naturen unbefshadet Ihres inneren Zufammenfitebens ihre ſelbſtaͤndige Be⸗ beutung gewahrt werben follte. Aehnlich if die Lehre des Andr. Dfiander vom Wort (vgl. Heberle.) Schon hier fieht man deutlich die Richfung Luthers, eine organifche Einheit zwifchen dem Aeußern und Innern ber: geftalt zu flatuiren, daß wir mit, in und unter jenem auch dieſes haben können und follen, und daß das Innere in dem Aeußeren ein weiteres Moment feiner felbft erreicht, varnach es verlangt,. fei e8 au nur das Sein für Andere ($. 13) oder das Moment der erfcheinenden Wirflichkeit, aber ohne in diefem unterzugehen, das vielmehr auch wieder (wenigftens für Epriftt irbifches Leben) eine Verhüllung des Innern if. & 10: Bir Hoffen, künftighin dieſes Wort einzuſchauen, wenn Bott fein Herz wird öffnen, ja wenn er nicht ſowohl fein Wort wird aus fich hervorgehen Taffen als vielmehr uns einführen in fein Herz, daß wir fehen das Gute des Heren im Lande der Lebendigen, da wir bie reine Wahrheit und. Weisheit werden fehen. Denn unterbeffen zeiget er Bände und Züffe, Augen, Ohren und Seite, alsdann aber wollen wir and mit allen Seligen in fein Herz ſehen. Diefes Wort wird Allen geben einen herrlichen Anblid und Freude.“ ©. 2154. Alfo 35 * 15 N 536 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt 1. und Glauben enge zuſammen, indem durch dieſen die Vermäh⸗ lung des Göttlichen und Menſchlichen ſich fortſetzt, die ihm in Chriſtus abſolut gegeben iſt. Im Wort ergreifet der Glaube das Princip dieſer fortſchreitenden, aber erſt im Jenſeits ſich vollendenden Vereinigung. Dabei iſt von einer Unperſonlichkeit der Menfchheit fei es in Chriftus, fei es in den Gläubigen nicht mehr die Rebe, wie in der Myſtik, Denn obwohl bie Menfchheit in einer Beziehung mit der Stimme verglichen wird, bie das innere Wort als Aeußeres iſt, — was auf bloße Theo: phanie führen könnte — fo iſt ihm doch die Menſchheit nie blos Mittel, fondern die Gottheit verlangt auch nad) der Menſch⸗ beit als ihrem Objekt oder Ziel, wie die Menfchheit nach Gott, und fo ift fie in Gott felbft gefichert und bejaht; wiederholt aber tritt er der falſchen mittelalterlichen Idee von Stellvertretung entgegen. Weder höret Gott anf, zu bleiben was er war, Damit - er würde was er nicht war, d. 5. weber ſetzt feine Liebe das was er nicht war aber werden will, am bie Stelle deſſen was er in fich ift, noch auch böret bie Menfchheit auf zu fein was fie ift, damit an deffen Stelle das fei was fie nicht war. Don folhem phyſiſchen Verwandlungsproceß ift er fchon bier aufs Beſtimmteſte abgemandt in Beziehung auf Gott und bie Menſch⸗ beit ($. 18). Aber allerdings das erhellt hier noch nicht, ob er Chriſti Menfchheit nur als Mittelzwed für ung’ oder als bleibenden Zweck und ald Gut in fich benft. Wohin er fih zu wenden hatte, hat er aber beutlich genug erfannt. Freut er fich doch daran ganz befonders, daß bie ewige Menfchheit Chrifti erhöhet fei und in ihm bie Menfchheit auf Gotted Thron fige und Bernhard rede dem Glauben ähnlich wenn er baburch bie menfchliche Gattung über Die Engel erhaben fein laſſe. Lucifer babe, ba er noch ein guter Engel war, am Angefichte Gottes gefehen, daß Gott von Ewigkeit befchloffen, mit der Zeit ein Menſch zu werden und menfchlihe Natur, nicht englifche an fich zu nehmen., Das habe feinen Neid und Fall TV des Wortes Berbüllung, aber deßhalb nicht feine Denfchheit wird aufhören. Die alte und die neue Weisheit. 537 bewirkt. 1%) Alſo da Sünde noch nirgendwo. war, iſt ber Menfchheit diefe Würde und Ehre zugebacht gewefen, daran Gott fein Wohlgefallen bat. Daher er auch Chriſtus aller Ereaturen Anfang, Mittel und Ende nennt. 17) Gottes Wohl: gefallen aber an dem Werk ber Menfchwerbung iſt nicht darin begründet, daß er dadurch etwas für fih gewänne, ſondern barin, daß er fo fein „Herz offenbaret,“ ober Wirklichkeit der Liebe iſt, deren Herrlichkeit nicht im Nehmen fondern im Geben beſteht. Gott läßet fih an der Ehre nicht genügen, daß er fei Schöpfer aller Creaturen, wie ihn auch Juden und Türfen Ioben umd rühmen; — das ift die alte Weisheit. — Er will auch erfannt fein was er inwärts if. Er hat fein göttlich Weſen ausgeſchüttet und angezeigt durch das Evangelium daß er einen Sohn habe. Durch ihn hat er fich abgemalet und zu erfennen gegeben,‘ wie er in feinem Wefen und Willen ifl. Und biefen feinen Sohn läßt er nicht unterbrüden, eher bie erfte Schöpfung, Erbe und Himmel einfallen: Daß wir in bem Sohne ihn erfennen ind befemmen als Heiland, bag ift Die neue Weis— beit. (Bom Jahr 1542. VII, 1826—1843). Seine Ehre ift feine Liebe, die das Niedrige und Arme fucht, um es reich zu machen, um fo mehr wenn es in Sünden verloren iſt. Bon biefem Grundgebanfen, ber Luthern nie verlieh, müffen wir ausgehen, daß Gottheit und Dienfchheit im Chriftus zu: fammenfommen, weil jene aus ber Fülle ihrer Liebe heraus ihre phyſiſchen Vorzüge gering, aber das Niedrige. hoch achtet und fi zu eigen macht in Demuth ber Liebe; und daß das Nied- rige nicht gegen feine Natur fondern gerade nach feiner wahren Natur ein Verlangen träget nad) der vollfommenen Vereinigung mit dem Worte Gottes woburd es ihr eigen wird. 17) Schon 10 Walch, VII, 1498. 1502. 1544 - 1556. im Jahr 1537. 1. 35 f. II, 584 f. | m) VII, 1424. Bgl. Anmerf. 19. Schenfel Wefen d. Brotefl. I, ‚322. fagt (jedoch ohne die Ab⸗ bandfung v. 1516 zu beachten, oder die weit fpätere theologiiche Abhandlung X. 1372): Luther fpreche die ſtraks wider einander feienden Naturen gewalttfätig zufammen, belafle ven Widerfprud, 538 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt 1. Euther will in jener frübeften Zeit fommt es ihm offenbar nicht darauf an, Gottheit und Menfchheit durch die Einheit des Ich und in ihm verbunden, im Uebrigen aber auseinanderfiehend zu benfen: fons dern das if das Neue und Große, baß er die beiden Seiten ſelbſt will in eine reale Lebenseinheit bringen, fo dag das Bott: liche zugleich menfchlich fei und umgelehrt. Darin ligt ein neuer höherer Begriff Gottes und des Menfchen eingeht. Ihm kann es daher nicht mehr genügen, zuerft die Wirklichkeit und Vollſtändigkeit von Chrifti Menſchheit, dann Die feiner Gott: beit darzuftellen und endlich dann mühſame Berbinbungsfinien zwifchen beiden zu ziehen, die ſo oft bisher fi zum bioßen leeren Ichpunkt zufammenzogen. Sondern ihm ift es von Anfang an darum zu khun geweſen, Alles ald göttlich und Allee als menfchlich in Ehriftus anzufehen. Den Unterfchied der „Naturen“ fest er voraus und hat feinerlei Intereſſe, je wieder ihn zu ver: wifchen: im Gegentheil wilde ja die Gottheit ihre Ehre bie in der Liebe Tigt, zurlidnehmen, wenn fie bie menfchliche Seite zu: rädnähme, fei es auch in angeblier Vollendung ber Menfch: beit, und ebenfo wenig Tann je die Bedürftigkeit ober Empfüngs fichkeit der menfchlidhen Natur für das Wort abnehmen. 2) Aber darauf fommt es ihm an, Daß jebe von beiden die andere ale ihr Eigenes wiſſe, das fie nicht blos habe fondern auch fei, ohne ihn zu vermitteln, gebe ein Additionsexempel, aber nicht die Einpeit. Die Ungenauigfeit dieſer Darſtellung wird außer dem Obigen nor genauer unten erbellen. — Noch weiter geht Ebrard mit der wohl nicht ganz ernft gemeinten Entbedung, daß die Iutherifche Lehre neſtorianiſch fet. . Eommentar 3. Genef. I, 154. 5.36. „Weil der Menſch na dem Ebenbild des unfigtbaren Gottes gefihaffen if, fo wird deimlich dadurch bedeutet, daß fih Gott im Denfchen Chriſto der Welt offenbaren würde.“ Bel. ©. 111.5. 189. So hoch er vom erfien Adam vor dem Falle denkt, fo tft durch diefe Hohelt do die Menſchwerdung fo wenig unnöthig, als durch den Fall unmög⸗ Id geworben. XIH, 2578: der Zeufel if uns nape gelommen, doch — nicht fo nahe — daß er unfre Natur an fi genommen hätte. Und: fo wehe ift uns durh Adams Fall nicht gefchehen, als wohl und Dagegen durch Chriſtum geſchehen if. Nas beide Seit. in &pr. im Gleichgew. mitteln Höp. Begriffen d. beiden. 580 indem jede von beiden erſt damit ihrem Begriffe genligt, daß ſie and) die andere werde und fel, die eine durch herablaflende Liebe die andere durch bie göttlich erfüllte Empfänglichfeit. Es iſt daher dharakteriftiich, dag feine ftehende Bezeichnung auch fpäter nicht if: die Perfon des Sohnes babe bie beiden Naturen in fich vereint, fondern: bie göttliche und die menſch⸗ liche Natur fei bergeftalt vereiniget, daß Chriftus nur eine einige Perſon fei.?% Die Unie ift ihm principiell eine Unio ber Naturen, hat zum Refultat bie Unio personalis, und er glaubt noch nichts erreicht, wenn nicht die Raturen geeinigt find: obs gleich natürlich auch er nicht in Abrede ftellt, daß in ber gött⸗ lichen Natur die Perfon des Sohnes gewefen. fei, ja dieſes auch‘ betont, wenn er. bie ſcholaſtiſche Frage berührt, ob nicht auch der Bater und ber heil. Geift fei Menſch geworden, wenn bie göti⸗ liche Natur Menſch ward. Aber auch da bleibt er doch dabei, dag nicht des Sohnes Perfon ohne feine Natur Menſch ward, fondern fagt, daß der Sohn in welchem auf feine Weife bie ganze Gottheit war, den Menſchen angenommen habe. An der Wahrheit der Menfchheit muß ibm ſchon barum Siegen, weil ex ohne fie nicht die Wahrheit und Wirklichkeit der Liebe Gottes die er erkannt Hat bebielte. Nur wenn Chriftus auch der vollfommene und vollftindige Denfchenfohn ift, bat ihm die göttliche Tiebe das Ihrige erreicht und nur indem die Menſch⸗ heit auch Gottesſohn ift, ift ihre Empfänglichfeit vollfländig ge- ſättigt. Es kann daher nicht gefagt werben, daß es Luthern nur um bie conerete Gegenwärtigfeit Gyttes gegenüber vom Mittelalter, dem Gott eine abſtracte Jenſeitigkeit geworden war, zu thun geweſen fei. ?') Ebenſowenig aber auch, daß bie Diffe- 2*) 3. B. X, 1372, Bel. Luthers großes Bekenntniß vom Abend: mahl XX, 1118 ff, 6. 148. XI, 1457. ID, 1116. Il, 561. XII, 2580. ©. 6. 7. 20) Schenkel 1. e. I, ©, 818-325. Wäre ed Authern nur um bie concrete Gegenwärtigfeit Gottes zu thun geweſen, fo wäre bie Menſchheit ihm nur felbfllofes Offenbarungemittel: es käme da diefelbe nicht als ein von Bott beabfirhtigtes Gut und Ziel, fondern nur als ein geeiäneted Organ, um zu zeigen was er 540 Zweite Periode: Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt 1. venz zwiſchen reformirier und lutheriſcher Lehre darin beftche, ob Die Subftanz des Gottmenfchen im Menſchlichen oder im Gött⸗ lichen zu fischen, welches von beiden alfo nur als Accidens Des andern anzuſehen fei? ?) Die Grundlage ber Chriftologie Luthers ift vielmehr fo correft wie möglich, er enblich will die beiden Naturen im Gleichgewicht und doch in imigſter Ein- heit: denn in der Liebe Gottes hat ſich ihm erſchloſſen, daß bie Menfchheit werth geachtet ift vor Gott und nad dem Maafftab ber Liebe das Menfchfein dem Sohne Gottes nicht Unehre fondern Ehre ift, endlich daß Gottes Liebe auch die Macht ift über feine Na⸗ tur. 2°) Jene beiden Behauptungen aber laufen auf baffelbe hin- aus, nemlich daß Lut her, in welchem doch bie Idee der wahren menfchlichen Perfönlichkeit in ber Lehre vom Glauben jo mäd- tig lebte, davon in ber Lehre von Ehriftus auch feine Spur fei oder um zu lehren, in Beirat. Allein der Sohn Gottes hat ja Liebe zu zeigen; bie Liebe aber kann als wirklich vorhanden nur durch reale That fih zeigen und lehren. So fordert fihon . der Begriff der Kiebe, dad die Menfchpeit in Chriſtus auch Zwed Gottes fei: in Chriſti Menfchheit Itebt ex die Menſchheit. TIL, 2577: „Wenn ich mein Kind auf meine Arme nehme und es küſſe, fo Hält man das für eine große Liebe. Aber Gott — nimmt eben die Natur an, bie ich und alle Menfchen haben, wird Menſch.“ u, 588. 6. 96. Wie foll man nun aber verfieben, wenn Schenfel fofort wieder an Luther tadelt, daß er, flatt „eine Offenbarung Gottes“, den menfihgeworvenen Gott in Ehriftus zu fehen, auf einen gotigewordenen Menfchen in ihm fehen wolle? Damit ift ja wohl der erſte Vorwurf zurüdgenonimen,, und behauptet, daß es Luthern auch ebenfo um bie konkrete Gegenwärtigleit des vollendeten Menſchen in Chrifus zu tfun war. Das kann aber doch wohl nicht Tadel verdienen, denn Schenkel tabelt es ja mit Recht, in Chriſtus nur die Gegenwärtigleit Gottes fehen zu wollen. Bei diefer aber hätte es gerade fein Bewenden dann, wenn, was Schenkel nachher verlangt, gewährt würde, in Ehriftus nur die Offenbarung Gottes zu fehen oder ven menſchge⸗ worbdenen Gott. IA denn Gott Menſch geworben (nicht bloß eine Zheophanie, oder göttliche Einwohnung) wenn nit bas Refultat davon ift, dab der Menfchenfohn auch Gottesſohn if? 7%), Baurl.c. I, 408 ff. =) DIE Alles tritt bei Zwingli zurück. Luther: Die alte Sprache, die neue Weisheit in neuen Zungen. 541 zeige, fondern in dem amtifen monophyfitiichen Uebergewicht ber * göttlichen Natur mit deren latenter bualiftifeher Excluſivität gegen bie menfchliche fteben geblieben jet. Was es damit auf fich habe, erhellt zum Tpeil fhon aus dem Bisherigen. Es ift wahr, er fpricht nicht felten aus, daß bie göttliche und bie menschliche Natur verfchiebenen Wefens, baß fie ſtrakls wider einander feien, daß die „Bernunft“ daher in ihrer Vereinigung eine Unmöglichfeit fehen müffe (II, 582). Aber er fagt auch: dem Glauben ift nichts zu ſchwer. Er bringe in ein Gebiet ein, wo die Menſchwerdung das Vermünftige iſt. Befonders lehrreich iſt in dieſer Hinficht die „Theologiſche Abhandlung“ (X, 1372 f.). Alle Wörter, fagt er bier, befommen in Chrifto eine neue Bedeutung, ob ihnen glei bie alte babei vwerbleibet. Rah der alten Sprade und im gemeinen Reben bedeutet Creatur fo etwas, das von der höchften Gottheit unendlich unter: ſchieden if. In ber neuen Sprache bedeutet es eine Sache, bie mit ber Gottheit in einer einigen Perfon ganz unausſprech⸗ fich genau verbunden ift. In diefer neuen Sprache, fagt er anderswo, müffen wir als in neuen Zungen dieneue Weisheit (ſ. o. VII, 1826—1843) ausſprechen lernen. (X, 1402. 39). Die aber, fo Chriſtus im alten Sinn der Schule eine Creatur nennen, unendlich von der "Gottheit unterfchieben, feien für feine Chriften zu achten, und bie ihm vorwerfen (wie Shwendfeld), daß er an Chriſtus noch eine Creatur in biefem Sinne habe, „fechten wider ihre eigenen - Träume.“ Nach Luther ift in Chriſtus nicht blog Die alte Menſch⸗ beit, wie wir fie in unferer Wirklichkeit haben, erfchienen, ſondern eine neue Menfchheit, die zugleich Die wahre ift, und nach welcher ‘die ber neuen Weisheit Kundigen bie Idee ber Menfchheit überhaupt zu formiren haben. In Chriſtus erreicht bie Menfchheit das was zur Bollfommenheit ja Vollſtändigkeit ihres eigenen Begriffes gehört. Die Menſchheit ohne ihn iſt freilich unendlich von Gott verſchieden, fie ift in Sünde und Elend, fie iſt von Gott gefchieden und wie ein Nichts ohne Bott. Wird alfo nach der Weife der gewöhnlichen Logik von den wirklichen, natürlichen Menſchen ber der Gattungsbegriff 5A) Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt I. Eutper: die Menſch gewonnen, fo ift ihm das Böttliche fremd, fo ſchließen fie fih aus. Ebenſo wenn von dem Begriff Gottes ausge⸗ gangen wird, den auch bie Vernunft erreicht bei Heiden und Türken, iR es widerfinnig und unlogifeh daß Die göttliche Majeftät ſoll Menfch werben. 2%) Aber bie „neue Weisheit“ ſtößt diefen Be⸗ griff Gottes und des Menfchen um und flellt Dagegen denjenigen auf, nach welchem die Sreatur in Chriſto fich vollendet, indem fie Gott, und die Offenbarung Gottes, indem Gott Menfch wird. Diefem neuen und wahren Begriff vom Menfchen, der freilich nicht dem Menſchen in feiner Unmittelbarfeit (dem natürlichen Menfchen) gilt, fondern der erft durch eine göttliche Gefchichte in Chriſtus zuerft, durch ihn in ung fich realifixt, entfpricht es aber vollkommen, ja er verlangt es, daß ihm’ göttliche Präbicate zus kommen; wie der neue wahre Begriff von Gott, der non feiner Liebe ausgeht, es nicht widerſprechend ſondern allein vernänftig findet, daß Gott Menſch fein, nicht blos einen Menſchen haben will. Bon diefen neuen Begriffen aus, durch welche biefelbe alte Sache neue reale Beflimmungen erhält, eben dadurch aber zu einer neuen Sache wird, ift nun nach Quther erfi die Einigung der Gottheit und Menfchheit möglih (T. X, S. 1374. 24). Und obwohl die Menfchheit auffer dem Sohn Gottes nur Geſchoͤpf iR, fo Tann doch von biefer neuen Menfchheit nicht wieder gejagt werden, daß fie mr Geſchöpf fe. Denn zu ihr ſelbſt gehört, daß fie buch die Gnade, — wozu aber ſchon in der alten Natur bie Empfänglichkeit it, — auch Sohn Gottes werde. 7) Was iR das anders als ber pauliniſche Sap daß mit dem erſten Adam des Menfchen Schöpfung noch nicht vollendet war, bie 24) XI, 274 ff, X, 1324. 6. 30. 31. Der Glaube führt in die Schule der göttlichen Weispelt. | 2°) I, 169. 154: „Daß der Menſch, fo nad Gottes Bild geſchaffen if, dem natürlichen Leben nach feinen Unterſchied Hat von einem unvernünftigen Bieh, das ift ein oppositum’ in aäjecto. Aber es wird heimlich dadurch bebeutet, Daß ſich Gott im Menſchen Chriſto offenbaren würde.“ Alſo die Unvollkommenheit, ja der Eontraft des Anfangs weile fhon auf den zweiten Adam, und zwar ſchon vor dent Fall. einzel. Züge». Chriſtbild. I. Die göttl. Rat. hat alles Menſchl. angerig.543 abamitifche Menſchheit alfo die gnabenreichen Gedanken Gottes vom Menſchen nicht erihöpft? Man bat daher kein Recht, wenn Luther Chriſti Menfchheit Solches zulegt, was ihr nach dem gewöhnlichen und in feiner Art wahren Begriff von ihr nicht zufommt, ja was der natürlichen Menſchheit als folcher nie zufommen fann, fofort zu fchließen, daß er Chriſti Menfchheit ſich in die Gottheit auflöfen laſſe, oder daß bie göttliche Natur bei ihm ein Webergewicht habe, wodurch die menfchlicye zum bloßen Accidens werde. Sondern es kann fih nur darnach fragen, ob Luther ber Dienfchheit in Chriſtus und durch ihn in ung zu Hohes aufchreibe, indem er fie zwar nicht unmittelbar, aber durch eine göttlithe Geſchichte vermittelt in ben Kreis bes göttlichen Seins einführt — wie Gott in den Kreis des Menſch⸗ lichen, indem ber Sohn Gottes einen Menſchen nicht blos hat ober träget, 2°) fondern Menſch ift und bleibet; ob er ferner die Gottheit zu tief in die Menſchheit bereinzieht, fo daß fie, wenn auch vielleicht nus auf eine Zeitlang, in ber Menſchwerd⸗ ung ſich ſelbſt verliert? ?) Das wird nur entichieben werben innen nach den einzelnen Zügen feines Chriſtusbildes, wozu wir jebt übergehen. ' I. Zuerft betrachten wir, wie er alles Menſchliche in Chriſtus ale dem Sohne Gottes zugehörig und eigen auffaßt und bamit durchzuführen fucht, daß dieſer nicht blos einen Dien- ſchen habe und trage, fondern Menſch ſei. Am frifchefen und reichſten bat er fich hierüber ausgefprochen in feinen vielen Pre digten über Chriſti Geburt, lange vor dem Streit mit ben Schweizer. ?) So zum heil. Ehriftfeft in der Kirchenpoſtille: %6) X, 1377. 45.46. „Unter Allen aber reden Feine ungelhidter und ab» geſchmackter, als die Reuern, die doch dafür angeſeben fein wollen, als ob fie am Accurateflen rebeten und es am beften träfen. Denn diefe geben vor, daß die menfhliche Natur getragen werbe von ber göttlicden Natur, oder wie fie es nennen, bem Suppostto divino.“ 7) Wogegen ſchon 1515 T. XII, 2164. Jede Verwandlung Gottes der des Menſchen — ekioraraı — verwirft er. =) XI, 171. 176. (um 1521). XI, 1468 f. 1461 f. vom Jahr 15929. Bgl. XIU, 140 ff. vom Jahr 1588, 214—219 vom Jahr 1632. 544 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abfchnitt L Luthers „Wir follen Chriſtum Yaffen fein ein natürlicher Menſch, aller Maafen wie wir, und ihn nicht fondern an der Natur, ohne wo es die Sünde und Gnade betrifft.“ Alfo will er Chriſti Menfchheit nicht doketiſch denken; aber allerdings fieht er bie reine Natır in ihm bargeftellt. So wenig Widerfprechenbes haben für ihn bie Begriffe einer beifigen menfchlichen Natur und des Göttlichen, daß er beifügt: „Wir Fönnten Chriftum nicht fo tief in Die Natur und Fleiſch ziehen, es ift uns noch tröftlicher. Darum, was nicht wider die Gnade ift, foll man feiner und feiner Mutter Natur gar nichts ablegen. Wie hätte Gott feine Güte größer mögen erzeigen, denn daß er ſich fo tief in Fleiſch und Blut fenfet?«“ Alſo, feine Herablaffung der göttlichen Natur ſcheuet er zu befenmen, nur daß fie frei bleibe von Sünde, und der Linterfchied zwifchen der Gnade unb ber unmittelbaren Natur nicht pelagianiſch aufgehoben, alfo nicht gemeint werde, es fei fein Unterſchied zwiſchen ber adamitiſchen Natur und zwiſchen der Menſchheit wie fie eben erft durch bie Umio ber göttlichen mit ihr wird. Im Papftthum, fagt er anderswo (X, 215), fei Chriſtus nur zum firengen Richter geworben, der gute Werke einforbere und fo Todesſchrecken um ſich verbreite: d. h. da fei Ehriftus wieder in bie Ferne getreten, zur bloßen Gottheit geworden ; das heiße Schrecken und Hölle predigen. Vielmehr ift und heiffet er mit feinem rechten Namen: „Große Freude,“ denn auch bie Engel müffen ung beneiden, da er nicht fie, fondern uns angenommen (XI, 144 f.). Wir follen in unfer Herz faflen lernen biefes Bild, wie unfer Lieber Herr Jefus jo elendiglich in biefe Welt geboren fei, auf daß wir lernen Gott für folde treifliche Wohlthat loben und danken, daß wir arme, elende ja auch verbammte Deenfchen heut zu fo großen Ehren kommen, daß wir ein Fleiſch und Blut mit dem Sohne Gottes worden find, dag Bott unfer Bruder, ja unfer Fleiſch und Blut ift worden. Denn gar fein Unterfchied ift zwifchen feinem und unferm Fleifch, denn daß fein Fleifch ohne Sünde if. Alles Andere ift hatür- lich an ihm gewefen, wie an andern Menfchen, es hat ihn ges bungert, gebürftet, gefroren, kurz auch alle natürlichen Gebrechen, Chriſtologie. Auch die Leiden hat fih der Sohn Gottes angeeignet. 545 welche der Sünden halben auf ung vererbet find, hat er getragen und gehabt wie wir. Das heiffet tief ſich bemithigen und berunterlaffen. Denn er hätte es wohl fünnen maden, baß er wäre ein Menſch worden, wie er jest im Himmel ift, ba er Fleiſch und Blut hat wie wir, thus aber nicht, wie wir thun. Solches hätte er wohl (ſchon) von Anfang können thun, aber er bat es nicht wollen thun, auf daß er anzeigete, was für Liebe er zu uns babe, daß wir uns bei freuen, tröften unb rühmen fönnen. Er warb ein Menſch wie wir, und demüthigte fih, hatte eine wirkliche Jugend und fpielte wie‘ andere Kinder; nahm zu ?°) an Alter, Weisheit und Gnade bei Gott und ben Menſchen. Obwohl als Herr des Geſetzes Heilig in ſich, begab er ſich doch unter das Geſetz (d. h. unter ein ihm äußerlich gegenübertretendes Gebot z. B. ber Eltern, und des A. T.) was er doch nicht fchuldig war, wie er aud feine Menfchiwerb- ung Niemand fchuldig war. °°%) Darum ließ er ſich auch taufen; denn. er mußte auf fi) nehmen, was uns zu thun auferlegt war, daß wir gerecht würden durch ihn, ‚ber durch das Gefeg das Geſetz überwand. Es war. das nicht nöthig für ihn, er bat es gethan flir ung, ?') wie auch feine Menfchwerbung nicht nöthig war für ihn, fonbern für und (XIII, 283), für ihn mar fo, dag feine Liebe darin ihre Ehre fab, und ihre Offenbarung hatte °7) (bag bie Worte Chriſti u. f. w. §. 131 ff. T.XX, 1019 f.). Wie aber die göttliche Natur alles Menfchliche fich zu eigen machte , ausgenommen die Sünde, aljo daß wir in dem Kinde Jeſu die zweite Geburt. bes Sopnes Gottes ſelbſt, bie Geburt — — — *) VIJ, 1498 ff. - 30) XIII, 283 f. 288 f. 494 f. 340-345. 355-361. st, XIU, 340 ff. 37) Jinferes Gottes Ehre aber iſt die, fo er fih um unferwillen aufs " allextieffte Heruntergibt ins Fleiſch, ins Brod, in unferm Mund, Herz und Schooß, und dazu um unfertwillen leidet, daß er un: ehrlih gehandelt wird beide auf dem Kreuz und Altar 6. 1386. Es ift eine Schlechte Ehre und nicht eine göttliche Epre, daß ſich Jemand Läffet ehren, und ihm (fi) von Anveren dienen 6. 132. 5A6 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Wbfchnitt 1. in bie Zeitlichfeit hinein zu fehen haben, fo iR auch von Chriſti Leiden baffelbe zu fagen: der Sohn Gottes macht fie ſich zu eigen, fie find feine Leiden zugleih. Denn das wäre gar eine ſchlechte, ja gar Feine Erlöfung geweien, die und wiber Sünde und Tod, Teufel und Hölle wicht viel gefchüget hätte, wenn nur alleine der Menſch Chriftus und nicht zugleid, Gottes Sohn, in biefer Perfon vereiniget, gefreuziget und geflorben wäre. Wohl bat die Menfchheit alleine gelitten, bieweil die göttliche Naher nicht Tann leiden ober fterben ; aber fie bat ung wicht alleine erlöfet, fondern auch bie Gottheit d. i. Gottes Sohn. Lind ferner bleibet Bott nicht außer dieſer Perſon Chriſti, Die Goltz beit ift nicht zu fcheiden von ber Menſchheit. Weil nun die Menſchheit fein eigen, ja er felbft auch Menfh if, fo iſt auf fein. Leiden an der Menfchheit fein Leiden Und fo iſt nidt blos der Menſch fondern in ihm ber Herr der Herrlichleit gefreus zigt, nicht Gottes Sohn abgefondert für ſich, fondern der mit ber Menſchheit vereinigte Gott, nicht nach der Gottheit fondern nad) der menſchlichen Natur bie er hat angenonmmen. °°) Sein ganzes Leben auf Erben war ein Leiden, nicht bios in ber legten Zeit; ) aber in biefer häufte fich daſſelbe zu einer unenblichen Höhe und Tiefe. Denn er bat ben ewigen Zorn bed gerechten - Gottes wiber unfre Sünde geſchmedt, feine Paſſion warb zur Realprebigt ber göttlichen Gerechtigkeit; beſonders fein Seelen⸗ leiden in Gethfemane, von welchem Luther achtet, es fei ihm viel fchwerer worben, denn bes Tages Leiden. 35) Sein Zittern und Zagen zeiget uns feine wahrhaftige Menſchheit; aber daß er ſolche Angft hat ausgeftanden unb überwunden, bas zeiget ung auch feine Gottheit. Denn weil er an unfer Aller Statt ges treten war, unfere Sünde auf fi genommen, Gottes Zorn über fie zu tragen, fo wäre menfchliche Natur, ja auch englifche, viel zu ſchwach dafür gewefen. Obwohl aber der Vater ihm bie " ganze Schwere des Gerichtes. empfinden, die Gotwerlaſſenheit 35) III, 1116— 1118. VII, 1848. XXI, 414 ff. 3) VL 1098 f. ®%, XII, 716. 717. 886 f., XI, 1794, IV, 1639 f. 1740. II. Die Menfchpeit erhält zu eigen was Gottes if. 547 ſchmecken läßt, und feinen Troſt entzieht, alfo daß er auch ges ‚litten hat Furcht und Schreden eines geängftigten Gewiſſens da ex ben ewigen Zorn Gottes fühlte (IV, 1640 ff.) fo iR er doch nicht ganz von Gott verlaffen geweien. Wäre das geichehen, fo wäre er auch nicht mehr der Gerechte in feinem Leiden. Unſere Gotiverlaffenheit fühlt die eigene Sünde nicht und das iR die ärgſte Sünde; er aber fühlte die Siinde in der Gott⸗ verlaffenheit, der Welt Sünde als eigene. Und darin, daß bas Geſetz für ihn nicht ftille war, fondern er feine Anflage und Gottes Zorn darin fühlen wollte, ift er ber Gerechte geblieben, infofern auch nicht von Bott verfaffen; aber bat ebenbaher anch bie Gotiverlaffenheit als gerechte Stragg für bie gefühlt, 25) in deren Stelle er eintrat mit einem Leiden, das zugleich innerlich das Fräftigfte Thun war. - 1. Richt minder aber, als ber Gottesſohn nad Luther — — — — — 20) Hieher gehört beſonders die Auslegung des 22. Pſalms vom Jahr 1621. IV, 1638 ff. &s kann nicht als eine hiſtoriſche Auffaff- ung gelten, wenn Weiſſe „vie Chriftologie Luthers und die chriſtologiſche Aufgabe der evang. Theol.“ Leipzig 1852 S. 32 ff. 152 ff. als den Kern von Luthers Berföhnungslehre bezeichnet, daß Eprifus den Kampf mit dem Zeufel und feinen Gefellen (Sünde, Tod, Gefep) im Innern des Geiftes geſchichtlich vurch⸗ gefämpft, von einer flellvertretenven Genugthuung aber, barges bracht der göttlichen Gerechtigkeit, nichts gelehrt habe. Es ift wahr, daß Auſelms Theorie mit ver Luthers nicht identiſch iſt: der Begriff des Geſetzes ſpielt bei Luther eine große Rolle. Aber das Sehen if Luthern auch nicht mit dem Teufel iventifh, nod weniger ligt Luthers Lehre nur in verfelben Linie mit ven alten Theorien, welche die Erlöfung als eine Ueberliftung oder Ueber: wältigung bes Teufels anfehen. Sondern Stellen diefer Art find bei Luther figürlich zu nehmen, wie ja Weiſſe felbft auch wieder anerkennt. Der Teufel ift nur Werkzeug für Gottes Gerechtig⸗ feit, auf deren Sühne «8 alfo in Ießter Beziehung aukömmt. Und diefe Sühne iſt die Genugihuung, die Chriſtus dem Geſetz, d, h. der Gerechtigkeit (nicht blos dem honor dei) darbringt. Da⸗ gegen if allerbings fehr wahr, daß Luther in Chriſtus nicht blos die Sühne, Sünoenvergebung, fondern auch die Babe des neuen Lebens fiebt. 548 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abfchnitt 1. bie Menfchheit als fein anfieht und daher von Anfang an an Allem Theil nimmt, was Jeſu ift, hat die Menfchwerbung die Bedeutung, daß in Jeſu die Menfchheit zu eigen erhalte was Gottes it, ja den Gottesfohn felbft, und biefe Affumtion des Göttlichen von dem Menfchlichen ift der affumirenden Herab- laſſung des Sohnes Gottes Ziel und Zwei. Er warb Menfg, damit dieſer Menſch Gott würde. Die Menſchheit it in ihm, in biefer Perfon erhöhet zu Gottes Thron und Herrlichkeit. Sefus ſteht vor Luthers Auge ald die herrliche Perſon ſchlecht⸗ hin, als der Schmuck und die Zier der Welt, ſo wenig blos ein Inſtrument Gottes für uns, oder eine bloße Theophanie Gottes, daß die Liebesgedanken Gottes, welche Die Menſchheit zum Iwede Gottes machen, in dieſer Perſon zuerſt ihr Ziel, ein in ſich ſchlechthin Werthvolles erreichen. Dieſe Perſon iſt zwar nach der Liebe, die auch für ſie das Centrum ihrer Herrlichkeit iſt, für uns: aber dieſe Liebe iſt wahre menſchliche Liebe, die Hingabe an bie Menſchheit iſt des Menſchenfohnes freie. That, wenn gleich ſolche menfchliche Liebe nur als gottmenfchliche möglich war. Die Erhöhung diefer Menfchheit und ihre bleibende Glorie ift Gottes Wille, Zweck des fle durch feine Affumtion ver: berrlichenven Gottesſohnes. Bedenft man biefes recht, fo muß trog alles Scheines des Gegentheild, der nad) andern Seiten bin entſtehen Tann, behauptet werben, es ift Luthers Chriſto⸗ logie vom Dofetiomus grundfäglich geſchieden und fleht in inniger Harmonie nach ihrer Grundgeftalt mit feiner Lehre von ber im- Glauben erneuten Perfönlichkeit. Es genügt ihr ebenfo wenig jener moftifche Untergang der Menfchheit nach Perfon oder Natur in Gott, als ein Sefus der blokes Inſtrument der Gottheit bleibt. Das ift denn feine Feftpredigt an Weihnachten, Oftern, Himmelfahrt, daß menfchliche Natur nun geadelt und zu Ehren „gebracht fei, daß die Menſchheit in ihm den Tod beftegt habe, und zum Weltregiment, zur Allmadıt bes Vaters erhoben fei. °”) — — 3°) VII, 1602. 1546 - 1666. Der Gottmenſch iſt der fleiſchgewordene Gott VI, 1074. Die Geſtalt oder Form der Menſchheit iſt die Form des Sohnes, wodurch die Perſon des Sohnes IL Die Menfchheit erhält zu eigen was Gottes iſt. Ihre Erhöhung. 549 Mit Anbetung verweilt ex bei der Krippe und umfängt mit ben Armen kindlichen Glaubens biefes Kind, die reine Gottesgabe und betet ed an, weil alle bie Heilsfräfte ſchon in ihm ruben, die es einft entfalten wird. °) Maria ift ihm bie Gottesgebärerin, nicht als hätte fie Jeſum nach der Gottheit geboren (XVI, 2721) fondern nach der Menſchheit, aber fchon in dem Kinde ift Die Ber: einigung, bie es zum Kinde edelfter Abfunft, zum gottmenſchlichen Kinde macht. Beſonders aber der Erhöhete, gen Himmel ge- fahrene Herr in Einheit der Gottheit und ber verflärten Menfch- beit ift ihm das Herz und die Sonne der Welt, das ſeelenvolle Auge, das mit allen Punften der Peripherie in dem lebend: zufammenbang der Liebe und Macht fteht. Für die Kirche ift er ber treue liebende Bräutigam, das Haupt welches für Alles was feine Gläubigen angeht, gleichfam bag sensorium commune ift und ihre Leiden als feine eigenen weiß und fühlt, aber auch allmächtig ihnen zur Seite ſteht. In folher Feſtfreude fragt er dann nicht, was bem Jeſuskinde noch fehle zu feiner Vollen⸗ dung, in dem Anfang hat und ſchaut er das Ganze, die Gottes: gabe in ber der Sieg und bie Vollendung göttlicher Weife ſchon befchloffen find, wenn fie auch gefchichtlicher Weiſe erft erworbe: und errungen werben müſſen. °9) als eine vom Bater und heil. Geift verſchiedene iſt offenbaret wor⸗ den III, 2844 f., V, 338 ff. Eine Zuſammenſtellung hieher ge⸗ höriger Abſchnitte f. bei Bald X, 1432 ff. 32, Es iſt nicht treu referirt, wenn Schenkel Luthern fagen läßt, daß Maria Gott fäuge, wiege, Brei und Suppen made. Denn ber Zuſammenhang fagt deutlich genug XVI, 2724 daß Maria das Jeſu nach feiner Menfchheit tut. Vgl. VIEL, 166 ff. beſonders $. 269, 3°) Ueber den Anfangspunft des Standes der Erhöhung war Luther lange unentſchieden. In der Auslegung der 22 erfien Palmen vom Jahr 1519 (IV, 1251 f. zu Pf. XVI) hatte er, jedoch mit einiger Unficherheit mit Beziehung auf Act. 2, 24. erklärt: Chri⸗ fius fei nicht blos in der Hölle geweſen im Sinne ver Wirkungen feiner Seele, fonvdern es fet real zu nehmen. Aber bie Frage bleibe, was die Hölle hier fei? Sie fei Ort ver Seelen nah dem Tod, wie das Grab der Ort des Leibes. Weil aber Petrus von Auflöfung der Schmerzen der Hölle rede, fo feine es, daß er fagen wolle: Chriſtus habe vor allen andern Menfchen nicht blos Dorner, Chriſtologle. U. 2te Aufl. 36 550 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt I. III. Bleibt man nur bei bem Allgemeinen fliehen, fo kann es — jene innere Zufammengehörigfeit beider Naturen zugegeben — nur natürlich ericheinen, daß der Sohn Gottes Das Menſchliche als fein Eigenes habe, wifle und behalte. Ebenſo, denken wir bie „neue Menfchheit“ vollendet, im erhöhten Zuftande, fo Tann es wenig Schwierigfeit machen, die Gottesfohnfchaft als ihr Eigenes anzufehen, ald das zu dem vollen Begriffe dieſes Men⸗ fen Gehörige; wie es von Anfang an ber göttlichen Natur, — — —— den Tod, fondern auch die Schmerzen des Todes oder der Höllen, auch nad dem Tode höllifhe Schmerzen und Pein erbuldet, ung zu erlöfen, unerachtet viele Heiligen ohne Schmerz und Pein in ver Dölle gewefen feien. Für Chriſtus alfo wäre fie Strafort; deßhalb aber nicht für die Srommen nach dem Tode. Später (i. 3. 1530. IV, 2006) bleibt er noch dabei fiehen,, die Höllenfahrt nicht zum Stande der Erhöhung zu ziehen, aber auch nicht mehr zu feinem Leiden, nicht fowohl um bes rerslsoras bei Johannes willen, als, weit die rechte Hölle des Feuers, die dem Zeufel bereitet if, noch nicht vorhanden fei. So nimmt er „Hölle“ im Zufammenpang mit „dem Begraben“ als den Ort der Ruhe für die Seele, wie das Grab der Ruheplatz des Leibes if. Doch „Iäßt er ſich daneben gefallen die Bilder, welche die Höllenfahrt verfiehen von der Er: löfung ver Bäter u. f. w. als wäre er Teiblicher Weife in die Hölle gefahren.“ Dagegen in der Dauspoflille (XI, 1078 ff. v. Yahr 1532), und das Jahr darauf in feiner Auslegung bes 2. Hauptartikels zu Torgau (X, 1354 ff.) fieht er darin entſchieden den Triumphzug des erhöheten Chriſtus in die Hölle zur Leber: windung des Zeufels. Wiefern diefes freilich, wenn nicht Eprifi fiegbaftem Top etwas fol entzogen werben, mehr als epideikti⸗ ſchen Charakter haben könne, wiefern überhaupt eine phyfifche Machtbeweifung bier eine Stelle Habe, tft nicht zu fehen. Doc hat er für eine andere Auffaflung dadurch Raum gemacht, daß er die Meberwindung des Teufels befonders in dem Zerbrechen bes Gefängniffes und in der Erlöfung berer, fo vom Teufel gefangen waren, flieht (T. XIII. 1084). Uebrigens legt er nun auffallenber Weiſe ein Gewicht darauf, daß Eprifius in der vollen Einheit feiner Perfon, alfo auch mit feinem Leibe, nicht blos mit feiner Seele, in dem Hades geweſen ſei, obwohl er feine Auskunft geben zu Können befennt, wie ſich das mit dem Liegen im Grabe reime. Würde eine Allenthalbenpeit des Leibes zu Hülfe gezogen, fo würbe damit zu viel bewiefen. j ID. Werden des Gottmenſchen. 551 „deren Ehre bie Liebe ift,“ nicht wiberfireht, daß das Menfchs liche ihr eigen fei. Aber anders verhält es fich, wenn ins Con⸗ crete eingegangen, und was vom Begriffe des vollfommenen Bottmenfchen gilt, unmittelbar auf ihn in allen den Lebens: ſtadien angewendet wird, durch welche hindurch biefer Begriff ſich erft zu realiſiren hatte. Wie reimt fi befonders das Werden, ohne das Ehrifti Menfchheit nicht wirkliche Wahrheit hätte, fowie die Ern ie drig⸗ ung zur Knecdtsgeftalt mit ber gottmenfchlichen Unio, bie doch nur da fein kann oder nicht, durch allmählige Zufammenfeg- ung aber nicht kann zu Stande Tommen ? Wird mit der alten Kirche feit dem fünften Jahrhundert die göttliche Seite überwiegend betont, ohne eine Selbft: befhräntung diefer fei es in fich oder doch in ihrer Beziehung auf die Menſchheit, fo muß die legtere als von Anfang an vergottet und alfer Wirfungen, die im Begriff der Unio liegen, theilhaft gedacht werben. Sind aber die gött- lichen Eigenſchaften von Anfang an der Menfchheit ange: eignet, wie kann fie daneben noch alle ihre menfchlichen Be⸗ fehaffenheiten zu eigen haben, ja wie könnte ber Logos noch das thun, worauf Luther ein fo großes Gewicht legt, nämlich die Menfchheit in ihrer Niedrigkeit fi) aneignen? Was abfor: birt ift kann nicht mehr angeeignet werben. Gleichwohl war bie Ausſchließung eines Werdens der Menfchheit, ihre Bergottung fchon durch die Menfchwerbung felbft — auch in Beziehung auf Chriſti Seele, ihr Wiflen und ihre Tugend — ziemlich conftante Lehre geworden und nur in Beziehung auf Ehrifti Leib gab man ein wirfliches Wachsthum zu. Aber das war in Bezieh⸗ ung auf das Wichtigite eine Form des Läugnend der wahren Denfhpei. Bei Luther dagegen ift die Kraft und Entſchiedenheit bemerfenswerth, mit der er auf der wahren Menfchheit Chrifti auch in Hinficht auf das Werben beſteht. Es wäre bas weniger zu bewundern, wenn er nicht ald Aufgabe feste, daß biefer Menfch Gott fei. Denn gienge es über die menfchlidhe Natur ſchlechthin hinaus, das Bottfein als Kigenes zu haben, fo wäre 36 * 55% Zweite Geriode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt L es nicht zu verwundern, daß auch im Werben fich nicht beit, was ſich nie mit ber göttlichen Natur beden kann. So aber verbient es unfere größefte Aufmerffamfeit und Anerkennung. Daß die hergebrachten Borftellungen von Ehrifti irdiſcher Menſch⸗ beit, die einer wahren menfchlihen Entwicklung nit Raum loffen, auch bei ihm in unbewachten Augenbliden wieberfehren, foll nicht geläugnet werben. Es Tiefe fih Manches der Art anführen, was beweist, daß das Neue auch bei ihm noch nicht in begrifflicher Klarheit durchgearbeitet war. Aber es ift richtiger fein Eigenfted in Demjenigen zu ſehen, worin er von bem Her: gebrachten abweicht und felbft produeirt. *%) | ) Man darf hiegegen nicht fagen: zu feinem Eigenften gehöre doch wohl feine Ubiquitätslehre, dieſe aber hebe die Wahrheit feiner Menfchpeit auf. Hier nur foviel. Die Ubiquität hat für Luther ihre eigentliche Stelle nicht in dem Gebiet au dem wir hier ſtehen, ben bed Werbens, fondern in dem Gebiet ver Bollenvdung ber Perſon Eprifti zur Raumfreipeit. Sie if ihm ein Hülfsfag für feine Abendmahlslehre, wenigftens eine Zeitlang: ihr chriſtologi⸗ ſcher ſchon vor dem Streit ihm feſtſtehender Kern if ihm die Bollendung des Menſchen in Ehrifius durch den Antpeil an Gottes allesdurchdringender Kraft. Der Hülfsfap „ver Allent: halbenpeit der Menfchheit“ Epriftt, ver für feine Abenpmapislehre hieraus formirt ward, zog ihm aber wieder einen andern Hülfs⸗ ſatz nad fg, nemlich: es Liege im Wefen ver Unio, daß feit ihrem Eintritt nirgends der Logos fei, wo nicht auch die Menfchpeit fih befinde, folglich, da der Logos feine Allgegenwart nicht ab: legt — was Luther ale blasphemifch verabfcheute — pie Menfchpeit mit und in ihm allgegenwärtig fe. Auch die Gleichſtellung des erftien Abendmahls mit den folgenden that babei das Ihrige, um in diefem Streite Luthern feiner fonftigen chriſtologiſchen Säpe über die Zeit des gottmenſchlichen Werdens vergeffen zu laflen. Aber das war ein falfcher Tritt im Beweisgang, auf dem er felbfl fpäter nicht beharrte, nach welchem daher am wenigflen, wie fpäter gefchehen, feine ganze Epriftölogie darf formirt oder be: urtpeilt werden. Denn da gienge gerade das Neue, Beſte ver: Ioren, während der Ubiquitätsgedanke, angewandt auf Eprifi irdiſche Zeit, ein Rückfall auf die vorreformatorifche Stufe ber Chriſtologie ift nur mit dem Unterſchied, daß durch voreiliges Hereintragen der Vollendung früher das Werden der Seele negirt ward, hier aber auch die Wahrheit des menfchlichen Leibes. Die IN. Baprpeit des gottmenfchlichen Werdens. 553 Da lehnt er nun einmal ernft und beftimmt alles Mythi⸗ fhe ab, was die kirchliche Legende um das Sefusfind wand (XI, 388), und will es Tieber unmündig an feiner Mutter Bruft Liegen ober unfchuldig wie andere Kinder fpielen fehen, als es ſich ald Säugling redend oder ald Knaben Wunder thuend _ benfen. *) Sodann ſpricht er ed unzähligemal als oberften Grundfag aus, daß feiner wahren und vollen Menfchheit gar nichts dürfe entzogen werben. Was aber das Wichtigfte ift, er hat an den Hauptpunften diefen Grundſatz auch thatfächlich bewährt. Richt blos nach der leiblichen, fondern auch nach ber gei⸗ fiigen Seite will er eine wirkliche Entwicklung der Menſchheit Chriſti, nur daß fie bei Jeſu von reinem Anfang ausgieng. Er bat fterbliches Fleifh an fi genommen, befreit von Unreinig- feit aber nicht von der Strafe. der Sünde (Sterblichkeit). Er ift in Allem gewefen wie ein anderes Kind, nur ohne Sünde. - Läugnung der Ubiquität des Leibes Epriftt vor Chriſti Vollend⸗ ung if möglih, auch wenn fie für den verflärten Herrn ange nommen wird; und wo umgekehrt eine phyfiihe Allenthalben⸗ heitslehre für das Heil. Abendmahl nicht angenommen ward, konnte doch eine reale Gegenwart des ganzen Ehriflus in dem⸗ felben behauptet werben. *, Die Maria hat Luther flets hoch gehalten; die Meinung ver: worfen, daß fie nach ihrem erfien Sohn wieder geboren habe C6GX, 2245. 2617,) auch angenommen, baß fie von ber Erb: ſünde erlöfet und gereiniget fei durch ven heil. Geift ib. 2617, endlich, daß fie ohne Schmerzen und unverfehrten Leibes Jeſum geboren, Zungfrau vor, in und nach der Geburt gewefen fet (IX, 1682. XI, 169. X, 1848), obwohl fie ſich freiwillig dem Geſetz ber Reinigung unterwarf. Jedoch wienerholt er auch mehrfach, daß es nur auf die reine Geburt Jeſu anlomme, alles Andere was die Maria betrifft, feine dogmatiſche Beveutung habe 3. B. XX, 2239 ff. Auch verwirft er die Meinung, Chriftus habe einen von Adam her aufbewahrten reinen Stoff zu feiner Menfchheit em⸗ pfangen. Vielmehr fagt ex II, 1717 ff. er habe die gefallene, ſterbliche das ift fierbenmüflende Natur angenommen, die aber durch die Menfchwerbung gereinigt ward. Dadurch iſt der Boden für eine Reintgung der Maria von Erbſünde ſchon entzogen, im Gegentheil diefe Reinigung auf das von Maria zu Empfangenpe befchränft. 554 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt I. Daß ein großer Mann aus ihm werben würbe, das hat er im zwölften Jahre Taffen merfen, wo auch fonft bei Knaben ſich zu zeigen beginnt, was fie fein werben (VII, 1498 f. 1556— 1560. XII, 361. $. 15). So beflimmt er Jeſu Leben von Anfang an als gottmenfchlich denkt, fo macht er doch mit dem Worte Ernfl, daß er zunahm wie an Alter, fo an Weisheit und Gnade bei Gott und ben Menfchen. Seine Menfchheit war nicht all wiffend, fondern er mußte lernen wenn auch nicht von Menſchen (XI, 387 ff). „Wir follen Die Worte Luca aufs Allereinfältigfte verftehen von der Menfchheit Chriſti. — Und ob er wohl voll Geiſtes und Gnaden ift allezeit gewefen, bat ihn doch der Geifl nicht allezeit beweget, fondern jetzt hiezu erwecket, jegt Dazu, wie ſich die Sache begeben hat. Alſo au, ob er wohl ik in ihm geweſen von Anfang feiner Empfängniß: doch, gleichwie fein Leib wuchs und feine Vernunft zunahm natürlicher Weiſe wie in andern Menfchen, alfo fenfete fih auch immer mehr und mehr ber Geift in ihn und bewegete ihn je länger je mehr; daß es nicht Spiegelfechten iſt, Da Lucas faget: er fei ſtark worden im Geift; fondern wie die Worte lauten Härlih, alfo iſts auch aufs Allereinfältigfte zugangen, daß er wahrhaftig, je älter, je größer und je größer, je vernünftiger und je vernünftiger, je ſtärker im Geift und voller Weisheit ift worden vor Gott und in ibm felber und vor den Leuten; darf feiner Stoffen hie nicht. Und diefer Verſtand ift ohn alle Gefahr und chriſtlich, lieget nicht Macht daran, ob er ftoße an ihren erträumten Artikel bes Glaubens.“ *?) #2) XI, 389. 390. (Aus der Kirchenpofl.) Befonders gehört hieher noch aus der Hauspoſtille T. XIII fein Wort: Die Menſchheit Eprifi bat eben wie ein anderer heiliger natürlicher Menſch nicht allegeit alle Dinge gedacht, geredet, gewollt, gemerkt, wie Etliche einen allmächtigen Denfchen aus ihm machen, mengen die zwei Raturen und ihr Werk in einander unweislich. Wie ex nicht allezeit alle Dinge gefeben, geböret und gefühlt bat, fo hat er auch nicht alle Dinge mit dem Herzen allegeit angefehen, fonvern wie ihn Gott gefüpret hat, und ihm vorgebracht. Boller Guade und Weis: beit ift er geweien, daß Alles was ihm vorgelommen tft, hat er können urtpeilen und Iehren, darum daß die Gottheit, bie allein II. Wahres Werden bes Gottmenſchen. Verſuchung. Kampf. 555 Obwohl ferner Jeſus flets im Gehorfam blieb, fo bat er doch ben Gehorfam Iernen müflen. Die Verſuchung Chriſti if ihm Geſchichte, und zwar nicht blos ein Scheinfampf, fondern eine wirkliche Anfechtung, bie er perſönlich durchzukämpfen hatte, was — im Zufammenhang mit Luthers Lehre von der Freiheit bes Willens doppelt beweist, wie viel ihm auf bie volle Wahr: beit ber Menfchheit Chriſti anfam. Den hergebrachten Ausweg, Ehriftus habe nur unfre Rolle gefpielt,. einen epideiktiſchen Aft vollbracht u. dgl. kurz Alles was auf einen Scheinkampf binaus- liefe, will er ſich nicht zu Nug machen. Die Berfuhung Ehrifti in der Wüfte habe darin beftan- den, baß ber Teufel Jeſum zuerft anfocht durch Hunger, dann ihn zu Vermeſſenheit und Hoffahrt abziehen wollte. „Die muß man Chriſtum verfiehen als einen Menfchen, der die Gott: heit in feiner Menfchheit verborgen hat. Wie ex am Kreuz auch ftehet als ein pur lauterer Menſch, klaget und ſchreiet um Hülfe und Erlöfung, alfo fiehet er bier auch in Schwachheit ale ein pur lauterer Menfch“ (XI, 547. XI, 16771685). Und zu Hebr. II, 7: ber bebr. Text fage: bu haſt ihn eine Fleine Zeit Gottes mangeln laſſen, das ift, du haſt ihn verlaffen drei Tage feines Leidens, als wäre Tein Gott bei ihm, und fein Engel. Er hat allerdings nicht für feine fondern für unfere Perjon dieſe Noth, Anfechtung, Trübfel über ſich ge: alle Dinge flieht und weiß, in ihm perſönlich und gegenwärtig war.“ Es ift kaum begreiflih, wie Weiſſe (die Epriftologie Luthers 1852 ©. 182) ſelbſt diefer Stelle gegenüber feine Auf: | fafftung behaupten will, wornach Luther in Jeſu Menfchheit nur die Erfheinung der Perfon bes Logos foll geſehen und bie Selbſtloſigkeit oder Anypoflafie der Menſchheit aufs Strengfte foll gelehrt haben. Während gerade Luther vornemlich die Menſch⸗ Werbung als eine Unio der Naturen, deren Refu Ita t die Perfon fei, betrachtete, Die bergebrachte Lehre aber die der Unperfönlichkett menfcpliher Ratur war, fol nah Weiffe Luthers entfchievene Lehre die Anypoſtaſie der Menfchheit gewefen fein, wofür ex aber feine Stelle angeführt hat. Denn die einzige bie er anführt IT, 581 ff. (fo iſt Doch wohl zu Iefen flatt ©. 571 ff.) beweifet das Gegenteil; ſ. u. ©. 568, | 356 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt 1 nommen; aber damit er fie fünnte auf fich nehmen, mußte er von Gott verlafien fein und in feiner Seele nicht anders geängftet werden, benn wir oder bie Verbammien, nur ohne Sünde und Schuld. Daß dabei feine Menfchheit nicht fei ab: gefondert gewefen von der Gottheit, fondern nur von ber Hülfe Gottes, fei wahr, aber erfläre nichts, auch das fei wahr — Gott entferne ſich von Keinem infofern er allgegen- wärtig ift. Aber es war in ihm ein wahrer Kampf, wahre Anfechtung, nicht ein Spiel, fintemal in Chrifto ein wahrhaftiges rechtſchaffenes Wefen ıfl. Chriftus da ihn Gott verließ, warb dadurch fehr ferne von feinem Heil und Leben. Unb weil diefe Schmerzen (die ihm feine Stellvertretung brachte) über bie Kräfte der menfchlihen Natur waren, zwangen fie die uns fhuldige ſchwache Natur, daß fie mußte erfeufzen, fchreien, erfchreden und fliehen. Er fühlte unfre Sünde, Gottes⸗ läfterung, Verfluchung und als Haupt aller Heiligen mehr Gott: verlaffenheit als fie (IV, 1635—1649). Beſonders aber ge: hört hieher eine Paffionsprebigt über den Kampf Sefu in Geth- femane (XI, 782 f.): Da ftellet ſich unfer Lieber Herr Chriſtus um unfertwillen als ein armer fündiger Menfch und die gött⸗ liche Natur enthält fih bier, und fleußt Chriſtus allhier nicht vol Troft und Sicherheit, wie zuvor. Da wirb dem Berfucher, bem Teufel, Raum gegeben, daß er näher zu ihm tritt und ihn härter angreift denn zuvor je. Darum revet er allhie als ein Menſch der im Kampfe ſtehet *°) und mit dem Tode ringet, +3, IV, 785: „ba tft er erniedriget (Matth. 26, 37) und ein elender, verlaffener Menfch worden vor Gott und ihm felbfl, auch vor den Leuten und if allda menfchliche Ratur ihr ſelbſt gelaffen. V, 381. $. 74. Er fühlete in feinem Herzen nicht anders, denn als wäre er von Bott verlaffen. Und zwar er iſt auch in der Wahrheit von Gott verlaffen geweſen; nicht daß die Gottheit von ber Menſchheit gefchieden fei, denn fie find in dieſer Perfon, Gottes und Martens Sohn alfo vereiniget, daß fie in Ewigkeit nit mögen getrennet werben. Sondern daß die Gottheit fih einge: sogen und verborgen hat. Die Menfchheit if allein gelaffen und ber Teufel bat einen freien Zutritt zu Chriſto gehabt, und die Gottheit Hat ihre Kraft eingezogen und die Menfchheit alleine ITL Wahres Werben des Gottmenſchen in ethifchem Proceß. 557 fuchet Troft bei feinen Syüngern, welchen ex zuvor tröſtlich ge weien fe Er hat gezittert und gebebet und fein Herz iR Traurig- feit voll geweien. — Dazu ift feine Natur fein rein und lauter, fo hat er die Todesangft beffer und mehr gefühlet, denn wir Alle, Das ift um unfertwillen gefcheben, daß ber Mann fo hoch betrübt worden iſt. Gleichwohl vergißt Luther nicht, auch wieder darauf aufmerffam zu machen, daß Ehriflus, wäre er je bloßer Menfch geweien, dieſem Leiden nicht hätte können ge⸗ wachfen fein; wie er auch nicht minder nach dem Früheren Chriſti Gottheit an dieſem Leiden läßt betheiligt fein: weil bie Menſch⸗ heit dem Sohne Gottes eigen war und blieb. **) Luther will alfo aufs Entfchiebenfte einen realen, ethifchen Proceß in Ehrifti Menfchheit und ohne diefen wäre ihm das Berdienftliche feines Thuns und Leidens mit Recht verfürzt. Käme bie allmächtige Kraft des Sohnes Gottes von Anfang an überfirömend in bie Menfchheit und gliche er deren Weiss heit und Tugend und Kraft fofort aus mit feiner eigenen, wo bliebe da der Kampf, bie Heilderwerbung? Der Proceß ber Berföhnung würde zum bloßen Schein. Erſt durch diefe Aner- fennung der wahren Menfchheit und ihres Werdens kann. ed nun zu einer beflimmteren und fruchtbaren Unterfcheibung eines Standes ber Niebrigfeit von einem Stande der Hoheit kommen. Die Auss bildung der Lehre vom doppelten Stande Ehrifti eignet ganz beſon⸗ ders der am meiften Luthern treuer bleibenden Wiflenfchaft. *°) Da nun aber Ruther doch andererfeits auch an ber Wahrs beit des Seins Gottes in Jeſu von Anfang an fefthält, wie vereinigt er hiemit jenes Werben und dieſe Anfechtungen, von weichen bie in Geihſemane nur die höchſte war? Wie ges winnt er eine wahrhaft werdende gottmenfchliche Lebenseinheit? kämpfen laffen.“ Das wird dann mit Phil. 2, 6. 7. verbunden. 6. 75: der Menſch und Menſchenkind flehet da, trägt die Sünde der Welt und fleußt nichts ein von göttlihem Trof und Stärke. “) VI, 1101—1108. XXI, 414 ff. 5) Freilich ward fie hier ganz Überwiegend fo ausgebilbet, baß fie einfeitig auf die Knechtsgeſtalt, weniger auf bas Werden Cprifi bezogen ward. 558 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt I. Etwa fo, daß er in ber Art Späterer eine Entäußerung bes Gotimenfchen ftatuirt, wornach er zwar auch nach ſeiner Menſch⸗ heit von Anfang an alles Wiflen, alle Macht alle fittliche Voll⸗ kommenheit gehabt, nur aber fi) des Gebrauches, — wenigſtens bes offenen — biefer Vorzüge ganz oder theilweife entfchlagen hätte? Steht er alfo auf Seiten der fpäteren Dogmatiker, welche Jeſu Werden ald Refultat einer gottmenſchlichen Selbſtent⸗ äußerung betrachten? Oder auf Seiten Neuerer, welche darin eine Selbfterniedrigung und Entleerung des Logos fehen wollen ? Keines von beidem. 1) Er befteht aufs Entſchiedenſte darauf, daß der Sohn Gottes nicht aufhörte zu fein was er war, ins dem er warb was er nicht war. Sole Verwandlungslehre Gottes hätte ihm heidniſchen Gefchmad. *) Auf bie Gottheit bezieht er bie Erniebrigung nicht in dem Sime als hätte fie einen Verluſt erlitten, weder durch Das Menfchfein an fich, — denn auch der Erhöhete bleibt ewig Menſch und die Menfchheit if nah Luther fähig mit dem Gottesfohne zur vollfommenen Einheit zufammenzugeben, — noch durch Die Art feines Menſchſeins in Knechtsgeſtalt. Sondern nur fo bezieht er mittelbar bie Entäußerung auf den Sohn Gottes, als er freiwillig die äußere Ehre ſich verfogen ließ, dagegen bie Menſchheit in Kuechtöge⸗ ſtalt fi) aneignete, in welder das Leiden und bie Niebrigfeit ſtattfand. 2) Eher könnte man an bas Andere benfen, es ſei feinem Sinne gemäß, das Werben von ber Empfängnig an bis zum Kreuz als eine Folge des Altes gottmenſchlicher Selbftentäugerung amzufeben. Denn es ift befanntlih bie Stelle Phil. II, 6 ff. von Luther nicht auf die Gottheit fons dern auf die Menſchheit bezogen worben ) — worin ihm bie Iutherifche Dogmatif gefolgt it — und barin ligt allerdings, #6) XII, 681 f. Auslegung der Iehten Worte Davids passim. Stellen wie XXUI, 414. IH, 1115— 1118. VII, 1848 haben neben biefer unendlich oft wiederholten Berfiherung,, daß ver Sohn Gottes blieb was er war, Feine Bedeutung, fondern erflären fi durch das im Text fofort zu Bemerkende. «7, So fihon in f. Berhandlung mit Hier. von Dungerspeim im Jahre 1519. XVDI, 605 ff., X, 1526 ff. Die Gehalt ober Form m —— — — — IN. Wahres gottmenfchl. Werden. Luthers Lehre v. d. Entäußerung. 559 dag die Menſchheit Chriſti, ausgeftattet wie fie war mit einer Fülle von göttlichen Kräften, die Knechtsgeſtalt nicht zu tragen gebraucht hätte, fondern daß fie willig auf bie Erfcheinung ihrer Hoheit verzichtend, fich felbft entäußernd, nicht Gebrauch für fich machte von den Anfprüchen, zu denen ihre inneren Bors züge fie berechtigten. Aber einmal fagt Luther nirgends in ben betreffenden Gottes fei nit das Wefen Bottes; denn einmal habe fi Epriftus des göttlichen Welens nie entlebigt und entäußert, fos dann aber habe er nicht das Weſen des Kuechtes, fondern nur die Erfheinung und Form des Knechtes angenommen, im Innern fei er freier Sohn geblieben. Form aber müſſe beivemal in ber Stelle das Gleiche bedeuten. Es fet alfo unter der „Zorm Gottes“ die Weisheit, Macht, Gerechtigkeit, Frömmigkeit und Freiheit bes Bottmenfchen zu verfiehen. Sp ergebe fih der Sinn: daß Chriſtus Menih tft geweien, frei, mächtig, weile, Niemand unterworfen, dortrefflih in den Formen, die Gott am meiften fügen. Dennoch iſt er in derfelben Form nicht hoffärtig geweien, hat nicht gegen ” Andere gebärbet, vie Knechte waren, noch wie einen Raub bag, was er war, angefeben, ſich ſelbſt e8 zugefchrieben und angemaßet fondern hat diefe Form Gott dem Bater zugefchrieben und über: reichet (geopfert) und fich verfelben entlepiget und geäußert, bat ung nicht unähnlich fein wollen — fondern tft worden gleich als einer von und. Des Apoflels Meinung fei (wofür er auf St. Bernhard und Erasmus fih beruft): wenn Einer Weisheit, Ges rechtigkeit, Gewalt hat, Formen Gottes vor andern, fo fol er das nicht behalten (für fich) ſondern Gott wieder barreichen (opfern) und zufchreiben, werden als hätte er fie gar nicht, alfo daß ein, Jeder fein ſelbſt vergeffe und von den Gaben Gottes gelediget mit feinem Nächſten vergeflalt handele, als wäre die Schwachheit, Sünde und Thorheit des Nächften fein eigen X, 1528. Dungers heim berief fih darauf, die Stelle fei ſtets als eine Beweisftelle für des Sohnes Gottheit gebraucht worden XVII, 602— 620; wor; auf Luther antwortet XVII, 622 ff., 656: die Väter haben oft genug geirret; es fei genug daß man fie nicht zu Kegern machen laſſe; die Schrift fei nicht durch fie ſondern fie durch die Schrift zu verfiehen und zu richten. Gebe er auch zu, daß die Stelle mittelbar auf die Gottheit könne bezogen werben , fo fei es bo füglicher fie auf die Menſchheit zu deuten: nur auf die Menſch⸗ heit bezogen komme eine reale Erniebrigung heraus, da die Bott» beit nicht eigentlich kann erniebrigt werben. 560 Zweite Periobe. Zweite Epoche. Abthl. 1. AbfchnittI. III. Wahres Stellen, die ſich ja auf Ehrifti Amtsleben beziehen, dag Chriſtus in feiner Menfchheit ſchon von Anfang den abfoluten Beſitz der göttlichen Majeſtät und Kräfte gehabt habe, was auch mit ben fo eben befprochenen Stellen von einem allmähligen Werben bes Menfchen Jeſus, ja einem allmähligen Sichherabfenfen bes Göttlichen in ihn in grellem Widerſpruch ftünde: noch viel weniger konnte er alfo einen geheimen Gebrauch von biefen Eigenfchaften Seitens feiner Menfchheit annehmen. Sodann unterfcheidet Luther die Annahme der Senechtögeftalt fehr be- ftimmt von ber Menfchwerbung ſelbſt, und will nicht diefe (zu ber das Werden gehört) durch jene erklären, denn jene ift vor- übergehend, dieſe bleibt. Die Knechtsgeftalt ſchließt fich erft als ein Accidens an die Menjchwerbung an — allerdings vermöge besjenigen Liebeswillens, der auch den Logos zur Menſchwerdung 309; aber erſt auf Grund der Menfchwerbung, innerhalb ber geichehenen Incarnation, ift bes innerlich göttlich freien Gott: me nſchen That die Selbftentäußerung zum Leiden, zur Knechtsge⸗ ftalt. *©) Dagegen würde die Ableitung eines gottmenfchlichen Wer: dens aus einem gottmenfchlichen Aft ber Selbftentäußerung infofern ) Epriftus als Gottmenſch war und blieb, auch während feiner Knechtsgeſtalt, innerlich in der Gottesgeſtalt, in Frömmig- feit, Gerechtigkeit, Weispeit und Macht, obwohl er, foweit er in ber Knechtsgeſtalt war und fein wollte, Andern gegenüber feine Maje⸗ flät und Gottheit nicht brauchte. Daß aber feine Menſchheit auch nur innerlich dieſe vor ihrer Vollendung ganz gehabt, fagt er nicht, fondern nur daß er unfrer Knechtsgeflalt gleih ward, ung zu dienen, nicht als wäre es felbfiverfiännlich für ihn geweſen. Denn aus ber Fülle der Gewißheit feiner Gottgleichheit heraus, nicht aus Noth diente er uns aus Liebe, und flatt als Gott im Majeftät zu gebärden entäußerte er fih fo, wie etwa. ein weiſer Mann mitten in der Weisheit und der Weisheit Geftalt die Weisheit ableget damit er den Narren diene; XII. 623—633. Er hatte das göttliche Weſen famt der göttlichen noogy in feiner Menfchheit; er war darinnen als in feinem Eigenen nicht als in einem Raub. Es war ihm das Gewiffefle und er nahm an - bie Knechtsgeſtalt. Wir find nicht in der Gottesgeſtalt, fondern in der Knechtsgeſtalt fa in dem Wefen des Knechts, aber wir wollen die Gottesgeftalt als einen Raub. Werben d. Gottmenſchen. Unterfchng. d. Entäußerung v. Mſchwog. 561 das innere Werben zum Scheine machen, als dabei die Voraus⸗ fegung wäre, ber Menfch Jeſus habe von Anfang an bie abſo⸗ Inte Fülle des Göttlichen in ſich auch als Menſch. Wenn nun aber Quther ſolches Scheinmwerden nicht burch gottmenfchliche Selbftentäußerung wollen kann; *%) wenn er ans brerfeitd auch eine wahrhaft werdende gottmenfchliche Lebenseinheit nicht um den Preis einer Depotenzirung ober Selbftentäußerung des Logos erfaufen will, was bfieb ihm übrig als biefe werdende Lebenseinheit Dadurch zu gewinnen, Daß er, wie wir fahen, das Gött⸗ liche in die Menfchheit Jeſu nicht auf eimmal in feiner ganzen Wirklichkeit, fondern nach dem Maaß ihrer Empfänglichkeit „mehr und mehr ſich fenfen“ ließ? 5%) Er jet alfo trog der von Anfang an unauflöslichen Unio ber Naturen im gottmenfchlichen Weſens⸗ grunde doch für das actuale Werben der Menfchheit eine dem: felben Raum und Wahrheit laſſende Selbftbefchränfung des Logos in Beziehung auf das Einftrömen bes actuellen Göttlichen in die fich entwickelnde Menſchheit, alfo ein folches Ruben des Logos für Jeſus, wodurch felbft für Kampf und Anfechtung ber Menfchheit Raum bleibt. Iſt alfo auch die gottmenfchliche Potenz, bie das Wefen Chrifti ausmacht und feine fletige Lebenseinheit bildet, von Anfang da, fo hat doch bie Gottmenſchheit noch nicht fofort ihre volle Wirklichkeit. Zur Verwirklichung ober Entwid- lung biefer Potenz war aber ein velatives Auseinanbertreten ihrer Momente erforderlich, ein relativ ſelbſtändiges Hervortreten des Menfihlichen, °’) das jeboch immer in einem fortfchreitenden Pro- ceß artueller Einigung des Menfchlichen und des Göttlichen fein Ziel fand. So ift trog ber wrfpriinglichen Einigung ber Fac⸗ toren bie artuelle Gottmenfchheit noch im Proceß und Werben; bie Ineinanderbildung bes Göttlihen und Menfchlichen ift im Gebiet des Actuellen erft noch Aufgabe, mithin, bevor dieſe Auf- 49) Bl. auffer XII, 622 ff., 2268. IV, 784 v. Jahr 1521. V, 381. 1314. VII, 1558. X, 1345. 2158. XI, 278. 0) XI, 389 ff. f. 0. Anm. 42. 35H Das meint Luther, wenn er an entfcheidenven Lebensſtadien Epriftt vor Allem ihn als „reinen Menfchen“ daftehen läßt, ohne deßhalb das weientliche Band ber Unio zerriffen zu denken. 562 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. AbfguittI. IIL Bahres gabe gelöst, bevor die Empfänglichkeit der Menſchheit gereift ift, findet noch ein relatives Auffereinander zwifchen dem Logos der fein actuelles Sein nie aufgibt und zwifchen dem Menfchen ſtatt, deffen Actualität der des Logos noch nicht nachrücken, ſich mit ihre noch nicht deden kann. Solche relative Löglichfeit ber Factoren vor ihrer abfoluten Durchdringung, gewollt von bem feinen Einfluß befchränfenden Logos, der alles Magiſche, phyſiſch Ueberwältigende in zarter Schonung der wahren Menſchheit und ihrer freien Entwicklung meidet, läßt num für bas freie Spiel ber reinen menfchlichen Kräfte, für einen realen Proceß einer in Jeſu zeitliches Leben fallenden, etbifchen Smeinanderbilbung ber Factoren vollen Raum: geftattet aber allerbings nicht, Daß man fchon für die Zeit dieſes Proceſſes ein relatives Auffereinanderfein bes Logos als actualen, (des allwiffenden, allmächtigen, allgegens wärtigen) einerfeits, der werdenden Menfchheit andererfeitd in Abrede ftelle. 52) Wenn das von Luther doch wieber geſchab, wenigftens eine Zeitlang, 5°) fo ift das ein Zurüdfinfen anf den Stanbpunft ber früheren, dem Werben feinen wirklichen Raum laſſenden Chriftologie, auf welches fchon deßhalb fein befonderes Gewicht gelegt werben darf, weil er in ben Stellen, wo er aus feiner chriſtologiſchen Intuition herausredet, biefes zeits liche anfängliche Auffereinander des Logos und des Menfchen im Gebiete des Actualen fo flarf hervorhebt. 5% 62) Bgl. XII, 544. 547. $. 16. 789-787, IV, 1637 - 1647. befondere $. 26. wo er von der höchſten und größeften Beweglichkeit der unſchuldigen Ratur Iefu, und $. 15. wo er davon redet, Jeſus könne nicht zugleich am höchſten felig und am höchſten verdammet in der Pafflon gewefen fein. V. 397. 331: die Gottheit, obwohl unauflöstich mit ihm vereint, habe ſich eingezogen, die Menſch⸗ heit alfeine gelaffen im Kampf. Sofern auch feine Menfcppeit darein willigte, fällt viefes Leiden auch unter den Geſichtspunkt der Selbfientäußerung zur Knechtsgeſtalt Phil. 2. >, Im Sacramentsftreit. Bgl. oben S. 552 und ©. 565. «6% ſ. o. ©. 568 ff. Damit fol nicht behauptet fein, daß feine Ubiquitäte: lehre nicht mit feiner chriftologifchen Anichauung innig zuſammen⸗ hänge, für welche vie lebendige und vollkommene Einigung bes Böätt- lihen und Menfchlichen fo wichtig iſt. Aber was der Kern der Ubi: | gottmenſchl. Werden durch allmähl. Sicheinſenken d. actual. Logos. 563 Nehmen wir mit dieſem Refultate nun noch zuſammen bie oben bemerkte Kigenthümlichfeit, daß Luther es liebt, bie Incarnation ald Bereinigung der beiden Naturen zu Einer Perſon (als dem Refultate) zu bezeichnen: >°) fo flimmt bag trefflich mit dem Gefundenen zufammen, nemlich daß Die Unio der Naturen zwar von Anfang ba ift, aber fo, daß nicht troß berfelben fondern durch fie auch noch das Werben und Wachen dieſes gottmenfchlichen Lebens Raum hat bis zum vollen Dafein der gottmenfchlichen Perfon, — obwohl Luther felbft dieſes nicht ausgeführt und ausgebeutet hat. Die Perfönlichfeit des Menfchen kann nicht angeboren fein, wenn firenge gerebet wird, ſondern ihre Wirklichkeit fällt dem Gebiete des Aktuellen zu, ift alfo Refultat eines Procefied. Das Kind Jeſus, wenn ed wirflihes Kind iR, ift anfangs unmünbig ohne perfünliches Selbſtbewußtſein, folglich fann es wohl gottmenſchliches Indivi⸗ duum, weiterhin Subjekt, aber noch nicht gottmenſchliche Perſon heiſſen. Die gottmenſchliche Perſon im Gleichgewicht des quität iſt, war, wenn die Sätze über das Werden Chriſti nicht wieder fallen gelaſſen werden ſollten, für die Verklärung vorzubehalten, und ‚aus dem Begriff der vollkommen verwirklichten Unio ihre Ableitung zu unternehmen. Statt deffen wurde — und daran iſt der Mangel an Logifcher, zufammenhängender Darlegung feiner chriſtologiſchen Ideen Schuld — von Luther zum Beweiſe für pie Ubiquität nicht zum Begriffe, fonbern zum erfien Moment und Alte der Unio zurüdgegriffen und diefer Anfang eine Zeit lang fo behandelt als wäre er mit dem verwirkl ichten Begriff ver Sache identiſch. So fam denn freilich ein Logos non extra camem, nonnisi in came fhon für den Anfang heraus und damit eine Reihe der monftrös feften Borflellungen, wie wir fie kennen Iernen werben. Kein Wunder, daß Luther ſelbſt diefem Wege ſpäter kein rechtes Ber trauen mehr fchentte. 85) Bel. auffer ven obigen Stellen II, 681 ff. VI, 276. $. 202. 1074 f. (mo „Bereinigung der Naturen“ unbefangen wechſelt mit perſön⸗ licher Bereinigung). VII, 1839 f., XIII, 152. 1138, VIII, 2180. $. 271. Andere verwandte Formeln find: die zwei Naturen find alfo zufammengefüget, daß Eine Perfon wirb, ober: ber einige Chriſtus befieht aus zwei Naturen; oder Jeſus if der Menſch, der mit Gott Ein Ding oder Perfon tft XVI, 2729. 564 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abfchnitt 1. Böttlihen und des Menfchlichen kann nur Nefultat jenes Pro⸗ ceſſes actueller Durchdringung fein. Allerdings der Logos ift perfönlich, und nicht blos feine Natur fondern auch fein perſön⸗ licher Wille hat die Einigung der Naturen von Anfang an ge- fest ; aber fo lange die Menſchheit noch unmändig ift, kann auch bes Logos Perfon noch nicht das diefem Menfchen eigene ch fein, weil fie überhaupt noch nicht die Actualität des Ich hat oder iſt. Sp bleibt alfo die Hineinbilbung der göttlichen Per: fönlichfeit in die menschliche Natur, deren Erfolg ift, daß dieſer Menſch fi) zugleich ale Sohn Gottes weiß, für den Anfang noch Aufgabe. Bleibt es umgekehrt nur bei der Formel: bie Hppoftafe des Sohnes hat die menschliche Natur angenommen, fo ift das Uebergewicht ber göttlichen Seite und die Unperſön⸗ lichkeit der Dienfchheit ſchon entfchieven, während es in Luthers Gebanfengange Tigt, wie bie göttliche Natur fo auch bie göttliche Perſönlichkeit, ihre Actualität der Menfchheit zu eigen werben zu laſſen, wie umgefehrt jede menfchliche Actualität und Selbſt⸗ bethätigung der Gottheit. 59) Endlih was bie alte Zmeinaturenlehre fir die Chriftologie Störended und Zertrennended gebracht hatte, das wird für Luther durch feinen höheren Begriff vom Menfchlichen und vom Göttlichen, kurz durch alles Das befeitigt, was wir oben von dem Unterſchied der „alten und ber neuen Sprache“ vernahmen. Ihre Einigung will er nicht herſtellen durch eine bloße Gemeinſchaft ber Eigenfchaften, während das Wefen, bie Subftanz beider 6, Daß er auch die menfchliche Natur nicht unperfönlich denkt, ficht man am fchlagendflen an ven Punften, wo er fagt: Ehriftus flehe hie als ein pur Jauterer Menſch, — in der Pafflon, Verſuchung ꝛe. Da iſt ihm die Menfchheit Chrifti nicht bIos ein „Handgezeug ber Gottheit.“ — Des Eutyches Epriftologie fieht er ale zer» trennend an, weil er der Menſchheit nicht die Fähigkeit zu⸗ fohreibt, das Göttliche als ihr Eigenes zu haben. Neſtorius aber habe nicht darin gefehlt, wie die Päpfte Hügeln, daß er zwei Perſonen mache, denn immer befenne ex Eine, fondern darin, daß er Feine wirkliche Bereinigung ver Naturen habe. XVI, 2719 ff. Das Concil vervamme an Neftorius viel zu wenig; im Papft⸗ thum feien wohl viele Neftorianer X, 2730. 2786. Die gottmenſchl. Yerfon Refultat der Einigung der NRaturen. 565 Raturen auffereinander fiehen bliebe. Im Gegentheil fieht er in den Eigenfchaften das Wefen beider Naturen, und es ift ihm überhaupt um Einigung auch der Naturen zu thun. 57) Diefe vereinerleiet er nicht; was wäre fonft eine erft zu vollbringende Einigung? Aber ihre Begriffe in ihrer Wahrheit gefaßt (nach ber „neuen Sprache“) fließen fi ihm auch nicht aus, fondern fuchen ſich nach ihrem Wefen, fo daß in biefem Sim ihre. Einig- ung eine wefentliche oder Wefendeinigung werben Tann (VII, 166. $. 266.) Die relative Löslichfeit der Factoren in Chriſtus erreicht ihe Ende; umd weicht der vollſtändigen Durchbringung feit der Auferſtehung und Berflärung, welche von Luther aber: mald unter den Geftchtöpunft der Vollendung der Menfchheit in fich, nicht blos. der vollfommenen Offenbarung für Andere geftellt wir, °%) wiewohl nicht zu beflveiten ift, daß das Bilb des ganzen, einigen Chriſtus für Luthers Glaubensleben bie eentrale und urfprüngliche Intuition ausmacht, die Seite bes Werdens aber noch zu wenig bialektifch durchgebildet und durch⸗ dacht if. Davon ift dann bie Yolge, daß diejenige gottmenſch⸗ liche Lebenseinheit, welche dem gottmenfchlichen Werben voran geht, von berfenigen, bie des Proceſſes Refultat und um bie es Luthern befonders zu thun ift, noch nicht gebührend unter: fehieden wird; und daraus fließt wieder unwillfürlich daß das Bild der abfoluten Vollendung des Gottmenfchen oft wieder ſchon in die Anfänge feines Zeitlebens zurüd Datirt wird, was dann Berwirrungen,, Widerfprüche, Unklarheiten mit fi führen, und 87) ſ. 0. Kerner XVI, 2729: „Wer die Idiomata oder Eigenfcaften einer Natur verleugnet, verleugnet die Natur.“ Er redet XVIL 519 gegen die fcholaftifche Unterſcheidung von Subflanz und Acci⸗ dens; vgl. Weiffel. c. ©. 181. 5°, V, 338 ff. Bon Ewigkeit ift Ehriftus Herr über alle Ereaturen, ehe er iR Menſch worden; "aber, da er iſt Menſch worben und eine Feine Zeit von Gott verlaffen, und doch mit Ehren und Schmud gekrönt, ift er zeitlich zum Herrn gemacht, nad ber Menfchheit, durch die Offenbarung und Berflärung nad feiner Auferfiefung und Auffahrt. VI, 1078. Dorner, Chriſtologie. IL. 2te Aufl. 37 | 566 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt L_ Gpäterer hoffnungsvolle chriſtologiſche Yildungstriebe der Grundanſchauung Luthers hemmen mußte. ) Wenn wir aber gleich geſtehen müflen, daß Luther nicht alle Seiten ſeiner eigenthümlichen Chriſtologie gleichmäßig bearbeitet, daß er namentlich ſpäter die Schriftſtellen die das Werden be⸗ treffen weniger behandelt hat: wie viele Keime einer lebensvolleren und ſchriftmäßigeren Chriſtologie ſind in dem Betrachteten ent⸗ halten! Freilich ohne feſtes begriffliches Gepräge, ohne die Unterlage einer feſten aus dem reformatoriſchen Princip wieder⸗ gebornen Lehre von Gott und dem Menſchen, ohne eindringen⸗ dere Erkenntniß der allgemeinen Geſetze menſchlichen Daſeins und menſchlicher Entwicklung. Aber dieſe immer nur gelegent⸗ lichen Ausführungen jet dieſes jetzt jenes Punktes find doch wie wir gefehen haben von einer fruchtbaren und tiefen Grund anfchauung getragen, welche von ber fpäteren Chriſtologie ber Iutherifchen Kirche noch bei weiten nicht erfchöpft iſt. Wir werben nicht irren, wenn wir ald das boppelte Herzblatt ber Chriſtologie, wie fie vor feinem Auge fland, bie Empfänglichkeit ber menſchlichen Natur für bie göttliche durch Gottes gnaden⸗ veiche Liebe anfehen, welde ihrerfeits fo fehr bie. Macht über Gottes ganze Natur ift, dag auch biefe und ihr Weſen einer ‚Naturenvereinigung in biefer Perfon fein Hinberniß fein kann, ſondern alles vein menfchlihe auch ale ihr Eigenes zu haben und zu wiſſen vermag. °°) ) Bon den vielen Beweisftellen. hiefür genüge vorerfi die Stell XX, 10183. $.. 122. ©, Es verdient auch noch der treffende, eindringende Blid Luthers in die Gefchichte der Chriftologie Erwähnung. Er hat fih damit erfi gegen Ende der dreißiger Jahre, wie es ſcheint, beichäftigt; aber der kritiſche Blick in die Gefchichte der Eoncilien des fünften Zahyhunderts — beſonders des Chalcedon. — ift großartig. Weber Eutyches und Neſtorius fällt er ein durch Umſicht ausgezeich⸗ netes Urtheil, ebenfo über die Unfruchtbarkeit des chalcenonenflichen Eoncils. Er fieht daß Neftorius und Eutyches wohl zwei Na turen und Eine Perfon anertennen, daß fie aber bie reale Ber: einigung beider Naturen zu Einer Lebenseinheit in Abrede flellen in entgegengefebter Weife, indem Neftorius die göttliche Natur Anſchluß Luthers an die fcholaftiiche Formel der Comm. id. 567 Die bialeftifche Ausbildung ber Chriſtologie, die ſich etwa in feinen legten acht Jahren finbet, zeigt zwar genauere hiftorifche Kenniniß, aber thut Durch einen nicht von Aengftlichfeit freien Anſchluß an hergebrachte fcholaftiiche Formeln feinen originellen Er⸗ fenntniffen wehe. °') Er wendet nemlich die fcholaflifche For⸗ mei von der Communic. idiomatum jest nicht felten auf bie Ehriftologie an, in einem andern Sinne zwar als bie fcholaftifche Theologie es meinte, aber fein eigener ®ebanfe in biefen Ges wande untergebradyt, das für einen andern Körper geformt war, mußte dadurch verbunfelt werben. Es ift biefe Formel nicht . ohne Schuld daran, daß von ber eigentlichen Aufgabe, der Einig⸗ ung der Naturen, auf bie bloße Mittheilung von Cigenfchaften abgelenft und fo zu einer nberflächlicheren Behandlung zurüdges lenkt werden konnte. Noch leichter war von bier aus ber Rückfall zur Unperfönlichfeit der Menſchheit, weil die Perfon nicht als Eigenſchaft angefehen zu werben pflegt. Ja ſelbſt das Streitobjeft mit ber reformirten Chriſtologie drohte jetzt aus dem Geſicht zu rüden, indem in einer Menge ber unten citirten Stellen es Luthern, infofern er ſich unter biefe Formel ftellte nur darauf anzufommen fcheinen konnte, daß in ber Perſon als dem ch beide im übrigen auffer einanberfiehende Naturen ihre Eigenſchaften nieberlegen fo daß nun biefem einen ch beiderlei Eigenfchaften zukommen und eine Anzahl eigenthlimlicher Rebefiguren anwendbar fei. °°) Jedoch muß ſofort auch hin für zu hoch erachte dazu unb.fie daher von ver menfchlichen ferne balte, Eutyches dagegen die menfchliche Natur für unfähig halte, das Göttliche zu eigen zu erhalten, vielmehr fie.von biefem An- theil als unempfänglich ausſchließe und fo zurückſtelle (durch ab» forbirende Scheinerhöfung) XVI, 2715-2746. Damit ift zu: gleich der gemeinfame Grundfehler biefer beiden Extreme bezeichnet. Bol. die Auslegung des 14.—16. Cap. Joh. v. 3. 1588 T. VII, 186 ; die ausführliche Erklärung des Balater Briefs v. 3. 1639 (die von ihm ſelbſt beforgte Ausgabe) VII, 2180 fi. Bon ben Eoneil.. und Kirchen v. 3. 1589, T. XVI, 2715 ff. 2724 ff; VI, 1075 v. 3. 1544. “2, Die Kormel Communicatio idiomstum warb daher auch als eine Art Unionsformel beſonders von Melanchthon und feiner Schule ge 37 % V 568 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt I. zugefligt werden, daß Luther ſelbſt das Wort Idioma nicht bios auf unfer „Eigenfchaft“ vebucirte. Er rechnet dazu alles was einer Natur anbanget, zu ihrem Wefen fo gehört, daß ohne daffelbe die Natur nicht kann gedacht werben. *°) Ebenſowenig lehrt er ebendeßhalb eine Unperfönlichleit der menfchlichen Natur (VI, 1077. Endlich ift er fehr weit entfernt davon, in bie Perfon als drittes die Idiome beider Naturen niedergelegt, biefe ſelbſt aber noch) auffereinander zu denken. Sondern er muthet der Formel in feinem Gebrauch den Sinn zu, ben fie freilich in der Scholaftif nicht hatte, die Naturen felbft in ihrer Actuali⸗ tät fo zu vereinigen, baß bie Gottheit die Dienfchheit als ihre eigene Deftimmtheit an ſich habe, die Menfchheit aber allmächtig fi. Er will mit Einem Wort damit etine gegenfeitige reale Mittheilung, nicht blos von Eigenfchaften, fondern in ihnen bes Weſens der Naturen. 6%) 3.3. daß von der Menfchheit Solches ausgefagt wird, was eigentlich urſprünglich nur von ber Gott⸗ heit gilt, iſt nach ihm nicht dadurch berechtigt, Daß beide Na: turen in dem Einen Sch, fonbern dadurch daß beide Natuien durch bie Unio zufammengefaßt find, bas Wort Menfch ſelbſt aber Die Gottheit nun mit begreift, weil es num „zum anbern und neuen Wort“ mit neuer Deutung worden ift. *°) Es fteht alfo feft, in feiner chriftologifchen Grundanſchauung, bie er ſchon lange vor dem Abendmahlsftreit hatte, tft Luther fich ftets gleich geblieben, und felbft fein Anfchluß an die trabitio- nelle Sormel der Communicatio idiomatum, die eimem ganz andern theofogifchen und religiöfen Boben entflammt war, hat hegt, bis die Württemberger ven Verſuch machten, den eigentlichen futHerifhen Gedanken, freifih nur in einem andern Zufchnitt derfelben Formel, zu reiten. es) XVI, 2724. VII, 166. f. Anmerf. 57. N‘ *, XVI, 2728. In der Stelle VI, 1076. 1077 if ihm offenbar Mit⸗ theilung der Eigenfchaften, die ihm flets eine gegenſeitige ift, ſ. v. a. Bereinigung der Naturen: unter Perfon aber verfieht er nicht ein für die Naturen bereit ſtehendes drittes, fondern das Refultat dieſer Einigung des Marienfohns und Gottesſohns; ebenvaf. XI, 152. 65, VII, 2131, Rüdblid auf Luthers Chriſtologie. 569 nicht ihm felbh zum Rückfall in das Vorreformatorifche gebracht, fondern erſt feine Nachfolger aus ber Weite ber neuen An- fhauungen, die eine neue Sprache forderten, in bie Enge einer Auffaffung zurüdgeführt, die nur ein Fragment beffen, was er gewollt, rettete, das Problem in feiner Ganzheit, Tiefe und Einfachheit aber aus dem Geficht verlor. Luthers chriſtologiſche Gedanken find ganz und gar von religiöſem Hauche durchweht und nicht blos müffige, ſcholaſtiſche Erörterungen. Das ſieht man daran daß, Ähnlich wie feine Lehre vom Glauben eine innere Verwandtſchaft mit der Chriftologie bat, ebenjo auch auf das Natürlichfte ihm dieſe auf jene zurück⸗ weist. Alles ift in Ehriftus ung zu gut gefchehen. Chriſtus hat ihm zwar nicht bios die Stellung des Mittels, er ift ihm bie „herrliche Perfon“ fchlechthin. Aber es hat weber der Sohn Gottes noch Chriſtus das Seinige gefucht, es ift- bie Macht der freien Liebe, die in dieſer Herablaffung zu ung, ja Stellvertretung für ung ihre Herrlichfeit hat. Daher ift ihm diefe Perfon nichts fo Iſolirtes, daß nicht, durch den Glauben an Ihn, diefe Geburt Gottes im Menfchen und diefe Geburt des Menſchen aus Gott fih in uns fortfegen könnte. Gleichwie in ihm die göttliche Natur durch ihr Theilbaben an ber menſchlichen die Wirkung bat, daß auch feine Menſchheit auf Gottes Thron erhöhet ward, fo fann und foll feine WMenfchwerdung bewirken, bag unfer Menfchliches theilhaft wird der göttlihen Natur im Glauben. „Siehe, fagt er, alfo nimmt Chriſtus zu ſich unfre Geburt von uns und verfenfet fie in feiner Geburt und fchenfet und bie feine, daß wir darinnen rein und neu werben, als wäre fie unfer eigen, daß ein jeglicher Chriſt mag ſich biefer Geburt Chrifti nicht weniger freuen unb rühmen, benn als wäre er auch gleichwie Chriſtus, Teiblih von Marin geboren. Wer das nicht glaubet oder zweifelt, ber ift Tein Chriſt. Das meinet Sefaj. ec. IX, 6: ein Kind iſt ung geboren und ein Sohn ift und gegeben. Uns und ung geboren und und gegeben. Darum fiehe zu, daß du aus dem Evangelio nicht allein nehmeft Luft von der Hiftorie an ihr felbft: denn bie beflehet nicht lange, fondern dag du die Gebt dir zu eigen macheſt und mit ihm 570 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt L wechfelft, daß bu deiner Geburt los werbeft und feine über kommeſt. Welches gefchiehet, fo du alfo gläubeſt. So figeft du gewißlich der Zungfrauen Marien im Schooß und biſt ihr liebes Kind.“ 66) Der At der Menfchwerbung Gottes in Chriſtus entfpricht unferem Glaubensaft, fofern es bei Chriſti Liebe, wie bei unferm Glauben darauf ankömmt, zu haften an dem Anbern, um Ein Ding mit ihm zu werben, zu vergeflen bas Eigene um bas des Andern zum Eigenen zu machen, in ber Liebe um zu geben, in dem Glauben um zu nehmen. Damit führen fih ihm Liebe und Glaube auf Eine Grundfunction zuräd, bas Seinwollen im Andern als in dem Eigenen, bamit auch das Andere fei in ihm als dem Eigenen (XII, 623—633. V, 1314.) Wie der Selbfivergeffenheit des. nehmenden Glaubens auch in ung bie Selbfivergeflenheit der fich entleerenden , gebenden Liebe, ähnlich. der Liebe Chrifti folge, iſt früher gezeigt. (S. 526 f.) Zum Schluffe ift noch zu bemerken, bag mit feiner chriſto⸗ logiſchen Grundanſchauung von Anfang an aufs Innigſte feine Lehre vom Worte zufammenhängt. Ihm ift gewiß, daß Gott als die Liebe fi offenbaren fann und will als das, was er iſt, und es auch wahrhaft thut in dem Worte, während bie Myſtik auch in der Offenbarung ihn immer noch im Myſterium bielt, ebendamit aber die Offenbarung zum bloßen Zeichen herab ſetzie. So ift zunäcft das Wort Gottes, der Sohn, nice mins ber auch Ehriftus zu nehmen. In Chriſtus fehen wir dem Bater ins Herz, fagt er unzähligemal; Chriſtus bedeutet nicht bios Bott oder einen Gottesgedanken, ſondern er ift Gott ſelbſt aber in der Weltwirklichfeit, ober als Men. *) Aber auch Ehrifi — — “) XI, 175 f. 228-283. Mit Beziehung auf die platoniſche Ideen⸗ welt, wornach alle Dinge in Gott Ieben, fügt er bei: „das haben au die Deiden gewußt, daß wir Ieben im ihm und ſchweben im ihm, und weben in ihm und find feiner Art;“ und es fei das au nicht zu läugnen. Aber daß alle Kreaturen in Gott eben, machet wohl fubtile Schwäger, iſt auch finfter und ſchwer, lehret aber nichts von der Gnade, machet auch feine gnadenreichen Menſchen, darum die Schrift fich fein als eines Fürwigigen äußert. 0°) XI, 220 9. Jahr 1521 f. 9. zum 9. 1515. &. 586 f. Rückblick auf die Chriftologie Luthers. Seine Lehre vom Wort. 571 Wort bringt ihn ung ſelbſt. Schon unfre Rebe ift ein Eben⸗ bilb oder Conterfait des Herzens; burd) dag Wort wird des Herzens Meinung erfannt, ale wäre das Herz im Wort. Aber bei unferem Worte bleibt immer etwas von blos bedeutendem Zeichen, denn das menſchliche Wort bringet nicht wefentlich bie Natur des Herzens mit fih. Aber in Gott iſt fein ewiges Wort ibm fo gleich, dag die Gottheit ganz barinnen ift und wer bag Wort hat, der hat die ganze Gottheit; es bringt nicht blos ein Zeihen und Bild mit ſich, fondern auch das ganze Wefen und ift ebenfo voller Gott als der deß Bild ober Wort es ift. Diefes Wort nun, bas Gott ift, ward Fleiſch und wohnte unter uns. Die Menfchheit wäre fein nlige, wenn die Gottheit nicht darinnen wäre, ſich in ihr faßlich, gegenwärtig für den Menſchen gemacht hätte; wiederum aber will und mag Gott nicht gefunden werben, denn durch und in biefer Menſchheit, welche er bat zu einem gewiflen Zeichen aufgeworfen und damit zu fich verfammlet alle Kinder aus der Welt. Das ewige Wort, in dem alles Leben war, ift in Chriſto, Gottes Sohn in der Menfchheit. Wer nun das gläubet, der wird von biefem Lichte erleuchtet, ja auch lebendig. es) Diefer Gefihtspunft, wornach in göttlichen Dingen das Aeußere die offenbarte Sache felbft in ihrer Weltwirklichkeit für den Dienfchen fei, bildet den Grundtypus, von welchem Luther nie abläßt von den älteften bis zu den fpäteften Werfen, unb welcher in feiner Lehre von ber heil. Schrift und von den Sarramenten 69) ſich immer wieber fpiegelt. es, XI, 241 f. ; 8) Bei diefer Grundanſchauung, wonach in ver Offenbarung in Gottes Herz d. h. in feine Liebe geſchaut wird, iſt von ſelbſt ge- geben, daß Gottes Gnade fich ernfilich Allen varbietet im Wort, Sacrament zc., denn In ber Liebe Gottes iſt fein Schatten, ſondern nur der Unglanbe tft die Finfterniß, die Bott nicht ergreifen will. Erf fpäter, von anderem dogmatifchem Orte, nemlich ver Prädefti- nation her dringt wiener das Myfterium ein, zwar nicht die im objektiven Heil offenbare Liebe, aber die in ber Deilsaneignung ſich Tundgebenve verbunfelnd. So bedeutend nun aber auf in fpeculativer Hinficht die Intherifche Auffaſſung des Verhältniſſes vom Yeußeren und Inneren, von Gedanken und Wert, von Leib «in 570 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt L wechſelſt, daß bu deiner Geburt los werbeft und feine über kommeſt. Welches gefchiehet, fo du alfo gläubefl. So figeft du gewißlich der Zungfrauen Marien im Schooß und bi ihr liebes Kind.“ 6%) Der Aft der Menſchwerdung Gottes in Ehriftus enstfpricht unferem Glaubensakt, fofern es bei Chriſti Liebe, wie bei unferm Glauben darauf ankömmt, zu haften an dem Anbern, um Ein Ding mit ihm zu werben, zu vergeflen bas Eigene um bas des Andern zum Eigenen zu machen, in ber Liebe um zu geben, in dem Glauben um zu nehmen. Damit führen fich ihm Liebe und Glaube auf Eine. Grunbfunetion zurück, das Seinwollen im Andern als in dem Kigenen, bamit auch das Andere fei in ihm als dem Eigenen (XII, 623-633. V, 1314.) Wie der Selbfivergeffenheit des. nehmenden Glaubens auch in ung bie Selbſtoergeſſenheit der fich entleerenden,, gebenden Liebe, ähnlich. der Liebe Chrifti folge, ift früher gezeigt. (S. 526 f.) Zum Schluffe it noch zu bemerken, dag mit feiner chriſto⸗ Iogifhen Grundanſchauung von Anfang an aufs Innigſte feine Lehre vom Worte zufammenhängt. Ihm ift gewiß, daß Gott als die Liebe ſich offenbaren kann und will als bad, was er if, und es auch wahrhaft thut in dem Worte, während bie Myſtil auch in der Offenbarung ihn immer noch im Myſterium hielt, ebenbamit aber die Offenbarung zum bloßen Zeichen herab⸗ ſetzte. So ift zunächſt Das Wort Gottes, der Sohn, nicht mins ber auch Chriftus zu nehmen. In Chriftus fehen wir dem Bater ins Herz, fagt er ungähligemal; Chriſtus bebeutet nicht bios Gott oder einen Gottesgebanfen, fondern er ift Gott felbft aber in der Weltwirkfichkeit, oder als Menih. *) Aber auch Chriſti ®) XI, 175 f. 223-283. Mit Beziehung auf die platonifche Ideen⸗ welt, wornach alle Dinge in Bott leben, fügt er bei: „das haben au die Heiden gewußt, daß wir Ieben im ihm und ſchweben in ihm, und weben in ihm und find felner Art;“ und es fet das auch nicht zu läugnen. Aber daß alle Kreaturen in Gott leben, machet wohl fubtile Schwäger, iſt auch finfter und ſchwer, Ichret aber nichts von der Gnade, machet auch feine gnadenreicen Menſchen, darum die Schrift fi fein ale eines Fürwitzigen äußert. *) XI, 220 v. Jahr 1521 f. 9. zum 9. 1515. ©. 686 f. Rückblick auf die Chriſtologie Luthers. Seine Lehre vom Wort. 571 Wort bringt ihn uns ſelbſt. Schon unfre Rebe iſt ein Eben- bild oder Gonterfait des Herzens; durch das Wort wirb des Herzens Meinung erfannt, als wäre das Herz im Wort. Aber bei unferem Worte bleibt immer etwas von blog bedeutenbem Zeichen, denn das menfchlihe Wort bringet nicht wefentlich bie Natur des Herzens mit fih. Aber in Gott if fein ewiges Wort ihm fo gleich, daß die Gottheit ganz darinnen ift und wer bas Wort hat, der hat die ganze Gottheit; ed bringt nicht bios ein Zeihen und Bild mit fi, fondern auch das ganze Weſen und ift ebenfo voller Gott als der deß Bild oder Wort es ift. Dieſes Wort num, das Gott ift, ward Fleifch und wohnte unter ung. Die Menfchheit wäre fein nlige, wenn bie Gottheit nicht barinnen wäre, ſich in ihr faßlich, gegenwärtig für den Menfchen gemacht hätte; wiederum aber will und mag Gott nicht gefunden werben, denn durch und in diefer Menſchheit, weldhe er bat zu einem gewiffen Zeichen aufgeworfen und bamit zu fi) verfammiet alle Kinder aus der Welt. Das ewige Wort, in dem alles Reben war, ift in Chriſto, Gottes Sohn in der Menfchheit. Wer num bas gläubet, der wird von biefem Lichte erleuchtet, ja ‚auch lebendig. 6°) Diefer Gefichtspunft, wornach in göttlichen Dingen das Aeußere die offenbarte Sache felbft in ihrer Weltwirktichkeit für den Menſchen fei, bildet den Grundtypus, von welchem Luther nie abläßt von ben ältelten bis zu ben fpäteften Werfen, und welcher in feiner Lehre von der heil. Schrift und von ben Sarramenten 69) ſich immer wieber fpiegelt. 8, XI, 241 f. on ©) Bei. diefer Grundanſchauung, wonach in der Offenbarung in Gottes Herz d. h. in feine Lebe geſchaut wird, iſt von felbft ge geben, daß Gottes Gnade ſich ernfilih Allen varbietet im Wort, Sarrament ıc., denn in ber Liebe Gottes tft Fein Schatten, ſondern nur der Iinglanbe if die Finſterniß, die Gott nicht ergreifen will. Erf fpäter, von anderem pogmatifchem Orte, nemlich ver Präpefti- nation her dringt wieder das Mpfterium ein, zwar nicht bie im objektiven Beil offenbare Liebe, aber die in ver Heilsaneignung ſich kundgebende verbunfelnd. So bedeutend nun aber auch in fpeeufativer Hinſicht die lutheriſche Auffaffung des Berhältnifies. vom Aeußeren umd Inneren, von Gedanken und Wort, von Leib 972 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt J. Die große Ueberlegenheit Luthers auch in qriſologiſcher Hinſicht ſelbſt über die edelſten Repräſentanten der vorreforma⸗ und Geift ec. iſt, fo iſt doch eine und dieſelbe Formel organiſcher Ineinsſetzung beider Glieder dieſer Gegenſätze nicht zureichend für Alles, was unter fie gebracht wurde. Sie muß ſich anders ge: falten für das Wort in Gott, anders für Chriſti Yerfon, anders für die Sarcramente, anders für die heil. Schrift. Es wäre frucht⸗ barer an diefem Punft die Iutherifche Lehre fortzubilvden, als in ewiger Selbflüberhebung über die reformirte Lehre ſich ſelbſt in träge Sicherheit zu wiegen, Andere aber zu ermüden. Weiſſes Darfiellung der Chriſtologie Luthers verſucht ein einheitliches Bild von ihr zu entwerfen und ihren bedeutenden religiöſen und ſpeculativen Gehalt herauszuſtellen 1. c. S. 40—71. 169— 206. und es fehlt dieſer Darſtellung nicht an richtigen Bliden. Aber das Bild iſt getrübt durch mande willkürliche Deutung, welche Luthern ein Xob zugedacht hat, das er ohne Zweifel würde haben ablehnen müffen. Richtig hat Weiffe darin gefehen, daß, wie oben begründet if, Luthers qhriſtologiſche Grundanſchauung ſchon vor dem Streite mit den Reformirten feftfiand, und das was in dieſem von ihm hinzugefügt ward, zum Theil gegen das Frühere ungünftig abſticht. Aber er bezeichnet den Unterfchieb der beiden evangelifchen Eonfeffionen fo, daß bie Iutherifche den tdealen, die reformirte den biftorifhen Ehriſtus habe, wofür er ih auf Baur beruft, wenn auch in etwas anderem Sinne. Den Ausgangspunkt ver Weiſſeſchen Auffaffung- bildet das Verhältniß, in welchem er bei Luther Chrifi Auferſtehung zu feinem Tode flehen zu fehen glaubt (f. o. Anm. 36). Das Er: löſungswerk enthalte nah Luther nicht eine Genugthuung für das göttliche Geſetz, oder für den heiligen und gerechten Gott, fondern Chriſti Ton fel ein Kampf mit dem Zeufel und dem Ger feb als einem feindlichen; es fauge nad Luther Epriftus die Sünde der ganzen Menſchheit in fih auf, und in der Aufer: ſtehung ftelle fish ihm die Beſiegung des Teufels, die Bernichtung der Sünde, die Enpfhaft des Geſetzes dar. Das Geſetz bezeichne ihm nicht die nothwendig zu befriebigenve Forderung einer Ber fühnung oder Genugthuung, fondern eine beſtimmte Bewußtſeins⸗ ſtufe, die gegenfäßliche, fündige, unfelige, die wir als in Chriſto von der Menfchheit überfopritten anfıhauen follen, nicht durch feinen Zod als fühnenden, fondern durch die Auferfiehung, in welcher fich darftelle, wie in Chriſtus die Gottmenſchheit vollendet, die Menfchpeit in Bott aufgehoben und zu einem Momente ber göttligen Subflang oder zur Natur in Gott geworben fei. Den Luthers Chriſtologie im Bergleich zur Tatholifchen Mpfiif sec. 16. 573 toriſchen Myſtik muß durch das Bisherige anfchaulich geworben fein. Noch um Bieles höher ſteht er in Vergleich mit Fatholis Zufammenpang zwiſchen Chriſti Auferſtehung und unferer Er: Iöfung denkt er fih näher fo: In der Auferfiefung Chriſti fei die Menſchheit auferflanden, nicht Chriſtus als Cinzelner; vielmehr als Einzelner Höre Chriſtus feit der Auferſtehung gänz- lich auf, Chriſti menfchlihe Seele, Willenskraft u. f. w. fei im Tode zurüdgegangen in die Allgemeinheit ver Denfchennatur, die aber in der Auferfiefung als vergotiete, als Moment in Gott ſelbſt erkannt werbe (was mit der alten Lehre von einer Ratur in Gott zufammentreffe.) Und diefer gottmenfchlichen Potenz, diefer göttlichen Ratur („Fleiſch Epriki‘) Können wir theilhaft werden, wovon das kirchliche Symbol Taufe und Abendmahl ſei, wie ſelbſt Harer als Luther Schwenckfeld erfannt. Eignen wir uns biefes an, fo werben wir Leib Chriſti; und ver Logos der die menfchlihe Natur als ‚univerfales Princip in fich ſelbſt habe, wirkte dieſen Leib Eprifii , die Gemeinde, fort und fort aus, während der Leib Chriſti als eines einzelnen Individuums nicht weiter in Betracht kommt. Die Auferfiehung Eprifi fei die „um: gelehrte Menſchwerdung,“ d. h. die Zurüdnahme der individuellen Menſchheit Eprifti, die Univerfalifirung verfelben, aber um nun eine allgemeine Menfchwerbdung zu eröffnen, in welcher Gott durch Antheilgeben an der göttlichen Ratur (oder Bewußtmachen ders - felben ?) die Menfchheit in „Chrifti Leib“ umwandelt. Es iſt nad dem Obigen nicht nöthig, zu zeigen, daß das Luthers Meinung nicht fein kann. Es ift dabei die Erhebung Eprifti zu univerfaler Bedeutung dur die Auferfiefung und die Abfireifung der end» lichen Schranken verwecfelt mit Berflüchtigung der Indivi⸗ dualität. Nur auf Eines werde aufmerffam gemacht, was ber Herr Berf. nicht beachtet zu haben fcheint. Diele Anfiht würde weſentlich (wie aus der ganzen bisherigen Geſchichte erhellt) der römifchen Chriſtologie fih nähern, indem fie Eprifti Menfchheit in Gott reforbirt oder, wie die Reformatoren es auspräden, Chriſtum begräbt um an beffen Stelle die Gemeinde, den Leib Chriſti treten zu Iaffen. Sf es nicht möglich, die Indlvidualität Chriſti fo zu faflen, daB ihr zugleich univerfale Bedeutung zu⸗ kömmt, fondern muß jene flierben, d. h. für den Glauben aufs bören, damit der ideale Chriſtus auferfiche in der Gemeinde, die wahre gottmenfchlihe Bewußtfeinsftufe: To iſt eine lutheriſche Chriſtologie nicht möglich, fo ift aber auch der Gegenfag zwiſchen ®ott und dem concreten Menfchen als unüberwindlich und weſent⸗ ich zu bezeichnen, wie es felt dem Chalcedon. bis zur-Reformas 574 Zweite Periode. Zweite Epode. Abthl. 1. Abſchnitt L ſchen Zeitgenoffen, wie Biſchof Berthold md Theop hraftus Paracelſus. ’% tion meift die Annahme war, mochte nun diefer Dualismus ſich mehr in veiftifche oder mehr in pantheiſtiſche, in neftoriantfirenve und ebinnttifche oder monophpfitifche und doketiſche Formen Heiden. ”, Bas aud der germantihen Myſtik, fofern fie nicht in die Re formation ausmündete, werden mußte, bafür kann Bifchof BSertholds Girſtinger) von Epiemfer fog. TZewifche Theo: Iogey 1528, «neuerlich wieder mit unverbienter, tendenziöfer Lobpreifung herausgegeben von Reithmaier, mit einem Borwort von Generalvtcar Windiſchmann) ein Beweis fein. Das Buch ſchmückt fih mit Eompilationen aus Rapmund v. Sabunde, Tauler, der eigentlichen deutſchen Theologie (ſ. 0.) Nic. v. Eus, Thomas Aq., Augufinug, fehr oft ohne feine Duellen zu nennen, zieht aber die Ideen der Mpftif gefliſſentlich wieder in das Gebiet der kirchlichen Werke und Sacramentenlehre zurüd, ohne eine Ahnung von der in‘Gott gefreiten, gläubigen Perſönlichkeit zu haben, im Gegentheil iR fie polemifchen Charak⸗ ters gegen bie Reformation, verwidelt ſich aber in zahlreiche Widerſprüche. Dan vergleiche 5. B. ce. 2: Wie zu glauben fei? Der Glaube habe fleben Eigenſchaften: 1) er erwäge nit nach tHiertfcher Sinnlichkeit, fondern nach Sinnen der Bernunft, was glaublich fe; er bete und Ierne durch heimliche Unterweifung in feiner Vernunft verfiehen, daß chriftl. Glaub gut und glaub» U fei; 2) er bitte mit Hoffnung um Mehrung des ſchwachen Glaubens; 3) fei der Glaub mit Lieb geztert und wohl formirt; 4) feine vierte Eigenfchaft fet, daß er erfiheine und bewährt fei mit Werfen; 5) fol der Menſch auch Gehorfam leiſten und bie Gebote mit Werken vollziehen; 6) muß der Glaub beſtändig fein; 7) muß der Glaube „vergleicht fein der Warheit,“ d. h. über einftimmen mit der Wahrheit (!); diefe wird ficher kund durch die Kirche. Diefe intellectuatiftifche Saffung zeigt zum voraus, daß die Myſtik in ihm verfiegt If. Einiges Theoſophiſche iſt an bie Stelle getreten. Dahin gehört feine Lehre vom Wort, vom Ma: erocosmus und Microcosmus, vom Richtving und von der kos—⸗ mifchen Bedeutung der Menfchwerdung Gottes. Gott iſt fruchtbar in ficd, er Hat einen Sohn (vgl. D. Scotus) gebiert fein Bildniß, wie auch jede Ereatur ohne Unterlaß. Der heif. Geift entfprießt aus ihrer gemeinfchaftlichen Liebe (c. 7). Diefe Dreipeit, die inwendig in Gott if, fleußt auswendig in alle Geſchöpfe (e. 5, 1.) Gott will ſich offenbaren, das geſchieht im fünferlet Wort (5, 8.): 1) dem inwendigen göttlichen Wort oder Biſchof Bertholds fogen. Tewiſche Theologey. 575 Unter den namhafteren reformatoriſchen Männern bat mit Luthers chriſtologiſcher Grundanſchauung ohne Zweifel Sohn Gottes; 2) nennt er das in Maria eingeleibte Wort; 3) dag Shriftwort; 4) das eingegeifiete Wort in den Brofeten, Sarramen: ten und Gemeinſchaft der Kirche ; 5) das Wort in der Ratur. Durch bie 4 lebten wird Das Inwenbige Gotteswort auswendig offenbart. Sott will (o. 8) nicht allein in ihm ſelbſt inwendig wohnen und ‚nur bei ihme göttliche Kräfte wirken, fondern auch ſolche Wohn⸗ ung und Wirkung haben auswendig in feinem Gefchöpf, fonderlich der vernünftigen Erentur. Neben der „natürlichen Ausführung“ in dem Sohne will Bott auch haben eine künſtliche, die er als tunftreicher Werkmeiſter nicht aus feiner Natur, aus feiner andern Materie als aus Richtving durch feine göttliche Idea in der Zeit ausführt (ec. 7, 3.) Es find breierlei „Richving und Unweſen,“ bie dreien Rattern verglichen werben. Die erſte hat Gott ge: dannt, daß thr Gift nimmer ſchadet, fondern barans fommen man« Gerlei Früchte nũtzlicher Ereaturen, die Gott daraus fihafft. Das andere Nichtding iR unmäßiglich bös und vergleichbar einer übergiftigen Ratter, die Niemand bannen mag; aber Gott hat dieſelbe Natier vermaledeit unter allem Ungeziefer und Bieh ver Erden, auch dermaßen gezähmet, daß fie ohne Willen ver Greatur, der Gott Helfen will, Niemand töbten kann. In diefe Schlang hat ſich „Luciper“ gewendet, da er Adam und Eva beirog. Nach: het ward diefer Drache gebunden, tft aber jeßt wieder los (in ver Keperei Luthers). 3) Diefe vermaleveite Natter gebiert viele Heine Nattern, die Sünden, das dritte Nichtding. Das erfte Nichtding iſt wicht foviel als gar nichts oder als „ewige Ins weien“; aber es iſt nur mäßig bös, ſtets unter Gottes Gewalt, auch gehorfam und läßt etwas aus ihm machen. Aber in ihm ſelbſt iſt es unvoll kommen, ungeorbnet, unwefentlich, unbeſtändig. Die Creatur iſt wohl daraus geſchaffen, aber der Creatur Weſen⸗ heit iſt nicht auf Nichtding, ſondern auf ſein göttlich Weſen ge⸗ ſetzt und gebaut, fo daß Gott der Grund und Anfang ber Creatur iR, und dieſe ewiglih in ihrem Wefen bleiben kann und nicht zu Nichtding gedeihen muß. Aber vor allem Gefchöpf ift ſolch Nicht« ding ein Unweſen gewefen und alfo (?) Alter und flärker denn die Ereatur. Darum möchte es die Ereatur als feinen Feind überwinden, wieder zu Richtving machen. Aber Gott it cher geweſen als alles Nichtding und daher deſſen gewaltig und erhält fein Geſchöpf bei feinem Weſen, läſſet es nie in das erſte Nicht: ding fallen, aber wohl in das dritte, die Sünven. Das andere Nichtding fispet Bott gerad gegeniber als ewig Unweſen gegen 576 3weite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt I. feiner mehr Achnlichkeit, ald Andreas Oſiander unb unter Denen, bie fi aufferhalb. der kirchlichen Bewegung hielten, der ewig Wefen, unermeßlih, bös fiber alle andern böfen Dinge. Daraus macht Gott nichts, fonft würde Daraus eine unermeßliche Creatur, ein Gott wider Gott. Aber daraus etwas zu machen unterfteht fich verlehrte Ereatur und braucht folch bös Nichtding zu eigenem Willen. So Lucifer, da er fi wollte Bott gleich machen. An vemfelben böfeften Nichtding hängt verkehrter Menſch von Natur (vermöge) des erften Nichtvings, daraus er gefchaffen if. Daper kommt, daß wir töbtliche Menfchen geneigt find nit zu Gutem, das ferne von uns tft, fondern zu Böſem; denn obwohl menfchlicher Geiſt fih und den Leib zu Gutem emporziehen follte, fo it doch der Leib in feiner Bosheit veraltet und dermaßen zer rüttet, daß der Geift durch ihn merklich beſchweret und unter fi gezogen wird (c. 20, 3. 4. vgl. 68, 8. 78, 5). Die Gemeinfchaft der Seele mit diefem unreinen Leib bringt dem Dienfchen leib⸗ lichen Tod, gibt auch Urſach daß fein Seel geiſtlich ſtirbt und ewiglich verdirbt. Die Seele ſaugt all ihr bös @ift in Rh aus der Natter, aus dem natürlichen Leib; aber fie kann auch ebenfo Heil faugen aus dem „Leib“ Chriſti (im Sacrament), in weldem die göttliche Hülfe ſteht. Dazu hat fie die Freiheit erhalten, dieſe Hälfe zu ſuchen. — Alfo ein phyfifcher. Begriff von Sünde dualiſtiſch geartet, als Borausfegung für einen magifchen Begriff von Gnade: die Freiheit if dazu da, fich ſolcher Gnade zuzuwenden. Die Welt, — Makrokosmus c. 19 — if in’ Iebenbigem Bott ewiglich geweſen. Ewiger Bott if fein felbft und aller Ereatur Archetyp, Idea, Anfang und Ende. Das denkt er nach platontfcher Art ſchon als reales Sein. Alsviel die Ereatur verkehrt wird und Irrung macht in göttlicher Ordnung, daffelde kommt nit von Bott, fondern von ihrer eigenen Nichtigfeit, vie fie auntmmt aus böfem Nichtding. Alfo find verkehrte Leute in ihnen ſelbſt, nit in Bott, ewiglih bös gemwefen u. f. w. Die Welt als Ganzes ift Gottes Bild, nemlich der Idea nach, die aus Gott in fie eingefloffen: aber nicht der Materie nad, bie das Richtding {ft daraus fie ward (c. 19, 1—4). Aber fonderlih hat Gott den Menſchen gefhaffen, ein Bildniß zu fein der großen Welt, daber er auch Microcosmus genannt if. Die große Welt if geteilt in Himmel und Erde, geiftlihe und leibliche Ratur, deren Ießtre Gott nit erlennt. Um nun auch durch Ieibliche Natur erfannt zu werben, bat Gott den Menſchen geſchaffen, der in Leib und Seele geiftlicde und Teibliche Natur zufammenfaßt. Und fo if im Menſchen, als der Heinen Welt, die ganze erfchaffene Welt Biſchof Berthold. 577 vielverkannte C. Schwenfeld. Die Grundzüge von Ofians ders Anficht waren fchon frühe ausgebildet, und feine myſtiſche befedloffen. Aber noch war Bott und feine Ereatur noch nit bei einander. Darum hat Gott das Univerfum, das if Gottheit und Geſchöpf zuletzt befchloffen in ver einigen Perſon Chriſti. gerner c. 27, 4: Alle leiblichen Ereaturen find zu einander ges ordnet, und eine in die andere gefchrauft bis an ben Menfchen, im welchem begriffen iſt geiftfiche und al leibliche Natur mit ihren Staffeln. Wie aber alle Leiblichen Ereaturen geordnet find auf den Menichen, (der in befonderem Sinne Bild Gottes zu fein beſtimmt if) fo nachfolgend ale Menſchen auf Eprifius, in ihm auf Bott. Alfo find alle Ereaturen durch Chriſtum geordnet auf Gott. Menſchlich Geſchlecht if Mittler zwiſchen der Ratur und Chriſtus; Chriſtus durch feine Menfchheit das Mittel zwifchen Gott und Menſchen. Daraus leitet er fofort die Ausdehnung der Erföfung Chriſti auch auf die Natur ab. — (Siehe oben Nic. v. Eng.) - Die Notpwendigfeit der Menfchwerbung tft noch beſtimmter durch feine Lehre vom Nichtding geforbert. co. 10, 1: Glaublich if, dieweil Bott außerhalb feiner und aus Nichtding das Ge: ſchöpf gemacht hat, daß deſſelben Geſchöpfes Weſen natürlich wiederum gedeihen würde zu Nichtding aus dem es gemacht, nur allein (es ſei denn daß) es werde an Gott als ein ewig Weſen und an ſein ſicher Ende gebunden. Das aber kann nicht geſchehen natürlich, nachdem (da) das Geſchöpf in Gott keine Handhabe noch Gleichniß hat, an die es ſich halten möcht ewig⸗ lich. Deßhalb erfordert des Geſchöpfes Natur, daß Gott an ſich nehme eine Creatur, in der alle andern Creaturen beſchloſſen find, nemlih die Menfchheit Eprifti. In ihm hanget alle Ereatur (ec. 19, 6), in ihm als einem Menfchen ift aller Creatur Gleichniß, und in ihme als wahrem Gott mögen alle Ereaturen geewigt werden. „Die unwandelbar Berfon hat an fih genommen die wandelbar Dienfchheit, damit diefelbe auch unmwandelbar würbe mit fammt aller andern Creatur, fo in der Menfchheit befchloffen if.“ — Auch deßhalb if, fagt er weiter (nach ver beutfchen Theologie), Menſch geworben, weil Gott etliche Tugenden, Gehorfam, Demuth, Geduld, die göttlicher Hoheit eigentlich nicht zuftehen, ſich auch hat verleipen wollen in feiner angenommenen Menfchheit. Berner hat Gott durch feine Menſchwerdung alle Geſchöpfe ganz gemacht und er» füllet. Er wäre daher auch ohne Adams Fall als Menfch erfihienen, aber nicht geftorben. Run der Menſch aber fiel, fo hat der natürliche Sohn Bottes durch Menfchwerdung auch bewirkt, daß wir können 578 Zweite Pertove. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt I. Auffaffung des Glaubens fowie ber in ihm flattfindenben Lebens⸗ gemeinſchaft mit Chriſtus, ſowie vom Worte Gottes und ſeinem angewünſchte (adoptirte) Söhne Gottes werden (c. 10, 10.) Aber Bertholds Heilsorbnung‘ift voll von pelagianiſchen und magi⸗ fen Elementen, deren Berein bei ver römiſchen Kirche feſthal⸗ ten fol. Das Kreuz Chriſti nennt er zwar die Lebenswurzel des Heils die in ung zu pflanzen fe; er verſteht aber darunter Chriſti Beiſpiel im Leiden, dem wir nachfolgen follen. Doc fagt er auch diefes Leiden habe ewige lebendige Kraft; wir follen es im Gemüth innerlich Gott varbringen, wie die Kirche es äußerlich darbringe im Meßopfer. Seine Lehre vom Richtving muß bewirken, daß die Gottheit ber Menfchheit flets fremd gegenüber bleibt, wenn jenes nicht auf: gehoben werden will in Doketismus (c. 10, 2): „Der Menſch mag zu Gott, als zu fremder Natur, nicht fommen.“ Aber einen Antnbpfungspuntt findet er zwiſchen Bott und ver Menfchheit darin, daß die Form der Welt Gottes Bild ſei. Namentlich Chriſti Seele (nach der Scholaftil zum Theil Formprincip bes Leibes) fei durch ihre Heiligkeit und Reinheit für die Bereinigung mit dem Gottesſohn tauglich gewelen, und durch ihn perfonirt worben. In Chriſtus find prei Geburten (nah Tauler): die ewige des Sopns, die von ber Jungfrau, die von ben Gläubigen, pie ihn fort und fort gebären (c. 10, 6. 7); drei Bereinigungen: 1) der Gott⸗ beit mit der Seele Chriſti; 2) mit feinem Leib, und 8) ber Seele mit dem Leib, welche im Tod aufgelöst ward, da Eprifit Leib im Grab, feine Seele in ver Borhölle war (10, 8); drei Willen endlich, der ewige des Sohnes, der vernünftige Wille im oberen Theil der Seele Epriftt , der flets dem göttlichen gehorfam war; und der fondlich zeitlich Wil im untern Theil der Seele, fo fi zum Fleiſch geneigt und deßhalb blöd geweſen iſt. Fleiſchliche Reibung (Fomes) iſt an ihr ſelbſt feine Sünde (c. 35, 3. 4) ob: wohl eine Krankpeit, Berfehrung , Kleden oder Gebrechen, da⸗ mit der Geift fireiten, Tugend erkriegen, Untugend austreiben möge un. f. w. Mit folcher Lehre von Chriſtus ſtimmt wenig zufammen feine Lehre von Adam im. Paradies „das vielleicht ettwo im Firmament ob den Elementen war.“ Adam fol (trop * feiner Entfiefung aus dem Nichtding) rein ohne Tödtlichkeit ge weien fein (c. 81). Und obwohl er fagt, daß erſt durch Chriſtus die geichaffene, wandelbare Ratur geewigt und befefligt werben fonnte, foll doch fhon von Ratur Adam ein angewünſchter Sohn Gottes geweſen fein, und er hätte ohne feinen Fall mit feinen Nachkommen gehabt, was wir in Chriftus (vgl. 68, 9. 10, 11). ‘ Berthold. Theoppraftus Paracelfus. 579 Berhältmiß zur menfchligen Natur hat viel mehr Achmlichleit mit der Auffaflung Luthers ale Melanchthons und feiner ans Chriſti Leib wie feine Seele ift von der Gottheit in fi gewan⸗ delt und ganz göttlih, fo daß er Quantität abgelegt hat und ganz geiſtlich if, vaher fol göttlicher Leib überall fein mag ſacramentlich (68, 8). Er braucht dabei mehrere Bilder, die Luther angewandt hatte. Beveutender als Theoſoph iR Theophrafius Paracelfus (vgl. Arnolds Kirchen⸗ und Keßerhiftorie Br I, ©. 1600- ff. de coena domini; ©. 1511—1521. Secretum Magicum de lapide Philo- sophorum). Er will Eine Wiffenihaft, Ein Principium, nicht fünfzig und ausgehen vom Eentro. Des Menfchen Weisheit muß ganz fein, er felbft muß bie Weisheit fein, denn er weiß fie nur wenn er fie if. Wie das Leben nicht zerſtückelt iR, fondern voll⸗ ſtändig und ungebrocden Eins, fo ift auch die Weisheit untheil⸗ bar, und gliediſch if fie nur geworden dadurch, daß fie ins Tödt⸗ liche (Sterbliche) gefallen ift, da gibt es nun viele Künſte und Weispeiten, da wird die Weispeit jeht an diefem Ort im Men: ſchen zuerfi aufgewedt, jeßt an jenem. Der Menſch kann aber dieſe Weispeit erlangen, denn er ift Mikrocosmus. Aller Berfland der Thiere auf Erden und in ver Luft if im DMenfchen, dazu auch in der Seele der Berfland ver Engel. So liegt der Leib in beiden Sphären, Himmel und Erde find fein Bater. Im Menſchen ift kein Lernen, fonbern es ifl Alles vorhin im Menfchen, nur nicht aufgewedt und offenbar. Alle Menſchen find Glieder Gottes, keines hat einen Borzug vor dem andern, Teines ift ver Weisheit beraubt. Das iſts aber, daß wire vergeflen,,. und uns. nicht ermahnen an das, fo in uns if, wir find träg und fohlafen in unferem Erbe. Wir gelangen zu biefer Weisheit durch das Zwiegefpräc bes Heil. Geiftes mit feinem Schüler, indem er ein Licht anzündet, das nicht ablöfht, denn es iR von ibm wohl angezündet. Nicht vom Menſchen aus, fondern. von Gott, dem Bater der Weisheit aus, will er begreifen, was Bott if und was der Menih. Denn was Gott ber Bater if, das if der Sohn, der Menſch; dem Menſchen fehlt Nichts. Er if nach Gott das edelſte Weien, nach Leib und Seele; nament: Lich letztere if nicht erfchaffen von Gott, fonvdern aus Gottes Athem, aus dem reinflen Geiſte gefchaffen. Und diß unſichtbare göttliche Feuer hat Gott dem Menſchen aus ungründlicher Liebe eingegoſſen und über alle Engel erſchaffen. Aber wenn der Menſch fo Hoch geftelt, wenn er Botted Sohn if, und wenn Keiner mehr und Keiner weniger hat als der 580 Zmeite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt L. dern Gegner. Die Lehren A. Oſianders mb Schwend: feld, fo viele Berührungspunfte fie haben, unterfiheiden ſich Andere, weil Alle Alles Haben: welche Stelle bleibt ihm für Chriſtus ? Er will feine Philoſophie gründen auf Chriſtus, den Edflein. Das Licht der Natur, fo viel es offenbart, reicht nicht aus, fons dern Chriſtus if pas wahrhaftige Licht, To einen Jeden erleuchtet, der in diefe Welt kommt. Darum ift uns Ehriftenmenfchen wohl möglich, alle Heimlichkeiten zu verfieben, denn diß Verſtehen ges reicht zu Gottes Glorie in Ehrifto und er gibt feinen Geiſt ven Suchenden. Durch ihn Hofft er Auffchluß Über das ganze Gebiet der Natur und des Geiſtes. Von Trithemius, Cornelius Agrippa, Petrus de Albano wolle er fih dadurch unter: feinen, daß er auf die Schrift baue. Aber das thut er nicht. Durch das Gemüth, fagt er, kommen wir zu Gott, durch den Glauben zu Eprifto, durch die Imagination empfahen wir den heit. Gef. Eins kommt aus dem Andern, daher auch diefen Dreien nichts unmöglich il. Aber immer wieder kommt er, wenn er bars ſtellt, wie wir die wahre Erienntniß erreihen, auf Säße, nad welchen Epriftus und beiliger Geiſt ihm nur das allgemeine, wahr: haftige Licht find, das jeden Menfchen erleuchtet. Die Natur, fagt er, lernt alle Dinge: was fie nicht Tann, erwirbt fie vom beit. Geiſt, der fie Iehret. Der heil. Geift und die Ratur find Eins, nämlich täglich ift die Natur ein Licht aus dem heil. Geil. Diß erinnert an feinen Zeitgenofien Franc. Pucctus, dem Ehriftus die all gemeine ratio, Adyos in dem Menſchen iſt. Um daher von Ehriftus etwas Näheres auszufagen, fchließt er fi wieder an die Kirchenlehre an, ohne fih wahrhaft mit ihr zu ver mitteln. Jedoch hat er auch Hier einiges Eigenthümliche. Durch des Teufels Reid iſt der Menfch verführt: jetzt find wir unrein und blind, und ſterblich: und fo blieb es, bis Bott Half. Daß Leib und Seele wieder gereinigt und der flerblich gewordene Leib mit der Seele wies der vereinigt würde, wurbe die zweite Perfon in ver Gottheit Menſch. Wäre aber vie Maria nicht ganz rein geweſen, fo hätte fie ven Sohn Gottes nicht empfangen Tonnen. Durch ihre reine Seele erfennt fie Gott und glaubet Bott; und fo warb fie dur. den Geift Gottes überfipattet, magifh, aus Berwilligung der Seelen im keuſchen Leib ; und Gott und Menfh waren vereint. Die Magie, die er dem Glauben zufchreibt, ift ihm innig verbunden mit der imaginatio, die, wenn fie wahrer Art ift, wirkt, was fie denkt, im Kraft des Heil. Beiftes, wie der Glaube eine Allmacht if. — Durch Ehriftus nun werden wir wiebergeboren; mit ihm find auch — — — — — Berhälten. Andr. Ofianders und Schwendfelbs zu Luthers Epriftol. 581 aber von einander befonders dadurch, daß der Chriſtologie bes Erſteren fichtlich auf die göttliche, der bes Letztern auf die menſch⸗ liche Natur Chrifti das Hauptgewicht fallt, während in Luthers Grundanſchauung beide Seiten am vollfommenften ihre gleich integrivende Bedeutung. behaupten. 71) 7 DW wir erhöhet. Da aber nah Theophraft die Seele als aus Bott nicht Frank werden Tann, fo kommt es auf des Leibes Erlöf: ung und Wieberbringung an. So findet er wieder eine Stelle für feine naturphilofophifchen Gedanken. Er ſchließt ſich hiebei befon- ders an das heil. Abendmahl an. Chriſti Keib ift nicht aus menſch⸗ lihem Samen; fondern wie bei Adam die Erde der Stoff war, fo war_für feinen Leib daſſelbe der Heil. Geiſt. Ob er nun einen bimmlifchen, geifigen Leib Chriſti Hieraus ableitet, iſt nicht deut⸗ ih. Da er von Chriſti Benugthuung und Leiden fpricht, tft wahrfcheinlich, daß er diefe göttliche Subſtanz des Leibes Chrifti fich zuerſt in Knechtsgeſtalt denkt. Jedenfalls aber legt er auf dieſen göttlichen Leib Chriſti das größte Gewicht bei der Erlöſung oder Wiedergeburt. Aus Chriſti Blute nämlich, das in den Ele⸗ menten uns zu Theil wird, kommt die göttliche Kraft, die den neuen geiſtlichen Leib dem Menſchen ſchafft. Er nennt dieſe gött: liche Kraft den heil. Geiſt — wie er ja aus des heil. Geiſtes Natur oder Subſtanz den Urſprung feines Leibes ableitete. Durch den heil. Geiſt, ſagt er, macht Chriſtus in allen ſeinen Gläubigen Incarnationes. — Wir eſſen im heil. Abendmahl weder blos ein Zeichen, noch Chrifti Leib, wie er am Abenpmahle faß: fonvern gleihfam den Keim feines Leibes (surculum), feinen Geift. Diefer lebenfchaffenne Geift gebt hervor aus Chrifti Leib im Abend» mahl; fo wird Chriſtus aus feinem perfönlichen Leib unfer Leib, und Doch {ft nicht feine Perfon unfre Perfon: ſondern Chriſtus wirft nur durch fein Abendmahl als einen Samen auf die Nach: bilder feines Leibe, damit die Gläubigen, wefentlich Glieder feines Leibs, in den Himmel fommen mit ihm. Er berührt ſich hier mit Schwendfeld und Bal. Weigel. Dfianders Aehnlichkeit mit Luthers Typus fieht man befon- ders aus feiner Lehre vom Worte Gottes, die an die früheſten Beiten Luthers erinnert, ſodann aus feiner chriſtologiſch gefärbten Myſtik, und aus feiner Ineinsſchauung des ewigen göttlichen Ebenbilves und der vollfommenen Menfchheit. In dem Allem hat er zugleich am meiften Achnfichkeit mit Bren$ und ber würt⸗ tembergifchen Kirche, daher ihn auch dieſe am beften verfiand und fehr viel günftiger als die Norddeutſchen beurtheilte. Cs ift daher Derner, Gpriftelogie. IL 2te Aufl. 38 582 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. ı. Abſchnitt L Den Mittelpunkt der Lehre des A. Dfiander bildet feine Lehre von ber Rechtfertigung; aber da er biefe nicht blos ale Erlaß der Strafe, fondern auch der Schuld fowie als Herftells ung und volle Verwirklichung des göttlichen Ebenbildes, alfo ber urfprünglichen dee, die Gott vom Menfchen hatte, anfehen will, fo mußte eine fo. ausgedehnte Bedeutung ber Justificatio auch auf die Chriſtologie zurückwirken. Oſiander wurde als geiſtvoller und muthiger Bekenner bes Evangeliums bei den wichtigſten Verhandlungen, zu Mar: burg, Augsburg, Schmalfalden zugezogen ; und ſtand namentlich in der Sarramentöfrage ganz auf Luthers Seiten, von beffen mpftifhem Standpunft er ſich namentlich durch einen Fühneren und weiter vorgehenden fperulativen Geift unterfchied. ) Während Melanchthon Luthers Lehre vom Glauben mehr populär und empirisch praftifch behandelte, zeigte A. Ofiander frühe die Neig- ung, auf bie legten Gründe zurüdzugehen und ben evang. Stand: punft fpeculativ zu reronftruiren, zu welchem Behuf er natürlich auch eine eigene Terminologie fehuf, welche ihm viele Mißverſtänd⸗ niffe eintrug. Es ift nicht blos Eiferfucht auf Melanchthons — — nicht genau, wenn Thomafius in feiner fonft fleifigen und danfenswerthen Historla et progressio dogmatis de obedientia Christi activa 1846. P. I, ©. 22 f., die wöürttembergifche Kirche ohne Weiteres den anderen im Gegenfaß gegen Dfiander gleichfiellt. 7) Bgl. Baur Disq. in A. Osiandri de justif. doct. 1831; deſſen Lehre von der Berfühnung S. 316—344. Trin. u. Menſchwerd. M, 247— 252. Willen, A. Ofianders Leben, Lehre und Schriften 1844. Bon älteren Schriften vgl. Hartknoch preuß. Kirchenpift. S. 309 ff. J. G. Bald, Religionsftreitigk. ver evang. luth. Kirche Thl. 4. &. 137 ff, wo aud die ältere Literatur angegeben if. Yland, Geſchichte des proteſt. Kehrbegriffe Bo. IT. — Bon Dfiander ſelbſt find befonders folgende Schriften zu nennen: Confessio A. Osiandri de unico Mediatore Jesu Christo et justificatione fidel. Re- giom. 1551. Epistola A. Osiandri, in qua’ confatantur etc. 1549. Sodann feine Schrift: An Ailius dei fuerit incarnandus, si pec- catum non introivisset in mundum? Item de imagine Dei quid sit? Ex tertis et evidentibus S. S. testimontis et non ex philosophleis et bumanae rationis cogitationibus deprompta explicatie. Monteregio Pruss. 1550. Bgl. Schlüffelb. Catal. haeret. L. VI, 48 ff. Andr. Oflander und Melanchthon. 583 Anfeben, was ihn in Gegenfat zu deſſen Lehrweife trieb, fon: dern bie richtige Erkenniniß, daß die Formeln Melanchthons jenen myſtiſchen Rebenspunft gar zu wenig enthalten, vielmehr durch den fein begrenzenden unb rechnenden Verſtand der gött⸗ liche Bernunftgehalt des Chriſtenthums verflüchtigt werde. Melanchthon Hat in der Lehre vom Glauben immer befonders die Ergreifung des Verdienſtes Shrifti betont, wor: unter er fein fatisfactorifches Leiden für uns verfiand, daher nicht blos den thuenden Gehorfam neben_ dem leidenden wenig in Betracht gezogen, jonbern bei Ehriftus den Blick überhaupt mehr auf das Werk als auf die innere Duelle und die leben: dige Einheit ferner Werfe in der Perfon gerichtet: dieſes Werk das Chriſtus für fich nicht zu leiſten ſchuldig war, foll der Glaube anfchauen und ergreifen. Das erfcheint dem A. Ofiander froftiger als Eis; und fich felbft weiß. er mit Necht mehr in Luthers Geift, wenn er den Glauben auch auf die Totalität der Perfon Chriſti verweist, welche mit dem Vater und bem Sohn im Herzen Wohnung mache. - Den lebendig gegenwärtigen Ehriftus fchien ihm Melanchthon und feine Schule wie feine andern Gegner, die buchftäbifchen Rutheraner, gegen den empirifch- biftorifchen, oder feine Werfe vor 1500 Jahren zurückzuſtellen. Diejer Fehler felbft aber fei.nur da möglich, wo man die Rechts fertigung durch ben Glauben nur zu einem äußerlichen Werke made. Denn freilich, wenn bie Nechifertigung nur in ber Losfaufung (redemiio), das heißt in der Freilaffung von ber Strafe beflehe, dann fünne man fagen, durch ben Glauben an Das biftorifche Verdienſt Ehrifti werden wir wahrhaft gerechis fertigt, - indem er für ung das Qöfegeld bezahlte; ähnlich wie ein von den Türken um Gelb losgekaufter Sklave nicht blos für ſich der Sflaverei ledig wird, fondern auch alle von ihm zu er⸗ zeugenden Kinder die fonft als Sklaven geboren wären freis macht. Allein nach ber Schrift fei unter Rechtfertigung weit mehr zu verfiehen, nemlich auch Das Gut= ‘und Gerechtgemacht⸗ werben, und das fei ber höhere Zwed der Ericheinung Chrifti; Ehrifti Sühne fei dazu nur die Einleitung oder Dasjenige ges weſen, wodurch er unfre Gerechtmachung verbient babe. 38 * 584 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt 1. Um nun bie Nothwendigfeit eines immigeren Zufammen- hanges mit Chriftus ale durch ben bloßen Glauben an fein biftorifches Verdienſt zu begründen, geht er auf die Idee bes Menfchen zurüd und fucht die Lehre vom göttlichen Ebenbilde dem Glaubensprineip gemäß umzugeftalten. Der Menſch war nad Dfiander von Gott nicht blog zum Gehorfam und guten Werfen geſchaffen ,‚ ls könnte er dadurch ſchon gerecht vor Gott fein, (das wäre vielmehr wieder eine zu ftarfe Betonung der Werke, wie fie in der römifchen Kirche üblich ift), fondern dazu, gerecht und gut zu fein in feinem Wefen. Nicht gute Werke machen einen Menfihen gut, fonbern ein Gerechter thut gute Werke. Auf das Sein, das Prinzip des Guten in uns felbft kömmt es an, wenn wir Gott follen mwohlgefällig fein. Nun gibt es aber ferner nur Ein Gutes das vor Gott beftehen Tann, das ift Die Güte, die mwefentlih in ihm if. Es gibt nicht zweierlei Arten ber Gerechtigfeit oder des Guten, fondern nur eine einzige, das ift feine wefentliche Gerechtigkeit. Wäre biefe nicht ſichſelbſt⸗ mittheilend, fo bliebe nur er gerecht. -Aber die Offenbarumg des Geſetzes beweist, daß er auch Gerechtigfeit außer fih will. Das Geſetz fagt nicht, Daß es einen Weg zur Seligfeit gebe oder je gegeben habe durch eigene gute Werfe, fondern bie göttliche Grundforderung ift, daß wir uns erfüllen Yaffen follen von göttlichem Leben und Wefen, von ber effentiellen Gerechtigkeit Gottes, die da ift in Chriftus. Daher konnte auch in Adam das göttliche Ebenbild noch nicht vollfommen verwirklicht fein. Wie nun aber der Menſch von Anfang an in’ biefem prägnanten Sinn ald Gottes bebürftig gefchaffen warb, fo lag es von Ans fang an fchon bei des Menſchen Schöpfung im Rathſchluß Gottes, fih der Menfchheit auf dem einzigen möglichen Wege mitzu⸗ theilen, nemlich durch Die Vermittelung bes menſchgewordenen Sohnes Gottes. Denn endlich, wie wir find, fonnten wir Gott und feine weſentliche Gerechtigkeit nicht erfaffen, wenn er ung nicht gleih und nahe warb. Within ift die Idee des Gotts menfchen ewig in Gott. Er muß in faßbarer Weife die weſent⸗ liche Gerechtigkeit varftellen, er muß das verwirflichte Ebenbild Gottes fein, damit auch wir durch ihn vollenbet werden und Andr. Oſtander. 585 ſeiner theilhaft der göttlichen Natur theilhaft ſeien. Hienach wäre Chriſtus als das unentbehrliche Organ unſerer Vollend⸗ ung und ber göttlihen Gnade auch erſchienen, wenn Niemand gefünvigt hätte, obwohl allerdings bie Sünde auch noch bie weitere Nothwenbigfeit einer Genugthuung zu unferer Loskauf⸗ ung mit fi) geführt bat, durch leidenden und thuenben Gehorfam, welcher aber wieder in ſich nicht fchlechthin gottgefälfig fein könnte, wenn er nicht die Frucht einer effentiellen Gerechtigfeit in ihm. wäre. Denn ſelbſt Chrifti menfchlihe Natur flir ſich wäre Ieer, ohne Gott wäre fie wie eine bürre Rebe und nüste ung nichts. Jedoch konnte Oſiander nicht bei diefer Nothwendigkeit des Gottmenfchen als bloßen Mittels für uns ftehen bleiben. Da die wefentliche Gerechtigkeit und ihre Wirklichkeit in der Welt ein Gut in fich ſelbſt fein muß, der Gottmenfch aber das geeignete Organ nur ift durch die wefentliche Gerechtigfeit deren Berwirklichung in der Welt er zuerft perfönlich barzuftellen hat, fo ergibt ſich unmittelbar, daß ihm Chriſti Erfcheinung auch Selbſtzweck und ein Gut in fih fein muß. Sa er betrachtet Ehriftus als den Mittelpunft des Weltgutes, und als feine Spitze: die Idee des Gottmenfchen ift ihm auch das organifirende Cen⸗ trum, in welchem wie durch welchen das AU feine Vollendung erreicht. Daher fagt er: Gott hätte gar nicht gefchaffen, wenn er nicht hätte Menſch werben wollen, und er würde mit ber Kichhe, feiner Braut, Ein Fleifch geworben fein auch ohne die Sünde. Das Urbilb nad welcheni und auf welches hin Adam geichaffen warb, ift nicht die nadte Gottheit, auch nicht des Sohnes Gottes an fich, fondern der Sohn als zu infarnirender, als Gottmenſch. So wenig wär aber biefes Urbild, auf das Alles geichaffen ift, eine bloße Idee, daß das ewige Wort viel: mehr fchon den Patriarchen im Bilde (simulacrum) nach allen Dimenfionen feiner künftigen Geftalt erfchien. Ja wenn er von dem ewigen Rathſchluß der Menfchwerbung redend fagt: es ift nichts in Gott, was nicht Gott felbft wäre, fo fcheint er Das was ihm an ber Menfchheit das Wefentliche ift, dergeſtalt in Gott zu verlegen, daß nicht blos ihr Gedanke fondern fie felbft ewig, wenn aud nur potentiell, in Gott gegenwärtig if, indem 586 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abfchnitt L fie nad) ihrem wahren Wefen Gott if, in ber Wirklichkeit aber Gott zu fein beftimmt. ?’®) Diefe äußere Wirflichfeit Durch bie er und zugänglich wird, ſetzt ſich aber für uns fort in der Predigt des äußeren Wortes. Dieſes ift nicht leerer Schall, ſondern Erſcheinung des Verbum internum, bringt dieſes mit fih und zündet in ben Empfäng- lichen die Leuchte gleichfalls an. Kreilich der im äußeren Wort eingehüllte Chriftus ift als inneres Wort nur erfennbar für das geiftige Auge: faflen, glauben wir das Innere, fo bleibt das Wort das wahrer Gott und Menſch ift in und. Aber daß wir ihn faſſen können im Äußeren Wort das verbanfen wir eben feiner menſchlichen Natur, die ein Tempel ift ber ganzen gött⸗ lichen Fülle. Wir find Glieder Chrifti nach feiner Menſchheit; burch feine Menfchheit empfahen wir das Licht und Leben bee Wortes wodurch es alle Glieder -feines myſtiſchen Leibes der Kirche erleuchtet; wie auch das heil. Abendmahl beweist, daß wir mit. feiner menfchlichen Natur geeinigt, auch feiner göttlichen follen theilhaft werben. Sp diene die ganze menſchliche Natur Chriſti Dazu, daß die Gottheit mit der fie Eine Perfon ward, auch in uns hernieberfteige, gleich wie ber ganze Weinftod dazu dient Daß bie Zweige an ihm einer Natur mit ihm feiend Frucht 3) Dfiander führt u. A. noch folgende Gründe für fih an: Unter dem Ebenbilde Gottes if, wie Alle zugeben, die Gerechtigkeit und Heiligkeit zu verfiehen. Diefe ift aber wefentlich Gott der Sohn. Diefer heißt sensu emin. Gottes Ebenbild als Menfchgerworbener: ſonach if Adam, indem er nach Gottes Ebenbild formirt ward, nach der imago Christi futuri formirt, (wie auch ſchon Tertullian und Irenäus Iehrten) und folglich ift Chriſti Kommen nicht erſt von dem Sündenfall abhängig. Auch hätten die Menfchen ohne Sünde doch noch eine vollendende Verwandlung erleben müſſen, die ihnen nur durch Epriftus werden konnte, zu deſſen Bild fie verflärt werden follen. Bei der gegnerifchen Anfiht wäre Epriftus nah Adams Bild geworden, während Adam nach Eprifi Bil muß geichaffen fein. Auch würde fonft, wenn nicht Sünde ware, den Menſchen und Engeln ihr König ewig fehlen, und jenes My⸗ flerium Eph. V, 82. zwifchen Ehriftus und der Gemeinve käme nicht zur Wirklichkeit. Er berief ſich befonders auf Gen. I, 26. Luc, XIX, 193. Auſſerdem wie Frühere auf Kol. I, 18. Hebr. II, 10. Andr. Ofiander. 597 bringen. Denn aud am Weinftod find zwei Naturen, beren eine das Holz ift, welches bleibt, auch wenn die Rebe bürre wird, die andere ift die ganz verborgene, fruchtbare, weintragende. So wenig nun die Neben die weintragende Art erhalten könnten, wenn fie nicht Holz wären vom Holz des Weinftods, fo wenig fonnten wir der göttlichen Natur theilhaft werben, wenn wir nicht, durch Glauben und Taufe ihm alfo einverleibt, Fleiſch, Blut und Bein von feinem Fleiſch, Blut und Bein geworben wären. Diefe Lehre von der Rechtfertigung durch das Einwohnen der weſentlichen Gerechtigfeit oder durch das Empfahen ber gött: lichen Natur im Glauben ftellte er der äußerlichen nur gericht lichen Imputation des Verdienſtes Chrifti entgegen; fuchte Chrifti Werk für und in der Innerlichkeit und Einheit feiner Perfon feitzuhalten, zugleich aber auch, ohne in den römifchen Irrthum zu fallen, in dem Glauben die Sündenvergebung und die Heilig: ung feft und principiell zufammenzufchliegen. Man Tann nicht fagen, daß ihm für die Imputation feine Stelle blieb. Bon der Genugthuung Ehrifti für unfre Strafen abgefehen bedurfte er ihrer auch in fo fern, als er in den Gläubigen die fortdauernde Sünde nicht in Abrede ftellte und doch die Berföhnung berfelben sollfommen dachte. ”*) Kerner blieb er auch infofern bei einer Imputation ftehen, ald ihm nicht der Glaube als Tugend ober als fubjektive verbienftliche Beichaffenheit rechtfertigt, — wie dem Auguftin — fondern das Objeft des Glaubens Chriftug, der nad) feiner Gnade fi) zum Menfchen will rechnen laffen, von dem Gläubigen wie.von Gott. Aber allerdings bleibt er nicht dabei ftehen, daß Chriftus fich blos zum Menfchen vechnen laſſe; er geht dazu fort, daß er fich, feine göttliche Natur dem Glauben zu eigen gebe, ſo daß Gott nicht etwas was nicht ift, ſieht, wenn er den Menfchen als wirklich gerecht in Chriſto fieht. 70) 7, Wenn er nicht einer antinomiftifihen Auffaffung von ber Bedeu⸗ tungelofigfeit der nachwirkenden Sünven in Vergleih mit ver effentiellen Glaubensgerechtigkeit Raum ließ, was man feinen pofitiven Erklärungen gegenüber nicht annehmen darf. 75) Es wäre ungerecht, fagt er, den für gerecht anzufehen, ver nichts Gerechtes in ſich hat. Der Gläubige aber Hat Gerechtigkeit an 588 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt L. Es ift Dfiandern darin zuzuſtimmen, daß bag eigentliche vom Glauben zu ergreifende Heilsobjeft die Perfon Chrifti in ihrer Einheit und Totalität fein müſſe, nicht aber blos feine Leiftungen oder Verdienſte, nicht blos gleichfam die Gefammt- fumme feines Gehorfams, mag diefer immerhin auch als activer wie als paffiver angefehen werben. Aber Oſiander ſelbſt bleibt gerade nicht ſowohl zu Chriſti Perfon als zu feiner divina natura oder essentia hingewandt. Was Ehriftus gethan unb gewirkt hat, ift ihm Nebenfache ; fein Werth, durch den er eigent- lich auch ohne Thun Heilsobjeft ift, ift ihm fein Sein, beſtimmter feine wefentliche justitia, das beißt Gottheit. ?e) Chriſti Ge rechtigfeit ift immer fich felbft gleich, weil fie in feinem Sein befteht. So energifch er alfo die refigiöfe Wurzel des Ethifchen erfannt hat, fo gebt ihm doch die Einficht ab, daß es der justitia essentialis wenn fie ethifc gedacht wird und nicht blog als ein Adel ber Natur, felbft wieder weſentlich iſt, fich actuell zu bethätigen, wie fie auch nur in biefen Bethätigungen die concrete Eriften;z bat in der fie erfannt und ergriffen werden kann. ”) Hätte er bas erkannt, fo hätte es ihm nicht ſchwer fein Finnen, für Chriſti Menfchheit eine noch weitere wefentliche Bedeutung zu gewinnen, nemlich: daß durch fie das Heil erworben ward, nicht bios bie Rosfaufung von Uebeln (Strafe) fondern auch von Schul. Ehriftologifch noch wichtiger ift, daß ihm bei diefer Gleichgliltigs feit gegen das actuelle Leben ber Gerechtigkeit in Vergleich mit dem zuftänblichen und ftets fich gleich bleibenden, ein wahrhaft menfchliches Wachen Ehrifti an ethifcher Kraft und Gerechtig⸗ feit verforen gieng, was bie Iutherifchen Gegner richtig und in fih als Rebe an ahriſus, oder r indem er Chriſtum in fih Hat. ’*, Das ſchien ihm daraus zu folgen, daß ja Chriſtus nicht gerecht fei, weil er dad Geſetz erfüllte, fondern weil er ſchon zuvor ge- recht war. Ausdrücklich fagt er au, auf actio komme es nicht an, noch auf passio, fondern auf bie essentialis justitia, die Gott ſei. 7, Die Gegner betrachten Überwiegend Christi obed. activa et passiva als das eigentliche Heilsobjekt, ihm iſt es nur die justitia essen- tialis. Beide veiffen das Zufammengehörtge auseinander. Andr. Oflander. Franz Stancaro. 589 erlannt und getabelt haben. Der wefentliche Werth ber Dienfchs heit ligt ihm alfo nicht darin, daß fie ſelbſt immer mehr an ethi⸗ fcher Kraft gewinnt, oder daß fie, wie Luther will, die gött⸗ fihen Qualitäten auch zu eigen erhielt, fonbern ihr Werth Ligt ihm eigentlich einzig in ber divina natura, und die Menfchheit ſelbſt ift fo nur die Erfcheinung oder Form jener ſtets ibentis ſchen Größe, des Verbum Dei. Es bat ihm alfo die divina natura noch ein falſches Webergewicht, bie menfchliche ift ihm etwas Selbſtloſes, und die Einheit des Göttlichen und Menſch⸗ lichen, auf welche er allerdings mit Ruther hingerichtet if, hat er nur baburch zu vollziehen gewußt, Daß er der germaniſchen Myſtik ähnlich das Menfchliche durch das Göttliche erſetzt ober vertreten werben läßt, flatt Das Göttliche wirklich menfchlich wer⸗ ben zu laffen, wie Luther will. Derfelbe Mangel mußte dann auch in Befchreibung des Glaubens und ber Justificatio hervor: treten. Dfianber läßt nicht fowohl den concreten Gottmen⸗ ſchen als vielmehr nur feine divina essentia, fiir welche feine Menfchheit das Vehikel ift, unfre Gerechtigkeit fein. 7°) Ferner ”, Franc. Stancaro ſtellt dem ofiandriſtiſchen Satz, daß nur die Öttliche Natur unfere Gerechtigkeit fei «in welcher Formel ver initariſche Unterfchien des Sohnes nicht beachtet war), unter Berufung auf den Lombarven, dem fehr viele katholiſche Lehrer zuſtimmen — 3. B. auch Scotug und Bellarmin — entgegen: daß vielmehr nur bie Menſchheit Chriſti das Mittler amt Habe. Bgl. Heberle aus dem Leben von G. Blandrata Zub. Ztfchr. 1840. 4. Sofern hienach Eprifti Gottheit eine faft mäßige Rolle zu fpielen. hätte (denn nur autoritative könne fle mediatrix heißen, und verleipe der Menfchheit die Kraft zu dem Leiden das Gott (acceptilatione) für fatisfactorifch gelten Tafle) fo ligt darin ſchon eine Anbahnung ber Anflcht, welcher ex felbft auch fpäter ſich näherte, wornach die Incarnation bed Sohnes Gottes für entbehrlich gilt. Jedoch will ex die Kirchliche Trini⸗ tätsichre nicht Iäugnen,, fondern nur durchführen im Segenſatz gegen arianiſche und tritheiftifche Lehre. Wäre Chriſtus Mittler auch nach feiner göttlichen Ratur, fagt er, fo Fönnte er nicht zus glei zu der Gottheit gehören, mit welder eine Bermittlung - nöthig if, fondern er müßte fuborbinirt fein. Die völlige Gleich⸗ heit mit dem Bater fehlte dem Sohn, wenn der Sohn allein ins 590 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt I. fo heftig er gegen eine blog imputativa justitia zu Felde zieht, fo bringt doch auch er es nicht bazu, daß je der Menſch felbft und in ſich durch Chriſti Mittheilung heilig und gerecht fei: fondern bei Chriſti ſtellvertretendem Leben in ung bleibt er ders geftalt fiehen, daß eine neue und freie von Chriſto unterfchiedene Perfönlichfeit ebenfofehr wie bei feinen Gegnern, welche bie im- putatio forensis zum Al des Heiles machen, ausgefchloffen bleibt. Mag er es ferner immerhin mit Recht froftig nennen, wenn man nur von Kräften rede, die der heil. Geift ausgieße, oder gar ftatt wefentlicher Gegenwart Ehrifti und des heil. Geiſtes nur von Wirkungen des heil. Geiſtes zu fprechen wife: er ſelbſi macht das flellvertretende Leben Chriſti in und, welches ale fruchtbares ſchöpferiſches Princip aufzufaſſen wäre, ſelbſt wieder arm, indem er, um nur immer im Beſitz und Genuß der Totali⸗ tät zu ſtehen, dem Princip nicht geſtatten will, Princip zu ſein für eine neue Perſönlichkeit im heil. Geiſt. Es iſt daher nicht unrichtig, wenn Calvin, der ſonſt die ethiſche Richtung wohl zu wlürbigen weiß, welche Oſianders Borderfäge anfündigten, — — — — — — carnirt wäre; das wäre auch gegen den kirchlichen Kanon: opera ad extra sunt indivisa. Der Sohn könne alfo zu Chriſti Menſch⸗ heit Mein anderes Berhältniß haben als Bater und Geift: ver dreieinige Bott alfo fiehe zum Menfchen Chriſtus in eigenthüm⸗ lichem Verhältniß. Die Annahme eines befondern Berhältniffes des Sohnes zu Jeſu oder gar der Mittierfchaft feiner göttlichen Ratur — wäre bei dem Berföhnungswerk fogar hinverlih, in: dem es ein leeres Spiel wäre, wenn der Sohn Gottes, bem als zweiter Perſon in Gott die Satisfaction mit darzubringen " wäre, diefe zugleich füch ſelbſt brächte. So meinte er ven Sohn Gottes nicht als Mittler anfehen, und ihm feine andere Stellung zu dem Menfchen Zefu beiaffen zu müflen, ale die auch dem ganzen Bott zulomme, damit nicht ver Sohn zugleich Richter über ſich und Gerichteter fei. Stancaro zeigt daher eher als zu Arianismus und Tritheismus eine Tendenz zum Sabellianismus: wenigftens ift ihm ver trinitarifhe Gott nur fo in Chriſtus thätig als ob er nicht trinitarif wäre. Ja in feiner Lehre vom menfchlichen Mittleramt, wo er die Menſchheit ohne Gott perſön⸗ lich muß gedacht haben, kündigt ſich ſchon leiſe etwas Ebjoniti⸗ ſches an. So ſehr nun hiemit der Werth der Perſon Chriſti Andr. Ofiander und Calvin. 59 im in immer anderen Wendungen Bermifchung des Göttlichen und Menfchlichen, Pantheismus vorwirft. 7%) Dfianber läßt endlich zwar mit Recht die Tosfaufung (redemtio) und das Straf: Iosfein der Menſchen nicht als den letzten Zweck ber Menſch⸗ werbung gelten: aber flatt bie Berfühnung objektiv und fub- jeftiv den Uebergang zur Heiligung und vollen Verwirklichung des Ebenbildes Gottes in und werben zu laffen, reißt er das Äußere und das innerlich Geiftige des Werkes Chriſti auseinander. Die Genugthuung für unfere verdiente Strafe foll Chriftus ein für allemal für Alle dargebracht haben und, nachdem das gefchehen war, wirft dieſe vergangene Gefchichte rein objektiv und von ſelbſt unfer Aller Losfaufung. Hier alfo läßt gerabe.er den abs firaft juridifchen (gleichſam privatrechtlichen) Geſichtspunkt walten, um dann für das was ihm bie Hauptfache ift, Die justilia es- sentialis ebenfo rein abrupt bie wyſtiſche Unio im Glauben einſtehen zu laſſen. — — — — — und ihres Werkes bedroht war, ſo nahe ferner da die Gefahr des Neſtorianismus, ja Ebjonitismus Tag, fo hat damit Stan⸗ caro doch einen Punkt berührt, welcher auch fpäter im Streit über die guys wichtig wird. Es gibt eine Steigerung der irdiſchen Gottmenſchheit Eprifii, die gerade das Berföhnungswerf ſelbſt in Schein auflöst. Bei Calvin und annähernn auch bei Melanchthon kommt es übrigens gleichfalls nicht zu einem Menfchlichwerven des Gött⸗ lichen in Ehriftus, nur aus entgegengefeßtem Grunde. Das Weſen des finitum- und infinitum iſt ihnen von der Art, daß eine reale Selbſmittheilung des Göttlichen an die menfchliche Ratur Feine Stelle Hat, fondern daß zur Neberbrüdung der Kluft zwifchen ver göttlichen Ratur des Sohnes und der Menfchheit der Heil. Geift eingefhoben wird. (f. u.) Bweiter Abſchnitt. U, Zwingli und Luther. Wie anfängliche Einheit der deutſchen und ber ſchweizeriſchen Reformation trog ber gegenfeitigen Unabhängigfeit ihrer Auss gangspunfte beftand nicht blos in dem gemeinfamen Gegenfaß gegen Paganifches und Jubaiftifches im römischen Katholicismus, nicht blos in der Lehre von der Nichtverbienftlichkeit der Werke, die beiberfeits bis zum abfoluten Präbeftinatianigmus fortgeführt wurde, fonbern auch in der Betonung der Sündenvergebung aus Gnaden, mit Einem Wort, in der gemeinfamen Lehre, daß wir durch den Glauben allein gerechtfertigt werben. ") Aber gerade die treue Feſthaltung diefes Satzes fehien dem Zwingli in Betreff des heil. Abenbmahles zu fordern, daß man den Glauben nicht wieder verbunfle und als ungenügend zum Heil berabfege, fei ed durch die Behauptung, daß ber Glaube das Heil noch unvollfommen habe, fofern in dem heil. Abendmahl noch etwas anderes zum Heil Gehöriges empfangen werde, ale der Glaube ſchon hat indem er Chriſtum und fein Berbienft -ergreift; fei es durch die Meinung, daß nicht der Glaubensakt das einzige und völlig zureichenbe fubjeltive Aneignumgsmittel des Helles fei, fonbern bazu noch ein leib⸗ liches Effen fei es auch des Leibes Ehrifti in den Elementen des heil. Abendmahles gehöre. 2) Das Bertrauen auf bie Ges ı) Bol. Zwinglis Brief an Alber Nov. 1624, bei Pfaff, Acta et scripta publ. Eccl. Würt. 1719. ©. 15: Sola enim fide justi- ficamur. 2, Im genannten Brief pebt er mehrfach vieles hervor 5. B. S. 14. Fides ergo opus (Dei) est quod beat, non corpus corporaliter edere. u. Zwingli. Anlaß zum Streit mit Luther. 593 genwart des Leibes Chriſti im heil: Abendmahl fchien ihm vom einzigen Heilsweg abzuziehen, zugleich aber auch römiſcher Su: perftition und Sbololatrie die Thore zu öffnen, weil die Gegen- wart des Leibes Chriſti im Saerament dahin führe, daß berfelbe wie durch eine Zauberformel an bie Elemente gefeffelt werde, und der Ehrift in den Elementen ben gegenwärtigen Chriſtus anzubeten hätte. %) Auf dag Innere, den Glauben an Chrifti Werk müſſe es anfommen: diefer ift Werf der Gnade; aber wir halten das Abendmahl nur vecht, wenn wir den Glauben fhon haben und in ihm Ehriftum. Folglich könne es ſich im heil. Abendmahl nicht erft um ein Empfangen der Gnabe, ſon⸗ bern nur um eine Bethätigung bes Glaubens handeln, in loben⸗ der und preifender Gebächtnißfeier, und dag gemeinfame Nehmen des Brods und Weins diefer Simbilder des Todes Chriſti fei einem gemeinfamen Bekenntniß und Eidſchwur, einem gemein: famen fich Chriſto Angeloben gleih, wodurch bie Feiernden ſich zu Einem Ganzen zu Einem Leib zufammenmwachfen fühlen. *) Daher rede Chriftus Joh. VI nicht blos davon, dag wir Chriſti Leib’ und Blut das heißt feinen Iebengebenden Tod im Glauben genießen follen, ſondern er fordere und auch auf, daß wir bie Speife wirken follen, bie ewig bleibet, das heißt daß wir ben Glauben ‚gewinnen follen, in welchem wir bas ewige Leben haben. So lange aber die Meinung fei, daß wir Chrifti Leib und Blut im heil. Nachtmahl empfangen, werde yon dem Allem der Blick auf das Aeußere abgelenkt und der Glaube zerftreut; ba hafte er an dem was nichts nüße, dem Fleifch, und laſſe bahinten die Hauptfache, Chrifti Verdienſt und die Gemeinfchaft mit Ehrifti Gottheit. Diefe denkt Zwingli natürlich allgegenwärtig, auch bei dem heil. Abendmahl anwefend. Durch fie allein ift und aber Chriſtus heilfam ; denn wiewohl er nach ber menfchlihen Natur Nam si corpus comesum bearet, duae rationes aut viae essent, qui- bus bearemur. ©. 15. Ob nad der Schrift ea fides best, qua credas Christum hic corporaliter edi, over das Wort vom Kreuz in viscera pectoris nostri aufgenommen ? 36. 16. %68,. 20. 21. 594 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt IL. bat leiden müſſen und fterben, jo hätte nichts deſto weniger, wäre ber nicht auch Gottes Sohn geweſen, fo da ſtarb, Chriſtus ber ganzen Welt nicht heilfam fein mögen. °) Haben wir ihn nach feiner Gottheit, jo haben wir auch Die Frucht feiner Menſch⸗ beit nach der er litt; aber nicht umgefehrt. Seine Gottheit alfo und nicht feine Menfchheit it ihm das fchöpferifche Princip des Heiles; die Menfchheit ift dem Zwingli nicht ein Theil bes Heilsgutes, fondern ift das hiftorifche Mittel der Erlöfung geweſen; für die Gegenwart aber hat fie feine weitere Bebeut- ung, aud nicht ale Behifel des Innern, Da nun „das Fleiſch nichts nützet,“ fondern den Glauben ablenft vom Geiftlichen aufs Aeußere, warum follte e8 da fein? Es mützet fehr viel caesa aber nicht esa; denn jenes ift für den Glauben. Ziehet man das heil. Abendmahl auf den Glauben, dann können Alle an den entlegenften Orten es zugleich efien. ) Noch unmittelbarer chriſtologiſch wandte fi) der Streit, ald er nicht blog dabei ftehen blieb, Chrifti Leib. abweſend zu feßen, weil feine Gegen: wart nicht nütze, ſondern ald auch bie eine Seite biefe Gegen- wart als eine Unmöglichkeit, die andere als möglich oder noth- wendig bezeichnete. )_ Di geichah in. den Verhandlungen zwi⸗ ®) Commentar. de vera et fals. relig. 1525. Epistola ad Alberum ©. 13 f. Chriſtus ift nicht Teiblich in ung. ©. 14: Quatenus Christus mundum viviflcat, hinc est quod Deus Deique filius est, non quatenus caro est. ©. 22: der Glaube bevürfe nicht eines Teiblichen Effens des Leibes Ehrifii; und Keiner habe wohl je wirklich an ein folches geglaubt. Es wäre Kreophagie ©. 23. Er befennt fi zu Carlſtadts Anficht, wenn auch nicht zu feiner Begründung. Zwinglis Antwort auf Zohan. Bugenhagens Schreiben Oktob. 1525. ) Decolampav in f. Liber de genuina verborum Dom. expositione 1525 (Acta et ser. publ. Ecol. Wirt. S. 51) hob hervor, bie geg⸗ nerifche Anficht würde zu einem Wunder führen, größer als das der Schöpfung und Menfhwerbung. Es kämen nemlich (vgl. Bald XX, 784) dabei heraus zween Leiber an Einem Ort, Ein Leib an zween und mehreren Orten zugleich; ober auch mehre Leiber Eprifti. Daher fei zu fagen: (Acta ot scr. ©. 146): Non alibi quam in coelo corpore fatemur Christum. Wäre er au auf Erden, fo hieße das veritatem corporis Christi auferre. Das ſchwäb. e Decolampad und die Schwaben. Spngramma. 595 fhen Decolampad und den Schwaben. Ummöglich iſt es nah Decolampad nicht deßhalb, weil es Gott an fich nicht möglich wäre, das Sein an verfchiedenen Orten oder das Allents halbenſein der Kreatur mitzutheilen, ober als litte Dabei feine Ehre. Sondern es würde ber Wahrheit ber Körper, wie fie Gott ges fchaffen hat, zu nahe treten, indem alle Körper umfchrieben find. 8) Die Männer ded Syngramma warfen dem Decolampad Wunderfcheu vor, was fie ihm nicht beweilen fonnten.. Ihre eigene Anficht aber ließ viele Dunfelheiten übrig. Richt eimnal darüber erflärten fie ſich beſtimmt, ob Chrifti Leib in glorifieirter oder erniebrigter Geftalt gefchenft werde (Walch XX, 784. $. 81). Ihr Gedanke ift diefer: Gott ift in feinem Wort, und gibt fh ung ſelbſt im Wort; Ewiges, Naumfreies tritt darin real in die finnliche, fichtbare Well. Auch unfere Worte find nicht blos Zeichen der Dinge in der Seele, fondern bringen biefe felbft an und vor ung (Pfaff I. c. S. 182). Chriſti Worte fließen Chriſtum ein und bringen ihn mit feinen Gütern, aljo auch die Einfegungsworte; nur daß biefe nach ihrem Wortlaut Ehriftum in bie (unverwandelt bleibenden) Elemente bringen und gleichſam fie mit zu dem Ehrifum tragenden Worte machen (Verbum visibile nad) der Apol. C. A.). So brachte das Wort in bie eherne Schlange die Heilkraft. Iſt nun Chriſtus über: haupt in feinem Wort und wird er dadurch ausgetheilt, fo ift auch fein Leib in feinem Wort, diefes bringt auch ihn in bie Elemente, fo daß er im Wort vom Glauben geiftli empfangen wird, wie bie Elemente leiblich. 9) Die Art der Vereinigung Chriſti Syngramma dagegen (Walch XX, 35. 36.) ſagt: Chriſtus, fein Leib und Blut iſt gegenwärtig durch Gottes Macht und Wort und bleibt dennoch zur Rechten des Vaters; es folge Daraus we: der neues Leiden nor Riederfieigen und Erniebrigiwerben Eprifti $. 88. 39, auch Heine Impanatio noch lacerstio mit den Zähnen 5. 41. 54. Das Alles verwerfen auch die Schwaben Grentz an der Spike). s ib. ©. 146. Anders verhält es fid mit ben Geiſtern (alfo auch mit Ehrifii Seele?) fie ſeien an keinen Ort gebunden. Er redet nyr von dem Leibe Chriſti und da ruft er: Sursum Cordal % Brent unserfcheivet daher auch 1527 (bei Pfaff ©. 88) das \ 596 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt IL. mit bem Brod (und Wort) tft Geheimniß, aber analog wie bie Bereinigung der Naturen in Ehrifto ſelbſt. Wer jene auflöst, bedroht auch diefe (1. c. 158—160. 173 f.) Es fei wahr, - daß Fleiſch ohne Geiſt und Glaube nichts nüge, ja ſchade, aber dem Glauben nüge es fehr viel: denn durch das Brod rühren wir auch im Glauben den rechten Leib Ehrifti an, „gleichwie Magdalena die Füße des Sohnes Gottes der nicht greifbar tft, anrührete, da fie die Füße Ehrifli anrührete.“ Damit neigen fie ſich der Anficht zu, daß Ehriftus im heil. Abendmahl ähnlich die Elemente afjumire wie er in Maria bie Menfchheit annahm. Don Ubiquität Des Leihes lehrt das Syngramma noch nice, eher das Gegentheil (vgl. S. 173). 9) Man Tann nicht fagen, daß es in biefem Vorſpiel bes Streites ſchon zu einer klaren Feſtſtellung des Gegenſatzes ge: fommen wäre, wie benn auch die ſchweizeriſche Anficht fich noch nicht conſolidirt hatte, weder exegetiſch noch dogmatiſch Oecolam pad war noch geneigt, in dem heil. Abendmahl auch ein Gnadenmittel und eine Gabe zu ſehen (Pfaff Acta etc. S. 146) deren Inhalt auch Chriſti Leib fei wenn gleich abweind (Wald XX, 784 6. 81.) währen Zwingli mehr nur bei einer Feier der Erinnerung, der Danffagung und bes Belenntniffes bes Glaubens und ber Liebe ber Gemeine als bes Leihes Chriſti ſtehen blieb. Die Grunddifferenz bie aud) fpäter noch nicht gleich bervortrat Tag darin, daß es ben Schweizern vor Calvin, auch wenn fie an eine Gabe dachten, nicht um bie myſtiſche Gemeinfchaft mit dem erhöheten ganzen lebendigen Herrn durch feine fich ftets erneuernde Gemeinfchaftstbat, fondern nur um ein excilare, admonere, consolari, um bie Vergegenwärtigung feines offerre und das accipere, ſowie ein Äußeres Aufnehmen 3. ©. des Worts, mit welchem ein inneres repellere verbunden fein könne und das geiftliche Aufnehmen des Glaubens. So auch M. Alber ©. 35 f. Die Aufnahme des Spngramma bei Luther beweist, wie ganz anders er über Ealvins Lehre als über Zwinglis hätte denken müflen. Denn das Syngramma hat in fehr wichtigen Punkten die größefte Aehnlichkeit mit der caloinifchen Lehre. Reformirter⸗ Syngramma u. Decolampad. Das relig. Interefie in d. Streitgk. 597 vergangenen aber ewig gültigen Heils werkes zu thun war. Es genügte ber Frömmigkeit der Schweizer nach ihrer Art der Genuß ber unperfönlichen, durch Chriſtus auf Erden erworbenen Gabe der Sünbenvergebung, ober auch bes heil. Geifles den der all gegenwärtige Sohn Gottes mittheilt, während ben Rutheranern das Empfangen des Leibes Ehrifti, — (in ihm feiner Perfon) das Pfand und Siegel des Empfangens der Sündenvergeb⸗ ung uf. wm. war Bom Jahr 1526 an trat Luther ſelbſt auf den Kampf: plag beſonders in ben Schriften: „Sermon vom Sarrament bee ‚ Leibes und Blues -Ehrifti wider die Schwärmer;“ 1526. XX, 915—950 und: „Daß diefe Worte: das ift mein Leib, noch fefte ſtehn“ 1527. S. 950—1118, Es ligt Luthern in dieſem Streite Alles an ber Ieben- digen und intenfiven Gegenwart bes ganzen Chriftus, ber Perfon des Gottmenfchen. Wenn die römifche Lehre (vgl oben II, 1. &. 338—340) nur das biftorifche Opfer Chrifti in der Meſſe real unb magifch erneuert denkt; wenn bie fchweizerifche Anficht zwar das Magiſche abftreift, aber mit dem Glauben gleichfalls nur an bem vergangenen biftorifchen Chriſtus haftet, deſſen Wohlihaten Gegenwart werben follen: fo iſt es nah Luther nicht blos ein Vergangenes, Dingliches, was objektiv oder fub- jeftiv wieder gegenwärtig werben foll, ſondern ber erhöhete vers berrlichte Herr felbft, wie er jegt im Himmel lebet, will auch im - heiligen Abendmahl für und in den Seinigen fein. Der Er: höhete aber bringt mit fi) alle Güter die er als hiſtoriſcher erwarb: umd des Hiftorifchen müffen wir andächtig gedenken, um all der Schäge bewußt zu fein, bie indem Erhöheten in ewiger Gegen⸗ wart gegeben find, und mit ihm im hl. Abendmahl gegeben werben. Diß iſt der religiöſe Kernpunkt in Luthers Lehre. ) ſeits erflärte man ſich fpäter bereit, das Spngramme anzu⸗ nehsien. Vgl. J. e. ©. 159 - 162. 176. 29 Es iſt wahr, daß auch in der lutheriſchen Kirche lange der Segen des heil. Abendmahls zu ſehr nur auf die Sündenvergebung bes sogen ward, wodurch dieſes Mahles Segen fih von dem ber heil. Zaufe und Abfolution zu wenig unterfheidet, ja wodurch man Dorner, Chriſtologie. DI. 2te Aufl. 39 598 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt I. Darin ligt der große Fortfchritt den das Abendmahlsdogma in Luthers Lehre anfündigt. Es kommt darin die Frage zu Tage, ob nur Gott, oder ob auch ber Gottmenfch der Mittel: punft der chriftlichen Frömmigkeit fei. Iſt Lebteres der Fall auch der ſchweizeriſchen Auffaffung , fofern dieſe im heil. Abend⸗ mahl ein Pfand der Sündenvergebung (noch vor Calvin) aner- fannte, noch viel näher zu fein fchien, als man es war. Allein es ift dabei zu beachten, daß die Sündenvergebung im heil. Abenp: mahl Iutherifherfeits abgeleitet wird von der facramentlichen Ge: meinfchaft mit dem Herrn ſelbſt, nicht aber an deren Stelle tritt. So daß der Mangel nur darin beſteht, daß diefe Unio mit dem Herrn in ber Communio zu fehr nur als Mittel für Anderes, nicht auch als Selbſtzweck, als Antheil am höchſten Gute, Chriſto, gedacht ifl. Zwar „mo Bergebung ber Sünven iſt, da iſt aud Leben und Seligfeit.“ Aber ed wäre natürlicher gewefen,, vor Allem vie reale Lebensgemeinſchaft zwiſchen der ganzen Perſon des Erlöſers und uns im Sacramente zu finden. Daß das nicht geſchah, davon trug fo viel ich fehe, neben der notwendigen Betonung der Sündenvergebung, bie gemeinfamer Ausgangspunkt war, das die Schuld, daß die angefochtene Teibliche Gegenwart Chriſti den Blick vornemlih auf diefe Ientte, woburd die Totaltität der Perſon Eprifti unwilfführlich, aber nicht ohne ‚Disharmonie in den Hintergrund trat. Der empfangene Leib, da er für fi allein noch nicht die Heildgabe felbft it, wurde um fo Leichter zum Pfand der Sündenvergebung (XX, 926. $. 22, 1019. $. 132), fofern fein Empfangen ung unferer Gemeinfchaft mit Chriftus vergewiſſert. Wogegen die Schweizer erwiderten, daß da die Elemente zum Pfand eines Pfanves würben, während fie felbft fhon ebenfogut das Pfand der Sündenvergebung fein können (wie die Elemente der Taufe). Es wird Iutherifcherfeits lange nicht bei der inhabitatio oder unio Chriſti mit uns im Abendmahl verweilt, fondern das Empfangen des Leibes des Herrn fafl auf ein Empfangen des gewifleften Pfandes der (mit dem Pfande mitgetheilten) Sündenvergebung rebucirt, während doch Taufe und Abfolution dem heil. Abendmahl fchon wirffam vorangehen follen. — Gegen die Berfiegelung ‚ver Sünbenvergebung durch das Empfangen des Leibes und Blutes Chriſti machte Decolampad feinerfeit8 auch das Glaubensprincip geltend: da wäre eine nene Bedingung ber Heilsgewißheit gelehrt; entiweber fehlte dieſe Ge: wißheit ohne das heil. Abendmahl oder aber gäbe es zwei Deile wege. (Bgl. oben Zwingli an Alber.) Luthers Grundidee im Abenpmahlftreit. 509 fo darf er von dem Mahle, in welchem bie dhriftliche Reli⸗ gion culminirt, nicht abmefend fein, fo muß die Einigung des Göttlichen und Menfchlichen, die in ihm abfolut aber ebendaher auch als productive Kraft gefegt ift, fih wenn irgendwo auch bier durch ihn und die Tebendige Gegenwart feiner ganzen Perfon bethätigen und fortfegen, nicht durch Verwandelung feiner, noch der Elemente in ihn, aber durch Umwandelung unfer in immer lebensvollere Glieder feines Leibes. 12) In dem genannten Sermon fucht Luther zuerft zu zeigen: e6 fei nicht ungereimt, daß Ehrifti Leib und Blut im Abend» mahl gegenwärtig fei. Die Seele obwohl nur eine einige Creatur fei doch im ganzen Leibe, fo daß wenn auch nur ein kleines — "2, Daß hierin das treibende religiöſe Princip für Luther in biefem Streite lag, ift unbeftreitbar. Es foll aber damit keineswegs gefagt fein, daß er in feder Beziehung das was er meinte ſchon adäquat dargeſtellt habe. Das Gegentheil Yigt ſchon in der vorigen Anm. . Die Sünpvenvergebung ift auch ihm wie den Schweizern das eigentliche Gut im heil. Abendmahl. Wald XX, 936 f. $:47-50.) — Dafür follen nach den Schweizern bie Säfte, die ja fhon Slänbige fein follen, danken; nah Luther foHen fie fie empfangen, auch wenn fie ſchon glauben, wie denn in ihr ihm aller Segen enthalten ifi, wenn er auch Anderes - zuweilen damit verbindet. Die römifche und die reformirte Lehre, jede auf ihre Weife zogen auch fo mächtig hin zu Chriſtus wie er im Stande der Erniedrigung war, aber gegenwärtig nicht mehr ifl, daß auch Luther nicht fofort ganz entfihieven von dem Boden Befig ergriff auf dem er feine Stärke hatte. Auch das erfie Abendmahl, wo ja Chriſtus noch nicht verklärt war, hinderte hieran, fo lange man es von. den fpäteren nicht unterfchiev. Es war endlich doch auch wieder bis auf einen gewiffen Grad die Identität des verflärten und des irdiſchen Leibes Eprifti zu behaup- ten; und die facramentliche Berbinpung bes Leibes Eprifit mit den Elementen beranlaßte Leicht die Borausfeßung einer gewifien : Homsgeneität zwifchen beiden. Die Schweizer trugen aber zur KHärung bei. Denn indem fie an die Himmelfahrt Chriſti (zum Beweiſe, daß er jetzt nicht wieder im heil. Abendmahl fein könne ohne neue Erniedrigung) erinnersten, fo Tonnte Luther gerade den jetzigen erhöheten Zuftand Epriftt für ven Beweis feiner Ge⸗ genwart im heil. Abendmahl benügen. Bgl. XX, 1010. 39 X 600 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthi. 1. Abſchuitt IL Lathers Glied verwundet werde, die ganze Seele berührt werde. Sollte nicht auch Chriftus, wie die Seele zugleich in allen Gliedern ift, aller Orten fein können im Sacrament? Das Wort ift eine Kreatur, ſchwach und vergänglich, und doch kann damit ein ganz Land regieret werben. Und bie fleine Stimme bringet zugleich in taufend Obren und jedes Ohr hat nicht ein Stüd der Stimme fondern hat fie ganz. Kann das Wort ſich ſoweit austheilen, follte es Chriftus nicht viel mehr können mit feinem Leibe? Wie viel ein durchleuchteter Ding ift um einen verflärten Leib denn um bie leibliche Stimme? tem, ich predige das Evangelium von Chriſto und mit der leiblichen Stimme bringe ich dir Chris ftum ins Herz, daß du ihn in dich bildeſt. Faſſet nun dein Herz das Wort daß es haftet, was haft du im Herzen? Da mußt du fagen, du habeſt ven wahrhaftigen Chriflum, wie er figet zur Rechten des Vaters. Wie das zugehet, Tannft du nicht willen, dein Herz fühlet ihn aber wohl, daß er gewißlich ba ift, durch die Erfahrung des Glaubens; und ein Jeglicher faflet ihn durch Glauben ganz im Herzen. Er läſſet ſich nicht ftüdlich zertheilen und wird doc, gänzlich ausgebreitet in alle Gläubigen, alfo daß ein Herz nicht weniger, und taufend Herzen nicht mehr kriegen, denn ben einigen Chriftum. . Da if ein täglih Wunder und fo groß wie bier im Sarrament. Ein einig Korn treibet viele Frucht und bildet jedes Kom wie: ber nach feiner Art. Warum follte er nicht Vieler zugleich wahrnehmen können? Kann doch auch Ein Auge auf taufend Körnlein zielen und wiederum auf Ein Korn können taufend (Augen) zielen. '°) Später braucht er noch folgende Bilder: Das Fleine Auge des Menfchen faflet in Einem Blick den halben Himmel mit der Sonne, und wieberum die Sonne erfcheinet wieder ganz in jebem ihrer Strahlen (Gr. Bel. $. 288). Scheinet die Sonne in einen Teich und du gebeft rund um - ihm, ſo fieheft du Die Sonne im Waffer, immer ganz und immer wieder das eine und felhige Bild an einem andern Ort. Und ftehet vor einem Spiegel Eine Geftalt, fo ift das Bild in dem 3) Walch XX, 919-922. erfier Begründungsverfuch d. realen Gegenwart im hl. Abendmahl. 601 Spiegel; wird aber der Spiegel in taufend Stüde zerfchlagen, fo ift dasſelbe einige und ganze Bild doch wieder in jedem der einzelnen Stüde. 1) So zeige ſchon die Natur wenn wir nur ihre Wunder recht bedenken mögen, daß Ein und Daffelbe fein könne in Bielem. Daß er real da fein wolle, beweiſe das Iſt. Um fo mehr fann aber Chriftus, was er will, da er nad feiner Menſchheit gefegt ift über alle Kreaturen, alle Dinge erfüllt, ein Herr aller Dinge und überall gegenwärtig ift (Eph. 1, 20. 4, Tf) Sein Sigen zur Rechten des Vaters trennet ung nicht von ihm, ſondern es bedeutet, daß er über alle Kreaturen, in ihnen und außer ihnen iſt. Gläubeſt du, daß er figet zur Rechten Gottes und berrfchet, fo ift bein Herz im Himmel, nicht im Schein und Traum fondern wahrhaftig. Er braucht nicht hinauf und berabzufahren vom Himmel durch die Luft, er braucht nicht fi) herabziehen zu laſſen insg Brod; fondern er ift um ung und in und an allen Dertern, bat alle Ding vor Augen, ift ung näher denn feine Kreatur ber andern. 1%) Hierin könnte ein Altenthalbenfein Müffen des verflärten Reibes Chriſti Liegen, fo bag Ehriftus überall Fönnte ergriffen werden wollen, fa daß er ſtets in Jedem fchon ganz wäre. Dem fucht nun aber Luther doch hier noch dadurch zu fteuern, daß er das rechte Haben und Ergreifen vielmehr von dem Worte der Berheißung abhängig macht; 1%) was ») Später, im Gr. Bel. vom heil. Abendmahl XX, &. 1265. $. 290. ©. 1198 ff. $. 160 ff. XX, 1018. XX, 922-925. 6. 17—22. Noch ſtärker XX, 1000-1009 Daß die Borte Eprifii das ift mein Leib noch feſtſtehen. Hier fagt er: Chriſti Leib if zur Nechten Gottes, dieſe aber kein fonderlicher Ort, fondern an allen Enden wie Gottes Weſen. Ferner ©. 1007-1009 : Gott fei ganz in Chriſto perſönlich, weſentlich, im Mutter Leib und am Kreuz, wie an allen andern Enden, denn wo die Gottheit fei, fei fle perfönlich. Aber er wohne auch Teib: baftie in Chriſto, alfo daß Eine Perſon tft Menſch und Gott. Chriſtus if Gott „fie haben ven Herrn der Herrlichteit gefreuzigt.“ Ya ©. 1018 zu Joh. 8, 18: Chriſti Leib fei zugleich im Himmel und auf Erben. Pier wirb bereits der Unterfchieb zwiſchen Eprifti verflärtem und irdiſchem Leibe. vergeffen. “ S. 926 im Jahr 1626. „Wiewohl er überalt if in allen Kreaturen 602 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt DI. Luther den Sinn haben kann, Chriſtus ſei zwar überall gleich da, aber nur zu faſſen, wenn er ſich gebe, was er denn auch für das Sa⸗ crament verheißen; oder aber was ziemlich auf daſſelbe hinaus: fäme, Ehriftus felbft fei nicht überall gleich da, fondern überall fo, wie er wolle ; gnabenreich im Sarrament feiner Verheißung gemäß. Beidemal ift aber nicht aus einer nothwendigen phyſiſchen Ubi⸗ quität feine Gegenwart abgeleitet fondern aus feinem Stiftunge- willen allein: will diefer nicht fo empfahen die Ungläubigen nicht; die Allgegenwart des Leibes aber wird müßig. Wie er denn, flat auf Chrifti Allenthalbenheit als eine phyſiſche Noth⸗ wendigfeit für ihn zu bauen, fortfährt: es iſt ein Unterfchieb zwifchen feiner Gegenwärtigkeit und beinem Greifen. Er if frei und ungebunden allenthalben wo er ift, wie die Sonnen ſtrahlen die dich treffen ohne daß bu fie faffen kannſt, die bu aber zu binden vermagf. So fann auch Chriſtus fi wohl ausſchälen, daß du die Schaale friegeft und den Kern nicht ergreifeft (ſ. o. Anm. 9. 10.) Es if ein Anderes, ob er ba ift, oder ob er Dir da iſt. Dir iſt er da, wenn er fein Wort dazu thut und bindet fi) damit an bir zu gut und befcheibet dich an einen Ort, an Chriſti Menfchheit. Da findeft du Gottes Rechte gewiß. XX, 1015. . Auf Diefed antwortete Zwingli: 1) Luthers Gleich und ich möchte ihn im Stein, im Feuer, im Waſſer oder auch im Strid finden, wie er denn gewißlich da if, will er doch nicht daß ih ihn da fuche ohne das Wort. Ueberall if er, er will aber nicht daß du überall nach ihm tappeft, fonbern wo das Wort if, da tappe nach, fo ergreifft du ihn recht, ſonſt verfuchen bu Gott und richten Abgötterei an.“ ©. 9831: „Durh das Wort will er und gewiß machen, wo und wie du ihn faſſen fol.“ — Das Wort das er hier meint, if das Wort der Berheiffung, daß er im heil. Abendmahl feinen Leib und fein Blut zu dem Ende mittheile, damit ich ficher fei, daß mir meine Sünden der geben find und daB ich des Todes und Hölle Los fein fol und ewig Leben haben, Gottes Kind und ein Erbe bes Himmels fein. ©. 986, vgl. XX, 1016. 17) Pia et amica ad praestentissimi viri M. Lutheri sermonem-pro sub- stantialis corporis et sang. Christi in sacram. adsertione contra zuerſt noch ohne phyf. Ubiquit. d. Leibes Chr. Zwinglis Erwiderung. 603 niffe treffen ihm nicht; dem er läugne nicht, daß Ehrifti Gottheit und bie Fruchtbarkeit feines Leidens überall hinveiche, fondern ob fein Leib allenthbalben fei, das fei die Frage. Er fei Teiblich aufgefahren gen Himmel, daher fünne er nicht mehr auf Erden fein. Denn aud nach ber Urftände (Auferftehung) iſt fein Leib nicht an mehreren Orten zugleih. Der Engel fage: „Er ift auferſtanden und ift nicht hier.“ Er felbft: „ich verlaffe die Welt,“ „es ift euch gut, daß ich bingehe.“ Sonft wäre Chriſtus auch nach der menfchlichen Natur ſtets in ber Hölle, wie im Himmel (XX, 1490, $. 108) wenn bie Menſchheit follte ausgebreitet fein nach feiner Gottheit. 7) Er wäre in dem Grab und außer dem Grab zugleich, in Maria und außer ihr, in dem Himmel. Da wäre er auch nad der Auferfieh- ung nach im Grabe. Das wäre ein erbichteter Chriftus. Dahin fomme Quther, weil er die zwei Naturen in Ehriflus nicht unters feheide, wie fich gehühre (XX, 1489). Hiemit fommt Zw ingli nun auf feine Chriftologie. 19) Gott habe Die zwei Naturen suermeros , apologia et responsio 1527. Deutfh bei Wald XX, 1386 ff. Ferner gegen Luthers Schrift 1627 „daß biefe Worte Chriſti das ift mein Leib noch feſtſtehn (XX, 950 ff.) ſchrieb Zwingli 1527: Daß diefe Worte das’ ift mein Leib, ewiglich ven alten einigen Sinn haben werden; XX, 1407 ff. , Die Annahme Luthers nütze auch nichts, denn fein Leib leiblich gegeſſen ſtärke doch nicht den Glauben, bringe nicht Sündenver- gebung. Denn nicht dem Nehmennen werde das Evangelium zugeeignet, fondern dem Glaubenden, und durch die. Eonfecration werde Chriſti Leib nicht Teiblih in das Sacrament gebragt. Uebrigens erfieht fih hier Zwingeli ven Vortheil, Luthern auf die Leichter zu befirettende Wbiquität des Leibes Chriſti hinzu⸗ drängen, auf welche doch Luther bisher nicht eigentlich feine Lehre gebaut, nach welcher er nicht die Einfeßungsworte erflärt hatte. Sondern bei dieſen blieb bisher Luther noch flehen; ans ihnen Teitete er die reale Gegenwart ab, aber Zwingli merkte dabei das Mitwirken eines andern Chriſtusbildes, und diefes angreifen hängte er fih beſonders an das Wort, das Lukher von Eprifti Heberallfein hatte fallen laſſen. Dafür gebe - 66 keine Berheißung. Daß diefe Worte u. ſ. w. ewiglich den alten einigen Sinn u. f. w. 1. e. S. 1492 ff. 6. 113 ff. 604 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt IL. zu einander gefüget, aber fo, daß jebe Natur bleibe in ihren Eigenfchaften, denn wie der Menſch zufammengefest fei aus zwei widerwärtigen Subflanzen ($. 116) Seele und Leib, fo fei auch Chriftus Einer aus zwei Naturen. Nach ber göttlichen Natur hat er aller Dinge Gewalt, nad) der menfchlichen iſt er unter dem Kaifer, weiß nicht Alles, hat Feine eigene Lehre, und auch alle feine Wunder flammen mur aus ber göttlichen Kraft. Werde aber geredet von dem ganzen Chriftus, fo finde eine Al: loioſis ober Rede im Gegenwechfel ftatt, „da man bie eine Natur nennet und bie andere verftehet, ober das nennet bas fie beide find und doch nur die eine verftehet. 7) So fei Joh. 1, 14 zu verftehen; bie göttliche Natur fei geſetzt für bie. menfchliche. Das Wort ift Fleiſch geworben, fünne, da Gott volllommen if und nichts mehr werden mag, mir verftanden werben: ber Menſch ift Gott worden. Wiederum aber da die menfchliche Natur nicht kann in die göttliche verfehret werben, fonbern bfeibet in ihrem eigenen Weſen, fo kann auch dieſes nichts Anderes bebeuten als: der Menfch ift zu ber Einigkeit der Perfon bes Sohnes Gottes angenommen. ?!') Sonad bedeute der Spruch: das Wort warb Menſch, nichts anders ald Gottes Sohn hat menſchliche Natur angenommen. Nehme man foldhe Redefigur nicht an, fo würde Joh. 1, 14. von einer Berwanblung bed Wortes in einen Menfchen zu verfteben fein. Es fei aber auch in ſich unmöglich dag Chrifti Menfchheit unendlich fei wie die Gottheit. Denn da hätten wir zwei Un⸗ enbliche und das Eine wäre des Andern Schranfe und höbe e8 auf. Das Unenbliche fei wefentlih Eines. Und fei Chriftus auch während er auf Erden war, nach feiner Menfchheit im Himmel. gewefen, fo babe er auch im Himmel gelitten. Sei aber fein Leib, der nad) Luther auch im Himmel war, bafelbft unleidentlid und doc Ein und berfelbe geweſen, fo habe er auf =) Ebendaf. ©. 1495 3. B. Chriſtus Teidet, das heißt die menſchliche Natur. ?1) Ebenvaf. ©. 1496 f. Das Wort fei ab adoptionibus trans- sumta. (llebrigens hat auch Bugenhagen von einer sdoptio Eprifii gefprocen). Zwinglis Chriſtologie. Luthers Großes Belenntniß.. 605 Erben nicht wirklich gelitten. 22) .Die Gottheit nach ihrer Uns enblichfeit laſſe fich nicht alfo einzäunen in die Menfchheit, daß „außerhalb Chrifti fchlecht fein Gott noch Gottheit fei.“ Aber frei lich Luther fafle Die Gottheit nur in die Menfchheit ein, um dann biefe in ber die Gottheit ganz fei, auszubehnen, daß fie foweit und unenblich fei als bie Gottheit (XX, 1503). Alle Leiber find aber umzielet und umfchrieben ; und das behalten fie. Chriſti Menſch⸗ heit if .eine enbliche umzielte Perfon, und alfo bleibe fie au: unendlich kann fie nicht fein. Gott ift allenthalb und die Aug: erwählten find bei ihm; dennoch find fie nicht allenthalben. Alſo ift auch die Menfchheit Ehrifti nicht allenthalben. Nichts deſto weniger ift Chrifti Menfchheit mit Gott in Einigkeit der Perfon was wir nicht fein werben. „Gleich als die Königin allein dem König ein zugefügter Gemahl und Königin ift und haben bie andern Jungfrauen Freude bei ihr, find aber nicht Königinnen.“ Er ift auch bie Königin felbft in der Majeſtät des Könige, hat aber den Gewalt und Majeftät bes Könige nicht. 28) Diefe Beſtreitung veranlaßte nım Luther in feinem (großen) Belenntnig vom Abendmahl 1528 beftimmter als zuvor bie Gegenwart Chrifti im beil. Abenbmahl, flatt nur durch bie Worte der Einfegung , beſonders auch durch die Lehre von Chriſti Perfon, das heißt durch eine aus der Unio personalis abgeleitete Allenthalbenheit des Leibes Ehrifti, verfuhsweife zu begrüns den. Die zufammenhängenbere Darftellung der Chriſtologie, bie er bier leider in fehr leidenfchaftlichem Tone gibt, ift wohl von der früher betrachteten Grundanſchauung getragen, aber doch jet zu einem Hülfsfag eines andern Dogma geworben und darauf fichtlich im Einzelnen eingerichtet, was den freien weiten urfprüng- lichen Gefichtsfreis verengte, und den Naturwuchs des Dogma fünftlich umbog, auch die Erhöhung ins Diefleits hereintrug. ?) 22) 1. c. 1498 ff. ©. 1507: Wehre Luther, wehre! Marcion will dir in Garten. 2, S. 15230: Der Sopn Gottes ift der König, die Menfchheit feine Ge⸗ mahlin. Within fol das Bild der Ehe die Unio bezeichnen. Wald XX, 1118-1386. Run erft hieß es, fo gewiß die Unio, fo gewiß die Ubiquität und zwar von Anfang, wie die Unio. 606 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt N. | Er tabelt an Zwin gli ſchon deſſen Vorftellung von Gottes Unendlichkeit als eine finnliche, grobe. Zwingli rede, als könnte Gott eingeſchränkt (umzäunet) werden durch einen Leib. Cr denke Gott als ein ausgeredt Weſen, das die Welt füllet und darüber hinausraget. Nach diefer Teiblichen begreiflichen Weiſe müßte freilich Chrifti Allenthalbenheit ihn zum Gefpenft machen. Aber Gott ift nicht ein ſolch ausgeredt lang breit Wefen, fondern ein übernatürlich unerforfchlid) Wefen, das zugleich in jeglichen Körnlein ganz und gar und dennoch in allen und über allen und auffer allen Kreaturen ift ; darum bedarf es feines Einzäunens. 28) Gottes Allgegenwart will Luther alfo mehr dynamiſch benfen. Nicht ein Ding fann Urfache fein, daß Gott davon ausgefchloffen ift, fondern von feinem Willen hängt es ab ob und wie er darin fei. Ebenfo denfe nun Zwingli auch .bei Chriſti Dienfchheit nr an eine Iocale, finnlich grobe Gegenwart. Aber von diefer rebe ex nicht, fondern von einer raumlofen Gegenwart. Nicht jeder Menfch müffe eingefchloffen fein in einen begrenzten Raum (mas fa von den Geiftern au) Decolampad zugibt) ; fo dag Chriſti Menichheit durch folhen Raum getrennt wäre von bem Theil ber Gottheit der über fie binausrage. Denn einmal könne Gottes Gegenwart nicht fo ſinnlich gedacht werben (wie fo eben aus: geführt) ſodann aber werben nicht einmal die Leiber der Heiligen fo eingezäunt fein, wie Zwingli.wolle Er werfe vor, daß Chriſtus von Ruther wolle gefeffelt und eingezäunt werben in die Menfchheit und in das Sarrament, während vielmehr Zwingli Chriſti Menfchheit feflele und abfchneide von ung, inbem er fie einfchließen wolle in den Himmel als einen befonbern Ort ($. 302). Aber der Himmel fei fein befonberer Ort, fondern ſei da, wo Gott fei; wie denn nicht blos Chriſtus auf Erben fchon babe önnen im Himmel fein, fondern auch wir können und follen ee. Wenn nun wir die wir auf Erben find auch Fönnen im Himmel ®) ©. 1192. $. 146. 1202. 6.170. Er fährt fort: nichts ift fo Hein Bott ift noch Heiner, nichts ift fo groß, Gott iſt noch größer. Ein Leib ift der Gottheit viel zu weit und könnten viel tauſend Gottheit drinnen fein. Wiederum auch viel zu eng, fo daß nicht eine Gottheit drinnen fein Tann. Die nene Wendung in Luthers Großem Belenntniß. 607 fein, warum fol er, der im Himmel ift, nicht auch Finnen auf Erden fein? ?%) Freilich wir find jegt im Himmel nur geiftig ; aber wenn wir einft auch leiblich da fein werben, fo wird ung der Himmel nicht feſſeln, fo nicht Gott ed will; wir werben bie Kraft haben in Anderem und an andern Orten zu fein ohne Hin- derniß, fo wie Chriſtus durch bie verſchloſſenen Thüren ging. °7) Run aber ift Ehriftus nicht blog wie andere Heilige ; fondern er iſt Gott und Menfch und feine zwei Naturen können nicht zertrennt werben durch irgend eine Macht auffer ihn, auch nicht durch den Raum. Geſetzt alfo auch, Gott erfüllete den unendlichen Raum local, fo könnte doch dadurch feine Menſchheit nirgends von ihm geichienen fein noch er von ihr, denn fonft wären bie beiben Naturen an diefem Orte, der die Schranfe der Menfchheit wäre, von feiner (auffermenfchlichen) Gottheit gefchieden, während wo ingenb Chriftus ift, er auch als Menſch fein muß, denn er ift eine einige, unzertrennte Perfon. 7) Nun ift aber feine Gottheit nicht einmal Local allgegenwärtig ; °?) folglich muß man das auch nicht behaupten von feier Menſchheit. Wohl aber muß er die Übernatürfiche und göttliche Art der Gegenwart (reple- tiva) auch nach feiner Menſchheit haben. *) Das folgt ihm 2) 1.c.$. 180. Hier berührt fi Luther mit Ealvin. Wir können geiftig im Himmel fein ſchon jeht, wo Cpriftus if. $. 801. 804-806. 1.0.68. 813. 27 Er nennt dieſe praesentia nach den Scholaftilern (bef. Okkam) die definitiva welche bereits hoch Über der pr. localis circumscrip- tiva {fl, vgl. S. 1186. $. 185. Iſt etiwag definitive an einem Ort, fo ift e8 da, ohne nach dem Raum des Ortes darin es ift ab» gemeſſen werden zu können; fo könne er im Sacrament fein. Das unflare Wort fcheint fih auf die Willensbeſtimmung zu bes. ziehen an einem Orte gegenwärtig zu fein. Luther nennt fie auch die unbegreifliche geiftliche Weiſe F. 155. Er behauptet au Chriſtus habe zugleich die locale fihtbare Gegenwart und die de- Ainitiva haben können; das fei bei dem erften Abendmahl ver Fall geweien. $. 137. . =®) ]. c. ©. 1190. 6. 142 ff. 29) 1. c. . 180. 288. 30) 1. c. $. 149 ff. Nach vieler dritten göttlichen, heimlichen Weiſe find 608 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt II. daraus weil fonft Ehriftus zerivennt würde. Sa bie Einheit feiner Perfon könne nicht befichen, wenn nicht der Gottheit alles was ber Menſchheit wiverfähret, gegeben werde und ums gekehrt. Nicht zwar die Gottheit leide, aber Doch die ganze Per: fon daran die Teidentlihe Menſchheit ein Theil if, und ebenfo fei die ganze Perfon allgegenwärtig. °) Die Allöofis wolle Realitäten in bloße Rebefiguren verwandeln, bie Webertragung von Prädikaten von einer Natur auf bie anbre zu einer bio nominellen machen, aber damit werde bie Einheit ber Perfon Ehrifti aufgelöst. Denn flehe diefe feft, - fo müfle, da die Perſon Alles thue und leide, — obgleich balb burch die eine bald durch bie andre Natur — Alles was von ber Perfon gelte aucd den beiden Naturen zugeeignet werben. 2) Man fage mit Recht, des Könige Sohn ift wund, wenn auch nur ein Fuß leidet; ober Salomo if weife, obfehon nur feine Seele weile if. Der ganzen Perfon repletive ihm alle Kreaturen gar viel durchläuftiger und gegenwär⸗ tiger, denn nad der andern Welle. Da rühren, meſſen und be: greifen ihn nicht blos die andern Kreaturen nicht fondern viel mehr er hat fie vor fich gegenwärtig, miſſet und begreifet fie. Denn du mußt diß Wefen Chriſti, fo er mit Gott eine Perſon {fl, gar weit außer den Kreaturen feßen, fo weit als Gott praußen ift, wiederum fo nahe und tief in alle Kreaturen feßen, als Gott drinnen iſt. no. 6. 116-138. ©. 1175 ff. \ 32) 6. 122 ff. Wenn es heiße: mußte nicht Chriſtus leiden, fo gaukle Zwinglt: Chriſtus flehe für menſchliche Natur. Aber Chriſtus fet die ganze einige Perfon ; Leiden und Leben feten auch dem Sohne Gottes zuzueignen, fonft wäre Chriſtus Hinfort ung nicht mehr mit feinem Leiden und Leben als ein anderer fehlechter Helliger. (Das wäre bie Eonfequenz, die aber Zwingli ſelbſt nicht will; f. 0.) Ob nun hie die alte Wettermacherin Frau Bernunft der Allöofis Großmutter fagen würde: Ia die Gottheit Tann nicht Teiden, follt du antworten: Das iſt wahr; aber dennoch weil Gottheit und Menfchheit in Eprifto eine Perfon tft, fo gibt die Schrift um folcher perfönlicher Einigkeit willen auch der Gottheit alles, was der Menfchheit widerfährt und umgelehrt. Und tft au alfo in der Wahrheit. — Denn obwohl die Gottheit das eine Stud (daß ich fo rede) nicht leidet, fo leidet dennoch die Perfon, welche Bott if, am andern Stüde, als an ber Menſchheit. Luthers Großes Belenntnif. Praedicatio identica. 609 gehöre zu was einem Theil widerfahre. Eine Syneldoche will Luther zulaffen, wornach 3. B. das Ganze für den Theil geſetzt werde („Chriftus ift geftorben ,“ nach ber Menfchheit nemlich) wie ſchon die alten Lehrer annahmen ; °°) aber fo, daß er bes bauptet, durch die Einheit der Perfon hindurch fomme auch je: bem Theil real zu was dem Ganzen oder einem Theil zufömmt. Denn in der Perfon find ja alle Theile zufammen, fie ifld die Alles thut und der alle Werke und alle Leiden zugeeignet werden (vgl. $. 354 und 127.) Die Einheit von Gottheit und Menfchheit in Chriſtus ift inniger als bie Einheit zwifchen Leib und Seele; feine Kreatur kann fie trenmen; nirgend fann der Sohn fein, da er nicht Menſch wäre ($. 172). Wiederum da Chriſti Menſchheit alleine alfo mit Gott zufammenhängt, baß fie Eine Perfon mit der Gottheit ift, fo muß fie auch höher über und auſſer allen andern Kreaturen fein, doch unter Gott alleine. Sie muß fein da Gott ift; obwohl fie nicht wefentlich kann Gott fein, iſt fie doch perſönlich Gott ($. 174). Unenblichfeis folge nicht aus Allenthalbenheit der Menfchheit; denn die Welt fei nicht unendlich. In anderer Hinficht muß freilich Luther eine Unendlichkeit der Menfgheit Chriſti zugeben, weil die Gottheit unenblih if. Aber feinenfalld will er unter ber Unendlichkeit Gottes oder: der Menfchheit eine ertenfive, locale verfiehen. °*) In diefer Hinficht gehört noch befonders hieher was er von ber Praedicatio identica fagt. 9) Wan Iehre in ben Schulen, daß praedicatio identica de diversis naturis nicht zuläßig fei d. h. von zwei unterfchieblichen Naturen könne nicht 3 Zwinglis zweite Art der Allöofls iſt eigentlich auch eine Synel: doche, nur ausschließlicher zur nominellen Comm. idd. hingewandt. 29 Hieher gehört au $. 288 ©. 1264: Zwingli fpinnet, daß Eprifti Leib müßte fo groß fein als Himmel und Erven. — Bir fagen nein dazu; iſt doch Gott felbft nicht fo groß und weit, ber doch allenthalben if. Vgl. auch Pfaffs Acta ©. 203 f. wo Brentz erzählt, Enther Habe zu Marburg 1529 u. U. gefagt: die Welt ſelbſt ſei ja auch an keinem Ort und doch koörperlich. - 34]. c. 6. 886-857. ©. 1287 ff. 610 Zweite Yeriope. Zweite Epoche. Abthl. ı. Abſchnitt II. gefagt werben, daß fie ein Ding feien (4. B. das Brod fei Leib Chriſti). Daher fei es gefommen, daß Wiclef gefagt habe: Brod fei da, aber nicht Leib, und die Scholaftifer: Leib fei ba aber nicht Brod; während fie doch ſelbſt diefe Anwendung nicht machen auf Chrifti Perfon. Allein das Wahre fei, daß man beived behalte, Brob und Leib, Chriſti Menfchheit und Gottheit, ° und boch Die praedicatio identica anwende, 3. B. biefer Menſch ift Gott, Sort iſt Menfh. Die Logif lehre recht, daß Brod und Leid, Menfc und Gott zwei umterfchiedliche Naturen find; aber auch die Grammatif babe Recht, wenn fie gleichwohl von beiden bie praedieatio identica braude. Unterfchieblicher zwar ale Brod und Leib, weiter von einanber und wider einander feien Menſch und Gott und dennoch werden fie Ein Welen und eine werbe die andere genannt. Daran fei nicht die wefentlidhe Einig⸗ - feit (Einerleiheit) der Naturen fchulb, denn vielmehr nad den Naturen feien fie unterfchieven, aber einerlei Wefen werben fie nach ber perfünlichen Einigfeit ($. 344). . Und wo zwei unters fhieblihe Weien in Ein Weſen kommen, ba faflet auch die Grammatik beide in Eine Rede, fofern fie die Einigfeit beider Wefen anfiehet. Und es if auch in der Wahrheit alſo, daß folde in Eins zufammenfommende unterfchiebliche Naturen ein neu einig Weſen Triegen, burd) ihre Zufammenfllgung ein ganz neu Weſen werben und ihren Unterſchied verlieren, foweit es diß neu einig Weſen betrifft ($: 353 f. 357). Diefe Praedicatio identica die fih auf Alles, Thun umd Leiden, Eigenfchaften und Naturen ausdehnen, den bleibenben Unterfchied der Naturen nicht ausfchliefen, aber doch auch beide als ein Wefen mit Recht bezeichnen fol, ift in biefen Stadium Luthers charafteriftifcher Terminus technicus, und beffen Ge brauch ift feine eigene That, mit feinem chriſtologiſchen Grundge⸗ danken innigft zufammenhängend. Das Wort Communicatio idio- matum findet fich bier noch nicht, wohl aber mehr als dieſes Wort befagt. Doc hat Luther bier, wo er mehr gelegentlich Chriſtologiſches gibt, Manches von den veicheren Anfägen bie wir oben fanden zurüdgeftellt, wenn nicht fallen gelaſſen. Er hat namentlich das innere Wefen der Naturen und ihr Verhältniß zu Großes Bekenntniß vom heil. Abendmahl. Praedicatio identica. 614 einander nicht mehr näher zu dem Zwecke betrachtet, jene innige Einigung die er will anſchaulich zu machen, fondern er argumentirt aus der perfönlichen Einigkeit, bie er als zugeflandene vorausfegen kann, für Ausfagen über die reale Einigung auch ber NRaturen, fo jedoch daß er die Perfon nicht als den inbifferenten Ichpunkt bes handelt, jondern als die ſchon reale Einheit beider Naturen, ale das Refultat realer Einigung, woraus fi) dann analptiſch die Praedicationes identicae ergeben. °) Was noch insbejondere bie Allenthalbenheit anlangt, fo lenkt in gewiſſer Hinficht Luther bier zu eimer phyfifchen Notkwendigfeit der Ubiquität ber Menſchheit Ehrifti über, denn weil er die Gegenwart bes Leibes Shrifti im Abendmahl in der perfünlichen Einigfeit begründet fieht, vermöge deren bie Gottheit nirgend mehr fein fann wo nicht auch die Menſchheit ift, und da die Gottheit allenthalben ift, fo muß es, meint er, auch mit ihr bie Menfchheit fein. — Allein ausbrüdlich redet er bier nur verfucheweile, ſodann fucht er den Vorwurf der Berflüchtigung ber Menfchheit durch bie ver- ſchiedenen Arten der Gegenwart zu befeitigen, und behält dem Willen des Gottmenfchen vor, jetzt auf Die eine jetzt auf Die andre Weife präfent zu fein. Durch Die göttliche Art, welche ex als bleibend, mit der Gottmenfchheit felbft gegeben denkt, iſt ihm Chriſtus, pneumatiſch auch nach feiner Menſchheit, der Mittel» yunft des Als, dem Alles gegenwärtig if, das er unmittelbar vor fi hat, durchgehen und durchwirken fann, wie bie im Leib allgegenwärtige Seele. Diefe Grundanfchauung hat Luther nie aufgegeben, wenn es gleich wahr ift, daß er auf Die Begründ⸗ ung der realen Gegenwart durch Ubiquität nachher nicht wieber ey Auch das iſt zu bedauern, daß er den realen Unterſchied zwiſchen dem Stand der Erniedrigung und dem der Erhöhung in dieſem Streite immer mehr abſchwächte, und aus der Identität des Leibes Chriſti in beiden Ständen faſt die Einerleiheit erſchließt. Doch vgl. auch hier noch XX, ©. 1268 $. 297, wo er von der Sub⸗ .. tilichleit des Leibes Chriſti ver durch die verfchloffne Thüre ging redet ; das fei diefelbe mit ver er auch im Sacramente fei. Aber daß die Wahrheit des Werdens Chriſti den Praedicationes Identicae eine Schranke bringe, was er doch font zugab, läßt er fi bier ganz aus dem Sinne kommen. % 612 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abfepnitt II. zurückkam, weber bei der Wittenb. Konkordie, noch ſelbſt in feinem „Kurzen Bekenntniß vom heil. Abendmahl 1544“ (Walch XX, 2195 ff.) wie e8 auch von ächtem kirchlichem Takte zeugt, daß weber in die Katechigmen, noch in die Conf.. Aug. noch in bie fhmalf. Artikel etwas hierüber aufgenommen ift. Endlich noch ein Wort darüber, daß biefe ganze Ber: handlung vornehmlich bei Ehrifti Leibe fliehen bleibt. Wenn es Lutbern fo ernftlich um bie reale Präfenz des Leibe 8 Chrifti, gar nicht blog feiner Gottheit, bei ung und im heil. Abendmahl zu thun ift; wenn anbererfeits auch die Schweizer fo ernftlich auf Die wahre Menfchheit Chriſti dringen, ja deßhalb vornehmlih Luthern wiberfprechen, weil fie von feiner realen Präfenz die Verflüchtig- ung der wahren Menfchheit Chrifti fürchten, fo folkte durch Beides dem Dofetisinus, in welchen die mittelalterliche. Chriſtologie zu⸗ rüdgegangen war, und bem in ber That auch Chriſti Fleiſch nichts nütze fchien, ein Correctiv gebracht werben. Es wieberholt ſich bier das Schaufpiel das wir in der erfien Periode fahen, wo auch vor Allem die Wahrheit des Leibes Chrifti feftzuftellen war. Aber es wiederholt ſich auf höherer Stufe, nemlich jetzt fragt es ſich zunächſt, wie Chriſtus für Die Gläubigen if: ob für das perfönliche religiöfe Intereſſe feine reale Menfchheit, fein Fleiſch eine Bedeutung habe. Luther fühlt, daß wir bie Einigung bie wir in Chriftus ſehen, von Gott und dem Menfchen aber auch von Geift und Natur, verloren hätten, wenn in ihm nicht auch Die Ber: Härung der Natur, ihre Bergeiftigung unbefchabet ihrer Realität, bas Urbild und das Princip ber Verklärung auch der Welt ges geben wäre (3. B. XX, 1055). Die Reformirten bleiben, in dem⸗ felben Sjntereffe für die wahre Menſchheit, vornehmlich bei dem empirifch hiftorifchen Bilde Ehrifti fiehen. Und fo ift es nicht ver- ächtlich, daß die Neformationgzeit fi fo überwiegend mit ber Naturfeite an Chriſtus in ihren chriſtolog. Erörterungen befchäftigt, fonbern es ift Darin ber gefunde Trieb wirkſam, welcher vor Allent wieder feiten Fuß faſſen will in dem Realismus des Ehriftenthums, wohl fühlend, daß das Chriftenthum felbft aufgegeben ift, wenn bie eine ber beiden Seiten ber Perfon Chrifti geopfert wird. Bedürfte es hiefür noch irgend eines Beweiſes, fo läge er Bedeutung der Betonung von Ehrifit Leib. Melanchth. Ehriktel. 613 in der großen Rolle, welche bie Unterfuchungen in ber Reforma: tionszeit bei faft allen Hauptpartheien Über ben Leib Ehrifti fpielen. Währenb Luther felbft jene reichen chriſtologiſchen Keime feiner Anfänge fpäter nicht weiter ausgebilbet, ja vom Enbe der dreißiger. Jahre am felbft das Neue was er vertrat in das Gewand der hergebrachten Lehre zu Heiden begonnen hat — mur baß er dabei blieb, der wahre Sinn ber Kirchenlehre fei eine reale Communic. idiomatum — erwadhte in Melandthon das Bewußtiein immer Harer, daß auch diefem Dogma wie ber Trinitätölehre noch große Bewegungen bevorftehen und daß bie hergebrachte fcholaftifche Lehre von der Zweiheit der Naturen nicht befriebigenefönne. ®7) Melanchthon Hat in den fpäteren Ausgaben feiner Loci befonders v. Jahr 1543 bie Trinitätslehre ſowie die Chriftologie behandelt. 9) Cr braucht für bie Trinität das Bild des menſch⸗ lichen Selbfibewußtfeins und Denfens. Unfer Denken entwirft ein Bild, aber ein vergängliches, Gott: ein unvergängliches, hypoſtatiſches; was er befonbers gegen Ser vede audführt, ber ben Logos erft in Chriſtus perſönlich werben laſſe. Weniger Eigenthümliches enthält feine Chriſtologie. Der Logos verbinde bie Naturen zu perfönlicher Unio, fo daß er perſönlich wohne 27 Er fohreibt an Brentz 1633 aus Beranlaffung von Servet: Tlepi zoü Adys, ei darıy Undoracıg — non dubito quin paulu post magnae de hac re controversiae exoriturae sint. Etsi autem sunt pleraque quae jure reprehendi possunt 67 rols oxoAaorınois Sudaoxd- Aoıg kai avıay Narpi, epl ıyc digorougosus 16r dVo -puceny dv Xoıor&, oportet enim statuere filium Dei naturalem humi- liatum esse, tamen hoc mihi nequaquam placet, quod Servetus' non facit Ohristum vere naturalem filium xal yrfotov Dei, h. e. habentem oauarınac aliquid substantiae Dei. Der Logos könne nicht blos der denkende Vater oder eine vox transiens fein, er ſei aliqua in Christo manens natura. Corp. Reformator. II, 661. In diefem Brief kündigt er auch an, daß er dieſe Lehren (die er bes kanntlich in der erfien Ausgabe f. Hypotyposes oder loci communes ‚nicht zu behandeln für nöthig erachtet hatte) in der neuen Au gabe berühren werbe. a", Bol. f. Loci Comm. Lips. 1550. mit der Vorrede v. 1543. ©. 15—40. Dorner, Chriftologie. II. te Aufl. 612 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt I. zurückkam, weder bei der Wittenb. Konforbie, noch ſelbſt in feinem „Kurzen Bekenntniß vom heil. Abendmahl 1544° (Wald XX. 2195 ff.) wie e8 auch von ächtem kirchlichem Takte zeugt, baß weder in bie Katechismen, noch in Die Conf.. Aug. noch in bie fchmalf. Artikel etwas hierüber aufgenommen ift. Endlich noch ein Wort darüber, bag biefe ganze Ber: handlung vornehmlich bei Ehrifti Leibe fiehen bleibt. Wenn es Luthern fo ernftlich um bie reale Präfenz des Leibe sChrifti, gar nicht blog feiner Gottheit, bei uns und im heil. Abendmahl zu thun ift; wenn anbererfeits auch Die Schweizer fo ernftlich auf Die wahre Menfchheit Chrifti dringen, ja deßhalb vornehmlich Luthern wiberfprechen, weil fie von feiner realen Präfenz die Verflüchtig- ung der wahren Menfchheit Chrifti fürchten, fo folkte durch Beides dem Doketismus, in welchen bie mittelalterliche Chriftologie zu⸗ rüdgegangen war, und dem in ber Thu auch Chriſti Fleiſch nichts nüge ſchien, ein Correctiv gebracht werden. Es wieberholt fich bier dag Schaufpiel das wir in der erſten Periobe fahen, wo auch vor Allem die Wahrheit des Leibes Chriſti feftzuftellen war. Aber es wiederholt ſich auf höherer Stufe; nemlich fett fragt ed ſich zunächſt, wie Chriſtus für bie Gläubigen tft: ob für das perfönliche religiöfe Intereſſe feine reale Menfchheit, fein Fleiſch eine Bedeutung habe. Luther fühlt, daß wir Die Einigung bie wir in Chriftus fehen, von Gott und dem Menſchen aber auch von Geift und Natur, verloren hätten, wenn in ihm nicht auch die Ber: Härung der Natur, ihre Vergeiſtigung unbefchabet ihrer Realität, das Urbild und das Princip der Verklärung auch der Welt ge: geben wäre (3. 3. XX, 1055). Die Reformirten bleiben, in dem: felben Intereſſe für die wahre Menſchheit, vornehmlich bei dem empirifch hiftorifchen Bilde Chrifti fliehen. Und fo ift es nicht ver: ächtlich, daß die Reformationgzeit fih fo überwiegend mit ber Naturfeite an Chriſtus in ihren chriftolog. Erörterungen befchäftigt, fonbern es ift Darin: ber gefunde Trieb wirkſam, welcher vor Allem wieder feiten Fuß faflen will in dem Realismus des Ehriftenthums, wohl fühlen, daß das Chriſtenthum ſelbſt aufgegeben ift, wenn bie eine ber beiden Seiten der Perfon Chrifti geopfert wird. Bedürfte es hiefür noch irgend eines Beweiſes, fo Yäge er Bedeutung der Betonung von Chriſti Leib. Melanchth. Ehriftot. 613 in der großen Rolle, welche die Unterfuchungen in ber Reformas | tionszeit bei faft allen Hauptpartheien über den Leib Ehrifti fpielen. Während Luther felbft jene reichen chriftolsgifchen Keime feiner Anfänge fpäter nicht weiter ausgebilbet, fa vom Ende der breißiger Jahre an felbft das Neue was er vertrat in bag Gewand ber hergebrachten Lehre zu Fleiden begonnen hat — baß er babei blieb, der wahre Sinn der Kirchenlehre fei eine reale Communic. idiomatum — erwadhte in Melanchthon das Bewußtſein immer klarer, daß auch diefem Dogma wie ber Trinitätslehre noch große Bewegungen bevorfiehen und baß bie bergebrachte fcholaftifche Lehre von der Zweibeit der Naturen nicht befriebigenefönne. 7) Melanchthon bat in ben fpäteren Ausgaben feiner Loci befonderd v. Jahr 1543 bie Trinitätslehre fowie bie Chriſtologie behandelt. *°) Er braucht für bie Trinität das Bild des menſch⸗ lichen Selbftbewußtfeing und Denkens. Unſer Denfen entwirft ein Bild, aber ein vergängliches, Gott: ein unvergängliches, bypoftatifches ; was er befonders gegen Ser vede ausführt, der ben Logos erft in Chrifius perfönlich werben laſſe. “ Weniger Eigenthlimliches enthält feine Chriftologie. Der Logos verbinde bie Naturen zu perfönlicher Unio, fo daß er perfönlich wohne 27 Er foreibt an Brent 1638 aus Beranlaffung von Servet: Ilse! roõũ Adys, ei dorıy Undoracıg — non dubito quin paulu post magnae de hac re controversiae exoriturae Bint. Etsi autem sunt pleraque quae jure reprehendi possunt &» ol; oxolaozınoig Sudaaxd- Aoıg Kal adrar Narpi, Mapi tig digorougdens Tür dVo ‚Yucen» &v Xoıoro, oportet enim statuere filium Dei natnralem humi- liatum esse, tamen hoc mihi nequaquam placet, quod Servetus’ non facit Christum vere naturalem filium xai yvhoıo» Dei, h. e. habentem oauarınac aliquid substantiae Dei. Der Logos könne nicht blos der denkende Bater oder eine vox transiens fein, er ſei aliqua in Christo manens natura. Corp. Reformator. II, 661. In biefem Brief kündigt er auch an, baß er diefe Xehren (pie er bes kanntlich in der erfien Ausgabe f. Hypotyposes oder loci communes ‚nicht zu behandeln für nöthig erachtet hatte) in der neuen Aus⸗ gabe berühren werbe. 3", Bol. f. Loci Comm. Lips. 1550. mit der Borrede v. 1543. ©. 15—40. Dorner, Gärtficlogie. U. 2te Aufl. 614 Zweite Verlove. Zweite Epoche. Abihl. 1. Abſchnitt IL. in Chriſtus. Das werde Kol. II, 9. mit owuzıres bezeichnet; denn omuara bedeute den Alten Perfonen. Chrifli Leiden fei nah Ire näus trefflichem Ausbrud fo zu benfen, daß ber Logos ruhte, d. 5. in Gehorfam fich feiner Kraftäußermg enthielt; und ähnlich erklärt er auch bie Stelle Phil 2,7 f. Der Logos verhielt ſich alfo, wenn nicht. behufs der Annahıne der menfchlichen Natur, doch behufs der Knechtsgeſtalt zovgalor. Bon den beiden Formeln: das Wort ward Fleiſch, und: das Wort hat menſchliche Natur angenommen , entfpridht bie zweite mehr feiner Darftellung. Zwar Ehrifti Anbetung will er feft- halten; auch fein Werf nicht bios auf die meuſchliche Natur bezogen wiffen; er will eine Communic. idd.s vermöge beren fol gefagt werben können: Gott ift geboren, gefreugigt, biefer Menſch iſt Gott. Aber er will nur eine Webertragung ber Präbifate auf die Perfon als real gelten laſſen, nicht auf bie Naturen (in coucreto, nidyt in abstracto). 9) Auch ſchweigt er von ben Eigenfchaften der. Allmacht, Ubiquität %) u. ſ. w. und hebt .die wahre Menfchheit Chriſti fo hervor, daß er auch einen unfchulbigen Gegenfab des Fleifches wider den Geiſt in Chrifti Leiden flatuirt, übrigens das Hauptgewicht auf Chriſti ſtellvertretendes Leiden legt, in welchem er ohne Unwillen in Gehorſam die Schrecken des gerechten Zornes Gottes über and trug. u) ‚ Werfen wir zum Schluß unferes Abfchnittes noch einen Bid auf den Tutherifchen und ben ſchweizeriſchen Typus ber Ehriftslogie, wie berfelbe fich in dieſem Stadium herausgeſtellt hatte, fo iſt vor allem merfwürbig, daß Zwingli mit ben Seinen (Leo Judä, Decolampad u. f. w.), der fonft eine weit firengere Kritif an dem Ueberlieferten übt, als Quther, in unferem Dogma eine entgegengefegte Stellung einnimmt. Fragen, wie wir ſie Luthers ſperulatwen mit Gemuthetiefe ©. 85. 86. 40) Was er idiomata nennt ©. 35. 36. ſind opera oder Zuſtände. eiy S. 89. 40. Ob dem Melanchthon Chriſtus eine weſentliche ober nur eine durch die Sünde bedingte Stellung zu uns habe, dar⸗ über iſt O0, 1. ©. 488 f. gefprocen. Melanchthon. Rückblick auf die luth. u. fchweiz. Chriſtologie. 615 gepaarten Sinn frühe haben befchäftigen fehen, nehmen Zwinglis praktiſch Haren, verfländig confequenten Sinn nicht unmittelbar in Anſpruch. Die trinitarifche und chriſtologiſche Frage bean, beit er nicht mit einem felbftändigen Intereſſe. Er wirft Luthern Neuerung vor, beruft fih oft für feine Lehre von Chriſtus auf die Väter ja felbft die päpftlichen Dok⸗ toren; Er Täugnet mit Recht, daß die hergebrachte Kirchenlehre bie Bereinigung der Naturen fo falle, wie Luther, denn viel- mebr lehren bie Alten nur einen Gegenwechfel (@AAoswaıs) in ber Nede, wo man um ber Einheit ber Perfon willen uneigentlic) die Präbifate ber einen Natur auf bie andere übertrage: Behaupt: ungen bie für die nachchalcebonenfifche Zeit — wenn gleich nicht für Cyrill, Athanafius u. f. w. ihre Richtigkeit haben. „Wir bleiben fleif bei der alten Lehre,“ fagt er; eine Fortbildung feheint Zwingli nicht nöthig: er hätte ein tieferes Bewußtſein von dem mittelalterlichen Dualismus und von der falfchen Ex: Aufiottät der Begriffe Gottes und des Menfchen haben müſſen, um bad Berechtigte in der chriftologifchen Tendenz Luthers anzuertennen. Nach dieſer Seite ift Zwingli, der ſcheinbar in ſtärkerem Gegenſat gegen den römiſchen Katholicismus Stehende, doch dieſem in Wahrheit näher, und weiß ſi ch in das Neue was ſich in Luther regt nicht zu finden. Gleichwohl wäre es nicht richtig, wenn man in der refor⸗ mirten Lehre nur die Wiederholung des alten chalcedonenſiſchen Dogma ſehen wollte. Ein bloßes Stehenbleiben iſt ſo natur⸗ widrig daß es unmöglich iſt auch wo man es will. Schon die Ablehnung einer bis dahin offenen Möglichkeit modificirt den früheren Standpunkt, der dieſe noch in ſich trug: und in dieſer Hinſicht iſt die reformirte Lehre ein Gegenſtück deſſen was wir bei Cyrill fanden. Dazu kommt nun aber ferner, daß jene Ablehnung ein ſehr beftimmtes immer bewußter hervortretendes Motiv .religidssfittlicher Art hatte. Die Ehrfurcht vor dem heil. Gott und feinem fchlechthin unvergleichlihen Wefen wird im reformirten Syſtem zur fcharfen, antipaganifchen Unterfcheibung bes Göttlichen und bes von ihm abhängigen Kreatürlichen, ftellt aber auch zugleich das Kreatürliche ber Uebermacht des Gott: 40 * p | 616 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt II. lichen gegenüber in geficherte Exiſtenz nemlich als ein zum Gehorſam gegen Gottes Willen unbebingt Berpflichtetes. +?) & trifft aber Zwingli, wie fpäter Calvin, mit dem vefor: matorifchen Grundzug zufammen, den auch die Iutherifche Theo: logie theilt, die menſchliche Natur Chrifti in Feiner Weife ber göttlichen. zu opfern, fondern fie in ihrer Wahrheit und voll: fommenen Wirklichkeit feftzubalten. Aber das Motiv babei ift ein verſchiedenes; der Tutherifchen Kirche fommt ed darauf an in Chriſtus die höchfte göttliche Tiebesoffenbarung zu fehen, für welche die Menſchheit und zwar in ihrer abfoluten Wahrkeit Zwedk, wie Darfiellungsmiftel der Liebe if. Denn die Liebe des Gottesfohmes ift ed, — welche das Menſchliche ſich zu eigen macht, auch fein Leiden, und das Göttliche zu eigen gibt der Menfchheit, damit diefe geabelt, und zugleich die wahre Das ift vollfommene Menfchheit und die Wirflichfeit der Liebe Gottes dargeftellt werde. Zwingli dagegen bedarf der wirklichen Menfchheit Chriſti vornemlich behufs feines Todes und erlöfenden Gehorſams und ale Mittels für feine Ehre. Aber zur Wahrheit, das ift Vollkommenheit, der Menfchheit auch Göttliches zu rechnen, oder zur Bollfommenheit göttlicher Riebe auch die Aneignung bes Menfchlichen, das wäre ihm gleichfam ungerecht, gegen das Grund⸗ verhältniß zwifchen Kreatur und Schöpfer und gegen Gottes Ehre wie gegen die Gott fehuldige Ehrfurcht. Weber der Schöpfer, ber Logos, dürfe eingeengt werden in eine begrenzte menfchliche Natur, noch die Menfchheit Chrifti ausgeweitet nach dem Maße #2), Bei Zwingli zwar findet fih noch der Sag: Gottes Wefen und Kraft fei allentpalben, Gottes Wefen fei aller Dinge Weſen (Walch XX, 1489 und Ähnlich in f. Schrift „von der ewigen Fürfehung.“ dgl. Luther XI, 228 ff.) Aber fchon er legt auf das metaphy: fifche Prädikat der Unendlichkeit ein ſolches Gewicht, daß ihm das Befen aller Kreatur nur inder Endlichkeit beficht, womit, ber röm. Kirche ähnlich, für einen unvermittelbaren Dualismus ber Grund gelegt if. Schon er ferner hat die Richtung dazu, gegen die paganifchen Elemente ber mittelalterlihen Theologie und Kirche eine feſte unwandelbare Unterfheidung des Göttlichen und des Menſchlichen durchzuführen. Aber folgerichtiger if dieſe nod von Calvin durchgeführt. Rückblick auf die Chriſtologie Luthers und Zwinglie. 617 ber göttlichen. Der Logos fei ſtets auſſerhalb des Fleiſches wie in dem Fleiſch, die allmächtige Gottheit könne nie gefeffelt fein mit ihrer Natur an einen Punkt der Welt, auch nicht an ben mit welchem fie perfönlich geeinigt fei. Wiederum, die Menſch⸗ beit wäre nicht ‚mehr Menfchheit, wenn fie bie Präbifate ber göttlichen Unendlichkeit zu eigen hätte. Denn baburch würden ihre enblicheri Präbifate getilgt, ebendamit ihr kreatürliches Weſen. Mit ihrer Grundbeftimmung ‚ der Enblichfeit, die fie von Gott unterfcheidet, wäre fie felbft aufgehoben. +9) Für den Nachweis, wie bie zwei fo unendlich verſchiedenen Naturen dennoch Eine Perſon werden können, hat Zwingli nichts gethan: ) er läßt es bei ber Kluft des Chalced. Concils. Auch fieht man nicht, wie ihm die Menfchheit Chrifti noch eine präfente Bedeutung für die chriſtliche Srömmigfeit habe, nicht bios eine hiftorifche. Dazu hätte er Chrifti Menfchheit höher ausftatten müſſen. #5) Er hütet nur die Prämiſſen für ein #3) In der bezeichneten Nuancirung der fehweizerifhen Srömmig: keit hat ihre metapbyfifche Auffaflung bes Berpältniffes zwis ſchen dem Göttligen und Menſchlichen ihren lebten Grund. Es genügt daher noch keineswegs, zu fagen, die fromme Denfweife gehe bei ven Schweizern immer auf die abfolute Eaufalität alg legten Grund zurüd, wobei Chriſtus kaum eine real vermit: telnde Bedeutung bleibe. Denn die letztere wi Zwinglt, was man auch. dagegen vorbringe, entichieden fefihalten und au Zeller (Th. Ihrb. 1853, 2.) hat mich vom Gegentheil nicht über: zeugen können. Sodann aber fragt es fich ja gerade noch, warum geht er zur abſol. Eaufalität nur im Gegenſatz gegen das End» liche zurüd, und wagt nicht, biefe auch in dem Endlichen in Chriſtus, zu ergreifen? Die Antwort if, weil ihm die Ehrfurcht vor Gott eine wirkliche Selbfimittheilung Gottes an das Ends Tiche zu verbieten fcheint. Das zieht dann allerlei Shwant. ungen in feiner Lehre herbei, aber nicht mehr. Das geſchah erft von Calvin an. ‚Die fhon bei Zwingli fi findenvde Formel, daß der allmächtige Sohn den Menichen trage, fagt nichts Befonneres für Ehriftus aus, und wenn die Meinung iR, die Menfchpeit fubfiftire nur im Logos als der perfönlichen Macht über fie, fo wird fie zum bloßen Inftrument, ſelbſtlos. Auch Hier hat Calvin ihn verbeffert, wie feine Abendmadhlslehre zeigt. 4 — 66 — 618 Zweite Periode. Zweite Epoche. Äbthl. 1. Abſchnitt IL. irdiſch menfchliches Leben. Luthern ift es’ vor Allen um bie gottmenfchliche Lebenseinheit zu thun; nicht blos um wirkliche Menfchheit überhaupt, die nicht mit Gott zu vermifchen fei, ſondern auch um Wirflichfeit der wahren, das heißt für Gott vollfommen empfänglichen, Dienfchheit, und um Wirflichfeit ber wahren bas heißt Menſch werben wollenden Liebe Gottes. Sp ift ihm die eine Natur ber andern Ziel. Sie erreichen fi in ihrer Bereinigung, daher. hat flatt ber alten Begriffe und Worte die „neue Sprache“ zu beginnen. Die Menſch⸗ beit in Chriſtus ift nicht blos die allgemeine empirifhe Menſch⸗ heit, — wiewohl auch biefe — fonbern fie ift neue Menſch⸗ heit, weil bie Gottheit zu ihr gehört. Er fordert alfo eine Reformation auch "des alten Begriffe der Menfchhei. Und ebenfo verhält es fich mit dem Begriff der Gottheit; denn ber Sohn Gottes bleibt ewiglih Menſch, trägt nicht blos einen Menſchen, ſondern bat das Menfchfein als eine Beſtimmtheit feiner felbft an ſich, zwar vermittelt durch feine Tiebesthat, aber die Liebe gehört zu feinem ?’Wefen. Trotz ber bleibenden Ber: fchiedenheit beider Naturen bat fo jede von beiden eine - Seite an fich felbft, vermöge deren die andere zu ihr ſelbſt — wen fie in ihrer Wahrheit gedacht wird. — zu rechnen iſt; und in biefem Sinne muß nad Luther für die neue Theologie bie Praedicatio identica dag Schibboleth in Betreff der beiden, für ſich betrachtet entgegengefeßten Naturen werben. Man kann nicht in Abrede ftellen, daß die Idee der Gott menfchheit felbft in der Chriftologie Luthers weit energifcher und reiner erfaßt fei als von Zwingli. Aber Diefe Idee, welche zugleich Aneignung alles Menſchlichen durch die Gottheit und alles Göttlihen durch die Menfchheit in fich fchließt, will Luther, — feit dem Abendmahlsftreit — unmittelbar fertig in die Wirklichkeit fich überſetzen Taffen, fchon mit dem Afte der Unio ibentifch fegen, während er doch dem Werben fonft hatte feine Stelle Taffen wollen. Aber fo muß für ben biftorifchen Chriſtus ber Stand ber Erhöhung gleichfam immer fimultan mit dem der Erniedrigung ba fein, das heißt: jener läßt diefen nicht zur Wirflichfeit fommen. So groß Luthers Smierefle befonderd Rädblid auf die Chriſtologie Luthers und Zwinglis. 619 am der Paſſion willen bleibt, nicht bios in abrupten, einzelnen Fällen, ſondern ſtaͤndig auf Erden bie wirkliche Knechtsgeſtalt za behaupten, fo war das doch nicht mehr zu befriedigen, wenn das menfchliche Werben zum Boraus abgefchnitten, ja abforbirt war durch eine Auffaflung des Afts der Unio, wornach biefer ſchon mit ber abfoluten Ider der Gottmenfchheit identiſch wäre, zumal nun biefelbe Unio (alſo auch dieſe Identität) unauflöslich, unveranderlich durch den ganzen zeitlichen Lebensverlauf hindurch⸗ gehen mußte. Ein zuſammenhängendes Bild von dieſem ließ ſich auf ſolchen Grund nicht mehr auftragen. Ja wir können ſchon hier ſehen, daß ba zum voraus num noch für einen Schein des hiſtori⸗ fihen Lebens Chriſti in Niebrigfeit und Werben Raum blieb, daß, wenn biebei fehen geblieben warb, bie Wage unwiderſteh⸗ lich von der Betrachtung der Paffion, in der doch bie Tutherifche Kirche wurzelte, zu derjenigen zog, die alles Ehriftologifche unter dem Typus der Majeſtät des Heren anſieht, und ſich fo in bebenflicger Weife wieder dem mittelalterlichen Chriftusbilde nähert. In dem Proceſſe des zeitlichen Werdens, wenn foldhes an- erfannt wird, darf ſich nur die Dialectif der Momente barlegen, bie in der Einheit der ewigen Idee des Gottmenfchen befchloffeh find. Aber bie innere Gliederung biefer Idee fordert eine noch umfaflendere Erkenntniß des göttlichen und des menfchlichen Wefens, als fie in der Reformation erreicht war. Es ift ein Großes, was Luther im Gegenfaß gegen Zwingli und bie römifche Kirche in Betreff des fpecififch chriſtlichen Begriffs von Menfchheit und Gottheit, ihrer Zufammengehörigfeit für bie Theologie „neuer Sprache“ und Begriffe geleiftet bat. Aber weit minder Mar und ſcharf hat er bie ‚allgemein menſch⸗ lichen Lebens⸗ und Entwiclungsgeſetze, wie fie Gegenſtand der philoſophiſchen Erkenntniß ſind, aufgefaßt. Und ähnlich in Be⸗ ziehung auf den Gottesbegriff. Daß dieſer Mangel auch für die Auffaſſung des Chriſtlichen nicht gleichgültig ſein kann, leuchtet Jedem ein, ber das innere Verhältniß zwiſchen ber erſten und der zweiten Schöpfung erwägt. Die Idee des Menſchen ſchließt nicht nur ſeine Weſensbeſtimmung für Gott (noch weniger eine blos unmittelbare Einheit mit Gott), ſondern auch ſeine relative 620 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt IL. Selhftändigfeit wenigſtens als Durchgangspunkt der wahren ethi- fhen Einheit ein, was die Reformationszeit noch nicht erfannte. Daß die Einheit mit Gott auch eine durch den ethifchen Willen ver: mittelte und dadurch Acht menfchliche fein muß, das iſt in ber allge . meinen Idee des Menfchen begründet, und das ift der letzte Grund, warum auch bie Idee der Gottmenfchheit felbft forbert, nicht durch Einem Aft abfolut verwirklicht zu fein, fondern nur durch eine Dialeftit des Werdens hindurch fich zu verwirklichen vermag. Diefe zur Wahrheit der Menfchheit unerläßliche relative Selb: ffändigfeit des Menfchlihen ale Durchgangspunkt entzog ſich aber dem Blicke beider ewangelifchen Confeffionen in ber Res formationgzeit, was mit ihrem anfänglichen gemeinfamen abfo- Iuten Präveftinatianismus innig zufammenhängt. | Dritter Abſchnitt. Die auſſerkirchlichen Bewegungen auf dem chriſtologi⸗ ſchen Gebiet unter dem Typus der Reformationszeit. Nichts kann deutlicher zeigen, auf was die weſentliche Richtung der Reformbewegung im ſechszehnten Jahrhundert in Beziehung auf die Chriſtologie ausging und- ausgehen mußte, ale der Charakter der außerkirchlichen Partbeien. Denn nur aus einem ohne Äußeren hiſtoriſchen Zuſammenhang allverbrei- teten Gemeinurtheil des chriftlichen Sensus communis fener Zeit Über die Fehler der ‚hergebrachten Lehre wird man es be- friedigend erklären fönnen, daß alle Reformpartheien wie ver- fihieden auch an reformatorifcher Kraft, und mochten fie bas Chriſtenthum mehr veligidg ober mehr religiössethifch, ober mehr intellectuell und moralifch auffaffen, einerfeitd auf die Einigung ber Naturen flatt der herrfchenden exorouncu, anbererfeitd auf Emporhebung ber Menſchheit Chriftt zu. ihrer wahren Be⸗ beutung gerichtet waren. Die veformirte Kirche allein hat fich nur dem letztern Streben angefchloffen, in Beziehung auf ben erfteren Punkt aber vor dem man nicht fagen Tann dag er in der Reformationgzeit ſchon die zureihenden Prämiflen fand um zu einem befriedigenden Ausbrud zu gebeiben, mit ber römi⸗ ſchen Kirche als ein heilfamer retardirender Faktor gewirkt, Nicht minder aber wird die Schilberung biefer Partheien ges eignet fein es zu erklären ja damit zu verſöhnen, daß bas reformas torifche Princip ſelbſt noch nicht burchgreifender die alte Ehriftologie umgeflaltet, vielmehr fich, wie wir finden werben, in ber luth. Kicche mehr und mehr möglichft in bie Form berfelben gefleibet und 622 Sweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt IIL Einleitg. fo fteng bie Sontinuität der. Entwidlung bewahrt hat, daß zu. nächſt nur eine Ehriftologie kirchlich ward, welche als die Bollen- dung und der Abſchluß der alten auf der ererbten Grund⸗ lage dafteht. Und diß um fo mehr als dieſe abſchließende Spige der alten Zeit, über welche nicht mehr konnte hinausge⸗ ſchritten werden, in mehr als einer Hinficht der weiſſagende Anfangspunft einer neuen Entwidlung if. Von den im Folgenden zu befprechenden Partheien, ben Shwendfeldianern, den Anabaptiften, und ben Antitrinitariern find die Erfteren eine Uebertrei⸗ bung bes lutherifhen Gedankens von der göttlihen Majeftät des einigen Gottmenfhen, von dem fie ausgehen; aber mit dem Erfolg, daß fie dadurch unwillfürli in bie Schroffbeit des veformirten Gegenfaged zwifchen Geiſt und Natur über fchlagen, ja ihm überbieten. Die Anabaptiften gehen aus von dem veformirten Gegenfag zwifchen Gott und Welt, Geiſt und Natur, die Ueberſpannung deſſelben läßt fie aber über den reformirten Grundgedanten hinaus dem lutheriſchen von der vollländigen Einheit der Perfon Chriſti ſich nähern, ia gleichfalls denfelben überbieten. Und fo ftehen beive in ber Mitte zwiſchen den beiden Eonfeffionen. Ihre Yortdauer mahnt beide an noch nicht gelöste Probleme, nöthigt fie aber aud sorerft, ſich gegen biefelben und dadurch noch mehr gegen ein- ander abzuſchließen, ba beide noch nicht als geglückte Unions⸗ geftalten der evangeliichen Kirchen gelten Eönnen, obſchon fie es meinen. Endlich mehr als dieſe beiden fuchen bie Antitrini⸗ tarier (die nach vielen Verſuchen erft im Socinianiemus fefte Geflalt gewinnen) in allmähliger Ernüchterung auf dem empirischen Boden der Natur und Geſchichte feſten Fuß zu . faffen und find dadurch dem Abrupten und ber übernatürlichen Leiblichleit Chrifti bei Schwendfelb und den Anabaptiften aufs Herbfte entgegengeſetzt. Sie vertreten, wie niedrig auch fonft ihre Shriftologie ſteht, ein berechtigtes natürliches Moment, von befien voller Anerkennung, wie wir am Schluß bed vorigen Abſchnittes fahen, die Möglichkeit einer glüdlicheren Ausbildung bes Shriftologie abhängt Denn fie vertreten bie Erfeuntuiß, daß Chriſtolog. Grundzeichnung der drei aufferfirhl. Reformpartpeien. 623 bie menfchliche Natur nicht ohne eine relative Selbſtändigkeit und Zreiheit in ihrer Entwicklung gebadht werben kann, wenn ber menfchlichsethifche Charakter bewahrt bleiben fol, und daß folde - relative Selbftändigfeit, weit entfernt etwas Gott Fremdes, ihm Widerfprechenbes zu fein, vielmehr etwas Gottebenbildliches « an fih trägt. . Der Geltendmachung biefer beiden zur richtigen Lehre von Chriſti Menſchheit unerläßlichen obwohl nur natürlichen Züge, und nicht blos dem Unglauben bat die forinianifche Lehre es zu danfen, daß fie ſucceſſiv auf beibe evangeliſchen Confeſſionen eine ſo mächtige Anziehungskraft geübt hat, wie die ſogenannte rationaliſtiſche Denkweiſe beweist, und das Concept der gött⸗ lichen Regierung der Kirche bedarf einer Emendation barin, daß fie dieſe freilich arme Theorie auf eine Zeitlang. bat fo mächtig werben laffen. Wenn Schwendfeld und bie Ana⸗ baptiften für die beiden Confeffionen in chriſtologiſcher Hinficht mehr nur als Warnungszeichen daſtehen, burch welche fie er: mahnt werben, ſich nicht dad Mangelhafte ber andern Eonfeffion anzueignen, fondern lieber fi in dem was ihre Mitgift ift zu behaupten, fo weifen die Socinianer unbewußt im eine fernere Zuhmft, auf die natürlihen Prämiſſen bin, in welchen beide Eonfefiionen einen fehlenden wichtigen Einigungspunft und allein die Möglichkeit eines freien chriſtologiſchen Fortſchrittes erreichen. Erſtes Rapitel, Schwenchfeld. Diefer merkibürdige Mann, der im Anfang mit ben Schweis zern, ja den Anabaptiften durch feine Lehre von Wort und Sacrament befreundet, aber ebenbeßhalb den fächfiichen Refor⸗ ‚matoren entfrembet war, theilt bennoch in Beziehung auf bie Perſon Chriſti und die Bereinigung mit ihr im Glauben. bei weitem mehr die lutheriſche Grundanfhauung. Das wurde ihm ſelbſt erft allmählig durch einen Streit mit Badian und Bul⸗ linger. deutlich, daher er alte Berbindungen zu löfen hatte, ohne für die neuen bie er verfuchte Vertrauen zu finden (Epijt. I, 726). Obwohl aufrichtig fromm und demüthig ſah er ſich boch von ben beiberfeitigen Reformatoren verftoßen. Jedoch war daran auch die Eigenthümlichfeit feines Syſtems ſchuld, das in fi das Heterogenfte vereinigte; und wenn bie Reformationds zeit den Zufammenhang feiner Ideen nicht erfannte, ſondern barin nur eine eigenfinnige Anhäufung wunberlihfter Idioſyn⸗ erafieen fah, fo darf das um fo weniger befremden, als erft in neuefter Zeit mit Erfolg der Verſuch gemacht ift, Zufammene bang in feinen Gedanfen zu finden. ') ) Bal..das fchöne Buch: Gefchichte der proteftantifchen Selten im Zeitalter der Reformation von Erbkam 1848, ©. 3857—475. Befonders aber hat ©. & Hahn in feiner Commentatio fiber Schwenckfeldii sententia de Christi persona et opere. Bresl. 1847 bas Berbienft, mehrere fchwierige Punkte der Epriftologie Schw. zuerſt aufgepellt zu haben. Die früheren Theologen, die fih mit ihm befchäftigen, wie Wigand de Schwenckfeldismo, 1586, haben wie die Polemifer (in deren Werken er einen flebenden Artikel m wm wm 0 0... — Schwenckfeld. Sein Verhaältniß zu A. Oflander. 625 Um ihn zu verfichen, muß davon ausgegangen werben, daß ihm nicht eine unperfönliche Gnade, nicht Werf, Amt, Ber: - bienft Chriſti oder irgend etwas Dingliches genügte, fondern daß in feinem frommen Gemüth vor Allem die Perfon Chriſti in der Glorie daftand. I Er in feiner göttlichen Einheit und Ganz heit fteht vor ihm als ber bochgeborene durchläuchtige Dann, Jeſus Nazarenus, der zugleich Gott und der regierende Gnabens fönig if. Diefe ungetheilte Einheit der Perfon, bie über alles Kreatürliche erhaben im Menſchlichen göttlich, aber auch im Götts lichen menſchlich if, wie fie ihm in feiner refigiöfen Erfahrung ſich darftellte, bildet ihm felbft unbewußt "von Anfang an ben inmerften Trieb in all feiner Thätigkeit. Es iſt alfo Chriftus der Erhöhete, feine Glorie und Majeſtät und die myſtiſche Ver⸗ einigung mit ihm, was wie bei Luther und A. Oſiander, fo au bei ihm den Mittelpunft des innern Lebens ausmacht. Jedoch genügt ihm 9. Oſianders Lehre nicht. Denn bie justitia essentialis die auch Schwendfeld will if ihm erſt in Chrifti Einheit und Ganzheit, nicht aber in ber göttlichen Natur Ehrifti für ſich gegeben. Chriſti Leib oder Menichheit fieht er in Dfianders Theorie nit zur wahren Bedeutung gebracht, fondern biefe fcheint ihm bei Dfiander nur bas Werkzeug um zu leiden, nur das Behifel, um nad) feiner gött⸗ lichen Natur gefaßt werben zu Fönnen, aber nicht ein integris. sender Theil des Heildgutes felhft zu fein. Er Iehre zwar, im Glauben und im Abendmahl wohne Chriftus auch nach Fleiſch und Blut in ung, aber da nur feine göttliche Natur rechtfertigen fol, fo bleibe feine Menfchheit müßig. Er fage zwar, unfre Gerechtigkeit könne nicht fein, was Chriſtus vor 1500 Jahren bildet) fih mehr nur an einzelne Sp: von ihm gehalten, bie in ihrer abrupten Art widerfinnig genug erfcheinen. Doch Tann auch nicht behauptet werden ,. daß er fi felbft flets gleich blieb oder daß nicht unldsbare Widerfprüde in feinem Syſtem Liegen. 2) Bgl. der erſte Theil der chriſtlichen orthodorifchen Bücher und Schriften des edlen theuern von Gott hochbegnadeten und gott feligen Mannes, Eafpar Schwendfelvts v. Haus Dffing, 1868. Godann f. Epistolar. I, U. - 626 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abtpl. 1. Abſchnitt II. Kapitel 1. für uns geihan; aber er bebenfe die Natur bes Glaubens nicht, . ber mache Alles gegenwärtig, das Künftige und das Bergangese. °) Dfiander babe feine Erkenniniß von der Einheit Chriſti; er zertbeile die Ramren; dazu habe ihn bie verführeriihe Schul⸗ lehre von der Communicatio idiomatum gebrasht. Ebendaher mußte er auch gegen bie ſchwei zeriſche Lehre entſchieden ſich ausſprechen. Sie zertvennen Ehrifium , fagt er, fie verläugnen feine Ganzheit, das fehmälere aber feine Herr lichkeit und vermüfte fein Reid. Man dürfe die Sache nicht fo anfehen, ale ob jede ber beiben Naturen in ber Perſon für ſich ſelbſt allein ſtünde, mit der andern unvereinigt. Sobald eine Natur von ber andern in der Beiruchtung feines Leibens ober der Herrlichkeit gefonbert und eine ohne die andere seorsim bas ift unvereinigt angefehen werde (fo daß z. B. nur bie menfchliche leide bei müßiger, ruhender Gottheit, ober nur bie göttliche in der Glorie fei und irgendwie. dad Wort ohne ben Menſchen) fo bleibe das für fi Genommene nicht mehr blos eine Ratur, fondern weil es auch für fih und umvereinigt wire oder leide, werbe es Perfon; und fo erhalte man zwei Perfonen und zwei Söhne. Bielmehr habe Ehriftus ganz in beiden Ra: turen vereiniget für und gelitten und ganz nad beiden Naturen made er und gerecht und felig. *)- 2) Som Worte Gottes, daß fein ander Wort Gottes ſei, eigentlich gu reden, denn der Sohn Gottes, Jeſus Eprifius. Fol. 124. 129. 180. 9% Bel. bei. Schw. Eonfefl. TEL. II, S. 180 ff. 152. (gegen Badiané Antilogia und das Eirkelbüchle : Vadian lehre, Epriftus fei totus ersatura sicuf at totus creator, fei auf Erden creatura servilis, die beis den Raturen bleiben ihm longe diversissimae (vgl. ©. 153); auch habe nach ihm Chriſtus he di zwei ungleiche Willen, werbe auch einft dem Vater unterworfen (1. Cor. 16). Er fohreibe als ob Chriſtus nach feiner Menfchpeit jet gar habe ausgeampiet, feinen Sab: bath Halte und nicht vegiere, fondern das Wort allein, um deſſen willen allein auch Eprifius anzubeten fe. Schwendfeld ba gegen will, es habe Eprifii Fleiſch göttliche Gloria, Kraft und Weſen erhalten, ja es ſei Gott geworben nicht blos durch Mit theilung ex Verbi sodalitio, sed etiam propria ot naturali a Deo Schwendf. im Berh. zu den Schwelzern und zu Luthers Chriſtologie. 627 So follte man glauben, daß er Luthern zuftimmen müſſe, ber ja auch eine Einigung ber Naturen felbft, nicht bios eine Unio personalis im Zwinglifchen Sinne wollte, wie befon- ders feine Lehre vom Stande ber Erhöhung zeigt. Denn fo wenig Luther auſſerhalb Epriftus Gottheit und Menſchheit der Natur nah in Eines ſetzen will (bag nennt Luther in ab- stracto) fo wenig will er Doch auch nur in dem Schpunft die Naturen fich berühren ober verknüpfen, im Uebrigen aber aufler einanber fiehen laſſen. Wenn felbft Melandhthon hiemit ſich be gnügt, fo will Dagegen Luther, daß nicht blos in concreto per- sonae fondern auch in concreto naturarum eine Einigung vor ſich gehe. Diefe Menfchheit, die in Chriſto und die Gottheit wie fie in dem Sohne Gottes ift, treten in eine Unio, fo zu fagen auch abgefehen von ber Unio im Ichpunkt.*) Gleichwohl war Shwendfeld auch mit Luther nicht zufrieden. Die beiden Naturen findet ex durch bie feit 1538 von Luther adoptixte „Mittheilung der Eigenichaften“ noch nicht gemag innerlich ver- bunden, weil das Weſen beider body auch fe noch eine unüber⸗ Reigliche Scheidewand bilde. Die Communic. idd. fei nur eine feinere Zertrennung Chriſti, und es fei nicht deutlich wie eine von Gott wefentlich verfchiedene Natur oöttfiche Eigenfshaften annehmen fönne. 9) Patre gloria, die Jeſus eonceptione ex Sp. 8. generatione et renovatione, maxime vero per Primogenitutam ex mortuis ‚Clarificatione et unctione plenissima accepit. 9 Daber ver fpätere Streit zwifchen Abfſnralten“ und Conkreten wie er beſonders in Königsberg entbrannte, ſo zu verſtehen iſt, daß die „Abſtrakten“ Luthers Meinung treu ſind; obſchon Luther die Unio eine Unio in conereto zu nennen gewohnt war. Die „Abfirakten“ wären aber genauer „Conkrete“‘ in Beireff der Raturen, au abgeſehen (abstrahendo) von der Perfon, zu nennen gewefen. (f. u.) ®) Epistolar. II, 644 f. Chriſtliche orthodox. BB. I, 807 ff. (. Eonfeffion) Apologia u. f. w. BL. 63. Er zeigt, wie anfangs auch Luther eine Gottwerbung der Menſchheit gelehrt, ebenfo Melanchthon und Breutz; und befrhwert ih, daß jept die Euiheraner an ihm taveln was fie felbft Anfangs gelehrt und in 628 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt IL Kapitel 1. . &o könnte man benfen, daß er jenen von Stalien ber ver- breiteten pantheiftifchen Anfichten geneigt fei, welche bie Ein- heit der Perfon Chriſti dadurch zu gewinnen fuchten, daß fte bie menfchlihe Natur überhaupt, daher befonderd auch in Chriſtus, als weſensgleich mit Gott, ja als göttlich anfahen. Allein von biefen ift fein frommes chriftliches Gemüth noch mehr abgewandt. Er bezeichnet das als eine Gottesläfterung, als eine Bermifchung von Natur und Gnade, als pelagianiſch. Schwendfeld er fennt wohl bie weſentliche Einwohnung Gottes im Menfchen als zur Idee befielben gehörig an ; aber dieſe Idee ift nach ihm nicht unmittelbar verwirklicht, auch nicht in Adam vor dem Fall; noch weniger ift fie in den Menſchen, wie fie jet find, real. Im Gegentheil hat er einen fo firengen Begriff von ber Erb⸗ fünbe, daß er auch die Subſtanz des Menfchen als bös fegt und den Flacius Illyricus einen Pelagianer nennt, weil ber: felbe den Menfchen nur für fo verborben halte, daß ihm nod durch eine Kreatur, Predigt oder heil. Schrift, flatt allein durch ben Schöpfer geholfen werben könne.“) Aug biefer feiner Auf: faffung der erften abamitifchen Natur, wie pofitiv aus jener - Grundanſchauung von Chrifti Einheit und Ganzheit in einer über alles Endlihe und Kreatürliche erhabenen Glorie ergab fih ihm vielmehr folgender Berfuch, eine noch innigere Einheit - der Naturen in Chriſtus, ald Luther, gu gewinnen, ohne doch in bie pantheiftifche Einerleiheit des Göttlichen und Menſchlichen zu verfallen. 8) die ſophiftiſche Lehre von der Commun. 1dd.. fallen; Chriſtus jetzt nach feiner Menſchheit eine Ereatur nennen, was nach Badians Antilogia gegen Schwendfeld der Ulmer Frecht bei ven Theologen zu Schmallalden wider ihn durchgeſetzt habe (ohne Luther); daß Bugenbagen und Eoccius bereits auf einen - Adoptivſohn kommen, weil fle nicht mehr wie Luther Anfangs im ganzen Chriftus den natürlichen Sohn Gottes befennen wollen. Vergl. I, 91., ferner Collatio Ph. Melanthonis und C. Schwenckfelds. — Seb. Coceii entdeckte Irrthümer. ) Hypothesis das iſt kurzer Begriff und Inhalt von ben alten Irr⸗ thumben (wider N. Gallus und Flactus). °) Gegen Seb. Franck f. Epistolar. I, 173 ff. 280 - 206. Gegen - Schwenckfeld. 629 Chriſtus hatte zwar, wiederholt er unermüdet, ein wahr: haft menfchliches Fleifch und behält es; vom Eutychianismus weiß er ſich frei. Aber willlürlich ja unrichtig fei es, menſch⸗ ich nur das zu nennen, was ein Leib von Urfprung und Art unferes Leibes ift. Auch der Wiebergeborene fei Menſch, ja erft ein wahrer Menſch, während im erflen Adam bie Schöpf⸗ ung des Menſchen nur erſt typiſch, wie im Schattenriß bee gonnen war: im Wiebergeborenen aber fei dem Keime nad ein. göttlich Wefen, ein verflärter Leib, wie bie wefentliche SHeilig- ung. ) Beides babe der Wiebergeborene aber nicht dadurch, daß er gefhaffen, fondern dadurch, daß er aus Gott ge: zeuget fei. Es fei zw unterfcheiden zwifchen Schaffen und Zeugen. Das "Schaffen fei nur eine Aeußerung ber göttlichen Macht, nicht Mittheilung des göttlichen Weſens; fondern was Kreatur ift, habe Gott auffer ſich und fei felbft aufferhalb Gottes baher ihm fremd und widerſprechend. 19%). Dagegen das Zeugen, wenn Servet vgl. C. Schwenckfelde Kurke gründliche Berantwort- ung BI. 16. 17. vom Urfprung des Fleiſches Chrifi. Seine eigene Lehre, bie Anfangs den Unterſchied ber beiden Stände noch nicht ausgebildet hatte, if befonvers in feiner Confeſſion IM. Theile in den chrifllichen orthodor. BB. I, 91-319. (Bergl. Ein ſchöner Senpbrieff S. 510 ff. das Summarlum von zweierlei Stand u. f. w.) dargelegt. Jedoch wiederholt er fih in allen — Schriften. ) Bon der Sünd und Gnad, Adam und Chriſto. Chriſtliche orthodox. BB. I, 460. Vom Urſprung des Fleiſches Chriſti XL Die heilige Schrift unterſcheide zweierlei Fleiſch im Menſchen, erſtens das Fleiſch der Sünden, das wir von Adam her alle haben und in weldem die Sünde nah Shwendfelv nicht blos - als Accidens ift, und ein Fleiſch das wohl in Gleichheit mit diefem, aber ein Fleiſch der Berheißung, Gnaden, Gerechtigkeit iſt. Jenes iſt erfchaffen und vererbet fich natürlich; dieſes hat feinen Urfprung aus Bott und if doch menſchlich. Bom ewigen Weſen Gottes, f. Epriftliche orthobor. BB. I, 551. 560. „Alle Kreaturen haben aus ver Schöpfung (ex nihilo) ein Weſen von Gott auswendig Gott und feinem felbs Wefen, welches aber nicht beftehet ohne Gott, fondern von Gotte wird erhalten. Das iſt die Gegenwärtigkeit der Macht, Krafft und Dorner, Chriſtologie. I. 2te Aufl. 41 10 ur . 630 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abfchnitt III. Kapitel 1. gleich in der Zeit geſchehend und nicht ewig wie die Zengung des Sohnes, fei eine Offenbarung feiner Liebe und Gnade, eine Mittheilung des Weſens; der Gezeugte fei aus Gott, unb zwar nicht bios nach dem Geifte fondern in ber Einheit und dem Mittelpunkt feines Wefens. Chriſtus habe feinen Leib nicht aus biefer Freatürlichen Welt, der abamitifchen Natur empfangen fünmen. Da wäre er werm nicht mit Sünde befledt, doch als Kreatur notwendig außerhalb Gottes und feines Wefens; da könnte weder Gott mit ihm jene abfolute Einigung eingehen, bie zum chriftlichen Glauben gehöre, noch fünnte in ihm bie Kraft fein, den Saamen des geiftleibluhen Weſens aus Gott, oder den wahren Menfchen in und zu pflanzen. Es ift ihm daher gewiß, daß Chriftus, der von Natur das fein mußte, was ber Wiebergeborene durch Gnade, auch nad feiner Menſchheit aus Gott gezeuget, und nach beiden Naturen Gottes Filius na- turalis if. Daber will er nicht dulden, daß man Ehrifing eine Kreatur nenne, nicht einmal nad). feiner Menſchheit.!) Durch bie Kreatürlichkeit Ehrifti nach einer Seite feines Weſens würde ihm die Einheit des Bildes Chrifti gänzlich zerſtört. 2) Durch biefe Löſung bes Problems, follte man nun glauben, falle er deſto gewiſſer jener Chriftologie der Anabaptiften fchon vor Menno anheim, welche mit ihrer Lehre vom himmlifchen Fleiſche Ehrifti deſſen Zufammenhang mit der abamitifchen Menſchheit zerreiſſen, wie denn auch in der That bei beiden ein dualiſti⸗ Gewalt Gottes, “ Die Gegenwärtigfeit der Gnaden iſt die Ges genmwärtigfeit des bi. Geiftes, Lebens, Weſens und Reiches Gottes. Epistol. 1, 634. : die Kreaturen find alfo geſchaffen, daß ſie aus⸗ wendig. dem göttlichen Weſen ſtehen ſollen; ver Gläubige kömmt darein, in welchem auch Gott weſentlich und natürlich wonet. Oreaturao sunt omnes extra deum creatorem, i. e. non participant naturam creatoris. ") Konfefl. S. 806 ff. und unendlich. oft passim. 2) Adam vor dem Kal fieht ihm in Gnaden und Reinheit da, aber als Ereatur, ohne Antheil an Gottes Weſen oder Sohnſchaft. Eine Läſterung wie ein Absurdum ſcheint ihm daher, daß Gottes Sohn mit einer Ereatur fol Eine Perſon fein. Vgl. Collatio Phil. Melanthonis etc. Schwenckfeld. 631 ſches Motiv mitwirkt. 1°) Allein er verwahrt ſich aufs Ent⸗ fchiebenfte gegen die Lehre des Melhior Hoffmann u. U, weil fie die Maria nicht bie wirkliche Mutter Chrifti fein laſſen, auch nur ein Scheinleiven ſolchen bimmlifcherf’ Körpers übrig bes halten Tönnen. ’*) Ebenſo gegen Corvinus. '°) Aber wie bringt ‘er Beides zufammen, daß Ehriftt Leib aus Gottes Wefen und doch auch aus Maria, ja aus ihrer Sub: ftanz fei? Durd feine Lehre von der geiftfich Teiblichen % deutung bes Glaubens. e) Dur den Glauben ift Maria aus Gott geboren, und hat fie eine Subftanz aus Gott, welche nicht gefchaffen, nicht außer Gott, fondern gezeugt und göttlichen Weſens if. Aus biefer Subftanz der Maria num, nicht aber nur aus ihrem 13) Epistolar. II, 163, ) Ueber Melch. Hofmann f. 3. B. Epriftliche orthodox. BB. I, 426. Epistolar. II, 163. I, 100. 291 f. 404 f. 606 f. 1 Ueber Corvinus vgl. Epistolar. I, S. 580—630, 78ter Sendbrief. Derfelbe nahm an, das Wort fei „zu Fleiſch geworden,“ Habe ſich verwandelt in die Menſchheit und fo fei in Chriſtus nur Eine Natur, nicht, wie Schwend feld beharrlich wollte, zwei. Maria habe das zu Fleiſch gewordene Wort geboren, aber nicht in dem Sinne empfangen, daß fle etwas von ihrem Weſen dazu gegeben hätte. ’e, Eprifilich. orthobor. BB. I, 427. Der Glaube ift ihm wie Luthern etwas Subftantielles, nicht bios eine Beſchaffenheit nicht blos motus creatas, ſondern Selbftimittheilung Gottes; des Glaubens Subflanz nicht etwas Kreatürliches, ſondern Göttliches. Gott der Bater habe nicht blos das Amt der Schöpfung fondern auch der generatio; er fei wahrer Bater für bie aus ihm Ge: bornen; durch feinen erfigebornen natürlichen Sopn Chriſtus fehe fih die incamatio fort. Epistol. I, 590 ff. Chriſtlich. orthodox. BB: 1, 145: „Der Glaub iſt ein Hypostasis, Weſen ober Selbfiftand, ein bimmlifcher Glan der da kömmpt aus dem Weſen Gottes; er . if ein Strön der Sonnen, fo in die Ewigkeit Ieuchtet, darin alles _ Zulünftige gegenwertig gefehen wirt.“ Erſt N. Gallus flellte gegen Oſiander auf: vie Gerechtigkeit der Chriſten ſei nicht Substantia fondern Qualitas; vgl. Schwendfeld Hypothes. im Anfang. Bom Worte Gottes. Ableinung und Berantiwortung der 9 Ealumnien. 41 2* 632 Zweite Geriope. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abfehnitt IT. Kapitel 1. abamitifhen Weſen (das mur dem Tode anbeimfallen kann) tft Ehriftus empfangen und geboren. Defhalb beißt ed von ihm „empfangen aus dem heil. @eift.“ Mit diefer edlen, göttlichen Subſtanz and Maria num fonnte der Sohn Gottes jene volllommene Einigung eingehen, fo daß der erhöhete Herr in feiner Ganzheit vergotiet, ja in die Trinität gerlicdt werben konnte. Gleichwohl ift auch fo Chriſtus ſteis Menſch: „die Menfchheit wird. nie ausgetilgt.“ Auch der Wiedergeborne ift ja Menſch, obwohl aus Gottes Wefen gezeugt; das Theilhaftwerben ber göttlichen Natur iſt nicht wider den Begriff der Menfchheit; im Gegentheil wäre nad) der ewigen Idee Gottes von ber Menfchheit Das wider ihren Begriff, wenn es bei dem erftien Adam bliebe, wenn nicht die menfchlidhe Natur - in Chriſtus zuerft, und durch ihn in und ihres Zieles theilhaft würde. 1) Wenn, fährt er fort, auch das zum Wefen des Men⸗ fhen gehöre, daß, nachdem das Geſchlecht da ift, Alles was Menſch heißen darf irgendwie aus dem vorhandenen Gefchlecht abftammen muß, fo fei auch dieſes durch feine Abflammung aus dem Glauben ver Maria und dadurch aus dem heil. Geiſte ges geben. Auch fehlen Chriſto nicht Die weientlichen Theile jedes Menſchen, Leib und Seele; und endlich gibt er fich befondere Mühe, aud ein wahres Werben in Chriſtus nachzuweiſen, obfhon von Anfang an bie inigfeit feiner Menſchheit und Gottheit fo innig geweſen ift, daß ungetheilt Alles beiden ges meinfam war. 1°) Hier könnte nun der Punkt einzutveten fcheinen, 1 Konfeff. Theil II, S. 225 ff. Chriftl. orthodor. BB. I, 511-523. Es find im Anfang zwei Raturen (bie er auch verfihiedene Subflanzen nennt) durch welche eine Ungleichheit in Chriſtus gefegt wird mit bem ewigen Sohn, der von der erniedrigten Menfchheit nicht umfchloffen, fon» dern unverändert über Zeit und Raum im Himmel if. Seit ber Auferftehung, die er ale eine neue Geburt bezeichnet, ward nad momentaner Löſung der Einheit das Bergängliche über: wunden und ausgeſchieden, die Ungleichheit ausgeglichen, fo daß bie Menfchheit Chriſti obwohl nie ausgelöfcht doch auch nicht “weniger fet, Habe, wirke als die Gottheit, über Raum und Zeit wie fie erhoben, fa in die Dreieinigkeit felbft Hineingerüdt. Eben: Schwenckfeld. | 633 wo er um ber Unio personae und naturarum willen bie Ubiguität, Allmacht, Allwiffenheit u. |. w. auch in die Menſch⸗ heit Chriſti bereinzunehmen und dadurch die Wahrheit menfch- licher Entwidlung zu zerftören genöthigt fei. Allein er hilft durch eine tiefere Unterſcheidung ber zwei Stände Chriſti. 1) Er daſ. 1,228 ff. Die Gegner achten nicht „auf dad Gewächs biefes Menfchen in Gott, wodurch doch allein er bereitet ward, den heil. Geift zu geben allem Fleiſch.“ Kerner fein Sendſchrei—⸗ ben über Corvin und das Schreiben an Bader. Epistolar. I, 680 ff. und 630 ff. Er. Eonfefl. 1. ec. ©. 143. Eonfefl. S. 181-205. Befonders ©. 187. 188. Bgl. Epistol.. I, 527 ff. 572. 724. Seine Gegner, fagt er, befonders Badian "wollen die Exinanitio unterbruden und fie wie Chriſti Leiden nur auf die Menfchheit beziehen. Aber es feien alle Ausfagen des N. T. auf die ganze Perfon, nicht blos auf eine Natur zu beziehen. Das Wort „ver Bater ift größer als ich“ gelte nicht blos von Chriſti Menfchheit, fonvdern vom ganzen Chriſtus, aber im Stand der Erniebrigung. Confefl. S. 180. 181. Denn wie wohl Eprifius der ewige mitallmächtige Sohn Gottes feinem Bater nach feinem ‚göttlichen Wefen und Natur alfewege gleich it, fo hat er fich doch ſelbſt zur Zeit entäußert und ins Lets den begeben. Jedoch fei die Entleerung nicht ein Rimmerhaben, fondern ein Nichtbrauchen, und baber in Inechtifcher Geftalt er- funden Werden, wie Hilarius lehre auf den er fih gerne bes ruft. Er ift nie aus der Schooß feines Baters kommen, obwohl er Menſch warb, feine göttliche Natur iſt nicht geſchwächt, ge ringert, verändert, er iſt im Fleiſch nicht umfchrieben noch bes fhloffen worden , fondern auf Erden im Himmel blieben über Zeit und Statt. S. 189: Cpriftus, Tprich ich, das göttliche Lierht und Wort feines Battern, ift die Himmlifche ewig bleibende Sonne, welche für Gott auch in der Zeit feines Leidens und Erniedrig⸗ ung überall gefchienen. Aber in Judea war fie mit einer Wolke des Fleifches überzogen, auf daß fie alles Fleiſches Finſternuß möcht hinwegnehmen und ipr Licht in ung zu ewiger Erleuchtung möcht fiheinen. Und ifteben der, fo im Himmel blieben und auch auf Erven Menſch war, derfelbige einige Sohn Gottes, Chriſtus. Bel. I, 511-523. ©. 194: Fiele die exinanitio nur auf bie menfch« liche Natur, fo Hätte_ein Menſch den Handel unferer Erlöfung können ausrichten. In bem Brief wider Corvinus an bie Auge: burger fagt er, auch Diefenigen unterbrüden vie Exinanitio und machen Chrifti Leiden wie die zwei Stände unmöglich, vie bald — 634 Zweite Periode. Zweite Eyoq⸗. Abthl. 1. Abſchnitt M. Kap. 1. gibt der Exinanitio des Sohnes Gottes eine Wendung, wornach ihm für wirkliches Wachsthum an vollkommener Einheit der Gotts beit und Menfchheit eine Stelle bleibt. Der Sohn Gottes hat feine göttliche Natur, bie zugleich bie bes Vaters und des heil. Geiſtes iſt, nicht mit ſich alsbald in bie Menichheit hinein gebracht, fons dern er hat fie zwar im Himmel „für Gott“ behalten, aber nicht bald gebrauchet, fo daß actuell zunächft nur feine Perfon ift Menfch geworden (Epist. I, 181.) Es mar die göttliche Natur bie das Wort vom Bater hat, zwar nicht gefchieben von der Natur, bie er von ber Mutter hatte; das Wort hat jene vom Himmel ge⸗ bracht und das Fleiſch war darin. Aber das Fleifch felbft befaß fte noch nicht actuell, und bad Wort war Anfangs nicht in all feiner Actualität zufammen mit dem Fleifch; fonft wäre die Menfchheit Chriſti Schein geworben. Es hätte fonft während bes irbifchen Werdens Chrifti die göttliche Natur Des Sohnes und bie erft wach- jende Menfchheit Chriſti fich nicht zur Einheit eines gottmenfch: lichen Lebens decken und auegleichen können. Aber indem ber Eine Chriftus ſich entwickelte, wuchs er immer mehr in jene göttliche Natur des Sohnes hinein; fie warb obwohl nur durch Empfangen fein eigen; und am Enbe bes Proceſſes war zugleich die Exinanitio für den Sohn aufgehoben, der im Verlauf bed heil, lebens Chriſti fchrittweife mehr und mehr ohne Mögfichfeit des Kalle — (obwohl Schwendfeld fonft-antipräbeftinatiantfch die Freiheit betont) — jene Natur wieder an ſich nahm, und bie Glorifikation der Menfchheit durch ihre Erhöhung zur Rechten des Vaters abgefchlofieen. Sie bleibt aber ewig Menſchheit: denn fie ruht in der Gottheit und bie Gottheit if in fie auf: genommen. 20) Aber nur die Menſchheit wärst, nicht das | —— | m von Anfang an ſchon die Menſchheit Gott werben Iaffen. -Bgl. befonders auch fein Summarium von zweierlei Stande Ampt und Erkandtnus Chriſti, und „Ein fehöner Senpbrieff vom fällg machen: den Erkandtnus Eprifti und von feinen zweien Raturen“ (nad) Joh. 1, 14. und ®uc. II, 48.) 1558, 20) Nicht ganz Har if, ob Schwenckfeld die Exinanitio auf das ewige Wort ſelbſt bezieht, das feiner Ratur, d. i. Fülle fich entkleidet Habe, oder ob er den perföntichen Logos an ſich ſchlechthin unverändert, von Schwenckfeld. 636 Wort (Epist. 1, 724.) Das Wort regierte die Welt auch ba Jeſus am Kreuz verlaffen war; jene Entäußerung (Nichiges brauch feiner Majeftät) bezieht ſich alfo bios auf fein Sein in Jeſu (Epistol. I, 181). Das Dargelegte wird zeigen, dag Schwenckfeld s Chriſto⸗ Ingie gar nicht die Geringfhägung verdient, bie ihr fo Yange Zeit hindurch zu Theil geworben iſt. Ebenfo wenig barf fie mis dem Eutyianismus gleichgefegt werben. Es pulſirt in ihr mächtig bas reformatorifche Princip „nach feiner anthropologi⸗ ſchen und foteriologifchen Seite hin. Seine Grunbtendenz zeigt futherifche Phyfiognomie, wie denn au Luther nicht das an ihm tabelt, daß er die Menfchheit in Chriftus nicht will eine bloße Kreatur nennen, oder daß er die Einheit zu ſtark betone. Sondern Luthers tiefer Blick tabelt an ihm im Gegentheil, daß er den Einen Chriftus in zwei theilen müffe, indem er ber Menſchheit aber mehr und mehr angeeignet denkt. Vgl. Anm. 19. Unklar ift ferner, wie er einerfeits zwei Naturen bleibend feſthalten und doch eine Ausgleichung beider im zweiten Stand annehmen will, Epistol. I, 580 ff. Confeff. 262 f.} Gegen die Unterſcheidung von ‚ Subflanz und Accidens erklärt er fi, fofern göttliche Eigenfchaften ohne die göttliche Subfanz follen können mitgetheilt werben (gegen Coccius Bl. 47. 48.), weil die göttlichen Idiomata iventifch mit der Subftanz feien. Confefl. S. 214. Wenn er die Comm. idd. ſich aneignet, fo meint er damit die fubflantielle Bergottung, Gleich⸗ machung der göttlichen und menfchlichen Natur. Eonfefl. ©. 219. 231. Auf Erden war Ehrifti Leib räumlich begrenzt, jetzt iſt er über alle Zeit und Statt. Im erflen Stand war weber das Wort befchloffen in Chriftug, noch das Fleiſch überall wo dad Wort war. Run aber ift das Fleiſch Gotte durch die Glorifica⸗ tion alfo veräßnlicht, eingeleibet und dem Wort vereinbart, daß da feine Iingleichheit beim Esse ubique und fonft alfenthalben mehr fein kann; Eonfefl. S. 257. -Gottes Rechte ſei die ewige Gottheit S. 260. Bon Luther unterfcheivet er fich durch eine mehr negative und excluſive Stellung der Ubiquität zu Raum und - Zeit, und kann daher nicht zugeben, daß Epriftus in feinem jeßigen zweiten Stand fih 3. B. im Wort oder Sarrament alligire an einen ſonderlichen Ort: vielmehr iſt er ſchlechtweg erhaben über Statt und Zeit, weil in diefer nur Unvollkommenheit und etwas Abzuftoßenves zu fehen fei. 636 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abfepnitt IT. Kap. 1. richtig die Conſequenzen des Dualismus erfchaut, in welchen Schwendfeld auswih. Bei allem Reden vom Fleiſch Ehrifti birgt fein Syflem etwas Naturfeindliches in fih, was ihn bes fanntlich auch in feiner Lehre vom Worte Gotted und ben Sa: eramenten geleitet bat. Und wenn er Chriſtus doch auch mit der abamitifchen Natur in Verbindung gefegt bat, fo mußte er bei feinen Vorderfägen den Unterfchieb zwiſchen den beiden Stän- den Chrifti zu einem fo tiefen machen, daß ihm Bas Irdiſche an Ehriftus in der Vollendung vernichtet warb und bie Identität bes Ermiebrigten und bes Erhöheten nicht bewahrt blieb. Daher wirft ihm auch Quther einen doppelten Chriftus vor. 2") 2) Im MH. Belenntniß vom HI. Abenpmapl und anberwärte. Zweites Kapitel. Die Anabaptiften. Menno Simonis (+ 1561) geht noch einen Schritt weiter, um bie gottmenfchliche Einheit Chrifti zu gewinnen. ') Seine ftrenge Auffaffung vom Böſen das durch Adam, in unfre Natur fam leitet ihn bei deren Auffindung. Chriftus fünne nicht unfere fchulbige, fuchbeladene, fündige Natur angenommen und zu eigen gehabt haben; fonft hätte er und gar nicht erlöfen können. ) Er mußte eine reine, göttliche Menſchheit, nicht Die verberbte abamitifche Natur haben, damit er der zweite Adam würbe, ber für bie Sünde Aller fterben und Alle die an ihn glauben in bie veine Menfchheit wiebergebären könnte. iner mußte einer andern Wefengattung fein, bie zunächft zwar in ihm allein befchloffen war, aber welche die Kraft hatte, die Söhne bes erften Adam ı) Bol. Opers Menno Symons, ofte groot Sommarte u. f. w. 1646. Fol. 157 f. ‘589—602 (gegen Gelltus Faber in Emden 1552); Een Hare onmweberfpreedkelyde Belennteniffe ende Aenwy⸗ fingpe — dat de geheele (ganze) Chriſtus Jeſus, Godt ende Men- ſche, Menfche ende Godt, Gods eengeboren ende eerfigeboren epnen Sone 18 niet ghedeylt noch gheſtuckt, maer (ſondern) een eenig onghedeylt Perfoon, Soon. ende Chriſtus, Godts Woort in der Tydt (Zeit) Vleeſch geworden. Door M. S. (Menno Simonis) ebene daf. ©. 667724. 2) Willen fy dan feggen, als dat hy van Adams Ongerechtichepdt fonde ende vloeck ſy vry gheweeſt, antwoorte ick weberom, fo en is hy oock van Adams natürlyck Zaet (Saamen) niet geweest, want Adams Zaet was onreyn fondelyd ende vervloeckt. Daerom en konde niet dan onrepn, fonbelyd ende vervloeckt daeraf ghebos ten worben. Fol. 886. 704 ff. b 638 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt II. Kap. 2. zu Söhnen des zweiten zu machen. Dieſe reine Menfchheit des zweiten Adam ift aber nur dadurch möglich und wirklich, dag Gott Menfh ward. Es genügt nicht zu fagen: das ewige Wort habe einen Menfchen angenommen. Das würde auf zwei Söhne, zwei Perfonen führen; da würde das Wort: „der Logos ward Sleifch“ verdreht und entleert. Hätte das ewige Wort eine ihm. gleichfam gegebene Menſchheit angenommen, fo wäre das bie füindige abamitifche geweſen. Da dig nicht darf gefagt werben, fo muß die reine Menſchheit befieren Urfprungs, nem⸗ ih aus dem ewigen Worte felbft und zwar fo fein, daß das Wort felbft dieſe Menſchheit ift, die Durch das Wort ward. Das fönne aber nur fo gedacht werben, daß das ewige Wort Gottes felbft, der Schöpfer der Welt, aus Liebe zur Menfchheit feine Herrlichkeit und Hoheit aufgab und Fein warb um unfert- willen. ) Der Sohn Gottes fette fih um in die Elemente eines Menſchen, einen Menfchenfeim, der in den burd den heil. Geiſt zubereiteten Leib der Jungfrau niedergelegt ward (Ems pfängniß) zu wahrhaft menſchlicher Entwicklung, vermöge deren er die abgelegte Hoheit wieder gewann. Dieſe Annahme wider⸗ ſpreche nicht der göttlichen Unwandelbarkeit; denn unverrücklich 9) ©. 674. Das ewige Wort habe „bem felven verfleynt ende um onfent wille zyn godlyck behoor, recht en heerlychckheydt eenen tyt lanc te bupten gegaen is. Das „eeuwige glorieufe Woort“ fei nicht in feiner erfien Gehalt geblieben „oulydelyck ende onverfeert,“ ſon⸗ bern habe etwas verloren das es von feinem Bater wieder erbat. Es Habe feine Klarheit eine Zeit ang uns zu Dienſt verlaffen und fei „een arm ellendich ſteiffelpck Menſche gheworden,“ und ven bittern Zod für ung geflorben. Joh. 3, 13. Eph. 4, 9. 10. Phil. 2, 7. Chriſtus fage er fei vom Himmel hernievergelommen ; fo fei alfo auch der Menſch Chriſtus urſprünglich nicht von der Erde fondern vom Himmel; er heiſſe Menſchenſohn, der auf Erven im Himmel ſei, weil feine ewige Gottheit nicht fo unver⸗ fehrt blieb als die Gelehrten Tagen. Es wurde Menno oft vor: geworfen, daß er lehre Chriſtus fei aus dem heil. Geift geboren; das Iehnt er ab (Fol. 689 f.) aber gibt eine Veränderung zu an der Subflanz des Worte, jedoch keine ſolche wodurch dieſe Sub⸗ ſtanz aufgehoben würde. Auh Adam warb aus Erde gefchaffen und blieb doc Erbe. Fol. 690. 698. 704 f. Menno Simonie. 639 bleibe dabei ber Bater, ſowie Gottes Wille und Rathſchluß, wenn auch aus Liebe der ewige Sohn ſich leidentlich mache und verwanble in einen wirklichen Menfchen. *) Auſſerdem fei auch bie Subflanz des Logos in ber Knechtsgeſtalt des Menſchen nicht aufgegeben; vielmehr fei nur das erreicht, dag nun biefer Menſch eine wahrhaft heilige ja göttliche Natur habe; denn bie Natur des Sohnes Gottes fei feine eigene; unb fo fei eine vollſtändige Einheit der Perfon (und der Natnren) bergeftellt. 5) Die Schrift fage nirgends, das Wort habe einen Denfchen angenommen, oder es feien zwei Perfonen und Söhne von ver: fehiedener Art und Natur Eine Perfon und Ein Sohn, fondern: das Wort fei Fleiih geworben und Ehriftus fei felbft Gottes Son. Das fei nicht gegen Gottes urfprünglihe Drbnung, dag ein Menfch unmittelbar durch Gott werde; bas beweife fa der erfte Adam. Aber Das wäre gegen bie Orbnung Gottes Geneſ. I, 27.), wenn ein Menfch unferer Art anders ald von einem Vater und von einer Mutter follte geboren werben. Der Bater gebe den Saamen: wo das nicht gefchebe, da fei auch nicht ein Menfch unferer Art. Die Gelehrten mit ihrer Art die jung- fräuliche Geburt zu denken, erreichen alfo gar nicht, was fie wollen; fie nehmen ein faljhes Wunder an, das wider Gottes Ordnung fei. Und was erreichen fie Damit? Wenn Chriftus ein wirk⸗ liches Adamskind wäre, fo wäre ihm auch die ſchuld⸗ Fluch und fündenbelabene Natur zuzufchreiben, und er könnte uns nicht er⸗ föfen. Und blide man von bier auf den Sohn Goties, ber ein Adamskind follte angenommen haben, fo wäre ebenbamit ber Sohn felbft nicht ins Fleifch gekommen; er hätte ben Men: ſchen von Maria mur als ein Inſtrument zum Leiden für uns gebraucht. Sollte aber er felbft leiden und nicht ein Anderer an feiner Statt,. fo mußte er ins Fleifh kommen, fonft hätte ex nicht können leiden; das fei zu Far, als daß man es läugnen könne.) Die gegnerifche Anficht habe einen getheilten Chriſtus, — — ——— — — * Fol. 691 ff. 9 Fol. 694, 6, Fol: 695. 589-—600. 640 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt IT. Kap. 2. bie eine Hälfte vom Himmel bie andere von ber Erde; fie führe auf zwei Perfonen; denn fie wiffe nur ungereimter Weile zu fagen: obfchon jeder Menſch eine Perfon ift, Chriſtus aber ein Menſch war, fo fei doch Chriſtus allein Feine Perſon; fte lehre zwei Söhne in Chriftus, Gottes Sohn ohne Mutter und uns feidentlich und des Menſchen Sohn ohne Bater aber leidentlich. Nach ihr leide nicht Gottes erfigeborner und eingeborner, eigner Sohn, fondern Marias vaterlofer Sohn von Adams todſchul⸗ digem fünblichem Fleiſch, für und den Tod. Eine gefchaffene Erea- tur könnte auch ohne Abgötterei nicht angebetet werden. Chriſtus bat freilich Abrahams Saamen angenommen, bas heißt bie Gläubigen begnabigt; aber hätte dag Wort einen wider alle Ordnung der Natur in Maria aus ihrem Fleiſch gefchaffenen Menfchen angenommen, fo hätte Er, Chriftus, (als Menfch)- nicht Gott zum wahrhaftigen Vater, noch wäre Maria feine (des Gottesſohns) wahrbaftige Mutter; er ift beider Sohn nur, wenn er, ber ewige Sohn fich felbft Hein gemacht, wenn dieſen Maria empfangen und geboren bat wunderbar durch ben Beil. Geiſt.) Uebrigens nimmt er feine ewige oder präeriftente Menſch⸗ beit an, ®) wie auch feine menfchliche Seele bie nicht vielmehr ber erniedrigte Sohn felbft wäre; er redet nur Immer von dem reinen und heiligen Fleiſch Chriſti wie er auch unfre Erlöfunge- bebürftigfeit nur in dem angeerbten fünblichen Fleiſche fteht. Aber auch das iſt nicht abzufehen, wie er eine ewige Gott menſchheit a parte post fefthalten will, wenn doch feine Menſch⸗ beit nichts Anderes als feine Selbfterniebrigung iſt, Me mit ber Erhöhung aufhört. Nach diefer Seite hat feine Lehre große Aehnlichkeit mit den patripaffianifchen Thesrieen der erften Jahr ) Ob Menno Chriftum von Maria gar nichts in Dutterleibe ans nehmen laßt auch nach der Empfängniß, wird aus Fol. 596 f. deutlich, wo er Ehriftus aus Marias Fleiſch wachſend denkt. Aber der Anfangs geſetzte Keim ſelbſt ift göttlicher Subſtanz wie. menſch⸗ licher Form; diefe Form als felbfigegebene ift auch Geftalt des Sohnes Gottes für eine Zeit lang, kräftig genug alles Unreine fern zu halten, das ihm erſt purh Adams Sünde in die Natur kam. ©) Fol. 717 Menno Simonis. Melchior Doffmann. Joh. von Leyden. 641 hunderte, nur bap.DMenno nicht die Wottheit überhaupt, fonbern nur das Wort theopafchitifch behanbelt. 9) Aehnlich wie Menno hatten ſchon andere Anabaptiften, befonders Melchior Hoffmann gelehrt. io) In den wieber-. täuferifchen Artilen des Johann von Leyden lautet der zwölfte: Ehriftus hat die menfchliche Natur von der Maria nicht ange nommen !). Aehnlich lehrten die englifhen und holländiſchen — — ) Menno unterſcheidet ſich hiedurch weſentlich von andern z. B. anti⸗ trin. Anabaptiſten. Das Leiden des Gottesſohnes hat ihm hohe Be⸗ deutung. — Wald Einl. in die Religionsſtreitigkeiten auſſerhalb der evangeliſch⸗lutheriſchen Kirche 1736. 1, 689. weiß viel von Mennos Wankelmuth zu fagen. Er habe bald eine Menſch⸗ werbung Chriftt befannt, bald »geläugnet, daß Chriſtus feine menfchliche Natur von Maria Habe. Wir fahen, daß in feiner wirflichen Lehre Beides fih nicht widerfpricht. Kerner aber fagt Bald, er habe Eprifli Leib aus dem Weſen bald des Vaters, bald des heil. Geiſtes, bald des Wortes durch eine Erihaffung aus Nichts abgeleitet. -—- Aber in Mennos Schriften, die Wald nicht fcheint vor fich gehabt zu haben, ift ein Schwanten; er Iehrt, daß das Wort zu einem Menſchen geworben fei; bes ſchwert fih aber über ähnliche Mißverſtändniſſe, wie Walch fie aus Schyn anführt, und erflärt, Derartiges nie gefagt zu haben. Bgl. Fol. 689— 712, ® 10, S. o. S. 630 f. Vgl. M. Göbel, Geſchichte ver wrifl Lebens I, 180. Wenn ©. ebendaf. S. 198. Menno in der Lehre alle Originalität _ ablſpricht, und ‚namentlich behauptet, feine Chriſtologie habe er von ben andern Wiebertäufern angenommen , fo vermißt man für das Letztere ven Beweis, und das Erfiere möchte doch auch zu weit gehen. Mennos frommes Gemüth fucht den für ihn leidenden Gott; das iſt nicht Die Art der andern Wiedertäufer. Gleichwohl hängt es mit ver anabaptiſtiſchen fchroffen Spannung bes Gegen: fages von Bott und Welt, bei Menno von Natur und Gnade zufammen, daß er ver Maria Feine ‚eigentlichen Mutterrechte an die Subflanz Chriſti gönnt, fie faum zur Amme oder Ernäprerin Chriſti macht. , Walch 1.c.I, 702. Bgl. Eornelins: Berichte der Augenzeugen über das Münſteriſche Wiedertäuferreih. Münſter 1858. ©. 445. —451. (Die Münfterifche Apologie, in der Chriſti Tod für die Sünde bekannt, aber auch gelehrt wird: Alle vie Gottes Wort empfangen, die gebäaren auch Chriſtum und find Mütter Eprifti ⸗ 642 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt TE. Kay. 2. Baptiften; theilweiſe auch yre Eonfeffionen. ') Die Späteren haben Davon abgelaffen oder wenigſtens dieſe Lehre in ben Hinter: grund geftellt. Menno entzweite ſich durch feine Lehre von Chriſtus auch mit Männern, die ihm fonft näher befreundet waren. So mit Johann von Lasky und Martin Myecronius. Diefer hatte mit ihm ein Geſpräch in Wismar, jener in Emden. Sie vereinigten ſich nicht, fondern es entfland ein Schriftenwechfel. '?) Lasky fagt, er erfenne wohl an, dab Menno Chriſtus als Gott und als Menfchen anfehe; aber Gott könne nicht veränder: lich und fterblich fein; und wer nicht menfchliches Fleiſch babe, fei nicht Menſch. Menno erkenne doch an, daß das Wort Geift war; wie ed denn unter Veränderung feiner Eriftenz in Fleiſch übergeben fönne? Seine Erniebrigung Phil. 2, 7. babe ihm nicht blos Die äußere Achnlichfeit mit den Menſchen, die Knechts⸗ geftalt gebracht; fondern uoogr fei beivemale in demfelben Sinne zu nehmen, ed bedeute alfo uoppr dsdls fo gewiß speciem ip- sam, characterem, wie Die uoopn Yes Gottes reales Weſen be⸗ zeichne. Es fei alfo ein realer Menſch angenommen von bem, ber in Gottes Geflalt war. Keineswegs fei mit biefer Knechts⸗ geftalt, die er annahm, auch bie Knechtſchaft unferes Fleiſches unter ber Sünde zugeflanden. Die exinanitio ift dem Lasky splendoris divini voluntaria dissimulatio, nostraeque servilulis in carne nostra assimulaiio. Hätte er per prioris formae — — — — S. 451). Auch eine der wiedertäuferiſchen Confeſſionen, die 1618 zu Horn erfchienene, lehrt Art. 14.15. äpnlih mit Menno: Chriſti Fleiſch oder Leichnam fei nicht von Marta noch einer creatürlichen Subftanz, fondern allein vom Wort des Lebens, das vom Himmel selommen war, im Wefen fern von den Sünden geſchieden. Spätere wie Schpin NHist. Ohristianorum, qui — Mennonitse vöc- cantur c. 7. Art. 8. fprechen zweideutig; vgl. Walch 1.0. ©. 721 f. 12) Manche von ihnen find fpäter Sorinianer geworben. Bgl. Bald ebenpaf. 8) &, die obengenannten Schriften Mennos einerfeits, andrerfeite: Defensio verae semperque in ectlesis receptse doctrinae de Christi domini incarnatione adv. Mennonem Simonis Anabaptistarum doc- torem per Joann. a Lasco Poloniae Baronem etc. Bonnae 1545. 3. von Lasky gegen Menno Simonie. 643 desertionem nositram formam angenommen unb gänzlich bie forma dei niedergelegt, wie fönnte er fagen, daß er im Himmel fei auch während er auf Erden mit und lebte? Daffelbe be: weifen feine Wunder und feine Verklärung. Befonders aber fügt er fih auf Hebr. 2, 14 wie dagegen Menno auf Joh. 1, 14. Eigenthiimliches gibt Lasky nicht; — aber intereffant it, wie die beiden Schriftfiellen, die der assumtio und bie ber incarnalio günftige, bier zum Ausgangspunkt entgegengefeßter Lehren werben, die gleich wenig befriedigen ; denn auch Laskys dissimulatio und assimulatio ſtellt feine wahre Menſchheit ber, droht vielmehr die Incarnatio zu einer bloßen Alloiofe zu machen. Menno bat das Mare DBewußtfein, dag er Luthern näher ſtehe. 1%) ») J. c. Fol. 591. Er führt Luthers Worte an: Hütet Euch, hütet Euch vor ber Alloeosi, fie if des Zeufels Larve. Sie richtet zu: Iegt fol einen Chriſtus zu, nach welchem ich micht mehr möchte Eprift fein, namlich daß Chriſtus fortan nichts mehr ſei no thue mit feinem Leiden und Leben, als ein anderer Heiliger. Denn > fobald ich das glaube, daß allein die menfchliche Natur für ung - gelitten hat, fo tft mir folder Epriftus ein ſchlechter Heiland, fo bedarf er wohl ſelbſt eines Hetlandes. — — — — — Drittes Rapitel, Die Antitriniterier. Melanchthons erſte Ausgabe ſeiner Loci deutet durch ihr Schweigen von der Trinität und der Zweinaturenlehre zwar keineswegs eine Polemik wohl aber eine Gleichgültigkeit gegen die hergebrachte ſpinöſe und ſcholaſtiſche Form dieſer Lehren an. Wenn die Loci in ihrer erſten Form ohne Zweifel doch von der Veberzeugung -getragen find, den Kern bes chriftlichen Glaubens und zwar in reinerer Korm als bisher zu enthalten, fo kann Melanchthon und Luther vie hergebrachte Lehrform von ber Trinität und Menfchwerbung nicht für das Fundament bes chriſtlichen Glaubens angefehen haben, fondern fie müflen, da wir doch anbrerfeits wiffen, baß fie bie Trinität felbft wie bie Chriſtologie entfchieden fefthielten, in ber Zuverficht geftanben haben, von beiden Dogmen fei das zum Heil Nothwendige implicite in Demjenigen enthalten, was fie als Mittelpunkt bes Evangeliums an das Licht flellten. Damit war für eine aus dem Princip der Reformation zu vollziehende Revifion und Regenerirung biefer Dogmen Bahn gemacht, Aber obwohl Melancht hon ſich ſpäter (. 0. S. 613 f.) dem Gefühl biefes Bebürfniffes nicht entziehen fonnte, fo begnügte er fich doch mit Vereinfachung jener Dog: men, ohne Hand an eine Fortbildung zu legen. Der Beruf bazu follte auch den Reformatoren fehlen; fie follten bie ob- jektiven Dogmen unbewegt Yaffen, damit nicht, wenn Alles zu: gleich in Reform genommen würde, bie Ufer von der Bewegung überfluthet würden. Vielmehr follte die Reform vor Allem — erft in Conſolidirung des veformatorifchen Principe ihr Regulativ und ihre Haren Zielyunfte gewinmen. Das Tobte und Starıe, Die Antitrinitarier. 645 was das überlieferte Dogma angenommen, war fir Diefenigen faum fühlbar, denen überhaupt in der Freude am Reichthum des neuen religiöfen Lebens die Dunkelheiten auf dem Gebiet ber wiffenfchaft- lichen Erfenniniß ein Kleines waren. Und um fo leichter ward es ihnen, ſich bier der Autorität firchlicher Tradition zu fügen, als diefelbe, wenn auch in noch nicht genügender Form Pie-ganze göttliche Hoheit Ehrifti ficher ftellte, die für die Verfi ühnung und bie Rechtfertigung bie unerläßliche Vorausſetzung und im Heils⸗ glauben verbürgt war. ') Einen ganz andern Standpunft nahmen die Antitrinitarier ein, Entblößt von dem eigenthümlichen ſittlich veligiöfen Princip ber Reformation, Dagegen dem Intellectuellen oder Moraliſchen zugewandt, behandeln fie die Reformation einfeitig als Aufflär- ung, Befreiung von allem Aberglauben, und indem fie vom Standpunkte des Humanismus und ber Bildung die negativen Folgen des reformatorifchen Principe gut hießen, aber bes inne ven Haltes und Maaßes den diefes Princip in fih trug ent behrten, hielten fie fich gleichwohl für die Vollender ber Refor⸗ mation, während fie in Wahrheit und principiell angefehen in ihrer religiöfen ,. theils magiſchen, theils pelagianifchen Grund» anfhauung noch auf dem Standpunkt des römiſchen Principe ftehen blieben, fo zwar daß fie bie nur im evang. Glauben wahrhaft befreite und gebundene Subjektivität gegen bie Seiten n Auch Calvin hat um die Zeit des Streites mit Caroli die Noth⸗ wendigkeit fortbildender Reviſion der Trinitätsiehre geltend ges macht. Aus diefem Grunde Ichnte‘ er die Berpflichtung auf das Athanaflanım ab und wollte die Worte persons, Trinitas als Schulausdrücke von der Lehre felbft ablöfen. Er war aber dabei - fo wenig antitrinitarifch gefinnt, daß er eine vollſtändigere Durch» führung der Trinttät wünſchte. Er erkannte treffend, daß in der dergebrachten Form ber Sohn noch nicht die volle Gottheit Habe, weil das. Seyn a no (aseitas) dem Bater vorbehalten fel, der bas durch ein Uebergewicht erhalte und mit der Monas ober mit dem göttlichen Weſen iventifichtt werde. Die Antitrinitarter, mit denen er zu kämpfen hatte, fehten an biefem ſchwachen Punkt des Dogmas gewöhnlich ein und zogen daraus ihre antitrinitariſchen Folgerungen. Dorner, Chriſtologle. W 2te Aufl. 42 “ 646 Zweite Periode. Zwelte Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt IL Kap. 8. des Firchlichen Syſtems fehrten, welche dem Verſtand einen An- ſtoß geben und. practiſch unfruchtbar fcheinen. Genauer betrachtet find aber mehrere Strömungen des Anti⸗ trinitarismus zu unterſcheiden. Erſtens die anabaptiftifche, weiche in ber erften Zeit bis gegen 1540 fiberwog. Dabin gehören Heger und Denk, ſowie David Joris mb Cams panıs Zweitens bie theofophiihe Naturphilsfophie des Servede mit feiner Schule. Drittend bie ſocinianiſche Strömung, welche zuletzt faft allein übrig blieb. — Alle find chris fiologifch darin eins, flatt ‚der Zweiheit der Naturen zu einer Einheit derfelben hinzuftreben oder fie zu lehren ; aber das fonnte entweder fo gefihehen, daß eigentlich nur göttlide Natur übrig blieb, die wahre Menfchheit aber bofetifch geläugnet warb, wie bei den Anabaptiften; oder aber fo dag nur menfchliche Natur übrig blieb, wie am Flarften bei den Sorinianern. Eine Zwiſchen⸗ ftufe die fi} aber nicht als haltbar erwies war bie, welche pan⸗ theiftifch eine unmittelbare Einheit des Goͤttlichen und Menſch⸗ lichen annahm, wie Servede. 1. Die antitrinitarifchen Anabaptiften find zwar von Menno 'verfejieden, aber doch mit Menno von Servede und feiner Schule befonbers durch eine ganz entgegengefebte Stellung zur Natur und Leiblichfeit getrennt, die fie in ihrem Spirimalismus verächten oder negiren, während Servede fie vergöttlicht. Nur hat ihr Speiggalismus nicht bie ethifche und religiöfe Energie Mennos, fondem ift mehr theoretifch und pantheiſtiſch gefürbt. Denk (+ 1528) und der von hm abhängige L. Hetzer (4 1529) verwerfen das äußere Wort und Sacrament, ohne Zweifel haben ſie auch auf den hiſtoriſchen äußeren Chriſtus kein Gewicht gelegt. Dagegen iſt ihnen Alles das innere Wort, das fie zu allen Menſchen in weſentliche Beziehung ſetzen.) Diefes Wort ift hervorgebracht aus dem Wefen Gottes, der Urquell der Kreaturen iſt durch den Beift, das heißt feine Kraft. Das Wort ift ber Potenz nach die Gefammtheit ber Menſchenſeelen — 2) Was an die Quäcker erinnert. % 1. Anabaptififpe Antitrinttarier. Denk. Hetzer. David Joris. 647 welche in die Zeit allmiählig hineingeboren burch freien Willen und gute Werfe alle felig werben. ®) David Joris (Georg, um 1536, + 1556) hebt bie Hypoflafe des Sohnes oder Wortes noch beftimmter auf: „bag wahre Wort Gottes ift Gott felbfl.“ Er gebt von der Subs ordination zu einer Art von Sabellianismus fort, die an bie Pfeuborlementinen erinnert und fucht Chriftus Durch feine Theprie von Weltaltern und fleigenden Dffenbarungen Gottes eine bes flimmte Stelle zu geben. „Das Eine göttliche Weſen führet viele Namen unter Einem wahrbaftigen Weſen Chriſti unfert- halben.“ Die mancherlei Namen bes Einen Gottes, der als fich offenbavender „Chriftus“ heißt, find mancherlei Ausfprüche, Aus⸗ flüffe Gottes, der an’ fich nicht theilbar ift, aber fich in gewiſſen menjchlichen Perfonen Hütten und Wohnungen zugerichtet hat, durch welche Welttage oder Perioden bezeichnet werben. Diefe Perioden find Stufen, entſprechend dem Leib, ber Seele, dem Geiſt; ober dem Alter bes Kindes, Jüngfinges, Mannes ober dem. Glauben, der Liebe und Hoffnung. Sich ſelbſt fah er ale bie pöchfte Stufe an, und feheint fih bald David bald Elia zu nennen. Die Menfchen werben erlöst durch innerliches Leiden und Sterben nad dem Vorbild Jeſu; da fegt fü bie Geburt Chrifti, der das Herz und bie Natur Gottes ift, fort; bie Gläubigen find Ehrifti Muttgr indem fie ihn gebären. Er geht in fie ein, und. nimmt die Menfchheit an, indem fie ein⸗ gehen in ihn, in ben Chriſtus nad dem Geift, buch Buße und Glauben. Das legte Reich foll nicht gezimmert werden von bem fleifchlichen, leichnamlichen Chriſto, ſondern von Ehriftus nach dem Geiſt; es kommt mit David Zoris. *) 3 Dents Lehre ergibt einen emanatiſtiſchen oder. pantpeiftifchen Suborbinatianismus, der folgerecht für die Präeriftenz der Hp⸗ poftafe bes Wortes feine Stelle übrig laſſen könnte, obſchon er es noch will, Eonfequent geht daher Adam Paftoris, auh Rud. Martini genannt, um Chriſti präeriftente Oppoſtaſe zu behaup⸗ ten, zur Weſensungleichheit mit Uebereinſtimmung des bloßen Willens, alfo zum Arianismus fort. ' *% Das fleiſchliche, antinomiftifcde Ende biefes Spiritualismus und 42 * 648 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abfchnitt TIL Kay. 3. Der fchroffe Gegenfag zur Natur und Leiblichfeit milbert fich fchon bei Eampanus. Er bildet den Uebergang zu einem wenn auch vorerft noch myſtiſch gehaltenen Naturalismus. Campuͤnus meint, eine göttliche Zweiheit der Perfonen mit der Einheit veimen und durch das Verhältniß ber zwei Ges fchlechter begründen zu: können. Nicht der Menſch, fagt er, fon bern ber eheliche Menſch ift Gottes Gleichniß: in der Ehe finb zwei Perfonen und Ein Menfh in Einem Wefen. So find Bater und Sohn Ein Wefen. Und wie aus Adam Eva ward, fo iſt ber Sohn aus des Vaters Weſen und Natur gezeugt, gemacht, geſchaffen. Darin ift auch unbefchabet der Wefenseins beit bie Suborbination des Sohnes begründet. Er nennt ihn Gefandten, Diener, Amtmann Gottes. 5) | Wenn der Anabaptismug, wie bie genannten Männer ihn vertreten, von der verumreinigten Diyftif, die noch in Trümmern ſich bei ihnen findet, ernüchtert, fo fällt er -hriftologiich einem pantheiſtiſchen Ebjonitis mus in die Arme, wie einen ſolchen Seb. Franf, Theob. Thamer u. A. darftellten. Die Ge ringfchägung des hiftorifchen Chriftus macht bei diefen der Lehre son bem allgemeinen Chriftus Bahn, die Gränzlinie zwifchen Natur und Gnabe wird zu Gunften einer allgemeinen Göttlichfeit ber Menſchheit verwifcht. Schon Fünbigte ſich auch ein judaiſtiſcher Ebjonitismus in Claudius von Savoyen an, dem Chriſtus bios ein übernatürs ih vom heil. Geiſt erzeugter Menfch ift. feiner frevleriſchen Anmaaßung ber Göttlichkeit f. bei Trechſel. le. ©. 53 ff. 9 In Bott die Einheit der Gefchlechter zu fehen, iſt ein alter Fun⸗ bamentalfag für gewiffe naturphiloſophiſche Syſteme. Wir wiffen nit, ob Campanus ihn weiter verfolgt hat. Der Sopn if ihm ohne Zweifel als Princip ber Offenbarung zugleich mit der Endlichkeit und Materie geeint, aber präeriftent als göttliche Perſon, ditheiſtiſch. Den Heil. Geiſt hypoſtafſirt Campanus nicht mehr. Seine Schriften find: Wider alle Welt nach den Apofleln 1530. Reflitution und Befferung göttlicder heil. Schrift 1582. Se baſt. Frank begrüßte in ihm einen Geiſtesverwandten. Campanus. Geb. Frank. Th. Thamer. — 2. Mich. Servebe. 649 2. Wie Shwendfeld eifert. Servede ®) gegen bie bergebrachte Form ber Lehre von ben zwei Naturen, bie er weiter ‚gehend als Schwenckfeld, überhaupt verwirft und das Dogma des Antichrift nennt; wie Schwendfeld nemmt er das . Fleiſch Ehrifti, feinen Leib und feine Seele conſubſtantiell mit Gott, aber in einem Sinne, ber zwilchen der allgemeinen Natur und der Gnabe nur verſchwimmende Gränzen zuläßt, indem feiner theoſophiſchen Naturphilofophie Alles göttliher Subſtanz ift. Nach der legten, am meiflen von Neoplatonismus tingirten Darftellung feines Syſtems ift ihm Gott bie untheilbare an ſich abfolut umerfennbare Einheit, welche aber zur. Selbftoffenbarung eine wefentliche Tendenz bat. In feinen Offenbarungen ift er auch, aber immer nur nach einer Seite feines Weſens mulii- mode dispositionibus quibusdam, das ift in Selbſtbeſtimmungen zu Offenbarungen, deren es zwei Grundformen gibt, die objek⸗ tive ober Gott darſtellende und bie fubjeftive oder Gott inner: lich mitiheilende, Wort und Geiſt. AU diefer Gehalt feiner Offenbarung ift urfprünglich in einem ideellen Weltbilde, dem Worte concentrirt, aus welchem Alles nach Art unb Orbnung ſich ideell ableitet wie aus feiner Wurzel. Aber diefes „Wort“ oder Weltbild darf nicht mit dem hypoſtatiſchen Logos ber Kirche verwerhfelt werben, fofern es nicht perfünlich ober ewig coexiftirt neben Gott, fondern Gottes Aft ift, der fih und Gott fichtbar machen Tann, eine in Gott als Gedanke Gottes ſtrahlende Licht⸗ geſtalt. Ferner die kirchliche Idee des Logos macht Anſpruch darauf, ſchon Realität zu ſein, ja fertige und abſolute, während nach ihm erſt in der wirklichen Welt des Wortes volle Realität ©, De Trinit. erroribus L. VII, 1681. Dialogorum de Trin. L. I, 1582, Diele beiden find überarbeitet aufgenommen in die Sammlung feiner Schriften, die er unter dem Zitel Christianismi Restitutio MDLIM. edirte, und welche 5. Bücher und 2 Dial. de Trin. div. ent« hält. SchIüffelburg Catalog. haeret. L. XI. Bgl. Heberle: M. Serveis Zrinitätslehre und Epriftologie Tüb. Zeitichrift 1840, 2. Baur 1. c. II, 54—108. und befonders Trechſel, die prote ſtantiſchen Antitrinitarier I, 61-150. 1889. 650 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt IL ap. 8. fi abſolvirt. Hienach Fan das ideelle Wort das aller Dinge Saamen trägt erft real und reale Perfon (nicht blos Erfcheins ung) werben in der Eosmifchen Wirflichfeit. ”) Es Tünnte biefes auf ein allgemeines Menſch⸗ oder Perſonwerden Gottes führen: aber er ſucht doch mit der chriſtlichen Offenbarung in Einheit zu bleiben und für Chriſtus eine ganz einzige Stelle vorzu⸗ behalten. In jenem ideellen Weltbilde nemlich iſt zwar Alles ent⸗ halten, was iſt und ſein wird; aber doch ſo, daß das erſte Ur⸗ bild (Archetyp) in der urbildlichen Welt Jeſus Chriſtus (deſſen Urbild) if. Er iſt bie Mitte, der Anfang und das Ziel ber Urbilber, deren Verwirklichung mit ber Schöpfung beginnt. Das Urbild Ehrifti aber iſt Idee feiner als eines veal werbenben; ber Rathſchluß der Menſchwerdung ift ewig und nicht erft Durch die Sünde bedingt. Der, Inhalt diefer ewigen Idee Chriſti if das Antlig der wahren Menfchheit, deren Berwirkiihung bie objektive Erſcheinung ift son Gottes Angeſicht. Ja das„Fleiſch EhHrifti“ enthält die ganze Gottheit des Baters-fuhftantiell in ſich. Des „Wortes“ Inhalt überhaupt iſt ihm einerfeite Idee des Vaters: der Vater benft gleichfam ſich ſelbſt nad ſeinem Weſen, oder nothwendig; aber dieſes Ideelle oder dieſer Gedanke hat zu ſeinem Inhalt zugleich andererſeits die Welt, welche alſo nichts Anderes als Gottes Selbſtver⸗ wirklichung iſt, allerdings vollzogen nach Servede durch ſeinen Willen 8) | Aber wie fonnte nun jenes Ubi Chriſti Darin ideell des Vaters ganzes Weſen beſchloſſen iſt real 1 Deu werben mit ” Wiewohl Servede felbft das Wort „persona“ fabelllanifh für Rolle braucht, daher für die altteftamentlichen Schatten der chriſt⸗ lichen Offenbarung, in ber erft Gott, pas Weſen ſelbſt erfchien. ° Man flieht, er will durch Zwifcheneinfchiebung des ewigen Wortes, das zugleich Gedanke von Gott und der Welt fein fol, ein ewiges von der wirklichen Welt unabhängiges göttliches Sichwiflen be: haupten ; andrerfelts die Welt ideell doch in Gottes ewigen Wefen begründen, und nur ihre Wirftichkeit, zu ver die Materie gehört, nit in Bott ſelbſt als ſolche hineintragen. - DM. Servede. 651 Fleiſch, Blut, Seele? Das fucht er zu beantworten durch feine Lehre von Chriſti übernatürlicher Geburt. Um biefe zu vesfteben, muß man erwägen daß ihm Gott, obwohl ohne Selbſt⸗ offenbarung unerfennbar und einfach, doch zugleich ein. unend⸗ licher Schooß von Formen und Kräften ift, denen er auch Welt: wirklichkeit gibt in Gemäßheit jenes Weltbilbes, bes Wortes, das ebenfo Das Natürliche (Licht) wie das Geiftige in ſich faßt, und aus dem ber heil, Geift hervorgeht, in welchem wieder Natürliches (Hau) und Geifliges geeint ift, aber unter bem Typus des Mittheilens (dispositio communicalionis ſ. 0.) ; Natur und Geift (Sein und Denken) haben alfo in Gott dem Bater ihre urfprüngliche Einheit. Aus feinem Weſen (durch feinen Willen vermittelt) find beide, bie ebenbaher nie ganz von einander Josgeriflen, ſondern baflelbe göttliche Weſen fund, unter verfehiebenen Modis. Die Natur iſt geworben aus dew Licht aus Gott das im Worte firaplie; durch verfchiebene Abwandelungen der formenden Lichtkraft ift Waſſer, Luft, Feuer geworden, die den Stoff, das Chaos geſtalten, während das die Welt innerlich belebende und begeiſtende die Welt⸗ ſeele iſt, die dispositio Gottes als Geiſtes, vermittelt durch Wie nun überhaupt Gottes Natur und Geiſt in der Welt⸗ wirklichleit in Zeit und Raum erſcheint (ohne ſelbſt zeitlich zu werden), gemäß jenes ideellen Weltbildes Ordnung und In⸗ halt: ſo vollzog ſich auch die wunderbare Geburt Deſſen, in wel⸗ chem „das Wort“ in feiner Fülle und Ganzheit, ober „das Angeſicht des Vaters“, die dynamiſche Ganzheit ber Subſtanz GSottes, nicht blos ein Theil, in Weltwirklichkeit treten ſollte, fo, daß Gott feine Natur und feinen Geiſt unbefchabet ber gött⸗ lichen Intenſität in Keimform nieberfonfte in Maria, damit Chriſtus würde. - Eine lichte, wäflerige, ätheriſche Wolfe aus Gottes Subflanz, bie er auch einen himmlischen Thau nennt, ũberſchatiete die Jungfrau und ward mit dem erbigen Stoff (dem Saamen und Blut) aus Maria als viertem ber Elemente ſich verbindend zum Leib des Herrn, der daher göttlicher Natur und Subftanz obwohl auch menſchlich iſt; ebenfo warb bie Weltfeele 652 Zweite Geriode. Zweite Eporpe. Abthl. 1. Abfenitt TIL Kap. 3. in ihm zu einer menfchlichen Seele. ”) So warb ein Menſch ge bildet, der nad) feiner Subſtanz, leiblicher und geiftiger, Bott ift; für die kirchliche Zweiheit der göttlichen und menfchlichen Natur aber bleibt dem Servede weder Stelle noch Bebürfniß. '%) Diefer Menſch ift auch ohne eine ewige reale Hypoflafe des Wortes natürlicher Gottesfohn ; Das ewige Wort, das nur erft in Gottes dee und Potenz präerifiirte, hat eine perſönliche Exiſtenz in ihm erreicht mittelft feiner menfchlichen Begränzung, und Alles, (auch die Leiden), muß ebenfo auf Chriſtus ald Gott, wie ale Menschen bezogen werben. Aber ebenfo auch feine Gefchöpflich- feit, die mit feiner Gottheit nicht ſtreitet. Er iſt aber nicht vollendet von Anfang an, fondern obwohl ver Subflanz nad Gott, in welchem zugleich ewig die Menfchheit präformirt if, muß er doch die Potenz erft entfalten und verwirklichen, was er auch als Mittheilung eines neuen Geiſtes beſchreibt. So ge- winnt Servede Raum für eine menfchliche Entwidelung,, die erft mit ber Auferfiehung abfchließt und deren Probuft ber heil. 9) De Trin. div. I, ©. 9. Verbum dei instar nubis obumbravit virginl. Egit in es, ut ros geniturae, instar imbris terram germinare facien- tis. L. IV. S. 159: Sieut paternum nostrum semen est aqueum, aöreo et igneo spiritu plenum: ita in Christo nubes illa oraculi Dei (das heißt Verbi) velut aquea aörea et ignea, fuit ros naturalis geni- turae Christi, nihil in se terreum continens. Das brüdt er auch aus: Deitas egit vice seminis. Obwohl jene drei Elemente (welche durch den heil. Geift mit Erde aus Maria fih Chriſti Leib bilden) nicht wie der männliche Saame in fi felbft mit Erde gemifcht, fons bern das exemplar substantiale diefer Elemente felbft, ja aus Gottes Subſtanz find, fo find fie doch geſchaffen. Bgl. Heberle Le ©. 23. — Chriſtj Seele eingeblafen von Bott enthielt die ganze Weltſeele, ja die Gottheit (nynamifc) in fi. Dial L ©. 231. II. 263-268, 1) Das aber will er nicht zugeben, daß Gott ein Menfch iſt, das wäre Gottes unwürdig de Trin. I, 14. Gott bleibt in feiner Ewig- feit, dieſe tft aber fo zu denten, daß er ewig.das Wort der Menſch⸗ werbung fpricht, das feiner Zeit fih realifirt. Alfo nur „das Wort iſt Zleifch geworden.“ Es iſt nicht mehr nur was vorher, hat aber auch nichts verloren, fondern es iſt dadurch Fleiſch geworben, daß Cprifti Fleiſch ein erhöhetes, „Fleiſch⸗ Wort“ (Caro- Verbum) ward. ©. 201. 202. 206 f. M. Server. 653 Geift ift, welcher von ihm allein ausgeht und ber gleichfalls geiſtleibliche Art Hat.) Da fo nah dem Servede Chriflus wirklich die göttliche Subftanz iſt, erſcheinend in menſchlicher Begränzung und Wirk⸗ lichkeit wie das in der ewigen Weltidee gedacht, und daher in Gottes Weſen begründet iſt, welches zu ſolchem begränzten organi⸗ ſirten Sein als zu einer volleren Realität tendirt: ſo hat ihm un⸗ läugbar Chriſtus eine ſehr hohe Stelle. Ferner iſt ein ſpecula⸗ tiver Gedanke darin enthalten, daß er die ewige Zeugung bes „Wortes“ als bes Weltbildes nicht als abgeſchloſſen, ſondern theils als ewig geſchehende denkt, theils als eine ſolche, welche die volle objektive Realität, welche fie nad) ihrer Idee haben ſoll, erſt in ihrer Offenbarung oder der zeitlichen" Geburt finden fann. Nur ift das Letztere nicht genug motivirt. Einmal weil biefe unfre 1) Au dem Servede mußte der grobmaterielle Stoff aus Marta Schwierigkeit machen. Er denkt Chriſti Leib nach der Auferfich- ung von dem, was Antheil von Maria ber war, fchlechthin frei de Trin. div. L. V,&. 195. Zrefel I, 105. Dial. V. S. 275 ff. „In .resurrectione illud esse creaturae, quod per incarnationem acquisivit, ita ac si esset res accidentalis, omissum est.“ Chriſtus if nun zu bem pristinus Verbi status zurüdgelehrt, und iſt Gott und in Bott wie zuvor. Früher hatte Servede au die Deconomie der Trinität aufhören Iaffen. An dieſem Punkte zeigt fich alfo ein dunkler pualift. Reſt, dem auch feine idealiſirende Auffaflung der Natur nicht ge: wachfen war, fondern nur auszumweichen vermochte. Dan könnte geneigt fein, von hier noch zu der Bermuthung eines bewußten oder unbewußten Dualismus in feinem Spftem fortzugeben, und dafür das ſtarke Gewicht anführen, das er ohne Motive ethiſcher Art auf das Real werden des Inhaltes des Wortes legt, welches in der göttlichen Sphäre für ſich noch fehle, und doch nur mög- lich fei mitte eines Stoffes in welchem das Ideale durch Gottes Willen erfiheint und fih vealifirt. Aber Servede ſcheint ein allgemeines Umfchlagen oder ſich Verwandeln ber göttlichen Sotenzen in werdende Weltwirklichkeiten durch Gottes Willen an⸗ genommen zu haben, da er in der Schrift de Trinit. L. II. das transire des potentissimum Dei Verbum in carnis materiam damit vergleicht wie wenn ego proferens verbum ex ore meo projicorem aurum eb margaritas, denn dann Wäre ganz eigentlich vox mes facte aurum. 654 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt II.Kap. 3. ’ finnenfällige Wirllichkeit leine volllommnere Realität — das Wort im metaphpfifchen Sinne genommen, einträgt. Läßt er doch felbf fie nach der Auferfiehung wieder fchwinden Sodann, weil er als Motiv dieſes Kortichreitens von ber ewigen Zeug: ‚ung (des Weltbildes) zur realen Menſchwerdung Gottes nicht die Liebe Gottes erfennt — fonft hätte er dieſe ſchon für das Weltbild müffen den Grund fein laſſen — fondern nur einen Willen, der vom göttlichen Denken, ja weiter zurüd von bem nicht ethifch gedachten Wefen Gottes beflimmt if. _ So fommt es, daß bie Welt ihm folgerichtig für Gott nur Realifirung bed Gedankens feiner ſelbſt, Selbitverwirklichung werden müßte. Diefe pantheififche Anlage des Ganzen 12) verderbt ihm bann aber auch feine Chriftologie. Denn wenn Alles göttlicher Nas tur und Subſtanz ift, fo verfieht ſich freilich Dasfelbe auch von Chriftus: aber wozu dann jene Funftreichen Anflalten, die er für eine übernatürlihe Geburt eintreten läßt? - Die Seele ft tim aus Gott und iſt feiner Subflanz wenn auch zunächſt in Form bes Keimes; das iſt das göttliche Ebenbild, daß dem Menſchen in Seele und Leib bie Gottheit eingepflanzt (insita) iſt. Für Chriftus bleibt das Auszeichnende, daß ex allein ſündlos if und Gottes voll, währen bie deitas in ben anbern erfi durch bie Wiedergeburt frei wirb, bie ſich auch in ihnen dadurch vollen⸗ det, daß das Creatürliche ausgefchieden wird, und bie reine göttfihe Geflalt übrig bleibt. Kerner ligt Chriſti Auszeich⸗ nung barin, baß dieſes Durch ihn vermittelt wird, und zwar nicht blos durch ihn als biftorifhen. Denn fein verflärter Leib und fein Blut nähret und verähnlicht uns Teiblich feiner gött⸗ lichen Glorie; und ebenfo verfläret uns fein Geift, ben wir mit der Luft einathmen, bie- fein Hauch if. DBefonders aber ſucht er für Chriſtus eine ausgezeichnete Würde dadurch vorzu⸗ behalten, daß er erſt in ihm das göttliche Wefen für unfre Ans ſchauung erſchloſſen fein läßt. Bor ibm waren nur Berbilder feiner Erſcheinung. Das Wort zwar , deffen imerſter Inhal — - 12) Ex Dei substantia find ihm omnes creaturae. Omnie sunt Deorum plena. Bgl. ©. 187. M. Servede. - 655 er ift, war gefprochen von Ewigkeit, unb nicht unwirkſam: aber damit feine Herrlichkeit um fo heller firahle, wirkte es Anfangs nur Vorzeichen feines Kommens hinein in bie Wirklichkeit. So im Gewiffen, im Geſetz, in den Geremonien bie durch fein Sprechen wurden, oder in ben Engeln, bie feine Rolle fpielten (Michael vor Allem). Sodann gab fih das Wort eine ſicht⸗ bare Erſcheinung in der Wolfe und für die Profeten in ven Ge fichten. Endlich Tieß es fich nieder in Chriſtus. Während zuvor Gott fih nur wie durch Nebel und Wolfe ober wie durchs Fenftergitter zeigte, jo war er jegt nicht Blog gegenwärtig fonbern gab fich zu ſchauen in feiner Herrlichkeit. Aber wie biefes für fh nur anf einen theils intellectualiftiichen theils phyſiſchen Heilsproceß führt, fo ift aufferdem aus Juden und Heiben nadı ihm Ieder fufifteirt worden, der recto naturae molu gut ge Tebt, und ſich dadurch ber Gnade wildig gemacht hat, bie von dem ewigen Menſch werben follenden Verbum ausgeht. In feiner erſten Scheift hatte Servede niebriger von Chriſtus gebracht ; ba mar ihm Chriſſus nur ein durch Gottes Gnade zum Sohn Gottes gewordener Menſch. Das betrachtete er fpäter als kindiſch (ſchon 1532 in feinen Diall.) indem er durch feine pantheiſtiſche Denfweife in Verbindung mit der Annahme von varii modi et subordinationes in Deo fih im Stande fab, Chriſtus ohne eine Zweinaturenlehre '>) eine höhere Stelle anzuweiſen. Anfangs ſuchte er feftzubalten, daß Bott nur bie unbewegliche Monas fei. Aber Damit ift ſchon feine erſte Lehre von den göttlichen Dispositiones in Widerfpruch, welche, wenn Gott nur jene Monas wäre, nur verfhiebene Heflere Des Einen und felbigen Gottes fein könnten, bie ihren Grund nur in ber ver fchiedenen Beichaffenheit der Gott veflectirenden Welt hätten: wahrend fie ihm gewollte Erfcheinungsformen feiner felbft find, in welchen er ifl. Se mehr dann aber neoplatonifche Elemente auf ihn einwirkten, befonbers bie Lehre von einer präcriftirenden Idealwelt in Gott, deſto beflimmter ging er zu zwei ewigen dispositiones in Gott über, in welchen bas göttliche Weſen 13) L. V, ©. 181. 182. L. I, ©. 16. 656 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abfchnitt IN. Kap. 3. ewige Eonceptionen denkt, die auch nicht blos ibeell find, ſondern wenn gleich zunächſt noch nicht weltwirllich, doch ewig bereit fiebenb als Urbilder für die Welt, die in Gott als Lichtgeſtal⸗ ten firahlen, das Wort und ber Geiſt. Sie behalten freilich auch fo in der göttlichen Sphäre mehr nur eine ſchwebende Sub- ſiſtenz: erſt in der Weltwirklichfeit gewinnen fie volle Realität; fie entftanmen ferner dem Willen Gottes — haben infofern etwas von ereatürlicher Art an fih. Andrerfeits tragen fie Gottes Subflanz, den fich offenbarenden Gott in ſich, und fo find fie göttlich. Da mußte aber, weil die Bewegung nicht mehr abfolut aufler Gott gehalten bleiben follte, Servedes Lehre von Gottes abjoluter Unveränderlichfeit fich dahin mobificiren, daß zur Unterfcheibung zwifchen -bem Unbeweglichen, Berborgenen in Gott und einem Beweglichen und Mittheilbaren (Wort und Geiſt) das gleich wohl göttlich if, fortgegangen ward. Aber war nun jenes unbewegte Göttliche nur leerer Abgrund des unendlichen Seins, während bie Perfünlichfeit auf Seiten des Wortes und Geiſtes fiel? Oder war in jenem Urgöttlichen für Hypoftatifches ihm eine Stelle? Schon Servede neigt fich entfchieden dem Erſteren zu. Das Andere hätte in die Bahn ber Kirchenlehre geführt. Ihm iſt es Darum zu thun, in ben Dispositiones Gottes mit ihrer freilich ſchwebend gehaltenen Hypoflafe Das Moment der End: lichkeit fo feflzuftellen, daß doch noch außerhalb derſelben bie unenbliche Gottheit für ſich beftünde : biefes Urgöttliche aber, unter- ſchiedslos in fi, nimmt immer wieber bei ihm bie Stellung der Monas, nicht einmal etwa des dem Wort und Geiſt coordinirten Vaters ein; und je mehr er ſich einer Hypoſtaſirung jener beiden nähert, deſto fichrer muß ihm die Monas unperſönlich werden. Denn Arianismus will er nicht. Servedes Nachfolger, ) Gribaldo und Val. Gentile 2) Bgl. Trechſel 1. c. II, 277-355. beſonders über Gribaldo ©. 283 ff., über Gentile ©. 319. 321 f. 333. 336 ff. Aehnlich daten ©. Blanprata und Alciati; f. Trechſel I, 308 ff. 810. Heberts Züb. Zeitfhrift 1840. 4. Ueber Georg Blans drata (Später Gribalbosh. Gribaldo. 8. Gentile. Fortgang z. eineni Neuarianism. 657 bilden dieſes folgerecht weiter. Sie ſuchen fein Syſtem zu verbeſſern, indem ſie noch beſtimmter, als er auch ſpäter that, das Wort und den Geiſt reell präexiſtent aber auch ſubordinirt ſetzen. Ihre Natur ſei göttlich, fie haben fie von dem Vater, dem essentialor. Dieſer ift Urquell aller Gottheit; fie find Licht vom Lichte wie auch die Kirchenlehre fage. Aber fie ziehen daraus den Schluß, daß allein der Vater sensu eminenti- Gott fei, weil er allein a se iſt. Wort und Geift, fagt Gribaldo, find effentiirt von dem Vater, dem essentiator, der feßt fie ald „befonbere Perfonen.“ Den Unterſchied, den die Kirchenlehre zwifchen den Perſonen fest, findet er wie Val. Gentile fabellianifh. Er fei tiefer zu benfen; fei aber auch nicht erft Durch die Weltwirklichkeit, ſondern fhon von Ewigkeit, in der Präexiſtenz. Sohn und Geift mäflen als- Individuen gedacht werden. Werm der Vater, fagt Gentile, doch der Duell aller Gottheit fei, fo fei er mit dem göttli⸗ hen Weſen gleich zu fegen; nur fo bringe man für ihn einen befondern Eharafter heraus. Er fei fein Individuum, ſondern ber Hervorbringer der Inbividuen. Der Sohn aber fei das aus: geprägte Bild jener Subflanz des Baters,_ natürlicher Sohn bes Vaters und wahrer Gott, weil deffelben Wefens mit dem Va⸗ ‚ter. 15) Diefer fei adrodeos, ber Sohn Bevrepodeos (auch srego- . ®eos), fubordinirt, obwohl auch ein ewiger Geift und Gott. In biefen zweiten Gott verlegte Gentile das Moment ber End⸗ lichkeit. Der Sohn fammelt die ganze Gottheit in ſich (dyna⸗ miſch) aber als eireumseripta ; was er nicht für eine Schranke oder Negation ber göttlichen Kräfte fondern nur als ihre pers fönliche Concentrirung will angefehen wiffen. Diefer umſchrie⸗ . 1) Andrerſeits fagt er: Patrem asse ipsam unicam essentiam. Das vereinigt fich wieder durch die zu Grund liegende Unterſcheidung eines mittheilbaren und unmittheilbaren Welens Gottes. Die Aseitas {fl des Vaters Wefen allein. Aber von feiner Natur fann er mittheilen. Die Gegner fagen: Afeität, oder das Seyn in ſich ſelbſt haben, kommt dem Weſen Gottes zu, das den drei Perſonen gemeinfam if, alfo au der Sohn if a se nach feinem Weſen, nach der Serfon vom Vater. Aber auch fo bliebe der Perfon bes Baters die Afeität, dem Sohn und Geift nit. 658 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt IL Say. 3. bene Logos wird Menſch, nicht durch Annahme einer zweiten Natur, fondern er verändert feine Form und nimmt fo bas Fleifch an, macht fich zu einem ſterblichen Menſchen und leidet im eigentlichen Sinn, wie auch Fleiſch und Blut fein eigen find. Nur infofern als er das Characteriftifche des Baterd, Sohnes Geiftes auch ihr Weſen nennt, redet Gentile auch von brei gött⸗ lichen Wefen; und biefe drei find nach dieſ em Weſen fo verfchies- den, daß „Trinität“ ihm nur eine abflrafte Einheitsformel für bie Drei ifl. Dadurch foll die ewige Zeugung und Gottheit bes Sohnes nicht ausgeſchloſſen fein (ähnlich in Betreff des Geifles), fie find göttlicher Subflanz; aber der Sohn ift ein anbrer Gott als der Vater, gleichſam Gott im Andersfein, in der Umſchrie⸗ benheit, ebendaher Perfon d. h. substantia individua intelligens, incommunicabilis, während der Bater feine Perfon in biefem Sinn ift, fondern er ift Subſtanz ohne Maaß und mitiheilber. Die Drei feien daher zwar nicht Einer ber Zahl nad, aber doch meint er vom Tritheismus fich fern zu halten, weil nur ber Bater der urfprüngliche Gott fei. Sp ift alfo Gentile fihon im Uebergang vom Sabellianismus zum Arianismus trog ber göttlichen Subſtanz des Sohnes und Geiſtes, durch beren ent⸗ ſchiedene Unterordnung er ſchon die Ausfiht auf einen noch folgerichtigeren Unitarismus eröffnet, ven forinianifchen. '°) Die fhon bier und bei Servede betonte Enblichkeit, weldhe von ben Leptgenaunten noch in arianifcher Art in bie göttliche Sphäre felbft aufgenommen werben wollte, rückte ber neue Unitarismus, dem Charakter der modernen Zeit gemäß, aus ber Welt ber ewigen Präexiſtenz in die Welt des Dieffeits, und ber Entleerung bes Dieffeits vom Göttlichen hatte feine dem reformatorifchen Princip entfrembete Heilslehre Teinen Widerſtand entgegenzufegen. “ Bernhard Dino, in ver Beflreitung der Berföhnungsiehre ein Borläufer ver Sorinianer, ſtellt trinitariſch und chriſtologiſch fchon den Standpunkt des Arminianismus bar, fällt in angeblich prak⸗ tiſchem Intereffe in eine Gleichgültigkeit gegen nähere bogım. Bes fimmungen, ja in eine Polemik dagegen, fo zwar daß er eine ſub⸗ ordinatlanifch formirte Dreiheit in Bott behalten will. Trech⸗ ſel 10, 241 ff. B. Ochino. Rüdblick auf Servede. Sein Verh. . Socinianism. 659 Die Phantaſie eines Servede, von dem neubelebten Neo⸗ platonismus beflügelt, '”) weiß einen idealen göttlichen Schimmer über das AU unb bie Menfchheit zu ergießen, ja in Chriſtus bie göttlichen Strahlen befonberd zufammenzufaffen. Aber wie verſchieden iſt dieſe Geftalt bes Pantheismus von berjenigen, bie wir in ber alten Kirche im Bunde mit dem Neoplatonismus ſahen! Damals galt es Alles in bie göttliche Beſchauung, in das göttliche beftimmungslofe Wefen zu verfenken, jett tritt das Menſchliche, das Prineip der Subjectivität, in ben Vordergrund. Das Menfchliche fucht feines Werthes fich zu verfichern, indem es fih in Gott felbft gründenb und geborgen fehen will. Aber indem das Subjeft nun die Menfchheit unmittelbar mit götts licher Natur ausgeftattet fest, die Sünde dagegen mehr oder weniger ignorirt, fo zeigt ſich bald, daß jene ideale Weltan- ſchauung an innerer Unwahrheit leidet, und weber Halt noch Lebensfraft hat. Weil fie von dem realen Proceß der Geift und Welt verflärenden Gnade ſich ablöst, fo erbleidht und ver⸗ blüht fie nur zu fchnell. Die hohen Worte von „göttlicher Natur“ bleiben leere Titel und Namen, die nur für die Ein⸗ bildung eine Stanbeserhöhung enthalten und dem ernüchternden, verftändig reflestirenden Geift, fo er vom lebendigen Odem bed religiöfen und göttlichen Lebens verlafien ift, ‚bleibt nun nur bag Hlattmenfchliche übrig; aus dem göttlichen Gefchlecht wirb wie ber das alte. yaros ıyıRor und aus Ehriftus der ardgmnos pıÄös ber Ebjoniten. Unfere Väter haben zwar ben höheren Ebjoni⸗ tismus, der auf pantheiftifher Grundlage möglich ift, zu wenig unterfchieden von dem nüchternprofaifchen, der eine beiftifche Denk⸗ weife zu feiner Borausfegung bat: aber wir können ihnen doch nicht verbenfen, daß fie beide als wefentlich gleich fegten. Denn ber Uebergang vom Pantheismus zum Deismus ift Überall ein ſehr leichter, weil jeder Pantheismus die Begriffe des Enblichen und Unendlichen fo faffen muß, daß in ihm ein Dualismus 17, Diefer hatte auch auf die Epriftologie Anderer feinen Einfluß ih der Reformationgzeit. Dapin gehört Marfil. Ficinus, Reuchlin, Picus v. Mirandula. 560 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 1. Abſchnitt IL Kap. 8. verborgen iſt. Das hat ſich auch hiſtoriſch erwieſen in ber Zeit ber Reformation. Denn von jenen hoben pantheiftiichen been iſt, als der klare Verſtand der Socinianer fich ihrer zu bemädh- tigen und fie zu verarbeiten begann, als Nieberfchlag nichts ges blieben, als ein erneuerter und theilweife verbeflerter Ebjonitis⸗ mus, dem, weil er auf längft überwundene Stufen zurüdfanf, bie eigentliche Kraft der Kirchenbildung verfagt blieb: wenn fchon feineswegs foll geläugnet werben, daß ber Sorinanismus eine hoͤchſt bedeutende Stellung in dem bogmengefchichtlichen Proceſſe einnehme Zweite Abtheilung: Bon Luthers Tod, bis zur Eintrachts⸗ formel, Luther jelbft Hatte, wie wir fahen, feine tiefen und reichen chriſtologiſchen Anfchauungen nicht in dogmatiſchem Zufammen- bang entwidelt; der Kampf mit den Schmweizern hatte fogar, wie gezeigt ifb, zu einzelnen davon abführenden Säten geführt, bie baggpbeitrugen, bie Ehriftologie gleihfam nur ind Geleite einer, andern Lehre zu nehmen, flatt ihr ihr. eigenes Leben zu gönnen. Das Gefährliche in dieſer Abhängigfeit ber Chriftologie von ber Abendmahlslehre feit dem Streit mit den Schmeizern. lag vor: nemlich darin, daß, weil das heil. Abendmahl mit dem verflärten Chriſtus zu thun hat, der Blick num einfeitig auf dieſen ges fenft und das Bild von dem hiſtoriſchen Chriſtus durch den Blick auf den status majestaticus beherrſcht ward. Während - für Luther urfprünglich die Paffion des Herrn und feine wahre Erniebrigung in ihrer Heilsbedeutung nicht minder erfaßt war, als. die-Auferflehung und Erhöhung, die Aneignung der’ Niedrig: feit durch die göttliche Seite nicht minder, als bie Aneignung bes Göttlichen durch die Menfchheit, aber nicht ohne die Aner- fennung ber nothwendigen Aufeinanderfolge biefer ‘Momente, welche fimultan geſetzt, ſich paralpfiren ja aufheben würben : fo wurde in Folge des Streitd mit den Schweizern immer mehr bie ganze Ehriftologie durch das Bild von der Erhöhung Chriſti normirt, wovon bie ſchwere Folge ein Zurüdtreten des .ethifchen Sinnes und Geiftes, und ein Uebergewicht der nicht ethifchen Prädifate der Majeftät und Macht, der Herrlichkeit und Glorie war; werm man nicht umgekehrt in dem Nachlaß des ethifchen Factors, der ſich auch fonft in fo Vielem in der Tutherifchen Dorner, Chriftologie. II. te Aufl. 43 662 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. Kirche zeigte, die letzte Urſache davon zu fuchen hätte, dag man mit einer Chriftologie fich befreunbete und befriebigte, deren Eigen- thümlichkeit das Fertigſein der Perfon Jeſu von Anfang an if. Bon Stund an aber, wo die Iutherifche Kirche ihre Ausfichten alfo verengte und ihre urfprünglichen chriſtol. Bilbungstriebe verfümmern Tieß,, gewann die veformirte Chriftologie gegen bie- jenige, die ſich jet Die Tutherifche nannte, ein Recht, das ihr früher nicht zugeſtanden werden kann. Jedoch kam es zu dieſer Wendung nicht auf einmal, ſon⸗ dern dazu wirkte weſentlich die Gefahr mit, welche bald nach Luthers Tode das Eigenthümliche ſeiner chriſtologiſchen An⸗ ſchauung mit völligem Untergang in ſeiner Kirche bedrohte. Auch die Vorkämpfer des Friedens unter den Evangeliſchen machten nemlich ihrerſeits die Chriſtologie von ihrer Abendmahlslehre einer Art abhängig, bei der das Große in Luthers Chri faſt ganz verloren ging. Melanchthon (ähnlich auch Calvin) Hatte chrifiologiſch nicht viel gearbeitet, auch nicht zu der Zeit, wo er die lutheriſche Abendmahlslehre feſthielt (Cum 1529). Da nun auch Luther bald nach der Wittenberger Concordie v. J. 1536, wie oben erzählt, der Sache nach chriſtologiſch den Schweizern einen Schritt näher trat, indem er nicht blos das Recht zur Unterſcheidung der beiden Naturen beſtimmter als zuvor vertrat, ſondern ſich, wenn auch in anderem Sinn (ſtatt der früheren praedicationes identicae ſ. o. S. 609 ff.) an die ſcholaſtiſche Comm. idiom. anſchloß, dem Schwenckfeld ſcharf entgegentrat ſelbſt in ſei⸗ nem kleinen Bekenntniß vom Abendmahl, und dieſelbe Richtung auf die Unterſchiede in der Einheit auch noch in ſeiner ſpäten Schrift von den letzten Worten Davids hervortreten ließ; da er endlich in dem „Kleinen Bekenntniß“ zwar in der Abendmahlslehre ſich von den Zwinglianern aufs Schärfſte ſonderte, aber ſeine frühere Begründung durch die Allenthalbenheitslehre mit Still⸗ ſchweigen überging!) ohne ſelbſt jetzt feiner chriſtologiſchen Grund⸗ i) Sein Sichzurückziehen guf die Einſetzungsworte und fein Verzicht auf dogmatiſche Begründung mag beſonders in Schwenckfelds , Drobender Untergang der Ehriftologie Luthers. 663 anſchauung, bie er doch nie aufgab, ?) eine beftimmtere Geftalt zu geben: °) fo fand um fo weniger ein Hinderniß entgegen, daß Melanchthon, deſſen jegige Abendmahlslehre der calviniſchen näher ſtand, nicht blos Luthers Allenthalbenheitslehre, die er ſich nie wirklich angeeignet hatte, ſondern auch Luthe rs chriſtol. Grund⸗ anſchauung, der er früher wenigſtens näher geftanden haben mochte, fallen ließ. Hier war ber entfcheidende Punkt, dag er an bie noh von Luther felbft aboptirte alte Sprachweiſe, die Com- munic. idd. *) anfnüpfte und ihr die Bedeutung wiebergab, bie fie wirffich bei den Scholaftifern gehabt Hatte, wenn gleich nie bei Luther. Es wird berichtet, daß Melanchthon von ben Fünfziger Jahren an fehr beftimmt von einer Communic. idio- malum pbysica et realis bie dialectica unterfchieben und nur bie letztere als Die Firchlich hergebrachte und brauchbare bezeichnet babe, was benn auch die ganze Wittenberger Facultät aunahm und was durch fie eine Zeitlang zum berrfchenden Typus in der Iutherifchen Kirche ward. . Da um biefelbe Zeit die Neformirten durdy den Sieg ber calviniſchen Abendmahlslehre um einen fehr großen Schritt dem Intherifhen Typus näher, ja in dem entfcheivenden Punkte, dem fubftanziellen Genuß Ehrifti im heil. Abendmahl auf Luthers Seite getreten waren, fo ſchien ein Kirchenfriebe nahe, der frei= lich, wenigſtens vorerft, Die Ehriftologie um jedes Moment bes Luthern eigenthümlichen Fortſchrittes gebratht haben würde. Aber es ſollte anders gehen. Erſcheinung motivirt ſein, von dem das Kleine Bekenntniß ſo viel redet. Denn dieſe bewies, daß man Chriſti Menſchheit in jeder Weiſe die Unendlichkeit zuſchreiben, und doch gerade damit die Lehre von einem Genuß Chriſti im heil. Abendmahl, wie ihn auch der Glaube hat, empfehlen könne. 2 ſ. o: S. 660. 2) Die einzige Abhandlung in der man einen berartigen Berfuch feben tönnte, die Iebten Worte Davids 2. Sam. VII, bfeiben im AUnbeſtimmten, Yopulären und werden daher fpäter mit Borliecbe von den Erpptocalviniften für fi citirt. 4) Neben ver aber Luther noch die Sehnſucht nad einer „neuen ' Sprache“ ausprüdte; f. o. 43 * 664 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abtfl. 2. Consensus Tigur. Der Sieg der zweiten, calvinifchen Formation veformirter Lehre und Kirchenbildung über die erſte, ihr reicherer veligiöfer und theologifcher Gehalt brachte der reformirten Kirche nach ges flifteter Eintracht zwifchen Züri) und Genf einen neuen, groß: artigen Auffhwung. Die Lutheraner hätten ſich dieſes Sieges Calvins bei der bekannten freundlichen Stellung zwiſchen Calvin und Luther mur zu freuen gehabt, wenn nicht viel: mehr Calvin in jenem Consensus Tigurinus, troßdem daß er darin feine Hauptgedanfen burchjeßte, in der Form und Polemik fi) Manches hätte Friedenshalber gefallen laſſen, 5) was bie Lutheraner nicht blos verlegte, fondern auch einen lange unane- löſchlichen, noch die Form. Conec. beherrfchenden Verdacht ihnen - eingab, dasjenige was er vor Zwingli voraus habe möchte doch nur in fchönen, verfleidenden Worten beftehen, aber nicht ernftlich gemeint fein, mit Einem Worte, Calvin möge von feinem früheren Luthern befreundeten Stanbpunft abgefallen und ins Zürichifche Lager übergegangen fein. ©) Joachim Weftphals in Hamburg leidenſchaftlicher Haft war es beſchieden, im Jahr 1552 den nur zu lange fortwirten- den Ton zuerft anzuſchlagen, Calvins und Zwinglis Lehre als eigentlich ibentifch zu bezeichnen; ) Männer wie Timann, Gallus, Tilemann Heßhus, Er. Alber, Schnepf und Paul von Eigen ftimmten mit ein (feit 1555). °) . Der Ber: druß über die Machtentfaktung des Calvinismus felbft fiber beutfche- Gebiete that das Seinige dazu. Der immer erbitterter" geführte Streit gegen Calvin und feine Freunde. Joh. v. Lasky, P. Martyr, Beza, Hardenberg in Bremen erfüllte mit feinem Lärm faft ein ganzes Jahrzehnd (von 1552-1561), und bie Frucht der ſchweizeriſchen Annäherung an' die lutheriſche Lehrform 6) Vgl. Consens. Tigur. Art. xXII. — ) Bgl. I. Müller, das göttliche Recht der Union S. 328 ff. Henry ‚Leben Calvins II, 459 ff. zeigt wie unbegründet dieſer Verdacht des Abfalls oder DMeinungsmwechfels bei Calvin wor. Planck V, 2. S. 22 vgl. mit ©. 60 f. ift mit fi ſelbſt im Wiverſpruch. ) Bel. Plandv, 2. ©. 86 f. 98. . 9 Ebendaf, S. 69-73, u. f. Folgen. Die Württemb. als Vertreter d. Chriſtol. Luthers. 665 durch das Friedenswerk Calvins im Consensus Tigurinus ſollte eine tiefere Scheidung der deutſchen Evangeliſchen von den Schweizern werden, zunächſt um der Abendmahlslehre willen. Von dieſem Streit blieb zwar auch die chriſtol. Frage nicht ganz unberührt. Aber unter den genannten Vorkämpfern in dem⸗ felben war Keiner, der ben Kern ber Intherifchen Anfchauung tiefer in fich aufgenommen und etwas Nennenswerthes für fie geleiftet Hätte. ?) Statt auf Luthers frühere Lehre von ber Ubiquität des Fleiſches Chriſti fügte man ſich Anfangs feinem fpäteren Beifpisl gemäß auf das „Sf“ der Einfegungsworte, unb fuchte von tiefergehenden hriftologifchen Erörterungen dog⸗ matifcher Art fih durch die Berufung auf Gottes Allmacht und Ehrifti Verheißung eher zurückzuziehen, ſo daß die melanchthoniſche Lehrweiſe von einer blos dialektiſchen Communicatio idiomatum ohne nennenswerthen Widerſpruch ſich deſto ungehinderter allge⸗ meiner verbreiten konnte. Den Württembergern war es vorbehalten zu verhin⸗ dern, daß die chriſtologiſche Grundanſchauung Luthers, die ſonſt theils verklungen, theils unverſtanden war, nicht durch die Zurück⸗ ziehung auf das „ft“ begraben wurde: ihnen iſt es zu danken, daß wenigſtens ein Keim derſelben gerettet und zum Gemeingut lutheriſcher Kirche ward. Das Hauptverdienſt dabei hat unſtreitig der ehrwürbige Joh. Breng, Luthers Freund und Württem- bergs Reformator, ber namentlich feit Melanchthons Tod den erflen Rang in der Iutherifchen Kirche einnahm, und durch welchen auf eine Zeit lang bie Hegemonie in ber Lehrentwicklung auf Württemberg Überging. 0) Heßhus wie Weſtphal (Pland V, 2. 87) nimmt fogar eine ſchwankende Stellung in feiner Chriftologie ein, und erflerer wurde fpäter zum heftigen Gegner der Bürttemberger. Weftphals chriſto⸗ logiſche Säge waren unausgeführt, fein Hauptflügpunft für Eprifti Gegenwart blieb das „IR“. Joach. Mörlin, Wigand waren gleichfalls gegen fie in dieſem Punkt; vgl. R. HPofpintan Con- cordia discors ed. Genev. 1678. S. 22 ff. Uebrigens hatte Wef- hal doch für feine Abenpmahlsiehre viele Unterſchriften zufammen gebracht. , Im ſchwãb. Syngramma dat Brentz feine fpätere Chriſtologie ⸗ 6663Wweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. Brentz erkannte, daß mit ber. bloßen Berufung auf bie Einfegungsworte bie ganze Abenbmahlslehre auf die feine Spike des „Iſt“ geftellt war, tiber deſſen fo vielfältig geworbene Aus- legung eine: Einigung nicht möglich fchien, wenn man nicht vor Allem über die Befchaffenheit der Perfon Chriſti ſelbſt einig ge: worben war. Denn das richtige Bild von ihr mußte dann wie für Anderes jo auch für die Lehre vom Abendmahl maßgebend werben. Eine Spnode zu Stuttgart am 19. Dec. 1559 gab bie beftimmte Erklärung der Württembergifchen Theologen ab, daß bie Lehre von: "ai Himmelfahrt und Sigen zur Rechten Gottes . \ noch nicht gehabt. Doc läßt fich feine fpätere Anfiht über Raum und Zeit, auch die Neigung an bie Stelle eines Broceffes in Chriſti Herfon nur die Offenbarung eines fertigen Seins zu feßen, bereits wahrnehmen. ©. Pfaff Acta S. 175. 184 ff. Seine früfere Abend⸗ mahlslehre, fahen wir, ift mit C aılv.in verwandt (S. 194). Aber viel: leicht nicht ohne Einfluß der Schwendfeld hen Verhandlungen in . Württemberg in ven breiffiger Jahren, legte er, nachdem der Sacra⸗ mentsftreit neu ausgebrochen (1562) und im Streite zwiſchen Zimann und Alb. Hardenberg in Bremen 1556 die Chri⸗ ſtologie wieder tiefer.berührt war, durch Peucer vem Melandıs thon bei dem Wormſer Colloquium 1557 die Bitte an das Herz, über das Sitzen Chriſti zur Rechten Gottes ein Belennt- niß aufzuftellen, mit dem Erbieten für die Einigung in diefem Punkt zu arbeiten. (Auh Calvins Dialektik befonders in ver Ultima admonitio an Weſtphal 1567 trieb auf dieſen Punkt zu: rüd, Pland ©. 102), Melanchthon, Brentzens Anfichten und Feftigfeit kennend, lehnte e8 ab; die Sache fei nicht reif und bringe Streit, ja er beftritt Brengens Anfiht, ohne ihn zu nennen, als Aufhebung der Communic. idiomstum, weit fie neben ber Oommun. dialectica eine physica feße, eine. Confasio naturarum; bet Bereinerleiung fei nicht mehr von Mittheilung zu reden (in feiner Schrift gegen bie Articuli Bavarici 1559), wodurch Bren$ fehr verledt wurde. Da auch Herzog Chriſt oph von Württem-⸗ berg fih bei Kurfürft Auguft u. A. Brentzens gegen Me: lanchthon annahm, fo verbitterte biefe Streitfrage dem Me: lanchthon feine Iebten Tage fehr. „Hi nune sunt dogmatum “architecti® fagte er in Beziehung auf bie Stuttgarter Spnobe von 1660 (. u.). Joh. Brent. 667 ung die wahrbafte Gegenwärtigfeit des Leibes und Bluts Chriftt nicht blos nicht (wie die Gegner behaupten) entziehe, fonbern vielmehr befräftige und beftätige; indem nicht nur mit feiner Gottheit Chriſtus allgegenwärtig fei, fondern auch der Menſch Chriſtus erfülle Alles auf eine himmliſche unerforfchliche Weiſe, vermöge feiner Majeftät und Herrlichkeit, die er als zur Rechten Gottes gefegt habe. !) Es fer daher ber Artikel von Chrifti Majeſtät forgfältig und fohriftmäßig zu erflären. Diefe Er: Härung der württembergifchen Prälaten war auch durch bie Ver bandlungen mit Schwendfeld '?) und ben Anflang, ben er dort fand, vorbereitet. In einer Reihe von Abhandlungen, weiche bie „Majeftät Ehrifti“ zu ihrem Mittelpunft hatten, bes gann darauf Brent wenigſtens die. Seite des Iutherifchen Ges danfens, wornach Göttliches menſchlich wird, laut und öffentlich zu vertreten, fie näher zu begründen und auszubilden. 1°) Ihm zur Seite flanden alle bebeutenderen Theologen Württemberg, die Facultät zu Tübingen mit dem Kanzler und Propften Jacob Schmidlin, genannt Andreä, an der Spike; ferner Biden: — 11).Bgl. Pfaff Acta ©. 386. 341. In der Confess Wirtemb. von 1651 wird hievon nicht die Rede. Sie ift mil Calvin vereinbar. 12 Pfaff ©. 227-229. Bei dem Geſpräch Schwenckfelds zu Tüb. 1535 , das fi auch auf die „Erentärlichleit am Menfchen Chriſto“ erſtreckte, waren nicht blos bie württembergifchen Räthe fichtlih mehr auf Schwenckfelds Seite, ald auf der der ober: fchwäbtfchen Theologen Brecht, A. Blaurer, fondern Schwend: - feld durfte fagen: Wenn er Epriftus Feine Ereatur nennen, Teine Ungleichheit in ihm aufrichten und Chriſtum alfo zertrennen wolle, ſo lehre doch auch ver Luther felbft alfo.- Warum fie ihn und ven Erh. Schnepff und Breng nicht auch anfpreden? — Es trat alfo hier der Unterſchied zwiſchen dem oberſchwäbiſchen, mehr reformirten und dem württembergifchen Geiſt in Beziehung auf Chriſtologie zum erfienmal hervor. ı8) Bgl. Joh. Brentii Opp. 1590. T. VII, ©. 831—1108. De personali Unione duarum naturarum in Christo 1561. De libello H. Bullin- geri etc. 1561. De Majestate Dom. n. Jesu Christi et de vera praesentia etc. 1662. Gegen Bullingers Fundametum firmum etc. fchrieb er noch feine Recognitio prophet. et apost. doctrinae de vera Majestate Domini etc. ©, 976 ff. 668 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abipl. 2. bad, fpäter auch Lukas Dfiander und ber in nahmhaftem Ruf flehende Philoſoph Schegd. ') Bei der Bedeutung, welche dieſe Richtung der württemberg⸗ iſchen Kirche für die enbliche Feſtſtellung der lutheriſchen Chriſto⸗ logie in der Concordienformel gehabt hat, müſſen wir bei Ahr etwas länger verweilen. ' Brentz felbft gibt bei Weitem das Bedentendſte. Er kehrt ſich ebenſo ſehr gegen die melanchthoniſche Form der Chriſtologie der Wittenberger nach dem Tode Melanchthons (F 1560) als gegen die Schweizer. Syn einer ſcharfen, am Theodors von Mopsveftia Erörterungen über bie All: gegenwart des Logos (I, 1. S. 44 ff.) erinnernden Kritik ber verjchiebenen chriftologifchen Theorieen zeigt ex zuerft fchlagend 4, Zac. Andreä Hundert und fieben Schlußreden von der Majeftät des Menſchen Chriſti u. f. w. Ulm 1564,.und, nachdem bie In⸗ golfläpter und MainzersJefulten dawider difputirt hatten (f. u.), feine Brevis et modesta Apologia 1564. Assertio doctrinae de per- sonali Unione 1565 (gegen Beza). Pia brevis et perspicus expo- sitio controversiae de duabus in Christo naturis 1565. Widerleg⸗ ung ver Prädicanten Antwort zu Zürih auf Herrn Johann Brentzen Teflament Tüb. 1674. Sehe chriftliche Predigten . von den Spaltungen fo ſich zwiſchen den Theologen Augsburg. GEonfeffion von 1548—1573 nah und nach erhaben. Tübingen 1574. u. v. 4. Schegd: De una persons et duabus naturis Christi sententia Jac. Schegkii D. Medici et philos. clarissimi — Tubing., ex fundamentis quidem scripturae sacrae, analysi autem pbilosophica et pie et erudite explicata 1566. Vgl. Wald Ru ligionsſtreitigkeiten aufferhalb ver Iutberifchen Kirche Bd. IH, ©. 313 ff. Uebrigens nahm Jac. Andrei noch 1561 zum Eollos quium in Poiſſy eine Inftruction Herzog Chriſtophs an, melde bie Gegenwart Epriftt bei dem Heil. Abendmahl auch nach feiner enfchheit als Hauptfache hinftellt, die vamals von Brent ſchon betonte Ubiquitätslehre aber als ein bloßes Beweismittel für Diele Gegenwart und als eine Anſicht behandelt, welche suis autoribus überlaffen werben möge, wenn fie minder probabel erfcheine. Dfaff Acta ©, 347-349. Bol. Überhaupt über 3. Anpreäs Zweideutigkeiten den Brief des M. Ehemnis an ihn dv. 5. Sept. 1575, ebendaf. S. 516-518; von R. dofpintan u. U. zu fGweigen. Joh. Brenb. 669 bie Unmöglichkeit, eine Stelle für Ehrifti fpezififche Würde zu behalten, wenn man wie bie Schweizer mit ben Scholaftifern fortfahren wolle, nur auf bie göttliche Seite und ihre Verbind⸗ ung mit Chriſti Menſchheit zu bliden, dieſe felbft aber nur fo zu benfen, wie fie im Wefentlichen allen Menfchen gemein iſt. Sage man, Gott fei in Chriſto: fo fage Das gar nichts Her⸗ gehöriges aus, weil Gott. überall ſei. Berufe man fih auf Gottes Einwohnung in ihm, fo wohne er ja auch in allen Heiligen. 1°) Selbſt wenn man fage, aber in Chrifto fei Gott nach feiner. ganzen Fülle und Kraft: fo fei vielmehr zu lehren, bag, was Gott für ſich anlangt, er überall fich felbft gleich, überall ganz fei. Nun wolle man zwar als das Sperififche für Chriftus angeben, daß in ihm Gott perfönlich fei. Allein perfönlich fei Gott und ber Logos, wo er irgend ift; und ſelbſt die unauflösliche Verbindung der Perfon bes Logos mit dem Menfchen komme nicht Chriftus allein, fondern allen Bollendeten zu. Mithin fei mit der Bereinigung ber Hppoftafe bes Logos mit dem Menfchen Chriftus (unio hypostatica) noch gar nichts Beſonderes ausgefagt; das Specififche Ehrifti werbe mit biefer Formel noch gar nicht berührt. Auf die Auskunft, daß andere Menfchen ihre eigene Hypo⸗ ſtaſe häben, die Menfchheit Chrifti aber „durch Unperſönlichkeit ausgezeichnei“ fei, geht er mit feinem Worte ein — fo wenig als Luther — ohne Zweifel im Gefühl daß das feine Erhöhung wäre, fondern Verwandlung in ein Dingliches Organon ber Gottheit. - Aber während er fo in dem Uebergewicht ber göttlichen Natur die zugleich allein Perfon fein fol, und in ihrem Allein- wirten, d. h. in ber bisher heirfchenden Chriſtologie den Unters gang von biefer, nicht aber ihre Begründung erfennt; während er das Pochen auf die unio personalis — als wäre damit bie Würde des Gottmenfchen gefichert, als eine Ieere Phraſe be= banbelt, behauptet er um fo beflimmter, bie Einzigfeit Des Gott⸗ menfchen könne nur barin beftehen, daß nicht blos ber Logos in feiner ganzen Fülle und zwar perſönlich in Chriſto ſei, wie er 18) Recognitio de Incarnat, ©. 982 f. 992, 670 ‚Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. für fi genommen überall ift, fondern daß die Menſchheit in ihm zu einer Einzigfeit des Dafeing gelange, indem fie nicht bios des Logos Wirken erfahre und leide, fondern empfange, und vereint mit ihm eine Wirklichfeit erreiche, wodurch auch fie ſelbſt der Majeftät des Sohnes Gottes theilhaft und gleich werde. Es fomme daher darauf an, flatt auf jene Unio personalis oder Bereinigung der Hypoftafe des Sohnes mit der Menfchheit das eigentliche Gewicht zu legen, vielmehr die Bereinigung ber beiden Raturen zu betrachten, mit deren vollfommner Ber wirllichung allein die Menſchwerdung Gottes bezeichnet fei. Nicht die Gemeinfchaft ver Perfon des Sohnes mit einem Menschen, fondern die Einigung ber Naturen die fie bier mit fich führt, und beren Refultat bie gottmenfchliche Perfönlichkeit ift, könne ben chriſtologiſchen Gedanken der Kirche ausbrüden. Es erhellt hieraus, wie für Brentz bie Menfchheit Chrifti ihre Erhebung, Berflärung, Vollendung zur abjoluten Glorie durch bie Gottheit ber Hauptgefichtepunft ifl; wobei wohl zu beachten, daß alſo jet - alles Gewicht auf Die Theofe des Menſchen fällt, während Luther zumal Anfangs Beides Hatte vereinigen wollen, daß Gott Menfchliches fi) aneigne und die Menfchheit Göttliches. Bon der Comm. idd. fpricht zwar auch Breng, aber mehr um bie blos verbalis communicatio abzumeifen, als um etwa durch biefe die Unio naturarum zu begründen. Nicht einmal, genau genommen, begründet er bie commun. idd. durch die Unio by- postatica, fondern fein characteriſtiſcher Ausdruck ift: Die zwei Naturen oder Subftanzen felbft vereinigen fih fo, daß fie eine einzige und untheilbare Hppoftafe werben; unb ba jede. der ſo fehr verfchiedenen Naturen ihre Idiome ober Eigenfchaften hat, jo fommen auch dieſe in folhe Innigfeit der Gemeinfchaft, daß was Eigenfchaft ver einen Ratur ift, bie andere ſich gemein macht. 0) — — — i6) De person. unione ©. 841: Etsi enim naturae seu substantiae sunt inter se diversissimae et habent sua quaeque diversa idiomata et proprietates, tamen et ipsae substantiae tanta unione conjunguntur, ut fiant una et inseparabilis hypostasis, — et proprietates earum tanta familiaritate substantils communlcantur, ut, quae est unius u 30h. Brentz. 671 Da eine Zweiheit von Naturen, der menschlichen und der gött⸗ lihen um der Allgegenwart Gottes willen, nach ihm in allen Men- fehen, ja auch die göttliche Natur perfönlich in Allen: ift, fo wäre Chrifius, wenn nichts Weiteres von ihm auszuſagen wäre, bios ein Menſch wie wir. Da wäre bann ber Logos auch außer Chriſtus und nicht blos in ihm. Sei er aber auch auſſerhalb Ehriftus perſönlich, fo feien zwei Perfonen da flatt bes Einen Gottmenſchen. Nur dann bleibe die Incarnation und Chriſti Ein- zigkeit ftehen, wenn ber Logos nicht perfönlich aufferhalb des Flei⸗ ſches Chrifti ſei; 1) ebenfowenig auch mit feiner natura auſſer⸗ halb ber humana natura fiehe. Nun fei freilich der Logos fchlechts bin mächtig, nemlich fein ſelbſt und aller Dinge (S. 991.. 994. bas fieht Brent als die Grunbeigenfchaft an, woraus er bie andern abzuleiten fucht); er fei Herrfcher aller Dinge benen er nicht fern fondern nahe fei, und biefe feine Majeftät könne er, wie er -aufe Stärkſte gegen jede Art von Verwandlungelehren — — — — turae proprietas eam altera sibi communem faciat. Die humana Da- tura, humanitas Christi fet vivificatrix, adoranda, implet omnia, habet Majestatem non ex se et sua natura, sed ex natara divinitatia. Er fagt no ©. 889: Gott marht die passio ſich gemeinfam, iſt yerfönlich dabei, nicht anders davon afficirt, als ob fie ihn felber träfe. Patitur impassibiliter S. 903. Diefe Seite läßt er aber fpäter immer mehr zurüdtreten. 17 Er ift vielmehr illocal, obwohl Macht Über ven Raum; der Raum ift nur ein Accidens an dem Seyenven ; die Engel find nit im Raum. Nur für dieſe Welt if Zeit und Statt ©. 951. 988. 1001. 1050. Doch geht er in feinem Idealismus nit bis dapin fort, Raum, Zeit, Werben zu läugnen, er fieht fie als einen Mangel an, der aufhören werde, für eine reale, aber überwind⸗ liche, ja für Gott und die Bollendeten gar nicht mehrvorhandene Schranke. Dem Glauben fei das jeßt ſchon zugänglich und verſtänd⸗ lich. Dem gegenüber ſteht die reformirte Lehre realiſtiſch da. Sie denkt auch Gott ausgedehnt im Raum. Brentz fagt: Wo iſt nun Ehrifus? Bei Gott. Wo die Engel? Bei Chriftus. Wo Bott? Bei fi ſelbſt. Sibi ipse est locus. Aller Raum ift gleich» fam in Gott verfentt ©. 957 ff. — Aehnlich, wie Calvin den GAR des Gläubigen In feiner Abendmablslehre illocal bentt, dent Bren$ Chriſti pneumatiſchen Leib, und auch den unfrigen in der Bollendung. 672 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. betont, nie aufgegeben haben (T. VIII, S. 991— 994). Aber Daraus folge nur, daß er, wenn er weder perfönlih noch mit feiner Natur aufferhalb der Menſchheit Ehrifti fein, - fondern Menſch werben wollte, diefes nur dadurch bewerfftelligen Eonnte, dag er die Menfchheit in feine Majeftät erhob. Darin eben beftehe feine Menfchwerbung, dag nicht bios der Menſch Ehriftus nie und nirgends ohne den Logos fei und wirfe, fondern auch der Logos nie und nirgends ohne den Menfchen, den er ange nommen; und ba dieſes nur möglich fei durch Erhebung ber Menfchheit zu gleisher Majeftät mit dem Logos, fo beftehe bie Menfchwerbung eben in diefer Erhebung, dieſe fei identifch mit jener..°9) Die Gegner fagen freilich, die Begränzung gehöre zum Wefen bes Leibes; bie Ausgießung der göttlichen Majeſtät und Eigenfchaften (bie er zugleih als die Natur Gottes bes zeichnet S. 916) in die Menfchheit fei deren Begriffe zuwider. Sie wollen felbft durch die Himmelfahrt‘ Chriftum abfchließen von unffrer Erde, indem fie den Himmel als eine bejondere Räumlichfeit denfen, mit vielen Abtheilungen, darin man fike, ſtehe, fpazierengehe. 7) Aber bamit fallen gerabe bie Gegner, welche bei dem bi. Abenbmahl fi) auf bas blos Geiſtliche zu: rückziehen wollen, in eine ungeiflige, craß finnliche Auffäflung und denfen unwürdig jelbft von Gottes. Allgegenwart. Der Himmel fei nichts anderes ald das Element des Göttlichen felbft, bie Rechte Gottes; zu der Chrifti Menfchheit erhöhet fei, nichte Anderes als bie göttliche Majeftät und Freiheit. Zeit und Raum mit ben Trennungen in ihrem Gefolge gehören nur der irbifchen Ordnung ber Dinge an; 20) für Gott gibt es nichts Unenbliches, auch er ſelbſt ift fich nicht unendlich, er ift füch ſelbſt begrängt, son ſich umfaßt; er kann feine Weisheit ausmeſſen, er ift fein felbft mächtig. Und das was er ift, kann er mittheilen, fo daß Andere haben, was er if. Bor Gott feien taufenb Jahre wie Ein Tag, ja er könne fie vor ſich machen wie zu Einer — — — — — — “) ©. 928. 1018. 1041. Die Menſchwerdung ſei ſchon Ascensio. m) ©. 887. 907. 996. 999. 1080. | 20) ©. 988. 961. 1000 f. . fih um eine Erhabenheit über Raum und Zeit, um die Sreiheit ber | Joh. Brent. 673 Stunde: oder Minute. Warum follte er nicht auch taufend Räume für fih machen können zu Einem Raum, fo daß was für ung Menfchen beißet an taufend Orten zugleich Sein, fir ’ ihm nichts weiter iſt als ein Sein an Einem Orte oder gar nit im Raum als befchränfendem Sein. ?') Diefe Freiheit Gottes Über den Raum und die Zeit welche er theild als Er⸗ habenheit, Nichtgebundenfein, theild als Macht. über fie benft, 2°) vermöge deren er an vielen und allen. Orten zugleich fein könne, fei auch mittheifbar, fei ein Stüd der Bollendung der Mensch: heit. ?°) Den Ausdruck Ubiquität liebe er nicht; von ben Geg- nern ftammend führe er falfche Nebenbegriffe von Ausgefpannts fen und Zerfliegen in dem Raume mit fih, 2°) während es Menfchheit Ehrifti handle (vgl. S. 893); aber Lieber laſſe er ſich den Ausdruck gefallen, als der Majeftät der Menfchheit Ehrifti zu nahe treten (S. 996). So wenig nun aber jene Freiheit über den Raum einen Widerſpruch mit dem Weſen menfchlicher Natur bilde, da auch wenn der Raum aufhöre (S. 1000) Menſchheit bleibe, fo wenig habe man ein Recht, jene volle und gleihe Theilnahme der menfchlichen Natur an der Majeſtät des Sohnes Gottes für unvereinbar mit dem Begriff der Menfchheit zu’ halten. Nicht alles Irdiſch- menſchliche fei auch das weſent⸗ lich Menſchliche. Zum Weſen des Menſchen gehöre nicht das Gebundenſein durch Raum -und Zeit, noch auch ein nur be⸗ ſchränktes Maaß von Antheil an Gott, noch weniger ein bloßer Antheil an Gaben Gottes, ſondern bie menſchliche Natur, welche bie Gegner blos finita nenmen, fei, nicht ziwar per se, aber nah Gottes freiem Willen 25) infinite capax; fie fei fähig,- durch Gott das zu haben, was Gott ifl, ) Nie zwar könne fie an ihr ferbft Gottheit (divinitas) werben, aber bie Gottheit 2) ©. 946. 22), ©. 1010. 899. 907. 914. 23) S. 907. 914 f. 24, S. 991. 996. 887. 25) ©, 905. 921. 922. 26) ©. 987. 992. 998— 1000. 674 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. könne fi) in fie fo ausgießen, daß fie die Gottheit habe, und weil fie fie babe, gleichfem als Erfüllung ihrer eigenen Empfäng- lichkeit, fo fei fie auch anzubeten und habe nicht blos den Namen Gottes, fondern Die Sache in fih zu eigen. Und wie die Menſch⸗ beit empfänglich fei für bie Gottheit, fo fei auch ſolche Mittheilung des göttlichen Weſens Tein Selbfiverluft für Gott. Schon in der Natur ift Selbſtmittheilung Gottes, noch mehr in den Hei- ligen (&. 1006); denn Gott iſt alle Sein. Man fage nun freilich: Gottes Allmacht, Allgegenwart u. |. w. gehöre zu Gottes Weſen, und fönne daher nicht mitgetheilt werden ohne Ber: . mifhung Gottes und des Menſchen; in Gott fei fein Accidens, das von der essentia fünne ımterfchieden werben. ?) Allen Bott auch feine ganze Fülle mittheile (ſein Weſen im weitern Sinn) fo verliere er dadurch fih oder dad, was fein fpeeififches Weſen ausmache, nicht: er fei und bleibe der mit⸗ theilenbe, der biefe Fulle feines Wefens a se, per se hat; =) bie Menſchheit bat fie auch, wenn fie fie erhält ab alio. Diß Empfangen ift ihr bieibendes Wefen, wie Gottes eigentliches Weſen das Geben tft, alfo 3. DB. die Macht über feine Allmacht, bie fich auch im Geben zeigt. Iſt fo Gottes Natur oder Fülle in feine Macht geftellt, diefe Macht auch Über feine Natur aber fein ewiges Weſen: fo ift biefe Fülle ober Natur (proprietates, actus) went gleich nicht accidentell, doch nicht fo zu Gottes essen- tia gehörig, wie bie aseilas. Ueber das blos Aceidentelle aber wird ihm bie Mittheilung biefer Hülle an Chriſtus auch erhoben durch das was er Über das ewige Ziel " der Welt fagt. 29%) Kreatur bleibe die Menfchheit Chrifti dennoch, ver: fühert Breng gegen Schwendfeld. 3%) Es gehört zu ihr Leib und Seele, bie ewig bleiben, vor Allem aber macht ja ihr Weſen 2) ©. 836. 870. 1001. 10086. 28) ©, 836. 1001. »%) f.u. ©. 836. 1006. Nach Brent hat nicht der Bater allein Afeität, fondern auch der Sohn: die Welt aber hat eine durch den Sohn mitgetheilte Göttlichkeit in Chriſtus. .20) ©. 995. 886. 916. 9886. Joh. Brenp. 675 ſtets aus, daß fie ihr Sein von einem andern hat. Aber allers dinge bat fie bie Majeſtät die zu Gottes Weſen gehört, *) empfangen, und deßhalb bat Chriſtus auch nach feiner Menſch⸗ beit den Namen des Schöpfers erhalten und iſt felbft leben⸗ gebend. Diefe Erfüllung mit göttlicher Fülle (Col. II, 9) zer: ſtört fo wenig die menfchliche Natur nach Begriff oder Wirklich feit, daß fie vielmehr beren Bollenbung iſt. ) Nah Zwingli- scher Philofophie finde zwiſchen dem Endlichen und Unenblichen feine Proportion flatt °°) aber in der Philofophie Gottes Tonne endliche Menjchheit auch unendlich werben. So wenig ift biefe Hoheit etwas ber göttlichen Idee von der Menjchheit fremdes, daß es vielmehr auf dieſe Würde der menfchlichen Natur in Chriſtus von Anfang an abgefehen war: Chriſtus ift das Ziel der Welt. m jenem geheimen und unerforſchlichen Rathſchluß des breieinigen Gottes ift fchon von Ewigkeit beichlofien, daß der Sohn Gottes zum Menfchenfohn wiürbe, um beiten willen die Engel und diefer Weltfreis und das Mienfchengefchlecht ge⸗ fehaffen und auf den alle göttliche Majeſtät Übertragen würbe. **) Solche Erhöhung der Menfchheit ift tröſilich und ‚herrlich an ſich feibſt. °5) Sie feſtzuhalten ift aber auch um des. hi. Abendmahles °%) 3), In Deo nullum est inhaerens, nullum accideus. Quicquid est in ipso, essentia est, imo nihil est in ipso, sed ipse est totum Esse. — At enim, si ob hanc causam est incommunicabilis proprietas, quod sit essentia Dei, nihi} certe quod est in Deo erit communicabile — Rec bonitas, nec sspientia, nec justitis, nee felicitas Dei. 3), ©, 987 f. 33) S. 902. 990. ») ©. 984. 994. 1006: Condidit Deus omnia ad participatum suae boni- tatis, et imprimis hominem condidit ad participatum suae sapientiae, justitiae et felicttatis, et quem ita condidit, eum etiam fecit horum bonorum capacem quantum voluit. At voluit quidem ut alii homines qui credant in Christum — flerent — xommvol, consortes divinae naturae, juxta suam qnisque mensuram : ipsum autem hominem Chri-, stum, propter quem omnia alia condita sunt, voluit esse xap- yrıXoy nal xoıvovor omnium suorum bonorum sine ulla mensura etc. 3) 3. B. S. 963. 2e) Brentz hatte im Syngramma, anſchließend daran, daß das Wort Gottes nicht blos Zeichen fei von Abweſendem, fonvern 676 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. willen wichtig. Jene Raumfreiheit und Majeſtät der Menſchheit Chriſti erweiſe die Wirklichkeit ſeiner Gegenwart wie bei Allem worüber er herrſcht, ſo auch bei dem Sacrament, und zwar un⸗ abhängig von der Conſecration, durch die er nicht erſt herbeige⸗ zaubert werde; ebendamit aber ſei auch erwieſen, daß er ſich zum Genuße geben könne, wo nach ſeiner Stiftung verfahren wird. Man wird nicht in Abrede ſtellen können, daß Brentz mit ſeltener Klarheit den eigentlichen Gedanken der Chriſtologie er⸗ faßt hat, und mehr als alle andern Zeitgenoſſen, Vertreter der hriftologifhen Anſchauungen Luthers if. -Unter den Alten ftebt ihm natürlich Cyrill fehr hoch, ‚die früheren Väter fcheint er leider wenig gelannt zu haben. Dagegen verräth fich bei ihm beftimmt das Gefühl, dag diefes nicht bie berfümmliche Chriftologie fei, 9) und auch mit dem Chalcedonenfe kann er fih nur fo äurecht finden, wenn bie menſchliche Natur nicht blos getragen fein. foll von ber göttlichen oder gar -nur von ber Per- fon, °®). fondern wenn nirgenbd die Naturen von einander getrennt fein ſollen. Den Unterfchieb aber der Naturen fucht er ächt ſpeculativ fo zu faflen, daß er die Einheit nicht aufhebe fonbern beftätige, °°) was er eben dadurch erreicht, daß er . eine innere Zufammengebörigfeit beider Naturen gerade nach ihrem Unter: jhieblichen Begriffe erfennt. Die göttliche natura will ſich mit theilen, die menfchliche ift capax für diefes göttliche MWefen. In feiner urfprängfichen chriſtologiſchen Conception ift ferner Chriſti Menſchheit nicht bios ein Tempel oder Organ ber Gottheit, ſondern dieſer Menſch, in welchem die Gottheit nicht blos wie die Sache ſelbſt in ſich ſchließe “(wie auch Luther gelehrt) die Anfiht aufgeftellt: det hinter over über Raum und Zeit befind» liche Chriftus trete im Wort, das ihn real mit fih führe, für uns ſich offenbarend hervor; im heil. Abendmahl aber führen ihn bie Einfegungstworte auch in die Elemente ein, machen biefelben auch zu einem Worte und heiltragenden Zeichen. Die magiſche Borftellung von den Wirkungen der Eonfectation, die hier fih ans ſchließen Tonnte, hat er aber fpäter einfichtig und eifrig beftritten. 3”, ©. 898. 981. 941. 954. 984. 993. se) S. 898. 984. 25) S. 984. ee 30. Bren$. . 677 bei und im Schattenriß fich findet,. fonbern vollfommen ausge "prägt ift (absolutissime perfcitar, non adumbratur ©. 994) ift ja Zwei und Ziel der Welt, und fo wichtig ift ihm bie Realität dieſes Menfchen, daß ihm Alles darauf anfümmt, in dem Menfchenfohne die Wirklichkeit defien zu haben, wofür die Menſchheit nach Gottes Idee von ihr beſtimmt und Empfänglich if. ) Wenn er baher andermweit auf Säge kömmt, welche bie Menſchheit aufheben, fo ift Das gegen feine innerſte Intention ſelbſt. Doch wir geben zum Einzelnen über und bemerken nur noch) zuvor Folgendes: bie Majeftät die ihm nicht bios eine Eigenfchaft fondern zugleich und unabtrennbar Wefen Gottes ift,*') hat gleichwohl der Menfchenfohn zu eigen erhalten. Das reimt er nun mit Gottes Unwandelbarkeit dadurch daß er eine doppelte Gottheit in Chriftus unterfeheibet, Die, welche der Sohn Gottes in fich ſelbſt und vermöge ber Afeität von fi felbft Hat und diejenige, welche der Menſchheit mitgetheilt iſt (communicans und communicats). *?) Nicht minder ift aber auch in Ehrifti Drenfchheit ein Doppeltes zu unterfcheiden: *°) Einerfeits ift fie Die nach ihrem Wefen von Gott und feiner Mafeftät verfhiebene, nichts Göttliches aus ſich habende, wohl aber allen Geſetzen des irbifchen Dafeins und Werdens unterworfene, andrer⸗ ſeits aber iſt fie der göttlichen. Majeftät und darin göttlicher Natur wahrhaft theilbaftig; fie ift aber doch in Identität mit fich ſelbſt, weil fie für Die göttliche Natur empfänglich ift, ihr - Unterfchieb von biefer alfo nicht fcheibet ſondern verbindet. Das chriſtologiſche Bild das vor Bren tzens Geiſte fieht ift hergenommen yon Chrifti erhöhetem Zuſtande, feiner „Maje⸗ ftät“, in weißer bie » ee des abfoluten Gottmenfchen ihre “©, Auch hierin {fi er Luthern ähnlich, der die Menſchheit nicht ver» flüchtigen, fondern nur im Gegenfaß gegen die empiriſche Wirklichkeit der adamitifchen Gattung ihre Wahrheit im Chriſtus fehen wid. | *)f. o. und ©. 987. 7) ©. 929. 22) ©. 932. | Dorner, Chriſtologie. II. ?te Aufl. 44 . 678 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. vollkommene Berwirklichung erreicht hat. Aber wie verhält ſich hiezu Ehrifti irbifches Leben? Iſt der Begriff der Menſchwerd⸗ ung auf Erden noch nicht verwirklicht gewefen? Und wenn bas doch nicht ohne Weiteres darf gefagt werden, wie verhält ſich der Stand, ber Erniedrigung und ber Erhöhung? Breng nım geht davon aus, die Menſchwerdung felbft beftehe nicht darin, daß bie Menfchheit in ihrer. Ganzheit vom Logos angenommen ift, ſondern erft darin, daß auch ber Logos in feiner Ganzheit aufgenommen und empfangen ift von ber Menfchheit, fo Daß der Logos nicht mehr aufferhalb dieſes Menſchen feit der Menfchwerbung if. Das war nur dadurch möglich, daß die an fich freilich enbliche Menfchheit in Chriftus durch bes Logos Allmacht mit der unendlichen Empfänglichfeit auch beren Erfüllung mit der göttlichen Fülle zu eigen erhalten bat. Wollte man biefen Beſitz, biefe ſchon reale Erhöhung in die Gottheit yon der Incarnation an, der Menſchheit abfprechen, fo wäre nah Brentz die Menfchwerbung bes Logos ſelbſt ge: läugnet. ) Diefer Beſitz der göttlichen Majeſtät Seitend der Menfchheit war auch Feiner Zunahme in der Zeit fähig: er iſt nur die Kehrfeite von dem Aft der Menfchwerbung des Logos jelbit, Die nach ihm nur bafein kann ober nicht, aber nicht erfl durch Wachſen werden. Hieraus ergibt ſich nun aber: eine Reihe von Folgefäßen. Es war Chriſti Menſchheit wahrhaft in den Himmel erhöhet und zur Rechten Gottes geſetzt (mas im Antheil an feiner Maje⸗ ſtät ligt) nicht erfi nach der Auferftehung fonbern ſchon von dem Anfang ihrer Eriftenz an, und jener äußere Vorgang auf dem Oehlberg (ascensio visibilis) wäre nicht möglich ohne bie vor- angegangene innere Himmelfahrt, *°) er ift nicht bie Manifeſta⸗ tion einer erft damals ftattfindenden Erhöhung der Menſchheit, fondern nur ſymboliſche Darftellung deffen was ſchon zuvor ba war (exaltationis invisibilis) für die Jünger (mithin epi- beiftifch). Himmelfahrt. und Sigen zur Rechten Gottes brüden no — 4) ©. 986. 1026. #5) ©. 923. Zob. Brentz. 679 Ein und Daſſelbe aus. Ja, ba ber Gottmenſch durch dieſe ex- altatio in divinam Majestatem erft conftituirt wird, fo ift von Anfang an jene Freiheit von Raum und Zeit als bas ihm Habituefle anzufehen, wovon bei der Betrachtung Chriſti aus: zugehen ift (primus gradus), *6) und vielmehr fein Eingehen in bie Einzelheit des Raumes ober ber Zeit, fei es jet bei dem heil. Abendmahl, fei es während feines irdiſchen Wandels, ift gfeihfam als eine Ausnahme, als eine Selbſtbeſchränkung feiner Menſchheit (alter gradus) anzufehen, “) bie er ung zu gut (oeconomiae, dispensationis causa) übernahm und übernimmt. Die Stelle Phil. II von der Selbftentäußerung- bezieht er mit Luther nicht auf die Gottheit; aber auch nicht auf die Zeit von Eprifti irdiſchem Wandel (mie Luther); fondern fchon auf ben erften irdiſchen Moment Chriſti, ber ja ſchon zur Niedrige feit gehörte, alfo — auf die Selbfterniebrigung feiner von Ans fang an in götslicher Majeftät ſtehenden Menfchheit. *%) Diefe ihre Selbftentäußerung von der Geburt bis zum Tod fei einerfeitd ein Nichtoffenbaren ihrer inneren Majeſtät, andrer⸗ ſeits 49) ein Uebernehmen ber Endlichfeit, Begrängtheit, des’ Um⸗ Ihloffenfeins vom Leibe der Maria, der Leiden, kurz beffen, was nach des Vaters Willen nöthig, zur irdifchen Form ber Menfchheit gehörig, aber fir das Wefen der Menfchheit ſelbſt boch nur accidentell, daher nach ber Auferfiehung überwunden und vergangen war. Mit biefer und dem Ende der exinanitio beginnt bie Dritte Stufe feines Dafeins, 5°) wo bie göttliche Majeſtät feiner Menfchheit, die zuvor mehr nur Potenz und Befig war, in ihre volle Aktualität eintritt umd nur noch bann . und wann gegen ihre habituelle Art oeconomiae causa an Einem Ort erfchien. . Schwanfend und unklar ſpricht fih Breng jedoch barüber aus, ob in bem Stande ber Selbftentäußerung die Menſchheit - 5. 928. ) &. 898, 929. “©. 923-925. ) G. 1041. w ©. 928. 44 * 680 : Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. op. Bren$. Chtiſti ihre göttliche Majeſtät unter der Dede bes Fleifches (sub obtectione carnis) geheim doch gebraucht habe, wie ber Logos, ober nicht. Das Erftere war eigentlich gefordert von feinem Grundfaß daß der von Gott angenommene Menſch gleich an: fange wahrer Gott fei und feit der Menfchwerbung ber Logos Alles gemein haben müffe mit dieſem Menſchen, alfo auch feine Aktualität, nicht aber eine Aktualität für fih habe, bie nicht auch Aktualität biefes Menſchen 'fei. °') Daraus ergab ſich dann (wie das auch Jak. Andreä in kraſſer Weiſe weiter ausführt), daß Ehrifti Drenfchheit während fie in Maria war auch den Welt: freis erfüllte, daß fie ſchon bei Lazarus war, als fie Die Reife zu ihm anzutreten ſchien, daß fie, während er der Maria im Garten erſchien, noch im Grabe und überall war, ja folgerichtig, daß er, während. er hungerte, über alles Bedürfniß nad) der actuellen Maje⸗ ftät ber Menfchheit erhaben und bereits unverrwünbbar war, während er litt. 9) Dieſe Eoflifionen find fo ſchwer, daß dadurch entweder bie Wirklichkeit feiner irdiſch menfchlichen Natur in einen Schein verwandelt und das Menfchliche von dem Göttlichen verfchlungen wird, 3. B. bie menfchlichen Afferte, Werben, Leiden; oder aber wenn beides Entgegengefebte zugleich beftehen foll, fo muß es an verfihiebene Supposita vertheilt und eine doppelte Menſchheit noch in gang anderem als dem obigen Sinne in Chriftus angenommen werben, eine äußere ber unfrigen gleiche und eine meift innerlich bleibende. °°) Aber zwifchen beiden fehlt es bann an bem ein beitlichen Bande, ja es wirb der ˖ Gedanke der Gottmenfchheit boch wieder verlegt, wenn der Grundfag doch feftfiehen muß, daß bie Menfchheit Chrifti und nichts Anderes, alfo auch die äußere irbifche in Die göttliche Majeftät von Anfang an gerlidt fei. Kein Wunder daher, daß Breng nicht felten füh auch bem Entgegengefegten zuwendet und, um bie Selbftentäuße: rung nicht zum bloßen Schein zu machen, die Actualität ber glorificirten Menſchheit für die Zeit der Erniedrigung be: 2 ©, 834-886. : #2) ©. 906. 924. 928. 986. 838. 5) Damit träte eine Berührung mit den häufigen, befonbere anabap ⸗ tiftifchen Borftellungen von einer boppelten Menfchheit Eprifti ein. Sein Schwanten in Betreff ver Selbſtentäußerung Chriſti. 681 fchränft, wenn nicht nahezu wenigftens für deren Anfang auf: hebt. °) Da fagt er: Chriſtus habe einen wahren natürlichen Leib gehabt; Gott habe jedoch nicht gewollt,. daß biefer natür- liche Menfch immer von den natürlichen Gefegen gebunden fei; fhon auf Erben habe Chriſtus dieſe Freiheit bewiefen. Mit Recht führe man dafür fein Wandeln auf dem Meer, fein Faften, fein Gehen durch verſchloßne Thüren an. Andre nennen auch feine Geburt von der Jungfrau bei verfchlogenem Leibe berfelben, die jedoch er felbft nicht feftbielt. Aber für gewöhnlich war er an Einem beftiminten Ort. Ebenſo, obwohl er Solches befaß, Bas ihn über alle Unvollkommenheiten binaushob, wuchs er wahr: haft, wußte nicht Alles, wie er auch nicht überall war. 55) Aber fo fehr dieſe Wahrheit ber exinanitio dem Intereſſe ber wahren Menfchheit entfpricht, fo wenig ftimmt fie damit, daß feit der Menfchwerbung ber unveränberliche. Logos Alles mit dieſem Menſchen gemein ‚habe, und nichts ohne ihn oder auffer- bald feiner thue. Auch läßt fi mit Recht fragen, ob auch nur ber ruhende aber volle fertige Beſitz ber göttlichen Majeftät mit ber wachjenden Wirklichkeit und Erwerbung in einer und ber: ‚felben Menſchheit Eprifti vereint fein könne? In Gott felbft find nach der gewöhnlichen Annahme ruhende Eigenfchaften, Un⸗ enblichfeit, Lnermeßlichfeit, Ewigfeit; find nun biefe auf bie Menfchheit übertragen, fo fönnte auf fie als ruhende ber Wille der Selbfterniebrigung, falls er ſich nur auf die Aftualität bezieht, nicht gerichtet fein; fie würden alfo ſimultan neben der Endlich⸗ feit und Lokalität der Menfchheit Ehrifti fein und fo diefe in Schein verflüchtigen; daher Einige die Mittheilung biefer Eigenfchaften an bie Menſchheit überhaupt in Abrede flellen, Andere fie nur mittelbar ſtatuiren wollten, als an andern Eigenfchaften mitge- theilt (3. B. an ber ewigen, unendlichen Allmacht.) Wie ferner Chriſti Menfchheit die göttliche Allwiſſenheit zwar im wirklichen Beſitz follte gehabt haben, aber doch bes aktuellen Gebrauches 5) ©. 888. 924. 926. 1001. 1002. 1006. 1016. 990: Autoritate et na- turs babe Epriftus Alles von Anfang © an. - 55 G. 926-928. 1001 f. \ 682 Zweite Periode. Zweite Epoche: Abihl. 2. Iob. Brenh derfelben auch für fich folkte ſich haben enthalten können, ift nicht vorftellig zu machen, da Allwiffenheit gar nicht blos die Mög- lichkeit ift Alles zu willen. Mit diefer Möglichfeit . wäre Das menfchliche Lernen vereinbar, aber nicht mit der fimultanen All⸗ wiffenheit der menfchlichen Natur Chriſti ſelbſt. en ferner die exinanitio ein Aft ber Menſchheit Chriſti it, der ſchon mit der Empfängnig und Geburt Chrifli von Maria deren Leib ihn einfihloß beginnen fol, fo wäre das fich entäußernde Subjekt, die Menſchheit, wenn auch nur einen Mo⸗ ment, der Entäußerung felbft zeitlich voranzuftellen. Die Menſch⸗ beit Ehrifti müßte, um fich felhft zu entäußern, wenigſtens einen Moment gehabt haben, wo fie noch auflerbalb ber Entäußerumg land; während doc anbrerfeits fchon der erſte Dafeinsmoment den Gotimenfchen in der Erniebrigung treffen fol. Die See ber Menfchwerbung und bie der Erniedrigung find freilich nicht identifch; jene Tann fein ohne biefe, ja muß es, wenn die Idee der Menſchwerdung identifch ift mit - ben vollen Theilhaben der Menfchheit an Gottes Majeftät. Dieſe Unterfcheidung ift an fich gut, ja noihwendig um ber Ewigfeit der Menſchheit nad ber Niedrigkeit und Auferftehung willen. Sie ift aud) ein Grund⸗ ftein für die von Brentz getheilte Anficht, daß nicht blos in ber die Erſcheinung in Niebrigfeit forbernden Sünde die Menſch⸗ werdung ihre Begründung habe. Allein ſoll nun Brengens von ber Erniedrigung noch unabhängige Menfchwerbung nicht blos als ewige Idee oder Potenz in Gott, fondern als ein ber Erniebrigung vorangehendes Factum gebacht werben, während boch Chrifti hiftorifche Dienfchheit ſelbſt in Niebrigfeit beginnt, fo ift folgerichtig, um den Gebanfen ber Selbfterniebrigung ber Menſchheit durchzuführen, auf eine lberzeitliche übergefchichtliche Menſchwerdung bes Sohnes Gottes zurüdzugehen, bie noch) frei von Niedrigfeit war, bie gefchichtliche Menfchwerbung aber wird damit von Grund aus bofetifch. Andreä hat bie Lehre des Breng faft nur formal meiter gefördert. 56) Mit ihm beginnt er, flatt von ber Unio hypostatica °°) Bgl. feine Schlußreven und die obengenannten Schriften. über Selbfientäußerung im Berh. 3. Menſchwerdung. Jak. Andrea. 683 mit der Bereinigung ber Naturen zur Perfon womit er bie Communic. idd. tbentificirt, (denn eine Unio hypostalica ohne fie fei Neftorianismus) die nach ihm nicht blos an bie Perfon (concrete) fondern auch un bie Naturen (abstracte) ftattfindet, fo zwar daß bie Gottheit Feine Schwachheit empfängt von "ver menfchlihen Natur. Auch ihm ift der Grundtert die Stelle Col. II, 9. von der Fülle (Natur) der Gottheit in Chriſto. Bon religidfem Odem ift aber bei ihm wenig zu verfpiiren. Nähere Beachtung verdient nur Ein Punkt bei ihm. Brent hatte bie natura bes Logos die dem Menfchen zu Theil - wird im Sinn ber göttlichen Weſensfülle verftanden. Aber Anbreä fagt: Da Gott nach feinem Weſen einfach überall ganz und fich felbft gleich ift, fo Fönne von einer Verfchiebenheit Des Seins Gottes nur als von einem Unterschied feiner Wirk ungen gefprochen werden. In Ehriftus nun iſt eine unend⸗ liche Wirfung Gottes, die er ald eine unendliche Ausgießung bezeichnet. °) Man gewahrt in biefem auch an bie Antiochener erinnernden Ausdrud offenbar das Bemühen, Gott und Die Creatur beflimmt auseinander zu halten, wozu er freilich um fo mehr Urſache hat, als ihm dieſer Unterfchieb zulegt auf den bes ewigen und des nicht ewigen. Seins zufammenfchmilzt. Doc will er biefe Wirfimgen Gottes auch wieder als ein Sein Gottes in der Ereatur anfehen, das aber wohl zu unterfcheiden fei von feinen Sein in fi, dem bie Creatur als ein Aeußeres gegenüber “ftehe, während er durch feine Wirkungen in den Creaturen ift. Diefer Unterfchieb erinnert an Schwenckfeld (ſ. o. S. 629), den Andreä ftubirt hat; jedoch ift ihm das Sein Gottes in ber Greatur nicht blos ein Sein. in ihr nach ber Liebe fondern vor allem nach der Macht, die nad Andrei Gottes Wefen 57, Man könnte daran denken, daß er "hiemit ber Mittheilung ver ruhenden Eigenfhaften Gottes entgehen wolle. Aber vielmehr ift ihm, wie Schegck, Gott actus purus nach feinem Weſen. Doc wäre die Verwandlung der Gottheit Chriſti in eine göttliche Wirkung (vgl. Marcells drägysa ögaasınn) möglicher Weiſe fehr folgenſchwer, wenn fie nicht zugleich als Selbfiausgiefung der Gottheit gedacht wäre. 684 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. iſt. 59) Sonach will doch auch er in Chriſtus ein Sein des Weſens ‚Gottes. . Er fucht aber diefe göttliche Fülle, fofern fie Ehrifti Menichheit eigen wird, noch mehr als Breng von Gott ſelbſt zu unterfcheiden. Die mitgetbeilte gegebene Gottheit und bie Gpttheit des Sohnes. felbft, fei nicht eine und biefelbe Gott⸗ heit sub specie diversa betrachtet, ſondern bie mitgetheilte iſt eine andere, obmohl gleiche Majeftät; gleichfam eine Ausftrahlung, Geftalt Gottes (uoopn Beov Phil. UI, eine einzoix Gotteß, während ber. Logos ſelbſt eixwr fei), die nie fo wie fie Gottes Wefen ift, das Wefen der Menſchheit, aber boch ihr zu eigen wird. 5%) Und ähnlich fagt er von Ehrifti Leib, er habe eine boppelte Seinsweife; zu feinen natürlichen Eigenfchaften habe . er neue erhalten, fei uns wefensgleicher Leib nad. der einen Seite, nad) der andern nicht. 80) se, Schlußreven. Theſ. 30 ff. sv, Ausführlich Handelt hievon Dan. Doffmanns: Jac. Andrese Dogmata de Persona Christi etc. 1689. beſonders Antith. VIL, vm, XXX, und zeigt den Wiverſpruch Andreäs mit der Confessio Saxonica. ©) Refut. Orthodoxi Consensus ©. 328 f. 340 f. 461. vgl. Hoffmann 1. o. — Er will die unmitipeilbare und die mitgetheilte Gottheit weiter auseinanderhalten, einmal um dem Borwurf auszumweichen, daß ihm der Menfch, ver die imitgetheilte Gottheit habe, fich mit Gott vereinerleie; fovann um deſto gewifler mit ber sinauia Gottes bie empfängliche DMenfchheit in Eins ſetzen zu Tönnen. Auf das Erfiere zielt auch fein Unterſchied zwifchen Wirken und Weſen Gottes. So folkte zwifchen dem endlichen Leib und dem Logos die eixacla die vom Logos ausſtrahlt und zugleich der Menfchheit eigen iſt, den terminus medius bilden. Aber es gilt hievon nur noch mehr das bei Brent Bemerkte (f. 0.) Gegen Andreä wurde der Borwurf einer heidniſchen Berbopplung "des Sohnes, ber Trennung efnes nienrigeren Sohnes von einem höheren er: hoben. Dan fieht aber hieraus, wie man ſich, fo lange man fo hberwiegend auf Eprifti Leib blickte, fat ohne an Chriſti Seele au nur zu denken, eines wichtigen Mittelglieves beraubte. Ferner gewahren wir, wie das fleigenbe Beftreben, bie mitgetheilte Gottheit von der mittheilenden zu .unterfiheiden, unter den ge gebenen Bedingungen kaum ein anderes Ende haben: konnte als in der Unterſcheidung von Wefen und Eigenfchaften, over wie bei Jar. Andrei. Schegd. Wigand. 685 Andrei nimmt nicht blos mit Breng an, ber Sohn Gottes babe in den Menſchen ausgegoffen feine Allmacht, Alle wifjenheit, Allweisheit, Allgerechtigfeit, Allgegenwärtigfeit, Alls feeligfeit, jondern auch der Sohn thue nichts ohne den Dienfchen, wie ber Bater nichts ohne den Sohn und bie Seele nichts ohne ben Leib; das Wort verwalte durch die menfchliche Natur alles im Himmel und auf Erben. Es fei Daher nicht recht, zu fagen, dag Ehriftus nach dieſer oder jener Natur irgend etwas thue, weil vielmehr Alles gottmenfchlich fei, wie auch bie Seele. all ihre Kraft durch den Leib beweife in dieſem Leben. Nach dem Wefen fei Gott nicht anders in Chriſto als in ben anbern Greaturen, aber während er in ben andern nicht Alles wirfe, fondern Etliches in Diefen, Etliches in Andern, fo fei in Ehriftus bie ganze Wirfung ber Gottheit ausgegoffen. Um für biefe Gleichheit der Menfchheit Ehrifti mit der Gottheit in der Ge⸗ walt, Herrlichfeit und Majeftät, nicht in ber Natur und dem Wefen (Schlußreden Thef. 26) Schriftbeweile zu gewinnen, fiebte e8 Andreä noch mehr ald Breng, Stellen bie fonft als die flärffien Beweismittel für die Gottheit Chriſti pflegten gebraucht zu werden, vielmehr auf feine Menjchheit zu beziehen. ‘Die wiürttembergifche Schule fand bald vielfachen Anhang. So trat ber philofophifch gebilbete Arzt Schegck *1) in Tübingen 3. Bigand de Communic. idiomatum (vgl. Wittenb. Grunbvefl. 1571.. Mmtif bis Nr.) von wefentlichen oder unmittheilbaren proprietates und von mitiheilbaren.. Unmittheilbar tft ihm, daß Bott allein gibt. Als mittheilbar bezeichnet er vie Porsona (fpäter befonders von Calov ausgebildet), die Majestas, die Ac- tiones. Alle Alte Eprifi feien gottmenfhlih, fo daB auch die Menſchheit reale Trägerin und Theilhaberin aller göttlichen Ac- tiones fei. Er beruft fih auf Leos Brief: Agit utraque natura cam communicatione alterius, vergißt aber dabei. bes Zufages: una- quaque agents quod proprium est, altera enim succumbit injurlis, alters coruscat miraculis. *f. 0. Anm. 14. Bel. aus feiner Sarift de una persons et duabus naturis befonvere S. 24. 25. 51-64. Beſtechend fagt er zuerfl: Der Sohn Gottes wirke alle Werke feiner Allmacht durch bie menſchliche Ratur als fein eigenfies Werkzeug und dieſe befige 686 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. Schegck. Wigand (der zuvor in die antitrinitariſchen Streitigkeiten jener Zeit ſich gemiſcht hatte) in der chriſtologiſchen Frage auf ihre Seite, er⸗ wies ſich aber als keinen ſehr nützlichen und verläßlichen Bundes⸗ genoßen. Auch von den Norddeutſchen neigten ſich allmählig Manche auf die Seite der Württemberger. So außer Andreas Musculus, dem noch jungen Aegid. Hunnius, und auſſer Joh. Wigand auf eine Zeitlang auch Tilemann Heßhus. wahrhaft alle göttlichen Prädikate. Aber das if bei Schegck nur Schein. Gott, in welchem Alles Actus, Nichts mehr bloße Suvagız iſt, hat nicht nad feiner Natur, aber in ver Perfon des Sohnes eine Unio mit ber Menfchheit eingegangen. Zwar if bie Persona Incommunicabilis; aber fie fann die Menfchheit in Depen⸗ denz von füch verfeßen, denn in ver Menfchheit für fich ift bloße Söranıs, Empfänglichkeit befiimmt zu werben. Andrerfeits Tann zwar die Menfchheit nie göttliche Prädikate fubftantiell und ac: tuel haben ; die Unio Tann alfo feine essentialis fein. Aber an: drerſeits {ft die Unio auch nicht blos ein Contingens. Daß Gott gebe iſt zufällig, aber nicht daß die Menfchheit habe, was Gott wi. Er kann nichts werden oder geiwinnen durch Die Unio, denn es tft Feine bloße Suramıc in ihm. Aber er will eigenthümlich und auf einzige. WVeife dieſen Menſchen beflimmen: das. fei die Unio quasi per accidens. Die Menfhpeit nun, unperfönlih an fih, hat mittelbar, was der Logos unmittelbar hat. Denn Chriſtus iſt eine Einheit durch feine persona; dieſe aber iſt aud göttlihe Natur, alfo 3. B. allgegenwärtig, daher fo gewiß bie Menfchpeit nach. ihrer Ratur an Einem Ort fein muß und an fih nicht kann allgegenwärtig fein, fo gewiß ift fie mit der all: ‚ gegenwärtigen Perfon eine Einheit nach deren Willen, und muß daher per accidens allgegenwärtig heißen, nemlich in der Pers fon. Diefe fo anſpruchsvoll auftretende Begründung ber Bren ſchen Arfiht kommt alfo in Wahrheit nicht über die reformirte Lehre hinaus, daß die Perſon (d. h. das Verbum) allein allgegen- wärtig fei, daher auch Schegcks fpäteres Schwanken und Rad: geben gegen bie reformirte Lehre, die gegen ihn von TH. Eraſtus und Sim. Simoniug vertreten ward, fehr begreiflich if. Aber allerdings, wenn bie persona auch zur Menſchheit gerechnet, als ihr eigen gedacht würde, fo würde es anders. Da ergäbe fih dann bie Lehre von’ einer tllocalen Allgegenwart ber Menſchheit nach der persona neben der lokalen Beſchränktheit nach der natara, wie wir fle z.B. bei Yeg. Hunnius finden, ver Wigand fortbilvet. und Til. Heßpus. Streit über Adstractum und Concretum. . 687 Letzterer fam als Biſchof von Samland mit einigen feiner Geiſt⸗ Iihen und dem Bifchof von Pomefan Wigand im Sahr 1574 in den Streit de abstracto et concreto der nach mehriähriger Dauer mit feiner Abfetung enbigte. 92) Diefe Chriftologie der Schwaben erfuhr nun aber auch vielen Widerfpruch: nicht blos von Seiten der Reformirten *°) — Hy Biſchof Mörlin hatte unbeftimmter gelehrt: die Menſchheit für ſich fei endlich, umfchrieben, aber in ihrer Bereinigung habe fie Bieles was über die Art menfchlicher Natur hinausgehe. Wigand Rimmte mit den Württembergern (f. 0.); Heßhus fagte in feiner Schrift: Assertio Ss. Testamenti J. Chr. contra blasph. Exeg. Calv.: Richt blos fei zu lehren, daß der Menſch Ehriftug (in concreto) all mächtig und allwiffend fei, ſondern man könne auch fagen, das Abstractum, die Menfchheit Chriſti (humana natura hypostatice Aoyg unita) fei allmädtig u. f. w. Die Prediger Morgenftern, Conrad Schlüffelburg und fpäter auch deſſen Schwager Biſchof Wigand, deuteten ihm das fo aus, als meinte er, auch abftrahirt von der Vereinigung, alfo nach ihren natürlichen Eigen: fhaften fei die Denfchheit allwiſſend, anzubeten; er habe alfo "zwei Anzubetende u. f. w. während er das Abstractum- Menſch⸗ beit blos brauchte, um die calvinifche Wendung abzuwehren, ber Menſch Chriſtus fei In Concreto allmächtig u. f. w., oder «8 fei ‚und bleibe .nur die Berfon des Logos in Chriſtus allwiffend, ohne reale Mittheilung an die Menfchheit (1574). Pätte er nun freilich. mit Wigand auch eine Communic. Personae angenommen, fo Hätte er nicht wohl auf feine Redeweiſe verfallen können: fo aber hatte er an der Menfchheit nur eine Natur. Wigand dagegen lehrt, die Comm. idd. beziehe ſich auf das Ooncretum na- turarum, wie das Concretum Personae. Die Herzberger Theologen Andrei, Selneffer, Musculus, Körner, Chemnitz waren mit Heßhus zufrieden, da er erklärt hatte, er wolle keine Abſon⸗ derung der menfihlichen Ratur von ber göttlichen (1677). Dem Heßhnus ift es um die Realität ber Comm. idd. zu tun; aber weit weniger als Wigand oder den Württembergern um bie Vollſtändigkeit derfelben, wie fich fpäter zeigte. Vgl. Part: knoch Preuß. Kirchengefchichte 1686. ©. 463 ff. Leuckfeld Historis Heshüsiana 1716. ©. 129—188. #3), ®gf. Henr. Bullingeri Tractatio Verborum Di. Joh. 14, 2. Tig. 1561, wo behauptet wird, daß Chriſtus im Himmel einen gewiflen Raum e einnehme und zwar ſei bie Rechte Gottes ein befonderer Ort im 688 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abipl. 2. fonbern auch von Seiten der römifchefathofifchen Kirche und ber melanchthoniſchen Schule. . Der Widerfpruch Fatholifcherfeits erhob fich zuerft von ‚ben Sefuiten ber, welche am fchnellftien nicht ohne Grund in ber Iutherifchen Ehriftologie ein ihnen fremdes Princip ſpürten und Ge fahr für die hergebrachte Form römifcher Lehre erſchauten. ‚Die Sefuiten in Ingolftabt und Mainz 9%) fuchen des bualiftifchen Standpunftes des chalcebonenfifchen Concils und des gegen bie Monotheleten gerichteten fechsten fi) anzunehmen und behaupten die Unperfönlichfeit der menfchlichen Natur, ja noch weit mehr als Das Chalcedonenſe beren Unfähigkeit göttliche Prädifate durch Mittheilung zu eigen zu erhalten. Den Duell der neuen Ge Dimmel und fein eigentlicher Aufenthaltsort; das bebeute das Sitzen zur Rechten Gottes f. Plan B. 6. S. 480. Der Brentz⸗ fen Sententia über diefe Schrift ſetzte er feine Responsio 1562. und fein Fundamentum firmum etc. 1563 entgegen. Auch P. Martyr ſchrieb feine Dislogi de Christi humanitate, proprietate naturarum, ubiquitate 1562, Theobor Beza das Responsum ad Brentii argumenta 1564, während Jar. Andreä in feiner Asser- tio doctrinae de personali unione 1565 und in andern Schriften den Brentz vertheivigte. Bon der reformirten Polemik fol unten näher die Rede werben. ° 6%) Disputationes de Majestate hominis Christi — adv. D. Jac. Andrese Theses etc. 1564. Bgl. auch aus etwas fpäterer Zeit des Mainzer Bufäus Theses adv. Disput. D. Jac. Andrese. Theſe 1 fagt: die (roͤmiſchen) Ratpolifen. feien mit den Ealvinifien und den Luthers anern, welche die Form. Conc. verwerfen, darin eins: nec re nec nomine in persona Christi aut communicatas esse aut communlcari potuisse vicissim naturas earumque proprietates. Theſ. 28: Per- sonam Christi non conflari ex duabus naturis, nec humanam naturam ad personam Christi ejusque integritatem pertinere Vgl. Wieder: holten und befländigen Bericht von den neuen Amlingiten im Fürftenth. Anhalt. Leipzig 1585. ©. 106 ff. Theſ. 79: Chriſtus fet nur nach feiner Menfchheit Mittler; diefer aber gebühre der cultus Aargeias; nicht. Aehnlich lehrte Gregor v. Balentia (gegen Heerbrand), Bellarmin de Christo L. MI, Tanner u. A. vgl. Joh. Gerhards Loci -Theol. ed. Cotta. T. IH, c. 12. ©. 590 ff. Ihnen wird eine neflorlanifirenpde duplicatio adorationis Christi von Gerhard vorgeworfen. Gegenſatz gegen die ſchwäbiſche Epriftol. Seitens der Jeſuiten. 689 fahren für ihre Chriftologie erfehen fie darin, daß man ſchwä⸗ bifcher Seit in dem Begriff der Unio hypostatica noch gar - nicht das Specififche des Gottmenfchen anerfenmen wolle, ſon⸗ dern dag man für die Einigung Gottes und des Menfchen ftatt von ber Perfon ausgehe von den Naturen. Sie nun behaupten: Dan babe wohk in der Perfon Chrifli eine nicht blos grammatifche fondern reafe Communic. ädd. zu fla= tuiren; . aber in Beziehung auf die Naturen auch nicht einmal eine verbale. Der Einen Perfon fei Alles zuzuſchreiben nach Leo, die Naturen feien nicht durch fi, fondern nur burch bie Perſon wunderbar mit einander verbunden. Der Antheil an ben göttlichen Idiomen fei ohne Confuſion ber Naturen eine Unmöglichkeit, aber gleichwohl feien fie in der Perfon zufammen und geheimnißvoll geeint. In jeder Weife, auch ben Eigen fchaften, nicht blos dem Wefen nach fei die menſchliche Natur minor divinitate. " Jedoch häbe fie durch den heiligen Geift zur Auszeichnung vor Andern empfangen, was eine natura finita sörtiri aut capere potest (Disp. 1, 40.); fie blieb aber von Gottes unenblicher Hoheit auf das Weitefle entfernt und dem Bater unterworfen (41: 42). Wer das nicht annehme, fondern Ehrifti Menſchheit gleiche Gewalt, gleiches Regiment beilege mit ber göttlichen Natur, der lehre monopbofitifch ober boch monotheletifh (43. 44.) Deffen made fih Andreä ſchuldig. Er befinire Die personalis unio als communicatio plenitudinis omnis deitatis, rebe von einer aeqnalitas Maje- statis gloriae et potentiae (der Menfchheit) cum Verbo, von einer effusio realis divinitatis in humanilatem, und er- fenne nur biefes ald Unio personalis an. Aber Concilien und Bäter ehren, daß die Menfchheit nach der hypoſtatiſchen “ Unio, (mit welcher zu beginnen fei) ihre‘ Eigenfchaften unver Iegt behalte und in Unterfchieblichleit bleibe, was nicht mög⸗ lich ſei, wenn fie zugleich bie entgegengefegten göttlichen Präs difate habe, woburd jene ausgelöfcht werben müßten (Disp. Il, 6.) ‚Auch fei nur Dasjenige proprietar, was Einem zufomme zu feiner Unterſcheidung; habe auch ein anderes Ding baffefbe gleichermaßen, fo höre es auf proprietas des erfteren zu fein. 692 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. Diefe Disputation ließen 1571: bie Wittenberger unter einem belobenden Vorwort wieder abbruden, flatt gegen biefe Bundes⸗ genofjenfchaft bevenktich zu fein. Sie hatten aber auch ſchon ‘zuvor, mehrere Erklärungen wiber bie Ehriftologie ber Schwaben abgegeben. 86) Die Witten berger, unter Berufung auf das chriſtliche Alterthum, beſonders Leo und das chalcedon. Concil, den herge⸗ brachten Sinn der Commun. idd. bei ben Schofafitern, auf Melanchthons Tradition defien Schule in Churſachſen herrfchte, auf Luthers Lehrfhriften die von ben Streitfchriften wohl zu unterfcheiden feien, und unter jenen beſonders auf feine fpäteften hriftologifchen Erörterungen, am meiften aber auf das Corpus -doctrinae Philippicum das feit 1560 eine Art von ſymboliſcher Autorität geworben war, wollen bei ber herkömmlichen Chriſto⸗ Iogie bleiben, welche das Sperififche der Menſchwerdung Gottes und ber Perfon Chriſti einzig Darin findet, Daß bie menfchliche Natur von ber göttlichen Perfon getragen werde (sustentatur) und in wahrhaft menfchlicher allmähliger Entwidlung mit allerlei hohen Gaben. Gottes bie fie über alle andern Creaturen erheben ge ziert worben fei. Diefe dona aber feien immer nur dona finita, “s), So befonders ein Gutachten (an den Ehurfürften, an welchen obige Schriften von Breng und Andreä burd Herzog Chriſtoph von Württemberg gefandt waren, über oder wider biefe Schriften und deren Ehriftofogie) von Paul Eber, Erell und Major 1664. Bgl. Hutter Concordis concors ©. 49 ff. Pland 1. c. Bud VI, ec. 8. ©. 5183 ff.; ferner die Propositiones complectentes summam praecipuorum capitum doctrinae christianae sonantis dei beneflcio in Acad. et Eccl. Viteb., de quibus confessionem suam - edituri sunt ad diem 5. Mai 1570 Mollerus, Widebramus, Nicol Selneccer, Christoph. Pezel, Joh. Bugenhagius (jan.). Ferner gehört dahin ein Tat. Katechismus, ber ber calviniſtiſchen Lehre Raum ließ und vornehmlich durch Die Meberfeßung der Stelle Act. II, „bis er vom Himmel aufgenommen ifl,“ flatt „bis er den Himmel eingenommen hat,“ als durch eine angebliche Fälſchung Anſtoß gab und eine Fluth von ontroversiäriften erregte. Die Haupiſchrift der Wittenberger aber iſt die oben genannte „Grundveſt“ 1571. Gegenſatz der Wittenberger gegen die ſchwäbiſche Chriſtologie. 693 Erhöhung der natura finita, aber bringen feine Entrückung aus ihrem endlichen Weien und dürfen als Gaben menfchlicher Natur mit den Eigenfchaften bes göttlichen Weſens nicht ver: mifcht werden. Verwerflich fei es, bie perfünliche Bereinigung als Ausgießung und wefentlihe Mittheilung aller göttlichen Eigenfchaft, Kraft und Wirkung, der Majeftät und Perfon bes Sohnes Gottes in die Menschheit zu bezeichnen. 9%) Das führe zu alten Kegereien zurüd, denn mit bem Unterfchieb der Eigen: fchaften falle auch der der Naturen und der Willen; ba wäre Ehrifti Menfchheit toto genere von unferem Wefen verfchieben. Aber wie bie wahre Menfchheit fo gefährde man auch feine Gottheit, die ftärfften Zeugniffe für fie verwende man fir bie vergottete Menfchheit, die gleichfam ein zweiter gefchaffener Gott werbe, hinter welchem bann ber ewige Sohn Gottes müßig fel. Bereits lehre man, bie Menſchheit Chriſti fei auch für ſich ale Sehova anzurufen. Man vermifhe Gott und Greatur; man müffe, wenn man ben ewigen Sohn in Jeſu Leib eingefchloffen denke, umwürbig von feiner Gottheit benfen, fie verenblichen. Da ferner das göttlihe Wefen oder die Eigenfchaften ben brei Perfonen der Gottheit gemeinfam feien, fo müffe eine Lehre, welche flatt perfünlicher Einigung des Sohns von einer phyſi⸗ chen Mittheilung bed Wefens rede, die Menfchwerbung ber Trinität flatt bem Sohne zulegen. Eine ſolche Commun. idd,, wie bie ber Flacianer, welche ſich felbft realis nenne, aber physica unb essentialis fei, hebe eigentlich fich ſelbſt auf, laſſe für Gemeinſchaft feine Stelle, fondern führe zur Cinerleiheit. 66, Proposit, Thes. 29-31. Bgl. Grundveſt Xxij. Andreä ließ fih darüber vernehmen, daß wenn bie Wittenberger ihre Proposi- tiones nicht würden ändern, fo könnte er biefelben anders nicht denn für altoranifh und mahometiſch halten und es follte in Kürze darauf erfolgen, daß ganz Sachſen Cd. h. der nieberfächfliche Kreis mit Thüringen) wider die Wittenberger erreget und mit Baufen wider diefe hohe Schule gefchrieben werde. Bidenbach in Stuttgart, mit Andreä verbunden, ſchrieb und fuchte mit den Slartanern in Jena und Weimar ein Bündniß, während Andreä durch Derzog Julins don Braunſchweig arbeitete, der verſchiedne Zürften zu Synoden wider die Wittenberger veranlaßte. Dorner, Chriftologie. II. 2te Aufl, 45 684 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. Solche Vebertreibung made aber nur Denen Bahn, die in Siebens bürgen, Ungarn und Polen ald Servers Schüler nichts von einer Zweiheit der Naturen, einec Comm. idd. wiffen wollen. Auch diefe hegen die falfche Anficht von einer Mebertragbarfeit der Eigen⸗ ſchaften auf ein anderes Wefen; erhöhen dadurch Chriſti Menſch⸗ heit, aber fo daß,fie die müßig geworbene Gottheit des Sohnes in Chriſto, ja auch die Trinität fallen laſſen. Ganz beſonders werbe bas durch die neftorianifche Lehre Andreäs begünſtigt, daß das Ausgezeichnete Chriſti beſtehe in ber befonderen Wirfung Gottes in feiner Menſchheit, ober barin, daß Gott nur Durch diefen Menfchen die Welt verwalte. *D Schon fagen Viele: was den Sohn Gottes, fein Wefen und feine Perfon anlange, fo fei er überall gleich, und Feiner habe in biefer Hinſicht einen Borzug, auch Epriftüs nicht. Seine Auszeichnung fei nur daß die andern Heiligen etliche Gaben Gottes haben, er aber alle. Das fei eine gefährliche Sleichfiellung: da werde aus bem Gottmenfchen ein göttlicher ober allergöttlichſter Menfch wer ben. Die Ausgießung der Gaben mache noch Feine Perſon, ſondern geſchehe an eine Perſon — es werde alſo bie Unie personalis auf dieſem Wege nicht erreicht. Sollte bie Mutheil⸗ ung aller Gaben eine Perfon machen, fo würde auch bie Mit theilung etliher Gaben eine Perfon machen und wir hätten viele Gottimenfchen. Ebenſo wenig könne aber auch das eine perfön- liche Einheit mit Gott wirken, daß die Menfchheit für viele oder alle Wirfungen Gottes das Organ fe. Auch Neſtorius nenne die Menfchheit ein Drgan, und laſſe die Menſchwerdung, wie Jene, flatt in der Unio hypostatica in einer Mittheilung und 67 In der That ift dieſe Berührung zwiſchen Andrei und Socin beasbtenswerth. Bol. AH bis Liliiji. Auch Servet fiele als einen Fundamentalſatz auf: es habe die Fülle der Gottheit dem Menſchen fo Fönnen mitgetheilt werben, baß dieſer Menſch zu einem Bott geworben fei. So habe auch 1569 Franz Davidig und Blanprata ben bloßen Menſchen Sohn Gottes genannt, weil er durch die Salbung dem Bater gleich fei divinitatis pleni- tudine, omnipotentia etc. obwohl immer dem Bater monarchicae dignitatis praerogativa perbletbe. ® Gegenſaß der Wittenberger gegen bie Schwaben. 695 Gemeinfchaft der Thätigkeit, Würbe, Eigenſchaften beftehen. Aber da anbererfeits — was die Neftorianer nicht thun — gelehrt werde, bie Menfchheit habe die göttlichen Eigenfchaften, bie Gottes Wefen find, in fi und. für fi empfangen ; fo fei man auf jener Seite von den Monophpfiten und Schwendfeld nicht verfchieden, foviel man auch von zwei Naturen und ihrem unvermifcht bleibenden Wefen rede. Sa noch mehr: Habe bie Menfchheit gleih in ber perſönlichen Vereinigung alle göttliche Majeftät empfangen, fo babe Ehriftus nicht wahrhaftige menfchliche Sichtbarkeit, Hunger, Durft, Betrübnig, Leiden und Tod gehabt. Nede man von Verheimlichung diefer Majeftät vor der Aufer⸗ ftehung, jo müfle entweder die Schwachheit Chrifti, verfchlungen in bie innere Majeftät, nur ein äußerer Schein für die Men- ſchen geweſen fein, oder fei feine Menſchheit zu gleicher Zeit von Schwachheit umfangen und mit göttlicher Macht und Freude geziert, leidentlich und unleibentlich, fterbli und unſterblich, ja fein Leib im Grabe zugleich tobt und Iebendig geweien. Sem Leib wäre da zugleih in Mariq und auffer ihr, fein Hangen am Kreuz zugleich ein Sein feines Leibes im Himmel geweſen. Chrifti Geburt, Leiden, Tod und Himmelfahrt würde zum Gaufelfpiel, und bie mareionitifche oder manichäifche Ketzerei erneuert. Aber auch wenn man (mit Schwendfeld) erft nad der Auferftehung jene vollflommene Communic. idd. annähme, fo würde durch die Übiquität bie Fortbauer feiner Menfchheit, die Wahrheit feiner Himmelfahrt und Wiederfunft als Menſch bedroht. Nicht minder fommen die Gegner auf eine doppelte Gott⸗ heit, eine urſprüngliche und eine gewordene, eine ewige und eine mitgetheilte zeitliche ; eine fubftantielle und eine per accidens. Das heiße aber nichts Anderes als den famofatenifchen und arianifchen Gebanfen für die jeßige Zeit erneuern. Eine fehr eigenthümliche dritte Stellung nahm in dieſen Gtreitigfeiten ber fechziger und fiebenziger Jahre über das heil. Abendmahl und bie Perſon Ehrifi Martin Chemnig in Braunfchweig ein, mit Andreä das wichtigfte Werkzeug für die Eintrachtsformel, bie biefe Streitigfeiten beilfegen ſollte. Er war ber anerfannte Sprecher des nieberfächftfchen Kreifes, ein 45 ** 696 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. Gegenſatz Mann von einer umfaſſenden patriſtiſchen Beleſenheit, klarem logiſchem Verſtande, wenn auch ohne eigentliche dogmatiſche Pro⸗ ductivität, dabei maßvoll, umſichtig, würdevollen Charakters. In Melanchthons Schule gebildet bewahrte er dem großen Lehrer die Pietät und behielt auch im Allgemeinen deſſen Typus wie N. Selnekker und Chyträus; nur daß er mit ben nieder⸗ ſächſiſchen Kirchen fireng an der Tutherifchen Abendmahlslehre fefthielt und nach dieſem Gefichtöpunft, der ihm am meiften am Herzen Tag, feine theologifchen und Firchlichen Sympathieen regelte. So erklärt ſich feine Stellung zu der Ehriftologie der Schwa- ken. Seinem friedliebenden Geifte fagte Die Vermehrung ber Streityunfte, feiner Verſtändigkeit und urfprünglich melanchthon⸗ ſchen Chriſtologie die ſchwäbiſche nicht zu. Daher ging fein Abfehen darauf, bie lutheriſche Lehre vom - heiligen Abendmahl ausichlieglich auf die Einfegungsworte zu bafıren. Aber freilich bringt dann feine Erffärung von dieſen in die Grundtextur feiner Chriftologie ein fremdes fiörendes Element. - Das konnte ſich feinem Bemwußtfein nur dadurch entziehen, daß er ohne ſpecu⸗ lative Ausftattung nicht ſowohl das Bebürfnig hatte, das Dogma aus Einem Guß zu geben, als vielmehr nur gegebene Ausfagen über Chriſti Perfon, die ihm zum voraus feftftehen, geſchickt oder erträglich zufammenzuftellen. Sn feinem Hauptwerk von ben zwei Naturen Chrifti und ihrer hypoſtatiſchen Vereinigung ®) will er im direkten Gegen⸗ faß gegen bie Schwaben bavon ausgegangen willen, daß bie beiden Naturen Ein ögırrausror bilden, und daß daraus erfl fih eine Communicatio idiomatum ergebe, die er in einer für _ bie fpätere Zeit maßgebenden Weife dreitheilig aufgeftellt hat. Das erſte genus (oder wie er fagt, der erfle gradus) iſt, daß dem Ganzen ber gottmenfchlichen Perfon. zugefchrieben wird, was jeder der Naturen zukömmt. Die zweite Art ift umgekehrt, daß einer ber Naturen (um der unio personalis willen) nomis nell zugefihrieben wirb, was nur ber Perfon pder.einer ber e@) Bol. M. Chemnitius De duabus naturis In Christo, de hypostatica - earum unione, de Communic. idd. etc. 1570. - d. melanchthon. Schule u. des M. Chemnig gegen d. Schwaben. 697 Naturen zufömmt. Die britte über bie allein eigentlich Streit fi — genus auchematicum — beziehe fih auf bie reale Gemeinfchaft der Naturen. Jedoch gebt er bier nicht bios auf bie ſchwäbiſche Epriftologie nicht billigend ein, fondern beftreitet fie — ohne ihre Vertreter zu nennen — ausführlich nach allen Sei- ten fo daß man nicht anders fagen kann, als: er ftellt ſich chriſto⸗ logiſch auf den vorreformatorifchen Standpunkt faſt gänzlich zus - rück, was er auch nach feinen zahlreichen Citaten als ein zmeifel- loſes Lob betrachtet. Er polemifiet auf das Stärkjte gegen eine physica, naturalis communicatio oder transfusio idiomatum, nicht minder gegen bie capacitas einer nalura finita für bag infinitum, wenn. darunter mehr verflanden werben foll, als daß das Göttliche in dem Menſchen fein und wirken könne Die Umgränzung ber Menfchheit Chrifti, ihr Sein an einem Drie bebt er als etwas zu ihrem Begriffe Gehöriges, daher Ewiges hervor, und laäͤßt ſich durchaus nicht darauf ein, daß der Menſch⸗ heit die göttlichen Prädikate irgendwie durch die Mittheilung als eigene zukommen. 9) Er beharrt dergeſtalt darauf, es müſſen jeder der Naturen ihre weſentlichen Prädikate ſtets ver⸗ bleiben, daß er zu der Menſchheit nicht blos das creatürliche Empfangen und die Abhängigkeit von der göttlichen Natur rechnet, ſondern auch was die Menſchheit zu eigen empfängt, iſt immer viel weniger als was die göttliche Natur hat oder iſt — denn auch er ſagt: die göttlichen Eigenſchaften ſeien Gottes Weſen. Am Deutlichſten wird ſeine Anſicht, wenn man ſie, wie er ſelbſt thut, einerſeits mit der ſcholaſtiſchen und beſonders von den Reformirten gepflegten Lehre von den Gnadengaben vergleicht, weiche Chriſtus zu Theil geworden, anderntheils mit Brentz. Er gibt den Reformirten ‚zu, daß Chriſti Menſchheit mit aus: gezeichneten menschlichen Gaben geſchmüdt geweſen fei, nur daß er fie mit dem Verbum in innigere. Verbindung bringt, bie Reformirten mit dem heil. Geiſt. Und während die Württems berger fagen, dieſe dona durch welche bie "menfchliche Natur ®) Formaliter oder habitnallter wird das Göttliche nie der menſchlichen Natur zu eigen, wiederholt er unendlich oft. 698 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. Chrifti in ihr ſelbſt habituell gefteigert ja vollendet worden fet, dürfen nicht blos als enbliche Größen (dona finita) angefehen werben, fondern in ihnen empfange bie menſchliche Natur vers möge ihrer capacitas für bie divina natura etwas Unendliches, das wahrhaft Göttliche und doch nicht ihre Empfänglichfeit Ueberfteigenbe, Lil o über ihren Begriff Hinausliegende , fiimmt Dagegen Chemnig gänzlich den Reformirten und den Witten bergern darin bei daß, was ber menfchlichen Natur. hbabituell und formaliter proprium werden könne, immer nur eine enb- liche Größe fein könne. Andrerſeits aber will er nicht blos bie Menichheit yon dem Logos getragen (sustentala) oder nur deſſen Affiftenz und Einwirfung genießend denfen. Seine eigene Anficht nun ift diefe: Obwohl Ehrifti Menfchheit nothwendig begrängt bleibt, fein Leib ewig feine Organifation und Symmetrie behalt und nie unendlich wirb ; obwohl überhaupt bie Menfchheit tie secundum se subjective, formaliter, inhaerenter Unendlichkeit haben kann, fo wird ihr doch die göttliche Majeſtät über und wiber ihre Natur durch bie unauflögliche Unio bes Logos mit ihr mitgetheilt. Sie ift ber eigenen Perfönlichfeit beraubt (daher er fie eine massa nennt), aber die Hypoſtaſe bes Logos wird auch Hypoſtaſe für bie menſchliche Natur, bie er in ſich auf⸗ nimmt. ) Man follte num benfen, er müffe der Menfchheit doch Empfänglichkeit für Unenbliches zufchreiben, weil die persona bes Logos, bie ſich hypoſtatiſch mit ihr einigen fol, doch auch uns endlich ift. Dem wirb nicht wenigftens die persona des Logos auch ber Menfchheit zu eigen, hat und trägt vielmehr die Perfon des Wortes nur eine conerete menſchliche Natur, fo bleibt Die Menfchheit nur ein opyarov, bie Gottheit aber erreicht nur eine Theophanie. Allein darauf laßt er ſich nicht näher ein; nimmt vielmehr feinen Anftand, zu fagen: Chriſtus fei nicht ald homo deificatus, fondern als Deus incarnatus anzufehen. ”') Ja er befennt fich ausdrücklich zu der Lehre jener mittelalterlichen Myſtik, wornach bie Menfchwerbung eine Art Enträdung der menfchlichen Per: 0.6. &. 31-88. ’) ©. 34. i Epriftoingie des Martin Eheimniß. 699 fntlichkeit aus fich heraus und ein Untergang berfelben in Gott fein foll. ”?) Aber dieſe Unio mit der menfchlichen Natur ift ihm unauflöslich, fo daß der Logos in und mit ihr wie durch fie wirkt. Ja er theilt ihr eine Menge der herrlichſten Bor: züge mit, nicht blos dona finita, bie ſich als Steigerung ihrer eigenen Anlage anfehen laffen, und wofür fie, wie fie it, Ems pfänglichleit bat, fonbern auch wahrhaft unendliche Gaben, bie eigentlich über und wider ihre.Ratur find, ihr aber, wie bie Multipräſenz, wenigſtens momentan und unbefchabet ber bleiben⸗ ben Begränztheit des menfchlihen Weſens follen gegeben wers den, fe daß nun nicht blos, wo Chriſti Menfchheit ift, auch mit ihe geeinigter Logos fei, ſondern auch daß umgefehrt Die Menſch⸗ beit neben ihrer begrängten Qualität, wenn ber Logos es will, momentan fei wo ber ‚Logos ift, 3. B. im beil. Abendmahl sus gleich an mehreren Orten. An biefe hypoſtatiſche Ubiquität ober genauer Multipraesentia ſchließt er dann auch Sätze an, welche bie Anbetung, Weltregierung feit ‘der Erpöpung auch oriſn Menſchheit zuſchreiben. Aber wie geht nun Beides ihm zuſammen, daß die Menſch beit für ſich nur für endliche Gaben Empfänglichkeit habe und daher nie bie göttliche Gaben als eigene beſitzen könne, und daß anbrerfeits doch durch bie Unio eine wirkliche Mittheilung götts licher Gaben flattfinden fol? Mittheilung iſt doch nicht voll: zogen, wenn nicht auch. empfangen iſt: empfangen aber kann richt werben ohne Empfänglichleit. Er fucht durch das Bild von dem durchfeuerten Eifer und durch die Lehre von der — 72) Er führt lobend 3. Gerfon De Consolat. Theol. L. 1 an: Sicut humana natura in Christo — propria subsistentia dimissa innititur hypostaei Nllii Dei, in qua ita sustentatur, ut in nihilum redigeretur, nisi a Alio Dei ita gestarotur: ita unica salus ont generis hufnani, si nos ipsos abnegamus et Christo inserti ipsi toti innitimur ut in- veniamur in ipso — ut: effciamur justitia in Deo, ut dicere jam possimus: Vivo jam non ego sed vivit in me Christus. Daffelbe er: fiebt man daraus, wenn er als analoges Gegenſtück der Unio des Logos mit der menfchlichen Natur die obsessio Diaboli meint be zeichnen zu Dürfen. S. 80b. 700 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. MEQIXOENOK zu belfen. Obwohl, meint er, bie Subftangen des Feuers und des Eifens unterfchieden bleiben, das Feuer nie bem &ifen zu eigen werde, benn es fei nad feiner Natur Falt und ſchwarz und behalte wenn auch gebunden dieſe .Eigenfchaften auch in der Durchfeuerung, und diefe Fönnen alsbald wieder zum Hervor⸗ treten gebracht werben: fo brennt und leuchtet doch nicht bios Das ‚Heuer, fondern auch das Eifen, wenn ſchon nicht Durch feine Eigen- fehaft, fondern durch Die eines andern. So mun habe auch bie Menschheit Ehrifti an der Majeftät des Logos Antheil und wirfe burchfeuert von ihm gemeinfam mit ihm, 7°) — Allein dieſes Bild Hilft nicht. Denn wenn bas Eifen leuchtet und bremnt, fo Hat es Empfänglichfeit für beides; es ift nicht über und wider feine Natur, daß es brenne und leuchte. Er Bat alſo fein Recht, mit den Schweizern gegen bie Schwaben zu behaup- ten, daß die Menfchheit das Göttliche nicht zu eigen befommen könne; vielmehr vereinigen ſich diefe beiden gegen ihn mit Recht darin, daß man nicht müſſe eine reale Mittheilung von Etwas an die menfchliche Natur Iehren wollen, wofür ihr Die eigent- liche Empfänglichkeit fehlt. Will man daher fi Deutlich machen, - wie denn Chemnig das Göttliche als der Menſchheit Chrifti mit: getheilt und doch nicht zu eigen werbenb habe feßen können, fo bietet fich wohl Feine zutreffendere Analogie dar, als die des donum superadditum der römiſchen Kirche, weiches aus ber Anthro⸗ pologie vertrieben in ber Chriftologie noch einen Haltpunft ſuchte.?9) Denn wie bad donum superadditum nicht der Natur und dem Wefen des Dienfchen zu eigen werben und doch als Schmuck fie angehen fol, ober wie das ch ‘des Myftifers in ein höheres Weſen entzückt oder entrüct werben foll, das gleichwohl nie ftetiger. und eigner Befig menfchlicher Perfönlichfeit, der wahren nemlich, werben, jondern ſtets nur ein zum Menfchen gerech⸗ netes bleiben foll: jo fol nah Chemnitz auch die Erhebung 13)6.38.0.6 ©. 1188 c. 28. 79, Die Anwendung diefer Anſchauung auf Die Soteriologie Wäre, daB Chriſti Gerechtigkeit und Heiligkeit ewig eine nur zugerech⸗ nete bliebe, nie aber es zu einer neuen heil. Perſönlichkeit käme. Ehrifiologie des Martin Epemnis. 70i ober Berfegung des Menfchlichen in den Logos und fein, Antheil an beffen göttlichen Wefen nie etwas dem Menſchenſohne Habi⸗ tuelles werden. Der Iegte Grund bievon iſt, dag er mit ben Schweizern für die Menſchheit von deren empirifher Be fchaffenheit, nicht aber mit Luther von beren wahrer Idee aus⸗ geht, nach weldher fie in ber Unio mit dem Logos erſt ihre eigene Bollendung gewinnt. ”°) Lob aber verbient, daß er bie Menichheit an dem Göttlichen befagten Antheil nur haben läßt durch ben fortwährend in ihr präfenten unb wollenden Logos, ht aber der Realität dieſes Antheild zu Tieb zu einer boppelten Gottheit forigehen will. Hieraus ‚erhellt nun, daß zwifchen bem erften Theil der Chemni tz ſchen Abhandlung und bem zweiten ein Hiatus be: ſteht, der auch frühe von fchärfer blidenden Reformirten wie Danäus (der ihn übrigens weit richtiger auffaßt als bie Wittenberger) bemerkt wurde. Denn mit dem erflen Theil können die Neformirten ſo ziemlich zufrieden fein; ee kommt aber da nicht weiter, ald daß die ganze Menfchheit Ehrifti vom Logos burchfeuert war. Im zweiten Theil Dagegen, wo er bie leibliche Gegenwart im heil. Abendmahl begründen will nach ihrer Mögtichkeit, ſchließt er an bie Lehre der Schwaben von der Maje⸗ Rät Chriſti ſich mit Sägen an, bie er wenigftend für Ausnahme fälle (3. B. Multipräfenz fiir das heil. Abendmahl) aufſtellt, die aber fchwerlich folgerichtig find, wenn er nicht jene momentanen dona infinita zu habituellen macht, und auch darin ben Württem⸗ bergern ſich nähert, Daß fle nicht wibernatürliche, den Begriff der Menfchheit überfteigende Befchaffenheiten feien. So aber bleibt er in einer Halbheit fleben die ben Kern der chriſtologiſchen Anfchauung ” Chemnit bleibt in Bergleih mit Luther fo fehr in ber „alten Sprache“ fieben, daß er Ehriftus nur als die Summe der zwei Naturen denkt, welde durch den Willen des Logos unauflöslich verbunden find au Einer Hppoftafe, wobei der Logos dieſen Men⸗ ſchen hat, aber nicht eigentlich von ihm gehabt wird. In feinen höchſten chriftologifhen Ausfagen bleibt ihm der Menfchenfohn nur ein gottbewegtes Organon, worliber ſelbſt pie Wittenberger fih befchweren. | 702 Zweite Perode. Zweite Epoche. Abihl. 2. Luthers fallen läßt für feine ſtändige Chriſtologie; daneben aber gleichſam für auſſerordentliche Bedürfniſſe ‚noch einen Reſt derſelben zur Aushülfe behält, als ob Der Logos in boppelter Weife Hätte Menſch werden können. Scheinbar entgeht er fo manchen Schwierigfeiten, in Wahrheit participirt er an ben Mängeln der reformirten und der fchwäbiichen Theorie. Aber nach einer andern Seite fteht Chemnitz den Witten: bergern und Schweizern näher und ift den Schwaben weit über legen. Er will eine wirkliche werdende Menfchheit, unbefchadet der Unio von Anfang an. Sie bat Aus anfänglichen Niche wiſſen fih zur Vollendung entwidelt. Der Logos überwältigte fie nicht durch feine Aktualität, ſondern gönnte ihr durch an fich Halten, Ruben, Nichtwirken auf fie ein wirkliches Wachethum nach Serle und Leib, Er wirkte in Gemeinfchaft mit der Menſch⸗ heit fo meit, als deren Kraft entwidelt war, nicht weiter. Seine allumfafiende Aktualität gab der Loges nicht auf, aber fie gig in der werdenden Menfchheit nicht auf; fein Wirfen griff weit über feine Menſchheit hinaus. Aber am ber anfänglichen Unio willen wear er doch ſtets Gottmenſch und ſeine Menſchheit nie vhne den Logos der Ein oͤprciusroꝝ mit ihr bildete. Zu dieſem Menichen gehörte der Logos fo, Daß er ohne feine Bereinigung mit ihm gar nicht wäre (c. 4 und 33) Dem Chemnitz bat alfo ber Unterſchied ber Exinanitio und Exaltatio eine ernſte Bedeutung. Chemnitz ift wie gefagt den. Schwaben auch darin über: legen, daß er zu feiner Doppelheit des Göttlichen in Chri⸗ fius, einem mtigetheilten Göttlichen (das durch die Menſch⸗ werbung ber menfchlichen Natur eignet wenn gleich nur durch ‚donum) und dem Mittheilenden bes Logos zu greifen braucht. Aber das ift in der That bamit erfauft, daß es zu einer wirf- lichen Mittheilung des Göttlihen, — nicht blos creatürlicher hoher Gaben — an bie Menfchheit felbft nicht kömmt. Sie wird bewegt, beftimmt von dem Goͤttlichen als ein nicht tobteg ı fondern lebendiges Organ, fie umfaßt auch das Göttliche in fo weit fie als embliche Natur es kann; aber fie ift mit dem Göttlihen nur angethan, fie if ergriffen von ihm, aber nicht Gegenſaß zwiſchen Chemnitz und ben Schwaben. 203 ergreifend unb 28 als ihr Eignes brauchend, kommt daher auch nicht dazu, in Kraft des ihr beiwohnenden angeeigneten Gött⸗ lichen zu handeln. Der flehende Ausdruck bleibt: bas Wort Gottes, ber Sohn, handelt in, cum, per humanam naturam. Diefen Sachverhalt fuht Chemnitz ſich freilich wieder zu verbers gen. Die Aeußerlichkeit der Stellung die fo ber Logos behält fucht er dadurch zu moderiren, baß er nicht von auſſen ober blos von dem Spiritus S. her bie Vorzüge dieſes Menſchen ab: leitet, fondern aus der Perfon bes Logos felbft die Communic. idd. hervorgehen läßt. Allein dieſe läßt doch das ‚Göttliche der menſchlichen Natur felbft fremd bleiben und in feiner Meife als das zur eignen Dollenbung biefes Menſchen Gehörige erfcheinen. Es ift daher auch nicht zufällig, daß Chemnitz bei aller Be: lefenheit die Stellen der Bäter feiner Aufmerffamfeit würdigt, welche bie Idee des gottmenſchlichen Lebens als zum goͤttlichen Ebenbild gehörig bezeichnen. Er bleibt in einfach praktiſcher Weiſe einzig dabei ſtehen, daß die Menſchwerdung der Sünde wegen geſchehen ſei; denkt dieſe nicht ale eine Erfüllung ber capacilas menſchlicher Natur in Chriſtus, mithin als deren Voll: endung, bie nicht umfonft angelegt fein follte, fondern Täugnet das Angelegtfein ber menfchlichen Natur für fie, läͤßt fie nur als etwas nicht. blos Hyperphyſiſches ſondern Paraphpfiiihes der Sunde wegen eintreten, erreicht aber freilich dafür auch nicht die Idee der Menichwerbung , fonbern' muß gerabe an dem Punkt, wo die Einheit am vollfounnenften hervortreten fol, bie menſch⸗ he Natur, flatt fie vollendet werben zu laffen nad) ihrer gbtt⸗ lichen bee, ihrem eigenen Wefen- entrüden ohne doch fie feften Boden in dem höheren Elemente faſſen zu laffen. Die Schwaben find dem A. Oſiander wie Luthern auch hierin näher. Ihren Einwurf, daß ber Logos nach feiner Allgegenwart per⸗ ſonlich in allen Menſchen ſei, mithin nichts Anszeichnendes, Spe⸗ eiſiſches für Chriſtus übrig bliebe, wenn er nicht ſeiner Menſch⸗ heit realen eignen Antheil an den göttlichen Prädikaten gäbe, hat Chemnig gänzlich überhört ober nicht des Nachdenkens werth gefunden, ſondern beharrt vornehmlich nur Dabei, daß bie perſön⸗ liche, hypoſtatiſche Vereinigung bed Logos mit Jeſus, woraus ſich 704 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 2. dann eine reale Comm. idd. ergebe, das ihn allein Auszeichnende fei, ohne auch nur wenigſtens bier zu erwägen, daß eine Menſch⸗ werbung nicht gefchehen ift, wenn ber überall perſönlich gegen wärtige Logos fih bios mit biefer massa humana verbunden, dDiefe aber feine unendliche Perfon nicht zu eigen empfangen bat. Gleichwohl, wie viele Elemente enthält die. niederſächſiſche und bie ſchwäbiſche Ehriftologie, welche ber beiberfeitigen Bes freiung von wefentlihen Dängeln dienen fonnten! Bon der Epriftos Iogie des Ehemnig ift das von felbft Har. Ihr Ende (die majestas divina hominis Christi) fordert ein anderes ber ſchwä⸗ bifchen ähnlicheres Fundament; denn er bleibt in dem ausge tretenen Geleife, die Unio in der Perfon, flatt auch an ben Naturen fich vollziehen zu laſſen, die er noch in ihrer Erclufivität feſthält. Dadurch fällt er — wie die Reformirten — in ben Widerfpruch, die menfchlihe Natur fehr felbftändig d. h. -inners lich getrennt bleibend von ber parallelen göttlichen, zugleich aber ſelbſtlos, als bloßes beierminirted Organ des Logos zu denen, der die Menfchheit nicht zur menfchlichen Perſönlichleit in dem Gottmenſchen gedeihen läßt. Die Schwaben Dagegen bie Idee der Gottmenfchheit voller erfaffend Iaffen mit dem Acte ber Unio gleichfam Alles fertig fein, fo daß kein Raum mehr fir ein wahrhaft geichichtliches Werben jener Gottmenfchheit bleibt und über der wahren (Cd. h. der göttlichen Ideer entfprechenden) Menfchheit verlieren fie deren Wirklichleit, gegen welchen unfreis willigen Dofetismus die Hülfe nur in Demfenigen Iag, was Chemnitz von der Exinanitio lehrte und woburd er wehren wollte, das vollendete Chriſtusbild verwirrend in bie irbifche Ges fehichte hineinzutragen. In Luther war wie wir ſahen vor bem Streit mit ben Schweigern Beides, bie abjolute Idee ber Gottmenſchheit und ihr Werben, in unmiltelbarer wenn auch noch) nicht dialektiſch ausgebildeter Weife geeint. Als er feit dem Streit mit den Schweizern gegenüber von dem Verklärten und Erhöheten den hiſtoriſch Wer denden zurücktreten ließ, fo führte Melanchthon dieſe fallengelaſſene Seite fort, aber ſo, daß er wie nachher die Wittenberger umgekehrt nach dem Bilde des empiriſch wirklichen, begränzten und nicht raumfreien Chriſtus (alſo nach Chemnitz und die Schwaben. Rüdblid. 705 dem Stande ber Erniebrigung) das Chriftusbilb zeichnete, Luthers Idee von der Gottmenſchheit aber nicht fortführte. — In den Schwaben erſtehen darauf wieder bie Träger ber Iutherifchen Idee der Gottmenſchheit; aber noch härter, als Luther je that, machen fie den Anfang ihrer Verwirklichung oder das Princip auch zum Ende, den Akt der Incarnation zugleich zur Himmelfahrt. Ihnen ift wieder Ehemnig zur Hut und War: nung beigegeben, der jene andere Seite der urfprünglichen Chriftos logie Luthers (Chrifti Werben u. f. w.) noch vertritt und Dabei, wenn au unter ſchweren Inconſequenzen, jener chriftologifchen Grundidee, welche ald Ziel auch den Weg zum Ziel beflimmen muß, fchon näher ſteht als Melanchthon und die Wittenberger. Die innere Verſöhnung num dieſer beiden, der deutfchen Res formation von ihren ‚Vätern ber eingeimpften chriftologifchen Standpunkte wäre bie Geburtsflunbe einer neuen höheren, ber futherifchen. Rechtfertigungslehre analog gebildeten Chriftologie, ja fie wäre im Wefentlichen auch die Verföhnung der reformirten und ber Iutherifchen Chriſtologie und. mittelbar ber beiberfeitigen Abendmahlslehre geweien. ' Aber dazu hätte freilich gehört, daß bie beiden Stanbs punkte, der Schmwäbifche und der Niederbeutfche noch Tange mit einander gerungen hätten. Statt beflen wurde durch voreilige gegenfeitige Conceffionen eine Einheit improvifirt, die innerlich noch nicht ba war. Der Gegenfag in der Chriftologie zwifchen den Schwaben und den Niederbeutfehen Chemnig an ber Spige' wurbe son beiden Theilen zurüdgeftellt und durch Palliative ver: beit, um eine gefchloffene Eintracht den Gegnern ber Tutherifchen Abenbmahlsiehre ober Denen, die für ihre Gegner galten, ents gegenzuftellen, während Iogifcher Weiſe die Abendmahlslehre ihre Vollendung von ber Chriſtologie ber zu erwarten bat. Dritte Abtheilung: Der fumbolifhe Abſchluß der reforma- torifchen Bewegung. Erſter Abſchnitt. Die Eintrachtsformel. Nach langen und mühſamen Verhandlungen wurden zuerſt bie Schwaben und Niederſachſen einig,!) durch mehrere weitere Convente wurden noch andere Länder dazu gewonnen unb bie ſchließliche Form des Eoncorbienbuches feſtgeſtellt. Dieſes Werk hat zwar in ber lutheriſchen Kirche nicht Frieden gefchafft, fondern ift nur Symbol einer Majorität ber: felben in Deutfchland geiworben, welche nie ein freubiges Ge wiffen noch ernſte Luft Dazu gehabt hat, denjenigen Kirchen, weiche daſſelbe ablehmten, den lutheriſchen Charalter abzuſprechen. Aber es iſt gleichwohl ein fo bedentungsvoller Abſchluß einer Entwicklungsreibe, es haben auch bie angefehenften Theologen der Zeit folchen Antheil an ihr, und fie bringt ſoviel wichtige reformatoriſche Gedanken in fombolifche Form, daß fie eine ges nguere Betrachtung fordert. Es ift namentlich nicht zu läugnen, daß bie Berhanblungen dazu bienten, auf beiden Seiten mehrere Auswüchfe abzuthun und für Mehreres was wir bei Luther fanden kirchliche Geltung zu erwerben. Ihre Lehre ift aber dieſe. *) Zwar fei der Eutychianismus und jede Confusio naturarum ı) Bgl. Formuls Conoordiae inter Suevicas et Saxunicas Ecclesias bei Pfaff 1. e. ©. 381. Bon der Perfon Chriſti ©. 397-409. 2) Epitome VIII, 605—612. Solida Decl. VIII, 761-788. Die Lehre der Eintrachtsformel von Chriſti Perſon. 707 verwerflich; aber ebenſo auch ber Neſtorianismus. Zu biefem aber gehöre namentlich auch die Meinung, welche nur von einer Einheit der Perfon vebe, die Raturen aber nur äußerlich neben einander ſtehen laſſe (ut duo asseres conglutinatos). Es fomme darauf an, auch fie in einander zu ſchauen, weil, wenn fie auffer einander ſtehen blieben, auch nicht einmal die Einheit der Perſon zu behaupten: wäre, unb umgelehrt, fei wirklich die Einheit der Perfon lebenbig gedacht, fo milſſe fie fih auch wirkfam zeigen. °). "Das fönne nicht dadurch gefchehen, daß bie eine Natur in bie andere verwandelt werbe, ober auch mır ihre weſentlichen Eigenfchaften verliere; aber die Naturen müſſen mittheilfam gedacht werben und empfänglich für bie Mittheilung, die perſönliche Einheit (ereoıs) müffe in einem Gemeinfchaftes leben (xoıswrie, communio, communicatio naturarum) *) fich beiyätigen. Es genäge daher nicht, die göttliche und bie menſch⸗ liche Natur nur in der Perſon ſo vereint fein zu laſſen, 5) daß feine Der andern etwas real mittheile von dem was jeber eigen- thümlich ift, daß bie eine yon ber andern um ber gemeinfamen Perfon willen nur titulum sine re erhalte, Bott Menſch heiße der Menſch Bott, ohne daß bie göttliche Natur erwas gemein hätte mit ber Menfchheit, oder die menfchliche ‚mit Gott, im Uebrigen aber jebe Natur nur wirfte nad) ihrer Art. Vielmehr mache bie göttliche Natur die Menfchheit mit ihrer Schwäche umd ihren Beiden fih zu eigen (propriam) %) obwohl die göttliche Natur an und für fich nicht leide; die menſchliche aber erhalte die gött⸗ lichen Prärogative, die in der Majeſtät Gottes zufammengefaßt werben, real mitgetheilt. ) Das fei nicht zu beufen als eine phpſiſche Uebergießung, noch als eine Selbſtoerdopplung ber Oott⸗ heit in eine mittheilende und ‚eine mitgetheilte: ®) fonbern bies 3, &. 766, 20. 22. 769, 39, ) S. 766. 9) S. 775, 56. 5) S. 608, 14. ) S. 773 ff., 762, 4. Y S. 763, 4. 606, 6. 765, 18. 708 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 8. Abſchnitt J. ſelbe einige Majeſtät, die der Sohn Gottes hat, werde zum Beſitz auch der Menſchheit auf ihre Weiſe. Die Trägerin der gött⸗ lichen Prädifate bleibt Die Gottheit, wie für die menſchlichen bie Menfchheit 9) und biefe Prädikate fehreiten nicht aus ihren Sub⸗ feften heraus; aber in ber hypoſtatiſchen Bereinigung und nur in ihr find fie einander fo innig nahe gebracht, daß ber einen auch zu Theil wird, was feinen wefentlihen und urſprünglichen Drt in der andern bat und behält. So ift auch die Einheit von Seele und Leib eine lebendige unbefchabet der bleibenden Unterfchieve. Das mußte durch dieſe höchſte und unausſprech⸗ liche Bereinigung erreicht werben, daß in Ehriftus Gott Menſch fei und der Menſch Gott, was nicht fein könnte, wenn fich bie Naturen nur äußerlich und fremb blieben, ohne ſich wahrhaft und wirklich etwas mitzutheilen. 1% Ohne folhe Mittheilung göttlicher Eigenfchaften an die menſchliche Natur, wird S. 607, 11. angebeutet, wäre eine Verehrung bes Sohnes ber Maria Abgötterei. Ohne fie 1") Könnte der Som Gottes im Worte, in den-Sarramenten, ja in allen unfern Nöthen nur nad feiner Gottheit auf Erden bei uns fein, feine Menfchheit könnte mit feiner. Gegenwart bei und nichts zu thun haben. Wenn aber bie Menſchheit. Zefu uns nicht mehr follte angehen- Tönnen, fo wäre uns gerade das Allertröftfichfte genommen: feine nackte Gottheit müßte und ein verzehrendes euer fein; aber daß er, ber Gott ift, und zugleich ein Menfch ift, tröflet und; und daß in ihm, ber Menſch ift, unfre Natur zu Gottes Rechte erhöhet ift, ift unfre Seligfeit. Aber auch umgefehrt, ohne bie Theil» nahme der göttlichen Natur an ben menſchlichen Eigenfchaften hätte Ehriftus für uns bios nach feiner menſchlichen Natur ges 8, 777, 82. oo. w) Daß aud die Perfon des Logos ſich mitiheilt an die Menfch: heit und biefe. alſo perſönlich iſt, ſagt S. 763, 10: .ita naturas unitas esse sentimus ut unicam tantum personam constitnant, in qua simulpersonaliter ambae — unitae sint et subsistant. Zwar fet, fagt fpäter Aeg. Hunnius, die Perfon als ſolche unmittheil: Fa en andere Perfon aber nicht an eine andere Natur. m) ®, ‚87. . Chriſtologie der Eintrachtsformel. 709 litten, wahrend unſer Glaube iſt, daß der Sohn Gottes Menſch ward um leiden zu können und durch das Gewicht ſeiner Gott⸗ heit den Leiden ſeiner Menſchheit ihren unendlichen Werth ver⸗ lieh. Und in dieſem Glauben an eine reale Mittheilung der Eigenſchaften laſſen ſie ſich auch nicht ſtören durch die Einrede: bie Menſchheit ſei weſentlich endlich, umſchrieben, creatürlich, daher nur empfänglich für ereatürliche, endliche Gaben und Vor⸗ züge, die ihr durch den hl. Geiſt mitgetheilt werden, dem Grade nach verſchieden von den Gaben die der heil. Geiſt Andern mit⸗ theilt. Sondern ſie ſtellen ſolcher Einrede kühn den Satz ent⸗ gegen: die menſchliche Natur oder Chriſtus nach ſeiner Menſch⸗ heit iſt fähig (capax) die Allmacht und die andern göttlichen Proprietäten zu erhalten (611, 34. 774, 52 f., 775. 781. 611, 34.); und bie das läugnen, werben ausbrüdlich verworfen. Das Weſen beider Naturen bleibt Dabei unverändert ; ihre Unterſchiede werden nicht verlöfcht, bie Menſchheit bleibt unter Gott. Jede behält ihre wefentlichen Eigenfchaften, und wenn fie auch noch dazu bie wefentlichen. ber andern Natur zu eigen erhält, fo er- hält fie fie doch nicht fo wie ſie in ber andern find, nicht als wefentliche, fondern nur durch Mittheilung (S. 777, 61). Als Bid für diefe Einheit bei bewahrtem Unterfchiede wird noch befonders gebraucht das glühende Eifen in welchem bie Glut ifl, ohne daß das Eifen verzehrt wird, und welches auch feinerfeits bie Glut nicht ausfchließt. Ehrifti Homoufie mit ber Menfchheit bleibt der Formula con- "eord. unverrüdt fliehen; aber mit bem Sate von ber capacilas humanae naturae. für die göttliche, die in Chriftus zur Erfüllung geworden ift, ſtellt fie einen Fundamentalſatz für eine neue aus dem veformatorifchen Prineip geborene Anthropologie auf und beginnt das, was Luther mit der neuen Sprache und ber neuen Menſch⸗ beit gewollt hatte, weiter auszubilden (780, 69). Bon ver fo gebuchten Dienfchheit Chriſti wird nun-auch gefagt, daß ber —* Sohn Gottes Alles in und mit ihr wie durch ſie thue, kraft der perſönlichen Einigung (732, 74. 784, 81). Man ſieht von ſelbſt, daß nicht Weniges von Luthers urſprünglichen chriſtologiſchen Grundgedanken vn Vorſtehendes Dorner, Chriſtologie. H. 2te Aufl, 710 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abfchnitt I. für die Intherifche Kirche geborgen worben if, Die Schwaben und die Niederfachfen haben hiebei Fehler abgelegt die ihnen eigen waren und von einander Gutes eingetauſcht. ?) Aber weit minder befriedigend ift die Lehre ber Eintrachtsformel in ber concretern Ausbildung diefer Grundgedanlen in wichtigen Punkten, durch welche die Concordie als eine voreilig gepflückte Frucht erſcheint. Einmal haben beide Theile eine falſche Nachgiebigkeit gegen einander bewieſen und beßere Erkenntniß, die ſie beſaſſen, nicht ſtandhaft genug behauptet. Sie haben zum Theil der Concordie zu lieb Wichtiges fallen laſſen und dafür Irrthümliches einge⸗ tauſcht; zum Theil mit halben, zweideutigen Zugeſtändniſſen ſich voreilig befriedigt und fo einen vergänglichen Schein von Ein⸗ ſtimmigkeit erzeugt, der eines ſolchen Werkes nicht würdig war. Beſonders hat Chemnitz ſtatt ſeine Lehre von einem wahren Status Exinanitionis zu hüten und darauf zu beſtehen, daß ber Sohn Gottes nur in fo weit ale die Wahrheit eined menſch⸗ lichen Werdens es geftatte, der Menſchheit realen Amtheil an feiner Majeftät gegeben habe, auf feine Lehre von der retractio oder dem navyaleır des Logos in Beziehung auf die Menſchheit verzichtet. Er hat vielmehr in den Satz eingewilligt, baß bie menschliche Natur bie göttliche Majeſtät und alle Eigenfchaften ber goͤtlichen nicht erſt nach der Auferſtehung ſondern vom erſten 12) Shemnit bat jene capscitas der menfchlichen Natur jebt voller als zuvor anerkannt, ebendamit auch ſich über die bloße Paſſivität der Menfchheit als eines Organon für vie Gottheit erhoben und zu dem Saße fih zu befennen vermocht, daß in Chriftus nicht blos Gott Menfch, fondern auch diefer Menfh Bott fet; daß bie ‚Menfchheit göttliche, unerfchaffene Eigenfchaften oder Gaben wirt. Lich haben könne. Die Schwaben aber haben ihre Lehre von einer doppelten Gottheit des Sohnes (779, 60), von einer physica transfusio (777, 62, 63) oder exaequatio (768, 28) der wefentlichen Eigenfopaften fallen gelaffen und ten Unterfchied in der Einheit beftimmter als zuvor anerfannt. Sie laffen es gelten, dag Chriftus nach der Menfchheit unter Gott fei (777, 61) und die Enplichkeit, Umfchriebenpeit ihr weientlich zulomme (S. 763, 19) ja auch jebt noch Ehrifius Focal irgenpwo fei (S. 611, 33). . Analyfe d. falſchen Pactirens zwiſchen Chemnitz u. d. Schwaben. 711 Augenblid ihres Dafeins an durch bie Unio personalis befeffen babe (764, 13). Er ließ ſich gefallen, daß ſchon Ehrifti Em: ‚ Pfängnig, Erhöhung zur Rechten Gottes (Himmelfahrt) 608, 15; und bie fpätere Himmelfahrt nichts fei, als Ablegung ber forma servilis 767, 26. die Perfon ſelbſt alfo fchon von Anfang an, wenn auch verborgen, fertig und vollendet gewefen fei. Seine frühere Lehre von einem Ruhen des Logos in Bezug auf bie Menichheit verwandelt er jest in ein Ruben und Verdecktſein der von Anfang vollendeten, im höchſten Beſitz z. B. bes Wiffens befindlichen Menfchheit "7 (S. 779, 65). Er gab den Schwaben eine omnipraesentia generalis der Menfchheit Chriſti zu 9; ja, was das Kolgenfchwerfte war, er Tieß es ſich gefallen, daß ihm die Schwaben fo zu fagen in der Ießten Stunde faft alle Conceſſionen, bie fie ihm zu Gunften feiner bypoiheti- fhen Allgegenwart” ober vielmehr feiner Multipräfenz gemacht zu haben fchienen, mit Einem Schlage wieder durch Luthers Autorität entriffen, indem fie es durchſetzten, daß aus Luthers Schriften von der Zeit des Streites eine Reihe der ftärffien Stellen wörtlich in bie Eoncorbienformel eingerüdt wurden ; Stellen welche aufs Entfchiedenfte Die omnipraesentia absoluta, verfechten, und fie aus der Unio hypostatica ableiten, vermöge deren nirgends der Sohn Gottes fein bürfe wo nicht auch bie Menfchheit fei, und da mit diefer Unio hypostatica bie Menſch⸗ beit Chriſti wird, fo mar damit fogar eine Allenthalbenheit Chrifti felbft für den Stand der Exinanitio gegeben. '5) Aber auch die Schwaben ließen fich Mehreres zum Schaden der Sache entreiffen. *) Man war über eine Reihe wichtiger Fragen noch 13, Er willigt ſelbſt in den Sa ein, daß biefe Majeſtät, in beren Befitz die Menfchheit war, fih ſchon im Mutterleibe durch das Wunder der Geburt bei verfchloffen bleibendem Leib der Maria betpätigt habe. ©. 767, 24. 19 S. 608, 16. 19 S. 784 ff. 10 So den Sap, daß die göttlichen Eigenfhaften nicht blos supra -fondern auch contra naturam humanam feien, und daß fie fie nie auch nach der Unio in se habe ©. 762, 4. 773, 50. 775, 54. 6086, 7. 8. 46 3. 712 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſchnitt 1. nicht zur wirklichen Einigung gediehen; ; und da nun gleichwohl eine Eintracht um jeden Preis follte zur Erfcheinung gebracht werben, fo fhlug man das falfehe Unionsverfahren ein, welches Eonceffionen mit Gegentonceflionen abwechfeln läßt, und nad Formeln greift, welche beide Theile, wenn auch in fehr verſchie⸗ denem Sinn fi glauben gefallen Taffen zu können, und wovon dann bie Folge Halbheiten find, welche durch ihre Zufammenflg- ung beterogener Stüde aus verſchiedenen chriftologifchen Spitemen nicht blos an das Bild der Formula concord. von ben zwei Brettern erinnern fonbern auch wirkliche Widerſprüche enthalten. - Solche ftehen gebliebene Widerfprüche find befonders füchtbar in Betreff des Status Exinanitionis. Chemnitz opferte feine Darftellungsweife, weil doch. (S. 608, 16) ein wahres Fort: ſchreiten (proficere) von den Schwaben zugeflanden wurde. '?) Ya er gab zu, die Erhöhung fei nichts vls Ablegung der Knechtögeftalt, mithin Alles ſchon fertig in ihm von Mutter⸗ leibe an; der Stand ber Niebrigfeit habe nur in dem Berbergen und in dem geheimen Befig ber göttlichen Majeftät beftan- ben. Damit ift alfo eine geheime Altwiffenheit feiner Menfchheit während fie lernte, eine geheime Allgegenwart berfelben, während fie von einem. Ort zum andern gieng, eine geheime Allmacht in Mutterleibe behauptet. 13) Aehnlich, was die Ubiquität angeht, wollte zwar Ehemnig eine blos hypothetiſche Ubiquität zugeben, und feste es durch, daß häufig erflärt ward: Chriſtus könne nach feiner Menfchheit in freiem Ermeſſen fein wo er wolle, 1%) — was Alles gegen ihre Lehre von ber capacitas humanae naturae einen Wivderſpruch bildet. ı) S. 608, 16. Jam omnia novit, was für ihn in fih ſchloß: in ber Exinanitio non omnis novit. Auch 767, 26. bekennen fih die Schwa⸗ ben zu einer wahren Exaltatio nach der Auferſtehung, ja fie fagen, er ſei erfi ad plenam possessionem et usurpationem erectus 774, 51. ) ©. 782, 75. Die Agnoeten werden ohne Weiteres verworfen. Die Exinanitio {ft theilweifer Nichigebrauch oder auch Berbergung (geheis mer Gebrauch ?) der göttlichen Majeftät, die die Menſchheit hatte. », ©. 766, 24. 778, 64. 779, 66. 781, 71. Was ſchlechthin noth⸗ wendig iſt, ſcheint nicht mehr dem freien Villen zugeſchrieben werden zu können. Wiverſprüche in ver Chriſtologie der Formula Concord. 713 auch an mehreren Orten zugleich; aber nirgenbs bat er eine Ver⸗ werfung der Meinung durchgefegt, die Ubiquität fei als abfolute und nothwendige mit der Unio personalis gegeben. Im Gegentheil lehrt ja Die Formula concord. eine faftifche omnipraesentia gene- ralis Chrifti, 29) und Chemnig hat in eine Begründung der Raum: freiheit Chrifti, die er wollte, durch bie Unio personalis einge willigt, durch welche vielmehr bie nothwendige Ubiquität der Menfch- beit, wo irgend ber Logos fei, ?!) ſich unerbittlich ergab. Denn bie Unio personalis, heißt es, könne nicht gedacht werben ohne bie Communic. idd., dieſe aber fchließt fofort die Majeſtät (welche alle göttlichen Prärogative umfaßt) für die Menſchheit in fich. Vollends ward Chemnit völlig aus dem Felde gefchlagen und die abfolute Ubiquität feftgeftellt Durch die Auszüge aus Quther, denen er fich nicht zu wiberfegen wagte. ??) Kein Wunder, daß unter ben Berfertigern ber Concordie bald nad deren Publication Streit entſtand. ?°) Die Schwaben behaupteten, ihre Ubiquitäts⸗ lehre fei Kirchenlehre geworden; bie Niederbeutfchen läugneten es. Die Erfurter Apologie wollte nicht recht verfangen; Chemnitz ſelbſt unterzeichnete Die Formula concord. mit bem Zuſatz, daß er fie in dem Sinn der nieberfächfifchen Eonfeflion annehme (alfo ohne bie abfolute Ubiquität). Seine Freude hatte ſich bedeutend abgefühlt,' als das Werk nun fertig daſtand, zumal fich daran fofort eine Menge heftiger Kämpfe innerhalb und aufferhalb der Tutherifihen Kirche anfchloß, ?*) felbft der Hauptgönner Herzog Julius ſich yon demfelben Iosfagte, und in feinen Landen die Einführung verbot. Mit der gefchilberten Zuſammenſchweißung des ſchwäbiſchen — — = ©) ©. 608, 16. 29 Des Logos Allgegenwart if als ein nothwendiges Neberalifein gedacht, als ein Erfülfen aller Dinge ©. 763, 9. 768, 28. 780, 68. 606, 7. 2) Chemnit hatte ſich täufchen laſſen, durch bie Formeln (Anm. 19.) „potuit“, „liberrime“ u. ſ. w. welde die Schwaben gelten Iießen, weil, was Einer nach phyfliher Notwendigkeit fein muß und ifl, ihm freilih auch möglich if! ”) Plandı.c. B. X, 767 ff. 678 f. 796799. 2) Planck J. c. 690. — 714 Zweite Veriode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſchnitt 1. und des Ehemnig’fhen Lehrbegriffes hängt es nad) bem Bits berigen zufammen, baß bie Formula concord. für bie Einheit der Derfon einerfeits zu viel andrerfeits zu wenig thut. a. Da vom erfien Moment der Unio und durch biefe ſelbſt eine Mittheilung gegeben fein foll, welche bie ganze göttliche Majeftät in ſich ſchließt, fo ift ein fo abſolut beichleunigter Proceß der Bergottung ber Menſchheit von einer monophyſitiſchen Ver⸗ einerleiung ober Verwandlung faum zu unterfcheiden, mag num von einem altuellen Gebrauch der göttlichen Prärogative ober nur von deren Befiß geredet werben. Denn auch im leßteren Falle waren fie von Anfang ſchon fertige vollendete Eigenfchaften der menfchlichen Natur, die dadurch in ihrem Weſen geftört war, zu dem eine allmählige Entwidlung gehört. Chriſti menfchlicher Wille gieng fo nur fcheinbar in einen Kampf ein; feine Heilig- feit und fein Gehorfam war ein von Anfang an Fertiges. Wie foll man ferner ſich eine fertige Allwiflenheit feiner Menſchheit als bloßen ruhenden Beſitz vorflellen, ba doch bie Allwiſſenheit wenn fie da iſt, nicht fann nicht gebraucht werben, indem man fich ihres Gebrauches nicht enthalten noch bewirken kann, bag man etwas nicht weiß, was man weiß. =) Ohnehin bringt ber abs wechſelnde Gebrauch und Nichtgebrauch der göttlichen Eigenfchaften, welche fertiger Befig der Menfchheit fein follen, etwas Unſtetes, Willkürliches, Phantaftiiches in Sefu Leben. Endlich will die Theorie ber Forinula concord. davon nichts wiſſen, daß bie götts liche Natur je während bie menfchliche ruhte fih des Gebrauches ihrer göttlichen Eigenfchaften enthalten habe. 2%) Alſo kommt bie Formula concord. doch dabei an, daß während bes irbifchen Lebens Chriſti Das gefammte Leben des Logos noch nicht gemeinfam geweſen fei mit dem Leben Jefu, während fie Doch aus der Unio personalis das Gegentheil auf Koften der Menſchheit hatte ableiten wollen. Ya, wenn auch nur die Perfon bes Logos von Anfang ganz und vollſtändig die Perfon biefes Menſchen geweſen wäre, fo 25) Das Negirenwollen folhen Wiffens wäre an ihm ſelbſt wieder Setzung. *) ©. 612, XX. 778, 49. 781, 71. & BWiderfprüde u. Schwankungen in d. Chriſtologie d. Formula conc. 715 müßte, da biefe Perfon alles weiß, das Lernen ber Menfchheit Schein geweſen fein. b. Aber Die Formula Concord. thut auch wieder zu wenig für bie Einheit. Die Schwaben hatten vor Allem daran gearbeitet, bie Naturenwereinigung fefizuftellen, und dabei ſich allerdings dein Mono⸗ phyſttismus genähert, wogegen Chemnig mit Recht fir) erklärte. Sie ließen es ſich nun felbft gefallen, daß die communic, idd. oder communio naturarum aus der Unio hypostatica abge leitet warb, nicht aber biefe als das Refultat ber erſteren galt. Aber bei dem löblichen Beftreben, die Naturen unterfchieben zu halten, fam man in Beziehung auf den Hauptpunft, bie Mittheilung, in ein fihtliches Schwanfen. Um dem Monophyſitis⸗ mus zu fleuern, hieß es: die menfchliche Natur erhält bie Eigens fehaften nicht als wefentliche, in ihr ſelbſt feienbe, ſondern fie bleiben ewig nur ber göttlichen eigen; und fo fieht man nicht - - baß die menfchliche wirktich etwas zu eigen erhalten bat, in beffen Kraft fie walten Tann, was beſonders bedenklich wird, wenn hie⸗ nach auch die Persona nicht wirklich der Menfchheit eignen fol, fondern nur Sache des Logos bleibt. Denn die Mienfchheit bleibt dann nur beſtimmbares Organon. Bald aber, wenn es darauf ankommt, zu befchreiben, wie innig durch Die Unio die gotts menfehliche Lebendeinheit geworben fei, wird aufs Stärkſte ge: fügt, daß Alles gemeinfam, daß wirklich bie Dienfchheit zu Gottes Rechten erhöhet fei, daß fie alle göttlichen Prädikate als eigne erhalten habe, ja daß durch Die Communic. idd. eine Einigung der Naturen bewirkt fei (drems, xomwria). Daran ſchließt ſich auch ein Schwanfen über das Wefentliche ber beiden Naturen. Denn gegen ben Borwurf bes Monophyfitismus wird gerebet, ale ob mit ber Commun. idd. doch das Wefentlihe in beiben Naturen, oder ihre Subflanz nicht mitgetheilt wäre; wenn da⸗ gegen gezeigt werben will, wie viel für bie Einheit durch bie Commun. idd. geleiftet werbe, wirb fo gefprocden, daß man ja nicht glauben foll, das Wefentliche ber Naturen bleibe fih fremb und unmittheilbar.?”) Vielmehr wird ba in ber Mitteilung ber 37, Es iſt daher der häufige Einwurf: die Iuther. Lehre in der Formula «m ⸗ 716 Zweite Periode. Zweite Epoche. Asp. Abſchnitt J. Eigenfchaften eine Einigung deſſen erblickt, was in den Naturen das Weſentliche ſei. Dieſes allen Gewinn wieder in Feage ſtellenden Schwan⸗ Send darüber, ob die Menſchheit das Göttliche wirklich zu eigen erhalte oder nicht; ob ferner die Menfchheit und ‚Gottheit wirk⸗ ih in Demjenigen geeinigt feien, was in beiden Das Wefentliche und nicht blos accidentell ift, hätte man nur dam ſich ohne Monophyſitismus entfchlagen können, wenn man, wozu bie Schwas ben einen freilich nur unvollfommenen Anſatz machten, es erreicht hätte, gerabe in Demjenigen, was wefentlih und ewig Gott und die Menſchheit unterfhheidet, zus gleih den Punkt zu erfennen, burh den beide wefentlih auf einander als zufammengehörig be= zogen find. Bon der Menfchheit war nach ber göttlichen Idee von ihr, bie in Chriſtus verwirklicht ift, der Begriff zu fallen, wornach fie gar nicht vollftändig und wahr gedacht ift, wenn nicht dasjenige was fie ewig von Gott unterfcheidet fie auch ihrerfeits mit Gott verbindet, nemlich daß fie bloße Empfänglich feit, aber für Gott ſelbſt ift; gleichwie auch umgefehrt Dasjenige was Gott ewig von ber Menfchheit, auch in Chrifto unters feheidet, nemlich Daß er die weientliche und fchöpferifche Liebe ift, ihn mit der Menfchheit nach feinem eigenen wahren Begriff — ber Liebe vereinigt. Damit wäre das Chemnitzſche contra naluram, das die Schwaben inconfequent ſich aufreden ließen, befeitigt gewefen, wie ber immer wieberfehrende gerechte Vor⸗ wurf: daß man in ber Comm. idd. e8 wage, bad was man. in Gott zu feinem Wefen rechne (feine ganze Majeſtät) zu einem Accidens des Menfchen zu machen; was dann bach ber Menſch⸗ concord. reiffe bie Eigenfchaften von ven Subftangen los und behandle fie als mittheilbar, dieſe aber nicht, während boch bie Eigenicaften nur die Lebendigkeit der Naturen ſelbſt find, nur theilweife zus treffend, nemlich für ihre Säge gegenüber von dem Monophyfitis⸗ mus. Denn was das Neue und Hauptfächliche im Streben ber Formula concord. anlangt, fo konnte es gar nicht In ihrem Inter effe Liegen, die Eigenfchaften von den Subflanzen fo gefondert zu denfen, daß fich ſtatt der Überbrüdten Kluft nur eine neue aufthat. Der lebte Grund der Mängel ber Formula concord. 117 heit nicht wirklich innerlich zu gut kommt, indem es blos eine‘ Art von donum superadditum an-fie bleibt. Diefer neue, höhere Begriff von Gott und von ber Dienfchheit, wornach fie auf ein- ander inmerlich und wefentlich bezogen find unb hinweiſen, und fo gerade auch durch ihr Lnterfcheidendes eine innere Der: bindung und gleichfam ein Verlangen nad) einander haben in berablafiender‘ und auffteigender Liebe, war es, wornach Luthern verlangte. Andererſeits wirb aber auch zu geftehen fein, daß, jelbft wenn bie verfrüßte Entſcheidung und Firirung bes Proceffed durch die Formula concord. nicht eingetreten wäre, jeher .zu bezweifeln bleibt, ob eine Fortfegung des Kampfes . zwiſchen ber nieberbeutfchen und oberbeutfchen Chriftologie ſchon damals Hätte fruchtbar fein körmen. Es gehörten bazu neue, weitere Borausfegungen, die beiden Theilen noch fehlten; fo, um nur Eines zu nennen, ber Mare Blid in das was zur See des Menfchen gehört, die Erfenntnig ihrer ethifchen Anlage und ber ethiſchen Gefete ihres Werdens, bie Einſicht, dag folches etbifche Werden nicht etwa mit den erſt durch Suünde gegebenen Unvollfommenheiten zufammenhänge, (die ebenbaher von dem Gottmenſchen möglichft eilig durch bie Unio und ihre befchleu- nigten Wirfungen müſſe mweggenommen werden), ſondern baß darin auch ein weſentliches Stüd ber Offenbarung feiner Liebe und bes in Ehriftug gegebenen Heilsgutes zu fehen fei. 23) Diefe Borfragen find nicht blos fyecififch theologiſcher, fondern auch allgemeiner philofophifcher Art. Eine vom Geifte des Proteſtantis⸗ mus getränfte Philofophie war aber noch nicht geboren. =), Ein paralleler Gegenſatz wie ber zwifchen den Schwaben und ber Exinanitio des Epemniß iſt der anthropologiſche: War Adam fhon Anfangs fehlechthin Heilig und volllommen, ober nur rein und ahf dem geraden Wege dazu? Die Apologie läßt beides offen: die Formula concord. neigt fi fhon zum Erfteren. Bweiter Abfdnitt. Die reformirte Chriftolngie. Calvin nimmt auch in ber Chriftologie in Vergleich mit Zwingli eine ber Tutherifchen befreundetere Stellung ein. ) Es if ein gemeinjames, intenftveres religiöfes Intereffe was ihn mit dem Kern lutheriſcher Ehriftologie inniger verbindet. Wir beburften eines Mittlers, fagt er, der an Gott reichte, wie an ung, damit wir burdy ihn mit Gott vereinigt würben. Denn felbft wenn der Menſch nicht fiel, war des Menfchen Stand fo niedrig, daß er nicht hätte zu Gott dringen und emporfleigen fönnen. 2) Was wäre vollends aus bem in das fündliche Ver⸗ berben gefallenen Menfchen geworben, wenn nicht ber himmliſche Ratbichluß der Menſchwerdung des Sohnes unfer Heil bedacht hätte? Diefer hatte Die zufammengebrochene Welt berzuftellen, aus Kindern der Menſchen Kinder Gottes und Brüder von fih zu machen. Er fam aber auch um Erlöfer zu fein (Red- emptor). Denn wer fonnte ben Tod verfchlingen ald bas Leben? Oder die Sünde überwinden und die Mächte ber Luft und ber Welt, als bie Gerechtigkeit und die Kraft Gottes? Es mußte aber auch Behufs der Berföhnung ber Menſch, ber durch Ungehorfam Verlorne, einen Gehorſam entgegenfegen, Gottes Gericht genugthun und bie Sünbenftrafe bezahlen. So trat denn i Daher die Iutperifchen Dogmatiker sec. 17. fih häufig auf ihn berufen gegen reformirte Theologen. 2) J. Calvini Instit. relig. christ. ed. Tholuck. L. II, c. 13 —17. c. 12, 1: Quamvis ab omni labe integer stetisset homo, humilior tamen erat ejus conditio, quam ut sine Mediatore ad Deum penetraret. ®. . Calvin über die Chriſtologie. 119 ber wahre Menſch hervor, unjer Herr, zog Adams Perfon und Namen an, um einzutreten in unfre Stelle vor dem Bater, und feine ung gemeinfchaftliche Natur ift das Pfand unferer Gemein; fhaft mit Gott geworben. °) Dieſes religiöſe Intereſſe an ber Chriftologie befreundet ‚ im nun auch mehr mit ber lutheriſchen Communic. idd. , als manche Andere, (L. II, c. 14). Zwar ift eine von Gott aus eonfiruirende Speculation überhaupt nicht in Calvins Ark, auch fehlt ihm die intuitive Glaubensmyſtik Luthers. Es ift nur das geeinigte Bedürfniß des Bewußtſeins der Erlöfung und bed Berftandes, das ihn überall von unten zu Gott auffteigen und nicht eber ruhen läßt, als bie er im göttlichen Rathſchluß bie zeitliche Heilögefchichte geborgen bat (c. 12, 1.); aber alles progreffive Verfahren ift fir ihn zum Voraus buch bie Art abgeſchnitten, wie er zu oberft bie göttliche Freiheit, die Alles ihreiwegen thut (c. 14, 2) auffaßt. Es Iebt in ihm mehr bie ernfte Demuth und Beugung vor Gott, bie. gemiffenhafte Ehr⸗ furcht vor Gottes Geheimniffen, als bie Luft bes Kindes, in bie Liebesgeheimnifle, ja in das Herz bed Vaters zu fchauen. Aber doch ift ihm die Communic. idd. nicht ein bloßer Tropus. Die Macht, Sünden zu vergeben, fagt er, zu erweden welche er will, Gerechtigkeit, Heiligfeit und Leben mitzutheilen, kam weder einzig ber Gottheit noch allein der Mienfchheit Chriſti ‚zu, fondern beiden zugleich (c. 14, 3). Aber daſſelbe veligiöfe Intereſſe und noch mehr die Schärfe. feines unterfcheidenden Verſtandes forderte nicht bios firenge Fefthaltung des Unter⸗ ſchiedes zwifchen Gott und dem DMenfchen, fondern ebendeßhalb auch bie volle Wirklichkeit feiner Menſchheit und ihrer Entwicklung. Daher iſt er ber Ehriftologie welche bald bie Schwaben vertraten zumal für die Zeit der Exinanitio ſcharf entgegengefeht. *) Berner 8) ]. c. $ 3: Quum denique mortem nes solus Deus sentire, neo solus homo superare posset, humanam naturam cum divins sociavit, ut alterius imbenillitatem morti subjiceret ad expianda peccata, alterius virtaute — nobis victoriam acquireret. *) Defensio sanae et orthod. doctringe de Sacr. Opp. VIII, 658 ff. v. —* ’ . @® 720 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abfchnitt IT. tft er derjenige unter den Reformatoren, ber auf bie menfchliche Seele Ehrifti befondered Gewicht legt, was ſich unter Anderem darin zeigt, daß er auch die innere Seite zu den leiblichen Lei⸗ ben, das Tragen ber Höllenftrafen in unfichtbarem Seelenleiden am Kreuz als einen befonderen, wichtigen Glaubensartifel ber: vorhebt. Er findet ihn auch von ber Kirche bekannt, indem er den Artifel von ber Höllenfahrt hieher zieht. 2) In gleichem Intereſſe hat er ausführlich bie mennonitifche Chriftologie wider⸗ legt (II, 13) welde die volle MWirktichfeit feiner Menſchheit aufbob, beſonders aber den Servede befämpft, der ben Unter: fhied zwiſchen Gott und dem Menfchen pantheiftiich vermifchte; andrerfeits aber auch den Stancarugs wie den Andr. Oſiander (1, 12, 4—7) die gegen feinen Canon verftießen: der Schlüffel bed chriftologifchen Verſtändniſſes Tiege darin, daß, was bed Mittler Amt angeht, weber blos auf die Gottheit noch blos auf bie Menfchheit bezogen werbe. ©) Im Ganzen zeigt aber Calvin in biefem Dogma feine nahmhafte Produktivität. Er bleibt mehr dabei flehen, Abwege 3. 1554. Chriſti Leib If nicht immensum, fondern an einem Ort. Noch fchärfer Inst. L. IV, 17. 30. 6) 0.16, 8-10. Johann Aepin in Hamburg Uunterfcheivet fich von Calvin dadurch, daß er das genugthuende Tragen der Höllen: ſtrafen in der Hölle ſelbſt an Epriftt Seele vor fih gehen laſſen wollte (wie 1624 auch Euther), unter Berufung auf Pf. 16. 68. Apg. 2, 24. Auch dem Aepin kam es darauf an, daß der ganze Menſch nah Seele und Leib für ung Titt. Vgl. feinen Comment. in Ps. 16. vom Jahr 1544 und feine Enarratio Ps. 68. Plauck V, 1. 202 ff. Auch Flacius theilte feine Anfiht. Die Formula concord. 613. 788. will nicht entfcheiden, ob die Höllenfahrt zur Exinanitio oder Exaltatio gehöre; nur daß Chriſti Sieg über bie Hölle feſtſtehe. Auch wird das Hinabfleigen der tota persona Christi (mit dem Leibe 2) in die Hölle gelehrt. Nach dem römifchen Katechismus hat Chriſtus die Seelen der Bäter aus dem Limbus Patrum erlöst. ) c. 14, 8. cf. Calv. Ep. ad Polonos adv. Stancarım, u. f. Defensio orthod. fidel sacrae Trin. adv. prodigiosos errores Mich. Serveti Hispani. Calvin und A. Oſiander. 721 abzuſchneiden, als das Problem ſelbſt zu fördern, ober auf bie fhwereren Fragen fich einzulaffen und in den Irrthümern das berechtigte Moment aufzufuchen. Er ſcheint ein näheres Ber: ſtändniß ber Chriftologie fiir unmöglich zu halten, und bleibt in ängftlicher Borficht Tieber‘ bei dem hergebrachten Typus bes Chal- cebonenfe ftehen, als daß er ſich die Schwierigkeiten davon ein⸗ geftände, eine Unio personalis Gotted und ded Menfchen, ber nicht blos ooyaror und Tempel fein foll, mit den bergebrachten Begriffen zu reimen. Er bat auch fein Bebürfniß, in das Ge: heimniß, im das die Engel gelüftet hinabzufchauen, tiefere Blicke zu thun und den Andr. Oſiander weiß er nur mit firengem Wort abzumweifen, wobei es ihm aber nicht ohne Widerfprüche mit ſich felbft abläuft. ) Und doch wäre für ihn ein befons deres Bedürfniß gewefen, Dfianders Gedanken anesfennend richtiger auszubilden. Dein feinem Scharffinn fonnte nicht ent - gehen, "daß vor der Präbeftinationslehre ber für eine folgerechte Chriftologie die ernfteften Gefahren drobten, wenn Chriſtus bios als Mittel nicht auch als Selbſtzweck gedacht war. Sein chriſt⸗ liches Bemwußtfein fagte ihm, dag wir in Ehriftus den Erwerber unferes Heils, eine nicht blos fcheinbare Heilscaufalität bie etwa nur Durchgangspunkt oder Offenbarungsmittel des in fich mit ber Sünde ewig verfühnten Gottes fei, zu fehen haben. Er hat ſich mit diefer Frage ernſtlich befchäftigt, und kommt zu ber Antwort (ec. 17): dag Ehriftus ein fuhalternes Mittel des Heiles ) c. 12, 1. cf. 0.) hatte ex ſelbſt doch geſagt: eines Mediator bes dürfen wir auch ohne Sünde. Indem er nun fpäter meint, nur tadelnd fi gegen Ofiander verhalten zu müſſen, kommt er folgerecht dahin, daß ihm Chriſtus, nachdem das Werf des Mediator vollbracht ift, zu einer müßigen Perfon wird; und die Menfchheit Chriftt Feine Bedeutung’ mehr für ihn hat (vgl. c. 14, 8). Indem er ferner gegen Oſtander behauptet, die @ottheit des Sohnes fet das Haupt der Engel und Adams Urbild, kommt er ins Ge dränge mit dem was er vorher gelehrt hatte: daß die Engel nit erlöfen Tonnten, weil fle felbft eines Hauptes bedurften, per cujus ° nexum solide et indistracte Deo suo cohaererent (c. 12, 1). Chriſtus hat · ihm medium gradam als legatus’Dei bis zu der Zeit der Boll: endung 1 Eor. 15. (c. 14, 3). 722 Zweite Periobe. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſchnitt IL. fei. Der Rathſchluß des Heils fei aber nicht anders als fo gefaßt, daß Chriſtus das Heil erwürbe. Sonach will er aller: dings Chriftus eine wefentliche Stellung ald Heilscaufalität geben. Aber er kann das nicht folgerecht burchführen, wenn Chriſtus nur um ber Sünde willen ba if. Die Präbeflination unb bie göttliche Allmacht umfängt Chriftum fo fern er nur Mittel fein fol fo unmittelbar, daß der Heilserwerb Chriſti doch eigentlich wieder nur That Gottes felbft ift, alfo Bott ſich felhft bezahlt und bie gottmenſchliche Heilscaufalität zum Scheine wird. Das würde erft Damit fich beffern, wenn er Chrifti wefentliche Beziehung zur Menſchheit wie .zu Gott mit Oſiander aner- fennend, fagen wollte: Die Satisfaction ift nicht ein Schein; denn Chriſtus, der eine wefentlihe und auch von ber Sünde unabhängige Bedeutung bat und auch Selbſtzweck ift, war zus nächft nur bie perfünliche gottgegebene Möglichfeit der Ber föhnung ; die objektive Wirflichleit aber (in der die Möglichkeit unferes Bewußtſeins ber Berfühnung ligt) bat er bewirkt nicht durch ein menfchliches Verdienſt ohne Gott, aber in ernflem Ringen und gottmenfchlichen Kämpfen. ®) Wenn Calvin's Lehre fih noch im Unbeſtimmteren hielt, und namentlich nicht genau angab, ob die reale Mittheilung ſich nur auf die Perſon beziehe, oder auch auf die Naturen, ſo mußte der um 1560 beginnende Ubiquitätsſtreit um ſeiner Verbindung mit dem Dogma vom heil. Abendmahl willen die Wirkung haben, daß auch die Reformirten eine beſtimmtere chriſtologiſche Stellung einnahmen. Das geſchah durch die oben genannten Schriften Bezas, P. Martyrs, H. Bullingers uw A. Ihre gemeinſame Lehre iſt. niedergelegt in ben faſt allgemein bei den Reformirten anerfannten beiden Belenntniffen: dem Heidelberger Katechismus von 3. Urfinus und Kafpar Olevian, unb in ber Confessio helvetica yon 1566, von °), Dapin zielt c. 17 deutlich genug; aber die gotigegebene Möglich: felt und die Wirklichkeit ver Berföhnung vermag er nicht bes fimmt auseinanderzubalten, weil ex Chriſtus nur als Mittel auffaffen will. So droht aber feine Eaufalität doletifh ſtatt beilerwerbend zu werben. Die reformirten Confeſſtonen über die Chriſtologle. 723 H. Bullinger, Beza u. A.) Die letztere bekennt ſich aus⸗ drücklich zu den Schlüſſen der vier erſten öẽcumeniſchen Concilien (auch dem Epheſiniſchen), zum Athanaſianiſchen und apoſtoliſchen Symbolum, und verwirft auſſer den Doketen und Ebjoniten auch den Neſtorianismus, Eutychianismus, Monophyſitismus und Monotheletismus. In dem Einen Chriſtus ſind und bleiben zwei Naturen oder Subſtanzen; weil ſie in ihm vereint ſind, ſo kann geſagt werden, daß der Herr der Herrlichkeit gekreuzigt if. Die Communic. idiomatum iſt nach altem Brauch ber Kirche zur Erklärung fcheinbar widerfprechender Schriftausfagen (alfo nicht ale ein befonderer LehrartifeD zu brauchen. Chriftus ift jetzt erhoben in den höchflen Himmel zur Rechten des Vaters. 0) Schon eigenthümlicher ift der Heid. Kat. Wie Calvin das | Werk Chrifti unter den Gefichtspunft bes dreifachen Amtes ge⸗ | ſtellt hatte, fo gefchieht das auch Bier, unter Beziehung auf bie Salbung Chriſti mit dem heil. Geifl. 1!) Den auf und laften- den Fluch bat er an dem verfluchten Holz tragen müſſen und am Kreuze hangend die Höllenqualen erlitten (Q. 39. AO. 44.) worin feine Hölfenfahrt beftand. Obwohl gen Himmel geftiegen und nach feiner Menſchheit jetzt abweſend von der Erbe, iſt er boch nach feiner Gottheit, Majeftät, Gnade und Geift immerbar %) Augufti Corpus libr. symb. qui in ecclesia Reform. auctor. publ. obtinuerunt. ©. 25—31. c. 12; Catechesis Heidelberg. Q. 29—52. ) ©. 28: ad dextram Dei patris, quae etsi et gloriae majestatisque consortium aequale significet, accipitur tamen et pro loco carto Joh. 14,2. Act. 8,21 „Oportet Ohristum coelum suscipere“ et. Berworfen wird ©. 27: Ohristum secundum humanam naturam adhuc esse in hoc mundo adeoque esse ubique. Aehnlich fhon das Wahrhafte Belenntniß der Diener Chriſti zu Zürich. 1545. Die Conf. Belg. 19. Gall. 15 bleiben bei bem pofitiven Bekenntniß wirklicher, bieibender Menfchpeit fliehen. Die fchottifche (Art. 6-11.) hat am . meiften chriftologiihen Gehalt. Die räumliche Trennung pindere nicht die Gemeinfchaft mit dem Haupt, das nicht der Logos fon» bern der Gottmenſch if. Vgl. Art. 21. mit 8. 1) Bgl. Catech. Genev. 1. co. ©. 470 f., welcher ©. 472 die unctio fhon beflimmter auch auf .die Geburt Chriſti bezieht. Nach ©. 476 dat Chriſtus dadurch feine Seelenleiden haben können, daß paulisper delitescebat ejus divinitas h. e. vim suam non exercebat. 724 Zweite Periode. Zweite Eporhe. Abthl. 3. Abſchnitt IL. bei ung; 2) und obwohl feine Menſchheit nicht überall if, wo feine Gottheit, fo find doch feine beiden Naturen deßhalb nicht auseinander gerifien. Nam cum divinitas comprehendi non queat, et omni loco praesens sil, necessario conse- quitur, esse eam quidem extra naturam humanam, quam assumsit, sed nihilominus tamen esse in eadem, eique per- sonaliter unitam manere (Q. 48). Er ift und bfeibt das Haupt, das uns feine Glieder zu fich zieht. (Q. 45. 49 ff.) Man fieht hieraus, eine neue chriftol. Anfchauung vertreten bie veformirten Kirchen nicht; fie ftehen auf dem altfirchlichen Boden des Chalc., und wollen ihn gegen Secten jeber Art be⸗ haupten. Dabei ſtehen fie aber derjenigen mittelalterfichen Reihe, die in ber römifchen Kirche bie herrfchendere wurde, frember ins dem fie vielmehr die volle Wirklichkeit der Menfchheit Chriſti be tonen. Mit der römiſchen Kirche aber 12) treten fie ber Ubi⸗ quitätslehre entgegen, von der fie eine Ausgleichung der Na⸗ turen fürchten. 1%) . Weit bedeutender für bie Gefchichte ber Chriftologie, als bie angeführten Lehrſätze der reformirten Kirchen ift die Arbeit. der veformirten Theologen vor und nad der Eins trachtöformel. | Es ift unbeftreitbar, daß die reformirte hriftologifche Litera⸗ tur,. die um die Zeit der Concordienformel ihren Blüthepunft erreicht, durch Geiſt, Scharflinn, Gelehrfamfeit und philofophifche Bildung der Iutherifchen Theologie vollfommen ebenbürtig, ja in mandyen Beziehungen überlegen if. Was die Reformirten biefer Zeit befonders antreibt, mit aller Kraft des Scharfſinns ſich biefem Dogma zuzumenden, das ift der Wunfch, das Verhältniß 12) Der Catech. Genev. fagt: Ehriftus von der Erde wirklich ſcheidend it doch bei uns durch die Kraft, die von feiner verflärten Perſon ausfirömt. ©. 478, 2) Zurrianus, Bufäus, Bellarmin und andere Sprecher ber römifchen Kirche ſtimmen bier den Reformirten als Bertretern ber alten rechten Lehre bei, was freilich ein zweideutiges Lob war, wenn doch ein Fortfchritt nor nothwendig if. 14, Die ref. Hauptſymbole tadeln nur diefe, nicht die lutheriſche Chri⸗ ftologie überhaupt. Chriſtologie ver ref. Eonfeffionen. — Die reform. Epriftologen. 725 der Ennfeflionen in dem Friedensſtande, ven bie älteren lutheri⸗ fen Bekenniniſſe noch behaupten, zu erhalten. Denn bie Chris flologie bilbet in dieſen noch feinen Streitpunft. 15) Bei ben ausgezeichnetfien biefer ‘Männer haben. wir etwas zu verweilen. Sie find auffer Theodor Deza und Tambert Dandus ber edle, maaßvolle und geiftreihe Antonius Sadeel und Zach. Urſinus. !9 . ⸗ 15) ®gl. De Libro Concordias Admonitfo christiana Neostad. 1881. e. 4.5. Ein Hehnliches wird hier auch für ven Ealvintsmus in Beziehung auf ven zehnten Artikel der Augsb. Eonf. v. 1530 nachzumeifen verfucht. Die Prädeſtinationslehre kommt ven Ne formirten biefer Zeit als Differenzpunkt noch fo gut wie gar nicht in Betracht, (zumal die Eonc. Formel fih zu Luthers Schrift de servo arbitrio befennt), ſondern nur bie Artilel de persona Christi und de Coena sacra. ” Bon Beza gehören hieher feine Epistolas; feine Quaestiones et responsa, fowie feine Schriften aus Anlaß des Mömpelgarter Ge⸗ ſprächs mit J. Andreä, und ſeine Refutatio dogmatis de ficticia earnis Chr. omnipotentia, . Bon Danäus befonders: Examen Libri ie duabus in Christo naturis a M. Kemnitio conseripti Genev. 1581. ferner feine Apolggis ad Jac. Andreas und feine Isagoge Christiana, Genev. 1591. Bon U Sadeel: De veritate humanae naturae Christi 1585; in feinen Opp. Genev. 1592. Sodann De Libro Concordiae Admo- nitio ohristiana, Neostad. 1581, wotan fich die Defensio Admonitionis Neost. contra Apologias Erfordensis (von Selnekker, Chemnig und 3. Kirchner) sophismata, ab aliquot studiosis Theol. in schola Neostad. 1584 umter. Antheil des Urſtnus ſchloß. Nr» finus hat auch ein Compendium doctrinae christ. 1584 und eine Explicatio Catechetica gefrhrieben, Zanchius de nativitate Dei fowie eine Dispntation De praedicamentis post unionem. Zu den Bremer reformirten Theologen, die den Streit mit ben Württembergern fortführten, kamen noch die Anpaltifchen Theo- Iogen, befonders Amling, mit welhen Adam Erato, Tim. Kirchner fowie die Helmſtädter Daniel Hoffmann und- zu. Heßhus im Streit. Tagen. Bon Späteren find ferner zu nennen: bie Herborner,; namentlih Piscator und Mar: ‘tin; die Heidelberger D. Pareus Methodus contra Ubi- guitarios und Barth. ‚Coppenius de Mysterio Immanuelis 1620, Dorner, Chriſtologie. IE. 2te Aufl. 47 726 Iweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 8. Abſchnitt U Sie beſchweren ſich vor Allem bitter über bie ungetreue Relation der veformirten Anficht in der Formula concord. (was anch zum Theil die Erfurter Apologie des Eoncorbienbudh zugeben mußte) und bei ben lutheriſchen Polemifern. Diefe Angriffe lauteten: Bett babe mit ber Menſchheit Chrifti nach den Reformirten nichts veal gemein; beide Naturen theilen einander nichts mit umb ver halten ſich nur mechaniſch zu einander, was zu nefterianifcher Trennung in zwei Perfonen führe. Da gebe dann. das Leiden Ehrifti die göttliche Natur nichts an, Die menſchliche aber, weit fie nicht Autheil habe an göttlichen Prädikaten, babe — ein: gefchloffen im Himmel, mit und nichts zu ſchaffen; die göttliche Natur thue überall alle ihre Werfe nicht in und mit der menſchlichen, tiefe habe feine Gemeinſchaft mit der göttlichen Allmacht, Feine vollkommene Erfenntnig Gottes oder von dem was ift war und fein wirb, fondern fie babe nur das zum Gericht erforderliche Wiſſen; kurz fie fchreibe Chriſtus nach feiner Menfchheit nichts Webernatürfiches zu. Die Anbetung Chrifti nach feiner Menfchheit fei ihr Abgötterei, nach dem Sag: finitum non est capax infinili. Damit werde aber Arianismus ange bahnt, weil ſolche Berlaffenheit der Menſchheit von göttlichen Prädifaten nur begreiftich fei, wenn bie perfünliche Bereinigung der Marburger Raph. Eglin: de magno illo insitionis nostrae In ” Christum Mysterio, Marp. 1613, ſowie De foedere gratiae 1613. Gegen Sapdeet ſchrieb B. Dienzer feinen Antisadeel 1593, eingeführt durch Aeg. Hunnius, der eines der Iutherifchen Hauptwerfe: de persona Christi Lib. IV, Fref. ad Moen. 1595 ſchrieb. Al Martini in Herborn den Sadeel vertheidigte 1597, fo antwortete Menzer in ſ. Antimartinius 1604, 1820. Weiter find zu nennen Kecker⸗ mann Systema Theologic. Hanov. 1607. Alftedt Theologia di- dactica exhibens locos communes methodo scholastica, Hanov. 1627. M. Wendelin, Christianae Theol. L.HI,Hanovr: 1841. Sohniug Exegesis Conf. Aug.; Polanus a Polansdorf Syntagma Theolog. 1624. Bucanus Institutiones Theologiae, Genevae 1604. Auffers dem die Holländer Alting 1644, Hoornbed Summa Contro- versiarum religionis, Traj. 1653. Hul ſius Systema coutrovers. theologic. Lugd. 1677. %. Markius Compend. Theol. christ. di- dactico-elencticae. Amst. 16890. 9. von Maſtricht, theoretico- practica Theologie. Traj. 1690. _ Reformirte Klagen über Entftellung iprer Chriſtol. Berantwortung. 727 ber Menfchheit, ſtatt mit dem Sohn Gottes, nur mit einem untergeorbneten Wefen Statt gefunden babe. Damit war ihnen großentheils Unrecht geſchehen. Sie konnien biegegen fich dahin verantworten: daß fie Ehrifti Menſch⸗ beit nicht blos vom Logos getragen und erhalten (sustentatam) benfen, was ihr freilich mit allen Creaturen gemein fei, indem fie auch nach Luther nie fich ſelbſt zu erhalten vermöge, — fonbern bag fie bie inmigfte, übernatürliche, einzige Bereinigung mit Gott in Chriſtus der alten Kirche gleich annehmen, die perfünliche. Dadurch fei die menfchliche Natur in die realſte Gemeinſchaft "mit Gott (Deus) gebracht. Zwar fei und. werde fie nie Gott, fondern bleibe @reatur, mithin endlich und Tonne das was ber göttlichen Ratur eigenthümlich fei (proprietates divinas) ohne Widerſpruch nicht als Eigenthümlichfeiten menfchlicher Natur ers halten haben; aber bad) habe Ehrifti Menſchheit nicht blog Gemein: ſchaft mit ber göttlichen Perfon (Deus), fondern ba bie göttliche Pers fon das Perſonbildende fei, fo fei zwar nicht Die menfchliche Natur aber biefer Menſch Gott; und da bie göttlichen Kigenfchaften, oder Das Wefen.der Gottheit fih von ber Perfon nicht trennen Iaften, fo fei diefem Menfchen auch die Gottheit gegeben, und gehöre zur Subftanz der Perfon biefes Menſchen. Within ſiehe Chriſti Menſchheit auch ‚in realer Gemeinſchaft mit allen gött⸗ lichen Eigenſchaften, nemlich durch die Perſon. Daher auch von feiner neſtorianiſchen Trennung oder Doppelperſönlichkeit bie Rede fein könne: denn nie und nirgends ſei der Sohn Gottes nackte Gottheit, von ber Menfchheit bie er angenommen gefchies den, fondern auch während bes Todes Ehrifti perſönlich mit ihr gereint. Hieraus folge aber auch die Ungerechtigkeit des Vorwurfs, daß bei ihnen bie Leiden Chriſti die Gottheit nichts angehen, indem in vielmehr das Reiben ein perfünliches Leiden des Menſchen fet, der nur in ber Perfon des Logos Perſönlichkeit habe; Chriſti leidender Leib und feine Seele feien ja Leib und Seele bes Sohnes Gottes, und fo leide er, aber freilich nur nad feiner Menfchheit nicht nad) feiner Gottheit. Und weil der Sohn Gottes nie ohne bie angenommene Menfihheit ift, fe thus ex Alles mit und in der menſchlichen Natur; aber allerdings nicht | 47 * 728 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abfchnitt IL. Alles durch fie, denn das Schöpferifche kommt ber Kreatur nicht zu; an dieſem ift die Menſchheit Chrifti aber auch betheiligt auf ihre Weife. Sie ift nicht müßig oder” gleihfam tobt ober ge feffelt im Himmel, fondern fie thronet im Himmel in ber Herr lichkeit und Majeſtät in’ ber Mitte der Heiligen und Engel; fie {# Herrin über alle Greatur und in unausfprechlicher von feiner Creatur faßbaren Größe hinaus über jede denkbare menfchliche Größe, wenn fie ſchon dem unendlichen Gott nicht gleich ifl. Chriſtus ſchützet, pfleget die Kirche mit feinem göttlichen und menschlichen Geift; darinn treffen beide Naturen zufamnien. Die Menfchheit Ehrifti vertritt Durch inbrünftigfte mächtige Fürbitte ihre Brüber bei dem Bater, ‘die Gottheit wirft, was bie Menſch⸗ heit erbittet und was ihr wohl bewußt if. So ift Chriſtus Mittler, Priefter, König, Haupt nad beiden Naturen. Die Sonne bleibet am Himmel und doch fpendet fie ihren Segen: fo die Menfchheit Chrifti, wenn fie gleich nicht allgegenwärtig iſt. Dur den Glauben find die Glieder dem Happte einverleibt, auch mit feiner Menſchheit verbunden: denn ber Logos, einfach und überall fich ſelbſt gletch, ift Überall wo er ſich barbietet fein Anderer als der auch mit der Menſchheit verbundene; bie räum⸗ liche Gegenwart feiner Dienfchheit aber thut hiezu nichts. Auch geben fie zu, Chrifti Wiffen nach feiner Menſchheit habe fein beſtimmtes · Maaß, fondern reiche über alles ung denfhare Maaß hinaus. Selbſt die Ermählten werben eine vollfonnmene Ers kenntniß haben; wie follte fie Chriſti Menſchheit fehlen, die un begrängt über ihnen allen flieht? Die Potenz bes Wiſſens ift in ihr unendlich, fie fann Alles wiffen was fie will, Durd bie Gottheit bie in ihr ober in ber fie iſt. Aber allerdings kommt ihre nicht Allwiffenheit zu wie Gott. Chriftus Tann als Menſch nicht Alles in Einem Alt und Blick wiſſen, fondern nur in einer Succeſſion von mehreren Aften. Allein Ausgleichung der Kreatur mit Gott wäre nicht Vollendung fondern Zerftörung Da würde offenbar, daß bie Menfchheit gar nicht im Stande fei, durch ihre Fortdauer Gott zu verherrlichen. Indem aber fo nur Gott übrig bliebe ber uns nicht kann Brüder nennen, fo verlören wir über folcher Hoheit die wahre Menfchheit und ihren Troſt. Auf Erden Berantwortung der Reformirten. ” 129 war Chriſti Wiffen ein zunehmenbes wie auch Luther lehrte; im Stande der Erhöhung weiß Chriftus Alles zu feinem Werk und Regiment Gehörige, ja überhaupt Alles was er wiffen will, auch nach feiner Menfchheit. Wie darf man baber, ſchließen fie, bie reformirte Lehre der Trennung ber Naturen bezüchtigen, ober ber Nachgiebigkeit gegen Philofophie und natürliche Vers nunft, wenn fie die Ausgleichung ber Eigenfchaften beiber Nas turen duch Diittheilung verwirft? Die Eigenfchaften find bei Gott nichts Anderes als fein Wefen, find davon untrennbar, denn fie find Fein äußerer Befig Gottes: und ebenfo find alle proprietates essentiäleg menfchlicher Natur conſtitutiv für das menſchliche Weſen. Nähme man daher flatt einer innigen Ge: meinſchaft der Eigenſchaften beider Naturen und ihrer ſelbſt in der Einheit der Perſon, eine gegenſeitig reale Mittheilung der⸗ ſelben an, fo hieße das ſ. v. a. Mittheilung, Eraequation des Weſens beider Naturen und Monophyſitismus wäre unver⸗ meidlich. Weit gefehlt, daß die gegneriſche Anſicht für die Einig⸗ ung bes Unterſchiedenen mehr Teifte, als bie veformirte Lehre: fie leiſte weniger, nicht blos weil ſie die menſchliche Natur, ſtatt ſie zu einigen, verſchlingen laſſe durch die Ausgleichung mit der göttlichen; ſondern auch wenn man dieſes eutychianiſche Ende nur als unbeabſichtigte Conſequenz lutheriſcher Lehre anſehe, und vielmehr auf deren eigenſte Tendenz blicke, ſo müſſte dabei gerade eine Verdoppelung des Göttlichen (folgerichtig auch des Menſch⸗ lichen) herauskommen, alſo das Gegentheil von Einheit, man hätte ein urſprünglich Göttliches, und ein abgeleitetes Weber tragenes, in der Menſchheit Niedergelegted. - Sagte man aber, viel- a das Eine Göttliche wirfe nur durch bie Menſchheit hindurch | als ihr Organ, fo fei auch biefes Feine Einigung, fonbern mono⸗ theletifch.- Gerade die Neftorianer haben durch Mittheilung der Eigenfchaften bie Trennung masfiren und bie Unio personalis "entbehrlich machen wollen, wie bie Qutheraner. Dagegen bie reformirte Lehre befenne um ber perfönlichen Einheit willen: Homo Christus substantialiter et realiter est Deus, omni- potens, infinitus nemlich respectu Deitatis suae. Aber freis ih die Menschheit Ehrifti Tonne nicht Über die creatürlichen 730 Zwelte Beriope. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſchnitt IL Grönzen hinausgerückt werben, baber bleiben ihre Gaben, bie ihr mitgetheilt werben, gefchaffene Gaben, melde foweit von den göttlichen Eigenfchaften d. h. Gottes Weſen entfernt bleiben, als Gott unterfehieben bleibt von ber Creatur. Chriſti Menfchs heit empfange Alles wofür irgend Empfänglichkeit in ihr fei, aber fo, daß fie dadurch erhöht nicht vernichtet werde. Chriftus (Calv. Inst. IV, 17, 30.) fei überall ganz (totus), wenn ſchon nicht das Ganze Ehrifti Überall fei, anzubeten fei bie Perfon, zu der auch die Meufchheit gehöre; forbre man aber eine Ans betung der Menfchheit fir füh, fo zertvenne man wieber Chriſtus, su ſchweigen davon, Daß das Idololatrie wäre. Bernichtung ihres Weſens aber wäre Folge der realen Mittheilung göttlichen Weſens oder göttlicher Kigenfchaften. Die Berufung auf die göttliche Allmacht, weiche Alles könne, belfe nicht: denn die Frage fei nicht ob Gott allmächtig fei, fondern ob er ſich felbft wibers fprechen fönne, ob er nicht vielmehr wahrhaftig fei? ine wahre Menfchwerbung kündige fein Wort an. Die Frage fei nun, ob Gott auch ſolches thun könne, wodurch dieſe Wahrheit in Schein verwandelt würbe? Gerade bie gegnerifche Anficht bringe es nur zu einem Titel von Gottmenfchheit, flatt zur Sache; fie mache die Allmacht, welche zur Vereinigung ber zwei abfolut vers fihiedenen Naturen binftrebe, zur Ohnmacht, indem fie behaupte, fie könne das nicht anders als in einer Weife bewirken, daß viel: mehr beibe vermifcht werden. Das Wunderbare unb Ueberver⸗ nünftige Tiege gerabe darin, daß die beiden an fi) abfolut ge: trennten Naturen doch durch Gottes Allmacht in Einer Perfon vereinigt, nicht aber barin, daß bie Naturen, um Eins zu fein, fich gleich gemacht werben. Ind wozu? Wenn man bie menfchliche Natur göttlich auöftatte, fo verführe man nicht anders, denn als ob nur Eine Natur das Erlöſungswerk vollbringen dürfe und könne. 17) Die Tutheraner, fahren fie fort, Tönnen aber auch wie bie veformirte Lehre nicht widerlegen, fo die eigne nicht beweifen. Ste 1) Admon. Neost. c. 8. ©. 683 ff. Defensio c. 2. Blatt 61-97. Sadeel J. c. c. 4 S. 172 ff. Er behandelt 13 Objectiones, bie Def. 18 calumnias; vgl. Admon. c, 8. Berantwortung für die reform. Chriſtol.; Beanſtandung d. Luth. 731 legen das Hauptgewicht auf bie nothwendige Zufammengehörigfeit ber perfönlichen Unio und ber realen Mittheilung der Eigenfchafe ten: meinen, eine Gemeinfchaft, bie nicht die Eigenfchaften und Wirkungen mittheile (communicatio Iransiliva, transfundens) fwäre feine, Aber die Formula concord. fei fihon in ſofern mit fig ſelbſt im Streit, als fie einerſeits erft burch Die Comm. idd. die perſönliche Einheit werben laſſe, andererſeits letztere als die Duelle ber erſteren anfehe. 1°) Beides fei unvereinbar, weil nichts Urfache feiner ſelbſt ſei. Die Lutheraner reden ferner, als bliebe für die fpecifiiche Einwohmmg Gottes in Chrifte nichts übrig, wenn nicht Gott Die Menfchheit allgegenwärtig, allmäch⸗ tig n. f. w. made. Aber im Gegentheil dieſe Mittheilung ber Eigenſchaften, indem fie nur ein zweites göttliches Weſen aber- feine Unio fege, enthalte in gewiſſer Art einen quantitativen Unterfchied Ehrifti von andern mit göttlichen Gaben mögen fatteten Menſchen, während ber fpecififehe Unterſchied in ber geheimnißvollen unausſprechlichen perfünlichen Werbinbung bes Menfchheit Chriſti mit bem Rogos Liege. Die Tutheraner hätten Recht, wenn perfünliche Vereinigung mit einer andern Natur " fo viel wäre. ald Empfangen ihrer weſentlichen Eigenſchaften. Aber da müßte diß Empfangen ein wechfelfeitiges fein. Indem fie daher ſelbſt Ichren, Gott empfange Die menfchlichen Eigen- haften nüht, ja Gott könne überhaupt nichts empfangen, fo befennen fie damit ſelbſt, daß bie Unio personalis und bie Mittheilung ber Eigenfihaften gar nicht weſentlich zufammenges hören. Dazu kbomme no, daß bie Lutheraner einerfeits bes hampten, die Mittheilung der göttlichen Eigenfchaften fei noth⸗ wendig im Begriff der Menfchwerbung oder Unio personalis enthalten, anbrerfeitd aber bach z. D. Die immensitas, aeternilas ber Dienfchheit nicht seal mitgetheilt werben Yaffen. 7%) Wenn nun nicht alle göttlichen Eigenfchaften mitgetheilt werben müflen =) Bol. 3. B. Formula concord. 786, 20. 32. 767, 26. mit 764, 12. 780, 70. oder 768, 31. Die Schwaben haben allerdings theilweiſe narhgegeben, aber voch iſt einige Unklarheit über dieſen Punkt in ber Formula eoncord. geblieben. 9) Bol. 3. B Behmanns Aunotet. zu Leonh. Hutteri Comp.dfheol. 739 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſchnitt I. Reformirte nach logiſch nothwenbiger Folge des Begriffs der Unio: mit welchem Recht man aus ber Unio boc die reale Mittheilung einiger wirklich göttliher ableiten wolle? Auch bie Bilder vom glühenden. Schwert ober von dem Verhältniß zwiſchen Leib und Seele feien ber realen Mitteilung näher betrachtet nicht günſtig. Denn ba nicht das Eifen brennt fondern bie Hige im Eifen, da nicht bie Hige fchneibet, fondern das Eifen, jo fiebt man daß unvermifcht jedes von beiden das Seine wirkt, und bie Mittheilung ift vielmehr nur eine Verbind⸗ - ung, welde zwar für bas Verbundene nicht gleichgültig if, aber ihm nichts zuführt aufler wofür es empfänglich ift ohne zerftört zu werben in feinem Wefen. Das Eifen empfängt 5. 2. nicht Leichtigkeit oder Richtung nach oben durch das Feuer; und das Feuer im Eiſen leuchtet weiter als es das Eiſen erhitzt. Sp nun auch in Chriftus die göttliche Natur. Das Eifen ferner fei an ſich fchwarz ‚und falt, und werde warm und leuchtend durch Feuer, wie die Menfchheit‘ Chrifti durch hohe übernatür⸗ liche Gaben geziert: aber wie das Eifen nicht zugleich heiß und - Talt, dumfel und glänzend fein könne, fo könne man auch nicht ber Menichheit Ehrifti zugleich entgegengefette Eigenſchaften bei= legen, wie endlich und unendlich, räumlich und fihtbar, unräum⸗ lich und unſichtbar. Aber auch das Verhältnig von Seele und Leib beweife vielmehr für bie veformirte Lehre, Denn troß ber Berbindung ber Seele mit bem Leib denfe nicht der Fuß fonbern bie Seele; auch den Beſitz ber Denffraft haben nicht bie Glie⸗ ber ſondern ber Geifl. Die Seele unb nor mehr ber Logos ift Überall ganz, nicht ‚ein Theil auffer dem andern, was vom Leid nie kann gefagt-noch auf ihn übertragen werben. Denn bat dieſer nicht mehr einen Theil aufler dem andern — alſo Räumlichkeit feiner Glieder — fo ift er ſelbſt als Leib nicht 1690. ©. 158 ff. wo ber Ausweg ergriffen wird: nicht alle gött⸗ , lichen Prädikate können von der Menfchpeit prädiecirt werden; diejenigen nicht, die Gottes Wefen bezeichnen, das unendliche. Gleichwohl werben alle Prädikate mitgetheilt. — Die Commanic. ohne Praedicatio wäre eine miedrigere, vermitteltere Form ber Ggmmunic. die auch die Reformirten gelten laſſen Fönnen. Angriffe.auf d. reale Mitteilung d. Eigenfefaften an d. Naturen. 733 mehr fondern zerſtört. Ebenſo wie bie Seele, obwohl in und mit dem Leibe feienb, wollend, denkend, doch nicht alles durch den Leib thut, fondern fie kann unbefchadet ihrer Einheit mit dem Leib auch venfend fich in fich verhalten, weil dem Leibe das Denken und Denffraft nicht zufommt, ähnlich der Logos in Chriſtus. 20) Hieran fehließen fie nun aber auch bie ausführliche Aufdeckung der Schwierigkeiten und Widerfprücde, welche bei einer realen Mittheilung der Eigenfchaften herauskommen (vgl. Adm. Neost. c. 9. ©, 297 ff. XI—XLL).- Die göttlichen Eigenſchaften find nicht als ein äußerlicher Beſitz zu benfen, fondern alle find wefentlich, da in Gott nichts Zufälliges it, ja fie eonftituiren Gottes Wefen, und find in ihrer Einheit nur: der lebendige Gott felbft, ber als actus pu- rissimus zu benfen if. ?) So Tann von einer vealen Mits theilung von Kigenfchaften ohne Mittheilung des Weſens nicht die Rede fein. Das geben auch bie einen Qutheraner zu, 2) wenn gleih Chemnitz, Selneffer, Kirchner, überhaupt bie Niederfachien zur Zeit der Eoncorbienformel nicht. Gegen bie %) Bl. Sadeel ©. 186 ff. Admon. 252 ff. Danaeus Exam.:166— 246. 21) Die Defensio geht fo weit zu fagen: die göttlichen Eigenfchaften feien nur in unfern Gedanken unterfhieven; ja in Bott fei keine possessio proprietatum die nicht auch usus fei, was fehr bedenkliche Confequenzen hätte, wenn es auf die omnipotentia unmittelbar bezogen würde und nicht vielmehw auf die Macht über die Alls macht. Vgl. Blatt 148. 55 ff. f. ferner für das Folgende Def. c. 3. ?”) Die Württemberger, befonders I. And reä: „Gott if bie - Allmacht, Weispeit“ u. f. wm. Auch unter den Späteren fagt Gisenlus de Zwinglio-Calvinismo fugiendo , Giess. 1621. die götts lichen Eigenfchaften feten die göttliche Natur. Aehnlich alle Die, die au eine Communicatio naturarum Iehren, wie Ealov. Unrichtig if alfo die herrfhende Annahme, daß die Iutherifche Lehre von der Comm. idd. an ber Trennbarkeit göttlicher Eigen⸗ Ihaften vom göttlichen Wefen hange. Aber freilich ik dann au Befensmittpeilung Gottes zu Iehren, was z. B. noch Andreä in feiner Repetitio sanae doctr. M. Lutheri de Pers. Christi. Vit. 1580 thut, wo er fagte; Deitatem ipsam, hypostasin etc. cömmuni- catam esse. Vgl. oben Abſchn. I, Anm. 27. 734 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 8. Abſchnitt IL Reformirte MWürttemberger nun wirb eingewendet, daß fit ein doppeltes Göttliches erhalten, ein urſprüngliches und ein durch Gottes Willen gefegtes. Aber bad Zweite fei gar nicht wahrhaft gütts fich, denn dem Göttlichen fei es wefentlich nicht gefchaffen zu fen. Nehme man aber eine Uebergießung bes göttlichen Wefens an, fo fei das nicht blos gegen bie Einheit Gottes fonbern führe zu phyſiſchen emanatiftifchen Theorien alter Irrlehrer. 23) Gefegt aber auch, ein fo übertragenes Göttliches wäre wirklich göttlich, fo hätte Chrifti Menfchheit ſchon in fich felbft die Gottheit und die göttliche Natur neben folder menfchlichen würde müßig ja entbehrlich. Das bahne dem Arianismus den Weg; wie auch bahin die Methode ziele, die ſtärkſten Schriftftellen wider ben Arianismus auf die Menfchheit zu ziehen, welche in der That bier zu einem arianiſchen Mittelmefen werde, da fie bie Gottheit nicht ex se unb por se haben fol, alſo eine gefchaffene Gott heit fü. Set aber: ferner mit den göttlichen Eigenfihaften auch) das göttliche Wefen auf die Menichheit übertragen, fo fei bie Confufion der Naturen unvermeiblich, und die menfchliche Ratur aufgehoben. Es füme- ihr da das Entgegengefeßte zugleich zu, ‚menfchlihes und göttliches Weſen. Die Menfchbeit wäre zu: gleich umfchrieben, fichtbar, local, endlich und unumfchrieben, un⸗ fichtbar, illoeal, unendlich: fie wäre zugleich einfach, ohne Theite und hätte Theile. die auffer einander find; wenn ferner bie Menfchheit, weil fie in die, Unio personalis aufgenommen ift, deßhalb göttliche Eigenfchaften haben müßte, fo würde auch ber Leib Chrifti, weil er in biefe Einheit mit aufgenommen iſt, müſſen allwiffend fein u. f. w. kurz nichts wäre fo wiberfinnig, was ba nicht möglich wäre. Was in der Perfon wohl verein bar fei, das fei es nicht in den Naturen; die menfchliche fönne fchlechterdings das ihrem Weſen Entgegengefeste nicht "neben ihrem eigenen Weſen haben, und nähme fie es auf, fo würbe mit ihrem wefentlichen Unterſchied von dem Göttlichen fie felbft ausgetilgt. Auch helfe es nicht zu fagen: die Menfchheit habe nur das göttliche Weſen, menfchliches aber fei fie; denn es fei 2) Sp Sadeel. Einwend. gegen d. ſchwäb. Form d. Chriſtologie; geg. d. Chemniß. 735 des Oöttlichen unwürdig, an dem Menfclichen ein Accidens zu fein, während doch die göttlihe Natur bie menfchliche trage. Auch die Unterfiheidung zwiſchen dem Stand ber Erniebrigung und ber Erhöhung helfe nicht hinaus über den Widerſpruch daß das menfchliche Wefen bleiben und doch zugleich ein ihr entgegens geſetztes göttliches Wefen haben fol Aber nicht beffer als die Annahme eines doppelten, ober in die Menfchheit übergegoffenen Göttlichen fei die Lehre ber andern Lutheraner, welche das Wefen Gottes nicht als Doppelt noch in der Art mittheilbar fegen, daß es ber menſchlichen Nas tur zu eigen werbe. Diefe fagen, es finde nur eine communi- catio und eeıyooyus ber göttlichen Eigenfchaften flatt, bie vom göttlichen Welen ungetrennt ber Menſchheit infofern zu gute. fommen, als ber Sopn Gottes durch bie Menſchheit hin⸗ durch und in ihr activ fei nach dem Bid von ber Seele im Leib, vom Feuer im Eiſen. Aber wenn wirklich bie Meinung wäre, daß die menfchliche Natur nur Gemeinſchaft Habe mit der göttlichen, bie göttlichen Präbifate aber nicht ihr zu eigen und mitgetheilt werben, fo wäre fein Streit; bie reale comm. id. befchränfte ſich auf die Perfon. Aber dag dieſes Männern wie Ehemnip nicht genlige, fehe man doch wieder an Ausdrücken, wor - nach das Göttliche: niedergelegt fein foll in die Menfchheit ſelbſt, beſonders aber aus den Borftellungen über Eprifti Leib welche des . heil. Abendmahles wegen auch Chemnig theile. Was fei das aber Anderes, als zugleich fagen: die menſchliche Natur habe auch göttliche Eigenſchaften als ihr Eigenthum, und fie babe fie nicht? Man betone zwar von biefer Seite bie Unverleglichfeit des Weſens beider Naturen, verwerfe bie transfusio physica und wolle burch die reale Mittheilung ber Eigenſchaften bios für die Einheit Sorge tragen; aber das habe nur einen Sinn, ‚wenn man bie göttlichen Eigenſchaften ald trennbar von Gottes Wefen anfehe, was offenbar auf rohe Borftellungen hinweiſe. Dan verſuche das göttliche Weſen dadurch aus bem Spiel zu halten, daß man bie göttlichen Eigenſchaften ſofern fie ber Menſchheit mitgetheilt werben als ſolche bezeichne, welche bie Menfchheit nicht aus ſich und an fi Cex se, per se) habe, 736 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſchnitt I. Reform. während fie in Gott fo feien, daß er fie ex se, per se habe; aber das führe doch wieder auf jene unzuläffige Trennung von Weſen und Eigenfchaften, die bei dem veränberlichen, perfectibein Menfchen zum Theil berechtigt, bei Gott aber ganz unftatthaft ſei. Geſetzt diefe Diftinftion wäre zuläßig, fo käme man, — nur im Gebiet der Eigenfchaften — wieder auf ein boppelted Göttliches, gleichfam ein Höheres und Niebrigeres. Aber All: macht, Allgegenwart u. dgl. laſſen bei ihrer Unendlichkeit ſolchen Unterfchied nicht zu. Jede Unendlichkeit aber müßte die menſch⸗ liche Natur zerftören, die Kreatur in den Schöpfer verwandeln; und wenn zu gleicher Zeit doch die begränzte menfchliche Natur mit ihren endlichen Eigenfchaften fortdauern foll, fo heiße das dem Uebel nicht fteuern, fondern das Unvereinbare in emer Weife häufen wie Eutyches und Schwendfeld es nicht gewagt haben. Denn was folle man ſich dabei benfen, daß Chrifti Leib zugleich an einem Ort umfchrieben, local, und an allen Orten unumfchrieben fein fol? Mit befonderem Eifer wird gegen bie Ubiquität des Leibes Ehrifti geftritten und unermüdlich werben bie Widerfprüche aufs gebegkt, die in ihr Liegen. *) Sadeel hebt ben Gontraft her⸗ ‘vor, baß um bes heil. Abendmahles willen diefe ganze Lehre von ber Ubiquität ja ‚von ber realen comm. idd. aufgeftellt fei, während fie für dieſen Zweck gar nichts Teifte. 3) Denn bie Möglichkeit der befonderen, begränzten Gegenwart im Abendmahl werbe durch bie wirkliche und angeblich nothwendige Allenthalben⸗ heit des Leibes Ehrifti nicht begründet fondern ausgefchloffen. Es handle fi) dem Lutheraner um den mündlichen Genuß, alfo um ein local befchränftes Sein bes Leibes Ehrifti; wenn num zu gleicher Zeit der Leib Chrifti überall (alſo auch ſchon zum voraus in dem Genießenben felbft) fei, fo müſſe gerabe bie Eigenthümlichkeit des heil. Abendmahles Noth leiden. Was all gegenwärtig fei, das Fünne feine Bewegung erleiden, alfo auch nicht in, mit und unter ben Elementen in ben Mund bewegt 3) Defens. Bf. 119b ff. Admon. 808 ff. 155 ff. 250 ff. 2) Sadeell.o. ©. 170 fi. Angriffe gegen d. Epriftol. d. Nieberfachfen; u. gegen d. Ubiquität. 737 werben. Auch das fei ein auffallenner Kontraſt, daß die luthe⸗ “ rifche Lehre bei Illocalität der menſchlichen Natur Chrifti in der Perfon beginne, ja den Himmel nicht als einen Ort, fondern mur ale Gottes Rechte anfehe, aber bei dem Iocalften, dem os enbige. Er fügt hinzu: wenn man fage, die unio bezeichne zunächft nur eine Beziehung der menfchlihen Natur auf ben Logos, Räumlichkeit aber komme dabei gar nicht in-Betracht, ſon⸗ bern die Bereinigung fei illocal: fo fei zu fragen, ob benn Chriſti Leib nicht im Leibe, der Maria gewefen, ob er denn wirklich ein menfchlicher Leib fei, wenn er nicht begränzt fei Durch anderes Leiblihe? Behaupte man um jener illocalen Verbindung willen: feine Illocalität, ftatt Die Verbindung bes illocalen Logos mit dem Iocalen Leibe, und feße man diefe in Alfenthalbenheit bes Leibes um, fo fei Chriſtus ftatt in Maria, nach feiner Menſch⸗ heit allenthalben, nach feiner Auferftehung noch im Grabe, nad) feinem Tobe der Seele nach noch ungetrennt vom Leibe geweien; u. dgl. Die ganze evangelifche Gefchichte aber werde in Schein verwandelt: durch vermeintliche Erhöhung Chrifti werde ung Das Tröftlichfte genommen. Sage man aber: er war in Maria, am Kreuz, im Grabe, aber. zugleich nad, feiner Menſchheit allenthalben : ſo führe das auf.einen Doppelleib, der eine ſei in der Riebrigfeit, Yeibenb, der andere leidenslos, und nicht am Kreuz, wenn. man nicht etwa auch bem Kreuz und Grab Allentz, bafbenheit beilegen wolle. Wäre Chrifti Leib allenthalben, To wäre-er wie Bott, weil es Feine doppelte Allenthalbenheit geben lann; es wäre nicht mehr ein Glied feines Leibes auſſerhalb des andern, fondern Überall wäre er da ganz, wie ber Geift ifl. Aber da hätte er- auch feine Lineamente und Geftalt verloren - und wäre vielmehr Geift geworben; das beftimmte concrete Bil Chrifti gienge verloren, verſchwämme ind Allgemeine, und Ehrifti Abendmahl wäre gerabe ba nicht mehr Gemeinfchaft feines Leibes. Die Behmuptung einer hypothetiſchen Allenthalbenheit fatt der abfoluten, oder genauer einer Multivolipraesentia (bei Chemnig) führe aber auch nicht weiter. Denn dächte man daß Chrifti Leib zu gleicher Zeit an verfchiebenen Orten ber Erde im heil. Abendmahl gegenwärtig fei, fo würde das entweber 735 Zweite Ger. Zweite Ep. Abthl. 3. Abſch. U. Angriffe gegen die auf eine Vervielfachung feines Leibes führen, — wie bus Mittel⸗ alter zum Theil annahm, und auf eine Magie, die fie bewirkte — welche am meiften von den Württembergern verabfcheut wurde — oder aber wieder auf eine Abolition des Einen Leibes, weil der Leib nur dadurch ein und derſelbe an verfchiedenen Orten zugleich fein könne, daß er fi ch ununterhrochen von einem Ort zum andern erfirede. And das bemerkt noch Sadeel, wie aufallend es ſei, einerſeits Chriſti Perſon für das heil. Abendmahl möglichſt hyper⸗ phyſiſch und ſupernatural auszuſtatten, den Genuß ſelbſt aber ſo überwiegend phyſiſch zu denken und die Hauptſache ſo in dem mündlichen leiblichen Genuß zu ſehen, daß von der Gemeinſchaft mit Chriſti Seele und dem Logos, in die wir eingepſtaun wer⸗ ben follen, faſt gar nicht die Rede werde. Chemnit mit ben Seinigen legten, wie gezeigt, auf bie Unio personalis als den nothwendigen Duellpunft einer realen Comm. idd. mehr Gewicht als die Schwaben. Das gibt Anlag zu andern Bedenken. Wenn die nothwendige Folge ber Unio ber Raturen in ber persona bie comm. idd. fein foll, jo möge man auch conſequent verfahren, die menfchlichen Prädikate ins⸗ gefammt übertragen auf bie göttliche Natur, alle göttlichen aber auf die menſchliche, alfo auch Geiftigfeit, Einfachheit, Leidens⸗ anfähigfet auf die menſchliche, nicht aber willlürlich die einen ausicheiden. Da werbe man dann auch bei der Ewigkeit ber Menfchheit Chriſti anlangen zu ber ohnehin durch die Illocalität ber Anſatz gemadit ſei. Man möge da aber auch nicht wehr son einer xivomg reden. Denn ift es eine Zerreiffung Chriſti, feiner perfünlichen Unio mit dem Menſchen, zu fangen, daß zwar ber Logos ſtets mit dieſem Menſchen vereint, aber Chriſti Leib nicht überall iſt, wo ber Logos, fo tft ed auch eine Zerreiffung ber perfünlichen Unio, zu fagen: während der Erniebrigung war Chriſti Leib nicht alleuthalben, fondern erft feit feiner Er⸗ höhung. Iſt es aber Feine Zerreiffung, fo möge man auch aufs Bören, bie Ubiquität aus der Unia personalis abzuleiten, während man eigenslich auf die Exhöhung als ihren Quellpunft überfprang. Und ähnlich verhält es fich mit ben anderen göttlichen Eigen⸗ LG Abltg. d. Comm. dd. a.d. Unio; gegend. Unterſch. v. Befig u. Actus. 739° fhaften und den Thätigkeiten. Aus der Unia personalis aber folge entweder die Mittheilung aller Eigenfchaften, oder Feiner. Das Erftere wagen die Rutheraner felbft nicht burchzuführen, alfo bleibe es bei dem Letztern. Einige ziehen fich daher, um boch eine venle Mittheilung ber Eigenfchaften durch die Unio personalis zu begründen, darauf zurück, daß die menſchliche Natur nur im Beſitz ber göttlichen Majeſtät, aber nicht ebenjo in deren Gebrauche geftanden babe. Darin Tiege zwar ein unfreis williges Geſtaͤndniß, daß die Perfon Chriſti nicht fofort zerrifien werbe, werm bie Menfchheit in ber Niebrigfeit nicht alles wirfe mit bem Logos, der doch feinerfeitS nie fich bes Gebrauchs ber Eigenfchaften enthält, alfo allein wirkt, während bie Menſch⸗ heit ruht. Alein es könne jene Unterſcheidung von Beſitz und Gebrauch nicht zugegeben werben. Ob dem Allwiffenheit, All: gegenwart befeflen werben könne ohne baß fie zugleich actuell wären. ) Man wolle baburc die Wahrheit menſchlicher Ent⸗ wicllung vetten, aber.erreiche nur einen Unterſchied in der Offen: barung des ſtets gleich Vorhandenen für Andere, nicht für bag eigene Berwußifein Chriſti. Vielmehr aber fei bie Entwicklung auch nicht einmal auf das Bewußtfein zu befchränfen, indem bie beliebten Bilder von Schlaf und Ohnmacht, während beren ber Bein bleibe und nur das Bewußtſein fehle, nicht auf ben Logos ſelbſt anwendbar feien, aber auch auf ihm ausgebepnt werben müßten, wenn die comm. idd, aus ber Unio personalis abgeleitet werben wollte. ?D_ Auch das Bild von der Seele 2%, Aehnlich auch bei der Allmacht laſſe fih Potenz und actus nicht unterfiheiden, meint Sadeel und die Defensio. 2) Es könne vom feinem deliquium fondern nur von einer nubes die Rede fein, welche vie Offenbarung des Logos für Antre und in Chriftus felbft während ber Erniedrigung zurädgehalten habe. Phil. II beziehen fie mit den Lutheranern auf die Menfchwerbung (was Luther nicht zu thun pflegte (f. 0.) auch Calvin nidt Inst. I, 14, 8). Das Subjelt der Erniedrigung, Phil. U aber ſei ber Logos, nicht — wie die Lutheraner meift annehmen, der Gott: menſch; denn die conceptio Durch weiche ver Gottmenſch erfi ine Dafein kommt, fei nisht vor ber abdicatio — Erniedrigung — 740 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſqhnitt IT, des Kindes, in der Alles noch fehlummere, treffe nicht, theils weil das Kind wirklich 3. 2. leiblich auch dem Beſitz nach, wachſe und nicht von Anfang an im Befig von allem Wiflen und Können fei, theils weil bie Iutherifche Lehre, um die Exrniebrigs ung als gottmenfchlichen Aft zu begreifen, neben dem Beſitz auch einen Gebrauch der göttlichen Mafeflät dem Stande bes Schlummers vorausgehen laſſen müſſe, ja die Neigung zeige fogar fporabifch im Stande der Erniebriguing, wo und wie Chris ſtus wollte, feine Menfchheit im Gebrauche der Majeftät fiehend zu denken. Immer aber fommen die Reformirten darauf zurüd, daß wenn bie Einheit der Perfon ſolchen realen Austauſch der Eigenfchaften fordere, entweder auch ber Logos bie menfchlichen Prädifate, alfo Begränzung, Sichtbarkeit, Auseinanderſein ber Theile, ja Leidentlichleit annehmen müßte, ober aber wenn das unterbleibt, weil es dem Wefen ber Gottheit wiberfpricht, aus bemfelben Grunde auch der Menſchheit nur Eigenfchaften beiges legt werben bürfen, die zu ihrem Wefen flimmen. Das wollen wenigftend für Chrifti irbifches Leben Diejenigen, welche fiatt an die «zo ſich vielmehr an bie yozos halten und meinen, e8 ſei der Menfchheit Ehrifti nur der Mitgebrauch der göttlichen Eigenfchaften gewährt ohne den Befig, welcher eigentlich dem Logos allein verbleibe, der fie in se, per se habe. Aber ent: weder feien da bie Eigenfchaften ale bingliche Güter betrachtet, bie ohne Defigtitel zur Nutznießung einem Andern überlaflen werden können, oder aber fei der Mitgebrauch nur fo zu ver ſtehen, daß ber fie eigentlich Gebrauchende ber Logos fei, dieſer aber durch die Menfchheit hindurch wirfe und fo Gemeinfchaft mit ihr halte. Das Erfte fei ein in ſich nichtiger Gedanke ; das Andere führe zur reformirten Lehre, wenn man nicht zu dem fchon Befprochenen zurückkehren wolle, baß der Logos Alles durch das Organ der Menfchheit bewirfe. Aus dem Allem ziehen fondern Entfiefung und .conceptio alfo au Ernievrigung falle zufammen und — der Logos gehe vermöge der „Inclinatio misera- tionis“ (Leo M.) eine yerfönliche Verbindung mit dem Menſchen in Niedrigkeit ein. Das Heiße feine Erniebrigung. Reformirte Kritik der lutheriſchen Chriſtologie. 741 ſie den Schluß, daß die reale Mittheilung in unauflosliche Widerſprüche führe, und zwar ſowohl die Communicatio der Eigenſchaften beider Naturen als ihrer Thätigkeiten, ſobald man als Empfängerin derſelben die Naturen ſelbſt anſehe. Dieſe Schwierigkeiten werden vermieden, wenn man dieſe reale Mit⸗ theilung nur auf die Perſon beziehe, das Concretum, nicht aber auf die Naturen ſelbſt (in abstracto), auſſer durch die Perſon vermittelt. Nicht ohne Selbſtzufriedenheit pflegen die Reformirten noch auf die verſchiedenen wechſelnden Anſichten unter den Lutheriſchen ſelbſt in dieſer Hinſicht hinzublicken, die ſie als Zeichen der Unſicher⸗ heit, ſtatt als Zeichen eines lebendigen aber noch nicht abge⸗ ſchloſſenen Proceſſes ſowie tieferer Erfaſſung des Problemes an⸗ ſehen, und der ſie die allerdings im Großen nicht abzuläugnende Gleichheit und Stetigkeit ihrer Lehre entgegenhalten. Die Einen, wie Selnekker, Kirchner und bie Niederſachſen im Allge⸗ meinen bezeichnen es als Gräuel, eine Gegenwart des Leibes Chriſti in Laub, Baum u. ſ. w. anzunehmen, was doch Luther im Jahr 1526 gelehrt habe; die Andern ſagen, verdammlich ſei wer glaube, daß Chriſti Leib weniger allenthalben ſei als bie Gottheit. 23) Die Eoncorbienformel feße beides zugleih. Denn fie citire jenes Wort Luthers und fanftionire jene Schriften beffelben v. Jahr 1526 unb 1528; anbererfeits Iehre fi ie, daß Ehriftus wo er wolle, leiblich gegenwärtig fei, mache alfo feine Gegenwart von feinem Willensaft abhängig, was im Widerfpruch damit flehe, daß die ubiquitas wie alle göttlichen Eigenfchaften ber Menfchheit in unmittelbarer, nothwendiger Conſequenz ber — =), Selnekker nenne die Ubiquitas absoluta figmentum Sathanao (wie Chemnit ein Monstrumu. portentum), habe aber doch die Bergifche Sormel unterfihrieben, in der Lüthers Worte fliehen: omnia in universum plena esse Christi etiam juxta humanam naturam; in ber wiederholt gefagt werde: wer nicht glaubt, daß wo ber Logos iſt, da auch die Menfchheit Chriſti fet, der tpeile die Perfon, und in der Luthers dreifache Dafeinsweifen des Leibes Chriſti angenom⸗ men werden, auch die mornad Christi corpus repletive, absolute ut Deus, in omnibus creaturis sit. Bol. Praef. Defens. Dorner, Ghriftologie. II. 2te Aufl. 48 742 Zweite Per. Zweite Ep. Abthls. Mfg. IL. Reformirte Unio zukommen. Ebenſo zeige fie Unficherheit darüber‘, ob bie Unio personalis Princip oder Nefultat der comm. idd. fei. In Solcherlei offenbare fi die Zufammenfchmweißung und Ber: deckung von Widerſprüchen in welchen die Rutheraner unter fich fteben, und bie Reformirten find der Ueberzeugung bag wenn nur bie Formula Concordiae fie nicht hinberte und zum Wider ſpruch verpflichtete, eine Verſtändigung unter ben ftreitenden Lutheranern zu Gunften der reformirten Lehre das Nefultat fein müßte. Darin dürften. fie ſich aber doch täuſchen. So viel Treffen des bie reformirten Einwürfe enthalten, fo unmwiberfprechlich fie das Unfertige, Taſtende ber Iutherifchen Anficht darthun, — wie benn auch aus dem übel befchwichtigten Gegenfag der Württem⸗ berger und Niederfachfen bald genug neue Differenzen hervor⸗ brechen mußten, — e8 bleibt Doch wahr, daß bie Lutheraner bei all ihrer Verſchiedenheit unter fich eine Homogeneität ber Richtung bes funben, bie mit dem chriſtol. Lehrtypus der reformirten Dogmatiter nicht zufrieden zu fielen war. Die reformirte Dogmatik hat in ber Behauptung ganz Net, daß fie den überlieferten Standpunkt, beionders den des Chalcedonenfe und des Dyotheletismus mehr als die Iutherifche Kirche fefthalte. Ja noch ſchärfer und folge: “ richtiger prägt fie ihn aus, indem fie mit vollfiem Bewußtfein ibm zur Unterlage bie abjolute Wefensverfchiedenheit Gottes und bes Menfchen gibt, welche bei jenen alten Concilien dag Treibende gewefen war. Der Unterfchied gegen bie frühere Lehre iſt mur, daß bie Reformirten allen Ernſtes die Wirklichfeit der Menſch⸗ heit Chriſti geltend machten, während für die gange Zeit vom Jahr 451 an die göttliche Natur im .einfeitigen Uebergewicht ſteht. Man könnte dieſes Uebergewicht auch bei den Refor: mirten vermuthen, weil fie bie Greatur überhaupt, alfo auch Chriſti Menfchheit unter die abfolute Präbeftination flellten. Denn das fcheint zu einer Zurüdftellung der Menſchheit führen zu müffen. Aber es ift Das Gegentheil das wir gewahren. Die veformirte Lehre fteht darin gleichfalls in’ der Strömung ber neuern Zeit, daß fie Die wirkliche Menfchheit (zu ber fie freilih großentheils das liberum arbitrium nicht rechnet) in Betonung der Wirklichkeit d. Menſchh. trotz d. Prädeſtination. 743 Chriſtus ſchärfer betont und hierin einen Fortſchritt gegenüber von der römiſchen Kirche dokumentirt. Wie reimt ſich nun der reformirte Gegenſatz wider den Doketismus mit ihrer Präde⸗ ſtinationslehre? Auf dem Boden der alten nicht prädeſtina⸗ tianiſchen Kirche brach immer wider der Adoptianismus mit einem menſchlichen freien Ich hervor, ſobald mit der Menſchheit wollte Ernſt gemacht werden. Dagegen gewinnt die reformirte Lehre an. ihrer Idee von Gott und von-dem Menſchen, deren Ihärffter Ausdruck in ihrer abfoluten Prädeftination lag, einmal einen abjoluten Unterſchied der Naturen der nie verrüdt ober verwijcht werben kann und doch zugleich aud) Die paſſive Bes ftimmbarfeit der Menfchheit für- die Incarnation Gottes. Ihre abfofute Depenbenz von Gott, die zu ihrem Weſen gehört, muß nemlih auch bie Form annehmen fönnen, daß ber Logos fie fich perſönlich aneignet und dennod in ihrem Weſen, welches sreatürliche abfolute Dependenz ifl, beläßt. Aber wenn fo in ber Hand der reformirten Dogmatifer jene Dependenz allerbings das Mittel ward, um obne aboptianifche Doppelperfönlichkeit bie unterfchiebliche Wirklichkeit der Menſchheit zu fichern, fo iſt doch biefe wirkliche Menfchheit noch nicht bie wahre Menfchheit. Denn es ift unläugbar, daß eine folde nur unter dem Geſichts⸗ punkt der abfolnien Depenbenz von Gott gedachte Perfon nicht ber freie Menſchenſohn voll Gnade und Wahrheit, fondern ber unter dem gefeßlichen Standpunkt feftgehaltene Chriſtus ifl. Und zwar bieibt Chriſtus ewig in biefem Stande, Da biefer Stand nicht etwa in ber Erniedrigung fondern in bem ewigen und wefentlihen Verhältniß zwiſchen Gott und Greatur nach re⸗ formirter Auffaffung begründet if. Nach biefer Seite muß “ihre Chriſtologie dem Lutheraner als eine ſolche erfeheinen, bie über den Stand der Erniebrigung nie wahrhaft hinausfömmt, wie unigefehrt dem Reformirten mit Recht die Chriftologie ber. Schwaben und der Formula Concord. als eine ſolche erfcheint, die in ben Stanb ber Erniebrigung nicht wirklich hineinführt. Aus entgegengefestem Grunde erreichen beide nicht die wirkliche Doppelbeit der Stände, fonbern bleiben in dem Stande der Niedrigfeit oder ber Hoheit hängen. Namentlich kommt bie ves TAA Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſchnitt IL formirte Theologie immer wieder als auf ihre leute Inſtanz auf den Sag zurüd: finitum non est capax infloiti, yon dem fie gar nicht begreift, wie ein vernünftiger ober frommer Sinn ihn in Abrede ftellen könne, da ihr das Gegentheil als blasphe- mifch und idololatrifch erfcheinen. muß. 29) Sp find alfo beide Ehriftologieen allerdings bedeutend ver⸗ ſchieden. Die reformirte kann ſich auf den erſten Anblick ſogar mehr empfehlen. Aber andrerſeits hat die reformirte Ehriſtologie doch e eine Stelle, wo bie fheinbare Einfachheit und Klarheit in Dunkelheit und Un- beſtimmtheit umfchlägt, wo fie die Ueberlegenheit der Tutherifchen Anfhauung fühlen muß, fa wo fie von dem Iutherifchen Grundge⸗ banken nicht los fommen fann und dadurch Conſiſtenz und Halt: ung verliert. Wenn fie recht daran thut, unermüblich Dagegen zu proteftiven, daß wirklich Göttliches zugleich ber Menfchheit eigen werbe und zufomme, wenn fie bemüht iſt, flatt eines realen - Einheitspunftes, der fowohl göttlich als menſchlich an ihm ſelbſt fei, nur eine Gemeinfchaft des Göttlichen mit dem “Menfchlichen zu ſtatuiren: wie flimmt bazu daß fie doch bei ber Einheit ber. Perſon beharrt, und fagt: ber Menfch Chriſtus fei durch bie Perfon allmächtig, aber der menfchlichen Natur könne nichts Böttliches zukommen? Iſt denn die Perfon nicht göttlichen Weſens? Oder kommt fie ber menfchlihen Natur nicht zu? 20) Iſt fie nicht göttlichen Weſens, was ift fie denn, da fie doch Perfon des Logos if? Da würde die veformirte Lehre im Widerſpruch mit ihrer Lehre von bes göttlichen Weſens Einfachheit auf einen Unterſchied zwifchen der Perfon des Logos und feinem Wefen kommen, ber allerdings ältere Vorgänge hätte, aber doch nicht weniger bebenflich wäre, als bie gegnerifche Unterſcheidung von =) 3.8. Danäus Exam. ©, 291. Pareus Irenicum c. 28. Ad- mon. Neost, 376 ff. 250 ff. Sapdeel.c. ©. 146. 182. 1883. ”) Die Eutheraner verfäumen nicht, hierauf aufmerffam zu machen, 3. B. Balth. Menzer Exoges. Conf. Aug. 1621. ©. 73. Mande läugnen es, daß die Menschheit im Logos perfünlich werde, fo Sadeel S. 169. Ueber die Folgen vieler Annahme fogleih ein Weiteres. 0 Bergleihung der reformirten und Intperifchen Chriſtologie. 745 unmittheilbatem Wefen und mittheilbaren Eigenfchaften, ja da⸗ mit ziemlich parallel Tiefe. °') An dieſem Punkt beharren bie Lutheraner barauf, daß die Perfon des Logos doch nicht ohne Die Fülle ihrer Eigenfchaften gedacht werden könne, mithin wenn die Perfon ber menfchlihen Natur zufomme, auch ihre Eigen Ihaften ihr zukommen müffen. — Ober foll die Perfon des Logos zwar nicht ohne fein Wefen und feine. Eigenfchaften fein, aber ber menfchlihen Natur nicht wirklich zukommen und zu eigen werben? °%) Aber was wird ihr dann, wenn nicht einmal bie Perfon ihr zw eigen wird? Denn ba auch bie Verbindung durch bie reale Communio idd. gelängnet wird, fo ift bann gar Fein realer Einheitspunft mehr zu finden, und bie Incarna⸗ tion felbft wird zum Schein; bie Menſchheit unperfönlich bieibenb au in ber Unio,. weil bie göttliche Perſon nicht zugleich bie ihrige iſt, wird nihilianiſtiſch verſtümmelt, zum felbftlofen Or- ganon ber Gottheit; die göttliche Perfon ihr gleichfam nur zus gerechnet,. ohne daß fie’-fih je bes eigenen Beſitzes derſelben erfreute. „Und wird bann vollends gefagt, bie göttliche - Natur bes Logos komme ihr deßhalb nicht zu, weil bie Perfon gar nichts für fi ſei; Perſon fei blos ſoviel als bie intelligible Natur in ihrer Unterfchieblichfeit aufgefaßt, fie bezeichne blog bie Gränze, welche aber durch bie Unio ber zwei Naturen auf- gehoben werde, indem bie zwei nun eine neue Perfon werben durch Bereinigung der Naturen oder durch Zuſammenſchließung 2h Manche Reformirte z. B. Danäus Exam. ©. 82, Joh. Pincier de coens domini; Sohn, Exeges. Conf. Aug. u. A. nehmen, um eine Aneignung der göttlichen Perfon ohne die Eonfequenz der realen Comm. idd. der Naturen oder des Wefens zu flatuiren, an, daß . die Perfon des Logos aber nicht feine Natur Menfch geworben fl. Bergleihe Quenſtedt Systema P. IM, c. 3, 148. Menzer l. c. ©. 138. Jene fel nirgends extra humanitatem wohl aber bie ‚göttliche Natur. m So Joh. Piscator: Thriſtus fei nicht nach feiner Menfchpeit flius Divinus per unionem personalem ; ferner Wendelin, Samuel Marefins, vgl. Menzer lc. ©. 137. Quenfledt ©. 134. Anders dagegen Calvin Instit. L. U, 14, 4 Bgl. Quenſtedt 1. e. S. 132 ff. 746 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſchnitt IE. befien zu Einer neuen Perfon, was vor der Unio in Befonder: heit und: Trennung d. b. in zweifacher Perfönlichfeit war, *°) wie in Aehnlichfeit mit dem alten Monophyſitismus Die Refor⸗ mirten aus der cartefianifchen Schule Wittih, Braun u... thaten: ®*) fo ift der Sache nach ber myſteriöſe, ſcheinbar viel, in Wirklichkeit nichts fagende Ausbruck Unio personalis als Aus⸗ gangspunkt fallen gelaffen, und zu der urfprünglichen lutheriſchen Anfhauung, daß das Erfte vielmehr die Unio naturarum und deren Refultat erſt Die Unio personalis fei, eingelenft, und bie Frage wäre dann nur, worin denn bie Berbinbung der Naturen beſtehe und ſich bethätige, d. h. man ftlinde vor bem Problem, an welchem bie lutheriſche Theologie von Anfang an arbeitet. — Kommt aber burd die Incarnation auch nur Die Perſon des Logos der Menfchheit wirklich zu, fo ift ein unheilbarer Riß in die Grundanfchauung einer Ehriftologie gebracht, deren fchärffter Ausbrud der abſolute Sag ifl: „figitum non est capax infiniti“ und es kommt dann barauf an, ohne Bers mifchung bes Göttlihen und bes. Menfchlichen zu fehen, wie beide ‚unbefchadet ja vermöge ihres unterfchiebenen Weſens in Chriſtus Zufammengehörigfeit haben Tünnen. Dazu würde aber freilich eine ſolche Fortbildung des Begriffes von Gott und von bem Menfchen gehören, die ebenfo entfernt wäre von dem bed abſoluten Präveftinatianismus, als von dem ‚magifchen und pefagianifirenden Standpunkt ber mittelalterlihen Kirche. Die Erhebung über die gefetliche Stellung ber blofen abfoluten. Des pendenz ber Menfchheit Ehrifti müßte da ihre Anbahnung fchon in der Erwägung finden, daß, während bie Greatur im Allge⸗ meinen nicht minder ale Chriftus von Gott bependirt, bierin alfo feine Einzigfeit nicht befteben ann, 9°) dieſe Abhängigkeit 33) Aehnlich fhon Zanchius De tribus Elohim, f. Menzerl.c. ©. 134. Bor der Unio fei die Menfchheit fchon ein ugieranueror geweſen, durch die Unio aber Ein ügiorauevor mit dem Logos ges worden. 3%) Bol. Pet. van Maſtricht Gangraens Cartesians. Amst. 1677. Sect. II, 0. 34. ©. 513 ff. , 3) Daher die Oppofition 5. B. Menzersl.c. ©. 121. 184. gegen Bergleichung ber reformirten und Iutherifchen Epriftologie. 747 in ihm eine foldhe Geftält und Ausprägung hat, um nad) feinem Weſen für eine reale Einigung feiner mit Gott und Gottes mit ihm Iebendig empfänglich zu ‚fein Damit wäre in Chriſti Menſchheit felbft nicht bloße paſſive Beftimmbarfeit fon dern ein Verlangen nad der Aufnahme des Göttlichen gefekt, und ber Einiritt von biefem in die menfchliche Natur wäre num nicht ein widernatürliches Wunder — wie das nad) jenem res formirten Grundſatz (und nah Chemnitz) der Fall wäre, nicht ein. burch die bloße Allmacht geſetzter myſteriöſer Widerſpruch, fondern Erfüllung bes Bebürfnified von Chriſti menfchlicher Natur, bie ebenbaher auch in dem Göttlichen nicht mehr ein Heterogenes, fondern dasjenige fieht und hat, worin fie ihre eigene Wahrheit Bollfommenheit, Freiheit und Seligfeit erreicht, daher fie es auch subjectire in se hat. Dabei wird allerdings die veformirte Behauptung, daß An= theil am ben göftlichen Eigenſchaften auch Antheil an göttlicher Natur bedinge, beſtimmt zuzugeben fein, wie Das auch im Sinne Luthers und ber Württemberger im Gegenfab gegen fpätere verwirrende Halbheiten lag. Aber freilich wird Dabei nicht eine unntittelbare . und allgemeine Göttlichfeit der Menſchheit zu flatwiren fein, fondern im @egentheil wird ber Begriff der em⸗ pirifchen menſchlichen Natur im Allgemeinen (auch abgefehen son ber Sünde), zu unterfcheiden fein. von ihrer Idee, der erfie Adam von dem zweiten Zum Wefen des letzteren wirb gehören daß das Göttliche in ihm auch Eigenthum bes Menſch⸗ lichen geworben, zum Weſen des erfleren nur, daß das Menſch⸗ liche für die Gottesthat empfänglich fei, Durch welche Chriſtus ward und wodurch Adams Kinder zu Gottes Kindern werben, binausgehoben über Die blos gefeßliche Stufe bes Gehorſams und ber Depenbenz, zur Freiheit in Gott, in bie Familie Gottes. Die Ueberlegenheit bes Iutherifchen Grundgedankens (wie die römifche und reformirte Lehre, daß die Unio ſei gestatio,, sus- tentatio in Adyp (P. Martyr Dial. fol. 10. ähnlich Sabeel, Pezel, Bez). Menzer antwortet: die sustentatio fel fa Wert der ganzen Zrinität, führe aber auch darum nicht zur Unio, weil das Wort Altes trage, nicht blos Ehriftum. \ 748 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abfchnitt IN. ungefügig und roh auch noch feine Darftellungen waren) zeigt fih befonders in der hohen Vorſtellung, bie er von ber Idee bes Menfchen bat, troß aller Empirie. Die menfchlihe Natur bat fich feihft erft wahrhaft, wenn fie das Göttliche hat durch bie Gnade, nicht bios Gott als den Herrn. von dem fie abhängt, fondern als den in ihr wohnenben und ihr Verlangen mit fid ſelbſt ſtillenden. Es geht nicht Über ihre capacitas hinaus zeitfrei zu fein, mit der Seele in der Ewigfeit zu ſtehen und mit Gott zu leben das ewige Leben. Auch ihre Teiblichkeit, jegt dunkel und ſchwer, würde fagt der Lutheraner falfch gedacht, wenn man biefe ihre Materialitit und Schranke, Theilbarfeit u. dgl. als ihr Weſen anfehen wollte. Das bieße ben Begriff des Menfchen aus ber Empirie formiren, flatt aus den Gebanfen der Gnade Gottes ober aus ihrer Idee. Die. reformirte Lehre gibt freilich auch zu, daß der Leib fpirituale Eigenfchaften annehmen werbe; aber . eigentlich kann fie das nicht ohne Widerſpruch, wem fie den Begriff des Leibes nur nach der Wirklichkeit formirt ; fie fucht Daher auch dieſes Spirituale -von dem eigentlichen bleibenden Weſen des Leibs unterfchieden zu Balten, bezeichnet es als bloße Arcidenzen. Die Tutherifche Lehre fieht in der Vergeiſtigung, in ber Naumfreiheit des Leibes Die Realiſirung feiner wahren See. Und fo kann überhaupt gefagt ‚werben: es ift beiden Eonfeffionen im Gegenfag gegen bas Mittelalter um Hervor⸗ fehrung ber realen nicht blos ſcheinbaren Menfchheit zu thun, aber bie veformirte Kirche fieht Die reale Menfchheit mehr im berjenigen Form gewährleiftet, für welche bie irdifchen Verhält⸗ niffe maaßgebend find; bie Tutherifche hält fi mehr an bag Ideal, oder an bie Idee einer verflärten Menfchheit, welcher gegenüber bie empirifche Form unferes Menfchenlebens ihr noch etwas Vergängliches, ja mit Scheinrealität Behaftetes if. Darin bat auch die merkwürdige Lehre der Tutherifchen Theologen von einer illocalen Vereinigung bes Logos und ber Menſchheit ihren Grund. Die Abzwedung dabei iſt feineswege, wie Schnedenburger meint, eine ber conceptio vorangehende Unio, woran fi dann bie Selbfterniebrigung des Gottmenfchen bie zur conceptio führt ſchlöße. Sondern bie Meinung ifl, das v Bergleigung der reformirten und lutheriſchen Chriſtologie. 749 Wefentliche in der Menſchwerdung Tiege nicht in dem Verhäliniß zu Maria und ihrem Leibe; alles Aeußere habe hier überhaupt feinen urfprünglich beftimmenben Einfluß; fondern das Wefentliche, Grundlegende Tiege ganz abgefehen von Zeit und Raum in dem Verhältniß das der illocale und ewige Logos zur Menfchheit fliften will (in der Fülle der Zeiten) und damit ift die Menſch⸗ heit felbft m bie Illocalität und Ewigkeit eingerüdt, wie bie Gottheit durch fie an ber Zeitlichfeit und Räumlichfeit partici⸗ pirt. Was Maria gibt, ift freilich zeitlich, räumlich; aber bag find nur die felbft: wieder relativ zufälligen vertaufchharen Ele⸗ mente, während ber Gottmenfch nur zu Stande kommt durch einen über biefen Elementen ftehenden, fie aber in fich hinein⸗ ziehenden Akt bes Menſch werben wollenden Logos. Die Elarere und folgerichtige Ausbildung ber Lehre von der Erhabenheit biefer Unio über Raum und Zeit, von dem Antheil ber Menſchheit an ber Illocalität und Ewigfeit des Logos müßte wohl beftimmter dahin fortgeben, dieſe Unio erſt am Schluffe in der Erhöhung Chriſti vollſtändig verwirklicht zu fegen, (und das ift die Wahr: beit, bie der reformirten Bildung zu Grunbe ligt) das zeits licheräumliche Leben bes Gottmenfchen aber davon wohl zu unters fheiden. Sie müßte Dasjenige, was fimultan geſetzt freilich in hundertfache Widerfprüche führt, in zwei Hmuptflabien vertheilen, damit, was bie veformirte Kirche mit Recht fordert, 3%) auch die irbifche Erſcheinung Chriſti in voller Hiftorifch treuer Wirklichkeit zum Bemwußtfein fomme, und nicht durch voreiliges Eintragen der Menſchheit Eprifti in ihrer Wahrheit und Vollendung bie Wirk lichkeit derſelben Noth leide. Andererſeits aber wäre es ebenfo verfehrt, bie hiftorifhe Wirklichkeit des Gottmenſchen mit der Wahrheit ober Idee feines Menſchheit zu verwechfeln, alfo für die Zeichnung des Bildes des verflärten Herrn, des wahren und wirktichen Gottmenſchen fich Eintragung von Zügen zu geftatten, welche nur ber irdiſchen Menfchheitsform angehören fönnen, nicht aber bem Bilde bes ewigen und abfoluten Gott: menfchen entfprechen. Vielmehr bie am Ende des Proceſſes re⸗ 36) Admon. Neost. ©. 801. 750 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſchnitt IL. alifirte Idee bes Mienfchen ber in feiner perfönlichen Bereinigung mit Gott fprechen Tann: „Alles was Dein iſt, das ift mein“ muß aud während bes irbifchen Stufenganges das treibende Prineip fein, und fo muß fie auch in die Betrachtung bes Lebens⸗ abichnittes, wodurch fie fich vermittelt, hereinfallen. Diefe Idee bat ja allerdings ein reales, ewiged Sein in ber inclinatio amoris bed zur Menſchwerdung fich felbft beftimmenden Logos, deſſen Tiebeswille fo fehr gleichfam das Herz feines Liebesweſens if, daß er in feiner Ganzheit ober in feinem ganzen Weſen durch benfelben beftimmt, und bei all ‚feiner Unendlichkeit oder Alls gegenwart nirgend ohne biefe innerlichfte und realfte Beziehung auf diefen centralen Liebesaft iſt. Diefer offenbart als innerften Gedanfen feiner berablafienden Liebe das Eintreten in äußere Weltwirklichkeit, aber um das äußerlich Gewordene zu verinner⸗ lichen, um als Perſönliches Perſonliches zu heilen, und das Leere zu erfüllen, um Centrum und Haupt einer neuen Weltordnung zu werden, in welcher, in wunderſamer Einigung von Klarheit und Geheimmiß der Liebe, ſowohl das Innere zu durchſichtiger Erſcheinung als das Aeußere zur tieften Verinnerlichung ge⸗ deihen wird. Es bedarf, was die reformirte Kirche anlangt, kaum noch ber zuſammenfaſſenden Bemerkung, daß fie ed an ber eraften und aufrichfigen Anerfennung ber Menfchwerbung des Einge⸗ bornen felbft (mas das für Kirche und Kirchengemeinfchaft Ente ſcheidende bfeibt) nicht fehlen läßt und in biefer Hinficht nicht bios von dem Ebjonitifhen und Neftorianifchen, ſondern auch son. dem Dofetismus römifch-tatholsfcher Chriftologie mit den Zutheranern fich losſagt. Daher ift fie auch im Stande, was die genauere bofteinale Ausbilbung anlangt, son jener ihrer Ans erfennung des Grundfaktums in feiner Reinheit aus die Wahrs heitögedanfen Intherifcher Chriſtologie aus ſich hervorzubilden. — — — — Dritter Abſchnitt. Die Socinianer. So wenig die Socinianer im Mittelpunkte der reforma⸗ toriſchen Bewegung ſtehen — denn das hoheprieſterliche Amt, das Verſöhnungswerk Chriſti iſt es, das ſie mit ſeinen noth⸗ wendigen Prämiffen zu bekämpfen nie ermüden, fo nimmt doch bie Chriſtologie ſelbſt eine wichtige Stelle in ihrem Syſtem ein und fie vermeinen das Werf der Glaubensbeſſerung auch auf Diefe Lehre auszubehnen. ) Die Widerſprüche welche fie in ber her: ') Bgl. Catech. Racov.; überhaupt aber die Biblioth. fratr. Polonorum Irenop. 1656; namentlich in den Opp. Fausti Socint deſſen Schriften gegen Franz Davidis T. IL 708. und Ehrifian Franken DO, 767, fowtie- feinen Brief de invocatione Christi I, 3653—358. gerner von Socin: Christianae religionis breviss, Institutio I, 654 ff. De Christi natura I, 781 ff. De Jegu Christi fllii Dei natura s. es- ‘ sentia IT, 375. (De Christo servatore adv. Covetum II, 121 ff. gibt faft nichts als die forintantfche LXehre von Eprifti Amt.) Gegen bie Objectiones Outenli Respons. II, 454 ff. De carne Christi gegen bie Mennoniten II, 461. Bon Joh. Crell if befonders zu vgl. Opp. L, 13 ff. 4ö f. 68— 71. 83. 157. 260. 264. 291. 381 ff. 357— 360. 527 f. IV, 133. 144. Bon Wolzogen Opp- I, 177 ff. 546. 707. 750. U, 300. 742. — Andere Socinianer bie hieher gehören find Bat. Smalcius und Oftorod. Vgl. Rofutatio Thesium Wolfg. Franzii Viteb. (de praecipuis chr. rel. capp. .1609, und 1610.) 1614. Deffen Refutatio duorum Martini Smiglecii Jesuitae libr. quos de erroribus novorum Arian. scripsit. Rac. 1616. De Christo vero et naturali Dei filio. Rac. 1616. Bgl. auch Fock der Socinianis⸗ mus Abthl. 2. S. 510-551. 1847. Bon älteren iſt auszuzeichnen Joh. Hoorn beeck Socinianism. confatat. Ultraj. 1650. T. II, befonders I, 30. und T. II, de Christo. 752 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſchnitt IH. Theol. gebrachten Lehre enidecken, ſtellen fie ſcharf heraus und meinen bie urchriſtliche Lehre wieder aufzubeden. Den Schwerpunkt ihres Intereſſes bildet nicht das Religiöfe im engern Sinn, — es fehlt ihnen gänzlih an einem tieferen Bewußtfein der Sünde und Schuld, — fondern das Moraliſche, das fie geieglich aber doch infofern religiös faffen, als fie weber dem Eubämonismus noch dem Purismus buldigen, weder von einer Verdienſtlichkeit Gott gegenüber reden noch gegen das höchſte Gut, fofern es auch Befreiung von Uebeln in fich ſaßt, gleichgültig find, vielmehr bie Seligfeit im unfterblichen Leben als Teßtes Gnabenziel ber . Kinder Gottes betrachten. Sie find darin mit den Reformirten Eins, daß zwiſchen dem Endlichen und Unendlichen feine Pro: portion flattfinde; aber biefe ewige Wefensverfchiedenheit grün- den fie nicht darauf, daß von dem abfoluten Gott Alles abfolut abhänge, fondern umgefehrt in rein feotiftifcher Art auf die menſch⸗ liche Freiheit verbunden mit ber Lehre von der natürlichen Finſter⸗ niß in göttlichen Dingen für das auffer Gott Geſetzte (vgl. bie Pſeudoklementinen). Auch ihnen zwar ift Gott urfprünglich bie abfolute Macht, liberum arbitrium — daher Gottes Geſetz ſchließlich in feiner Willfür ruht; aber fie fagen: Gott hat feine abfolute Macht fo gebraucht, daß er zu Gunſten der Welt und der Gefchöpfe auf fie theilweife verzichtet, einen Theil berfelben abgetreten hat. So ift hier auch für Gott die Seite des liberum arbitrium firirt, wornach deſſen abjoluter Indeterminismus burch ben Alt der Sreiheit felbft gebunden wird, indem factum infectum fieri nequit, wie bie Socinianer fo oft wiederholen. ) Zu bem Unterfchied Gottes von ber Welt gehört, daß in der Welt Bielheit, Getheiltheit ift, in Gott Cini Gegenfag gegen Trinität) einfache, unterfchiebsiofe Einheit. Gott bat die geiftigen Wefen auch als freie gewollt, wie er frei iſt: aber das bedingt: feine Wefensgleichheit, vielmehr weſentliche Geſchiedenheit. Dem Gottes Weſen ift, das Eine abfolute Wefen zu fein, die fchöpfe: — — 2) Daher ihre Lehre, daß durch die Freiheit das Wiſſen, durch das Seyn einer Welt auffer Gott die effentielle Gegenwart Gottes begränzt ſei. — | _ un — — —— u. anthrop. Vorausſetzungen d. ſocin. Chriſtol.; ihre krit. Stellg. 753 riſche Urſache von Allem, ſo zwar daß er mit Willen durch den -Schöpfungsaft feine Abſolutheit verliert und actuell „zum höchſten Wefen“ wird. Nie aber kann Gott, wie der Sabellianismug will, fein Wefen mittheilen, Das auch nach der Schöpfung als abfolute Potenz fortdauert. Die nächſte Schlußfolgerung aus dem von der mittelalter: lichen Kirche und den Reformirten anerfannten Satz, daß nulla proportio finiti est cum infnito, ift nun bei ben Sorinianern, bag von einer Vereinigung ber göttlichen und menfchlichen Natur zu einer Perfon die Rede nicht fein könne. Sie finden es folge: wibrig, daß bie Reformirten doch in der Perfon bie Einigung fo ganz disparater Größen annehmen, die fie aus dem Gebiet ber Natur mit Recht verweifen. Bände folche Unio pers. ftatt, fügen die Sorinianer, fo wäre allerdings die Kolge, daß bie menfchliche Natur und die .göttliche ihre idiomata austaufchten, und bie Lutheraner hätten, wenn fie nicht die exinanitio mit ber Unio pers. wieder in Widerfpruch festen, die Confequenz für fich ; die aber freilich auch durch Abfurbitäten und durch bie blasphemifchen Folgeſätze von einem wirklichen Leiden und Menfchfein des höchften Gottes die Falſchheit ihres Ausgangs: punftes enthülle. Es ift aber auch, fagen fie, an fich nicht mög: Ih, daß aus zwei Totalitäten eine Einheit werde. Das machen fie gegen die allgemeine Kirchenlehre wie gegen die neuen Arianer (vgl. oben S. 649-660) geltend. Kein Ding, das Eines it an fi, kann zwei wefentliche Formen haben. Nun bat aber nach der Anficht der Kirche und der Arianer Gottes Sohn vor ber Menfchwerbung ſchon vollfommen eriftist, alfo Tann er nicht noch die Forma essentialis haben, welche Menſchſein if. Und bat er fie doch, fo hat er fie als ein Nachträgliches, Aceiventelles, was nicht zu feinem Wefen gehört, ſondern nur fein Kleid ift, das er anzog. Aber „Anziehen“ und Sein ift zweierlei. Sonach fünne von einem Menfchfein Gottes durch⸗ aus nicht bie Rede fein. ) Sie finden aber auch bie Kirchen⸗ 2) Die arianiſche Lehre laſſe auch die Erhöhung ter Menſchheit In Chriſtus nicht erkennen, weil fie im Kern Teinen Menſchen habe. 754 Zweite Veriode. Zweite Epoche. Abthl. 8. Abſchnitt ILL lehre in Widerſpruch mit einem weſentlichen chriſtlichen Intereſſe. Jede Steigerung der Perſon Chriſti auf Koſten ſeiner Menſch⸗ heit ſei in Wahrheit eine Herabſetzung, eine theilweiſe Läugnung des höchſten Werkes Gottes, raube den Troſt, der in Chriſti Menſchheit liege, verdunkle die Glorie und Würde, zu welcher die Menſchheit erhöhet werden ſoll, wie er zeige wenn er Fleiſch ſei von unſerem Fleiſch. So möge man denn abſtehen von der Erdichtung zweier Naturen in Chriſtus, von der die drei erſten Evangeliſten nichts wiſſen und richtig erklärt auch Johannes nicht, die vielmehr erſt durch das nicäniſche Concil herrſchend geworben ſei, das einen Abfall vom altchriſtlichen Glauben be zeihne. Nehme man eine göttlihe Natur in Ehriflus an, bie nicht Teidentlih und endlich warb wie fie es ja nicht werben fann, fo werde immer die Menfchheit verkürzt. Alle Schrift: ſtellen beziehen : fih auf Ehriftus als Menſchen.“) So ' allein Aber damit wäre ung Beifpiel, Berheiffung, Trof, Bertrauen ge: nommen, die in. feiner Menfchheit gründen. ) Die Stellen, welche eine Präerifteng Eprifti bezeichnen, feien von dem göttlichen Rathſchluß der Sendung Ehriftt zu verfiehen. Wo Chrifto die Schöpfung der Welt zugewielen feheint, „wie Joh. I, ı ff. 10. Kol. I, 13 ff. Hebr. 1, 2. 3. ift nach den Sorinianern an die Neuſchöpfung (refectio, reformatio) der Menfchheit, zu denken an ber auch die Engel participiren. So ift auch mgwroroxog naos xtioeng von folder Neufchöpfung zu verfiefen, in welcher neuen Belt Chriſtus, der zweite Adam, der Erfle dem Rang und ber Zeit nach if. Bel. F. Socin I, 660 ff. Das „Wort Gottes“ it Gottes Befehl, deren es viele gibt, die von einander unter ſchieden find. Auch Chriſtus ift ein ſolches Wort Gottes, aber nicht das Wort, wodurch die Welt gefchaffen ward, denn vieles Wort ift nicht Perfon geweſen, aber Chriftus ift eine perfönliche Sendung. — Der „Anfang“ Joh. I, 1. iſt der Anfang der Ber- Fandigung des Evangeliums vom Beich Gottes, ver durch ben Zänfer geſchah, der Sinn baher: Im Anfang, (da der Täufer fhon aufgetreten war) eriflirte das Wort (Chriſtus) bereits ver: borgen zwar bei Menfchen, aber befannt bei Gott. I, 14. wird &yivsxo für „war“ genommen wie ®. 6, fo daß der Sinn wäre „das Wort war Menfch wie wir, wohnete unter ung, u. f. w.“ Dagegen Joh. VL, 58. überfebt Bal. Schmalz: bevor Abrapam wird sc. zu. Abraham d. i. Baier ver Gläubigen auch aus ben Heiden, — —— —— — Socinianifche Chriſtologie. 755 werden Stellen wie Mare. XIII. 32. Joh. XIV, 27. von Chriſti Nichtwiſſen und dem Größerfein des Vaters verſtändlich. Denn mit welchem Rechte können Diejenigen, welche bie göttliche Natur als das Ich in Chriſtus fonft immer fegen und alles Gewicht baranf legen, Alles beiden Naturen gemeinfam fein zu laſſen, hier, wo Chriſtus einfach von feiner Perfon das Nichtwiſſen und Kleimerfein ausfage, die Worte auf Teine Menfchbeit für fich allein beziehen? Ob fie: denn neben ber mittheilenden Comm. idd. auch eine beraubende haben? Ob man dem — in An- wenbung ihres Bildes von Leib. und Seele — fagen köme: ber Menſch erkennt nicht, weil ſein Leib nicht erfemnt? Hätte, Ehriftus nad) einer zweiten göttlichen Natur den Tag des Ges richted gewußt, fo hätte er nicht einfach fagen können, daß er ihn nicht wiſſe. Die Einheit feiner Natur müſſe aber vor Allem ſchon deßhalb angenommen werden, weil bie Einheit feiner Pers fon fteben bleiben muß. Gott ift Perfon, aber auch ber Menſch iſt es; bie Wahrheit der Menſchheit befteht nicht ohne menſch⸗ liche Perſönlichkeit. Mithin, wenn doc Chriſtus nicht zwei Per⸗ fonen fein fol, die menfchliche Natur aber wie bie göttliche per⸗ fönlich zu benfen ift, bleibt nur die Wahl, Ehrifti wahre Menſch⸗ heit zu läugnen, oder aber zu befennen, daß Chriftus nicht aus zwei Naturen beftebe. °) Dit Unrecht nehme man hieran An- ſtoß. Denn auch die Zweinaturenlehre, wenn fle dabei bliebe, dag die Menschheit ihre weientlichen Prädifate behalte und nie Gott werde, fo wenig ald Gott Menfch, könne doch als Frucht ihrer angeblichen Unio pers. nichts anderes angeben, als daß bin ih, muß ich wirken und herrfhen. Phil. 2. hat nichts mit Menſchwerdung oder Iutherifcher Exinanitio zu thun, fondern rebet son Ehrifti Demuth in Niedrigfeit. Kol. U, 9. {ft onnarınas Ges genſatz gegen axıa, Vorbildliches, Unreales. % Val. Smalcius: Si una persons describitur J. Chr., quomodo verus Deus erit et veras homo? Potestne esse verus Deus absque persona sua? Iterumgue verus homo potestne carere sua persona? Certe nihil minus. Persona enim homo. est, et persona Deus est. ktaque aut negandum est Christum esse verum Deum et verum ho- minem, aut confitendum, eum duss babers personas. 756 Zweite Periode: Zweite Epoche. Abthl.8. Abſchnitt DIL. ber Menfchheit durch die göttliche Natur oder Gott unendlich große Gaben gefchenft feien. Zu dieſem allerbinge für das Chriftenthum wichtigen, aber auch allein wefentlichen Refultat bedürfe es aber nicht jener Hypotheſe von einer perfönlichen Unio zweier Naturen, die von unlösbaren Schwierigfeiten zumal für die irdifche Lebenszeit Chrifti gebrüdt fei, fondern einzig und allein einer höhern Borflellung von der Empfänglidfeit ber Menfhheit ſelbſt für eine Erhöhung zu göttlider Würde Doch dig führt zur pofitiven Seite des forinianifchen Spitems. | | Jene metaphyſiſche Scheidung des einfachen Weſens Gottes _ von dem Wefen der Welt verleiht zwar ber Welt eine folche Selbſtändigkeit Gott gegenüber, daß Gottes Sein, Wille, Wiſſen durch fie theilweife befchränft wird. Der Aft der Schöpfung, wie abfolut frei er auch ift, ift zugleich. eine göttliche Selbſt⸗ befchränfung. Aber die Kehrfeite diefer Selbftändigleit der Welt ift, da fie nicht Gott fein kann, daß ihre Realität unvollfommen, dag an die Welt nur ein beflimmtes Maaß von Seindfraft und Realität abgetreten ift, oder daß Vergänglichkeit in ihr eine wefentlihe Stelle hat, nicht blos für den Leib fondern auch den Geifl. Die erfte Schöpfung bat nach Naturnotihwendigfeit den Tod an fich; die fchöpferifche Kraft Gottes kann für ſich nicht andere Produkte haben, weil fie nicht Tann Wefen von unenbdlicher Kraft fegen; damit beftünde Gottes Einzigfeit nicht. Schon dieſes Liebel läßt Raum für die Erlöfung, für eine zweite Schöpfung, die auf Grund’ der erften aus Gottes grundlofer Liebe und Barmherzigkeit (nicht bios. feiner Macht) hervor Ans teil gibt an feinem ewigen feligen Leben. So felbfländig ferner ber Schöpfungsaft den Menſchen in Beziehung auf den Willen ftellt, fo iſt doch die Kehrfeite dieſes Auſſergottſeins die Schei⸗ dung von feinem Lichte ober die natürliche Finſterniß des Men: fhen in göttlichen Dingen. Wie aber der Menſch neben der nothwendigen natürlichen Sterblichkeit auch eine Sehnfuht nah bem ewigen Leben bat, fo neben jener Finſterniß auch ein Bedürfniß des göttlichen Lichtes, da ihm fonft der freie Wille umfonft geworben wäre. Solche doppelte Sehnfucht weiſe auf Socinianiſche Chriſtologie. 7857 unfere höhere Empfänglichkeit: aber durch dieſe wird jene noth⸗ wendige natürliche Finſterniß und Sterblichkeit nicht gehoben, noch weniger die überwiegende Neigung zum Böſen, die ſich all⸗ mählig in Adams Nachkommen ausgebildet und den Tod auch als Strafe zugezogen hat. Nur ein neuer ſupernaturaler Alt Gottes kann dem unfeligen, nothwendigen Verlauf der erften Schöpf⸗ ung für fih Einhalt thun, Das geſchieht ſchon im Allgemeinen durch Gottes manchfal⸗ tiged Wort (f. Note A), oder feine Offenbarungen. Nur durch pofitive Dffenbarungen Gottes, die ſchon bei Adam beginnen, weiß ber Menſch von ben göttlihen Dingen, befonders von Dem, was Gott als Geſetz hat aufftellen wollen. Vollkommen aber iſt das Geſetz erft enthüllt durch Chriſtus, zugleich in wirffamer, locken⸗ der und treibenber Art, indem er das vivum exemplar ber Liebe - war. Durch ihn ift erſt genffenbart der gnäbige Wille Gottes, den ſich Bekehrenden die Sünde zu vergeben, die Strafe zu er: Iaffen, unb biefe göttliche Anfünbigung deren Bote er war, bat er durch fein Leben und feinen Gehorfam bie zum Tode in welchem ex fich felbft feinem Beruf und Amt opferte, befiegelt. Bornemlih aber bat er bie neue Welt eines ewigen feligen Lebens für bie welche zu feinem Volk gehören wollen angefün- bigt, nicht blos Durch feine verheiffenden Reden, und feine voran⸗ beutenben Wunberthaten, fonbern auch durch feine Perfon, indem in ihm der erſchienen if, Durch welchen Gott fene neue Schöpf: ung ausrichten wird. Die Sendung Chrifti ift alfo nicht exrft durch Die Sünde be⸗ bingt; fonbern für die Erfüllung des Bedürfniſſes das bie erfte Schöpfung aus metäphpfifchen Gründen übrig läßt, alſo für Chriſti Sendung und Werk wäre eine angemeffene Stelle auch ofme die Sünde gewefen. Für diefes Wert mußte aber Chriſti Perfon angemeffen von Gott ausgeftattet werden. Zwar fann Gott nicht das an ſich Unmögliche; fein Wefen konnte er ihm nicht mittheilen, weil es nach feinem Begriff unmittheilbar ifl. Aber doch kann Gott auch nicht jene metaphyſiſche Scheidung der Welt von Gott, Derner, Chriftologie. II. 2te Auf. 49 758 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 8. Abſchnitt II. wodurch er die Welt als felbftänbige freie aus ſich entläßt, zur Beziehungslofigfeit herabfinfen laſſen. Das iſt verwehrt vors nehmlich durch feine Liebe, welche den Menfchen eine fittliche und felige Beftimmung zutheil. Die Beziehung nun melde Gott will, und bie er durch Wefensmittheilung nicht fliften kann, fliftet er durch Mittheilung ober genauer durch Uebertragung gött⸗ licher Prärogative an Chriftus. Zwar über bie Gleichheit - mit ung burfte Chriftus nur in fo weit als fein Werk es forderte binausgehoben werben; benn griffe feine Erhabenheit über ung weiter, jo würde etwas von feiner mittlerifchen Stellung ihm und uns entzogen, während diefe ebenso forbert, daß er Fleifeh von unferem Fleifche, wie daß er allein im Stande fei und von Irrthum, Strafe und Tod zu erlöfen, das Lebtere im Jenſeits. Daher mar Chriſtus nicht blos dem Geſetz des Vaters zum Gehorfam verpflichtet, ſondern auch dem Gefek der Natur, ber erfien Schöpfung unterworfen, ber Nothwendigkeit des Todes: nicht feine Heiligkeit, noch feine Würde fonnte ihn davon eriöfen, fondern einzig die Wunberfraft bes Vaters, bie ihn nach umb wegen feines Gehorfams aber nicht eines Verdienſtes wegen (denn ein Berbienft gibt es nicht) von ben Tobten erwedte und damit ihm ben Sieg über Tob und Hades zu verleihen anfieng. Aber Chriſti Einzigkeit: befleht darin, daß er Gottes ein- geborger und natürlicher Sohn iſt, Erftend durch die Empfäng⸗ niß der Darin vom beil. Geifte. in männlicher Samen warb durch Gott in die Jungfrau bineingefchaffen, wodurch Jefus frei blieb von der fünblichen Neigung anderer Menſchen, ja eine heilige Willensrichtung von Natur erhielt, die nicht fehlen, nicht einmal verſucht werden konnte. Zweitens ward er geſalbt mit dem Heil @eifte bei ber Taufe. %) Salbung bat zwar ihre Stelle bei den drei Aemtern, aber doch befonders dem königlichen. Es warb ihm baburd bie 6 Bol. %. Erelf in Ev. Matth. 8. fol. 47 ff. Der heil. Geiſt if divina vis et efficacia, bie unter einem materiellen heil Sub» Die Würde Eprifti nach ſocinianiſcher Lehre. - 759 Anwartichaft, ja theilweife Betrauung mit dem Königthum Gottes zu Theil, daher er auch ſchon auf Erden Anbetung annahm und Wunder that, obwohl er das allgemeine menfchlihe Schidfal, ben Tod und Hades nicht meiden konnte und burfte, da er fonft nicht volllommen Menſch geworben wäre Drittens auch mit höherem Wiſſen warb er in einziger Weife aus⸗ geftattet. Da aber die Schöpfung als ſolche auffer Gott und Chriſtus auch Kreatur ift, fo mußte er, um die Wahrheit ber göttlichen Dinge zu willen, Gott ſchauen, und von ihm uns mittelbar feinen Auftrag empfangen. Denn nur bas Schauen gibt ein wahres Wiſſen. Da aber der Himmel eine andere Region ift als die Erde, und Gott nicht an demſelben Orte ift, den die Welt einnimmt, fo mußte Chriftus vor dem Amtsantritt in den Himmel erhoben werden. Da bat er fidh nach oh. HI, 13. VI, 62. eine Zeitlang aufgehalten, wahrfcheinlich während der AO Tage in der Wüfte. Auch dem Moſe, Ehrifti Antitypus find auf dem Berge bie Urbilder der Dinge, bie er einrichten folite, gezeigt worden. Vielleicht ift Chriſtus auch mehreremal im Himmel geweien, obwohl er nur einmal „durch fein Blut“ Hebr. IX, 12. 24. in das Heilige eingegangen if. Möglich, fügt Wolzogen bei, daß fein Leib wunberbar momentan, wie Matth. XVII, verklärt warb, und er Umganges mit ben Himm⸗ lichen pflog, ſowie auch feine leiblichen Organe für das Anſchauen Gottes wunberbar eingerichtet werben fonnten. ?) .Obwohl er aber Sohn Bottes und gefalbter König (Chri⸗ us) fhon auf Erden war, fo hat er doch fein eigentliches Regiment erft durch Bermittelung feines Todes, nad, feiner Er⸗ böhung angetreten: dadurch erft ift er bie erſte neue Kreatur actuell geworben (Primogenitus), Sohn Gottes im eminenteften firat (der Taube) real auf Epriftus fich niederließ, ihm die Amtes weihe, die höchſte Kraft, Macht und Weisheit verlieh. ?) Comment. in Joh. ©. 707 f. 749 f. Er iſt geneigt au Joh. 1, 1. das Wort war bei Bott, hierauf zu beziehen. Anders F. Socin. Opp. I, 675. f. Anm. 4. 49 * 760 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſchnitt II. Sinn. Es ift feine Erhöhung nicht fein Werk, fonbern bes Baters, wie feine Auferſtehung; er ift aber dadurch perfönlich von Tod und Unvollfommenheit befreit, gleichfam wie durch eine neue Geburt. ) Und die Wunbderthat Gottes bie ihm jet Diefes verlieh fchenfte ihm nun auch bie vollſte und abfolutefte Macht und Herrfchaft über fein Volk, Die er zuvor mehr als spes und destinatio denn thatfächlich befaß, ja, mit Beziehung auf fein Reich als den Endzwed, die Gewalt über alle Menſchen, über gute und böfe Engel, über Tod und Habe. Er bat die Kraft erhalten, ven Menfchen das Leben und den heil. Geift zu geben ; ihm kömmt ein Alles burchbringendes Wiffen zu, er ifl der nächfte Geber auch der fpiritunlen Gaben. - Zwar wird er nie der Schöpfer, fondern bat Alles was er gibt, von dem Vater empfangen. Aber Doch iſt auch fein Thun nicht fo zu denken, als ob in jedem Momente eigentlih Gott durch ihn als feinen Canal feine Gaben fchenfte. Chriftus ift nicht blos willenloſes Organ Gottes (ald ein bloßes Inftrument wäre er müßig) ; fondern freier Verwalter der göttlichen Güter, Gottes Stellvertreter mit vollfommener Plenipotenz für das Werf der Erlöfung aus⸗ geftattet. Zu foldher Hoheit ift in ihm die Menſchheit erhoben, daß er mit Recht noch in ganz anderem Sinne als Obrigfeiten ein Gott heißt, ja in gewiffer Beziehung hat er eine nody ehren⸗ vollere Stelle als Gott felbft, weil Gott nicht in eigener Perfon bie Kirche regiert, fondern Chriftus thut es. 9) Hier flimmen aljo die Speinianer ben Rutheranern bei, daß Chrifti Menſch⸗ heit alle Gewalt gegeben fei zu freiem Gebraud: hier kleiden fie felbft ihre Polemik gegen das Hohepriefterthum Chriſti in das Gewand, daß damit etwas zu Geringes von Chriftus ausge⸗ fagt wäre. Sein vollfiommenes Hoheprieftertfum fei auf Erben noch nicht gewefen, fonbern babe erft mit feinem Eingang in ben Himmel begonnen. Aber ba fei es nicht bios als Für- bitte für und zu benfen, fonbern als Föniglihes Regiment. e, J. Erelt I, 3657-860. 527. 528. II, 79. F. Soc. Opp. I, 655. 660 f. 9 F. Socin. brev. instit. I, 668. Chriſti göttliche Würde nach forinianifcher Lehre. 761 Allerdings werde, zwar nicht Chriſti Reich, aber fein Regiment zur Erlöfung aufhören mit ber Vollendung des Werkes, wofür die Vebertragung an ihn das Mittel war; er werde nach 1 Kor. XV, 26—28 alsdann das Reich dem Bater übergeben und nicht mehr fein Stellvertreter fein, vielmehr fei von ba an Gott Alles in Allem. Die Gläubigen werben in wefentliche Gleichheit mit ihm treten, wie er an dem ewigen Leben Gottes als Söhne bes Höchften Antheil haben. Aber bas fei feine Erniebrigung für ihn, fondern feine Freude und das Ziel feines heißeften Ber: langens; er bereite jest wie ein Bräutigam bie Hochzeit vor, und ſehe auf ben Tag der Bereinigung mit ber Braut nicht ale auf einen Tag bes Berluftes hin. Zubem feien auch im Reiche ber Seligen noch Stufen und Ordnungen, und ba bleibe ihm immer bie Stelle über allen andern, an ber Spige der Krea⸗ tur. 10) Für die Zeit bis zu dieſer Vollendung haben wir ung aber an Chriſtus als unfern Heiland und Gnabenfpenber, ale unfern König zu halten und benfelben anzubeten (adorare); ja auch in allen äußeren und inneren Nöthen ihn anzurufen (in- vocare). Er böret ung und kann und belfen. Dem Franz Davidis und Ehriftian Franken, bie biefes als Abgötterei bezeichnen, da ihm Chriftus Kreatur fei, und die blos eine Ans betung Gottes zugeben, hält F. Socin entgegen: nur bann wäre Chrifti Anbetung Abgötterei, werm baburch nicht Gott felbft zugleich geehrt würde. Aber wenn Chriſtus angebetet werbe, nicht weil er Creatur, ſondern weil er Goties Stellvertreter ift, fo werde der Auftraggeber geehrt in dem Bevollmächtigten. Und bas. fordere bie Beil. Schrift Joh. V, 22 f. Phil. II, 9. Hebr. I, 6. Anbetung würbe ihm zukommen, auch wenn fie nicht geboten wäre. Anrufung aber fei zu üben, weil wir dazu er⸗ muntert werben und weil Verheiffungen baran gefnüpft find. '") », 3. Crell gu 1 Kor. XV. I, 881 ff. iih Bel. befonpers die Epist. de invoo. Chr. F. Socin. Opp. I, 858 - 358. Seine Meinung ift nicht, daß invocatio mehr fei als ado- ratio, fondern das letztere iſt eine Erlaubniß, die wir benügen 762 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 8. Abſchnitt II. Gemäß feiner Ausftattung mit volflommenem Wiſſen und Können und gemäß feiner Liebe, müſſen wir mit vollem Vertrauen ung an ihn wenden, ber auch in ber Erhöhung unfer Bruder ges blieben if. Da Gott durch Chriſtus uns das Heil beſchie⸗ den und zwar als durch feinen Stellvertreter (Dei vicarlus, gubernator,, judex) fo fordert Gott auch fchlechthin bie göttliche Berehrung des Sohnes; die fie ihm verfagen, find nicht mehr Ehriften. Es ift daher zum Heil gänzlich nothwendig, die Er⸗ böhung ber Menfchheit Ehrifti zu wiſſen, bie feine göttliche Ver⸗ ehrung begründet. Zwar auch ber Bater muß angebetet werben, wie ja Ehrifti MWohlthaten auf ihn zurücdweilen. Aber ber Bater fegnet durch den Sohn der mit feinem Willen eins if. Daher kann (folgeredht müßte es bei ber Art ber focinianifchen Stells vertretung wohl beiten: fol) auch der Sohn allein angerufen werben. 12) So abſtoßend die forinianifche Chriſtologie auf bie Zeitges noffen wirkte, fo würde man ihr nad) dem Obigen doch ehr Unrecht thun, wenn man ihr das chriftliche Intereſſe überhaupt abfprehen wollte. Das bricht am deutlichſten an bem Eifer beroor womit Ehrifti Anbetung vertreten wird. Sie iſt aber auch nicht bios in formeller Hinficht durch die Einheit ihres Charakters , fondern inhaltlich auch dadurch beachtenswerth, weil fie einem unerwarteten Meteor gleih mitten in bie flreitenden Partheien hineinfällt, wefentliche Elemente von allen brei Haupts confeſſionen in ſich combinirt "und zwar in einem Aufriß, deſſen Einfachheit und Klarheit wenigſtens die Verwirrung und Kun⸗ ſtelei der andern Theorien in ein Hares Licht ſetzen konnte und bei deffen Zeichnung die Feder von einer Hand geführt ward, nn bürfen ; pie Aufmunterung dazu iſt eine Berheißung, daß er und helfen will, wie er es auch kann. ) Nur die Formel: im Namen Jefu beten, macht So cin fichtliche Berlegenheit, theils weil ihm Chriſtus nicht Fürbitter fondern König ift, theils weil es nicht angemeflen erfcheint, ſich an Bott und an feinen menſchlichen Stellvertreter zugleich zu wenden. — — — — — — — — Verh. der for. Chriſtol. z. röm., ref., lutheriſchen. 763 welche, wie die ganze reformatoriſche Bewegung, der menſchlichen Seite im Chriſtenthum ihr Recht geben wollte. Der Socinianismus kündigt eine Kriſis für die römiſche und beſonders auch die reformirte Chriſtologie an. Er geht mit beiden aus von dem Satz, daß zwiſchen dem finilum und in- finitum feine proportio fei, aber zieht Daraus auch den unver meiblihen Schluß, daß ba eine wirkliche Einheit Gottes und. des Menſchen nicht möglich fei. Er zeigt, daß ba nothwenbig Eprifi Menfchheit zum bloßen Gewand und felbfilofen Snftrument ber Gottheit würde, aber eigentlich nichts von Gott empfinge, ober aber eine neftorianifche Doppelperfönlichfeit bliebe, welche für bie Einigung ber zwei. Naturen nichts leiſte, alfo nicht wirklich ein Höheres ale der Sorinianismus für Chriftus herausbringe, wohl aber auch das chriſtologiſche Bild verhülle, bas ſich ergeben würbe, wenn man bei ber reinen Menſchheit fliehen bliebe. Es mag Bart Iauten, ift aber dennoch wahr: Wenn damit Ernft gemacht würde, Ehrifti Menfchheit an dem Göttlichen keinerlei Theil zu geben, die Einheit vielmehr nur durch das göttliche Ich ohne feine Natur gefchloffen fein zu laſſen; oder wenn Chrifti Menſchheit eine bloße Thesphanie, ein Gewand oder Inſtrument it — dergleichen auch die Profeten fein fonnten, — fo iſt mit einem ſolchen Ehriftus von Gott viel weniger gegeben und ges heben als mit dem forinianifchen.. — Denn bie göttliche Perfon ohne ihr Wefen ift ein tobter- Punkt ohne bie Fülle, die in ben göttlichen Prärogativen ligt. Davon hat bie- Intherifche Chriſto⸗ logie eine Einficht, zumal in ihrer ausgeprägteften Form bei Breng und Jacob Andrei. Denn biefe legen das Haupts gewicht nicht auf Das yerfönlihe Sein Goties in Ehriftus, weil biefes in allen Dingen flattfinbe, noch überhaupt auf das Haben des göttlichen Ich, fondern basauf,. daß bie Menſchheit Chriſti bie Fülle der göttlichen Prärogative, Allmacht, Allwiſſenheit, göttliche Majeſtät habe, was Alles ber Sorinianiemus auf Chriſti Menſchheit zu Übertragen feinen Anftand nimmt, wie auch umgekehrt die Tutherifche Chriftologie der Formula Concord. mit ihm den Blick mehr offen hat für ben erhöheten Herrn, 764 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſchnitt M. den König, als für feine Snechtögeftalt, bie fie nur unvoll⸗ fommen gewinnt. Der Sorinianismus hat auch feine Comm. idd., er bat auch feine Unio, nicht durch Die göttliche Perfom, aber eine Unio der Menfchheit mit den göttlichen Prärogativen und Kräften, welche die Fülle des göttlichen Weſens find, eine Dynamif ber Unio. 1%) Er läßt noch beſtimmter als felbft Die lutheriſche Ehriftologie hervortreten, daß bie Dienfchheit in Chriftus zur Freiheit und Selbftbeftimmung erhoben fei, nicht aber bios in gefeßlicher Stellung oder als Durchgangspunft göttlicher That fungire; und in biefer Hinficht ift es bezeichnend, daß wie bie Socinianer für die Menschheit Perfönlichkeit fordern, fo auch bie Lutheraner, nur daß bie legtern fie von ber göttlichen Seite her com⸗ municirt fegen. Der Iutberifchen Ehriftologie find die Socinianer überlegen in der Zeichnung beffen, was zur wirklichen Menſchheit Chrifti auf Erden gehörte und in ber Anerfenmung eines nicht blos feheinbaren Werbens von Stufe zu Stufe; wie man auch darin den Speinianern wird Recht geben müſſen, daß, wenn das Weſen Gottes fchlechthin nicht mittheilbar ift, fonbern nur feine Eigenfchaften, Gott nach feinem Weſen aufferhalb der Menſch⸗ beit bleibt und nicht Menfch geworben ift, folglich Fein Grund zur Klage gegen Diejenigen bleibt, bie das erfennend fagen: das Wefen Gottes fann gar nicht Menfch werben, wohl aber theilt Gott feine Prärogative ber Denfchheit mit. Nach diefer Seite mußte der Socinianismus durch feine Vereinfachung, durch das Hinmwegwerfen bed boch nur müßig Gebliebenen früher ober fpäter auch für bie Intherifche Chriftologie eine Krifis heraufs führen, die ihr nur das Dilemma ließ, entweder das Wefen nicht als unmittheilbar vielmehr in den Eigenfchaften gegeben zu fegen (wie Andreä wollte) oder aber dem Socinianismus gemonnen zu geben, Ähnlich wie bie beiden andern Confeffionen zu ber 15) F. Soc. T. II, 798. 799.: es gebe eine duplex divinitas, eine mit tpeilbare 3. B. immortalitas, potestas und eine nicht mittheilbare. Dieſe iſt essentia Dei, jene iſt effectus essentiae , für immer oder auf Zeit verleihbar. j Krife für die Chriſtol. der Luth., Ref, Kath. durch die Sorin. 765 Alternative gebrängt werden, entweder jenen Sag aufzugeben, daß feine proportio beftehe zwifchen dem finitum unb infinitum, oder aber zur forinianifchen Läugnung der Menfchwerbung Gottes fortzugeben. Beidemal bringt der Socinianismus dieſe Krife, indem er einerfeitö den falſchen Grundfat zu feinem eigenen macht, den jene auch haben, ber aber ihre Ehriftologie hemmt und verberbt, anbrerfeitd aber die logiſch richtigen Conſequenzen zieht, die fie doch ſchlechterdings nicht annehmen wollen und dürfen. Sie felbft beftreiten zum Theil gegenfeitig an ein- ander biefe Grundſätze, aber ohne Wirkung. Eindringlicher fonnte die Lehre aus dem Munde derer fein, die jene Grund: füge annahmen, aber daraus bie hebenflichften Conſequen⸗ zen zogen. 0 Am meiften Aehnlichfeit hat aber der Sorinianismus, wie in feiner Grundanſchauung vom Chriftenthbum als dem voll: fommenen Gefeg, fo auch in ben Grundzügen feiner Chriſtologie mit Ideen des römiſchen Syſtemes. Namentlich mit Duns Scotus hat er die merkwürdigſte Aehnlichkeit: er iſt in ge⸗ wiſſer Art der entpuppte Scotismus, welcher ſich durch An⸗ eignung einiger, beſonders kritiſcher Momente der reformatoriſchen Bewegung eine gewiſſe Familienähnlichkeit mit dem Proteſtan⸗ tismus zu geben gewußt hat, aber im Kern auf vorreforma⸗ toriſcher Stufe ſtehen geblieben iſt. Wenn wir früher als das Weſentliche in der römiſchen Kirche als ſolcher die Combination des Magiſchen und des Pelagianiſchen fanden, wovon jenes mehr das Heidniſche, dieſes mehr das Jüdiſche iſt, ſo neigt ſich zwar ohne Frage das ſocin. Syſtem im Ganzen mehr dem Pelagia⸗ niſchen und Geſetzlichen zu, wie D. Scotus, weil es ein kräf⸗ tiges moraliſches Intereſſe hat. Aber ſo weit als dem Gött⸗ lichen Raum bleibt, fällt deſſen Wirkungsweiſe auch im Soci⸗ nianismus magiſch aus, und ſelbſt der Begriff des Sittlichen wird durch Magiſches verdorben. Schon das Wiſſen von dem Sittlichen kommt nur magiſch an des Menſchen natürliche Finſter⸗ niß, die poſitive Offenbarung findet im Menſchen feinen An fhliegungspunft an einer inneren Selbſtgeſetzgebung: ja gut iſt 766 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 3. Abſchnitt IT. eben das was Gott dafür hat erflären wollen. Ebenſo iſt es nicht durch das Ethiſche felbft vermittelt, daß Gott auch bie Sünde vergeben, die Strafe erlaffen kann, fonbern es ift magiſche Willkür daß Gott, der doch das Geſetz mit der Straffanetion gab, es nicht gelten läßt in ber Vergebung, ſondern davon dis⸗ penfirt, gleichwohl aber auf feiner ferneren Geltung beharren fol. Magiſch ift daher auch die forinianifche Theorie von unfrer Verfühs nung. Das Ehriftenthfum lehrt, baß wir durch das (in Ehriftus erfüllte und befriedigte) Gefeg hindurch vom Gefes und feinem Fluche frei und heilig werden. Nach Socin werben wir frei von dem Fluch des Geſetzes durch Offenbarung eined andern Geſetzes, dadurch das erfte abolixt wird, und biefe göttliche Dis⸗ yenfation von ihm und feine Nichtgeltung foll gleichwohl bag Mittel fein, feine vollfommene Geltung berzuftellen. Das Sitt- liche ift alfo nicht das in ſich abfolut und ewig Nothiwendige, es hat feinen Urfprung nicht im göttlihen Wefen, fonbern rein in dem pofitiven Aft ber göttlichen Machtvollkommenheit und Herrſchaft. Da ferner bie Sittengebote nur pofitive, einzelne find, nicht aber bie Totalität bes Menſchen in nothwendigem und wefentlihem Zuſammenhange bamit fteht, fo gehört nach dem foeinianifchen Syſtem auch nicht die volle Heiligkeit zum gött⸗ lichen Begriff vom Meufchen; und die vollfte Heiligkeit thut auch Nichigebotenes (alfo opera supererogatoria). Die Erheb⸗ ung zu dieſer vollen Seiligfeit iſt zwar eine Erhöhung des Menſchen, aber da fie nicht von feinem Wefen geforbert tft, ift fie eine Erhebung in eine mehr als menschliche Lebensweife. So "if in der focin. Bollenbung bes Menſchen auch noch etwas von jener mittelalterlichen Entrüdung des Menſchen über fich felbft hinaus zu gewahren. Ganz ebenfo ift von ber Verleihung ber Unfterblichfeit zu urtheilen. Sie tft nad jener metaphyſiſchen Grundlage, welche die Nothwendigkeit bes Todes in ſich ſchließt, eine magifche Entrüdung über ſich ſelbſt, über ben eigenen ur- forüinglichen Begriff. Im der Ehriftologie ſelbſt aber tritt dieſes Magiſche theils in der Entrüdung Chrifti in den Himmel während feines Erdenlebens, theils in ber Art hervor, wie auch ihm ofme Bafls des Sorinianismus find römiſch⸗katholiſche Reſte. 767 innere Vermittelung, Auferſtehung und Unſterblichkeit zu Theil wird. Ferner in der Art wie ſeine Heiligkeit gedacht iſt. Denn ſoviel Socin von Chriſti Werden ſpricht, feine Heiligkeit iſt ihm ein Fertiges, in ſich Bewegungsloſes, Einerſchaffenes, Unverſuch⸗ bares, in ſonderbarem Contraſt mit dem Gewicht das er auf das Jib. arbitr. ſonſt legt. Auch das iſt noch ein römiſcher Reſt, daß er (woran auch die Formula concord. ſtreift) Chriſtus Ueber⸗ ethiſches vollbringen läßt. Am meiſten katholiſirt aber ſeine Lehre von Chriſti Amt und Anbetung (ſ. o. 1,5). Das Königthum Chrifti droht faft das ganze Amt Chrifti zu verfchlingen: er ift als Geſetzgeber und Herricher Statthalter Gottes, obwohl Menſch und als folcher anzubeten. Papfithum und Heiligendienft werben zwar abgeichafft, aber fo daß der faliche Grundgebanfe beider Aus: wüchſe beibehalten und aus ihm die Chriftologie aufgebaut wird, der Gebanfe daß Gott von uns unendlich enifernt und ung fchlehthin wefensfremd fei. Während dem Katholicismus bes Mittelalters Chriftus wieder zum: nadten Gott geworben unb bie Kirche fammt den Heiligen an feine Stelle getreten war, fo meint ber Socinianismus Dadurch zu reformiren, daß er umgelehrt Chriſtus zum Heiligen und Statthalter Gottes macht. Aber auch jene beiven Grundſätze: „daß das Unendliche und Endliche ſich abſolut und unvereinbar entgegenſtehen,“ und „daß bie Eigenfchaften fih vom Wefen trennen, daher auch von dem einen Weſen an bag andere über und wider befien Natur fi mittheilen laffen,“ welche der Sorinianismus in fich vereinigt, (während bie Reformisten nur ben erfleren annehmen, bie Luthe⸗ raner faft nur wider Willen bem zweiten ihren Tribut bezahlen), haben nach bem Früheren ihren Sig in ber Theologie bes mittel⸗ alterfichen Katholicismus. Denn was ift biefer geläufiger als der ariftotelifche Sag,” daß zwifchen dem Infinitum und bem Finitum feine Proportio fei? Und auch ber andere Grundſatz deſſen Heimath das Magifche ber römiſchen Theologie ift, ver- räth fi in der römifchen Lehre von dem Urfland und feinen donis superadditis, die dem Menfchen mitgetheilt fein und boch nicht zu feinem Wefen gehören follen; ferner in ber Bor: 768 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 8. Abſchnitt TI. ftellung:: daß wel hohe Gaben immer Gott an bie Menfchheit mittheile, er dach das Höchfte, fein Wefen nicht mittheilen könne, fondern das Befte für fich behalten müfle, wie auch für dieſes Höchfte die Menfchheit nicht empfänglich fei, fondern nur durch ein Entrücktwerden aus fi) in Gott, ‚durch einen Selbfiverluft damit in Kontaft Tommen könne. Der Duell beider Grunb- fäge kann mm in dem Irrthum liegen, daß nicht die heilige Liebe in Gott das Höchfte und Innerſte, ja. auch fein Wefen, unb feine Natur fei, fondern vielmehr eine von der heiligen Liebe los⸗ geriffene Afeität, Unenblichfeit, Allmadıt. Dem Grundfag, daß bie Eigenfchaften trennbar feien vom Weſen, tritt allerdings bie veformirte Kirche entgegen, aber um ben Preis, daß eine reale Selbſtmittheilung Gottes an die Menfch- heit überhaupt geläugnet werben will, wovon die Urfache ift, daß felbft die Unio pers. in ihr haltungelos daſteht. Es wird wohl die die Unterfchiede hütende heilige Gerechtigfeit Gottes, aber nicht die Kraft und das Wefen ber heiligen Liebe Gottes ers fannt; und wenn auch göttliche Mittheilſamkeit gelehrt wird, fo fommt doch bie Mittheilung nicht zu ihrem Ziele, wenn fein Empfangen und Haben des Göttlichen ſoll flattfinden können. Sagt die reformirte Dogmatik, daran fei nicht Mangel an Gottes Liebe, fondern der Begriff der Enblichfeit ſchuld, in deſſen be ſchränkende Macht der weltfchaffende Gott habe einwilligen müffen, weil fonft eine Welt nicht möglich wäre: fo ligt barin das offene Geftändnig eines über Gottes liberum arbitrium fiehbenben höheren Gefeges, das aber nicht Das Lebensgeſetz ber Liebe, fondern das bualiftifcher Art ift, ja das folgerichtig der Welt jene falfche Selbftändigfeit Gott gegenüber geben müßte, bie ber Sorinianismus verfündigt, und an bie er feine Stell- vertretungslehre und Mittheilung göttlicher Präbilate an bie Welt anfchließt. Die Iutherifhe Kirche allein vertritt bie entfcheibenbe und neue dhriftslogifche Grunderfenntniß: Finitum capax infiniti. Dieſe wurzelt ihr in der Glaubenserkenntniß daß Gott im Innerſten als Liebe zu benfen iſt. Inſofern bat fie in Be⸗ Heberblid über die Chriſtologie der chriſtlichen Eonfeffionen. 769 zug auf ben chriftologifchen Yortichritt der Chriftenheit ben Reigen zu führen: ihr iſt am vollfiänbigften die Idee ber Chrifiologie anvertraut. Aber auch fie hat füh in ber Formula concord. nur erft in einer zu mittelalterlichen Sätzen conde⸗ ſcendirenden Form durchzuſetzen vermocht. Denn fie läßt einers ſeus gegen ihre Grundtendenz und gegen bie von Luther ges zeichnete Anthropologie durch die Beforgnig vor Vermiſchung des Göttlichen und Menfchlichen ſich dahin ziehen, das Gött⸗ liche mit Chrifti Menſchheit nicht wirklich coalesciren zu laflen, jenes vielmehr als etwas wider bie menſchliche Natur an biefe Kommendes anzufehen; ober auch, wo fie Das Göttliche der Menſch⸗ heit Chrifti zu eigen werben läßt, darunter nur göttliche Eigen: fhaften zu benfen, während das Wefen Gottes unmittheilbar in Gott zurücbleiben fol. Andererfeits aber indem fie ihrer Idee ber gottmenfchlichen Einheit treuer folgt, läßt fie fich dahin ziehen, durch bie Selbfimittheilung Gottes an bie Menfchheit die Wirklichkeit und das Werben berfelben — durch einen magifch befchleunigten Proceß der Exaltatio überwältigen zu laffen. “) Die Mängel der erftern Seite find nicht allgemein in der Tutherifchen Kirche, fondern haften mehr an einzelnen Ausbrüden der Formula concord., deren Grundgebanfe doch jene capacitas der Menſchheit für Gott felbft in. nicht blos Yaffiver Form bleibt. Der zweite Mangel dagegen ift allgemeiner und haftet tiefer. Er hat feinen theolog iſchen Grund darin, daß ber göttlichen Liebe noch nicht beftimmt genug bie die Unterfchiede hütende heilige Gerechtigfeit einverleibt, eben- daher auch auf der menfchlichen Seite das Ethifche und ber uner⸗ läßliche Proceß deſſelben noch zu wenig firirt if. Diefer zweite Doppelmangel wird von der reformirten Dogmatit und dem So: cinianismus treffend erfannt und beftritten, aber geheilt kann ex nicht buch Ueberfpringen zum veformirten ober gar forinianifchen “, Was allerdings auf einen Mangel aud im Gottesbegriff zurück⸗ weist; denn wäre ihr die die Unterſchiede wahrende Gerechtigkeit (welche die reformirte Kirche mehr vertritt) vollfländiger einvers Ietbt), fo wäre erſt die Liebe beftimmier ethifch gedacht. 770 Zweite Periode. Zweite Epoche. Abthl. 8. Wbfchnitt TIL Gottesbegriffe werben, fonbern nur dadurch, daß Gott weber bios als Heiligkeit und Gerechtigkeit, noch bios überhaupt als Gilte und Mittheilfamfeit, fondern ale bie ihrer felbft mächtige, aber ver- möge und in der Selbfibehauptung auch ſich mittheilenbe, oder als bie heilige Liebe erfannt wird. Erſt aus biefer Idee Gottes und ber Damit ſich ergebenden Spee bes Menfchen wird eine Ehri- ftologie aus Einem Guße möglich fein welche das Wahre, was bie verfchiedenen Kirchenpartheien wollen, und damit fie ſelbſt in dieſer Gentrallehre vereinigt. Das reformatorifche Glaubens⸗ prineip trägt eine ſolche Chriſtologie, erfcheine fie früher oder fpäter, in feinem Schooße und ift auch in dieſem Sinn ein uns enblicher Anfang. Dritte Epoche ber zweiten Periobe. Bon 1580 bis 1800, Verfall der bisherigen Form der Ehriftologie in ſich ſelbſt und Umſchlag derfelben in die Form der einfeitigen Subjectivität. Erfier Abſchnitt von 1580 his 1700. Die fholaftifche Zeit des Proteflantismus und feine Entzweiung in ſich felbft. Erſtes Kapitel. - Die lutheriſche Ehriflologie. Mas der Veröffentlihung der Concordienformel folgte, war ber Streit theild zwiſchen den Lutheranern, bie fie ablehn- ten und benen, die fie annahmen, theif unter den Annehmenben felbft über den Sinn derfelben, über welchen ſich noch ihre Ver: fertiger jelbft, Chemnig, Selnelfer, Chyträus u. A. einerfeite, die Schwaben anderfeits entgegengefeßt ausſprachen. Aus dem zweiten Streit erwuchs ber dritte zwiſchen ben Gießenern und Tübingern. Die Vermittlungsverſuche des J. Andreä und Chemnitz er⸗ reichten, wie früher erzählt, in Betreff des eigentlichen Gegen⸗ ſatzes zwiſchen den Schwaben und Niederdeutſchen keine innere Einigung, ſondern nur eine Vereinigung von disharmoniſchen Sägen von beiden Seiten ber in einem Buch. Die Folge war Dorner, Chriſtologie. II. 2te Aufl. . 50. 772 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchn. L Kap. 1. T. Heßhus daher nicht Eintracht, fondern vielfeitige Zwietracht. Nicht blog wurde die Eintrachtsformel in zahlreichen und namhaften Länder: gebieten nicht angenommen oder bald wieder ihrer Geltung be= raubt; fondern es zeigte fid) bald, daß bie flreitenden Parteien ihre Lehre feineswegs an eine andre, ober an bie Eintrachts⸗ formel aufzugeben gewillt waren, vielmehr ſich in der. doppelten möglichen Form behaupteten, der der Ablehnung der Concordien⸗ formel oder ihrer Auslegung nach bem eigenen Syſtem. Den erften Weg betraten die Helmftädter, in welchen fich ber frühere Widerfpruch der Niederfachfen gegen bie ſchwäbiſche Chriſto⸗ logie fortfegte, welche aber bald eine bedeutende Stüge auch inner: halb der Befennerfchaft der Eintrachtsformel dadurch erhielten, Daß . ben vordringenden, bie F. C. ausſchließlich für fi ausbeutenden Württembergern eine andere, dem wahren Sinn der niederfächfifchen Mitarbeiter analogere Deutung entgegentrat, bie als genuinen Sinn derfelben dasjenige behauptete, was nachher, in der Haupt: fache umfaffender, die Gießener gegen die Würtemberger vertraten. Tileman Heßhus und feine Colfegen Daniel Hoff: mann und Bafilius Sattler verweigerten die Anerfennung der 1577 von ihnen unterfchriebenen Eoncordienfognel, weit fie nachträglich ohne ihre Zuftimmung vielfach verändert. fei, und beantragten eine neue und zwar ſynodale Verhandlung. Nicht ohne Grund fürdtete man aber davon neue Unruhen und zZerrüttungen, und fo fam es nur Seitens der Kurfürften von ber Pfalz, Brandenburg und Sachſen 1583 zu einer Ab- ordnung von T. Kirchner, N. Selneffer mit Pol. Lyſer, fo: wie von Kömer und M. Chemnig, um zu Quedlinburg mit ben braunfchweigfchen Abgeordneten zu verhandeln. Die Haupts forderung von Heßhus und den Seinen war: bie UÜbiquität nicht als-abfolute, fondern ale limitirte oder reſpective feftzuftellen, auch einige unbequeme Neben Lutheri nicht zu gebrauchen. (Letz⸗ teres bezieht ſich beſonders auf Luthers Worte im großen Be⸗ kenntniß, welche noch durch bie Württemberger in die F. C. bin: eingebradht waren). Die Anderen, nachdem fie vergeblich einige Tage über die Ubiquität difputirt hatten ”), ohne deren Gegner ') Bericht von dem Colloqulo der zu Quedelburg verfamleten Theo⸗ mitd. Helmftäpt. Sireitin d. luth. Kirche üb. d. F. C. ihren Sinnze. 773 Überzeugen zu können (wobei Chemnit, deſſen Anficht die Helm- ftädter fo nahe fanden, ſich in einer fehwierigen Lage befand), conftatirten nur, „daß eine Einigung unter den Kurfürften und Fürften, fowie den Theologen jett (eben nach dem Abfchluß des fo mühfamen Concordienwerkes!) nicht herftellbar fei, fowie daß bie Braunfchweiger auf ein rechtmäßiges Eoncil provociren, wag man dahin geftellt fein laſſen müſſe.“ An ein folches war nicht zu benfen; ebenfowenig an Nachgiebigfeit Seitens ber Helm⸗ ftäbter, und ſchon hier zeigte ſich Die Unmöglichkeit, was reine Lehre fei, bis in das Gebiet der feineren Beftimmungen hinein, das bie F. C. betreten hatte, kirchlich feftzuftelfen. Niemand fonnte im Ernſt daran denken, von der Tutherifchen Kirche biefenigen Länder auszuſchließen, welche die F. C. nicht annahmen. Aber an dem Verſuche Tieß. man es nicht fehlen, die Beftreitung ber Chriſtologie der F. C. als Abfall zu bezeichnen und wo möglich durch fürftliche Gewalt zu unterbrüden. Herzog Julius von Braunfchweig wurde durch Herzog Ludwig von Württemberg auf Antrieb der Tübinger 1585 zum Einfchreiten aufgefordert. Als dies nicht fruchtete, vereinigten fich nach Heßhuſens Tod die Leipziger, Wittenberger und Jenaer Theologen 1593 zu einem Erinnerungs- fhreiben an Dr. Hoffmann mit Belehrungsverfuchen, Friedens⸗ ermahnungen und Banndrohung. Aber alles vergebend. Die Helmftäbter, zumal Daniel Hoffmann, waren unermübet und nahmen ſchon bie untergrabende Pofition ein, als den genuinen (nur durch nachträgliche unerlaubte Aenderungen verbunfelten) Sinn ber F. C.“ihre chriftologifche Anficht zu bezeichnen. *) logen über dem Artifel von der. Ubiquitet und allentpalben Gegen: wärtigfeit des Leibs Chriſti u. f. w. im Anhang zum Abtrud etlicher Schrifften, daraus nunmehr der vorlängſt gehoffte genui- nus intellectus F. C. etc. erſcheinet 1597. Dieſe Schrift iſt zugleich gegen die Erfurter Apologie der F. C. gerichtet. “7, Mit den Reformirten wollten es bie Helmfläpdter nicht halten, nicht einmal mit den Anhaltfchen Theologen, die Anfangs noch ber lutheriſchen Ahendmahlslehre befreundet waren, aber die reale Comm. idd. befiritten. Heßhus wollte bei ber hypothetifchen All: gegenwart oder Multipräfen; (omnipr. respectiva) bleiben, bie er fiets gelehrt zu haben behauptete, der aber vie veröffentlichte Ein: 50% 774 3weite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. Schon früher hatten daſſelbe bie Schwaben zu Gunften ihrer GChriftologie gethan; nicht ohne Erfolg. Sie ließen unter Anderem wider bie Helmftäbter den „Gründlichen ausführlichen Bericht, daß bie Lehre von der Majeftät Chtiſti nicht allein in heiliger göttlicher Schrift gegründet, fondern auch Yon Dr. Lu⸗ thern und andern Theologen geführet, ber chriftlichen F. C. ein⸗ verleibet und aus Gottes Wort erhalten worden“ 1589 aus: gehen ). Hier fuchen fie bie alte Brentziſche Lehre als den ge- nuinen Sinn der F. C. dadurch zu erweifen, daß fie das dem Chemnis in ihr zugeflandene „quando et quomodo voluerit“ nicht als Gegenfag gegen die abfolute Omnipräſenz der Menſch⸗ heit gelten Laffen, fondern nur auf den modus berjelben beziehen wollen. Damit wäre bie Conceffion an bie Nieberbeutfchen wieder vollſtändig zurückgenommen, die ſchwäbiſchſächſiſche Concordie in einen Sieg der ſchwäbiſchen Anſicht über die ſächſiſche verwan⸗ belt geweſen. Chemnitz (geſt. 1586), Chyträus, Selneffer waren mit dieſer Deutung, bie ſich ſchon bald nach 1580 verlaut⸗ barte, böchlich unzufrieden und gaben das auch in Briefen zu erfennen %). Sie gaben auch zu verftehen, daß ihnen gewifle Eonceffionen wider Willen im Concordienwerk entriffen worben waren, beren Zurücknahme ihnen aber jest nicht blos aus per: fönlihen Gründen, fondern auch um größerer Gefahren willen unthunlich erfchien. So Fündigte ſich ein noch vorhandener, weiter verbreiteter Widerfpruch gegen die ſchwäbiſche Chriſtologie an. Zuvor ift aber noch etwas bei ben vornehmften Theologen vor dem Gießener Streite zu verweilen, welche wenn auch vergeb- liche Verſuche machten, den vorhandenen Gegenfag zu befchwich- een vielfach durch ihre omnipr. absoluta widerſpreche. D. Hofmann ging dazu fort, nur für das heil. Abendmahl, nicht aber die Weltregierung, die Gegenwart des Leibes Eprifti zu leh⸗ ren. ©. o. Abtruck u. ſ. w. ©. 24 u. f. 3) Vergl. auch Aegid. Hunnius nothwendige Verantwortung bes Con⸗ cordienbuchs 3597, Widerlegung der ungegründeten Auflagen, da: mit Dr. D. Hoffmann in feiner Apologie u. f. w. 1597. Auch 9. Mylius und Pol. Lyfer fchrieben wider Hoffmann, 9) Abtrud ꝛc. ©. 23. 24. Streit ũb. d. Sinn d. F.C. Die Schwaben. 2. Hutter. Aeg. Hunnius. 775 tigen ober zu vermitteln, bevor er im genannten Streite zum heftigen fcharfen Ausdrud Fam. ‚Der Wiberfpruch der älteren Helmftäbter war nicht von einem tieferen religiöfen oder fpeculativen Intereſſe geleitet geweſen; neben Streitluft und Selbftgefühl ift bei ihnen nur das Intereſſe zu ver- fpüren, ſich nicht durch Dogmatifche Folgerungen zu weit von bem gefunden Mienfchenverftande und von der Schrift:Controle zu ent⸗ fernen. Auch fohien ihr Widerſpruch anfangs mehr vereinzelt °) ; denn es gelang einige Zeit den Würktembergern, bie meiften nam⸗ haften Theologen zu Mitfämpfern zu gewinnen, beſonders ben Leonhard Hutter und bein Aegidius Hunnius (wie Chyträus und Polye. Lyſer geborene Schwaben); aber mehr um Erhaltung des Eintradytswerfes als um völliger Zuſtimmung zum Shwäbifchen Lehrtypus willen. Denn zwar L. Hutter ©) läßt Die ganze Majeſtät, Kraft, Macht und Glorie Gottes feit Dem Mo- mente der Empfängniß, fraft der unio hypostatica der menfch- lichen Natur zu eigen geworben fein und nur die Manifeftation biefer Eigenfgaften warb nach ihm unter bie Knechtsgeſtalt vers hüllt, Ehrifti Menſchheit fei nie abweſend von den Greaturen, bei welchen der Logos gegenwärtig ift, das wäre Auroranıs ber Naturen; aber doch fpricht auch er von einem theilweifen Nicht: gebrauch ber göttlichen Cigenfchaften (Controv. 326); fagt nur: im st. exin. caro personaliter fuit ubique, was ſich von fetbft verfieht, wenn die persona Verbi Perfon der Menfchheit war, und läßt bie Thätigkeit bes Logos fich befchränfen, den Logos ruhen in Beziehung auf das Fleifh, damit es fterben könnte (Controv. 332); die Entäußerung bezieht er auf die Niebrigfeit bes Standes Chrifti zwifchen Geburt und Auferftehung. Er fchreibt ihm alle wefentlichen menfchlichen Eigenfchaften, fa auch bie Schwachheiten zu, die als Strafe der Sünde anzufehen find, wie nicht minder das allmälige Wachsthum. Hunnius aber bildet zwar befonbers eifrig bie Lehre aus, daß Chriſti Menſch⸗ 5, Wiewohl Hoffmann manche Männer ſelbſt in Bürttemberg befannt find, die gegen Andreä ſtehen. 6) Loci theologiei 1609.; Controversiae duae Theol. Viteb. 1610 p. 213° 383. . 776 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L. Kap. 1. heit in ben ewigen. und illocalen Logos eingerüdt fei; daß fie fhon vom erften Moment ber unio an zum Beſitz der ganzen göttlichen Majeftät gelangte, und lehrt auch auf feine Weife eine doppelte fimultane Dafeinsweife der Menfchheit, die im Wort und Die im Ort (dr Aoyw und in loco). Aber er feßt ber erſte⸗ ren Grenzen für den Stand der Erniedrigung, um bie Wahr: heit des Seins und Werdens der irdiſchen Menfchheit nicht durch eine binter ihr ftehende höhere ſchon vergottete Menſchheit durch⸗ brechen zu laſſen. In dem Logos iſt ihm die Menfchheit der Perfon nad), indem die Perfon des Wortes auch zur Perſon dieſes Menſchen gemworben- ift; aber diefes Sein im Logos ift wie das Sein bes Logos felbft erhaben über Welt, Räunlichfeit und Trennung buch Raum; fie ift ein rein immanentes Der: hältniß bes Logos zur menfchlichen Natur Chriſti, hat auf Welt und Weltregierung noch feine Beziehung. Nach diefer. erften Dafeinsweife ift der Logos in der Menfchheit perſönlich mit ber ganzen Fülle feines Weſens, nicht aber außer ihr, wozu ja Raum gehören würde, und die Menſchheit in ihm -(praesentia intima), nicht außer ihm; aber im Stand ber Niebrigfeit iſt die Menſch⸗ heit nicht (actuell) bei allen Creaturen, regiert nicht die Welt, weiß nicht alles, fondern bie ormnipraesentia extima, omni- sciehtia, omnipotentia fommt ihr" erft zu feit der Erhöhung 7). Geſetzt, bie Menſchwerdung wäre gefhehen vor ber Welt: 7) Libelli IV. de persona Christi ejüsque ad dextram dei sedentis aiina majesta'e. Franeof. 1595, verf. Marburg 1585. S. 83: q. adhuc ergo cenges carnem Christi una cum Aoy» etiam in utero matris, in eruce, in sepulero existentem ubique fuisse, cum Auyo» nullibi extra eam esse contendas”? Antwort: alia nunc est ejus majestatis ratio quam fuit in statu bumiliationis. Siquidem Aoyog tum quidem sibi naturam assumtam arcano quodam tacitoque modo unitissime prae- sentem extra locum habnit, sed non habuit eam ceteris in orbe crea- turis praesentem (quibus gubernandis tum humana natura nondum adhibebatur), sed extra creaturas omnes intra perfectissimae persenae . suae complexum intimum praesentissime junctam sibi habuit. Jam autem in statu gloriae Aoyos mon sibt tautum habet illam-praesentem personaliter: sed eandem quoque creaturis ratiöne gubernationis prae- sentem sistit, quatenus Aoyög per exaltatam humanitatem omnia gubernat, Aegid. Hunnius. 777 ſchöpfung, ehe irgend ein Raum war, fo wiirde offenbar ber 80908 nirgendwo außerhalb der Menſchheit gemefen fein. Chen fo wenig aber hat der Raum, da er nun ijt, der Logos aber allgegenwärtig in ihm lebt, eine trennende Bedeutung für Shrifti Perfon; fondern der Logos hat ſich die Menfchheit in- nigſt gegenwärtig, wo immer er auch ift, wenn gleich fie auf Erden noch nicht affenthalben bei der Creatur ift, vielmehr räum⸗ lich an Einem Ort, aber theilhabenb an der Perfon des Logos, die überall ift. Hunnius braucht, um anfchaulich zu machen, wie ſich der Beſitz der göttlichen Eigenfchaften Seitens der menfch: lichen Natur. wohl mit dem Mangel der Allwiffenheit und All. macht im Stand der Niedrigfeit reime, folgeride Beifpiele: Der 20908 hat feine eigene Weisheit nicht immer in ber Menfchheit gebraucht, ſondern vücfichtlich ihrer den Gebrauch zu Zeiten zus „tüdgezogen. Dennod hat die Menfchheit die Weisheit. So hat auch ein neugeborened Kind an ſich (actu primo) eine vernünfs tige Seele, wiewohl es noch nichts verficht; wenn es nun aber erfennen lernt, fo gewinnt es Damit nicht eine neue Seele, fons bern es offenbart fi nur wag zuvor latent war. ‚Und ein Phi⸗ loſoph behält feine Erkenntniß im Schlaf auch oßne artuelle Be: . trachtung. Wenn ferner in der Ohnmacht die Seele nichts im Körper wirft, fondern rüdjichtlich des Leibes ihre Actualität gleich: fam ausleert, ohne daß deshalb eine Trennung der Seele vom Leibe Statt findet, ſo iſt auch in Chriſti Menfchheit Allmacht ohne Actualität denfbar, und felbſt in Chriſti Tod feine Tren⸗ nung bes Logos von der Menfchheit, noch eine Vernichtung ber mitgetheilten Allmacht anzunehmen, fondern nur, rüdfichtlich ber Menfchheit eine Ausleerung (Zurüdziehung, Ruhe) ber in ſich unveränberlichen Allmacht des Logos. Zwar die natürliche Ein⸗ beit zwifchen Seele und Leib löste fih im Tode, aber bie unio personalis bfieb unverlegt. Chriftus wäre unfterblich ger wefen als Sündloſer und fraft der unio, aber unferthalben be: gab er fich dieſes Nechtes und wurbe flerblih 8). Die Tatente Potenz der Unfterblicheit, Allmacht, Allwiſſenheit it alfo als 96, 70. 73. 74. 251. 773 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. Beſitz Chriſti von der Unio her zu feen, aber keineswegs ein verhüllter Gebrauch biefer Eigenſchaften, ſofern er dem Stand der Niedrigkeit entgegen wäre. Mit al dieſem weicht Hunnius von ber Lehre der Würt⸗ temberger (von welcher 3. Andrei während ber Unterhandlungen theilweis abgelaffen hatte) wie yon Luthers großem Belenntnig wefentlih ab, und ſchließt fi dem Chemnig, ‚fowie Luthers Sägen vor dem Streit mit den Schweizern an ?). Während die Wiürttemberger aus der unio personalis den Sag ableiten, wo der Logos ift, da muß auch die Menfchheit fein; er ift aber allgegenwärtig bei den Greaturen, alfo auch die Menfchheit: fo folgert dagegen Hunnius aus der unio personalis zunächſt nur ben ruhenden Befis der göttlichen Cigenfchaften, macht aber ben Antheil an ihrer Actualität von dem Maße abhängig, in wel: chem ber Stand der Niedrigfeit ihn zuläßt. . Erft in feiner. Lehre _ vom Stand der Erhöhung trifft er wieber mit ben Württem⸗ bergern zuſammen. Wenn Hunnius die Menſchheit zunächſt nur der zu ihr gehörigen Perſon (des Logos) nach erhaben über Raum und Zeit ſetzt, ſo iſt damit noch nichts geſagt, was nicht auch die Refor⸗ mirten zugeben könnten. Denn dieſe weigern ſich nicht, der Per⸗ ſon, die ja Perſon des Logos iſt, alle göttlichen Prädikate zuzu⸗ legen. Und da Hunmius bie ganze Lehre von der Comm. idd. (ähnlich wie Chemnig, aber nicht Breng) forgfältigft fo formirt, bag er unter bem Antheil dev. Menfchheit an ben göttlichen Prä- bieaten ‚nicht ein Zueigenwerden biefer Eigenſchaften für die Menfchheit ald ihr Subjectum verfteht, fo Fönnen bie Reformirten um fo mehr mit ihm eins fein. Mit jener negativen Raum: freyheit der Menſchheit, fofern fie im Logos ift, war aber auch für die pofitive Raumfreyheit, auf welche es doch für die luthe⸗ riſche Abendmahlslehre ankam, noch nichts gewonnen. Wenn bei 9, Welche (was Thomafius Eprifti Perfon u. Werk 1855. II, 290-446 gänzlich überfieht) für Luthers Lehre von der Mittpeilung des vers Härten Leibes u. Blutes Chriſti im h. Abendmahl völlig daffelbe, ja Beſſeres Teiften können, alsfeine fpätern Süße, mit'welchen, wie auch Thomafius zugeben muß, die Wirklichkeit ver Menſchheit nicht befteht. Aegid. Hunnius. Philipp Nicolai. 7179 ber Betrachtung der Allgegenwart Ehriſti von allem Raum ab: zuſehen ift, wie foll Chriftus an vielen eber allen Orten zugleich fein? Muß da nicht feine Menfchheit unendlich ausgedehnt fein? Er antwortet: 1%) Gott iſt an allen Orten gegenwärtig, aber in unräumlicher Gegenwart, wie unzeitlih. Die Menfchheit ift aufgenommen in biefe Unräumlichfeit und Ungeitlichfeit: fo fann au ihre Gegenwart im Raum unräumlich und ungeitlich fein, wenn ber Logos ihr’ diefe Gegenwart im Raum bei allen Greaturen, bie er ſtets Bat, ober bie pofitive Raumfreyheit ver- leiht, durch welche für ihn das Univerfum wie ein Stäublein ift, Das er umfaßt, und die endlofe Zeit wie ein Punft, und das gefchieht im Stand der Erhöhung. — Aber neben ihrem ortlofen Sein im Worte "hatte die Menfchheit Chrifti doch ein Sein an Einem Orte, ja fie hat auch nad) Hunnius noch jeßt ein Ubi, und ift zwar in feiner Art von außen eingeengt, aber in fi local und begrenzt, ein Quantum. Wie kann nun eine und Dies felbe Drenfchheit nach einer Seite unräumlich, ja raumfrei, nach ber anbern räumlich, in fi begrenzt fein? führt das nicht doch zu einer doppelten fimultanen Menjchheit? Was Half es, für den Stand der Erniebrigung biefe Doppelheit abweifen zu wollen, wie Chemnit und die Helmftädter, für den Stand der Erhöhung aber fie ohne Weiteres ſtehen zu laſſen? Da erfcheinen doch ſo⸗ wohl die Schwaben confequenter (die fpätern Tübinger) bie wenig⸗ fiend eine Identität in biefer Doppelbeit fefthalten für beide Stände, als auch die Helmftäbter, wenn fie mit Heßhus jagen: trennt’ der Mangel der Allgegenwart im Stand der Niebrigfeit bie Einheit der Perfon nicht, fo trennt er fie auch nicht im Stande ber Erhöhung. Diefe Schwierigfeit hat nun Philipp Nicolai in vielen Schriften behanbelt!’), freilich nicht mit dem Erfolg, um dem ©, 87. 88, ii) Ph. Nicolai Grundfeſte des freitigen Artikels von der Gegen: wart Jeſu Chriſti .nach beiden Naturen im Himmel und auf Er: den. 1804. Bol. Thomaſius Chriſti Perfon und Werk IL ©. 451-472 und ©. 502 — 506. Eine Iichtvolle Darlegung feiner Anficht, nebft eingeflochtener Erwähnung feiner vielfachen Schrif: 780 Zweite Periobe. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. Streite zwiſchen den Mangenn und Gießenern vorzubeugen. Es lohnt, bei ihm ed. perweilen. Nicolai’s religiöfer - und fpeeulativer Geiſt läßt es fi vor Allem angelegen fein, bie Iutherifche Chriftologie von dem Schein bes ſchlechthin Singu⸗ lären und Abfonderlihen zu befreien, vielmehr fie aus ber Mitte einer in ſich zufammenhängenden und befreundet anfprechenden Weltanſchauung zu betrachten. Diefe ganze, an Breng und das ſchwäbiſche Syngramma fi) anſchließende Weltbetrachtung ift zwar fichtlich aus chriftologifcher Anfchauung her entworfen, aber bient dem Streben, die Selbftbegründung der erkannten chriſtologiſchen Grundwahrheit ſi ch dadurch vollziehen zu laſſen, daß dieſe eine geſchloſſene und ganze Weltbetrachtung aus ſich hervorzubringen ſucht. Er geht davon aus, daß die Welt überhaupt in dem ewi⸗ gen, unräumlichen Weſen Gottes gründe daß Gott alle Crea⸗ turen in ihm ſelbſt umſchreibe, erhalte, beherrſche, und gleich- ſam der Ort für ſie ſei. Er ſchaue ſie alle in ſich, und regiere fie in ſich nach feiner Fürfichtigkeit (1063000) in ewig geeintem Erkennen und Wollen, er fei bei ihnen allenthalben, allgegen- wirtig, indem er überall und.ganz in fich und bei ſich fei. Wo er ift, it er ungetheilt ganz; wo er ganz ift, hat er, nicht auſ⸗ fer fih, fondern in fih, in dem ewigen Licht feiner Gebanfen und feiner Liebe die Welt. In ihm leben, weben und find wir. Er erfennt die Welt infich und durch fih. Die Höhe, Tiefe, Breite, Länge der Welt, ihre Räume, Maffe, Gewicht und Zahl umfchreibet Gott, ohne daß fie fein Weſen ausdehnen fann: viel- mehr „Himmel und Erden famt allen Völkern fo drin find, ſcheinen für feinen Augen wie ein Tröpflein Waffer, wie ein Scherflein in der Waage, wie ein Stäublin und wie ein nich- — — — — — ten über dieſen Gegenſtand, die leider durch bitiere Polemik den edeln Kern eniftellen, ift in der Schupfchrift für die holl. Luthe⸗ raner an bie Staaten Hollands: Berantiwortung ber Evangelifchen Kirchen in Hollandt wider die Läfteriug Petri Plancii calpiniftis fhen Predigers zu Amſterdam und feiner Eonforten. Hamb. 1602 enthalten. . Philipp Nicolai Über Gottes intenf. Unendlichkeit. 781 tiges Nicht. Nicht fo, dag er das große Gebäu Himmels und Erden famt den materialifchen Dingen, fo drinnen find, ihrer räumlichen Eigenfchaften beraube und fie in ein Stäublin zer: drüde, fonvern daß er troß ihrer leiblichen Größe alle ohn einige Mühe im verborgenen Licht feiner, göttlichen Regierung wie ein Stäublin vor fi) gegenwärtig fehe, fie alle gegenwärtig wie ein Pünftlein umfchreibe und in feiner Hand habe“. Gottes Un- endlichfeit und Unermeplichfeit habe mit der Frau Matheſis nichts zu thun, fie fei ganz andrer Art; und wer von jener einen Be⸗ griff gewonnen, dem fei es nicht mehr ſchwer, das zu glauben, worauf es für die lutheriſche Chriftologie anfomme. Wäre Gott im .mathematifchen -Sinne unendlich, d. h. im phyſiſchen, Leiblichen, fo fönnte er nur fo in einem Wefen fein, daß ein Theil Gottes in dieſem Weſen, der andere Theif auffer bemfelben wäre; aber unmöglich wäre ed, daß Gott ganz in einem endlichen -Wejen wäre. Auch das -fei zuzugeben, daß fein Leib eine räumliche oder. leibliche Allenthalbenheit haben - fönne. Aber das fei auch nicht bie Meinung ber lutheriſchen Lehre: fie abftrahire in ihrer Chriſtologie von ſolcher räumlichen oder Teiblichen Allenthalbenheit des Fleifches Cd. i. der Menfchheit) Chriſti, wie von einer mathematifchen Unendlichkeit des Chrifto ganz und perfönlich inwohnenden Gottes. Statt diefer faljchen, findifchen, Gott theilenden Borftellung von feiner Unermeßlichfeit fei vielmehr dazu übergugehen, daß Gottes Weſen unendlich in fich ſelbſt fei durch den Inhalt feines Wefens. Gott ift mit nichten räumlicher Weile eines unendlichen und unmeßlichen Wefens, fon- bern ift nach feiner Subſtanz unendlich und unmeßlich, wie von einer Tugend, als von der Liebe, von der Weisheit, von der Macht, oder von ber Gerechtigkeit kann gefagt werben, daß fie unendlich, unerfchöpflich, unmeßlich und unbegreiflich ſei, nachdemmal Gottes Wefen nicht ift in adjectivo leutſelig, weife, heilig, allmächtig, gütig und gerecht, fondern ift weſentlich Die Liebe felber, die Weisheit felbft, die Allmacht ſelbſt, die Heiligfeit ſelbſt, die Güte ſelbſt und die Gerechtigkeit feibfl.“ 19) Cr fucht alfo die Un- 12) Wider Plancium,. ©, 416. 782 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 1. Nicolai üb.. enblichfeit Gottes vielmehr intenfiv als ertenfiv zu faflen, und gewinnt dadurch das Recht, zu fagen, daß ein Menfh, in dem Gott wohnen will, nicht zu eng und zu Hein fei für bas ganze intenfive Weſen Gottes, vor Allent für die Liebe, den Umring aller andern göttlichen Tugenden; und daf die Menſch⸗ heit, die fo Gott in ſich aufgenommen, nicht leiblich ins Unend⸗ liche brauche ausgedehnt zu werden. Entfernt man nur die groben mathematifchen Gedanken, die nachweislich auf Gott nicht an⸗ wenbbar find, fo wird erfannt, bag Gott troß feiner Unendlich⸗ feit in einem endlichen Weſen wohnen kann. Bor Allem fagt er mit St. Bernhard anima quae ad imaginem ejus est creata, ejus capax est (S. 436). Gottes Gegenwart und ges genwärtige Regierung umfaßt zwar. Alles und ift eine: aber fie ift auch verfihieden für verfchiedene Theile des Univerfumg, deren Begriff und Wefen gerade durch bie Berfchiedenheit. feiner Ges genwart gebildet wird. Es find Drei Gebiete zu unterfcheiden nicht örtlich, ſondern fachlich. Einmal dieſes fichtbare Gebäude der Welt, wo Gott nach ſeiner allmächtigen Kraft gegenwärtig iſt, zweitens der Himmel. Der äußere Himmel gehört zur Welt; aber der eigentliche Himmel iſt der Ort, wo Gott mit ſeiner Gnade gegenwärtig iſt. Er theilt ſich in den Simmel der Kir⸗ che, in welchem Gott durch Wort und Sacrament für den Glauben gegenwärtig iſt, und in den Himmel der Verklärten und Engel, der für das Schauen if. Das dritte Gebiet ift die Stätte ber Offenbarung des göttlichen Zornes, der zürnenden Liebe, oder die Hölle. Dieſe drei Gebiete ſind aber nicht etwa räum⸗ lich von einander verſchieden und entlegen, nicht der Raum trennt oder conſtituirt fie, fondern einzig die Verſchiedenheit der Offen- barung oder Gegenwart Gottes. Sie find objeftio reale Gebiete, aber zugleich Stufen, in welche ohne Reife das Subjeft unmittel- bar aus der vorherigen eintritt, wenn es dafür geeignet ifl. Wie ber Embryo in: der Welt ift und eg doch nicht weiß, fo ange der enge Leib ber Mutter fein Raum ift, aber mit ber Geburt plöglich in Die Welt blickt, die doch auch wieder beengend ift Durch ihre phyſiſchen Geſetze, fo betreten- wir eine neue Welt ohne Raumperänderung im Olauben; wir fteben im Glauben fchon Gottes dreif. Gegenwart; Analogie zwiſchen Chriſt. u. d. Gläubigen. 783 im Himmel, wie dort der Embryo ſchon in der Welt war, aber nicht ſchauend. Wir werden von Wort und Sacrament als dem Mutterleibe bed Himmelreiches ausgetragen, bie wir im Tode geboren werben in ben Himmel bed Schauens. Auch dazu wird ed feiner Reife bedürfen, fonbern nur des Aufſchlagens der Augen. Umgelehrt in dem Ungläubigen fängt ſchon jegt die Hölle zu brennen an, und fein Tod ift nur ein volles Erwachen und Er⸗ fahren beffen, was verhüllt ſchon zuvor da war, ja worin er fhon zu ſtehen angefangen hatte. Gottes Gegenwart hat alfo Welt, Himmel, Hölfe.in fi und unter fich. Innerhalb des zweiten Gebietes, des Himmels, ift aber wie: ber Gottes Gegenwart nicht überall nur diefelbe. ine andere ift Gottes Gegenwart in Chriftus, eine andere in den Chriſten. Den⸗ noch Tann die pneumatifche Gegenwart Gottes in ben Gläubigen eine erläuternde Analogie bilden für bie perfönliche Gegenwart, die Gott nur-in Chriftus Hat, und für deren Folgen. Denn auch in den Ehriften, wie in Chrifto, wirft Gottes Gegenwart wunderbare Geheimniffe, eine Theilhaftigfeit der menjchlichen Natur an der Gottiheit. Wie die göttliche Natur bie menfchliche in Chriftus annahm und fi) zu eigen machte, fo findet auch in der unio pneumatica eine ddonoud des Menfchlichen Seitens Gottes ftatt, fo wenn Chriftus als fich gefcheben betrachtet, was ben Seinigen gefchieht; oder wenn der h. Geift und vertritt mit unausſprechlichem Seufzen, oder wenn Chriſtus unſre Sünde, aber auch unſre Buße und unſern Glauben als ſein eigen, ſeinem Leibe zugehörig anſieht kraft der Liebe. — Zu der Theilnahme an dem Unfrigen fam fobann bei Chrifto Das Theilgeben an dem Seinigen. Auch bier findet eine Aehnlichkeit ftatt zwifchen Ehrifti Menſchheit und ung; eine wunderbare pneumatiſche ueranosie un: ferer Schwachheit erfahren wir, wie feine Menfchheit. Und auch für das dritte genus ber Communic. idd. läßt ſich eine Analogie nachweifen im Gebiet der pneumatifchen Unio, indem der Wan- del des Chriften im Geift auch ein Zufammenwirfen der Gottheit mit unfrer Menſchheit iſt. Diefe Analogie kann richtig erwogen die unio Gottes und bed Menfchen in Ehrifto nicht mehr als ein frembartiges Wunder erfcheinen laſſen; Tann zeigen, daß ber luthe⸗ [4 784 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. rifche Gebanfe der Chriſtologie tieferen religiöfen Gehalt Bat; aber auch die Anerfenming des Unterfchiedes der unio in Ehrifto yon der unio in ung empfehlen. Denn wir alle verbanfen unfere pneumaiiſche unio, wie wir wohl wiffen, nur Chriſto, er feloft feinem Audern. Da er fo der urfprüngliche Ort ber voll- fommnen unio if, #8 unfre unio bewirft, fo muß mich gefagt - werben, daß Gott in ihm auf einzige, nemlich perfönliche Weiſe if. Das foll nad Nicolai der Ausbrud befagen: der Logos fei non extra carnem Chriſti, fonbern in cärne. Die Meinung davon könne nicht fein, daß der Logos nus die Menfchheit Jeſu gegenwärtig habe, aber in ber Übrigen Greatur überhaupt nicht fei; fondern bios, daß er perſönlich nur in Jeſu Menſchheit ſei, und ſonſt nirgends; auch in Jeſu Menſchheit aber nicht räumlich, ſondern illocal oder ſo, daß nur die Einzigkeit des imma⸗ nenten Verhältniſſes zwiſchen dem Logos und der Menſchheit mit der personalis unio bezeichnet fein ſoll. 12) Diefe Einzigfeit kann nicht darin beftehn, daß der Logos in Chrifto eine fonderliche Beichaffenheit an ihm felbft hätte, die er anberwärts nicht hat. Denn ber Logos iſt in fich einfach und ſich ſelbſt gleich, überall umfaßt er in fih die Welt, im Lichte feiner Ewigfeit, denn ihre Gründe wie ihr Beſtehen und ihre Bielheit ruhen in feiner allmächtigen Liebe, fo daß er fih an- ſchauend auch fie, oder fie in fich erfennt und gegenwärtig bat. Mithin muß Chrifti Einzigfeit ſich darftellen in feiner Men fc: beit. Die personalis unio muß eine einzigartige Beziehung diefer zu dem allgegenwärtigen Logos ausfagen, eine folche, kraft beren er perfönlich nur in ihr ift, obwohl er allem gegenwärtig ift und alles ihm. Diefe Einzigfeit feiner Menfchheit Fann fih auch nicht beziehen auf feinen Leib als ein ausgebehnteg, enbliches, räumliches Wefen, was er in alle Cwigfeit bfeibt, weßhalb dieſer Leib nie kann räumlich und Teiblich allgegenwärtig 2) A. a. O. ©. 429. Ganz ift er in einem jeglichen, fofern er in ihme wohnet und kann nach feinem Wefen nicht getheilt werben, und ganz iſt er auffer einem jeglichen, fofern er mit verfelben kei⸗ nem ein Suppositum ober eine Perfon ifl. I Nicolai’s Epriftol. ; Allgegenw. d. Menfchh. Epriftidurd d. Seele. 785 werben. Aber ba der mit Jeſu Menfchheit perfönlich vereinigte KLogos, der nach feiner (intenfiven) Unenblichfeit wohl Raum hat in dem Fleiſch Ehrifti, in dem Lichte feiner innern Unendlichkeit die Welt real gegenwärtig hat und als ihr Herz bafteht: fo hat auch Die Menfchheit Zefu, im Logos die Welt fehauend und habend, an des Logos Wiffen Theil und macht fih die Welt durch ihn gleichfalls gegenwärtig. In dieſem Sinn ift fie bei allen Crea⸗ turen und nimmt Theil an ihrer Regierung, aber nicht Durch räumliche Ausdehnung und Allgegenwärtigfeit, die aud nicht ein: mal der Logos hat. Als Analogie dient ihm, daß ſchon unfre Seele im innern Licht ihrer Gebanfen. eine Welt, ja Welten tragen und in entlegenen Welttheilen im Geifte fein fann. reis ih fo, daß wir nicht Das wahre Bild berfelben oder ihre Wahr: heit haben, auch. wenn wir leiblich ba gewefen find. Aber Chrifti Seele hat ſchon in fich felbft ein wahres und weit Flareres Bild von ber Welt, wie fie ift, fie ift ihm als folche wie fie ift gegen- wärtig. Kraft ber unio personalis vollends ſchaut fie im das verborgene Licht ber göttlichen Fürfichtigfeit, bie bie Melt in ſich hält und real umfpannt, und da bat Chriftus nicht blog Schatten ber Dinge, fondern fie felbft in ihrem ewigen Grunde vor fich und bat fie gegenwärtig in ihrer Realität: ja er ift ihnen, ſo⸗ fern fie ‚real in demfelbigen Logos gründen, real gegenwärtig, aber in fich, nicht Teiblich, fondern iffocal und geiftig.. Es iſt wohl richtig, daß fo Nicolai für die Gegenwart Chrifti bei allen Ereaturen von dem Leibe abftrahirt und auf die Seele, ihre Theilnahme an der Allwiffenheit des Logos (von Mutterleibe an) zurückgeht, was um fo mehr Beachtung verbient, als jegt fo felten von der Seele Ehrifti die Rede war. Jedoch will er, wie wir fehen, beßhalb die Gegenwart Ehrifti nach feiner Menfchheit (Seele) bei. allen Creaturen nicht in das bloſe Alles: wiffen verlegen; fondern in Gott ſelbſt iſt ihm, unbejchabet bee Unterſchieds zwifchen Schöpfer und Gefchöpf, Wiffen und Sein Eins, indem Gott fein Wiffen von der Welt aus. feinem Sichwillen bat und die Welt real in ſich, ihrem Grunde, umfchloffen hält. Und indem Chrifti Seele Theil hat an biefem höchſten Wiſſen, in fich ſchauend die Welt, d. h. in dem Lichte des in ihr perfünlich woh⸗ = 786 3weite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. nenden Logos, ber die Welt als ihr Realgrund ober nach ihren einigen illocalen Gründen in fich felbft trägt: fo ift nicht blos die Welt gegenwärtig vor ihr, fondern auch fie felbft ift der Welt, — fofern diefe im Logos rupk, lebt und webt, dem mit ihr perfün= li) geeinten — (d. h. der Felt sub specie aeternitatis) gegen- wärtig. 1) Aber Raum und Zeit ab da als etwas behandelt, was für die Welt, fofern fie in Bott ift, nicht fei, d. h. ale etwas nur Subiectives; oder, wenn Raum und Zeit ald etwas bie wirkliche Welt mit Conftituirendes gebacht find, 5) fo bezieht fih das Willen ver Menfchheit Chrifti von der Welt und ihre Gegenwart bei ihr nicht auf die wirkliche Welt, fondern nur-auf bie ideale, geichichtslofe, wie fie Eigenthum des Patonismus und bed ylatonifivenden Mittelalters war, bie aber gleichwohl als Eines mit diefer wirflichen dargeſtellt wird. Jedenfalls iſt die Welt alfo dem Nicolai noch zu wenig zur Selbſtſtändigkeit aus Gott hervorgetreten; zu ſehr noch im Umkreis feines ewigen Wefens ‚gehalten und hat baher etwas Dofetifches an fh, — ja dieſe Auffaffung, wenn fie von einem myſtiſchen Geifte ver⸗ folgt wird, neigt zum Pantheismus. Nach dieſer Seite ift zu fagen: Der hriftologifche Dofetismus- hat in Nicolai auch einen fosmifchen Dofetismus aus ſich bervorgeboren und damit zeigt biefe ganze Denfweife noch ihre Zufammenhänge mit bem Mittel: alter. Außerdem aber ift durch die fehroffe Trennung der Räum⸗ lichfeit von dem illocalen Sein Chriſti im Logos für Die Gegen: wart bes Leibes Chrifti im h. Abendmahl nicht blos nichts ge= wonnen — obwohl Nicolai es meint, — fondern dieſe ift gerade unmöglich gemacht, denn eine räumliche, Teibliche Allenthalbenheit ſoll ja Ehrifti Leib nicht haben können, fondern ſtets eine end: liche, begrenzte Größe bleiben, die Allgegenwart aber fih nur auf bie Seele Chrifti beziehen. Seine Lehre von, bein allerwärts und innerlich nahen Himmel, der gleichſam überall hinter dem Bor: bang der Räumlichfeit und Leiblichfeit gegenwärtig iſt, kann zwar für Chriſti Nähe auch nach feiner Menfchheit bürgen; aber ba er 4,5, #12. 5) Wie z. B. ©. 439, Phil. Nicolai. Hafenreffer. 787 oft wiederholt, daß „Chriſti Fleiſch leiblich und ſichtbar nirgends als im Himmel fei,“ fo kann er Feine leibliche Gegenwart des Fleiſches Chriſti auf Erden im Raume lehren, ſondern nur ein Heroortreten des Himmels der Kirche und mit ihm Chriſti für den Glauben aljo die Seelen der Menfchen analog dem, daß die Welt für Chriſti Seele gegenwärtig ift: was zur Mandu- catio oralis nicht ſtimmt, fondern nur mit ber Manducatio fidei. Sp iſt nicht zu verwundern, daß Nicolai's an fih fo gemüth⸗ reiche und geiftvolle Ausführung doch Feine bleibenden Spuren in der Lehrbilbung jener Zeit zurückließ 6). Veberblict man die Hauptwerfe der Generation nad) der F. C., fo fieht man eine Zeitlang den ſchwäbiſchen Typus und zwar in feholaftifcher Form das Uebergewicht gewinnen, aber doch findet mehr oder minder unbewußt eine vielfache Abweichung von Ihn ſtatt. Namentlich wältet noch mandhfache Unficherheit: ob der Gebrauch ber göttlichen Cigenfchaften im Stand der Erniebrigung fehlte oder nur verhüllt war wie ber Befig; ſodann, ob die Einheit 16) Hafenreffer Loci theolog. 1603 hat wenig Eigenthümliches. Er unterfcheidet zwiſchen Befiß und Gebrauch, läßt nach Chriſti libe- ram arbitrium auch auf Erden Ießteren zu, befleißigt ſich aber, die Lehre von der Comm. idd. Far zu oronen. Die Arten berfelben bilden ihm folgenden Fortſchritt: 1. Aneignung der menfchlichen Ratur mit ihren Prädikaten durch den Sohn Gottes. 2. Mit: theilung göttlicher Prädikate an vie Menſchheit. 3. Gemeinſam⸗ feit der Thätigkeit. Nur macht er bemerflich, daB dazu noch die⸗ jenige Art fomme, wornacd von der ganzen Perfon die Eigen: haften beider Naturen ausgefagt werben (S. 350 ff.), was frei: Lich nicht fowohl eine.nene Art, als eine Ausfage über die Folgen der andern Arten if. . Daher hat die Tübinger Biertheilung der Arten wenig Beifall gefunden; fie felbft haben auch dieſe vierte nur bald als Einleitung, wie Hafenreffer, bald als Folge der andern Arten behandelt. — Dafenreffer handelt I. de per- sona Christi 1. de un. person. 2. de Comm. idd. 3. de Sta- tuum carnis Chr. diversitate. II. de offlcio Chr. ltriplici), Auffallend if, daß er ©. 807 fagt: es fei unus verus et singularis homo vom 20908 angenommen worden, der feiner Natur nach wohl hätte können propria personalitate subsistere, aber personalitate ip- sius suspensa et impeditä ſei er indissolubiliter in ipsins Ali Dei hypostasin aufgenommen, wodurd er perfectior ei. Dorner, Chriftologie. IT. 2te Aufl. 51 788 Zweite Yerlode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. und Sichfelbfigleichheit der Perfon ohne biefen fletigen Gebrauch der göttlichen Eigenfchaften beſteht, und wenn das, ob und in welchem Umfang biefer Gebrauch dem erhöheten Herrn zuzufchrei- ben fei? Die biemit zufammenhängenden in der F. C. nur ver: hüllten, ja zufammengefprochenen Gegenfäte brachen daher in der zweiten Generation nad) ber F. C. wieder in helle Flammen aus. Das geſchah in dem Streite zwiſchen den ©ieffenern und Tübingern !”), ber die Frage fo formulirte: Ob Ehri- ſtus auch im Status exinanitionis nad) feiner Menfchheit allen Kreaturen gegenwärtig gewefen fei und das ganze Univerfum feihft am Kreuz und während feines Todes regiert habe ? Die Gieffener fuhen das Webergewicht ber ſchwäbiſchen Chriftologie dadurch zu brechen, daß fie Die Chemnig’fche Seite ber F. C. wieder bervorfehren und bie Helmftädtifche Richtung eonfequenter verfolgen. Hatten die Tiibinger Hinter der irbifchen werdenden Menſchheit gleichzeitig eine fertige höhere und artuale mit Breng und dem fpäteren Quther angenommen, fo wollen bie Gieffener diefen fimultanen Dualismus nicht, der die Einheit ber Gotmenſchheit zerftört, ja die empirifche Menſchheit Ehrifti ‚außerhalb der unio läßt, und nehmen dafür in firengerer Durch⸗ — — — — 1) Den 17. Nov. 1616 hatte Balth. Mentzer in Gieſſen, ein Freund von Aeg. Hunnius, Hafenreffern feine von der ſchwäb. Chriſtologie abweichende Lehre vorgelegt; am 10. Sept. 1618 abermals um Er- Märung Seitens der Tübinger gebeten. Die Antwort erfolgte den 1. Sept. 1619. Nach Hafenreffers Tod war Th. Thumm Paupt: vertreter der Tübinger; feine Genoffen Luc. Oftander, Melchior Nicolai. B. Mengern ſchloß fih Zeuerborn und Joh. Windelmann in Gieſſen an. Die Hauptfcpriften ver Tübinger find: Bon Thum: mius Majestas J. Chr. Heavöguanouv 1621. Die Acta Mentzeriana und Tareıvocıygapia sacra h. e. Repetitio sanae et orthod. doctr. de humiliat. Chr. 1628. Bon Nicolat die Consideratio theologica &c. 1622. — Seitens der Gieſſener tft zu nennen: Sciagraphia de div. Jesu Christo juxta humanit. communicstae majestatig — usur- patione von J. Feuerborn 1621 und deſſen Kevaoıypapla 1627; von Menter: bie Necessaria et justa defensio contre injustas crimi- nationes L. Osiandri, M. Nicolai et Theod. Thummii 1624. Dazu fommt noch die ſächſiſche Decisio 1624. Streit zwifchen d. Gieffenern u. Tübingern. 1. Die Gieff. Chriſtol. 789 führung zwei Stadien oder Stände an, in beren erflem die Ent: außerung waltet, wie im zweiten bie ihrem Begriff entfprechende abſolut actuale Gottmenſchheit. Zu Stande fommt die Entäuße- vung durch die Zurückziehung (retractio) oder die Ruhe (quies- cere) des Logos in Beziehung auf die Actualität in und mit ber Menschheit (nsswors züs xonoews), alſo dadurch, Daß ber Logos die Achralität, welde er nad feinem Wefen für fich ftets hat und übt, der Erlöfung wegen nicht fofort auch der Menfchheit mittheilt, fondern fie für fi allein übt, während er die Menfch: beit auf fo lange fich rein nach dem Geſetz ihres Weſens ent- wickeln und bethätigen läßt, obwohl fie in den Beſitz ber gött⸗ lichen Prädicate (actu primo) durch den Act ber unio gefegt war, auch dann und wann fehon auf Erden der Logos durch fie hin⸗ burch wirfte (actu secundo) und ihr feine actuale Mafeftät in einzelnen Strahlen mittheilte. Hiemit war- nun freilich an Stefe der doppelten gleichzeitigen DMenfchheit ein anderer Dua⸗ lismus getreten, nemlich ber zwifchen dem Logos und zwifchen der Menfchheit, deren Artualität für gewöhnlich ald nur menſch⸗ ih und nicht zugleih als Actualität bes Logos gedacht war; Davon zu ſchweigen, daß die abfolut fertige Gottmenfchheit der ſchwäbiſchen Chriſtologie auch bei den Gieſſenern in ben ge- mwöhnlichen Verlauf des empirifchen Lebens Jeſu wie gefpen- ftifch von Zeit zu Zeit hereingreifen und feinen Zufammenhang durchlöchern foll nad einem dieſer Perfon felbft äußeren durch ihren immanenten Lebensverlauf nicht gegebenen Geſetz. Beſonders fuchen ſich die Gieflener der Allgegenwart des Leibes Chrifti zu entfchlagen. Sie beitimmen, um das zu erreichen, die göttliche Allgegenmwart überhaupt andere als ge⸗ wöhnlich, nicht als nuda adessentia ad creaturas, fonbern als operatio; wo biefe fehlt, fehlt auch bie Gegenwart... Sie ver- binden fie alfo inniger mit ber allmächtigen Regierung. So be- baupten fie nun, wie bie Welt-Regierung doch unmöglich von Chriſti Menſchheit im Leiden und Tod könne geübt fein, ſo fomme auch die wirkliche Allgegenwart biefer Menfchheit im Stand ber Erniedrigung nicht zu; fie gehöre fehon in das Ge: biet des Actualen oder des Gebrauches, auf den für den Stand 51 35 790 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. der Entäußerung für gewöhnlich einmal für immer verzichtet fei (xerwoız); der Beſitz, der Chrifto Durch die Unio zufomme, fei nur die Möglichfeit (dureus), der Ereatur wann und wie er will gegen- wärtig zu fein und mit dem Logos zu regieren. Aehnlich wird bie dvros der Allmacht und Allwiſſenheit als Beſitz der Menfch- beit zugeftanden, der Gebrauch aber oder die Actualität (actus secundus) im Allgemeinen für die irdifche Zeit geläugnet. Das mit will wie für ein menfchliches Werben fo auch für einen Stand ber Erhöhung, in welchen erft die plena usurpatio fällt. und welcher fih von Menfchwerbung überhaupt wie von ber Erniedrigung befiimmt wunterfcheibet, Raum gefchafft werben. Als der fi Erniedrigende wird der ganze Chriſtus bezeichnet, als das Erniebrigte die Menfchheit, die Menſchwerdung aber ift weder mit der Erhöhung, noch mit der Erniedrigung ber Menſch⸗ beit identifch, Sondern fie ift Das durch beide hindurchgehende ober das grundlegende Factum, welches in feinen Umkreis den Unter fhied beider Stände aufnimmt. Das Wefen ber incarnatio, bie unverrücklich durch beide Stände hindurchgeht, beftebt nur in der ilfocalen innigften perfünlichen Gegenwart (praesentia intima, indistantia) des Logos hei der Menfehheit, Feineswegs aber ge⸗ hört dazu auch die praesentia extima bei allen Greaturen, bie -der mit ihr geeinte Logos allgegenwärtig regiert. Raum und Zeit können dieſe innigfte Einheit nicht auflöfen. Denn wenn gleich der Logos nicht bios in dieſer Menfchheit ift, fonbern bei allen Creaturen gegenwärtig bleibt, fo bat er doch, wo er iſt, nad) feinem einfachen iflocalen Wefen bie Menſchheit gegenwärtig für fi, wenn fie auch nicht gegenwärtig bei ben Greaturen ift, und damit ift die ungzertrennliche Einheit ber Perfon auch ohne Die wirkliche Allgegenwart ber Dienfchheit vollkommen ficher geſtellt. Diefe Einheit bleibt alfo auch während ber Logos ohne Bermittelung der Menfchheit im Stande der Entäußerung allein bie Welt regiert. Das Wefen ber unio befleht vein in dem Ber: bältnig zwiſchen dem Logos und der Dienfchheit, nicht im Ber: hältniß zur Welt). Wenn auch die Gieffener den Sat: Aoyos ") Daraus folgt nun aber eigentlih, daß auch im Stand der Er 1. Die Gieſſener. 2. Die Tübinger Chriſtologie. 791 non extra camem, wie ben felbftverfiändlichen: caro non extra Aöyor, annehmen, fo verflehen fie doch ben erfteren nur fo, wie auch Nicolai und Andere, daß die perfünliche Einheit nie und nirgends aufgelöst, und Daß ber Logos als Perfon oder perſönlich nur in Chriſto wohne und fonft in feiner anderen Greatur, d. h. daß er bie einzige Creatur fet, welche Die" Perfon des Logos und damit bie göttliche Fülle intenſiv zu ihrer eigenen habe. Aber die Tübinger meinen, ben Sat Aoyog non extra camem umfäffender nehmen und eine Beichränfung ber Mits theilung der Actualität bes Logos an die Menfchheit in Beziehung auf Allgegenwart, Allmacht, Allwiffenheit läugnen, jenen Unter- fhied aber von Beſitz und Gebrauch ausfchliegen zu müſſen. Ihre Tendenz geht dahin, nur einen Unterfchieb zwifchen verbor⸗ genem und offenbarem Gebrauch als das Wefentliche des Unter ſchiedes beider Stände übrig zu laffen, bie Erhöhung aber in ber Hauptfache ſchon mit der Erniebrigung zu verbinden. Mit aller Energie des Gedankens wollen fie bie abfolute Idee ber Gottmenfchheit fefthalten, ohne beren volle Wirkfichfeit ihnen pöpung eine wirkliche Allgegenwart bes Caro Christi nicht noth— wendig anzunehmen if. Es genügt die Freiheit, fein zu können, wo fie will, fowie der Antheil an der Weltregierung. Ja, da alles in Ießter Beziehung von feiner libera voluntas abhängt, auch im Stande der Erhöhung, biefe aber auch ſchon zuvor vollſtändig vor: handen geweſen fein foll kraft der Unio, fo ſinkt der Unterſchied zwifchen beiden Ständen doch wieder zufammen; die Perfon ifl an ihr ſelbſt fertig von Anfang an; verſchieden ift nur ihr Thun, ihre Seldfimanifeftation. Die Sieffener haben fo wenig einen Bes griff von geiftigem Werden als z. B. die Gartefianer mit ihrer Lehre von ven angebornen Ideen. Das Werben erwirbt ihnen nichts, fondern zeigt blos was iſt. Dieignorantia, die fie Chrifto zufehreiben, ift fo zugleich Befiß der Allwiſſenheit, wie bie Endlich: feit zugleich Befiß der allmächtigen Allgegenwart. Ja auch fie haben eine doppelte Menſchheit Ehrifii; die eine iſt wirklich wer: dend und wachfend, aber rein menfchlich, nicht gottmenfchlich; die andre hat ven fertigen Beſitz aller göttlichen Eigenfrhaften mit der libera voluntas, die ſich nie aufgibt; wenn auch mit dem Wil: Ien, Menfch zw werden, die Nothwendigkeit übernommen ift, ſich für gewöhnlich des Gebrauchs zu entleeren. \ 792 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt 1. Kay. 1. bie Menfchwerbung überhaupt noch nicht da ift, und erft von diefem dogmatifchen Begriff einer abfoluten und in fich ſelbſt gleichen Gottmenfchheit aus treten fie an die Empirie, an bie Evangelienberichte heran und fuchen fi) damit nad) Kräften aus: einander zu feben. Die Allgegenwart fei keineswegs ſchon zur Actualität zu ziehen, hinter der etwa Die Möglichkeit ftünde, allgegenwärtig zu fein oder nicht, je nach dem Gebrauch, den der Wille von ber Potenz machte, fondern bie. Allgegenwart fei bie Borausfegung für alle Actualität Gottes in der Welt, ohne ſchon felbft zu die: fer gezählt werden zu können, fie fei das ruhige, für Gott naturnothwendige Sein bei der Welt, wenn biefe einmal fei (was allerdings von Gottes Willen abhänge), fie fei Folge der wefentlichen Alnendlichfeit Gottes. So gewiß daher der Act der Menſchwerdung das göttliche Weſen an die Menſchheit mittheile, fo gewiß müfje dem Fleiſch Chriftt Diefe wirkliche Allgegenwart und nicht blog deren Potenz, die es nicht gebe, mitgetheilt wer- den.” Auch ift nicht Die Erhöhung oder das Sitzen zur Rechten Gottes, fondern die Aufnahme in die Perfon des unendlichen Logos den ZTübingern der Grund der Allgegenwart bes Fleifches Shrifti. Die göttlichen Eigenfchaften müffen ſich mittheilen als bie, bie fie find. Sie find aber nie müßig, fondern nur im Actus, und es ift nicht eine bloße Möglichkeit, daß Gott die Welt, wenn er fie einmal will, allwiffend, allgegenwärtig, allmächtig regiert, ſon⸗ bern es ift eine Nothwendigfeit, die Gott mit dem Wollen der Welt gleihfam ſich auferlegt, und wodurch er einmal für immer auf den Unterfchieb zwifchen Befig und Gebrauch diefer feiner Eigenfchaften verzichtet hat ”). ») An diefem Punkt argumentiren alfo die Tübinger ganz ähnlich wie die Reformirten, welche von der Welt fagen, wenn Gott fie nach ven Gefeben ihres Begriffs "einmal wollte, fo konnte er fie nicht zugleih auf entgegengeſetzte Weife wollen. Uebrigens ifl dieſe Läugnung des Unterſchieds zwiſchen Befib und Gebrauch ber nöttlichen Eigenfchaften weſentlich phyſiſch, unethiſch. Sofern fie fie aber durch die Contingenz der Welt ermäßigten, deren Sein vom 2. Die Tübinger. “ 7193 Vornehmlich aber behaupten die Tübinger, daß bie Gieſſe⸗ ner Chriſtologie die Einheit der Perfon zertrenne, theils indem fie ein Sein des Logos bei allen Ereaturen lehre, während bie Menſchheit nur an einem Orte fein foll, theils indem fie ben Welt regierenden Logos und ben Menfchen, der mit ihm geeint fein und doch nicht mit regieren foll, aus einander reiße. Die Menfchheit wirkte fo den Gieffenern nach ihrem Geſetz actuell ohne den Logos, wiſſe und wirfe nichts Göttliches außer aus⸗ nahmsweife, fonbern nur Menfchliches, und umgefehrt: Der Lo: g08 wirfe nur als Gott, ohne daß Die Menſchheit concurrire. Das Iöfe die Einheit der Perſon auf nach dem Sag divisis operationibus ipsa quoque dividitur persona; dag führe zum Reftorianismug 2°) und Calvinismus. Man muß es den Tübingern zugeben, daß fie firenge ein einheitliches: gottmenfchlides Sein verzeichnen, und babei durch "nichts Aeußeres, fondern nur durch die bee der Gott: menfchheit felbft fich Teiten Taffen wollen. Sie haben auch eine viel intenfivere Borflellung von der Einheit der gottmenfch- lichen Perfon, wenn fie ihnen auch zu fehr mit abfoluter Sich ſelbſtgleichheit zufammenfällt im’ Himmel. und auf Erden, was ihnen aus dem gemeinfam amerfannten Grundſatz zu folgen fcheint: die Menfchwerdung habe feine Grade, fonbern fünne nur fein oder nicht fein, — als ob yicht das Seyende werben fönnte. Sie heben ferner mit Recht die Inconfequenz hervor, daß nad) den Gieſſenern Chriftus zuweilen von dem Beſitz der Allmacht u. ſ. w. aush Gebrauch gemacht habe. Gehen biefe Ausnahmen, fragen fie, mit ber Erniedrigung wohl zufammen, warum follte dev ſtete Gebrauch ihr wiberfprechen? Es werde viehnehr nur auf bie richtige Formirung bes Begriffs der Entäußerung ſowie der Erhöhung anfoınmen, eine foldhe nemlich, wornac beide zu⸗ fammen gehören und fimultan zufammen beftehen. Das ſei auch Billen Gottes abhängt, fo müffen fie, nur um einen Schritt weis ter zurüd, doch den Gieſſenern ven Unterſchied zwifchen Beſitz und Gebrauch für Gottes Weſen zugeben. 20) Der Borwurf bat fein Wahres, weil die actuelle Menfchheit in iprem Werden nicht als gottmenfchliche bei den Gieſſenern erſcheint. 794 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. vom religiöfen Intereſſe gefordert. Das hoheprieſterliche Amt babe feine Kraft eben darin, daß der leidende zugleich der wirkliche König fei. Die Erhöhung der menſchlichen Natur zur Rechten Gottes ſchon durch die Menſchwerdung und ihre Einſetzung in die actuale göttliche Majeſtät beftehe nun mit der Entäußerung dann wohl zu- fammen, wenn diefe Die Verhüllung (xovwıs) diefes Gebrauches fei. Und aud) für eine Succeffion zwifchen Erniedrigung und Erhöhung bleibe fo noch eine Stelle in dem Unterſchiede zwiſchen dem ber Welt bed Glaubens entjprechenden noch nicht offenbaren, und zwifchen ben der Welt des Schauens entfprechenden unverhüflten Ges brauch der göttlichen Majeftät. Die eigene Chriftologie der Tübinger, ähnlich wie Brentz, geht davon aus, daß bie unio hypostatica in nichts Anderem beftebe, als in der Bereinigung ber zwei Naturen zur Konftituirung ber Perfon des Gottmenfchen, fo dag, wenn irgend⸗ wie biefe Bereinigung fehle, auch die Gottmenſchheit ſelbſt fehlen würbe. Während bie porreformatorifche Ehriftofogie Die Menſchwer⸗ dung ale Aufnahme ber menfchlichen Natur von ber Perfon des Lo⸗ 908 oder in fie auffaßte, wobei dann bie Naturen außer. einander ftehen bleiben konnten, aber durch ben Ichpunkt als einen ges meinfamen dritten Drt zufammengehalten,, fo hatte dagegen bie luth. Chriftologie, wie früher gezeigt, ihren Ausgangspunkt von den Naturen genommen; ihre Vereinigung und gegenfeitige Mittheilung war ihr das Wefentliche im Begriff der Menſch⸗ werbung. Reſultat der unio und communicatio der Naturen war ihr die gottinenfchliche Perfon, diefe neue perfönliche Lebenseinheit. Aus der bloßen Aufnahme ber menfchlichen Natur in die Hypo: ftafe Des Logos — wobei die göttliche Seite nothwendig im eins feitigen Uebergewicht fteben bleibt — warb jet in fchärferem Ausdruck: Mittheilung wie ber Naturen und Eigenfchaften an einander, fo auch der Hypoſtaſe des Logos an das Fleifh. Wenn nun aber die Menfchwerbung felbft unb die allgemein Damit iden⸗ tiſch gefegte unio hypostatica durch jene Bereinigung und Mit: theilung der Naturen erft zu Stande kömmt, fo mußte auch fer: ner gefagt werben, daß bie Menſchwerdung noch nicht gefchehen fei, wenn nicht eine wirkliche, in ihrer Art vollftändige Lebens: 2. Die Tübinger. 795 einheit geſetzt fei, wenn vielmehr die Naturen, fei es an ihnen ſelbſt oder ihren Eigenfchaften oder Thätigfeiten, noch aus einan- ber ſtehen ?'). Daraus aber meinen bie Tübinger folgern zu müſſen, ba ihnen bie Unveränderlichfeit, Allgegenwart und ewige Weltregierung bes Logos ebenfo unerfchütterlich feft fteht, als der rechigläubigen Kirche aller Jahrhunderte: Die Menfchheit müſſe eben durch ben Akt der Menfchwerbung wie in ben Volllbeſitz fo auch in den Gebrauch der göttlichen Prärogative eingerückt fein, und ba bie Unio, beren Wefen dieſes fordere, unauflöslich fei, ‚ jo müffe and feit der Menfchwerbung, alfo ſchon in Mutter: leibe, wie am Kreuze Chriftus auch nach feiner Menſchheit all: gegenwärtig und allwiffend die Welt regiert haben. Nur fo werde Lutherd Sat bewahrt: divina natura non extra carnem, nur fo werde die Trennung der Menſchheit vom Logos vermie- ben, bie fofort einträte, wenn irgendwo ber Logos wäre, wo bie Menfchheit nicht ift, oder wenn er irgend etwas feit der Menſch⸗ werbung thäte, was nicht zugleich auch die Menfchheit thut. Hie⸗ nah mußte fich ihnen auch ber Bortrag ber Lehre von ber Comm. idd. formell und materiell anders geftalten. Wenn die chemnitziſche Lehrform unterfchieden Batte: 1. die Mittheilung ‚ber Raturen an die Perfon; 2. die Mittheilung ber Naturen an eins ander, wobei aber die Mittbeilung an die göttliche Natur ge: wöhnlich ausfiel; 3. die Mittheilung ber Perfon an die Naturen, indem bie Eine Perfon den Impuls zum Handeln gibt, das beide Naturen, jede nach ihrer Art, aber gemeinfam vollbringen: fo fonnte das erſte genus, welches Präbifate einer jeden Natur ber sanzen Perfon, nemlich eben nach jeder Natur zueignete, einem Lehrtypus nur fremd fein, der bie Perfon vielmehr erft als Nes fultat der Einigung der Naturen, nicht aber als britten gemein: 21) Wie das Leßtere bei den Gieſſenern flatt fand, die ein Werben in Chriſto nur um den Preis fanden, daß fie die Menfchpeit als wer: dende auch nicht als gottmenfchlich, fondern in biefer Beziehung als reinmenfchlich anfahen, alfo mit ven Tübingern darin wefent: lich Eins find, Fein gottmenfchliches Werden zu kennen, fondern nur theils ein ewig vollendetes gotimenfchliches Sein, theils das neben ein rein menfchliches Werben zu haben. 796 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kay. 1. famen Ort anfab. Daher mußte die Chriftologie, welche bie Menfchwerbung und ben Gotimenfchen felbft erſt als Refultat ber Communicatio naturamım et idd. betrachtet, biefem genus, das die Perſon ſchon vorausfept, eine fpätere Stelle geben, die genera ber Comm. idd. und naturarum abee fo ordnen, baß die gottmenſchliche perfänliche Einheit Daraus refultirte. Demnach fegen die Tübinger (wozu fchon Hafenreffer ben Uebergang bildet, f. o. ©. 787) als erfied genus die Theilnahme der göttlichen Natur an ber menfeplichen, bie Aneignung berfelben mit all ihren Schwächen, Mängeln, Leiden (oineiwors, idonoie); tadeln, daß man ges wöhnlih nur von einer Mittheilung an die menfchlihe Natur rede und flellen die meift nad) Luther vergeflene Mittheilung an bie göttliche Natur als erfted genus auf. Der Aneignung bes Menſchlichen durch das Göttliche ſchließt fich zweitens Die An- eignung bes Göttlichen durch das Menſchliche vermöge der Selbft- mittheilung des Logos an. Diefe IR, wie bei Brentz, von Ans fang an fo volltändig, daß Die Himmelfahrt nichts Wefentliches binzuthut. Die Hyperypsosis der menſchlichen Natur ift durch bie Unio ſchon vollbradt. Aus den beiden erften folgt als brit: tes genus bie Gemeinfamfelt ber‘ Thätigfeiten der nun gewon⸗ newen gottmenfchlichen Perfon, die eine abjolute ift, fo Daß nad ihrer Weife die Menfchheit bei allem, was ber Logos thut, mit- wirft. Set erit erhält ihnen (als vierted genus) bie Mitthei⸗ ung der Naturen an bie Perfon, das fonft erfte genus, ihre Stelle, zugleih mit einem realeren Sinne, als fonfl. Denn während noch Chemnig dieſes genus (fowie das genus apote- lesm.) als yon den Reformirten wie von den Lutheranern ans erfannt behandelt, die Differenz nur im genus majestaticum gefunden hatte, fo fol nun dieſes genus nicht mehr bebeuten, bag der Einen Perfon real die beiden Naturen mit ihren Prä- bifaten zulommen, und von ber Einheit ber Perfon beiberlet Ausfage möglich und richtig fei: fondern da ben Tübingern bie Perfon nichts als zugleich Die Einheit der Naturen ſelbſt if, fo geben fie ihrem vierten genus bie Bedeutung, daß bie Aus: fagen son ber einen Natur der Perfon nicht anders als fo zus 2. Die Tübinger. Ihre Lehre v. d. Allgegenmw. d. Menſchh. Chr. 797 fommen, daß fie aich Ausſagen ſind, die der andern Natur gelten 22). So ſteht ein doppelter Thpus der Idiomenlehre vor uns, entſprechend dem Unterſchied zwiſchen Chemnitz und den Schwaben. Wenn nun aber die Gottmenfchheit Darin beſtehen ſoll, daß vom erften Moment an: nicht blog alles Menfchliche dem Logos zugeeignet, fondern auch die Menfchheit allgegenwärtig, allwiffend, allmächtig ift und mit ihm die Welt ſelbſt am Kreuze regiert: wie ſtimmt damit bie Wirklichfeit der menfchlichen Natur, ofme welche Dach alles Große, was von der Incarnation gefagt wird, feine Baſis verlöre ? Mas erflens die Atgege enwart anlangt, fo reichte bie Berufung auf das illocale Sein der Memfchheit im Logos wicht aus, auch nicht die ilfocnle Gegenwart bes Logos bei den Crea⸗ turen. Denn bie Raumfreiheit des Logos ift zugleich Macht über den Raum, übergreifend über feine Schranken. Diefe müßte auch die Menſchheit haben. Die wirklihe Menſchheit iſt aber räumlich umfchrieben, wie auch Die Tübinger nicht läugnen; an fie, biefe umfchriebene, mußte nad) den Tübinger Prämiſſen bie Mit⸗ theilung ber Allgegenwart erfolgen, oder die Menfchwerkung wer nicht gefchehen, fondern Tieß gerade bie wirkliche Menfchhest auffer- halb der Unto, Mithin ergäbe fid für die Tübinger nichts an⸗ beres als bie Forderung, daß baffelbe, was uwſchrieben, räum⸗ lich an Einem Orte iſt, zugleich allgegenwärtig ſei. Den Weg Luthers, der durch Zuziehung der Allmacht helfen will, welche das All für Gott zu einem Sandkorn mache, das alſo auch von feiner Menſchheit umſpannt werden könne, hatten ſich die Tübin⸗ ger eigentlich dadurch verlegt, daß ſie den Gieſſenern wehrten, die -Allgegenwart auf die Allmacht ſtatt auf das nothwendige Sein Gottes zu gründen. Sie nähern ſich aber dem Wege des Ph. Nicolai, der dieſe Allgegenwart auf die Seele bezog, indem fie ſagen: actu naturae (humanae) zwar fei Chriſtus nicht all⸗ gegenwärtig geweſen, aber actu personae. Allein es iſt offenbar, 2) Bel. 3 8. Thumm. Majestas J. Chr. 1621. ©. 89. Das vierte genus Fehr er als erſtes. ©. 93, . 798 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchu. L Ray. 1. 2. Die Tübinger. daß fie damit willkürlich von den nothwendigen Confequenzen ihrer Vorderſätze abbrechen, nad) welchen die Menfchheit gar nicht gottmenſchlich wäre, bie nicht mich actu naturae durch bag ihr Mitgetheilte Allgegenwart hätte. Die Allwiffenheit der Menfchheit von Anfang an fließ hart zufammen mit dem fohriftmäßigen Wachfen Chriſti an Er: kenntniß. Da fie mit Recht die Unterfheidung zwiſchen Beſitz und Gebrauch der Allwiffenheit verwarfen, fo blieb ihnen nichts übrig, als bie Menfchheit Chrifli einerfeits wachfend und lernend, anbrerfeits von Anfang an allwiffend zu fegen: eine, Anficht, bie fie fih fogar aus Luc. 1, 52 zu begründen getrauten 23), wo⸗ gegen das Nichtwiſſen Chrifi Marc. 13, 33 ihnen den Ber: dacht der Interpolation erweckte. Die Gieflener unterliegen nicht, ihnen den Wiberfpruch zu zeigen, der in einem Lernen def: fen ligt, ber andrerfeits actuell allwiffend fei; fie machten darauf aufmerffam, wie Chriſti menfchliches Werben, wenn hinter - ihm eine fertige Actualität der Menfchheit als gottmenfchlicher ftehe, zum Schein werde. Aber logiſch ebenjo wichtig, obwohl mehr über- feben ift das Umgefehrte, daß auch bier baffelbe gilt, was von der räumlich begrenzten Perfon Chrifti. Nemlich nach den Tübinger Prämiffen ift die lernende, wachfende Perfon Chrifti (ganz ähnlich wie bei den Gieffenern) gar nicht wirklich gottmenfchlich, fondern ſteht als folche außerhalb bes Logos und ber Unio, bie in Com- munic. naturae et idd. div. befteht. Die Uebung der Allmacht brachte bie Schtoierigfeit wie damit bie Wahrheit der Schwäche ber menfchlichen Natur bes fiebe. Wenn Chriftus auch in feinem Leiden in Gethfemane und am Kreuz felig die Welt regiert hat, wo bleibt dann die Wahr: beit feines hoheprieſterlichen Leidens? Die Tübinger fonnten fich nicht verbergen, daß bier ihre Theorie birect mit dem religiöfen Intereſſe feindlich zufammenftieß, das für die ganze Bewegung bes chriftol. Dogma das impulsgebende war und bleiben muß. Daher gaben fie im Laufe der Verhandlungen den Gieflenern bier etwas nah, was aber entweder nur fcheinbar war und 23) Thumm. Maj. J. Chr. ©. 157: das mAypsuevov beweife daß. ⸗ Ihre Lehre v. d. Allgegenwart, Allwiſſenh., Allmacht d. Menſchh. Chr. 799 nichts beſſerte, oder ihre ganze Theorie durchbrach und ekſchüt⸗ terte. Sie fagten nemlich, für das hohepriefterliche Amt habe eine Retractio der divina majestas d. h. ihres Gebrauches Statt gefunden, damit Chriftus leiden könnte. Als Hoherpriefter alfo ſei er nur im Beſitz aber nicht im Gebrauch dieſer Prärogative gewefen: nur daß biefe Retractio (wie nachher die Wieberauf: nahme der usurpatio) nicht blos Werf des Logos fei, wohin die Gieffener Theorie zielte, fonbern auch der Menſchheit: : alfo ein ge- meinfamer Aft beider Naturen zur Selbftbefchränfung der Menſch⸗ beit in der göttlichen Majestas, keineswegs bes Logos. Ja fie zeigten ſich einerfeits erbötig, dieſe Selbftbefchränfung der Dienfchheit in Be- ziehung auf Die usurpatio dem Erlöfungswerfe zu Tieb auch weiter auf all Die Diomente der Niebrigfeit bis zurüd zur Empfängniß aus- zubehnen, denen nad) der evang. Geſchichte ſich Chriftus unterwarf, Armuth, Schwäche, Krechtögeftalt, zeitliche wie räumliche Be⸗ fchränfung im Werden, Schmerz, Leiftung ‘des thuenden und lei⸗ denden Gehorfams bis zum Tode. Und diß hätte zur harmoni⸗ fhen Durchführung ihres Standpunftes wefentlidh beitragen kön⸗ nen. Dem während wir fo eben bei ihnen Ehrifti räumlich be: ſchränkte und Ternende, überhaupt werdende Dienfchheit als noch außerhalb der unio ftehend bezeichnen mußten, fo gewann bie Tübinger Theorie, wenn fie wollte, an dem eine Entäußerung fordernden bobepriefterlichen Amte eine Brücke von ber innerlich abfolut vollendeten und mit dem Logos durch vollfländige Com- municatio geeinigten, zu ber. äußerlich begrenzten, werdenden, ja leivenden Menfchheit. Die letztere erfchiene fo als That ber er- fteren für den Zweck der Erlöſung. Allein Das wirb nicht folge richtig durchgeführt. Denn einmal fagen die Tübinger: diefe Ent: Äußerung finde nur flatt für Chriftus qua sacerdos, aber nicht für ihn als König; vielmehr gehe der Gebrauch feiner Fönig: lichen Macht auch im Leiden, ja auch, da fein Leib im Grabe lag, fort; weil fonft bie Unio aufgelöst wäre. Sobann befchrän- Ten fie ausdrücklich wieber die hohepriefterliche Selbftentäußerung auf den Gebrauch ber Macht, meinen aber, ein Verzicht auf bie Algegenwart und Allwiſſenheit fei vom bohepriefterlihen Amte nicht gefordert geweſen, behaupten alſo doch, daß Chriſtus am 800 Zweite Periode Dritte Epoche. Abſchnitt L Rap. 1. Kreug zugleich allgegenwärtig gemejen fei und allwifiend ale Hoberpriefter, aber auch zugleich allmädtig ale König regiert babe, eine Unterſcheibvung über deren Unhaltbarkeit nichts weiter zu fagen ifl. Sole Lehre von der Entäußerung läßt auch neben ber vollendeten Gottmenfchheit Die werdende Menfchheit als eine eben deßhalb, weil fie werbend ift, nicht gottmenfchliche, fondern blos menfchliche ftehen und thut fo nichts zur Ueberwindung bee alten ſchwäbiſchen Dualismus einer doppelten Menſchheit 2%). Eine andere Inconcinnität ligt darin, daß fie einerfeitd in ihrer Lehre von den 4 genera das Erfie die Annahme der niedrigen armen menfchlichen Natur fein Taflen, mithin ihre Niebrigfeit ale ihren primitiven Stand fallen ?°), andrerſeits aber Neigung zeigen, die Riedrigkeit erft aus freiwilliger Selbſtentäußerung auch ber Menfchbeit abzuleiten. Das Lebtere war von ihrem Stanbpunfte aus, der einen abfolut vollendeten Gottmenſchen ſchon für Die That der Incar⸗ nation felbft fordert, weil nur in einem folchen die Unio wirf: lich fei, das allein Folgerechte. Wirklich haben fie auch die Con- coptio von der Menfchwerbung fo unterſchieden, daß ſie letz⸗ tere dem Begriff nach jener vorangehen laſſen. Sie wollen die Conceptio, die als Anfang der Entäußerung angefehen zu wer: ben pflegte, als freiwillige gottmenfchliche That, wie alle Selbſt⸗ entäußerung auffaflen. Aber bier ift zugleich der Punft, wo ge: rade bie folgerichtige Ausführung ihres Grundgedankens bie ganze Theorie zum Scheitern bringt. Denn follte bie Conceptio, durch welche die Menſchheit felbft erſt zu fein beginnt, doch Mitthat 2) Die Tübinger Theorie febt in ber Unio personalis eine natürliche Unmöglichkeit, zu leiden und zu fterben, weil einen nothwendigen Antheil der Menfchheit an ver göttlichen Lebenskraft; neben bie fem Wunder aber für das Leiden einen diefes Wunder momentan und theilweife aufhebenden Willensact, um doc leidentlich zu fein; was lebhaft an jene monophyſitiſchen Theorieen erinnert, bie zuerſt ein wunderbares Gerüfte von abfolut fertiger Gottmenſch⸗ beit aufbauen, um es dann durch ein negatines Wunder ber Bahr: heit des Leidens zu lieb wieder aufzuheben. 2°) Was Schnedenburger überfieht. > Widerſpruch d. Tüb. Lehre mit füch ſelbſt u. ihre Heterobore Conſeqenz. 801 der Menſchheit ſein, ſo müßte offenbar wie Schneckenburger rich⸗ tig geſehen bat, eine Gottmenſchheit, und zwar eine nicht blos ideale, fondern abſolut volllommen reale, der irbifchen Gott: menfchheit vorangehn und Urfache ber letztern fein, und biefe nähme von der ſchon vorhandenen vollfommenen Realität der Gottmenfchheit zu Gunſten der Knechtsgeſtalt wieder Manches zurüd. | Zu biefer Confequenz würde die Tübinger Ehriftologie von dem gettmenfhlihhen Act ber Selbſtentäußerung unausweich⸗ Tich gelvieben, an ihr aber müßte fie auch fcheitern, weil ſte mit ber Lehre von einer veaien hummliſchen Menſchheit offen in das Gebiet der Heterodorie Übergienge. Aber auch bier geht fie nicht conſequent bis zum Ende fort. Sie macht weder wirflich Ernft mit der vor der irdiſchen In⸗ carnation abfolut realen und Die Form biefer caufirenden Gott: menfchheit; deun fie läßt Die Incarnation, trog ihrer Unserfihei- bung von ber Conceptio, doch wieder erft mit biefer anheben; noch anbrerfeits mit der Selbftentäußerung, denn hinter dem wer: denden, Teidenden Menfchen in Senechtögeftalt hat fie verborgen einen von Anfang an abfolut vollendeten König, wodurch das ganze irbifche Leben und Kämpfen Chriſti zu einer bloßen dra⸗ matifchen Rolle wird ?%): ein Dualismus, ber die Einheit ber 26) Nato fpricht diß ſchon Hafenreffer Loci Theol. ©. 400 aus: Die Exi- nanitio fei die Forma servi. Id quod interdum principes etiam in pese- grinationibus facere solent: qui dum ministris suis famulitia praessant, nihilominus tamen Domini sunt et 'manent. Wenn die Tübinger fogar für die Menfchheit der Majestas Christi fo zueilen, daß fie in der Entäußerung nur einen geheimen Gebrauch ver Majeftät ver Menſchheit ähnlich wie Breng u. ſ. w. ſehen, wie unendlich weit find’ fie davon entfernt, was ihnen Thomaflus a. a. O. ©. 444 als ihre Tendenz anfinnen möchte, den Logos felbft fich erniedri⸗ gen oder zur bloßen Potenz werden zu Yaffen! Ihr Abfehen geht nicht, wie Thomaflug es barftellt, nur auf die abfolute Einheit oder Sichfelbfigleichheit der Perſon; fondern ebenfofehr auf die Ein: febung der Menfchheit Chriſti in die göttliche Majeftät, wie z. B. fhon die Titel von Thumm’s Schriften beweifen. Das zweite Genus Comm. idd. (bei Thumm Maj. J. Chr. ©. 149 das dritte), die ®. 802 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. Perſon mehr felbft als Neftorius bedroht und die Menſchwerdung felbft zum Scheine macht. VUeberhaupt aber Hätte einmal die Menfchheit ihre Voll⸗ fommenbeit ſchon gehabt, fo Fönnte fie wenigftend die geiftige ‘Seite derfelben auch nicht durch einen ethifchen Alt wieder auf: geben, fonbern bebielte dieſe Vollkommenheit innerlid oder la⸗ tent fort und fort, woburd das Erwerben zum bloßen Schein, . zum Zeigen des innerlich flets ſchon Borhandenen würde. Ab⸗ folute Vollkommenheit der Menfchheit aber ohne eihifches Wer⸗ ben tb magiſch, ethiſcher Doketismus. Uebrigens würde ſich da⸗ mit die Tübinger Anſicht der Gieſſener Lehre vom Beſitz zu⸗ bilden, mit ber ſie ohnehin an dem Punkte der hoheprieſterlichen Reiractio prinripielle Gleichheit annimmt. Kein Wunder, daß bie fächfifhe Decisio 1624 fi in ber Hauptfahhe gegen den Tübinger Doketismus auf Seiten der Gieſſener ſchlug, freifich ohne etwas zu fördern, ja faft ohne Ge: fühl der Schwierigfeiten auch der Gieffener Theorie. Denn ebenfo ift auch umgefehrt zu fagen: Die Gieffener Theorie gebt folgerecht in bie Tübinger über. Jene theilweiſe vollfommene Usurpatio ber Majestas Seitens ber Menſchheit ſetzt boch als Subjeft, das ſtets, wenn es will, biefe Majestas be⸗ thätigen Tann, einen abfolut vollendeten Gottmenfchen hinter dem werbenden voraus, hat alfo neben einem Logos, ber zeitweilig für fi) ohne Menfchheit allgegenmwärtig regiert, doch auch noch) eine doppelte Menſchheit, Die dadurch fih nicht vor der Tübin⸗ gen’fchen empfiehlt, daß fie nur zeitweife actuell auftritt, um für gewöhnlich latent zu bleiben, ober daß nur vereinzelte gottmenfch- liche Operationen wie Sragmente eines vollfommenen gottmenſch⸗ neradocıs, nicht die oineiocıg enthält ihnen die Hauptfache und das Neue in der Iuth. Epriftologie. Für die oix. die fie freilich fireng fefthalten, bleiben fie nur bei vem alten Sag: divinitas impassi- biliter passa in carne realiter appropriatä ]. c. ©. 125 ff., wobei ſtets wiederholt wird, daß fie nicht in sese passionem sensit, daß fie simplex, immutabilis geblieben fei, e majestate sua Non prae- cipitata, Vol. ©. 81. 160. Bergleidung der Tübinger und Bieflener. 803 lichen Subjefts fich da und dort zeigen. Auch was fo eben von ethiſchem Dofetismus gejagt ift, gilt nicht minder ber Theo: rie eines von- Anfang an fertigen Beſitzes als bes Gebrau⸗ des. “Damit vereinigen bie Gieffener den ſchweren Fehler, mit ber die göttliche Fülle befigenden Menfchheit die werdende nicht in innern Zuſammenhang zu bringen. Die letztere ſoll ſich rein menſchlich beiwegen und geberden — als wäre fie nicht angenom> men vom Logos: fie, in welcher e8 gerabe auf den Durchbringungs- proceß des Menfchlichen und Böttlichen ankäme, foll ein bios menfchliches Werden . haben, während nach andbrer Seite bie Menfchheit dem Befige nach ſchon vom erſten Dioment an fo vollkommen ausgeftattet fein foll wie am Ente. Als ob was noch gar nicht ſich hervorgebildet hat an der Menfchheit, fchon könnte volllommen den göttlichen Befig haben: als ob ferner Allwiſſenheit als Befig ohne aetuelles Wiſſen denkbar wäre und nicht vielmehr bie Wahrheit des Lernens dur den vollfommenen Befig: alles Willens Seitens der Menfchheit ebenfogut als bei der Tübinger Theorie ausgefchlöffen wäre. Die meiften Theologen fehlugen fich in. der Hauptfache auf die Seite der Bieffener und Sachſen, deren Anficht ſich durch ihren efleftiichen Eharafter der Menge empfahl. So gieng es mit det Rolle der Führerfhaft in der chriftol. Orthodoxie, welche die Schwaben feit Breng behauptet hatten, für das -17te Jahr: hundert zu Ende, und ihr Lehrtypus, den fie in ber F. C. glaub: ten zur Herrſchaft gebradyt zu haben, wurde nun ebenfo ifolict, wie ein Menfchenalter zuvor der Helmftäbtifche geweſen war, ber inzwiſchen, nur in weit größerem Umfang, ſich zum berrfchenben gemacht hatte. Die Tübinger bewahrten zwar noch bis gegen Ende des Jahrhunderts ihren Lehrtypus, als den allein ortho- doren, mit wenigen Ausnahmen ?”), ſo namentlich Joh. Adam Dfianber ?8), aber fie fonnten: nun ſich ſelbſt gegenüber von ber jetzt 22) Joh. Bal. Andreä, Enkel des Zac. A., if ſchon ein Borbote des neueren fhwäbifchen Typus, eines 3. A. Bengel n. 9. 28) Bel. darüber Pfaff: v. ä. Diss. de naturae Chr. hum. prassentia in St. exin. 1709. Sie rechneten zu fich die beiden Meisner, Calov, Scherzer; nur fehr theilweiſe mit Grund. Dorner, Ghrifiologie. II. te Aufl. 52 804 Zweite periove. Dritte Epoche. Abſchnitt J. Ray. 1. herrſchenden Lehre des Vorwurfs der Heterodorie nur dadurch erwehren, daß ſie dem Gegner das Recht abſprachen, über ihre Orthodoxie zu richten, und feiner Entſcheidung eines ange⸗ maßten Tribunals ſich fügen vielmehr des Rechtes auf freie Be⸗ wegung nach ihrer Lehre auch ferner ſich bedienen zu wollen er⸗ . Närten. So war bier alſo nad) den Helmſtädter Bewegungen ber zweite Fall, wo troß aller Anfirengungen, eine völlige Lehr⸗ einheit zu erfünfteln, in ber lutheriſchen Kirche lirchengeſetzlich unentfchieden gelafien bleiben mußte, was die reine Lehre fei. Der dritte und lebte, durch fein Berumglüden entfcheidende Ber: fuch diefer Art ift der anticalirtinifche Consensus repetitus. Diefe beiden letzten namhaften Theorien auf dem altkirch⸗ fichen Boden vertreten allerdings jede von beiden ein unerläß: liches berechtigtes Intereſſe. Die Gieſſener ſuchen ein wahres Werden in Chriſti Menſchheit (freilich ohne zu wiſſen, was dazu gehört) und betonen beſonders ben wahren Unterſchied der zwei Stände, die Tübinger aber die Identität der Perfon trop ber Niebrigfeit und ber Hoheit in Ehriftus, bie fie ale ſi multane und actuelle Doppelheit faſſen 2°). Ihr Fehler aber iſt nicht vornemlich die gegenſeitige Aus⸗ fchliefung ; derin Identität und Werben ber Perſon bes Gott: menfchen wollen beide doch auch wieder vereinigen, und ihr ln: terfchled geftaltet fich mehr zu einem quantitativen Mebergewicht des einen oder andern; vielmehr ftehen ſich beide auch wieder fo nahe, daß fie immer wieder in eimanber übergehen müffen. Ihre Verflechtung mit einander läßt ihre Differenz nicht aus⸗ 9, Sie werfen den Gieffenern vor, daß ſie zu einem ‚Deus potentialis kommen, welder ein ganz anderer fei als der wahrhaftige Gott; überhaupt daß ihnen in dem Gegenfaß der zwei Stände pie Identität der Perfon verloren gehe. — Nicht „pie Einheit der Perfon“ ift das. die Tübinger Theorie genau Characterifirende: denn fonft hätten fie der doppelten Menfchpeit, wovon die eine faft ganz zufammen- hangslos mit ber -andern daſteht, ganz anders flenern müſſen. Sondern die Identität‘ des Bottmenfchen mit fi in Entäwßerung und Hoheit wollen fie auch mit ihrer Auffaffung des Logos non extra carnem durchführen: daher wollen fie auch keinen Unterſchied zwifchen xrzoıc und Xesass.- Beurtheilende Bergleihung d. Tübinger u. Bieflener Theorie. 805 wachfen, aber auch die Momente der Wahrheit, bie beide ver treten, nicht zu der wahren Geftalt fommen, in der fie fi zu vereinigen vermögen. ine Zufammenfeßung ihrer Süße könnte daher nichts fördern. Ihre gemeinfame Prämifle ift die Borausfegung, daß die ganze Fülle der göttliden Majeſtät fih ſchon im erftien Momente des Lebens Jeſu an feine Menſchheit mitgetheilt habe. Nur dar über, was zu biefer Fülle, wodurch die Gottmenfchheit konſtituirt wird, gehöre, find fie uneins. Jene ererbte Prämiffe ſtammt urfprünglich daher, daß man von dem Bild des fertigen und vollendeten Chriſtus (im Zuſammenhang mit der Abendmahls⸗ lehre) ausgegangen war und diefes auch in bie irdiſche Lebenszeit unwillfürlich zurücktrug. Unterſcheiden wir zwifchen Perfon an fich und zwifchen ihrer Bethätigung, fo ift zu fagen, daß bei den Gieſſenern ganz derfelbe Begriff von der Perfon des Gottmen- ſchen im .Beginne der Incarnation herrſcht, wie bei den Tübin⸗ gern. War diefer Begriff nicht: der richtige, fo konnte es nichts helfen, nachträglich in der Welt der Bethätigung die Remedur anzubringen und ba erſt ber Erniebrigung, der "Wahrheit ber Menfchheit und ihres Werdens Rechnung zu tragen. Es fonnte damit nur eine Abſchwächung mißlicher Kolgerungen aus fal- ſchen Prämiſſen fi ergeben, ein bisharmonifches, unſtetes Bild von der Perfon, dem die Identität mit ſich felbft ab- ging. Es wird den Tilbingern alfo darin Recht zu geben fein, daß bie Beichaffenheit der Perfon und ihre Bethätigung fich entfprechen müffen. Aber Daraus folgt denn auch gegen bie “ Tübinger: wenn bie gottmenfchliche Bethätigung, bie fi mit Notwendigkeit aus ihrem Begriff von der Perfon in der unio hypostatiea ergibt, nicht durchführbar ift, ohne Die Wahrheit ber Menfchheit, alfo der Menſchwerdung aufzulöfen, fo ift ihr Be: “griff von der Eonftituirung dieſer Perfon, fo if die Prämiffe von der abfoluten an die Menfchheit von Anfang an mitge⸗ theilten Gottesfülle, mit der ein menfchliches Werben nicht be- flünde, nicht haltbar. Und für die Gieffener folgt daraus, daß wenn, ihr Gebanfe der Befchränfung des Gebrauches diefer Fülle, wodurch fie die Wahrheit des Werdens ficherftellen wollen, etwas 52 * 806 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. bedeuten follte, fo müßte er auch auf die Perfon des Gott: menfchen felbft, auf den anfänglichen Beſitz der Gottesfülle aus- gebehnt werben, was freilich Niemand ihun zu dürfen glaubte. Die Tübinger halten jene Prämifle energifcher als bie Tübinger fefl, zeigen aber auch um fo Harer, in welche inertris fable Schwierigkeiten oder, mit ben Gieſſenern zu reden, in wel⸗ ches „Meer von Abfurbitäten“ fie führt ®%). Kein Wunder, daß fie ihren Folgerungen felbft theilweife Die Spige abgebrochen haben, um nicht alles Werben, alle Schwachheit oder Beſchränktheit Jeſu entweder für bloßen Schein zu erflären, oder fie als That einer abſolut vollfommenen, ſich felbft entäußernden, der Conceptio vor⸗ angehenden, alfo himmliſchen Gottmenſchheit zu bezeichnen. So ftehen alfo die Tübinger ald Beweis dafür da, wohin unausweichlich ihre von den Schwaben sec. 16, wie von dem fpäteren Luther eine Zeit lang aboptirte Prämiffe führt. Sie, die Eonfequenteren, fönnen nicht zurüd, fo lange die feftgehaltene Prä⸗ miffe fie unaufhaltfam weiter treibt, fie können aber auch nicht vor wärts, noch Die nothwendig fich ergebenden Eonfequenzen ziehen, weil da nur häretifche Ausweichungen übrig blieben, die das chriftliche Bewußtſein wie den gefunden Menfchenverftand gleich tief verlegen. Die Gieflener masfiren diefe Conſequenzen im Intereſſe für 0) Zum Obigen möge noch hinzugefügt werben, daß nah den Tü- bingern, weil bie unio des Logos mit dem Leibe Zefu nie aufge: 1688 wurde, diefe Unio aber in der Mittheilung der göttlichen Majeſtät und Lebensfülle befteht, ver Leib Eprifti, auch da er tobt im Grabe war, voll Lebens und vol Kraft zum Antheil an ver Beltregierung- war. — Da ihnen nun auch feſtſtand, daß ver Lo» gos dem Nenſchen Jeſu viel inniger und mittheilſamer nahe fei und bleibe als irgend einer andern Ereatur, fo folgte um fo mehr, daß Eprifi Leib auch im Tode voll Lebens, alfo fein Tod Schein⸗ tod war. — Uebrigens zeigt die Realität des Todes Jeſu, daß eine Borftellung von der Sichfelbfigleichheit feiner Perſon ſchon auf Erden falſch if, welche nicht och einen Raum läßt zwifchen ber Idee der volftommenen Gottmenſchheit und ihrer Verwirklichung, ja anfäng: lich ein noch theilweifes Auffereinander- bes Logos und ber Menſchheit anertennt. Denn das. abfolute Ineinander des Logos und der Menfppeit auf jedem Schritt, auch nad der Seite des. Leibes raubte diefem die Möglichkeit des wirklichen Todes. Unausweichliche Alternative f. d. Tübinger u. @ieffener. Stodung. 807 die Wahrheit des Standes der Erniedrigung, aber können fie "nicht ändern. Auch fie bringen es zu feinem wahren Werben, es fei denm, daß fie auch ſchon bie Mittheilung, burch welche bie Incarnation confiituirt wird, anders beſtimmen umb nicht blos die Möglichkeit, fondern auch bie Nothwenbigfeit eines wahren Werdens mit biefem Anfang begründen. Sp ift das Dogma in eine Syrie gerathen, von wo es nicht vorwärts noch rückwärts Tann, ja in einen Widerfpruch zwifchen feinem Anſatz und feinem Refultat, und das fommt in diefem legten Streite zu Tage. Der Oberflächlichfeit des Blickes enigieng biefe Untiefe; die Maſſe der Theologen gieng in ber Halbheit eines Eclecticismus unfruchtbar und ficher fort, im Alle . gemeinen ben Gieſſenern geneigter, weil bie größere Schärfe der Tübinger das unbrauchbare Refultat offener zeigt und die Gieſſe⸗ ner Mobification wenigftend den Willen hat, der evangelifchen Gefchichte mehr Rechnung. zu tragen. Nicht etwa blos der Lärm des breißigjährigen Krieges Übertäubte den Streit über zevwpıs und xs700, ſondern dieſer verflummte, weil man nichts Wefentliches mehr zu fügen hatte, wenn man nichts retractirte, weil man re⸗ tractiren follte und doch nicht wollte. Der frühere fühne An: ſpruch der Schwaben, eine wohlzufammenhängende, einheitliche, überall fich ſelbſt gleiche Chriftolngie zu geben, und die frohe hoff: nungsvolle Arbeit an dieſem Werk verwandelte ſich jest in eine mäbfelige, fpindfe,_ ſcholaſtiſche Vertheidigung der aufgeftellten Säge und machte bald der Berufung auf bie Linerforfchlichfeit und das Geheimnig Play, das doch feine Eriftenz nur ihren Sperulationen und nicht dem fehriftmäßigen Bilde von Chriſtus verbanfte. Die Urſache aber, warum das Iutherifhe Dogma. in biefe Untiefe gerieth, lag nicht in dem lutheriſchen Grundgedanfen, ber Tendenz auf eine vollfommene Lebendeinheit des Logos und der Menfchheit in Jeſu, fondern darin, daß das Neue bes luthe⸗ sifchen Grundgedankens durch vorreformatorifche Elemente wieder überwuchert und feine Entfaltung auch bis in das irbifche Leben Jeſu oder in die Ständelehre hinein gelähmt wurde. Die Borftellung von einer mit Einem Schlage, fei es auch 808 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. Urſache der nur dem Beſitze nach fertigen Meufchheit, von der Luther An- fange, wie gezeigt, ſo entfernt war, auf die er aber leider im Abendmahlsſtreit kam, ohne daß fie Doch feinem Intereſſe wirflichen Halt gewährte, ift weſentlich magifchen Charakters und gehört zur Anſchauungsweiſe der vorreformatorifchen Zeit. Sie trägt die Schuld an dieſen Nöthen des Iutherifchen Dogma; fie ift ohne alle Bemäntelung einfach zurüdzunehmen, damit die Lutherifche Ehriftologie ſich durdpführe, bie dann auch für Berföhmungsiehre, . Abendmahl; Kirche ihre Frucht trägt. Jene Borfiellung fonnte ohne Bedenken nur feflgehalten werben, fo lange was zum Weſen ber menfchlichen Natur ge: hört, noch fehr unvolllommen in das Bewußtſein getreten war. Inſofern war das Erwachen der Philofophie erforberlih, um das Dogma aus feiner Stodung zu erlöfen und aus den un- leiblichen Selbftwiderfprächen, an denen bieje feine Fühnfte und bis -jegt ausgeführtefte Form zerſchellen mußte, feinen eigentlichen Kern in eine neue Conftruction ded Dogma zu retten. Auch darin nahm dad Dogma wieder vorreformatorifche Geftalt an, daß die göttliche Seite wieder in das alte Ueber: gewicht Über die menfchliche trat und die letztere doketiſch ver: flüchtigte; fowie daß mit ben tiefften, d. h. ethifchen Kategorieen des göttlichen und des menfchlichen Wefens, die der Reformation das Leben gegeben hatten und durch welche fich bie menfchliche und bie göttliche Natur am meiften in einander neigen, faſt gar nicht gearbeitet wurde. In der Spiomenlehre des 17ten Jahr⸗ hunderts fallen die ethifchen Eigenfchaften gewöhnlich aus; man bleibt bei den Eigenſchaften ver Majeſtät, der Allgegenwart, All: macht, Allwiffenheit ftehen, als ob nicht in dem Ethiſchen ber wahre Sig aller Majeftär läge. Auch dieſes Gewichtlegen auf die erfleren zeigt den vorreformatorifchen Zug. Die Tübinger baben wohl. eine richtige Ahnung davon, daß Herrlichfeit und Niedrigkeit in Chriftus wohl zufammenbeftehe, ja zufammenfein müſſe. Aber weil ihnen der ethifche Geift der Reformation ab: gebt, fo bleiben ſie bei den nicht ethifchen Beitimmungen ftehen und fommen nun zu den abſurden Säben von einer Menſchheit, die zugleich phyſiſch ſchwach, ja tobt, und lebendig, ja allmächtig, . Stodung vorref. Reſte. — Darfiellung d. Streitd nach Thomafius. 809 und allgegenwärtig geweſen fei, flatt zu erfennen, daß ber ethi- ſchen Hoheit und Majeftät fich allerdings auch bie wahre Niedrige " feit einverleibt, ja daß auch bas ethifche Werden zum Werthe diefer Perfon und ihres Werfes gehört *). " +9 Das ausführlichere Detail des erzählten Streites der in das ab: ſtrus Scholaftifihe verläuft, hat weiter Feine pogmengefchichtliche Bedeutung mehr. Für das Nähere fann auf Thomafius Dog: matik verwielen werben, welde ihm fafl 60 Seiten widmet. 11. 391 —450. In der Zeihnung des Thatbeftandes felbft muß ihm im Allgemeinen beigepflichtet werden. Wer fih, wie auch Tho⸗ mafius thut, von der Auffaffung der chriſtologiſchen Bewegungen des 16. Jahrh. nach Luthers Tode leiten läßt, die in der vori— gen Abtheilung gegeben ift, der bat ven Schlüffel zum Ber ſtändniß dieſer Streitigkiten. Nur befriedigt Thomaſius zu wenig das Berürfniß, die Tübinger Säge in Ein Bild zufammen: zuſchauen. Um biefes zu erreichen, iſt mehr Gewicht darauf zu legen, daß die Tübinger die Entäußerung aus einem Alte ber Majeſtät ver Gottmenfchheit, aus ihrer Macht über fih ableiten wollen, welche Majefät aber durch dieſen Gebrauch nicht aufge: hoben, fondern bejaht werde und fortan ® wodurd freilich ihr Ehriftus nur zu einem verfleideten, inkognito reifgenden König wird. Damit wäre zugleich deutlich geworben, daß die E onfe: quenz ihrer Anficht fie allerdings zu einer irgendwie präerifienten, majeftätifchen, den ganzen Stand ver Entäußerung (aud) die Con- ceptio) fegenden Gottmenſchheit d. h. zum offenen Dofetismus ge: trieben hätte, und daß das Beſtreben, viefem Abſurdum auszu: weichen, fie dann in SInconfequenzen führt. Dieſes Alles kommt reiner zu Tage, wenn als Hauptgefichtspunkt der Tübinger nicht fo- wohl die Einheit ver Perfon, als vielmehr die Identität oder Sic: ſelbſtgleichheit verfelben auch für den Stand ver Entäußerung be: zeichnet wird, eine Sichfelbfigleichheit, welche zum vollen Begriff der Gottmenfchheit ven Antheil an der ganzen Fülle der actuellen Majeftät des Logos rechnet und mit dem Sein ber Gottmenſchheit die abfolute Verwirklichung ihrer Idee gleichiept. — Als verdunkelnd fehe ich dagegen die Darftiellung von Thomaſius an, wenn er Das, was er ſelbſt will, nemlich die Beſchränkung der gottmenfchlichen Fülle für ven Anfang, nicht als Borfchlag zur Negation einer un: riehtigen gemeinfamen Prämiffe der Tübinger und Gieſſener will erſcheinen laſſen, fondern nur als confequente Weiterbildung ihrer Lehre, währenn er andrerfeits doch ſelbſt eine vollfländige Recon: firuction des Dogma für unerläßlih erflärt. (S. 445.) Wenn 810 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. Diß führt aber noch auf einen weiten Punkt, in welhem beide Parteien gleichfalld wieder dem Borreformatorifchen näher er überall das Fehlerhafte, auch in der E. C., nur auf einen Mangel, ein Rochnichthaben des Bolltommenen zu reduciren ſucht, fo ift das nicht. gründlih und gar nicht befier, als wenn ein Dogmatiler das Böfe in ein bloßes Nochnichtpaben des Guten verwandelt. Vielmehr aber fordert bie pifkoriiche Treue die Anertennung, daß es auch an irrthümlichen Sägen nicht fehlt, wo dann zur Remebur einfach Retractation gehört, — die intellectuelle Buße, — nicht aber das Fortfchreiten auf dem bisherigen Wege; eine Ablöfung von der Form des Dogma, zu welcher voreilig vorwärts gegangen war, und eine Rückkehr zu dem reineren Bildungstriebe deſſelben, nicht aber eine bloße Ergänzung oder nähere Beflimmung bes Bisperigen. — Thomafius fiellt die Sache fo dar, als wäre auch den Zübingern, wie ihm felbft, bei der Zeichnung des Chriſtus⸗ bildes auf Erden Alles eigentlich nur auf die Ginpelt der Perfon angefommen, als müßte daher eine nur diefe Einheit wahrende Theorie ver Beſchränkung des Gottmenfchen für einige Zeit (zu der die Gieſſener Hinftreben) ganz in ihrem Sinne, ja die Ergänzung ihres Sedantens Mein. Allein ‚vielmehr beiven Theilen (wie auch der F. C.) war, wie Zhomaflud felbft wieder fi nicht verbergen fann (©. 374. Anmerkung), die gefchehene Mittpeilung ver vol: len göttlichen Majeſtät an die Menfchheit von Anfang an viel mehr ein Fundamentalſatz ihrer Epriftologie, den dagegen Tho: mafins als unhaltbar fallen läßt. Nur in und mit biefer vol: len Mittpeilung fehen fie die Incarnation ſalbſt ale vollzogen an, Teineswegs aber wären fie, wie Thomaflus, mit ziner gott: menfchlichen Einheit der Perfon zufrieden gemweien, ver ber In: balt der göttlichen Majeſtät fehlte, die gleichfam eine bloße aus: geleerte Form wäre. So wenig Wollen die Tübinger die Menfchs beit in Chriſto je ohne die ganze göttliche Fülle denken, daß fie die Entänßerung wie gefagt vielmehr nur als Alt der gottmenfch: lichen Mäjeſtät aufzufaffen wiſſen, die fih auch in der Ernie drigung fortſetze. Noch viel weniger wollen fie oder die @ikf: fener gar auch dem Logos felbft eine Entleerung vom Befiß oder Gebrauch feiner Majeftät zufchreiben.. Bielmehr haben fie dieſes als einen Mißgedanken mit der Kirche aller Zeiten verworfen. Es if ihnen das nicht ein zu hoher Gedanke, für ven fie noch nicht reif waren, fondern ein zu niedriger. Auf der Linie ver Tübinger hätte, um bie Einheit ober vielmehr Sichfelbfigleichheit ver Perſon des Gott: menfchen zu fiyern, keineswegs ſolche Selbſtverwandlung des Ro: Urſache der Stodung find vorreform. Elemente. — Thomafind. 811 und die Möglichkeit einer wahren gottmenfchlichen Einheit ferner rüden. Das ift der Abfall von Luthers Sägen (ſ. 0. ©.532.ff.541. f.) 908 in potentielle, den Anfängen ver Menſchheit homogene Da- feinsweife gelegen — ſehen fie doch mit Schreden und Abfchen fhon in der Gieſſener Theorie einen Deus potentialis, einen Chri- stum alium atque alium — fondern einzig und allein die Ableitung aller Entäußerung aus einem Alte des Gotimenfchen, ohne frei lich — was Schuedenburger (f. u.) fälſchlich meint, die oben ges zeigte letzte doketiſche Conſequenz hievon zu fehen oder gar zu wollen. Bergeblih bemüht füh daher Thomaflus, feine Selbſt⸗ verwandelung des Logos bis zur Angemeflenpeit mit den Anfän- gen eines Menfchen der Einheit der Perfon zu lieb als das löſende Wort für jenen Streit und als die einzig mögliche Eonfequenz der beiderfeitigen Vorderſätze zu bezeichnen. Bielmehr if die Eon- fequenz ber Gieſſener Lehre, wenn fie mit ihrem Werken nicht mehr Ernſt machend einen fertigen Befit Seitens der Menſch⸗ - heit (wie auf feine Weiſe noch Cartefius) annehmen, die Lehre der Tübinger; die Eonfequenz ter Tübinger bie präceriftente Ins carnation. Machen aber die Gieſſener Ernſt mit dem Wer: den, fo muß auch jene gemeinfame Prämiſſe von einem Fertig⸗ fein der Perſon des Bottmenfchen fallen und als Irrthum aner⸗ kannt, anftatt deſſen aber eine Beſchränkung für den Anfang an- genommen werben, die nicht eine Selbfibefchräntung ver Menſch⸗ peit if, — was die Tübinger wollen und was zu -bloßem Scheine führt, noch weniger eine Selbſtbeſchränkung des Logos in feinem eigenen Sein, eine Ausleerung feiner eigenen Majeftät, das wäre gegen den uralten ſtets fefgehaltenen kirchlichen Canon: Mansit quod erat; fondern eine Selbfibefhräntung des Logos in Bezug auf fein Sein und Wirken in ver Menſchheit, wie es Luther und Chemuitz im Einklang mit Irenäus, Juſtin u. X. durch feine Lehre vom Ruhen des Logos gewollt haben. Ich muß biefen Fehler um fo mehr hervorheben, als ich ihn und die Theorie, der ich Thomafins ergeben bat, durch meine erfie Ausgabe vielleicht mit veranlaßt Habe. (Bgl. feine Beitr. 3. k. Ehriftologie 1845. Zeitſchr. f. Prot. S. 236). Denn da hatte ih ©. 177—181 gefagt: der Fehler der Iutherifchen Chriſtologie Lige ſchließlich in ver unvoll⸗ fommenen Durchführung der Comm. idd. oder darin, daß die Mits theilung nicht als wirklich gegenfeitig erfcheine, die endlichen Be: fimmungen nicht in die göttliche Natur aufgenommen feien. Ich hatte da zugleich als die indizirte mögliche Fortbildung der Epri- fiologie eben das angegeben, was nachher Thomaflus in feinen Beiträgen u. f. w. ausgeführt hat, nemlich daß aum Zwede ver 812 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. von „einer neuen Menfchheit“, die von Breng forigeführt (fpä- ter von Ph. Nicolai), in der Unpaeitas ber Menſchheit für bie Ernievrigung der Sohn Gottes die Endlichkeit fo in ſich ſelbſt aufgenommen und bie xefos feiner göttlichen Eigenfchaften zu: nächſt zur Iatenten Form ber za herabgefeßt habe, um dann dur eine wahrhaft menſchliche Entwicklung hindurch im Stanbe ver Erhöhung umgekehrt die volllommene Mittpeilung des Gött: lichen an die Menfchheit eintreten zu laſſen. Aber bei weiterem Forſchen hat mir dieſer Gedanke als unreif und unhaltbar er: foheinen müffen, was ich auch in meiner Beurtheilung ver Theo⸗ rie von Thomafius in Reuters Repertorium längſt ausgefprochen. Diefe Theorie ruht auf einem unetbifchen, daher unwürdigen und yantheiftifchen Zeitworfiellungen noch allzuverwandten Gottesbegriffe. Die Liebe des Logos erifiirt nur als actuelle und ſelbſtbewußte, während die Menſchheit im Anfang noch nicht felbfibewußte Liebe fein Tann. Und da dieſe Liebe ſelbſt das höchſte But, ia die höchſte Realität if, fo kann fie nie. aus Liebe ſich aufgeben, -fondern fie kann nur folche Liebesbewelfungen zulaflen, die wieder in fih Selbfibehauptung ver felbfibewußten Liebe find. Daher kann ich zwar vom abftract logiſchen Standpunkt aus es als incon- fequent taveln, daß der Anſatz ber Iutherifchen Comm. idd. nicht bis zu einer Verendlichung over Selbfientleerung des Logos felbfl fortgegangen tft, muß es aber loben, daß die altkirchlichen Dog» matiker wie die F. C. eine Selbfiverwandlung des Logos in ein blos potentielles Dafein als des Sohnes Gottes unwürdig be: trachtet und ausbrüdkich einfimmig verworfen haben. Auch fo erfenne ih im Gedanken der nicht blos nominalen Communic. idd. einen großen chriſtologiſchen Kortfchritt frog den Ausftellungen gegen die Form dieſer Lehre, wie fie theils ſchon in der erften Aug: gabe vorgetragen, theils gefichtet, aber auch gefchärft in ber zweiten ausgeführt find, auch noch jebt, mit Thomaſius, bie Rothwendig⸗ feit einer auch ‘auf den Logos ſich beziehenden Beichräntung für den Stand der Ernienrigung zur Durchführung des Gedankens der Comm. idd. Aber viele Selbftbefchräntung darf fo’ wenig dem Weſen des Logos zu nahe treten, als die Menfchwerbung dem Weſen ver Menfchheit, fie wird vaher nicht auf die Dafeinsweife des Logos felbft fich erfireden dürfen, auf fein Sein in ſich, das unveränderlich if, fondern nur einerfeits auf fein Sein und Wir: fen in Beziehung auf.die Menſchheit fo wie deren Weſen es er: fordert, andrerfeits um ver Aneignung (oixelncıs) des Menſchen und der Theilnahme an der Niedrigkeit willen auszufagen fein. Aufferdem kann ih mich nicht ganz eines gewiflen Befremdens er: Abfall von Luthers chriſtol. Ideen. — ZThomaflus. 813 Gottheit noch einen Ausbrud in der F. C. gefunden hatten. Sogar bie Tübinger machen bier Feine weſentliche Ausnahme. wehren, wie Herr D. Thomaflus fi vorfiellen kann, mir gegen: über die Rolle eines Anwaltes der F. C. behaupten zu können. Diefe Rolle paßt wenig dazu, daß er weit fundamentaler, nemlich bis in den Gottesbegriff hinein, von ber F. O. abweicht, als ich es für wiffenihaftlich zuläßig halte. Meinen wichtigſten Ausflel: Iungen, bie fi vornemlih um den Gedanken gruppiren, daß das Bild des vollendeten Gottmenichen voreilig, wenn gleih unwill⸗ kürlich in das Zeitleben Jeſu hineingetragen fei, flimmt er zu; er tavelt das Schwanken zwifchen dem Ehemnig’fchen und Brentßz'⸗ ſchen Zropus, er erkennt an, daß die F. C. einerfeits ein wirkliches Wachsthum Eprifti, anprerfeits aber fihon kraft der Unio perso- nalis die abfolute göttliche Fülle in der Menfchheit lehre; ferner, daß fle einerfeits ven Vollgebrauch der majestas mit der unio felbft gegeben fein (wie Breng will), andrerfeits ihn erfi mit der Er- böhung eintreten laſſe; daß fie bald die Menſchwerdung felbft fhon als die Erhöhung der menfchlichen Ratur bezeichne, bald die leßtere noch nebenbei geltend mare; daß fie insbefondere in Be: treff ver Allgegenwart fih bald die Chemnitz'ſche Formel aneigne, bald mit den Schwaben flatt der hypotbetifchen nicht blos die fat: tifche omnipraesentia generalis, fondern auch Die durch bie unio per- sonalis gegebene Nothwendigkeit verfelben lehre (S. 376 — 880). Er fiebt auch wohl, daß diefe Säße entgegengefebt find, dennoch ſollen diefe Widerſprüche zwifchen ver niederfächfifchen und ſchwä⸗ bifchen Chriſtologie, die vor der F. C. da waren und nach ihr wie: der in neuem Streit hervorbrachen, in ihr ſelbſt aber nur zuſam⸗ mengefelltifinn, nicht auf ein Pactiren der Parteien, nicht auf eine Scheineinheit, auf ein „Zufammenfchweißen“ von Heterogenem bin: weiten. Thomaſius nimmt die Diiene an, als wäre nur der Tadel zu befeitigen‘, daß die F. C. nicht weit genug in genauen Beſtim⸗ mungen gegangen ſei und fo Bieles ſchwankend gelaffen habe. Er mußte aber wohl wiffen, daß die Beſchwerde vielmehr if, daß fie hat voreilig zu viel beſtimmen und entfcheiden wollen, wozu die Hrchliche Entwidlung noch nicht gereift war. Herr D. Tho⸗ maſius hat uns befanntlich bewielen, daß wer die Conf. Ang. ans nehme, auch die F. C. als Belenntnißfchrift aunehmen müfle, wenn nicht an feinem Anrecht auf die C. A. ſoll gezweifelt werben dür⸗ fen. Er hat i. 3. 1848, als alle Säulen der alten Ordnung ber Dinge zu wanken ſchienen, der erfie Kirchentag fich verfammelte und die Kirchen ſich innerlich auf Löfung des Bandes zwifchen ihnen und dem Staate rüfleten, feinen triftigeren Rath berbeizu: 814 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 1. Einer ihrer Hauptvertheidiger ift ja Lucas Oftander, die Geißel der Myſtik, felbft eines Johann Arndt. Eine Ieblofe Theo: bringen gewußt, als das Heil der Iutperifchen Kirche auf ihre Be⸗ Ienninißfchriften von der C. A. bis zur Eoncorbienformel zu fiel: len. Uber wie denkt er fih eine Berpflihtung auf die Säbe eines Artikels, die auch nach ihm ein ausgefprochenes Ja und Nein zus gleich find? — Wie ich aber fo nad den eignen Sätzen von Th. von der F. C. nichts gefagt habe, was nicht offen vorläge, fo muß ih umgelehrt, wie im Obigen gefchehen, mich der F. C. darin ans nehmen, daß fie feine chriftologifche Theorie ausdrücklich verwirft. Doch hievon unten ein Näheres: Ebenfo muß ihr der Ruhm verblei⸗ ben, mit dem Sat von der capacitas humanae natarae für die gött- liche einen Fundamentalſatz für eine neue Anthropologie aufgeſtellt au haben, ein Lehrfah, deſſen Wahrheit Thomafius, wenn ich ihn aufftelle, beftreitet und ihm eine üble willfürlihe Deutung gibt ©. 375. 876, während er ©. 188 daſſelbe ganz mit meinen vielfachen Ausführungen einftimmig felbft fagen muß. — Es fet ferner Hier bemerkt, daß er auch meine Auffaflung von Ehemuig in ein ſchie⸗ fes Licht ſtellt. Er meint, ich hätte - Brentz mit Liebe, Ehemnig mit weniger Gunſt behandelt. Allein fo fehr Brentz an ſpekula⸗ tiner Tiefe und am Energie bes Denkens in Beziehung auf bie Idee der Gottmenſchheit nach mir (und nah Th.) dem Chemnitz überlegen if, fo befitmmt kehre ich hervor, daß in Beziehung auf die Einfiht in die Beringungen des Werdens umd der Erniedri⸗ - gung Chemnig allein das Richtigere gefeben hat. So kommt vielmehr mir zu, bei Thomaflus zu wenig Anerlennung ver chriſtologiſchen Bedeutung von M. Chemnitz zu finden, welcher ollein das Mo: ment vertritt, das ich bei Luther als fo bedeutend ausgezeichnet habe, nemlich das Werben des Gottmenſchen. Denn Thomafius weiß bes Chemnitz (und Luthers) Lehre von dem Hufen oder ber Retractio des Logos nur mit dem Prädikat des Calviniſtiſchen oder gar Res ftorianifirenden abzufertigen, was man -fehr auffallend finden müßte, wenn es nicht zu dem Zwecke geichähe, durch dieſes Schreck⸗ mittel das Empfehlenve zu erfeken, was feiner eigenen Theorie von der Selbfiverwanblung des Logos in eine bloße Potenz an ihr ſelbſt abgeht. Daß aber Chemnitz die Lehre ver Schwaben vom vollkommenen Antheil an der Majefät, wozu dieſe auch den Boll gebrauch rechneten, verwirft und doch die Säge, die das in der F. C. enthalten, ſich gefallen ließ, iſt bei feiner richtigen Lehre vom Werden Eprifii nicht anders als eine Conceſſion zu nennen, die er nicht hätte bringen follen. Und davon fehe ich auch jeht feine Urſache abzugeben. — Daß Thomafus die Sätze über eine Grund der chriſtol. Bertümmerung im Berfiegen d. mpfl. Elemente. 815 logie bat eine innere Nothwendigkleit, ja ein velatives Recht da⸗ zu, Gottes Wefen ald dem Menſchen fremd zu fegen: nur ſieht ſie nicht, daß fie es ift, die dieſe Kluft befeftigt zwifchen Gott und fih, aber nicht Gott. Damit ergibt ſich aber das ſonder⸗ bare Schaufpiel, daß während aufs Eifrigfie, in ererbier Polemik doppelte Botipeit, eine miigetheilte und eine mittheilende (fowie zum Theil auch bie Anfiht von einer Ausgleichung der Raturen), nur als Borwurf der Reformirten, nicht aber bei Brentz oder Ans dreä gelefen hat (S. 374), ift nicht meine Schuld. Ebenſo wenig, daß er bie von mir citixten Stellen (II, 677) nicht nachgefchlagen hat. Daß er dennoch meine Relation berichtigen wii, nöthigt mi, einige Stellen, und zwar zum Theil aus Schriften, die Tho⸗ maſius felbft citirt, mitzutheilen. In feinem Buch de Majestate ©. 929 fagt Breutz: Voco in praesentia (sicat et suis locis supra) Divinitatem Christi non eam, quam Ailius Dei in se ab aeterno habuit, sed quam tempore incarnationis Alio hominis communi- cavit seu-participavit. Alia enim ost divinitas communicans sen participans, alia communicata seu participats, sicut alius est do- nator, aliud donum ipsum, Christus igitur juxta participatam carni suae Deitatem implebst coelum et terram. ©. 924: Chriſtus er: fülle Himmel und Erde majestate divinitatis, non solum aeternae ilius quam habet a Patre suo —, sed. etiam illius, quam filio homi- nis communicavit. Jac. Andreas Apolog. eontra Ingolsted. ©, 25: Divinitas Christi non est ovoW@öyg illa et asterna cum Patre et Spi- ritu S. essentia communis, sed communicata a secunda hypostasi, qua ad dextram Dei sedet. ib. ©. 42: Majestas (d. h. divinitas) donata hamanitati extrinsecus a divinitate, quasi per accidens humanitati in persona accedit. Andres übergehe ih. Im Bericht vom Maulbr. Geſprãch Collatio I. ilij hat 3. Andreä gefagt: „Bott habe alle feine Majeſtät vergeflalt dem Menſchen mitgetheilet — daß der Menſch ſei Gott gleich worden.“ Aehnliche Stellen finden ſich bei Breutz. Noch in den achtziger Jahren hat 3. Andreä ein bemerienswerthes Urteil über Schwenckfeld wiederholt. D. Hofmann (Abtrud ©. 38) fagt darüber: „Es betrübt mich ja billig, daß D. Jacob ein Jahr vor feinem Tod die Eßlinger Prebigten mit Präfation, bie er wider richtige ſächſiſche Lehrer und fonverlih D. Heßhufium ges gefihrieben, wieder hat drucken laſſen, darin bie Predigten vor fein Teſtament aufgeworfen und in ver einen von Schwendfelbt gefeßt wird, daß feine (Andreä's) Meinung von der Lutherifchen und Schwenckfeldts Streit über der Majeſtät des Menſchen Chriſti diefe fet, das es nicht anderfi als im Grund ein Worigezänk fei.“ gI6 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt 1. Kap. 1. beſonders, anf der innigen Einheit der Perſon Chriſti, auf der Mittheilung der ganzen göttlichen Majeftät, ja der Perfon und Natur des Sohnes Gottes an die Menfchheit befanden wird, die Menfchheit ſelbſt doch nie das Mitgetheilte fol zu eigen baben, die Mittheilung alfo doch nicht bei ihrem Ziele anfümmt. Selbft Thumm fagt (Majest. J. Chr. 79): bie Rittpeilung der Perfon des Logos an die Menfchheit finde nicht ara u’drEır ftatt, fondern nur xara ovrdvons! Wie das Feuer in die fein ftien Poren bes Eifens eindringe, fo der Logos in die Menſch⸗ beit. Was biefer dadurch wird, foll nicht blos eine Verklärung ihrer felbt fein, — das wären blog dona finita; aber auch nicht ein folcher Beſitz des Göttlichen, daß biefes wirffich zu ihrem Eigenen gehörte und die Menfchheit Ehrifti dadurch zur Er⸗ füllung der Idee ihres eigenen Weſens käme, fondern die Capacitas finft gleihfam zu der Iocalen Bedeutung herab: bie Menfchheit nimmt einen Ort fo ein, daß in und neben ihr aber aufier: halb ihres Weſens auch noch Raum ift für das Sein der Gott: beit mit all ihrer Fülle; um welches Zufammenfeind willen (ovrövaoıs) 8%) aud die Menfchheit Gott heißt, allmächtig, allwif- fend, allgegenwärtig, belebend und anbetungswerth. — Wie ge: ringfügig ericheint da, auf den wirklichen Gehalt der Lehrſätze und nicht blos auf die Tendenz gefehen, die zum entfprechenden Aus⸗ druck nicht kommt, der Unterfchieb zwifchen ber Tutherifchen und der reformirten Chriftologie! Aber eben diefe Ohnmacht, zum Ausdrud zu bringen, was man wollte ?®), und mas allerdings von ber reformirten Lehre verfchieden war, fleigerte Die Polemik, ftatt fie zu mildern, und bewirkte ein deſto zäheres Sichanflammern an Formeln, die fih als Schlagworte geltend gemacht hatten. Den reformirten Dualismus zwilchen. Gottes und bes 22) Diefes der alten Dogmatik fehr geläufige Wort bezieht fich eigent: Ith auf das Bild ver Ehe. Was man wollte, das {fl bie wirklich volffommene Einheit des Göttlichen und Menfchlichen, was ſich befonders in der For: derung gleicher Anbetung der Menſchheit mit ver Gottheit und im dem Attribute der vis vivifcandi auch für die Menfchheit ausprüdt. Beſold ließ auch von Chriſti Menfchheit den h. Geift ausgehn i. 3. 16386. (Wald, NReligionsfir. innerh. d. Tuth. 8. I. 175. Berflahung d. luth. Chriſtol. Ihre Obruirung durch d. Amtslehre. 817 Menfchen Weſen will freilich bie Intherifche Kirche nie, aber bie Gieffener und Tübinger zeigen fi unfähig, ibn zu über winben; fie hängen felbft noch mit ihm zufammen. Beſonders aber verfällt die lutheriſche Ehriftologie noch dem Dualismus einer boppelten Menſchheit, der empirifchen, werbenben, und der die göttlichen Idiome volllommen in ſich tragenden, und in- fofern fertigen. Die Iutherifche Chriſtologie hielt dieſen Dualis⸗ mus zweier in einander gleichſam gefchobener Menſchheiten, den auf ihre Weife auch die Bieffener und die Sachſen haben, aus, weit fie nicht fowohl von der Perfon Chriſti an und für fich ſelbſt ein vollfländiges Bild, als vielmehr in ihr das zum Heils⸗ amt Erforberliche fuchte. Zwar nicht mehr blos um ben er⸗ höheten, vollendeten Gottmenfchen tft es ihr zu thun, aber auch) nicht um die Erfennmiß Ehrifti von feinen Anfängen an: ſondern war im 16. Jahrh. die Abendmahlslehre ed geweſen, auf welche bie concrete Ausführung der Ehriftologie zugerichtet ward, fo ift es fett umfaffender das Werf und Amt Ehrifti, welches ebenfo- jehr feine Niebrigfeit ale feine Hoheit fordert und wofür durch jene doppelte Menſchheit geforgt fein fol. Die Freiwilligkeit und der ethifche Werth feines Leidens ift ja dadurch bedingt, daß er nicht aus Ohnmacht und gezwungen dem Tode erlag, ſondern dag er, im Beſitze göttlicher Macht, doch nicht Gebrauch von ihr machte. Aber’ diefes Bild von Chriſtus, für welches Ehrifti gereiftes Meſſiasleben die Farben lieh, unmittelbar in bie Anfänge Chriſti hineinzutragen, ift ebenfo wenig zuläßig als das Bild von der x Erhöhung ber zu enilenen. Die Lehre von der Perfon bat ein Recht, ſelbſtändig betrachtet und nicht von der Amtslehre obruirt zu werben. Erſt von ber Perfon aus wirb damn auch bie Amts⸗ lehre richtig zu formiren fein, wie die Lehre vom h. Abendmahl. Unter den amtlichen‘ Gefichtspunft liebt es bie alte Dogmatif Ehrifti ganzes Leben zu ftellen, nicht bios mittelbar, fondern un- mittelbar, womit ſchon gegeben iſt, daß er als fertiger Gott⸗ menfch von Anfang an galt und daß es nur äußerliche Rückſich⸗ ten waren, warum er erſt im dreißigſten Jahr öffentlich auftrat. Damit wäre auch fein Werden ein Schein, weil es nichts für feine Perfon erworben hätte, fondern Alles hätte er nur um Andrer 818 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt 1. Kap. 1. willen, als Leiſtung für ſie gethan. Die Abſicht dabei war na⸗ tärlich nicht, gering von Chriſtus zu denlen. Aber man erfannte noch nicht, wie auch darin eine Sofa Chriſti liegt, dag er nicht innerlich fertig von Anfang an durch ein Allmachtswunder daſtand, um fortan nur wie ein ebled Naturgewächs nach phyfifcher Noth⸗ wenbigfeit fein Inneres zu offenbaren; man meinte feine Perfon des ethifchen Proceſſes, der Berfuchung, ber Anfechtungen u. ſ. w. entheben zu dürfen, ofme zu fehen, wie dadurch auch fein Gieg die ethifche Glorie verlöre, und wie auch fein Werk unethifch den Kategorieen ber Nothwendigleit und der Macht ausgeſetzt bliebe, wenn er flatt im ernften Kampf um uns zu werben als Genofle unferes Geſchlechts, nur äußerlich die Rolle eines Gottes Geſetz ſich Iinterwerfenden gefpielt hätte. Es fehlte alfo mit Einem Worte immer noch bie Erfenntniß davon, was zum Wefen wah- ver Menfchheit, alfo aud der Menfchwerbung gehört **). ”) Es if hier der angemeffene Ort über einige Punkte in Schnecken⸗ burgers berühmt gewordener Darftellung ber orthodoren lutheri⸗ ſchen Epriftologie zu fprechen. Bereits if erwähnt, wel sin Ge⸗ wicht er darauf legt, daß, indem fie die Exinanitio und ſpeciell als Moment derfelben die Oonceptio als That der Menſchheit over doch der Sottmenfchheit denke (um dem Amte Ehriftt eine nicht blos inſtru⸗ mentale fondern autoritative Bebeutung zu geben), fie eine Menſch⸗ heit Eprifi vor der Menſchheit Iehre, Die doch erſt mit ber Con- coptio anhebt. Aber in diefem Hauptpunkt irrt Schnedenburger. Wenn der reformirte Alting den Lutheranern eine präeriftente Menſchheit Chriſti vorwirft, fo beweist Das nicht, daß dieſe fie ge: lehrt Haben. Schnedenburger, wie ex überhaupt bie großen luthe⸗ rifpen Dogmatiker für feine Darfiellung fehr wenig benützt hat, bringt feinen Beweis aus ihnen für feine Meimung auf; felbf die Schriften untergeorpneter Dogmatiler, wie Mengwein und Giſe⸗ nius, fagen nicht, was er in ihnen liest. Daß das illocale Sein der Menſchheit im Logos eine ganz andre Bedeutung hat, als bie der Praexiſtenz einer realen, ſich dann erniebrigennen Menſchheit, iſt frũher gezeigt (TI, ©. 748 f. 776 ff.). Ebenſowenig gehört die allerdings wichtige Unterſcheidung ber Incarnatio von der Exinanitio und Exal- tstio hieher (f. 0. S. 800), man wollte denn das logiſche Prius ohne Weiteres in ein zeitliches umzuſetzen fich geſtatten. Allerdings logiſch wirb die erſte Stelle der Incarnatio gegeben, well fie der allgemeinere Begriff if, der in der Exinanitio und Exaltatio erfl Schneckenburgers Auffaffung. Chriſtol. d. 17 sec. 819 Betrachten wir num noch die luth. Dogmatil sec. 17 nad dem Streit zwiſchen ben Kryptikern und Kenotikern. Se feine nähere Beftimmung erhält. Es wird gefagt, daß Menſch⸗ werdung und Selbſtentäußerung nicht an ſich identiſche Begriffe ſeien; es hätte ja, bemerkt Gerhard, bie Menſchwerdung an fi auch fo gefchehen können, daß Jeſus wie Adam gleich als fertiger Menſch hervortrat; wie fa au in der Exaltatio Chriſtus Menſch bleibt. Vielmehr fei die.Incarnatio der Grundbegriff, zu welchem fih logiſch die Exinanitio nur als ein für ihn Zufälliges, ihren Modus näper-Beftimmenpes verhalte (womit bie alte Dogmatif eine wichtige Prämiffe für die ſonſt bei ihr feltene Lehre anerfennt, daß die Menfhwerbung auch eine Bedeutung und Wehrheit haben könne ohne. Die Beziehung auf die Sünde und ohne den mit diefer erforderlichen Modus). Im Gegentpeil wird verfichert, die Incar- natio fei, was die Zeit betrifft, fo wie fie jept wirklich if, mit dem Modus der Exinanitio fimultan zu denken. Gerhard Loci Th. ed. Cotta T. III. 670. Quenflebt Systems III, 888. Sodann kommt es meines Wiffens nicht vor, daß als das Subjectum exinaniens (Subj. quod.), wie man nad Schnedenburger erwarten müßte, vor nemlich die Menfchheit bezeichnet würde, die fi in die Conceptio ergeben habe, fondern die porsona zö Adys z. 3. bei König, ber Sache nad au bei Gerhard 1. c.; oder noch häufiger wird für bie Exinanitio überhaupt die Gottmenfchheit als diefes Sub» jekt bezeichnet, wobei dann von der Conceptio abgefehen wird, weil ſich von ſelbſt verfland, daß was noch nicht da if, auch nicht han- delt, alfo die Regel gilt: a parte potiori fit denomimatio. Kömmt doch nach Menger, Beuerborn und der im Ganzen herrſchend geworbenen Gieſſener Chriſtologie überhaupt die Exinanitio zu Stande durch ein Rufen des Logos (Gerhard II, 570. 562 ff.); nicht durch Abs legung Seitens der Menfhpeit von Solchem, in deſſen Gebrauch fie geſtanden hätte, fondern dadurch, daß fie willig und ofne nad hohen Dingen zu trachten ihrerfeits iu den Logoswillen eingeht, der die Mittheilung feiner Wirkſamkeit inhibirt. Und diefe wil« lige Demuth der Menichheit, die das gottgewollte Roos will, iſt auch fo nicht ein leerer Akt, ſondern eine ſehr ernſte Sache. Denn gegen den gottmenfchlichen Gehalt dieſer Perſon, wie er durch die Unia gegeben if, bildet jedenfalls die um des Amtes willen noth⸗ wendige Nievrigkeit einen grellen, erſt am Schlufle fich löſen⸗ den Eontraft: es tft der Eontraft des Königsfohns im Knechtes⸗ ftand, der ſcheinbar wenigfiens dadurch noch fich fleigert, wenn bier fem Königsfopn von Anfang an nicht blos das Anrecht auf die Dorner, Chriſtologie. II. 2re Aufl. 53 820 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. weniger feit Demfelben die Ehriftologie bes 17. Jahrhunderts neue Gedanken producirte ober fachlich Das Problem förderte, deſto uner⸗ Majeſtät beigelegt wird (woraufungenau Schmid, d. Intherifche Dogm. Ausg. 3. ©. 294 die Lehre ver Dogmatifer rebuciten wii), fonvern wie allgemein geſchah, der innere wirkliche Beſitz. (Gerhard HI, 666.) Wenn es fi aber fo verhält mit der angeblichen Lehre der Lutheraner von einer präcrifienten Menfchheit, fo wird aud der „tiefere Gedanke“, mit dem fie follen gerungen haben, ihnen nit können beigelegt werven, „pie fpelulative Wahrheit, daß die Menfchpeit überhaupt ihre Präexiſtenz in Gott habe und ewig mit Bott wirfe, auch 3. B. in der Schöpfung; daß aber Gott fi entäußere und in fein Anversfein übergehe (Exinanitio), um Daraus zu ih zurückzulehren.“ Auſſerdem wäre diefer Gedanke nicht blos im Widerfprug mit der fländigen Lehre, daß ter Logos unver: änderlich ſei (3. B. Gerhard IN, 423 f. 562. 563.), ſondern auch mit Schnedenburgers eigner Auffaflung der lutheriſchen Chriſto⸗ Iogie, wornach das Ernienrigte (Subjectum quo) die Menfchheit ge: weien iſt und nicht die Gottheit. Ein Anpres als die fattifche Lehre der alten Dogmatik iſt die Frage der Conſequenz. In dieſer Hinfiht iſt auch von uns (©. 806 f.) zugeflanden, daß die folge: richtigſte Form Tutherifcher Ehriftologie zur Annahme einer präs exiſtenten DMafeflät geprängt werden müßte. Speculatives ligt nit ſowohl in der Ehriftofogie dieſer Zeit, als vielmehr nur in den Grundgedanken ver Epriftologie eines Luther, Breng, Ricolat u. a. Myſtiker, die aber im 17. Jahrh. nicht gefördert, fondern nur zum Theil und in fcholaftifcher Weile behauptet wurden. Wenn ferner Schnedenburger als das eigenthümlich Iutherifhe Verdienſt vie Ausbildung der Ständelehre, d. h. die Unterſcheidung des Status exinanitionis et exaltationis bezeichnet, während die Reformirten biefen Unterſchied zurücktreten Iaffen, fo erfordert auch diefes eine . Einfhräntung. Denn daß Breng, 9. Andrei, welchen Hafen⸗ reffer, Thumm, Luc. Oftander, Joh. Ad. Ofiander treu blieben, dag Lutheriſche vertreten wollen, iſt einleuchtend; aber gerade fie brin- gen es ja nicht zu einem wirklichen Stande der Erniedrigung. Um; gelehrt, die Neformirten Tönnen nicht deflen angellagt werben, daß fie es nicht zu einem Stand der Erniebrigung bringen, ſon⸗ bern weit eher, daß fie nie daruber hinaus kommen (f. o. I, 743. 749). Und fo find die Württemberger und die Reformirten, diefe beiden Er: treme, aus entgegengefeßten Gründen darin eins, daß fie es nicht zu einer ihhaltigen Unterfcheidung zweier Stände bringen. Sondern am meiften haben piefür nach Chemnitz die Gieſſener gethan. Wie Schnedenburgers Kuffaffung. — Die luth. Epriftofogen ssc. vr. 821 Ihöpflicher warb die Dogmatik in formeller Ausführung weniger inconfiftenter Gebanfen. Wir geben eine Probe oornemlich an einem höchſt fruchtbaren, weniger genau befannten Chriſtologen, der ein . Repräfentant ber Lehrbildung des 17. Jahrh. fein kann. Calov in ſehr aber au fie und bie ihnen zuftimmende Mehrzapl mit ven» felben Fehlern doch noch verflochten find, iſt gezeigt, fo daß vornemlich nur die Zendenz zu loben bleibt, eine Stänpdelepre zu geflalten, diefe aber kann auch den Reformirten nicht abge: ſprochen werden. — Es iſt endlich eine treffende Bemerkung Schnedenburgers, daß weit nicht Gott oder der Logos für fich verfühnen konnte, die Menfchheit alfo nicht als Inftrument, ſan⸗ dern als Urheberin (autoritative) fi) zu verhalten hatte, in ver Eonfequenz des Iutherifchen Syſtems die Betonung einer wahren Menſchheit Chriſti Habe liegen müffen. Daſſelbe iſt von andern Seiten her oben vielfeitig erörtert und bewiefen. Allein gerade wenn um ber Berfühnung willen eine nicht felbfilofe fonvern ur: fächlich wirffame Menſchheit von erwerbender Kraft nöthig if, fo hätte Schnedenburger auf. bie jo gut wie allgemeine Intherifche Lehre, „daß die Menfchheit in Eprifto nicht unperfönlich, fondern im Lo⸗ 808 perföntich fei, indem die Perſönlichkeit des Logos ihr mitges tpeilt ward,“ nicht ein fo geringes Gewicht Tegen follen, daß er nur beiläufig ©. 27. Anm. fie erwähnte. Noch weniger hätte ex es Philippi hingehen laſſen follen, daß berfelbe in den her: kömmlichen Irrtum einflimmt, wornacd die Lehre von ber Uns perfönlichkeit der menfchlihen Natur Eprifti die Intperifche wäre. Sthnedenburger hat ganz Recht, daß es verkehrt ift, mit Phi⸗ lippi auf die Unperſönlichkeit, dv. h. Unvollſtändigkeit menſch⸗ licher Natur Chriſti Stellvertretung für uns bauen zu wollen (ich begreife daher nicht, wie er auch mir dieſe Anfiht hat zuſchreiben tönnen, die ich fihon mehr als einmal beftrittien habe): aber warum hat Schnedenburger nicht dieſe Meinung Philippi's aus den alten Intherifchen Dogmatifern widerlegt, bie gegen Refor⸗ mirte und Katholiken aufs Beſtimmteſte darauf ein Gewicht legen, daß Chriſti Menſchheit nicht dürfe unperfönlich gebacht werben ? So Aeg. Hunnius de Persona Chr. ©. 48., fo Th. Thumm de majest. Jesu Christi 1621. ©. 26. 27. 52. 53: die Menfchheit, an fih un⸗ yerfönlich, werbe perfonirt durch den Logos und fubfifire für fi wie andere Wefen, fo daß actus personales auch von der Menfche heit auszufagen feien, ja an biefen (S. 29) auch ber Leib Theil nehme. Achnlih B. Menker, Calov Systema VII, 204 ff. 1677, fowie veffen Examen doctrinse publicae ecclesiarum reformatarum 33% 822 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt 1. Kap. 1. feinem Syſtem (Tom. VII, 1—737) behandelt die Christognosia in 6 Artifeln: 1. Bon Gottes Erbarmung; 2. von ber Sendung des Gottesfohnes auf bie Erde; 3. von ber hypoſtatiſchen Ber: einigung ber zwei Naturen; 4. von dem Werf, 5. von bem doppelten Stand Ehrifti; 6. von den Stufen ber Erniebrigung und Erhöhung. Der dritte Artikel führt aus (S. 200-420), durch den Sincarnationsaft des Logos werde ein Zuftanb ber Unio hypostatica, eine communio und communicatio personae et naturarum bewirkt ®°), fo daß nicht blos Ausfagen über feine et syncretismi cum orthodoxis in Artic. de Persona Christi 1663 ©. 118-137. Gerhard I, 422-427. Bgl. die folgende Anm. 3%) &. 200: Unio hypostatica vel Personalis est duarum naturarum con- junctio, arctissimam et indissolubilem mutuam naturae divinse et hums- nae prassentiam et communionem aflerens. Nachdem er dann aus geführt, diefe- Unio fei nicht blos notionalis noch virtualis, fondern realis, substantialis, nicht dymoıs oyerıny — relativa wie 3. B. bie Ehe —, noch verbalis, accidentalis oder wapagrarıny, nicht blos narz tavroßsilav, onovorar, auwägysıy, avdonlay oder eoncursus ad eundem effectum, aber auch nicht unio zara auyyvar, midskır (l. e. wie genus und species) ustausppacır, neraßolgr, Mpocdecır (asseris instar), aAAolnsıy oder gvpuor (ähnlich wie Gerhard IIL, 423 ff.), geht er zur Frage über: ob Gottes Sohn feine ewige unendliche Derfon ver Menſchheit wahrhaft mitgetheilt Habe? Nachdem er aus: geführt, wie die Jeſuiten (Bellarmin de Chr. L. II, 9) und viele Calvi⸗ niften aus der unio personalis nur eine sustentatio der menfchlichen Ras tur durch den Logos machen und ausdrücklich läugnen, daß des Soh⸗ nes Gottes Perſon oder Majeftät real der menfchlichen Ratur fei mit⸗ getpeilt worden (fo die Cryptocalviniſten in Wittenberg, Joh. Pisca« tor, Sadeel, Trelkatius, Alfted, Sam. Marefius, Wenpeliu) zeigt er, daß ohne die communicata personalitas die DMenfchheit nur von dem Lo⸗ 509 getragen würde wie wir, actu secundo als ein Geſchöpf; daß aber vielmehr fhon Luther fordere, der Sohn Gottes müſſe ſchon actu primo als Menſch gedacht werden, nicht blos als die Menfchheit fuflentirend actu secundo, und es fei zum mindeflen ber menſch⸗ Iihen Natur eine obedientialis capscitas finiti ad infinitum zuzu⸗ ſchreiben; endlich, daß der Menfchheit Chriſti actus personales zu⸗ fommen, alfo ihr die subsistentia communicirt fet (S. 209. de Pers. Chr. 127. 128). Auch viele Reformirte, wie Zanchi, Bere, Polanus, Sohn, Scharpius, Maccovius, Waläus, Ludw. Erocius, Alting beiennen , daß die Menſchheit vom Logos perfonirt wird. A. Ealov. 3. Gerhard. Quenſtedt. Meisner. Hollaz. 823 Perſon, wie: der Menſch ift Gott, Gott Menſch (propositiones per- sonales), berechtigt feien, fondern auch bie reale Communicatio idio- Zwar ſei die Menfchpeit Feine Yerfon für fi; die Hppoſtaſe, fomme primario et per se ber göttlichen Natur zu; aber um ber unio personslis willen ſei biefelbe Hypoſtaſe auch der Menfchheit mitgetpeilt und komme ihr ald possessio, usurpatio und denominatio zu. Nicht durch transfusio, fondern dur myſtiſche communicatio fei vie hypostasis Alii dei auch hypostasis ver menſchlichen Ratur geworben, fo daß die zwei Raturen eine und dieſelbe Hppoſtaſe haben. Die menfhlide Natur iſt nicht persona aber natura vmooraon, personata geworden. Ganz ähnlich Gerhard LI, 421 427. Die Hypostaeis Filli fei das dvomow» in biefer Perſon: nach der Incarnatio ſei fie bypostasis duarum naturarum. Quen⸗ ſtedt MI, 77. 86. Die Anypoflafie der menfchlihen Natur für fih gedacht fagt nicht aus, daß fie je fei unperfönlich geweſen, fondern im Logos war fie perfönlih von Anfang (evuno- oraros), 1. e. particeps subsistentiae tõ Aoys. Aehnlich die ans "vern. PHollaz nennt diefes eine reiche Compensatio für bie — menſchliche Yerfönlichkeit. Dabei wirb aber immer daran feflge- halten, daß. die divina persona nichts der Menfchheit Fremdartiges fei. Balth. Meisner freilich in f. 50 chriſtol. Difp. (Christolo- gis sacra 1673. ©. 80) befchränft diefe communicatio personae we⸗ fentlih. — Iſt nun aber, wird von Calov fortgefahren, die Perfon ded Logos zur Berfort der menfchlichen Natur geworden, fo if fie in diefer als ihr Eentrum und nicht auffer ihr (Logos non extra carıuem, Calov. de Pets. Chr. ©. 78 ff. System. T. VII, 225 ff.); - denn das Extra verfeßte ung wieder in den Raum; die unio hyp. aber if absque locali eommensuratione vel circumscriptione adıa- .orroc vorhanden (de Pers. ©. 93). Nach ihrer Natur (actu naturae) kann die Menſchheit äußerlich umfchrieben fein, wenn gleich ihr actus personaHs, wodurch fie illocal im Logos fubfifirt, macht, daß fie nicht actu von außen umfdrieben wird und in Einen Ort eingefchloffen if (S. 96). — Wie nun aber die Hypoflafe des Logos ber menfiplichen Ratur zu eigen wird, fo werden auch bie Raturen beide einander eigen. Es befteht vera et realis naturarum . communicatio, nit blos communto. Die msgıyueras ift die Ber: mittelung. Divina natura humanam intime et. profundissime per- meat, inhabitat, perfleit sibique appropriat, ut particeps flat vere a0 realiter fpsius humanae naturae; haec vero ita inhabitatur "ac perfl- _ eitur a divina naturs, ut et ipsa ejusdem Bat particeps cum omni ejus plenitudine. De Pers. 167-192. Syst. 284 ff. Sp fann nun 82A Zweite Periode. Dritte Epoche. Abfehn. L Kap. 1. Comm. idd. matum begründet werde 2%. Die alten Dogmatiker verweilen aber von diefer Menfchheit, welche die göttliche Yerfon und Natur zu eigen erhalten hat, auch gefagt werben, daß in Eprifto der Menfch . Bott wie Bott Menih if. Bet diefer Gelegenheit wird dann auch ausführlich die Meinung befämpft, daß bios bie persona, nicht auch die natura Alil dei Incarnirt worden fei. Die Yerfon bes Logos und feine Natur feien real und einfach Daffelbe (de Pers. ©. 158. Gerhard III, 440). Zwar im innern Eompler der Gottheit gebe es eine Mittheilung der Ratur ohne die ver Hypoftafe, für Mit« theilung ber letztern fei nur ad extra eine Stelle an bie natura hum,, . aber es könne die Hypoſtaſe nicht ohne die Natur mitgethellt were den. Das fei von dem Begriff der Hypoſtafe gefordert, denn der Mo- dus nequit esse extra et citra naturam suam ; die unio trennt nicht die persons bon ber natura. Calov. de pers. ©. 166. VI. Das erkennen auch Polanus, Urfinus un. A. an, wenn die NReformirten gleich meift feine unio der Naturen unter fi) zugeben, fondern nur eine unio in ber Perfon. So Daneau, Zanchi, Sabeel, Trelcatius, Marefius; von römifcher Seite auffer ven Aeltern, wie Tho⸗ mas Aq., Ad. Tanner, Bellarmin, Suarez. — Doc auch in ver lutheriſchen Kirche fehlte e8 sec. 17 nicht an Solchen, welche ſag⸗ ten: bie Persona, nicht die essentia Alit dei fei incarnirt, weil ſonſt auch Bater und Geift ihrer ossentia nah, die ja gemeinfam fei, incarnirt wäre. So auffer Calixt (Calov Syst. VII, 150) aud Joh. Hildebrand und Rirner, vgl. Wald Rel.»Streit. inner: balb d. luth. K. IV, 840, wogegen Deutfhmann auftrat, ber mit Calov (Syst. VII, 150) fagt: die göttliche Natur ſei, nicht infofern als fie Vater und h. Geifte mit dem Sohn gemeinfam fei, fons dert ſofern fie in der persona filii dei fubfiftire, Incarnirt worden. Das führt auf den von Aeg. Hunnius ausgefprochenen Gedanten, daß die trinitar. Unterſchiede fih auch in den Eigenfhaften ab- fpiegeln, d. h. daß die Hppoſtaſen daſſelbe Wefen haben, aber jebe unter ihrem Character hypost. 6) Die drei gradus der Communic. bei Chemnitz werden fpäter in drei genera oder classes verwandelt (von den Zübingern in vier, f. o.) und oft die Ordnung geändert, jedoch nie ganz gleichmäßig feſtge⸗ ftelt. Gerhard II, 472 ff.: 1. Die Prädikate beider Naturen werden ausgefagt von der Perſon; 2. die göttliche Natur theilt ihre Zdiome an die menfrbliche mit (genus maj.); 3. genus apotel. .Calov Theol. Posit. 1682. ©. 827. Syst. VII, 290 ff. unterfeheivet zwei Hauptgattungen, von welchen die erfte wieder in zwei Arten zerfällt. 1. Bon Seiten der Ratur gefchieht eine Mittheilung an bie Perſon; a) von einer Natur an die Berfon; 3. B. Epriftus Salbung. Gerhard. Calov. Die calixt. Schule Quenſtedt. Baier. 825 hat gelitten, oder der Sohn Gottes hat gelitten, oder der Menſch Jeſus Chriſtus iſt allmächtig. Hier haben reſtrictive Partikeln ihre Stelle, z. B. Chriſtus oder Gottes Sohn hat gelitten nach ber menſchlichen Natur; b) von beiden Naturen an bie Per⸗ fon (nad Leo's Wort: utraque natura agit quod cujusque est pro- prium cum communicatione alteriu). ©. 294. Diefes iſt das ge- nus apotelesmaticum ober die nomwonoimas. 32%. Die zweite Claſſe oder dritte Art betrifft die Mittheilung a natura ad na- turam; Genus majestaticam ober augyuarıxov, indem zwar nicht eine meradooıs, neranoıa menfchlicher Eigenfchaften an die gött- liche Ratur, aber eine neradooss göttliher Eigenfchaften an bie menſchliche flatt finde. Jedoch nur bie evapyırıza ldmnara, nicht die operationis expertia werben nad Calov mitgeipeilt zum Sebraud ; zum Befiß Krĩdic) aber alle. ©. 299. (Theol. Pos. 832 fheint Ealoo überhaupt nur die erflern als mitiheilbar zu feßen.) Aehnlich dann 3. B. au Quenſtedt II, 102. Baier u. .: Nur die operativa Werben zur usurpatio und praedicatio immediata mitges iheilt. Aus der Communicatio naturarum et personae folgt die eommunic. idd. von ſelbſt, da auch nach Calov bie idiomata nichts Anderes find, als bie Raturen ſelbſt. Während Ehemnip bie beiden erfien Gattungen noch als auffer dem Streit mit den Reformirten bezeichnet Hatte, fo dehnt Salon nach feiner Art den Krieg fiber alle brei Genera aus und greift den Reformirten Berg, der deßhalb ſich über. Iutherifche Logomachieen befchwert, heftig. an. ©. 816. Es verfteht fih auch von ſelbſt, daß einerfeits zwar gefagt wird, bie Eigenfihaften feien pas Weſen, bie Naturen theilen fih an eins ander mit, fo daß z. B. der menſchlichen Natur die göttliche zus kömmt (sompetit) durch die Unio, daß aber andererfeits doch dabei bebarrt wird, die beiden Subflangen bleiben unverändert für fi, jede behalte ihre natürlichen idiomata. Diefe Eigenfchaften werben zum wirflichen Befiß im der Unio; usurpatio plenaria tritt ein in Chriſti exaltatio; fie find wirklich göttliche, unendliche, der Menſch⸗ heit zu eigen geworbene, wenn auch nicht formaliter ihr inhärts rende Eigenfchaften ; das monror dexzınor derſelben bleibt die Gott: peit. Daher werden fie auch weit unterſchieden von den hohen Borzügen, welche die menſchliche Natur in Chriſtus an ihr felbfl hat (dona habitualia excellentissima, sed finita). Die Salbung Eprifti erfennt Calov Syst. VII, 445 ff. als Salbung mit dem HI. Geifte an; aber fie bezeichne dona infinita, wofür er ſich auf Joh. 3, "84 beruft, nicht wie die Reformirten wollen Anita. Wie-fih nun dieſe dons infinita Spiritus 9. zu den vom Logos communicirten Idiomen verhalten, gibt er nicht näher an. Nur wird verfihert, die Unctio fei nicht die aeterna generatio, noch mit ber unlo hypo- —_ — — — — 826 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſch. L Kap. 1. Rägere Durdarbeiig. nicht gleidymäßig bei allen göttlichen Eigenſchaften 7), fonbern neben der Allgegenwart nur bei der Allmacht und DBelebungsfraft umb der Altwiffenheit, ohne dabei zu einem hellen zuverfichtlichen oder der urfprünglichen Tendenz gerecht werbenden Ausprud zu kom⸗ men. Im Gegentheil erfährt fon im 17ten Jahrhundert bei näherer Durcharbeitung bie Communic. idd. manchfache Reftric- tionen ). Namentlih bat unter den lutheriſchen Theologen statica zu vermifchen, was Frühere fagten, noch trete fie erfi ein mit der Taufe, fondern fie falle der Zeit nad zufammen mit der eonceptio, aber der Sache nad fei fie ein Moment für fig, nem: Hd die Austattung für das Amt. ©. 449 f. Wir haben. diefe Lehre nach Calov, von welchem 3. B. Quenſtedt vielfach abhängig iſt, dargeſtellt, weit er bisher faſt gar nicht berüdfichtigt if. Aber ganz ähnlich verfahren auch Joh. Gerhard, Scherzer, Quenfledt, König, Baler, Hollaz; nur daß das genus apotel. als drittes ges nannt zu werden pflegt. 3, Vornemlich die operativen Eigenſchaften göttlicher Majeftät kommen in Betrat. Vgl. die vor. Anm. Die eth iſchen Eigenfhaften Gottes, auf welche Luther ein fo großes Gewicht Iegte, daß er darin Gottes innerftes Wefen fah, werben, was bezeichnend iſt, kaum berührt (bei Gelegenheit der potestas judicii extremi durch den Gottmenſchen); man intereffirte ich nur für die metaphyſiſchen und fah in ihnen die göttliche Majefät. > Der Antheil der menſchlichen Natur machte auch bei den einen Eigenſchaften mehr Schwierigkeit, bei den andern weniger; 3. 8. bei ver Allmacht weniger als bei der Allwiffenheit und Allges genwart. Denn jene konnte als die bloße Möglichkeit gedacht werden, die von dem actuellen Gebrauch, von dem Weltregiment . wohl zu unterſcheiden und mit der Exinanitio vereinbar fei. (Doch fagt Calov de pers. Chr. 316, fie ſei der Menfchheit Chriſti fo zuzuſchreiben, wie fie wahrhaft unermeßlih dem Logos weſent⸗ Lig zufomme, mithin nicht als bloße Macht über die Welt, fon: "dern als abfolute Macht ©..318, mit der Kraft, and lebendig zu maden, ©. 373—401, wohin auß- feine Wunder und die Sün« benvergebung gerechnet werden, ©. 382—386). Dagegen die All: wiffenpeit ift nach ver gewöhnlichen Auffaffung an ihr felbft nicht die bloße Möglichkeit, Alles zu willen, fonvern das wirkliche Alles⸗ wiffen. Man unterſchied zwar auch bei ihr zwifchen der Kraft der Altwiffenpeit und deren Gebraud (dem actus primus und secundus) ; die göttlihe Natur habe ſtets beides, die menſchliche an ſich feines von beidem, jedoch mit dem Logos vereint habe fie im erhöhten d. Comm. 1aa. sec. 17. Allmacht. Allwiſſenheit. Calixt. Ealov. Pfaff. 827 Georg Ealirt die Unhaltbarkeit der Chriſtologie ſowohl ber. Zuſtand Anthell an beidem. Für den Stand ber Erniebrigung wurde nie geläugnet, daß fie nach ihrem eigenen (habitualen, ſub⸗ jectiven) erfafrungsmäßigen Wiflen zugenommen, alfo Einiges nicht gewußt habe; aber, fragten Einige, was bliebe von Mit: theilung der Allwiffenpeit übrig, wenn die Menſchheit, mit dem Logos vereint, nicht auch den Gebrauch der Allwiffenheit haben folte, fei e8 auch verborgen? Denn ein blos potentielfes Alles wiſſen iſt doch ein actuelles Nichtwiſſen, das Wiſſen erifiirt nur im Actus, die bloße Kraft, alles erfennend zu umfaflen, hat vie menſchliche Ratur auch fon an fi ohne Comm. 1dd. So fagte man: die Menfchheit Ehriſti habe auch auf Erven vereint mit dem flets alles wiſſenden Logos alles flets actuell gewußt, zwar nicht scta naturae, aber personae: Was aber Eprifius actu per- sonse ſtets xsyos nder actn primo wußte, deſſen Gebrauch (actu seeundo) habe er nach ber natura hum. aufgegeben. (Vgl. die Diss. unter Joh. Fr. Mayer 1707 de omniscientia carnis Christi nihil igno- rante, von Pylius). Allein daß die Perſon allwiſſend und die Menſch⸗ heit mit der Perſon verbunden war, gaben auch die Reformirten zu. Daher Calov fagt: Die Allwiſſenheit des Logos komme der Menſch⸗ heit nicht blos zu per identitatem personae, fondern durch eine wahre und reale Theilnahme, fo daB nicht bios der Menſch Zefus (durch die Perfon des Logos), fondern auch feine Menfchheit all: wiffend heißen müffe kraft der unio. Allervings aber habe er bie weſentliche Weisheit, die er auch nach der menfchlishen Ratur flets befeffen, nicht immer, fondern nur fo gebraucht, wie und wann er wollte. Eigentlich aber gebt dem Calov hier der Beſitz nothwendig in den Gebrauch über over in das wirkliche Wiflen; ähnlich wie Thumm gelehrt hatte Majestas J. Chr. Hsardg. 1621. ©. 195 ff. 268 ff. Denn Ealov meint: fage Iefus, daß er den Tag des Gerichts nicht wiffe, Marc. 13, 82. fo beziehe fih das nur auf das feiner Menſchheit an fich, ohne die Comm. idd. zukommende Wiffen, als - welche fie freilich gar nicht mehr real exiſtirt. Wienun aber für ein menfehliches Erwerben des Willens. noch Raum ſei, wenn diefelbe Menfchheit von Anfang dur die ihr mitgetheilte Perfon ſchon wirt: lichen Beſitz der Allwifienpeit Hat, während doch die Yerfon als Yerfon des Logos eine Entäußerung nicht erfahren Tann, darüber erhalten wir keine Auskunft. CH. Mattd. Pfaff bemerkt au mit Recht, Altwifienheit, wenn fie da fet, fei im Gebrauch da. Iſt fie au nur fertiger Beſitz, fo iſt für ein Erwerben von Wiſſen feine-Stelfe mehr. - So warb man entweder zur Tübinger Eon» fequenz gebrängt (ver xovvich oder.aber zum, Ballenlafien auf des 828 Zweite Periode. Dritie Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. Comm. idd Tübinger als der Gießener und Sachſen erfannt und bie Lehre volllommenen Befibes von Anfang an. Das Iehtere vollzog ſich sec. 18. Dagegen sec. 17 wird, wo man folgerichtig verfährt (wie die Tübinger), auch jegliche ſelbſt relative Löslichkeit der Factoren in Chriſti Perſon, die zur Entwidiung und wahren Menſchheit gehört, in Abrede geftellt. In Epriftus ift nicht ein auch nur momentanes Borangehen des Wiſſens vor dem Wollen oder umgelfehrt, fondern die Bildung von Entfchließung, Ueberlegung (npoaigeaws) hat keinen Raum in ihm, da es ein zeitweiliges Nichtwiffen, nicht Bedacht⸗ haben vorausfeßte. (So Thumm 1. c. ©. 265.) Ebenfo ſei au Veinerlei Antagonismus zwiſchen Ehrifti fenfueller Natur und zwi⸗ fen feinem Bernunftwillen, fonvdern nur eine fiete unmittelbare Eonformität feines Willens mit feinem Wiſſen. Luthers Worte (f. 0. 8.561 ff.): Chriſtus hat wie ein anderer reiner heil. Menſch nicht zu aller Zeit Alles gedacht, geredet, gewollt, erfannt u. f. w. werden entfchulpigt oder künſtlich umgedentet. (S. 262.) Er rede hier nur von der Menfchheit an fi, wie fie wäre abgefehen von der Unio. Ja auch die capacitas der menfchliden Ratur für die göttlicde wird fo beſtimmt, daß fie nicht physica fei, fondern durch die Wirkung der Gnade, die doch nicht fein kann vor der Empfänglichfeit ver menſchlichen Natur, durch bie unio personalis und um verfelben willen (S. 188. 264), wodurch dann dieſe Capa- citas ihre Beziehung auf die Domoufie mit ung und auf die Er» Härung der Möglichkeit ver Incarnation völlig verliert, ba fie vielmehr ſelbſt der Menfchheit Chriſti erfi wunderbar einerfchafs fen oder erft nach der Unio, weil burzh fie, zukommt. Wo möglich if, noch größere Schwierigkeiten brachte die Allgegenwart. Schon die Tübinger wollen nur eine illocale Allgegenwart ver Menſchheit Eprifti bei dem AU, ohne die göttliche Unermeßlichkeit, ohne Aufhebung der menfchlichen Gliederung, Symmeirie, Umſchrie⸗ benheit; ja fie geben auch je nach der Verſchiedenheit der Welt⸗Ob⸗ jekte eine mehr oder weniger innige Gemeinfchaft der Menfchheit mit ihnen zu. Sie fagen-aber: fie fei durch den Logos, der fie überall bei fih hat, wo er if, und dem das AH nur ein Kleines ift (Jeſ. 40, 17), Allem gegenwärtig (hoc omnipraessentiae divinae tota ple- nitudine totaliter tota humana natura Christi particeps facta est Thumm Maj. 187 ff. 172 — 194. 235) und zwar essentialiter. und repletive, nicht blos durch Willen und Fernwirken; wie ja auch bie unio mystica nicht blos Gemeinſchaft mit Chrifti Willen ſei. Ihr Sauptbeftreben if, Chriſti Menfchpeit nicht als eingeihloffen und gefangen vom Raum, fondern als frei Alles umfangend zu den⸗ fen, und fie geben ſich Mühe, nicht die Beſchränktheit von auſſen als —2 _y seco. 17. Allwiſſenht. Allgegenwart. Ealov, Behmann, Bubbeus. 829 ein wefentliches Merkmal des Körperlichen aufzuzeigen, ſondern nur Umſchriebenheit überhaupt, die fih aber auch als Selbſtbeſtim⸗ mung des an fi Illocalen denken laſſe oder als Ebulliren der Ge: flalt aus dieſem (S. 238). Aber ſelbſt Calov, der Nepräfen: tant der fächflichen Orthodoxie, betont: dieſe Allgegenwart fet nicht als nadte substantialis adessentia, fondern auch als operativa zu denken; und jene verfchiedenen Stufen ver Nähe reducirt er auf die Unterſchiede ver operationes potentise, gratiae, gloriae. Die xrqᷓouc diefer omnipraesentia habe bie Menfchheit Chriſti ftets gehabt, aber erfi feit dem Sitzen zur Rechten Gottes den vollkommenen Ge: brauch dieſer operativen Allgegenwart ohne Unterbrechung. Calov de pers. Chr. 401—438. Syst. VII, 864. Quenſtedt III, 185. Die Meiften legen das Hauptgewicht auf das praesentissimum et poten- tissimum dominium der Menfchheit, ftellen auch gerne die Sache fo . dar, als ob fie ver Menfchheit Höheres zulegen wollten alg die Tübins ger, indem fie nicht von bloßer nuda adetsentia, fondeen von opera- tio der Menfchheit reden. Behmann bemerkt fogar, Ehrifi Menſch⸗ beit fei allgegenwärtig durch ihr Wiffen, ihre Macht und Wirkung, - aber was vie fubftantielle Allgegenwart anlange, die allerbings Gott zufäme, fo verhalte es fich mit diefer Eigenfchaft anders als mit der Allwiffenheit oder Allmacht. Denn zwar durch eine und diefelbe, ber Zahl nach identiſche Macht und Weispeit fei die göttliche Ratur und die menfchlihe allwiſſend und allmächtig; ähnlich bed andern At⸗ tributen. Dagegen könne die göttliche und die menſchliche Ratur nicht allgegenwärtig fein durch eine und dieſelbe Allgegenwart, fondern nur durch eine verfchiedene, denn bie Gegenwart ‚bezeichne das Seyn felbfi, das Seyn eines Dinges aber fei mit der Ratur und dem Wefen deſſelben iventifch, die Selbigfelt der Allgegen» wart beider Raturen brächte alfo auch die Selbigfeit der Eriftenz und des Wefens beider, Eutychianismus. Während daher der göttliden Ratur eine nothwendige Allgegenwart bei den "Ereatus ren, wenn fie find, augufchreiben fei, dürfe die Allgegenwart menfchlicher Ratur nur abgeleitet werven theils aus der Allmacht, theils aus dem Willen, nämlich fofern beide fih auf die menſch⸗ liche Natur ſelbſt (actu reflexo) richten. (Bechm. Annotation. uber. in Compend. Leonh. Hutteri 1690. Loc. II. ©, 158 ff. bef. 173.) Hiemit hört aber die Allgegenwart der Menfchheit fchon auf, eine Rändige Eigenfchaft verfelben, unmittelbar mit der unio personalis gegeben zu fein, fie if vielmehr damit ſchon eine Wirkung und That des Gottmenſchen, wenn gleich eine fih auf feine Perfon feibft beziehende, vermittelt Durch fein Wollen und Können, und durch dieſe Bermittlung nicht mehr den andern Eigenfchaften coor: dinirt. Auf die Selbigkeit der göttlichen Eigenfihaften im Lo⸗ 830 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt J. Kap. 1. von der Comm. idd. überhaupt einer Kritif unterzogen ®®), bie g08 und in ber Menfchheit, im Gegenfab gegen alle geminatio, war, gegen Brentz, beſonders Ehemnig gerichtet geweſen. (Bgl. auh Calov de pers. Chr. ©. 344. Syst. VII, 858 fl. Hollaz Exam. Theol. scroam. ed. 1789. P. III, &. 137.) Auf ihr beſteht auch Buddeus Instit. Theol. dogm. ed. 2. 1724. ©. 769 ff. wieder, und fagt, daß dieſelbe Inftanz, die Behmann gegen die Selbigleit und Einpeit der Allgegenwart kehrt, fih gegen alle Attribute Lehren ließe, da fie re ipsa ab essentia divina realiter non .differunt. Es bricht mit der doppelten Allgegenwart ein Satz der altichwäbifchen Chriſtologie wieder hervor (f. o. II, 677. 684), aber in anderer Ten» denz, indem fie mit dem wirklichen Antheil der Menſchheit an ven göttlicgen Eigenfchaften mehr Ernft gemacht hatte. Buddeus leiſtet aber nichts zur Köfung der Schwierigfeit; er fagt nur, die Menſch⸗ heit habe die Allgegenwart anders als die Gottheit, Obwohl er bes kannte, daß fie mit der immensitas und ber göttlichen essentia identiſch fei, läßt er doch der Menſchheit zwar nicht nuda adessentia aber die adessentia operativa im firengen Sinne zufommen und zieht fih nur auf das Geheimniß zurüd. — Bech mann wendet ferner auch eine Unterfcheivung an, wofür fhon Thumm 1. c. ©. 266 einen Vor⸗ gang bildete, zwifchen ben srspygrına, welde immediate und deno- minanter übertragen werben und ben averdeyysa, bie nur mediate, indenominanter es werden. Er fagt ©. 158: nicht alle ver Menſch⸗ heit mitgetheilten Eigenfchaften können auch von ihr prädicirt werben. Antheil habe fie an allen, da fie den Logos in ſich trage; aber an seternitas, immensitas nur mittelbaren. Nur dasjenige fönne auch von ihr felbft prädicirt werden, was ihrem Begriff nicht widerſpreche. Die infunitas aber oder immensitas und aeternitas für fi, bie mit dem Weſen Gottes felbft real identiſch feien, wibers ſprechen? der Menfchheit als endlicher. Hierin. ſcheint zu liegen, baß die andern im eigentlicheren Sinne mittpeilbaren Eigenfchaften nicht eigentlich Gottes Weſen feien. Allmäplig wurde von allen rus henden göttlichen Eigenſchaften (avevdeyıra) gelagt, daß die Menſch⸗ beit nur mittelbar an ihnen Tpeil habe, nemlich durch die wirkſamen hindurch. Guddeus 1. c. ©. 765.) Daran aber fehloß fh bald das Weitere, daß die menſchliche Natur nicht unmittelbar und in concreto naturae, fondern nur in der Yerfon Antheil an den goͤtt⸗ lichen Eigenfchaften habe, was der reformirte Lehrfah tft. Bel, G. Calixti Epitome Theol. ‚posit. 1819. ©. 140—153. And Dreier, fein Schüler, hat Erörterungen über die Perfon CEhriſti geſchrieben. Reftrietionen der Comm. idd. — Ealirt 831 trog des Widerfpruchs von Abrah. Calov und Hälfemann 9 dazu mitwirkte, das Zugeſtändniß einer nothwendigen Befchränfung ber Comm. idd. gemäß dem Unterfchiede der wirkenden und ber nicht wirfenben göttlichen Prädikate immer allgemeiner zu machen *). Noch mehr bat der gefcheiterte Verfuch, den Calixtinismus als auffer der Tutherifchen Kirche ftehend zu erklären, dazu bei⸗ getragen, die Hegemonie der Wittenberger nach dem Streit mit ben Zübingern, ja.bie Kraft der alten orthoboren Theologie überhaupt zu brechen und ihr das Vertrauen der Kirche zu ents ziehen: wiewohl Calixt felbft nichts Beſſeres zu geben ge: wußt hat'?). Don der religiöfen Kraft und Innigkeit Luthers weit abe fiehend, gewöhnte ſich die ihrem Intellectualismus verfallene Theologie sec. XVII unwillfürlich immer mehr, fih Gott und Welt an ſich, ähnlich wie der Deismus als abfolut und im We: fen gefchieden zu. denken, ein Dualismus, ber nur durch ſchlecht⸗ 0) Abr. Calov. Syneretismus Calixtinus 1655. ©. 281 ff. Hülfemann, Galirtin. Gewiffenswurm. 1654. Consens. Repetitus dei vere luthe- ranae ed. Hencke. #1) 3. 8. Hollez. Examen III, 186. ad immediatam praedicationem find nur die vsgygena der Menfchpeit geworden. Vgl. Anm. 38. 2, Er fagt: Da die Lutheraner, befonders die Sachſen, die göttlichen Prädikate der Menfchheit nicht formaliter und secundum intrinsecam denominationem zufehreiben wollen, fo feien fie offenbar nur se- cuudum extrinsecam denominationem von {hr auszufagen. Der alte Sinn der Comm. idd., wie ihn die Scholaſtiker und Melanchthon auch Luther in der Sqrift von den letzten Worten Davids ver⸗ ſtanden, beziehe ſich nur darauf, daß die Perſon alle Prädikate ber Naturen babe. Was die ſpäter hinzugekommenen Genera Comm. idd. beireffe, fo fei zu unterfcheiden zwifchen ven dona croata, weiche die Menfchheit wahrhaft als ihre eigenen habe und ben increata, die fie auch habe, nemlich fofern die persona fie habe und der Logos in der Menfchheit und dar fie ald Organ wirke. Die Perfon des Logos fei aber unmittheilbar. Ja er will nicht eins mal von einem Zueinanderfihneigen der beiden Natureh (pro-- pendere) etwas wiflen; auch in Chriſti Menfchheit feien nicht zwei Seiten neben einander, die urfprüngliche menfchliche und eine angeeignete göttliche, fondern durchaus fei bei dein ewigen Unter: fhied beider Raturen zu bleiben; der Wille des Logos bleibe 832 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. Erneuerung bin fupernaturale Alte durchbrochen werden fanı. Der ſignifi⸗ fantefte riftologifche Ausdruck hiefür ligt darin, baf ber Sag von ber Capacitas hum. nat. für bie divina dahin umgebeutet wird: Die Incapacitss der Menfchheit fei Durch göttliche Macht wirfung in Capacitas verwandelt, nemlih in Chriſtus. Wie ganz anders noch Ph. Nicolai, ber in den Gläubigen unb ihrer Gottesgemeinſchaft, unbeſchadet der Einzigfeit Chriſti eine Analogie für die Unio in Ehriftus fah! *%), Wenn die Menſch⸗ beit in Chriftus erſt Durch einen wunderbaren Aft für die Ge meinfchaft mit der göttliden kann empfänglich gemacht werden, die Menfchheit auffer ihm aber für, das göttliche Leben nicht empfänglich ift, fo ift feine Menfchheit von ber aller andern wefentlich, ja in dem Hauptpunkte verſchieden, alfo feine wahre Menfcpwerbung; und kommen etwa auch die Bläubigen durch einen ähnlichen magifhen Wunderaft ohne alle Anfnüpfung an ein Höheres in ber allgemeinen Menfchennatur zu einem Antheil an göttlichem Leben, fo find von ben Chriſten gleichſam als Pneumatifern die andern Menfchen als eine andere Wefenflaffe gefhieden. Wird aber fo aus der allgemeinen Capacitas der natura h. eine allgemeine und urfprüngliche Incapacitas, wozu bann noch bie Heftigfeit bes Gegenſatzes gegen die reformirte Chriftologie an biefem Punkt? Die Capacitas fagt da nicht mehr eine Befchaffenheit der menfchlichen von Gott frei gewollten Nas tur aus, fondern nur das Factum, daß der Logos in der Menſch⸗ heit ift, und dieſe feiner Machtwirkung, wodurch fie wider ihre Natur — eî e — rein göttlich, ver Wille der Menſchheit rein menſchlich; eine Ver⸗ mittlung beider zur Einheit des gottmenſchlichen Willens ſucht er nicht. So theilt er alſo nicht blos die auch von ſeinen Gegnern erneuerte Vorſtellung von einer weſentlichen Gegenſätzlichkeit bei⸗ der Naturen, ſondern er zieht daraus ſolgerichtiger auch die re⸗ formirten Schlüſſe. Den lutheriſchen Grundgedanken läßt er fallen und bezeichnet daher keinen Foriſchritt. Dagegen weiß er beredt und treffend darzulegen, daß der chriſtol. Lehrunterfchied zwifchen Reformirten und Lutheranern zu einer Kichenfpaltung nicht be rechtige. #2) Duenftedt, der fonft einen lebendigeren Gottesbegriff hat, läßt diefen der Chrifologie wenig zu Gute kommen. b 7 d. dualiſt. Faſſung göttl. u. menfchl. Nat. — Umdeut.d. Capac. nat. bt. 833 ihn capit, nicht wiberfiehen fan. Betrachten wir dieſes noch von einer verwandten Seitel Obwohl der Sag ſtehend wieberfehrt, daß die göttlichen Eigenfchaften zugleich das Wefen feien, fo ficht fi doch die Dogmatif, welche auch innerhalb der Unia den abr foluten Wefeng- Unterfchied der Naturen fefthalten will, dazu gebrängt, entweder die göttlichen Eigenfchaften nicht als wirklich ber Menfchheit zu eigen geworden, oder aber, fofern fie ber Menſchheit wirklich mitgetheilt werben, biefelben nicht als gött⸗ liches Wefen zu denten, fondern biefes Wefen als unterfchieben von ben eigentlich mittheilbaren Eigenfchaften in den ruhenden Attribu⸗ ten Gottes zu finden. Dadurch aber wird, wenn nicht zu einer boppelten Gottheit fortgegangen wird, die unio unwillkürlich im⸗ mer mehr aus der Sphäre des göttlichen Wefens in die Welt bes göttlichen Willens verlegt. Die Comm. idd. (fagt man) hat der menschlichen Natur Antheil an den idiomata divina ope- rantia gebracht, aber nicht fo, daß dieſe idiomata eine Verdop⸗ pelung erführen, übergiengen oder übergegoſſen würden in die Menſchheit, dieſe auszugleichen mit der Gottheit oder in ihrem MWefen zu zerſtören, ſondern bie Art der Mittheilung iſt die, daß bie göttliche Natur fich zur menfchlihen, Die eine Suraus per- feetibilis ift, als actus perficiens (ober entelechia) verhält; aber ohne daß dann diefe perfectio wirklich der Menſchheit formaliter, subjective foll inhäriven dürfen. Bielmehr ift nur xaz« syn- dyasin i. e. per unionem et conjunctionem ein gemeinfamer Befig und Gebrauch ber operativen Kigenfchaften Gottes be: wirft, fo daß eine xowwri« Zweier gegeben ift ). Solcher An: theil ohne wirkliche Aneignung (uedekus) Seitend der menfch- lichen Natur wäre freilich nicht eutychianifch, aber wohl dem Ne: ftorianiemuß nahe genug, und ift im Widerſpruch damit, daß bie ) Bgl. Balth. Meisner. Christologia sacra 1678. ©. 80. Hollatius 1. c. ©. 120, 139. Buddeus ]. c. ©. 757. Noch etwas mehr als die Andern betonten die Tübinger das Zueigenwerben der göttlichen GCigenfchaften für die Menfchheit, wie Luther und Brentz es ge: wollt. (Jedoch f. o. ©. 816,) Allein je mehr die Myſtik ver alten Intperifchen Chriſtologie vor der Scholaftit wich, befto mehr nahm die Auffaffung überhand, wornach zwar bie ner&doas Seitens des 834 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchn. L Kap. 1. Abſchwächung menfchlide Natur Chrifti -felbft durch Die Unio mit ber göttlichen vollendet fei. Denn hat jene ihre Vollendung (perfectio) in diefer, fo weist ſchon ihre dee hin auf die göttliche, und bie letztere gehört in Ehrifto zu ihrem vollen Begriff, fo daß nicht mehr gefagt werden kann, die göttlichen Idiome werden nie formaliter, sub- jective, inhaesive der Menfchheit zu eigen. „ Aber das wollte die proteftantifche Scholaftif nicht. Die Herrfchaft bes Intellek⸗ tualismus und Formalismus, die fteigende Feindſchaft felbft ge- gen bie edlere Myſtik ließ die Gottbebürftigfeit und Gottempfäng⸗ lichkeit menfchlicher Natur immer mehr in den Hintergrund tre⸗ ten. Mochte man eine Zeitlang dabei bleiben, daß bie Menſch⸗ heit, im Widerfpruch mit ihrer Natur, doch in den Beſitz gött⸗ licher Idiome gelangt fei: gegen eine foldhe Magie der Gnade in Chrifius mußte auf proteftantifchem Boden immer wieder un: wiberftehlich die Anerkennung ſich auforängen, daß was wider die Natur ber Menfchheit fei, von ihr auch nicht wahrhaft könne empfangen werben. Diefe Anerkennung if in ber befprochenen Läugnung ber uedess verhüllt vorhanden; fie follte bald genug in anderer Weiſe offen und laut ausgefprochen werben. Mit der Abſchwächung, ja völligen Umdeutung ber Capa- citas hum. nat. für die göttliche, wie fie einft Luther und Breng, - ja zum Theil auch die F. C. gelehrt, war ber alte Dualismus, ben die Reformation zu durchbrechen gefucht, wieder aufgerichtet und neu befefligt. Aber bievon ift die Kebrfeite, daß doch wie: Logos real fein follte, aber nicht die mödekıs Seitens der Menſch⸗ heit. Das ſoll die zwar nicht mpflifche, aber unklare Formel. bes zeichnen, die den Widerſpruch in einen myſteriöſen Ausdruck ver: ſteckt: die Communicatio gefchehe na Eyacıy, nara ovrdvacır. So nehmen die göttlichen Eigenfchaften, welche, ftatt wirklich menſch⸗ liche zu werben, als übers oter widermenſchliche neben den menſch⸗ lichen fliehen bleiben, wie früher gezeigt, eine Stellung ein, bie man nur mit den dona superaddita vergleichen fann, was aber weder für das Amt Eprifti noch für das Heil. Abendmahl oder die unio personalis genügen konnte, daher bie entgegengefeßte Tendenz zu einer wahren usOskıs immer wieder fpürbar if. Ohne fie hätte auch die fortgefegte Polemik gegen die Neformirten kaum einen Sinn und Zweck. bed Grundgedankens d. luth. Chriſtol. Spitzfindige Schulfragen. 835 ber bie Comm. idd. der Menfchheit Chrifti von Anfang an fo viel zutheilt, daß damit bie wahre menfchliche Entwicklung nicht befteht. An dieſer Hält die veformirte Chriftofogie firenger und ernfter feft, fie erreicht aber befto weniger für bie Einigung der Naturen, ja partieipirt aud) an dem Fehler der Iutherifchen Theologie, indem fie die Perfon, von ber bie Eigenfchaften doch nicht Können getrennt werben *°), von Anfang an fertig benft. Im Ganzen ift die chriftologifche Thätigkeit der Zeit bie nah 1700 nur formaliftifh, von neuen fördernden Gebanfen entblößt. Hatte der Trieb zu Iogifcher Ausgeſtaltung ſich gefät- tigt, fo wandte fich bie ermattende Probuctivität immer mehr zu fpinöfen einzelnen Kragen, wovon fchon bie porreformatorifche Scholaftif Proben genug darbot. Wir heben zur Charafterifirung einige berfelben.aud. Den Uebergang möge eine Streitfrage machen, an ber gleichfalls, wie auch die Antwort ausfallen mochte, bie inextris cabeln Schwierigfeiten ber Iutherifchen Chriftologie des 17ten Jahrhunderts. zu Tage treten. Das tft die Frage: ob Chriſtus auch in triduo mortis Menſch gewefen fei, d. h. ob auch in dieſer Zeit die Menfchwerbung wirflih und ganz fortgebauert habe? Das die Perſon des Gottmenſchen in fich felbft auf Erden noch nicht vollendet ift, -fonbern ihre Factoren noch theilweife Löglich find, zur abfoluten Einheit aber fih noch nicht durchdrungen haben, mithin bie Lehre von einer mit Einem Schlage fertigen, 5, Ginige Reformirte wollen blos die göttliche Perfon opne ihre Ratur, alfo auch Eigenſchaften (ähnlich wie viele katholiſche Theo» fogen), Menfch geworben fein laſſen. Vgl. o. ©. 824. Ein gött⸗ liches Ich ohne alle göttlichen Eigenfchaften iſt aber weder denk⸗ bar, noch würbe es- fih von einem menfchlichen Ich weſentlich unterſcheiden; fo käme es aber nicht zu einem wirklichen Gott menfchen. Beftritien wird dieſe Lehre noch von Woken. Dagegen Buddeus 1. c. &. 745. fagt, das Reſultat der unitio fei die unio, welche personalis heiffe, quia unitio ista ad unam personam constituendam tendit. Jedoch iſt das Neue und Treffende, was im Ausdrud figt, nicht weiter ausgeführt. Doc fagt er, die Conceptio und incarnatio gehören nicht zur Exinanitio, d.h. zu dem Thun ber gottmenfchlichen Perfon. Dorner, Chriſtologie. II. 2te Aufl. 54 836 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abfıhn. J. Kap. A. Bar Chriflus über Grabe und Stufen erhabenen Unio unhaltbar fei, das ma⸗ nifeftirt fih befonders in Chriſti Tod. Der Tod ift eine Tren- nung von Leib und Seele. Wurde nun gefagt: Chriſti Seele war als allgegenwärtig durch bie Perfon noch mit dem Leibe ver: bunden und ebenfo der Leib, der ja als zur Perfon gehörig auch Antheil an den göttlichen Eigenfchaften haben foll, mit der Seele, fo war das Band zwijchen Leib und Seele im Tode nicht wirk⸗ lich gelöst, vielmehr an die Stelle des natürlichen Bandes zwi⸗ ſchen beiden das noch unauflöslichere übernatürliche der unio ges treten, Chriſti Tod alfo nur Schein. Und bier fonnte felbft die Berufung auf den Nichtgebrauch der Allgegenwart nicht helfen, theild weil die Höllenfahrt ſchon zum Stande ber Erhöhung gerechnet zu werben pflegte, theild weil das vinculum zwifchen ber Gottheit und Menfchheit als von Anfang abfolut fertig vor- geftellt wurde, womit eine übrig bleibende Löslichkeit der Fac⸗ toren ber Menſchheit nicht ſtimmt. Dieſes erfennend-und bes Berföhnungsmerfs wegen vor Allem um die Wahrheit des Todes Jeſu beforgt, entfchloß fih Tütlemann zu dein Opfer: während ber drei Tage feines wahrhaftigen Todes fei Chriſtus Fein wahrer Menſch, alfo die Menſchwerdung momentan zurüdgenommen ge: weien. Das entfpricht zwar vollftändig den allgemein herrſchen⸗ ben Borberfägen, wornad bie Unio nur ganz oder gar nicht fol da fein können: aber es gibt auch dem vwoichtigen Lehrfag yon der Unaufföslichfeit der Unio einen empfindlichen Stoß und brobt, die Menfchwerbung zu etwas zu machen, was wie eine Theophanie entftehen und wieder aufpören kann. Daher diefe Anficht vielen Widerſpruch fand, aber andrerfeit auch Zuftim- mung, zumal bie zutreffende Antwort nicht vorhanden war *°). *) Lütlemann de vero homine (vgl. Walch I. 175) Balthafar Meise» ner (Walch IV, 643. 661) fagen, um nicht einen Scheintop ans nehmen zu müflen, mit Aleranter v. Hales, Thomas, Bonaven⸗ tura, G. Biel: Chriſtus fei zur Zeit feines Todes fein wahrer Menfch geblieben, weil die Tpeile, veren Bereinigung den Menſchen ausmachen, im Tode getrennt gewefen fein. Angenommen fei die Menſchheit als Einheit, fofern fie aus Seele und Leib befteht, dieſe Einheit aber habe im Tode aufgehört, alfo auch bie Unio dee Menſch au im Tode ? Lütkemann. Präeriftenz Eprifti in Adam. 837 Das Bedeutende dieſer Frage, die freilich faft nur ale Spiel ſcholaſtiſchen Scharfſinns auftrat, ligt darin, daß fie evident macht, wie nur eine folhe unio mit der Wahrheit der Menſch⸗ heit und bed Todes Chrifti flimme, welche für eine relative Lös⸗ lichfeit der Sartoren des Gottmenſchen auf Erden noch Raum läßt und einen Proceß ihrer Durchdringung als nothwendig fordert. Und das iſt nichts Geringered als die Forderung, bie Vorderſätze der Ehriftologie sec. 17 mit richtigeren Grundlagen zu vertaufchen. Man war ferner darin einverftanden, was ben Leib Chriſti betrifft, daß derfelbe nicht blog aus Maria, fondern in gewiſſer Art auch aus den Vätern (Röm. IX, 5) ſtamme. Aber . man fragte: Ob Chriſtus ſchon in den Lenden Adams gewefen fei und wie er im Bejahungsfall ohne Sünde habe fein können ? Bon den Sntereffen her, die den Trabucianismus begünftigten, war die Mehrzahl zur Bejahung geneigt. Man nahm mit Aerzten jener Zeit an: in Eva formaliter, actu ao seminaliter stam ina omnium fuisse hominum, ne uno quidem excepto *?), Logos mit der Menſchheit als Ganzem, wie denn Chriſtus im Tode keinen belebten Leib gehabt habe. Auch Albert Grauer, Reinboth u. A. nahmen diß.an; vgl. Pfaff De impersonalitate et perpetuitate humanae Christi naturse. ©. 54 ff. Die Gegner, wie Menper, Hoe von Hoenegg, Gerhard, Quenfledt (Syst. P. II, 597), Dannpauer, Zeuerborn, Buddeus fuchen zu zeigen, daß bie perfönliche Vereini⸗ gung auch im Tode fortgevauert habe; obfchon die natürliche Ber: einigung von Seele und Leib unterbrochen war, fei doch die Ber: einigung beider Naturen unauflösfih. Da Chrifti Seele dem Leibe auch im Grabe vermöge der unio personalis und der mitge- getheilten Alfgegenwart präfent war und befhalb fein Leib keine . Bermwefung fah, fo fehe man nicht, warum er im Grab fein wah⸗ rer Menſch follte gewefen feim Allein das iſt gerade die Frage, ob nicht der Tod zum Schein werde, wenn die unauflösliche pers fönliche Bereinigung von Anfang an fertig auch auf den Leib fi fo beziehen foll, daß diefer nad der Trennung von der Seele doch durch den Logos kraft der unio mit ihm noch belebt blieb. Bgl. oben Nicolaus von Kus. ©. 499. 7) Bol. E. F. Keffelrings unter dem Wittenb. Fecht 1707 gehal tene, 1716 neu edirte Diss. de Massa ex qua Christus natus prae- servata. ©. 14. Auch die Spiritus haben in ihrer Art seminalem virtutem sese multiplicandi, wie auf ihre Weiſe die Körper. S. 20. 54* 838 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. Präexiſtenz Da aber bie feminale Eriftenz Chriſti im Urpaar nicht erſt nach dem Fall konnte einerfchaffen gedacht werden, fondern ba fie, wie bie der andern Menfchen, ſchon mit der Schöpfung zufammenfallen follte, fo lag dann nahe genug, den Zufammenhang ber Perfon Chriſti mit unferem Gefchlecht ala einen nicht erfi von der Sünde abhängigen zu benfen, und dadurch jener Frage eine weiter rei chende Bedeutung ‚zu geben. Dahin gehört die Frage: ob bas Segenswort „feid fruchtbar und mehret Euch“ auch ſchon Chris flum mit eingefchloffen habe als Sproß der Menfchheit? Allein in fünftlicher nichts begründender Weiſe wirb jene Schlußfolges ung meift abgelehnt. . Man fagte: nicht fowohl seminali et naturali propagatione vi benedictionis Gen. 1, 28, quam. „etiam“ foederali promissione Gen. 3, 15 fei Chriſtus ge⸗ worben; wenigftend ald Sündlofer s). Zwar alle übrigen Men⸗ ſchen, die in Adam und Eva potentialiter waren, follen mit Noth⸗ wendigfeit auch wirklich geboren fein #9): aber Chriſtus allein nur ex occasione peccati, fo-baß alfo die ſchon real vorhan⸗ bene Potenz der. Menfchheit Chrifti durch eine ſündloſe Entwides lung bes Geſchlechtes dem Nichts wäre übergeben worden. Schroffer kann es kaum ausgebrüdt werden, daß Ehrifti Perfon feinen Werth an ihr felbft babe, nicht Selbſtzweck fei, wie alle andern Menſchen, fondern blos als Mittel von Gott, gebacht und gewollt, was ſich mit feiner menfchlichen Homoufie ſchwerlich verträgt. Dagegen wird jener Satz von einer gewiſſen Präeris ſtenz der Menfchheit Chrifti in Adam und Eva weiter in Form ber Frage erörtert: Ob die Mafle der Maria, daraus Ehrifti Leib gebildet ward, bei der Annahme durch Gott fei geheiligt und gereinigt ober aber ſchon in ben Protoplaften bei dem Fall präferoirt worden? Für das erftere hatte ſich Luther ausgeipro- hen (Walch II, 1761. $. 99. 100); es blieb die herrfchende Lehre — — *e, Hievon handelt u. X. beſonders Joh. Ad. Osiander Colleg. Theol. system. P. IV. Loc. IX. u. Grapii Compend. Theol. ec. 13.8. 7 f. S. Keffelring S. 26. #9) Keſſelring Lo ©. 27. Chriſti in Adam. Praeservatio ober Reinigung ber Massa Adamit? 839 bei beiden evangelifchen Confeffionen 5%), worauf man dann gerne Luc. 1, 35. Matth. 1, 24 bezog. - Allein gegen Ende des Jahr hunderts gewann in ber Iutherifchen Kirche die letztere Meinung viele Freunde, fo den J.B. Carpzov, J. F. Mayer, Fried⸗ lieb Fecht, J. A. v. Krafewicz, Wegner!) Die Un: ſündlichkeit Chrifti werde nicht rein feftgehalten, wenn ber Stoff, den Jeſus annahm, irgendwann von Sünde befledt gewefen fei. Es komme nicht blos darauf an, daß Chriflus von actualer . Sünde frei gedacht werde, noch genüge es, anzunehmen, daß Chriſti Menſchheit ſpäter, nemlich bei ber Empfängniß geheiligt, vorher aber das, was fein war und werben follte, mit Erbfünde behaftet war; das wäre nicht abfolute Freiheit von Erbſünde. Sonft werbe der Spötter Demofritus (Dippel) Recht behalten, wenn er fage: ed Fomme nicht darauf an, daß Chriftus ſündlos von Anfang war, wenn er ed nur ſpäter einmal, etwa durch feinen Tod wurde. Nähme man bie Reinigung biefer Maſſe an und nicht ihre Bewahrung bei Adams Fall, und. in der Rinie ber h. Bäter (und Mütter) bis auf Maria, fo käme das Ab- furdum heraus, daß Ehriftus für fich felbft genug gethan hätte, um die Reinigung feines Fleifches zu vollbringen; es wäre denn, daß man zu dem noch gefährlicheren Irrthum fortgehen wollte, es habe irgend eine Reinigung von Sünde flatt finden können ohne Genugthuung. Obige Schriftftellen beweifen nichts für die Reinigung des Stoffes aus Maria y. f. w. Aus Adams Fall und aller Übrigen Menfchen in ihm folge nicht, daß auch Ehris us nad) feiner Drenfchheit, fofern fie in Adam war, daran par- ticipirte. Er war anders ald die Uebrigen in Adam. Denn „elegant“ bemerft Carpzov: Das Verbot des Apfels habe nur bie verpflichtet, die als bloße Menſchen in Adam waren, aber nicht Chriftus. Denn. er war zwar als Adams Sohn auch in Adam, aber nicht als reine Kreatur, fondern als Fünftiger Adam und Herr bes Geſetzes, der baher als nicht Verpflichteter auch 2) Zanchi nahm das letztere an. Etwas anders wandte Zanchi's Ges danfen Petri Molinaei Anatomia Arminianismi co. 7. Keſſelring © 29.411f. . s1) Andere f. bei Keſſelring 1. c, ©. 50. ff. 840 3weite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. nicht gegen das Gefeg fündigen fonnte, mithin nicht verdiente, ohne das göttliche Ebenbild geboren zu werben °*). Bei den Theologen, welche die Bewahrung eines veimen Menfchenfeims von Adam ber in ber h. Linie der Patriarchen und Boreltern Chriſti annehmen, zeigt fi ein Schillern zwifchen der Meinung Einer wirklichen Präexiſtenz des Leibes und ber Seele Chriſti in den Vätern, und zwifchen der Annahme, daß boch die eigentliche Eriftenz ber Menfchheit Ehrifti erſt mit ber Empfängniß in Maria begann *2). Wäre das Lebtere ernfllich angenommen worden, fo fünnte die Reinigung des Stoffes aus Maria nicht der Meinung Raum laſſen, als wäre je Chrifti Menfchheit unrein gewefen, denn vielmehr vor der reinigenben Aneignung war dann die Maffe gar nicht Menſchheit Chrifti. Wie haben wir uns aber das Emporfommen dieſer Anfiht von ber praeservatio Massae Adamiticae zu erflären? Sie bilbet das proteftantifche Seitenſtück zu der neueftene vom Pabſte zum Dogma gemachten immaculata conceptio_der Jungfrau. Der religiöfe Materialismugs fucht für Chriſti vollftändige Reinheit eine fo zu fagen materiell reale Bürgfchaft in einer ſchon vor Ehrifti Em⸗ pfängnig im Gefchlechte vorhandenen und auf ihn berivirten Heiligkeit. Zu der Lehre von Maria’s unbefledter Empfäng- niß (die ſich ſchon bei Pet. Galatinus bis dahin verftieg, für Maria felbft jene Praeservatio Massae bei Adams Fall an- zunehmen) blieb man allerdings im Gegenſatz: denn es handelte ſich bei den Qutheranern nicht um Erhöhung der Maria, fon bern Chriſti. Allein man fam doch in bedenkliche Nähe mit römifchfathofifchen Anfchauungen. Daß Marin aus dem Eigenen 22) J1. c. ©. 15. 16. An die fpätern Sünden fcheint nicht gedacht; fie galten in ver hl. Linie als bloße Birfungen der Erbfünde, ohne ſelbſtwirkend zu fein. >), Bon einer bimmlifchen Präeriftenz der Menfchheit Chrifti blie⸗ ben die Bertreter diefer irdifchen, gefchichtlichen fern; verwand⸗ ter find fie Mpftilern und Zheofophen wie Poire. Auch bie Anſicht von einer frühern Menfchwerdung, fei es in Melchiferet (die der Engländer 3. Asgil behauptete), als au in Adam oder David wirb natürlich nicht minder verworfen. Reinigung ber Massa Adamitica oder Praeservatio? 841 Chriſtus etwas gab, dafür ſprach ein chriftliches Intereſſe. Folg⸗ lich war die heiligbewahrte Maſſe, aus welcher Chriftus warb, boch der Maria eigen und gehörte zu ihr ſelbſt, weihte und hei⸗ ligte fie vor allen ihres Gefchlechts: und nur durch ein Wunder hätte eine folche göttlich präfernirte Heiligkeit ohne Einfluß auf ihre ganze Perfon bleiben können, fo daß bie römifchfatholifche Lehre von Maria damit einen flarfen Anhaltspunkt gewinnt, mag immerhin die Heifigfeit nach ber Präferpationstheorie ſich auf bie ganze Linie der Väter beziehen >”). Das Pelagianifirende, was wir mit Recht in ber römiſchen Mariologie fehen, fehaut in der That auch deutlich genug aus jener Präfervationstheorie hervor. Denn. da bag Heilige, woraus Jefus geboren warb, ber Maria und ben Boreltern eigen war,, fo ift bie Neuheit Chriſti und der Unterfchieb zwifchen ber erften und ber zweiten Schöpfung durch die Präferpationstheorie weſentlich befchränft. Man feheute ſich nicht, zu fagen: „Auch in einem faulen Stamm könne noch eine gefunde Wurzel fein, die wieber ausfchlage ; die Fortdauer ſolcher h. Maſſe in der verdorbenen Menſchheit zeige ihre Würde“ 3°); was freilich von ber Erbſündenlehre der F. C. fpürbar genug abweicht. Es barf dabei nicht Überfehen werben, daß bie entfchloffenften Vertreter des Iutherifchen Orthodoxismus und bie beftigften Gegner des Pietismus zu Wittenberg fich bes fonders der Präfervationstheorie geneigt zeigen, fie, welchen Spener vorzumerfen hat, daß fie den Unterfchied zwiſchen Natur, und Wiedergeburt überhaupt verflachen. Allerdings fehlte ed an dem gewöhnlichen Dedmantel für das Pelagianifche in aller fals ſchen Orthodorie nicht, nemlich dem Magifchen, das offenkundig in — — nn — — —— s, Die Neigung, auf Chriſtus einen Glanz auch aus feiner Um: gebung zurüdftraplen zu Laffen und die Richtung auf eine mate⸗ rialiſtiſche Faſſung feiner Beiligfeit zeigt ſich auch darin, daß mit fieigendem Gewicht die bleibende Birginität der Maria ent: ſchieden behauptet wird, die nach Helvidius sec. 5 noch Ratramnug gegen Pafchafius Radb. sec. 9 beftritt und auf welche die Reforma⸗ tion Fein Gewicht gelegt hatte, ſowohl in dem Sinn, daß fie utero clauso gebar, als daß fie dem Joſeph Feine Kinder gebar nad Chriſti Geburt. 8), Keffelr. 1. c. ©. 44 f. 842 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. ber Theorie ber Präfervation bes reinen Samens durch alle Gene: rationen vorligt. Wenn unter den Neueren Olshaufen zu Dlatih. 1, Nom. 11, 17. gleichfalls den goldnen Faden einer hl. Linie in der Reihe der Generationen annimmt, aus welcher Chriftus babe müffen geboren werben, fo ſcheint auch er nicht blog eine geiftige Borbereitung Ehrifti im Sinn zu haben (Job. 4, 22) fondern auch. eine phyſiſche. Mehr geihichtlih Caber auch nicht ethifch) wird dann berfelbe Gedanfe von den neueren Theologen gewendet, welche zwar nicht eine Präeriftenz Chrifti in Adam oder ben Bätern Überhaupt annehmen, wohl aber im A. T. und burd) bafjelbe die Präformation ober das Werben ber ſarkiſchen Exi⸗ ſtenz Chrifti vollbracht fehen °9). | Man darf alterbings nicht verfennen, daß die Präfervationg- theorie auch den wahren Gebanfen ber bleibenden Empfänglich⸗ feit menfchlicher Natur für die Aufnahme der Perfon Chriſti ent- hält, die durch eine manichaifirende Lehre von der Erbfünde aus: geſchloſſen ift. Aber die Reaction gegen manichaifirende Säge. geht Seitens diefer legten Vertreter der firengen Orthoborie auf falfcher Fährte, gewinnt erft durch wunderbare Präferpation einer Partifel der Menſchheit Das, was vielmehr der menfchlichen Natur Überhaupt zuzulegen war, die Fähigkeit, Chriſtum aufzu- nehmen. Es wäre folgerichtig eine ähnliche Präfervation auch ber Kraft, Chriſtum als Erlöfer im Glauben aufzunehmen, zu *) Bgl. Baumgarten Comm. 3. Pentat. I, LXIII ff. IL 9. 498. 544: (Dagegen, fo wie gegen Hofmann und Range, vgl. De—⸗ litz ſch die bibl. profet. Theol. 1845. ©. 295 ff.). Das iſt im Wider: fpru damit, daß auch nach Dlshaufen Leiblichkeit das Ende der Wege Gottes if. Im A. T., in den Typen, in bes Geſetzes For: derungen und Symbolen, wie: in der Profetie wird man nur eine ideale Borausparfiellung Chriſti, freilich innerhalb ver rea⸗ len Belt, zu ſuchen Haben. — Einige Aeltere nahmen in ver wandter Wetfe an: Chriſti Menſchheit fei zwar aus dem Samen Abrahams, aber nicht der Subftanz nad den Vätern gleich, viel: mehr fei es ein himmlifcher und geifiliher Same, von ben Bätern aufgenommen im Glauben, aus weldem Sefus geboren ward. So Partwig Lohmann, Nic. Tetinge, Paul Felgenhauer, Ehriftian Hohburg, Barth, Berrheimer. Bol. Keſſelr. ©. 23. 43. Praäſervationstheorie. Scholaſtiſch vorwigige Fragen. 843 ftatuiren; oder aber, wenn biefe Empfänglichfeit der menfchlichen Natur trog ber Crbflinde verblieben ift, wird es fih ähnlich, auch ohne jene magifche Präfervation, mit der Empfänglichfeit der menfchlichen Natur für die Geburt Chriſti in und aus ihr verhalten haben, unbejchabet ber Wahrheit des Satzes, daß eine geiftige Vorbereitung zur Fülle der Zeiten gehörte 7). Eine andere Frage betraf Chriſti am Kreuz vergoffenes Blut. Im einer Difputation zu Rom 1462 hatten die Domi- nifaner behauptet, daſſelbe fei auch von ber Gottheit getrennt geweſen, was bie Franziskaner Täugneten. ine Bulle Pius II. 1464 mußte ben Streit endigen. Aber im Zufammenbang ba= mit fland eine andre fcholaftifhe Frage: Ob nicht auch Ein Tropfen des Blutes .Chrifti zur Verfühnung hätte genügen kön⸗ nen, was bie Qutheraner zu läugnen pflegen, indem fie die Noth⸗ wenbdigfeit ber Erfcheinung unb aller Leiden Chriſti zur Tilgung ber Schulb an bie göttliche Gerechtigkeit behaupten °°), — Auch das materielle vergoffene Blut Chrifti befchäftigte die Gedanken; ob es in Fäulnif übergegangen fei, was faft alle ähnlich wie vom gefiorbenen Leibe Chriſti überhaupt Fraft der bleiben den Verbindung mit dem Logos Täugneten 5°); ob es auf Erben geblieben, alfo doc, etwas non Chriſti irdiſchem Leib in den Auf: erftehungsleib nicht übergegangen fei, was proteftantifcher Seite (nicht ohne polemifche Rüdficht auf den Reliquienkultus) geläug- net zu werben pflegte, wie ed von ben Thomiſten befaht wurde; oder ob es, was gewöhnlich bei den Lutheranern angenommen ward, in Ehrifti himmlifchen Leib fei zurüdgenommen worben, um, wie Bengel (Storr, Steinhofer, Oſiander) meinen, vor ben Thron Gottes gebracht zu werben, als Denkmal unferes . ?D Auch die zuletzt erwähnte Lehre von ber Vorbereitung der Menfihs - heit Chriſti im U. T. enthalt etwas Richtiges; denn 3. B. der Glaube der Maria ift nicht unmwefentlich für die Incarnation. Aber ein „heiliges Fleiſch‘ Tann es nicht vor der Incarnation ges ben, wenn nicht die Heiligung von dem hiſtoriſchen Chriſtus foll Iosgeriffen werben. : se, 3. B. Weickhmann de ortu Christi piaculari. Viteb. 1759, 5°, Basquez, Ealvin, Sadeel, Perkin nahmen das Gegentheil an. 844 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 1. Fragen luth. ewigen Heils, nachdem es auf Erden ganz vergoſſen, aber in Einheit mit Chriſti Perſon geblieben war 6%. Auch die Frage befchäftigte die Theologen, ob Chriftus mit den Wundenmalen oder ohne fie wiederfommen werde? °') Bon folcherlei meift un⸗ fruchtbaren, fpinöfen und nicht zu beantwortenden Fragen ließe fih nody eine Menge ausheben 2). Auch für Ehrifti Seele wird im Allgemeinen bei den Yutheranern eine praeexistentia semi- nalis, aber nicht realis in den Bätern angenommen: er babe auch die Seele von Maria ®?), Hieran nahmen freilich Biele Anftog und neigten fih um fo mehr zu einer realen Präeriftenz berfelben, als fie dadurch die Exinanitio zu einem wirklichen gottmenſchl ichen Liebesakt machen zu Fönnen meinten. So der Engländer Heinrich) Morus in feinem cabbalift. Katechismus; J. Glanville, Ed. Fowler, Poiret in verfchiedener Weife, worüber a. f. O. von und gefprochen werden wird 6°). Nicht wenig wurden Fragen der genannten Art in ber reformirten und Iutherifchen Scholaftif angeregt ober gemährt burch jenen Nachfommer, den die Fatholifche Scholaftif nach der Reformation in Spanien gewann °°). - 6%) ®gI. Becker: An Christus in sus exaltatione — aliud substentia et forma quam quo natus, passus et mortuus est corpus assumserit Rost. 1768. | siy Das Letztere nahmen Brentz, Hunnius, Zörfter, Gesner, Calvin an; das Erftere nach Luther und Chemnitz Gerhard, Glaß, Hoe v. Hoenegg: Iac. Rambad u. f. w. 62) Bel. 3. B. Steph. Clotzii (Generalfup. in Schleswig⸗Holſtein) de Jesa Christi sudore sanguineo, animaeque ejus tristitia atque cruciati- bus Exerscitt. Hamb. 1710 (ein Werk, dag übrigens auch viel Gutes enthält). Zach. Grapii Systema Noviss. Controvers. 1722. T. 1. Q. 20. ©. 158 ff. T. II. ©. 1-64. 63) Xeffelring 1. e. E. A. Miras, Kurße fragen aus ber Pneumatica , sacra. 1710. ©. 206 ff. vgl. Delitzſch Spf. d. bibl. Pſychol. 1855. S. 82, nach welchem Chrifus aus Maria den Leib nicht nur, fondern auch Geiſt und Seele hat, und der daher nichts von unmittelbarer göttlicher Schöpfung in Ehrifii Perfon fehen will. °+) Bgl. Grapii Syst. Contr. 1. -T.IH. ©. 1—12. 5, Fine große Fruchtbarkeit an pogmatifchen Werten entfaliete fich in Spanien in unfrer Eporhe und befonders auch unfer Dogma Scholafit — Die ſpaniſche Scholaftit sec. 17. Perſönlichkeit Eprifii. 845 wurde vom feholaftifihen Scarffinn eines Fr. Didac. Alvarez, F. Suarez (Comment. et Disput. ig P. III Thomae 1616. 3617, Mog. Tom. I. I), Basgquez (Comment. et Disput. in P. DI Tho- mae. Antv. 1621. TomI. I), Corduba, Mendoza, Roderich de Ar: riaga und v. A. behandelt. Die thomiſtiſche und flotiftifche Schule und ihre Kämpfe febten fich fort, ohne jedoch fachlich über eine un: fruchtbare Dürre hinauszulommen. Nur Weniges werde erwähnt. Es wird befonders die Frage nach der Perfönlichleit ber menſch⸗ lichen Natur behandelt. Die Stotiften (an die fih namentlich der Jeſuite Suarez vielfach anfchließt, f. I, 125 — 165. 27 — 30. 562 ff. f. o. II, 441) wollen mehr Ernft gemacht wiffen mit ber vol» Ien Wahrheit ver Menfchheit Eprifti, halten fich daher an des D. Sco⸗ tus Lehre, welche, ahnlich mit Earteflus und den Monophpfiten, in der Derfönlichkeit, die nach gewöhnlicher Annahme der Menſch⸗ heit fehlte, nichts Reales, fondern nur bie Grenze ber natura fiedt, fo daß der Menfchpeit Chriſti nichts zu ihrer Vollſtändigkeit fehlte, währenn dagegen Andere in der Perfönlichkeit eine zur natura hinzufommende Realität erbliden, fei es Inhalt over Form. Die Stotiften fagen dann weiter: die menfchliche Natur Chriſti in- trinsecus betrachtet, fei nicht praecise impeccabilis, fondern nur durch den Logos und feine Gnade von auffen her; Chriſtus als Menſch könne wohl Bottes Adoptivfohn genannt werben, wenn man bas mit nur nicht fagen wolle: er fei respeetu Dei persona extranea: oder, wenn man nur die Adoption auf die befondere Durch den Logos individuirte Natur beziehe. Nicht minder fet fein menſch⸗ licher Wille eigentlichen, natürlichen Geboten unterworfen ge: weien, Gott und die Eltern zu ehren und dgl. Denn in aller wirklichen Menſchen Herz fel das Raturgefeb gefchrieben; aber weder durch menfchliche noch göttliche Gebote pofitiver Art feier gebunden gewefen, ſondern nur durch gewifle ihn fpeciell betrefs fende Aufgaben. Sein Wille aber frei nicht blos von Zwang, fonvdern auch von ber Nothwendigfeit, habe felb auch die Freiheit ber Indifferenz (Wahlfreipeit) in Betreff des ihn verbindenden Ge: botes gehabt (in materia praecepti), Das vereinige fich mit feiner wirklichen Impeccabilitas fo, daß er zwar troß ber Unio hypostatica die indifferentia moralis physica gehabt habe, aber Doch ratione bea- titudinis oder fraft feiner Seligfeit ohne wirkliche Inpifferenz des Willens, vielmehr immer entſchieden geweſen ſei. — Die Tho⸗ miſten dagegen, welche in der Perſönlichkeit etwas Reales ſahen, hatten die Aufgabe, mit der Vollſtändigkeit der angenommenen Menſchheit, die man doch wollte, deren Unperſönlichkeit oder ihr Seyn in ber Perfon des Logos zu reimen. Die Einen nun halten die Perfönlicpkeit für etwas fo Wefentliches für die menichliche BAG Zweite Pperiode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 1. Natur, daß fie in dieſer einen natürlichen Trieb zu derſelben an⸗ nehmen, ja zum Theil fagen, fie hätte ihre personalitas connatura- lis erreicht, zu der fie tenpirte, wenn nicht das Berbum zwifchenein: getreten wäre. Aber auch wenn diefes nicht als eine Eonfumtion der menfchlichen Perſönlichkeit durch die göttliche gedacht ward, blieb fo doch eine der Menfchheit fremdartige und äußerliche Dem: mung ihres Triebes zur Perfonbildung flefen. So bei Basquez (Disp. 34), nach welchem Chriſti Menfchheit, obwohl fie im Ver- bum die böchfte Perfönlichkeit hat, doch narh ihrer eigenen Perfön: Tichfeit auch in der Unio verlangen fol, weil fie fonft nicht wahre Menfchheit wäre. Da hiemit die Außerliche und zufällige Stellung ber göttlichen Perſon zur DMenfchheit gar zu offen befannt if, fo wird von Andern bazu fortgegangen: diefer Trieb der Menfchheit zur Perfonalbildung fei nicht gehemmt, fondern gefättigt durch das göttliche Ich: mithin das göttliche Ich dem menſchlichen gleich: artig, was man dadurch zu motiviren fuchte, daß in ber gött⸗ lichen Perfon die Principien alles Guten, alfo auch der menſch⸗ lichen Perfönlichkeit Tiegen. So ver überhaupt durch Scharffinn und Selbfländigkeit fi auszeichnende Dominifaner Alvarez. (Disput. 80 de incarn. divini Verbi 1613.) Dion. Petav in f. ver: bienfil. Werte de Incarn. läßt, um vollfländiger die Einheit ber Perſon zu gewinnen, den Logos felbft ſich mindern und erniebri: gen. — Der Gegenfaß gegen die Iutherifche Communie, idd. wird befonders von Bellarmin (de Christo Libr. IM), von Gregorius be Balencia (Comment. Tom. IV. Paris. 1809. ©. 114 ff. 292.) u. U. bis auf Perrone fortgeführt; die Webertragung foll nur die Perfon betreffen (in concreto), nicht die Ratur, womit bie flarfe Betonung des cyrilliihen Beoroxos contraftirt, das der lutheriſchen Chriftologie viel näher Tigt, als der Tatholifchen, die . 8 aber ihrer Mariologie zu Lieb eifrig feſthält. Für das heil. Abendmahl wird yon der Fatholtfchen Dogmatik eine multiplicatio oder multilocatio flatt der omnipraesentia angenommen; ja Per: -rone Praelect. Theol. VIII, 156 ff. 1854 neigt ſich zu der Meinung, die Gegenwart einer Subſtanz respectu alterias beflehe einzig in ihrer unmittelbaren Wirkung auf die andere; hienach bebürfte es keiner Bervielfachung bes Leibes Chriſti, fondern nur einer Wir: fung deſſelben auf viele Punkte, womit aber freilich der Genuß der Subſtanz dieſes Leibes, deſſen Anbetung u. f. w. ſich wenig verträgt. — Chriſti Menſchheit fol weder die Allmacht, noch bie omnipraesentia empfangen konnen, baher auch Manche ihr nicht bie adoratio wie ber @ottheit, fondern nur die hyperdulia zutheilen, damit den Heiligencult zu fegitimiren fuchend. -Doch fehreiben ihr Andre um der hypost. Unio mit dem Verbum willen auch ben supremum lstriae Kathol. Epriftologie. Bellarmin. Perrone. Eultus d. Herzens Jeſu. 847 caltum zu (3. B. Perrone Praelect. Theol. T. VI. ed. 21. Ratisbon. 1854. ©. 212 ff.) Das kann da ohne Widerſpruch gefchehen, wo die göttliche Persona als der Menfchheit nicht fremd, fondern als zu ihrer eigenen Persona geworben angefehen wird, was nur bie älteften Iutherifchen Dogmatiker fireng durchführen. — Als charalte: riftifch werde noch der „Eultus des allerheiligftien Herzens Zefu“ und der Streit darüber erwähnt. Der Gegenfland biefes Eultus. {fl ipsum Cor Jesu, i. e. Cor’ personae Verbi incarnati; der Cultus ift ber supremus latriae eultus. Jeſu Herz wirb befonderer Gegen: fland der Anbetung als Sitz feiner frommen Triebe und als Sym⸗ bol feiner unendlichen Liebe und feiner Schmerzen. Colitur cor Jesu in se ac prout est amoris symbolum. Ausführlichft wirb dieſe nova devotio, die an bem Cultus der fünf Wunden ein Seitenftür hat, und der gegen die Synode von Yiftofa 1786 vom apoſtoli⸗ fpen Stuhl in Schuß genommen und fanktionirt worben iſt (1787)_ von Perrone (. e. ©. 218 — 229) vertheidigt. In diefem Theil werde die ganze Perfon Chriſti angebetet; aber nicht die Liebe Chriſti zunächſt, fondern vor Allem das materielle Herz Jeſu. — Diefe materialiftifche Superftition fuchen Mande dadurch zu meis den, daß fie dieſen Eulius nur als fymbolifchen gelten laſſen wol: Ien, was gegen Pius VI. Constitutio Auctorum fidei verftößt. Beachtenswertp dürfte noch fein, wie in ber Erfindung diefes Cul⸗ tus die Neigung der röm.sfathol. Frömmigkeit zu Tage tritt, die Zotalität der Perſon des Gottmenſchen, die fie in ihrem actuellen Reichthum nicht zu erfaffen weiß, entweder zu zertheilen, aber dann wilffürlih auch hier den Theil wieder als Ganzes zu behandeln und als Bertretung des Ganzen, das ung gegeben ifl; ober aber fie gleihfam aus der Fülle ihrer perfönlichen Actualität in bie Enge und fo zu fagen in die Keimform zurüdzuziehen — denn bie Perfönlichkeit des Gottmenſchen auf das Herz reducirt und nur in biefem geſchaut, geht aus ihrer Actualttät faft in das fuhftantielle Daſein zurüd — ein Zug, der ung fo häufig auch in ver kathol. Kunft entgegentritt, wo Chriſtus ewig als Kind der Mutter er: fheint. Diefe Vorliebe für das Kind der Mutter if ein verrä: therifcher Zug befonders des. nachtridentintfchen Katholicismug ; . 8 vollbringt fih darin in charakteriftifcher Weiſe die unbewußte Neigung, die Incarnation zurüdzunehmen und ein mehr zufagen» des Surrögat derfelben in Maria hinzuftellen. Der auf die Kind» heit oder auf das „Herz“ rebucirte Chriſtus wird zum Gegenſtand tändelnder ſubjectiviſtiſcher Frömmigkeit, und wir gewahren darin nur das römtfche Seitenftüd zu den Ertravaganzen, die im Derrns dutianismus im vorigen Jahrhundert eine Zeit lang vorfamen. Diefer Subjertivismus der Frömmigkeit hat ſich aber in der römi⸗ 848 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt J. Rap. 1. fhen Kirche neueſtens noch befiimmier gegen vie Einzigkeit ver Würde des Gottmenfchen gelehrt in dem neuen Dogma vom Derem: ber 1854 von der unbefledten Empfängniß ver heil. Jungfrau, das Feine treffenvere Widerlegung finden Tann als die ihm durch die verſuchte fpeculative Begründung geworden iſt in ber Schrift: Das Geheimniß der unbefledten Empfängniß in Harmonie mit Offenbarung und Bernunft u. f. w. Münſter 1854. Denn wenn ſolche Mariologie darin ihr Recht haben foll, weil auch das Ideal der Menfchheit erfiheinen müfle, diefes aber (wozu Einheit von Freiheit und Gnade gehöre) im Gottmenſchen feiner Gottheit wegen nicht gegeben ſei, was iſt deutlicher, als daß diefer Frömmigkeit die Menfchheit Chriſti abhanden gekommen und nur noch der Bott in menſchlichem Gewande übrig geblieben if? Zweites Rapitel, Die Ayfik der aliproteflantifhen Kirche. Die kirchliche Lehre der verfchiedenen Confeffionen war nicht im Stande, die Jreunde ber Myſtik zufrieden zu ftellen. In allen ihren Firchlichen Formen, auch der Tutherifchen, ftand Chriſti Perſon äußerlich ohne inneren Zufammenhang mit und da und in bie unendliche Tiefe des menfchlichen Weſens d. i. feiner Gott⸗ empfänglichfeit mit Luther zu bliden war nicht die Art ber neuen Scholaftif. Wenn auch die Lehre von ber unio mystica bewahrt blieb, fo fam fie doch immer weniger ber Chriftologie zu Öute. Ueberdem aber wurde jene unio felbft immer mehr verflüch: tigt. Die Ideen der edleren beutfchen Myſtik nun, welche dem Dogma ber Kirche noch nicht einverleibt waren, wurden von Män⸗ nern, wie Bal. Weigel, Joh. Arndt, Zac. Böhm u. A. nicht blog fortgeführt, fondern aud weiter ausgebildet. Namentlich, was zu ihrem burchgreifenben Schaden die officielle kirchliche Theologie immer mehr vergißt, die wefentlihe Gottverwanbtfchaft des Men⸗ ſchen, wie fie Paulus befchreibt, wird von der Myſtik mit Liebe gepflegt, ja mit einer Entfchiedenheit und Einfeitigfeit, wie. fte . nur dem heftigen Ausdrude ſchwer verfannter Wahrheiten ver: jieben wird. Es kündigt ſich bei jenen Männern in theofophifcher Form eine neue proteftantifche Philofophie dem Inhalte nad an, wenn gleich bie philofophifche Methode erft fpäter beginnt, bei biefen Myſtikern aber durch eine e Methodit des myſtiſchen Schauens erſetzt wird. 850 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 2. Dem Bal. Weigel"), der mit Theophraftus nahe zu⸗ fammenhängt, if der Menſch Mifrofosmus ?) und er findet nicht Worte genug, dieſe Hoheit des Menfchen auszudrüden. Alle feine Erkenntniß ift Selbfterfenntnig, alles Begreifen fommt vom Auge und nicht von feinem Gegenwurfe oder Objekt”). Das Auge, wodurd Alles erfannt wird, ift der Menſch felbft: jedoch nur in Beziehung auf natürliche Erkenntniſſe. Dagegen in ber übernatürlichen Erfenntnig ift nicht der Menſch felber das Auge, fondern Gott felbft ift da das Licht und das Auge in und; un: fer Auge muß dabei Teidentlich fein und nicht wirfend: dennoch it Gott nicht fremd dem Menfchen, in welchem er das Auge if, fondern jenes leidentliche Verhalten des Menfchen ‚hat die Be: beutung, daß ber Menſch das ſich bingebende Werkzeug ift, durch welches hindurch Gott das fehende Auge iſt ). So erfennt dann ) VBgl. befonders: Der güldene Griff, d. i. alle Ding ohne Irr⸗ thumb zu erfennen, durch B. Wigelium, Neuenſtadt 1616. Erkenne dich ſelbſt; ebend. 1618. — Kirchen: oder Haus⸗Poſtill 1618. 2) „Ertenne dich. felhn“ weifet dahin, daß der Menfch fei ein Mi: trofosmus, das größte Werk Gottes unter dem Himmel Er fei bie Heine Welt und trage alles in ibm, was ba funden wird im Himmel und Erden und au darüber. — Ja der Menid iſt die Welt (Erf. dich ſelbſt cap. 4. 5. ©. 11). Nicht aus Nichte wollte Gott ven Menfchen machen, fondern aus etwas, aus ver großen Welt formiren; denn einen foldden gewaltigen Schöpfer haben wir, daß er diefe große Welt faffen fann in eine Fauſt, das if, in den Mikrokosmum befhließen (S. 13). Der Menſch ift ein Sohn, von zweien Eltern geboren, von einem ewigen und einem vergänglichen. . Er iſt ein Sohn Gottes, von Gott ger fihaffen nach feinem Gleichniß und Bildnig, mit aller Ratur und Eigenſchaft, wie fein Bater Gott, und ift wie Gott, und iſt Gott gleih (6. ©. 16). Er if aber auch alle Gefchöpfe, weil er von der großen Welt empfangen hat zwei Leiber, den äußern greiflicden aus den irbifhen Elementen, einen ungreiflicden, uns " firhtbaren, aber doch auch natürlichen und zergänglichen von dem Firmamente und den Geflirnen. So hat er auch einen doppelten Geiſt, einen aus der Welt, ven Naturgeifi; aus Gott den götts lichen Geiſt. Er felbft, dicke vier Elemente in fih zufammenfafs fend, iſt (nach Theophr. Ausdruch die quinta essentia. 9) ©. Erfenne dich ſelbſt Ic. XI ©. 27. Güldn. Griff c. X. XXI. +, Gülon. Griff c. XIII. ©. 39-42. [4 Altprotef. Myſtik. Balentin Weigel. 851 Spott. oder fein Wort, Chriftus, fich felber und durch fich felber, benn der leibentlich gewordene oder wiedergeborene Geift iſt nicht fein felbft, "fondern Gottes, darum fieht und erfennt ſich Gott felber in feiner Geburt und Bildnig in, mit und durch den Menfhhen ’). Dieſes Licht in ung, das Wort, ift ihm ber wahrhaftige Chriftus, der Gottmenfch tritt für ihn ganz in ben Hintergrund 9) Das Buch, Daraus alle Weisheit fommt, ift Gottes Wort. Ein Buch ift eingefchrieben von Gottes Finger in allee Menſchen Herz; obgleich nicht alle es leſen können; daraus find alle Bücher gefchrieben. Dieß Buch des Lebens, dem die h. Schrift ein äußerlich Zeugniß if, ift das Bildniß Gottes im Menfhen, der Same aus Gott, das Licht, das Wort, der Sohn Chriſtus ). Dieß Buch oder Wort ligt ver: borgen im Herzen, e8 ligt verborgen im Buchſtaben und ift auch perborgen im Fleifh. — Es könnte aber das in Schrift und in Fleifch Berborgene nicht offenbar werden, wäre es nicht in ung). Die Schrift könnte nicht verftanden, noch das Wort in uns bineingepredigt werben, wenn es nicht immer in und wäre ja auch in den Ungläubigen, die fonft auch nicht könnten gerichtet werden. Wären wir im Paradies geblieben, fo hätte 3) Das Schlußgebet im „Erlenne dich feibft“, erfles Büchl., ©. 56, drückt dieß befonders flart aus. „DO mein Schöpfer und Gott, durch dein Licht erkenne ich, wie wunderbarlich ich gemacht bin. Aus der Welt bin ich, die Welt traget mich und umgreifet mid und ich trage die Welt und umgreife die Welt. Was in ipr ifl, ift in mir greiflich. Aber du haft mich auch gefchaffen in deinem Bildnis; du bif in mir und ich in dir. — Diefes Alles ſehe ich in dir und du in mir, ja meine Augen find deine Augen und meine Erfenntniß if deine Erfenntniß. Sie fehen, was bu will, und nicht was ich will. Du erfenneft und fieheft dich felber Durch dich feiber, das iſt durch mich und davon bin ich felig. In deinem Licht erkenne ich ‚wahrlich das Licht.“ 6) e. XXIV. D e. 26. 8, Alſo denkt er die Weisheit und das Wort ale im Menſchen ſtets fertig Tiegend, die Entwidlung der Anlage gilt nicht als weient: Lich, in dem An fih if fhon alle Verwirklichung der Ideen gefuns den, das erinnert wieder an die Carteſianiſche Ipeenlehre Dorner, Chriſtologie. IL. ie Au. 55 852 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 2. bieß innere Wort genügt (c. 26, ©. 69. 70), wie noch jetzt die Unmündigen ſolches nicht bedürfen und find doch die Aller gefchickteften zum Reich Gottes. Aber bieweil wir find dar⸗ aus vertrieben und äußere Weltmenfchen werben, dazu vers Ioren haben den Leib und heiligen Geift, fo ift von Nöthen, dag wir neu geboren werben aus Chriſto, denn einen neuen himmlifchen Leib müflen wir haben mit Ehrifto aus dem beiligen Geifte, der nicht fterblich if. Theils wegen bes Leibes vom Himmel ift das Wort Fleiſch worden: theild weil bie Men⸗ Shen das innere Buch nicht Iefen Förmen, läßt ed Gott durch Schrift, Predigt und im Fleiſch erweden 9). Sp wenig Bücher, d. h. alles Meußere, auch die Incarnation, ein Wefen im Men⸗ ſchen wirken können, fo find fie do, fagt Weigel ähnlich wie Karlftadt, für die gefallenen Menſchen gefchrieben zur Bewähr, Zeugniß und Memorial deffen, was der Menſch zuvor weiß; zur Erinnerung, Aufweckung, Kundfchaft, ob wir alfo feien oder nicht; aber wir follen nicht Fleben am Schatten und an ber Schale, fondern weiter binein zum Buch tes Lebens !9). Man fol nit fagen, da das Ficht zuvor im Menſchen ift, fo barf es nicht mehr Leiblich in Maria Menſch geboren werden, eben fo wenig: weil es in Maria Menfch geboren, fo ift es nicht allezeit in den Gläubigen gewefen. Denn auch das Feuer ligt zuvor in Stahl und Stein, denno mußt bu es heraus: fchlagen !'). Aber diefe Wirkung ift ihm nicht an Ehriftus als den Gottmenfchen gebunden, fondern ſchon in Abel, Noah, Adım, Abraham, Merkurius, Profulus war Gott der Menih ). Es ®, Erf. dich ſelbſt I. d. 17. S. 109: Durch die fihtbaren Dinge wer: den wir Überhaupt geführt zum Unfichtigen; in Jeſu Chriſto Hat uns daher Gott einen fihtbaren Spiegel gegeben, auf daß wir ausdrücklich erfenneten, fühleten und griffen feinen ewigen, uns wanbelbaren Willen; aber anvererfeits (c. XIV. &. 100) {ft ung diefer Wille oder Ehriftus eingetdan ſchon in der Gottebenbild⸗ lichkeit. ) Der güldne Griffe. XVI. S. 49. Erf. dich ſelbſt 1. e. XIV. ©. 35. Ext, dic ſelbſt 1. e. XVI. ©. 61. U. c. XXL ©. 181 ff. 2, Erf. dich ſelbſt 1. c. XVII. I. c. XXI. ©. 121 ff. vgl. ©. 222. Balentin Weigel. " 853 fei zu unterfcheiden zwifchen bem bimmlifchen Adam und dem irdifhen. Den Einfältigen ſcheine es, der irdifche fei zuvor, der himmliſche hernach. Aber der äußere Chriftus aus Maria, ges boren zu Bethlehem, ift vielmehr ein Ausprud und öffentlich Mufter des inneren, der bald in Adam, Abel, Loth, Merkuriug, Profulus und dergleichen. war. Weigel erinnert uns hier an die Clementinen, Chriftus ift ihm ber aligemeine göttliche Geift im Menfchen wie begraben nnd verfchlttei in ben Meiften '°), in Einzelnen aber hervoriretend in das Bewußtſein, fo namentlich auch in Jeſu yon Nazareth, und wo bieß Hervortreten ift, ba ift auch eine Menfchwerbung Gottes. Derfelbe Gedanfe ligt auch in feiner- Lehre von der ewigen Weisheit Gottes, bie er eine Jungfrau, die himmlifihe Eva nennt, deren Söhne David und Salomo und alle Gläubigen find. Sie fat den Sohn Gottes geboren von Ewigkeit in der Trinisät, fie bat und aber auch Chriftum geboren zeitlih. Im Himmlifchen find fie Eins, die Weisheit und der Sohn, im Irdiſchen find fie gefchieden wie Mutter und Son, Maria iſt Erfcheinung der bimmlifchen Eva; fie, als zweite Eva, gebiert ben bimmlifchen Adam, aus deſſen Seite am Kreuz bie chriflliche Kirche geboren iſt ''). Doch an einem Punft jucht Weigel mit dem hiſtoriſchen Ehriftus fi) in engere Verbindung zu feßen, nemlich durch feine Lehre von einer höheren bimmlifchen Leiblichfeit Chriſti, die zu unferer Erlöfung nöthig war. Er fchließt ſich hiebei an bie tbeofophifchen und naturpbilofophifchen Gedanten des Pararelfug an. Durd bie Sünbe ift der Seele nichts verloren, der Wille ift nur brüchig worden, aber die Sünde bat ben Leib verberbet, bes gehöret nun den Würmern. Die Seele bedarf nicht felbft ber Erneuerung durch Wievergeburt, dieſe beſteht nur in Be⸗ Heidung der Seele mit einem neuen Leibe und dazu befonders bient Die heil. Taufe und. bag heil. Abendmahl *). Chriſtus nun bat ibm den Borzug, daß feine Menſchheit von Natur dieſen 3, Erf. dich ſelbſt I. c. XVII ©. 52. II. c. XX. ©, 120, 122, “, Die dritte Eva, Poſtille IL. ©. 285. 286, 15) Güld. Griff. c. XVII. ©. 53. Chriſtl. Geſpräch vom wahren Chriſtenthum. 1614. ©. 36. | j 55 * 834 3weite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 2. neuen Leib hat, indem biefer von bimmlifcher Subftanz gebilbet if. Chriſtus ift nach feiner Menfchheit Weigel’n wie dem Schwenffeld, natürlicher Sohn Gottes, denn er ift aus dem heil. Geifl. Sein Fleiſch und Blut ift nit aus der irdiſchen Jungfrau ober Adam, fondern aus der ewigen Jungfrau durch ben heil. Geiſt, damit wir durch dieß himmlische Fleiſch gefchaffen würden zu neuen Kreaturen, daß auch wir binfort nicht mehr aus Adam. von ber Erde wären, fondern aus Chriſto vom Himmel und in ſolchem Fleiſch den Himmel befäßen. Aber biefer göttliche Leib war unfichtbar, unfterblih; Daß er nun bei und auf Erben wohnen und ung nüge fein könnte, nahm. er noch bazu einen ſicht⸗ baren irdifchen Leib an von ber Jungfrau Waria, ung in Dies fem als Menſch zu erlöfen. So hat der Einige Chriſtus zween Leiber, denn wer wollte bei der Sonne wohnen, fo fie bei uns auf Erden wäre? 1%) — Aber was und efientiell nügt, ift fein bimmlifcher Leib, der fi ung mittheilen muß zu Ueberwinbung des Todes. So gleichgültig er fonft gegen das Aeußere iſt, bier huldigt er einem Realismus, welcher beim heil. Abendmahl ein blog geiftliches Eſſen als ein ſolches anfieht, das nichts nügen würde. Mit A. Oftander und Schwenffeld fordert er eine justitie essentialis, worunter er aber nicht eine geiftige Wiedergeburt, fondern das Empfahen des geiftlichen Leibes verfteht neben der Er⸗ wedung des Bewußtſeins defien, was wir ſchon zuvor find und haben. Dem manichäifchen Element, welches das Böfe nur im Leibe fieht, entfpriht der Dofetismus der himmlifchen fertigen Eubflanz des unfichtbaren Leibes, der nicht Produkt des ethifchen Progefles im hiftorifchen Gottmenfchen ift, fondern wie im magi« Shen Schlag Ehrifto zu Theil, magiſch auch auf die Menſchen übertragen wird. Wie dieſe Lehre von einer doppelten Leiblichs feit Chriſti in vieler Hinfiht nur ber derbere, plaftifchere und freiere Ausdrud von ber boppelten Menfchheit if, zu der gerabe bie entfchiedenere Tuth. Orthodoxie kömmt, und wie beide übers wiegend bie Menfchheit von ber leiblichen Seite betrachten, daran fei bier nur mit einem Worte erinnert. Daß aber auch eine “) Poſtille 1. ©. 213 ff. 83 ff. 78 u. f. w. Chriſtl. Weſpr. ©. 19. Bal. Weigel. Himmlifcher Leib Chriſti. 855 tiefere Wahrheit darin ſich von ferne anfünbigt, werden wi fpäter fehen. Mit Weigelsd und Theophrafts Ideen fleht in enger Berbindung 3. Böhme Lehre von Ehrifte 1). Auch bei ihm fpielt die ewige Jungfrau und ber himmlifche Leib, der aus dem heil. Element flammt, eine große Rolle. | Die jungfräuliche Geburt ift nah Böhm das Natürliche, denn Adam follte Anfangs als Mannweib durch den Gedanken ſich vervielfältigen, und war mit biefem fterblichen Leibe, dem rauhen Rode, nicht angethan 8). Er war gefchaffen nach ber heil. Dreifaltigkeit 9). Er war zumal bas hungrige Feuer (männlich) und die Bildniß, die Das Waſſer der Sanftmuth und Liebe hat (weiblich); er war eine züchtige Jungfrau in reiner Liebe 2%). Die himmlifche Wefenheit grünete im äußern Weſen feines Leibs und äußern Geiſtes. Seiner Seelen Bildniß ?') ftand in dem Bilde ber göttlichen Jungfrau, der Weisheit, wel: ches in der Gottheit von Ewigkeit erblidt war worden. — Des Adams Bildniß war aus Gottes Weisheit (d. i. dem. eivigen Sohn Gottes). Denn Gott wollte fi alſo in einem Bilde feben und offenbaren, und bas war bie Gleichniß nad Bolt. Ja Adam war nicht allein eine Gleichnig, fondern in derſelben Bildniß (nemlich der ewigen Jungfrau) Gottes Kind, geboren aus Gott, aus dem Wefen aller Wefen. Aber er verlor bie jungs fräuliche Weisheit, die er in ihm hatte; ex fiel durch den Teufel, ber ibn beneibete und. welcher an ber nicht unauflöglichen Eins beit. der drei Principien in ihm einen Angrifföpunft fand 2). 17) 88 gehören hieher: Bon der Menfchwerbung Jeſu Chriſti. Th. 1. bef. co. VII-X. in der Ausgabe feiner Werke von 1730, Bd. IV. ©. 54-84. Bon den drei Principien cap. XVI-XVIU. Bd. IL ©. 216-209. Bom dreifachen Leben des Menſchen c. IV. g. 58. Br. IL ©. 120 u. f. Bgl. Baur die chriſtl. Gnoſis. S. 596604. Dreieinigteit Bo. III. 259-294. 320 ff. 541 ff. 548. 772 ff. 818. 831. Wullen, Böhme und feine Lehre. 1888, 8. d. Menfhw. 3. Epr. Thl. Ic. VII. ©. 6. ” e. II, &. 20. ”) ©. 28, 21). o. IH. $. 24, 23,0.v.6.8f. 856 Zweite Periode. Dritte Evoche. Abſchnitt J. Kap. 2. | Und wie die himmlifche Jungfrau von ihm wich, To theilte fich auch die Einheit der Gefchlechter, die in ihm war; er warb an- gethan mit grober flarrer Materie und ward fterblid. Jedoch wie fich bie Finfterniß fehnet nach dem Licht, fo Adam, der zum Bräutigam Erwählte, nad ber bimmlifhen Weisheit, ferner Braut; und nicht minder auch fie fehnet fih nach ihm: rufe ihm und lockt ihn immerbar, anflopfend bei-ihm in mannig- facher Weife, bis fie zuletzt ſelbſt Menſch ward. Sie warb es, damit der Menſch wieder bergeftellt würde. Daher hatte fie (in Jeſus) eine Geburt, wie fie dem wahren Wefen des Men: hen entſprach — eine jungfräuliche. — Er befchreibt diefe näher fo?*). Die Gottheit hat gelüftet, Fleifch und Blut ju werben. Und wierwohl die reine klare Gottheit Geiſt bleibet, noch (den: noch) ift fie des Fleifches Geift und Leben worden. Bei Adams - Schöpfung bewegte ſich mur der Geift Gottes aus Gottes Herz, nun aber, ba der Menſch gefallen mar, bewegte fich Das Cen⸗ trum ober Herz Gottes, das von Ewigfeit geruhet hatte, und warb das göttliche Feuer aufgefchlagen und angezlinbet ?*). Dieß geſchah aber fo, daß Maria zuerſt durch die himmliſche Jung⸗ frau in der Benedeiung hoch grabiret wurbe gleih dem erften Menſchen vor dem Fall, das Verſtorbene und Verſchloſſene der Menfchheit in ihr wieder Iebendig warb 2°), So fland fie nun in ber reinen zlchtigen Jungfrau, fo fonnte das Wort des Le: bens Menfch werden in der äußern Maria, die zugleich die Bild⸗ niß oder die himmlische Jungfrau als ihr Eigenthum?e) in fi batte: — und Maris ward eine Mutter bes Thronfürften 2). Die Jungfrau ber Weisheit Gottes im Worte Gottes bat fih in ber Jungfrauen Marien Schooß, in ihre jungfräuliche matricem eingegeben und einvermäßlet eigenthümlich, unmeichend in Ewigkeit, verftehe in bie Effentien und in ber Tinctur bes Elementes, welches vor Gott rein und unbefledt if. Darin ift 23) Drei Prince. c. XVIII. $. 38 ff. Bon d. Menſchw. 9. Ehr. ce. VLII. 29 Bp. IV. ©. 65. 36, Ebdſ. ©. 64. 67. 3) II. 882. 7) Drei Prince. c. XVII. $. 41. Jacob Böhm. . 857 das Herze Gottes ein englifcher Menfch worben, als Adam war in der Schöpfung. Alſo der Urfprung Chriſti ift aus der Marla, bie aber zu paradieſiſchem Wefen wieder hergeftellt ift durch Vermählung mit der ewigen Jungfrau oder dem Worte Gotted, in bas ihr We⸗ fen wieder gerüdt warb, ober das wieder aufleuchtete aus ihr. Daher dann der Gottmenfch nicht ift wie andere, aus grobem Stoff, fondern er ift aus heil. Element, ein englifcher Menſch. Ja er ift nicht blos wieder wie ber parabiefiiche Adam, in wel- chem die Gegenſätze noch Löglich verbunden waren, in nicht bes währter Einheit, fondern dieſe hohe englifche Bildniß ift größer als Adam oder irgend ein Engel ift durch den Ausgang aus dem Herzen Gottes mit voller Fülle der Gottheit 2). Und follt bie verfiehen gar hoch und fcharf, daß biefe neue Kreatur im heil. Element nicht ift von der Jungfrauen (Maria) Fleifch und Blut geboren; ſondern von Gott aus dem Clement, in voller Fülle und Einigung der heil. Dreifaltigfeit, welche mit voller Fülle ohne Wanfen ewig darinnen bleibe, welche überall alles erfüllet. Daher ift das Wort mit feiner Ergebung in bad von. ihm geichaffene heil. Element mit feinem Eingehen in bie jung- fräuliche Matricem (d. h. in das parabiefifche Wefen der Leib- lichkeit der benedeiten Maria) vom Bater nicht abgetrennt, ſon⸗ bern bieibet ewig im Vater, und ift an allen Enden gegenwär⸗ tig im Himmel des Elemente, in welches es iſt eingegangen und eine Kreatur im Menſchen worden, die Gott heißet. Die heil. Element, das zur parabiefifhen Menfchheit gehöret, aus der allein bie reine Geburt des Sohnes Gottes werben fonnte (nad) der Art, wie die Erzeugung bei Adam fein follte vor dem Fall durch gläubige Imagination oder durch ben Gedanken der in der ewigen Weisheit fiehenden Seele), ent: fpricht ber Geburt Jeſu aus der Natur Gottes bei Schwenkfeld oder aus ber himmlifchen Eva bei Weigel. Doch hebt Böhm auch wieber hervor, baß bie Leiblichfeit des Elements diefer Kreatur unter ber Gottheit ift, denn bie Gottheit ift Geift und auch 2°, Drei Princ. c. XVII, 41. 42. ©, 281. 282. 858 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 2. diefer Geiſt, der Herr, ift eingegangen in ben Knecht, beffen ſich alle Engel im Himmel wundern und ift das größte Wunder, fo von Ewigkeit geichehen ift, denn es ift wider bie Natur, und das mag Liebe fein! ?9) Diefe hochfürſtliche engliihe Kreatur ifl augenblicklich im Wort und heil. Geift im heil. Element figurirt worben; die Marin gab noch die Jrdigfeit dem heil. Element ber neuen Kreatur bei, aber ohne Verunreinigung, welches bad Scheideziel war ($. 50), denn das Wort der Gottheit verwehs tete bag, Aber auch eine natürliche Seele gleich allen Adams⸗ findern hat Chriftus befommen; allda hat bie menfchliche Seele ihren fürftlichen Stuhl im Himmelreich wieder befommen, aus welchem fie mit der Sünde in Adam war ausgegangen. es doch unterfcheidet er eine doppelte Geburt der Seele Chrifli. Nach der einen Seite oder Geburt ift fie mit bem natürlichen Leibe geworben und ftebt. im Reiche der Welt, nad) der andern aber reichet fie in Die tiefen Thoren ber Ewigfeit, ind Vaters urfundlichften Willen, und ward Gottes natürlicher ewiger Sohn 3% und ward bie Seele Chriftt im Worte eine felbftftändige, natür⸗ liche Perfon in ber heil. Dreifaltigfeit, und iſt in der ganzen tiefen Gottheit Feine ſolche wunderliche Perfon mehr als biefer Chriſtus. Er will hiemit die Seele Chrifi als wefentlich götts lich bezeichnen, wie er ben Leib aus dem heil. Element ableitet. Aber nah dem Verhältniß der natürlichen menſchlichen Seele zu ihrer göttlichen Geburt und Effenz fcheint die Zweiheit nur eine vorübergehende zu fein, benn erftere ift nur. bazu da, daß bie himmlifche Jungfrau mit bem Worte fich ihr einbilde, in ihr das Licht anzlinde, wodurch fie zur göttlichen Perfönlichfeit des Soh⸗ nes felbft oder doch in fie verfchlungen wird. Die Möglichkeit biezu ligt in ber menfchlihen Seele überhaupt, felbft ber gefals Ienen, wenn Böhm gleich nicht fo wie Weigel von einer allges meinen Dienfchwerdung des Wortes, abgefehen von Chriſto, redet. Ein ähnlicher Proceß findet dann aber auch in: Beziehung auf ben Leib Chriſti ftatt. Nachdem Maria bie himmliſche Jungfrau 29, Drei Prine. o. XXI. $. 44. ”) 8. d. drei Prince. o XVII. $. 585-857. Bgl. « XXI. 77. Jacob Böhm. 859 im Glauben ergriffen mit ihrer Seele, fo hat fie angezogen bag reine Element, barinnen Gott wohnet (d. h. die göttliche Natur) nicht aus eigener Macht, fondern die Kraft und Barmberzigfeit ber himmlifchen Jungfrau bat ber Seele Mariä das bimmlifche reine neue Kleid bes h. Elements angezogen als einen neuen wiebers geborenen Menfchen; während baher Alles, was vom Fleiſch und Blut diefer Welt geboren wird, unrein ift, fo bat Marias wies bergeborener Menſch den Heiland aller Welt empfangen und zur Welt gebären Fönnen *). Sonach ift Ehriftus Cobfchon durch Maria) nad feinem parabiefifchen oder himmlifchen Leibe vom Himmel berabgefommen. Diefer Leib iſt ber ternarius sanctus, unfer perlorener paradiefifcher Leib; den bat das Herze Gottes an fi genommen; bie unjichtlihe Gottheit ift in ihn eingegans gen zu ewiger Vermählung. Er ſtammt aus Gott, wenn gleich Maria, die Wiebergeborene, ihn empfängt, und Gott und ter- narius sanctus werben ein Ding nicht im Geifte, fondern im Wefen, wie Leib und Seele. Aber biefer Leib aus dem heil. Element ift erſt formirt mit der Menſchwerdung, wo Chriftus zugleich ohne Vermiſchung mit jenem yarabiefifchen den fterbs lichen Leib annahm. Während jener Leib aus Gott der Seelen Leid warb und in ihm bie Seele heilig if, fo bangen ihr bie irbifchen Eſſentien aus Fleifch und Blut (dev Maria) in ber, Zeit des Erdenlebens an, welche aber Chriftus, als feine Seele mit der neuen Kreatur in Tob gieng, im Tode ließ und mit dem neuen Leibe aus dem Tode aufflund und über ben Tod triumphirte. Jener parabiefifche Leib warb bes äußeren greiflichen Leibes Herr. Sm unferem Leibe ſteckte ber Tod, aber des fterblichen Leibes Ehrifti Herz ift unferes Tobes Tod und Ueberwindbung. Gott ift Menfch geworben, baß er bie arme Seele des Menfchen wieder in ſich neu gebäre und von ben Ketten der Grimmigfeit des Zornes erlöfete; er verfenfte fich in den Seuergrimm ſelbſt, um ihn zu Löfchen und bie Liebesoffen⸗ barung beraufzuführen, aber biefe hat nichts zu thun. mit ber Erlöſung diefes thierifchen Leibes, welcher muß wieber in ben vier 3) Drei Princ. c. XXU. 6, 8644. 860 Zweite Periove. Dritte Epoche. Abſchnitt L Ray. 2. Elementen zerfchmelzen und ein Nichts werben. Denn hätten wir können mit diefem Leibe befiehen, Gott wäre nicht Menſch worden, noch für ung gefiorben *?). Aber auch eine andere Seele wird nicht geboren in feinem Menſchen, fonbern einen bimmlifchen Leib anziehend aus dem heil. Element wirb bie Seele erneuert, und dieſes heil. Element ift an allen Orten und unfere Serle ein Geiſt, und fo fehle’ an nichts, als daß un: fere Seele das Heilige ergreife und beffen eigenthümlich habhaft werbe *°). Die bimmlifche Jungfrau war die Seele in Chriſti bimmlifchem Leib (ternario sancto) und biefe Seele mit ihrer Leiblichfeit will unfeser Seele zu einer Braut fein. Obgleich auh Böhm auf Ehrifti himmlischen Leib das Hauptgewicht legt, fo will er doch weit mehr ald Weigel bie hiſtoriſche Bedeutung Ehrifti fefthalten. Zwar läßt er die ewige Jungfrau Gottes nicht blos mit Jeſu Chriſto ſich vermählen, fondern der Menfch überhaupt ift ihr Bräutigam; auch tritt biefe ewige Jungfrau nicht blos in ben Geſichtskreis der mit Ehrifti hiftorifcher Erfcheinung befannt Geworbenen. Ja über dem Bemühen, Chriſti bimmlifche edle Geburt darzuthun, droht ihm die Gefahr, die Jungfrau Maria mit der ewigen Jungfrau ſchon in einer Weife fid) vermählen zu laffen und zu identificiren, daß für Chriſtus nichts Auszeichnenbed mehr übrig bliebe, da doch auch er die Einheit des Menſchen mit ber bimmlifchen Jungfrau ifl. Allein er fagt nicht blos, baß die ganze Fülle Gottes in Jeſu gewefen fei, fondern er behält auch beim Gott: menfchen allein bie zweite Stelle in der Trinität und bie Würde vor, die Menfchen durch feine Erlöſung in ihr Paradies wieder einzuführen, wo fie befonders vermittelft des heil. Abendmahls befleivet mit dem himmliſchen Leib durch den Glauben Glieder feines Leibes werden und felig um ihn als ihr Gentrum und ihre Sonne ſchweben. Der tiefere Begriff von ber Sünde, ber ihn vor andern Myftifern auszeichnet, aber freilich bei ihm dem Dualismus nahe kommt, hält ihn auch fefter bei dem hiſtoriſchen 22) V. d. drei Prince. c. XXI $. 60 ff & XU. €. 47. 68. 35) Drei Princ. c. XXI. 6. 38, Jacob Böhm. 861 Gottmenſchen. Dennoch ift jener Spiritualismus, der z. B. bei Weigel frei hervortritt, auch bei ihm nicht überwunden, ſondern nur minder enifchieden eingelaffen. Und wie ihn felhft nicht bie Conſequenz feines Syſtems, fondern fein demüthiger Sinn, feine kirchliche Frömmigkeit vor vielen Abwegen der Myſtik bewahren fonnte, fo zeigte ſich bei manchen feiner fpäteren Freunde, bie in eine feparatiftifche und naturaliftifhe Richtung eingiengen, wie wenig bie in feinem Syſtem verfuchte unmittelbare Einigung von Chriſtenthum und Spekulation genügen Fonnte. Roc verdient bier eine Erfcheinung Erwähnung, bie in ber Mitte flebend zwifchen ber alten Form ber. Chriftologie und zwi: ſchen einer neuen, beſonders duf die Menfchheit gerichteten, mit dem ablanfenden fiebenzehnten Jahrhundert in ber ganzen evan⸗ gelifchen Kirche immer häufiger auftritt, in der Tutherifchen Kirche, Die, wie wir ſahen, für ihre Lehre von. der ntftehung ber Knechtsgeſtalt feit ber - Conceptio durch bie Erniebrigung bes Osttmenfchen dahin führen Fonnte, wie in der veformirten. Das ‚ift.die Lehre von eine bimmlifhen, präecriftenten Menfhheit Chriſti. Auch in ihr fehen wir eine Betonung der Menfchheit, ja den Berfuch, ihr eine ewige Bebeutung in Gott felbft zu fihern und für bie befonbers in der Stänbelehre fo ſpinös gewordene Comm. idd. eine Art von Surrogat zu bilden. Denn die den irdiſchen Schranfen enthobene Menfchheit oder -die Menſchheit nach ihrer Idee mit der Gottheit in eine Einheit zufammen zu bringen, erſchien verhältnigmäßig leicht, zumal auch die Niebrigfeit als ihre That gedacht werben fonnte. Es gährt in diefer Lehre von einer bimmlifchen Menfchheit Luthers Sedanfe von einem neuen höhern Begriffe ber Menſchheit — aber freilich in famtaftifcher, ja auch leicht zum Arianismus über- gleitender Form. Mir betrachten zuerft die -verfchievenen Wendungen, bie biefer Theorie gegeben wurden, fobann ihre Bedeutung. Bor Allem gehören hieher die Quäker. Barclay ®%) . fagt, daß das lebendig machende Fleifch, wovon. bei Johannes %) Theolog. vers Christ. Apol. Thes. XII. ed. 8. Lond. 1729. ©. 881 fl. 862 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 2. c. 6 die Rebe fei, ein vom Himmel gefommener geiftlicher Leib ſei. Da aber die Quäler bie Wahrheit des Erlöſungs⸗ werfes nicht aufheben wollen (obgleich auch ihnen wegen ihrer Lehre vom allgemeinen innern Lichtſamen, —=Chriftus, bie Bedeu: tung des biftorifchen Erlöſers fehr zurüdtritt), fo müflen auch fie einen doppelten Leib Chriſti fegen, wie denn auch Barday-°*) thut. Dagegen unterfcheibet ſich Barclay von ben bisher dars geftellten Freunden diefer Anſicht durch bie Geneigtheit, bie - Annahme jenes göttlichen Leibes nicht erfi von der Incarnation in Maria an zu batiren, fonbern das Wort Gottes ſich zu allen Zeiten durch benfelbigen Leib den Menfchen offenbaren zu Taffen, woburd er denn bie Möglichkeit zu begründen. fucht, Daß bie Menfchen zu allen Zeiten des Lebens in Chriſto Fonnten theil⸗ baftig werben: wie benn auch jetzt ohne Abendmahl der Glaube den geiftlichen Leib Chrifti empfäht °%). Das spirituale corpus nennt er corpus de divino et coelesti semine. . Daß au und wie bie Anabaptiſten — namentlid M. Hoffmann und Menno Simonis — einen - himmlifchen Leib. Chriſti anmehmen (obgleich ihre brev. Conf. hievon nichts er- wähnt und fpäter die orthodore Lehre wieder von ihnen aner: fannt wurbe), ift oben erzählt. (IL, 636 ff.) Beſonders aber verdient P. Poiret eine nähere Darftels lung 2). Die feche Weltperioden vor dem Ende ber Welt, dem ewigen Sabbath, find ihm bezeichnet einerfeits durch eine immer mehr fleigende Macht der Sünde, andrerfelts Durch fteigende Er: weifungen ber Gnade. — Unter bie letztern gehören mefentlich und jedesmal Erfcheinungen des Sohnes Gottes, und zwar in ber Geftalt der Menfchheit. So redete er durch feine geheiligte Menfchheit ſchon mit Mofe und mit dem Volk; ſchon Damals 35, Ipid. Thes. XII. 3%) Sicut igitur Christus habebat externum et visibile corpus aut templum-a Maria virgine, ita etiam spirituale corpus Christus ha- bebat, per quod ille qui erat Verbum in principio cum Deo, et orat et ost Deus, revelavit semet ipsum filiishominum omni aotate. 37, Oeconomie divine, ou systöme.universel eto. Tom. V. Amsterd. 1687. Die Lehren von einer himml. Menfchheit Eprifti. Quäker. Poiret. 863 war der Sohn Gottes nach Leib und Seele mit der Menſchheit geeint, wie er zuvor fchon den Patriarchen körperlich erfchienen war. — Nach Oee. du peche Chap. XI. $. 13. erhielt ſchon ber erfie Menfch einen Leib, mit Rüdficht auf bie Erlöfung, damit. feine Sünde, wenn fie trog ber göttlichen Borfehrungen einträte, einen mehr finnlichen, als geiftig egoiftifchen (dämoni⸗ fhen) Charafter annähme. Zugleich aber ($. 15. 16.) war das mit die Möglichkeit gegeben, daß der Sohn Gottes im Fleifche erſchien, daß Gott von außen mit den Menſchen burch den Menfchgervorbenen verfehre, und daß Gott, wenn er ben menfdhs lichen Körper annähme, durch ihn als ‚fein Organ bie untern Kräfte beherrſchte, aber auch den untern Kräften fich zu genießen gäbe. Der Sohn Gottes nahm nun aud wirklich die Menſch⸗ heit an, und zwar bald nad ber Schöpfung des Mens ſchen, ſchon vor dem Fall; und zwar fand biefe Menſch⸗ werbung fo- flatt, daß der Sohn Gottes aus Adam feinen Leib und eine göttlihe Seele nahm ®%). — Adam näms lich hatte eine fehr hohe Beſtimmung. Nicht als ob Gott ihn gefehaffen hätte, um fich felbft Darzuftellen; ſondern dieß Teiftet fhon die immanente Selbftoffenbarung des trinitarifchen Got⸗ te8®®). Aber wollte Gott fich, d. h. als Gott außer fich darſtellen auf lebendige Weife, fo Fonnte es nur geſchehen in einer divine nature. Gott ift uber durch fih, der Menſch if Gott durch Gott, durch Gnade. Und wie bie Seele hoch ges ſchmückt ift von Gott, fo auch der Leib. Der menſchliche Leib‘) follte ein Compendium des Univerfums und feiner ganzen Boll: fommenheit, ja König und Regent bes Als fein. So war denn auch Adams Leib hoher, geifliger Art, wie feine Seele göttlich. Um alfe den Sohn Gottes wahren Menfchen fein zu laſſen, und zwar fo frühe, als es Poiret nöthig und fchriftgemäß fcheint, 3%) Oecon. du Reteblissement avant I’Incarn. de J. Chr. Chap. V.$. 8. — ayant tir6 d’Adam un Corps glorieuz et une ame divine, par oü il a interc6d6 pour les hommes envers Dieu. Die Hauptfielle aber iſt Oec. du Retabl. aprös l’Incarn. c. U. $. 11. 3%) Oee. de Cr&at, Ch. X. $. 6. ff. #°) ibid. ce. ZI. 8. 9. 864 Zweite Yeriode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 2. läßt er den Sohn Gottes die Menfchheit annehmen (tirer) aus Adams herrlichem Leib und göttlicher Seele: fo daß in Chriſtus und feiner unauflöslichen unio mit ber Menfchheit bie Wahr: beit der menfchlihen Natur, die Adam durch Sünde verlor, oder ihre Ideal erhalten if, abermals ein plaftifcherer Aus⸗ drud für die Präfervationstheorie der reinen Massa Adamitica bei Iutberifchen Theologen (ſ. o. S. 838 ff.). Sp fchreibt nun Poiret Chriſto ſchon vor der Incarnation in Maria nicht blos manchfache Erfcheinungen, fordern auch menfchliche Emotions und Leiden zu und eine nie ermübende Ins tereeffion für die Menfchen, feine Brüder — in Liebe und Ges bet, worin ihm das bohepriefterliche Amt Chriſti vornemlich bes faßt if. Diefe vielen Manifejtationen Ehrifti können wieder an bie Ölementinen erinnern; doch unterfcheidet ihn, wie ben Tert. weſentlich von ihnen, daß ihm Chriſtus nicht bie Perfonen wedhs felt. Vielmehr ift und bleibt er Gottmenſch durch Die ganze Ges ſchichte. — Aber wie verhält fih nun diefe Menſchwerdung feit Adam zu der Menſchwerdung in der Maria? Er will nur ber letz⸗ tern den Namen der Incarnation vorbehalten wiffen, weil Chri⸗ us in Maria fterbliches Fleifh annahm “i). Wie ein gläns zend weißes Kleid in dunkle Farbe getaucht und von ihr durch⸗ brungen, barum nicht zu zwei Kleidern werde, fo auch wicht Chriſti Leib durch Annahme de notre corruption mortelle in Maria. Diefer angenommene Körper trühte nun feine Etkennt⸗ ® #1) Oec. aprös P’Incarn. de J. Chr. Chap, IL. $. 11. ff. Sa Majests divine voulut couvrir son Corps glorieux de notre chair mortelle, qu'il voulut prendre dans le sein d’ung Vierge. Es fiheine vielleicht uns begreiflich, wie le corps glorieux qu’il avoit tiré d’Adam et qui 6toit crü & la stature d’un homme parfait, se bornait dans le sein d’une Vierge. Er antwortet: Es war Gott ein Leichtes, de reduire son eorps au möme volume, qu’il avoit à sa naissance d’Adam u. f. w. $. 12. — Le corps de Jesus Christ, se ravötant de la chair et du sang de la bien heureuse vierge, fers aussi peu un compos6 de deux corps difförents, qu’un habit blanc et lumineux plungs dans un vase de couleur chargee et obscure, ou il se charge de la matidre, qui pro- duit cette opacit6, ne devient pour cela un habit double eu deux habits au lieu d’un, j Poiret. Menſchwerdung bald nad Adam. 865 nid, hatte ein ungeregelted Wefen wie ber unfrige unb war von Chriſtus unter ſchweren Kämpfen zu regeln 2). Aber durch dieſe tiefſte Erniedrigung hat Chriſtus uns erlöst und durch feinen Sieg warb er verherrlicht. — Poiret fcheint zum Theil, wie Menno, durch eine manichaifirende Anficht von dem menflichen Leibe auf feine Theorie zu kommen, wie er fie denn ber Afcetin Bourignon zu verbanfen befennt, die ſich dadurch als göttliche Profetin legitimiren wollte: Da ihm bie Seele weſentlich göttlich if, fo fann die Eorruption der Sünde nicht an fie rei⸗ Ken, — für die Erlöfung alfo muß der Hauptarcent auf bie Leiblichkeit fallen. Und biefe pelagianiſche Tendenz theilt er alfo mit allen Freunden des innern Lichts, wie er denn auch gleich ihnen zwifchen ber vorchriftlichen und chriſtlichen Zeit feinen wefentlichen Linterfchieb anzugeben weiß. Das Amt Chriſti nach ber Geburt aus Maria ift wefentlich daſſelbe, was er ſtets ver- waltete und geht im prof. Amte und in ber Interceſſion durch Fürbitte auf. Jedoch ift alles Gute vor Chriſtus von bes Gottmenſchen Mitwirkung abgeleitet... Bon Doletismus fucht er durch die obige Fünftliche Lehre fich fern zu halten und an die ganze Gejchichte der göttlichen Deeonomie fih anzu= fihließen, wie ihn bei der Annahme einer Menfchwerbung von Adam an ein anthropologifches, hiſtoriſches Intereffe — bie Rüdficht auf die menfchliche Sünde, welche göttliche Erſcheinun⸗ gen nothwendig machte — leitet, nicht ein ſpekulatives. Mehr einem ſpekulativen Intereſſe dürften die Anſichten ihren Urſprung verdanken, welche die Menſchheit Chriſti ewig präexiſtirend denken. Von den verſchiedenen Wendungen, die hier möglich waren, nämlich beides, Seele und Leib, oder nur den Leib oder nur die Seele Chriſti präexiſtirend zu denken, ver⸗ folgen wir hier nur die dritte, weil ſie ſelbſt unter Orthodoxen nicht ſelten war, während die zweite den Logos an die Stelle ber menſchlichen Seele zu ſetzen ſucht und unten bei P. Maty beſprochen werden wird, die erſte aber ſchon bei den Quäkern vorkam und unmittelbar auf Doketismus führt-rDiefe dritte nun, die ſchon von Hugo von ©. Bict. angenommen war, fand 29.00.88 16 ff 866 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 2. befonders in England sec. XVII und XVIII viele Freunde. So an Henry More ) in ber zweiten Hälfte sec. XVII; Ebwarb Fowler, Bilchof von Glouceſter, „Discourse of the Deseent of Man Christ Jesus from heaven“ (famint einer Bertheibis gung biefer Anficht), ferner Robert Fleming's Christology in 3 Bänden, von denen ber erfle und dritte diefe Anſicht mit Geift vertheibigt und durchführt. Andere hieher gehörige find 3. Hufley, Francis Gaftrell (Bischof von Chefter), Dr. Thomas DBennet, Dr. Thomas Burnet und mande ats dere. Beſonders aber wird dieſe Anficht fcharffinnig vertheis digt von dem noch jegt in England in hohem Anfehen ftehens den Berfaffer ber Glory of Christ as God-Man. In three discourses (J. Watts), Lond. 1746, in welder mit Umficht die Gründe, die für dieſe Anficht fprechen können, zus fammengefaßt find. Watts fagt, man babe, um bie innige und allgemeine Beziehung Chriſti zur Menfchheit auszubrüden, die Wahl, zu fagen, daß bie Menfchwerbung ewig in Gottes Rathſchluß (decree) war, oder real, nämlich fo, daß Goit ſchon vor der Welt: Schöpfung mit einer menfchlidden Seele vers eint war. Für bie erftere Anficht beruft er ſich auf den Dr. Goodwin **,- Diefer fagt mit Beziehung auf Col. 1, 16: Alle Dinge find gefchaffen 1. er aura, in him (nämlich als Gotts menfchen) as the exemplary cause, that is, God set up Christ as the Pattern of all perfection — and he drew in scatfered Pieces in the rest of the Creation the several Perfections met in that human nature (viz. of Christ as Godman) as a Pattern. Alſo Chriſtus als Gottmenſch ewig im göttlichen Decree oder by way of Anticipation #5) war das Mufterbilb oder Urbild, und bie verſchiedenen Bollfommenheiten, die in dieſe Menſchheit Chrifti niedergelegt find als in das Urbild, find aus einander getreten und zerfiveut in ber übrigen Schöpfung. 2. by him, &avrov all things were created, he having been some way the’ In- strument of the Creation as he is actually of Redemtion: Sp: #5) The mystery of Godliness. 4) Knowledge of God the father and his Son Jesus Christ. Vol If. ) Watts. ©. 218. Poiret. — Speculative Formen d. Lehre v. ewiger Macht Epr. 867 nad wäre ber Gottmenſch au zum Werkzeug ber Schöpfung beftimmt, und virtually gibt ihm auch Gott tie glory of Crea- tion; obgleich er erfi 4000 Jahre nach Anfang der Welt: wirt: lich Menfh ward. Denn, er war zur Menfchwerdung auch zeu: :h vor afen anderen beflimmt, wie er benn ber Erſtgeborne iſt aller Creatur: aber feine Menfchwerbung warb suspended for glorious Ends. Die Sünde war daran Urſache, um ihrets willen trat er ein in ber Mitte ter Zeiten, da bie Zeit ers füllet war: fie mußte aber, zu feiner Verherrlichung gleichfalls beitragen. — Wurde nun freilich der Gottmenſch nicht blos bie Pattern, fonbern das Instrument genannt für die Schöpfung, fo war ed confequenter, mit Wattd das Andere anzunehmen, daß nemlich nicht blos die Idee diefes Urbilded ewig war, fon- dern daß es auch felbft vor der Welt real war. Dieß führt nun Watts fo. aus 1): Ghrifli Seele war wirklich (actually, nicht blog virtually) der Erſtgeborne ber Schöpfung. Eine herrliche Creatur wurbe von Gott affumirt vor der Welt ald Organ, und durch fie altes geichaffen. Diefe herrliche Seele.nahm in ſich fo viel Göttliches auf, als irgend ein creatürliches. Weſen faffen fonnte. Sie ift der Spiegel, das Ebenbild Gottes, wir aber, geichaffen nach Gottes Bild, find eigentlich geichaffen nad) dem Bilde diefes Gottmenfchen *). Dieß erfläre viele bunfeln Stellen der Schrift, wo von einem fuborbinirten höhern Weſen fchon vor der Incarnation die. Rede fei. So war es möglich, daß im A. T. ſich Gott bereits in lebendigen Verkehr ſetzte mit dem Volke. Zn Maria aber nahm dann dieſe Seele noch das menfchs lihe Kleifch an, wobei Die Worte oap& eyzrero ſtark premirt werben. Diefe Anficht könnte leicht Arianismus (wie bei Paul Maty) werden; das fühlt der Verfaſſer ſelbſt und zeigt Dagegen, daß Haupteinwilrfe der Arianer vielmehr erſt bei ihr fallen. Diefe nemlich führen Stellen an, welche auch abgefehen von ber Smearnation, alſo in Beziehung auf das Präexiſtirende in Chriſtus 46, In feinem dritten Discourse: The early Existence of Christ's human Soul I. c. ©. 147—256. 2) A. a. O. ©. 218. 166. 194. 208. 237. 177. 229. Dorner, Chriſtologie. IL 2te Aufl. . 56 868 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt I. Kay. 2. fuborbinatianifch lauten, und beweiſen damit ihren Suberbinas tianismus. Wenn Chrifti Seele präeriftire, fagt er, fo falle diefer Einwurf; ferner der arianiſche Borwurf: die orthobore Lehre bringe es zu feiner wahren Erniedrigung Eprifti, da Doch Gott nicht Theil nahm am Leiden, alſo fei ein höheres, aber Gott fuborbinirted Weſen in Chriſtus zu fegen, was ſich wahrhaft ı ers niebrigt habe in der Menfchwerbung und wahrhaft gelitten. — Die Annahıne der Präexiſtenz ciner berrlihen Seele, die von Anfang an mit Gott vereinigt fei, biete Die gleichen Vortheile. Und wenn feine Theorie noch für feine befiimmte trinitarifche Anſicht befonders fpreche, fo rechnet er ihr dieg zum Ruhme an, will aber jedenfalfd wahre Gottheit, perfönliche Bereinigung mit Bott diefer Seele zufchreiben. Zur Empfehlung berfelben führt er außer exeget. Gründen folgende weitere an: Es war angemeffen, dag Chriſti Seele, ehe der Gottmenſch in der Niebrigfeit und sum Zwed der Erlöfung erfchien, feine Zuftimmung gab zu den Leiden. Ferner: Es werbe die droaunmas begreifliher, wenn bie menfchliche Seele Chrifti das ſchon vorhandene Medium dafũr bildete ). Was nun den Werth dieſer mandfaltigen Anfichten bes teifft, jo haben fie indgefammt etwas Dofetifches an fih: nur bie letztere kann, wenn man in Beziehung auf die Entftehung der menfchlihen Seele creatianifch denkt, bievon ‚ausgenommen werben. Die andern verratben meiſt ihre bofetifche Tendenz burdy eine - manichaifirende Anficht über den menfchlichen Xeib. Den Freunden des innern Lichts foll diefe Anficht noch beſon⸗ derd Dazu dienen, um troß ihres ſpiritualiſtiſchen Hangs mit der Perſon des Gotmenſchen in Berbindung zu bleiben und fie von — nN— AR, Kein Glaubensartikel ſei dadurch gefährdet (S. 229), dagegen this doctrine greatiy magnifies the solf-denial and the condescendhig Love of our Lurd Jesus Christ in his state of his Humilistion and Death: it casts a thousand Rays of Glory upon all the Scenes of his hum- bled Estate, it makes his Subjection and Obedietice to the Will of the Father appear much more illustrious, and his Charity and Com- passion to perishing Mankiud stand in a very surprizing Light. ©. 222. Goodwin und Watts über eine himml. Menfchheit Chriſti. 869 dem allgemeinen Logos zu unterfcheiden. Wendet fich biefe An: fiht fo, daß fie in irgend welchem Sinne au die PBräeris ſtenz dere Menſchheit Chriſti ſetzt, fo Ieuchtet deutlich das Beſtreben durch, die Bedeutung der Perſon Chriſti zu univerſa⸗ liſiren — entweder in anthropologiſcher Weiſe oder in metaphy⸗ ſiſcher und fpefalativer. Jenes bei Poiret, der den Gottmenſchen als den Wiederherfteller des Geſchlechts zu allen Zeiten darſtellen will, damit nie dem Menfchen fein Erlöfer fehle. Das Letztere aber geichieht beſonders von Rob. Fleming und %. Watts, deren Anficht ber kirchlichen Lehre am nächften fommt, ja fih aud bibfifch nicht ohne guten Schein rechtfertigen läßt. Unbegreiflich bleibt freilich, wie eine fo vollendete Seele nicht nach der In⸗ carnation eine blos doketiſche Entwidiung hatte. Auch ruht bie ganze Theorie auf der Borausfeßung, eines fehr äußerlichen und zufäßigen Verhältniſſes zwiſchen Leib und Seele. — Aber indem fie den Gottmenfchen als Drgan und Urbild der Schöpfung ber Weit vorangeben läßt, fo ift damit ein fehr wichtiger Gedanke, wenn auch in ungenügender Korn ausgefprochen, ber oft zu wenig geltend gemacht wird, daß nemlich der Gottmenſch Jeſus Chriſtus nicht blos ein Mittel fei für bie Menſchheit, namentlich die Erlöfung, fondern auch Selbſtzweck, dem die ganze Welt dient. Was aber endlich fowohl bei biefer ale bei vielen ber andern zu beachten bleibt, ift, daß bei ihmen fo viel von Der menſchlichen Natur Chrifti die Rede if. Auf fie richtet ſich, ‚ganz angemeflen dem Geifte einer beginnenden neuen Zeit, bad Nachdenken; fie wird vor Allem zu erhöhen gefuht — und Durch dieß Erweitern ber Grenzen ihrer Bedeutung und Würde nach allen Seiten bin wird in ter Weife der VBorftellung Bie wefentlide VBerwandtfchaft des Göttlichen und Menfchlichen ausgefproden, welche wiffenfchaftlih nun zu gewinnen war. Dieß befonders fichtlich bei Barclay, Poiret und Watte. Zur Weife der Vorftellung aber gehört es, daß Watis ed nicht als Beftimmung des Logos anfehen Tann, Menfch zu werben, ohne diefe Beftimmung fofort auch als verwirklicht zu denfen. Daß er ferner, um dem Gottmenſchen den erften Rang zuzutheilen, auch der Zeit nach ihn Allem glaubt voranftellen zu müſſen. 56 *? * 10 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 2. Auch wagt er noch nicht, tie Menfchwerbung als wefentliche Beftimmung des Logos anzufehen, denn fonft wäre er nach feis nen Prämiffen wohl vollends zu der Lehre von der ewigen Menfchheit und dahin fortgegangen, ben Logos ſtets unb ewig zugleih als Menih (Adam Kadmon) anszufprechen. Aber auch dieſe letztere Wendung - tritt auf befonders bei Swedenborg. Ihm ift der Menſch fo fehr die nothwendige und allgemeine Form des Geiſtes, daß er nicht blos die Engel läugnet und fie allegoriſch faßt oder als Menfchen zu erweilen fucht, fondern auch Gott it ihm von Anfang Menſch im Erſten, um ed dann auch im Letzten, in der Welt zu werben ’). Man follte denfen, wenn Gott urfprüngfich und weſentlich Menſch ift, fo braucht er es nicht. zu werben. Allein in Swes denborgs Spftem nimmt Chriſtus „der Herr“ eine ſolche Stels fung ein, daß in ihm Alled, Trinität, Vollendung bed Mens ſchen und der Kirche convergirt. Befanntlich weiß zwar Swedenborg gegen die firchliche Trinis tätslehre, in der er nur eine Dreiheit von Göttern fieht, fich nur fehr bitter, ja leidenſchaftlich auszufprechen. Gott ift ihm eine breieinige Perſon, Chriftus ber Herr; aber nicht eine Dreieins heit der Perfonen. Das Göttliche des Herrn ift der Bater, das göttliche Menfchlihe der Sohn; das von diefem Herrn Aus⸗ gehende tft der heil. Geift "). Die Kirchenlehre faßt er fo, als ſchlöſſe fie Die Einheit eines perfönlichen Gottes durd bie drei Hypoſtaſen aus und leitet alled mögliche Unheil aus biefer vers meinten Abgötterei ber. Nach diefer Seite ſchließt er fih an bie Polemit Servede’s umb anderer Antitrinitarier an Ebenſo beftreitet er auch die Zweiheit entgegengefegter Naturen in Chris ſtus. Allein das ift nur bie eine Seite; feine Eigenthümlichfeit ligt anberöwo. - So fehr er im Gegenſatz gegen eine Mehrheit von götts lichen Ichen auf der Einheit Gottes beftebt, jo will er doch 4) eepre des neuen Seruf. v. Deren, überf. v. Tafel. Tüb. 1828. Br. 1. ©. 85. 72. 0) A. a. O. S. 124. Nieder d. Behren v. himml. Menſchheit Epr. Immanuel Swerenborg. 871 Bott ale Einheit in Unterfchiebenheit der „Kräfte, Attribute oder Wefentheile“ denken, als distinete unum °'). Gott ift ihm vor Allem die Liebe (das Gute), die Weisheit (das Wahre), alfo Wollen und Erkennen, endlid bie Auswirkung. Die Liebe if gleihiam das Sein, der Inhalt; die Weisheit das Criftiren Gottes oder die Form, die diefen Inhalt in fich ſchließt. Bilds lich nennt er wohl auch bie aus ber Liebe hervorfteigende, exi⸗ ftirende Weisheit (die wieder Liebe ift aber als eriftirende), ben Sohn Gottes”); und die Wirfung der Gottheit, die Liebe und Weisheit zugleich ift, heil. Geiſt. Diefe Gottheit nun ober bas Gute und Wahre fchafft (mie es feheint ewig) eine Welt, wie fie diefem Weſen Gottes gemäß ift, d. b. eine fiir Liebe und Erkennen beftimmte, gottebenbilbliche, daher freie Welt. Die Liebe Gottes will diefe Welt ald einen freien Selbſtzweck, nicht als ein gleichfalls göttliches Weſen, denn fonft liebte Gott darin nur fich felber. Gott will fie als ein wirklich Ans deres, die nur durch Freiheit zur wirklichen Gottebenbilblichfeit . gelange. Es hat ihm auch feine Selbfimittheilung Gottes an die Menfchheit auf Koſten der Wahlfreiheit eine Stelle, noch we: niger wäre Swedenborg richtig aufgefaßt, wenn man bei ihm im ‚Leben der Welt einen Proceß fähe, in welchem und durch welchen hindurch Gott- fein Werden und feine Gefchichte 2 Der eigentliche Gegenſtand feines Haſſes ift die luth. Rechtferti⸗ gungslehre, die er für fittlich verberblich Hält, wie auch vie Lehre von einer fiefivertretenden Genugthuung für bie göttliche Gerech⸗ tigleit. In der kirchlichen Zrinitätsiehre aber fieht er die Wurzel der genannten Lehren: denn fie fordere, daß Gott verfciedene Rollen zugewiefen werben, welche nur von verſchiedenen Perfonen getragen werben können. So ſei aus dem Einen Gott ein zu verföhnender und ein verföhnender geworden. s2, Sohn und befondere Perfon kann der Herr eigentlih nur heißen feit feiner Zeugung und Geburt aus Maria, und diefes für bie Zeit feines Lebens auf unferer Erbe. Auf fo lange können ge wiffermaßen zwei Perfonen gedacht werben, als der Derr in meunſch⸗ lichem Körper auf Erben wanbelte und zum Bater betete. Aber feit der Verklärung feines Menſchlichen mit dem Bater (Einung) auch diefes nicht mehr. "872 Zweite Geriode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Ray. 2 hätte >). Es if die unverletliche Ordnung Gottes, daß er gegen freie Wefen feine Allmacht nicht brauchen kann, um fie zum Wahren und Guten zu bringen. Die Weltgefchichte ift ein Proceß der Freiheit. Allein es ift ein großer Abfall gefchehen. Freilich bat Swedenborg Adams Fall allegoriſch auf den Fall der Kicche bezogen, die er, 3. Swebenborg, wieder herzuftellen gefommen ſei. Aber doch läugnet .er nicht die allgemeine Macht des Böfen, ja auch nicht das Erblbel böfen Hange.. Nur meint er, die lu⸗ therifche Lehre von der Erbfünde, die auf Adam zurüdgeht, trete ber Freiheit zu nahe, und läßt für den Urfprung der Sünde bie Annahme offen, die auch von einem Theil feiner Schüler gewählt wird, es fei in der Einrichtung unferer Natur das Erb: übel begründet, als Reiz zum Böſen, der aber erft durch Ein- wilfigung ber Sreiheit zur Sünde und Schuld werde. Nach Swe⸗ denborg war ferner der Andrang des Böſen und der Hölle ger gen bie gute gegliederte Weltorbnung fo mächtig, daß Alles in Zerrättung zu gerathen drohte Die Menſchheit in biefer Welt nimmt zwar nur bie unterfte Stelle der Bernunftwejen ein; aber wenn das Fußgeltell des Throns zufammenbricht, ſo ftürgt ber Thron ſelbſt. Auch konnte da die Allmacht Gottes nicht einfchreiten; Menſchen müffen den Kampf ausfämpfen, fonft ift gegen bie (fittlihe) Grundordnung verftoßen und nur ein Scheins refultat, nicht aber eine Welt erreicht in der Weisheit und Liebe walten. Aber da andrerfeits doch Gott nicht ruhig zuſehen fann, wie die Hölle fiegt, das Wahre und Gute ausgeſchloſſen wird und fo die Welt fih für Gott verichließt, fo that er Das, was allein übrig war, er warb felbft Menſch, um felbft handelnd ale einer der Kämpfer in den Weltfampf einzutreten (wofür bie Menfchheit fein „Arm“ warb), um fein Wefen den Menſchen zum Bewußtfein zu bringen und bie wahre Menſchheit barzu: ftellen. Das Denkoild von Gott als fihaubarem, nahbarem iſt das von einem Menſchen. So brauchen die Menfchen nicht mehr 3), Ich kann Baurs Auffaflung von Sw. nicht im Einflang mit def» fen Sreipeitsichre, fowie mit ven häufigen Stellen finden, welche es ausichließen, in ver Welt ein Göttliches, fei es auch im Anders⸗ fein, zu fehen. nn Immanuel Swebenborg. 83° blos wie in’d Blaue zu bliden, fondern in Ehriftus ift ihnen Gott firirt. Das Streben des Menſchen für fi gienge iu das Unbegrenzte und Leere: Gott hat fih daher dem Menſchen zus gänglich gemacht, fo daß er in ihm, dem erfchienenen Gott, Liebe und Weisheit glaubenb und liebend ergreifen und dann auch felbft beihätigen fann °'). Da Gott an ſich (im Erfien) Menſch if, fo fonnte er es auch werben in der Welt (im Lepten) °5), wobei dann basjenige zu conereterer Wirklichkeit herausgefegt wasd im Fleiſche, was der Eine Gott ideell ſchon in fih if, Die Sohnes fchaft oder die Form des göttlichen Weſens. Die caro if in ber Welt der Offenbarung der Sohn; ber Zuhalt der caro ift das Göttliche des Vaters. So ift denn nad) Swebenborg (wie nach Praxeas) der einige Gott in ber Zeit Menfch, d. h. im eigentlichern Sinn durch das Fleiſch Sohn Gottes geworden, ins dem er in Maria in menfrhlichem Leibe erſchien. Jeſu Seele war das Göttliche des Vaters felbft, fein Leib wird hervor: gebracht burch biefes Göttliche, gleih wie auch unfre Seele. ſich ihren Leib ſchafft. Es it auch ber Leib aus der Sub ftanz des Vaters, aus der fubftantiellen Liebe. Jedoch will er Ehriftus nicht einen bloßen himmlifchen Leib zufchreiben, fon- dern auch einen materiellen, von Maria ber. Dadurch erſt war er wahrhaft im Testen wie. im Erſten. Aber damit ift eine Uns gleichheit, des. Sottmenfchen mit ſich felbft geſetzt. Es iſt fo zwifchen Gott, der im Erſten und zwifchen Gott, ber im Letz⸗ ten Menſch if, ein Witerfprud, der ausgeglichen werben muß. Da feine Seele Das Göttliche des Vaters ift, muß au fein Leib dem enifprechenb werden. Nun ift aber das Dias terielle, dad aus Maria Angenommene ber Berwanblung in das göttliche Wefen nicht fühig ꝰe). So muß ber Proceß ber allmähligen Ausgleihung die Form annehmen, daß das aus Maria Angenommene (dad ihm nur zur Hand diente, um in bie welstichen Berhältniffe einzugreifen) nah und nah ausgezogen &) Bgl. Vera christ. religio. ©. 43. 69. Ferner $. 626--649. 5 Alles Göttliche firebt zur menſchlichen Gehalt an.- Bgl. die Schrift: Bom Himmel und der Hölle Nro. 73-77. 468. 460. % ©. 78. 4. 85. | 874 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abfepnitt I. Kap. 2. mwurbe, das Menfchliche vom Bater aber (die Reiblichfeit, die aus feiner göttlichen Seele ſtammt) angezogen. Jenes Ausziehen und biefed Anziehen bat ſchon auf Erden begonnen und daburd Bat dann Maria bereits aufgehört, noch feine Mutter zu fein *7). Sept ift „der Herr“ im Himmel, Ein Weſen mit Gott; zu Einer Perſon, wie Seele und Leib, tft fein Menſchliches und Göttliches vereint, ja auch fein Menſchliches ift nun göttlich. Sp meint er die kirchliche Zweiheit der Naturen überwunden. Aber auch die kirchliche Dreibeit der Perfonen. In ihm, Gott Zehova, dem ewigen Gottmenfchen, ruht auch der heilige Geiſt oder die Kraft, - Weisheit und Liebe in bie, welde glauben und lieben wollen, auszugießen. So ift ihm Chris ſtus der dreieinige Gott, Jehovah °®). Aber doch eigentlich nicht im irdifchen Leben. Denn ba er den Gottmenfehen auf Erden wachfen, Iernen, kämpfen, leiden, verfucht werben, ja zum Lohne dafür der Vollendung theilhaft werben läßt 9), fo kann er doch nicht den ewigen Gott mit Ehriftus auf Erden tdentifts eiren, fondern muß für die Zeit des Werdens Chriſti noch ein Auflereinander Gottes, der an fich ewig Menſch iſt und Gottes, der zeitlih Menſch wird, annehmen. Er muß zuge⸗ fteben, daß Chriſti Seele wenigſtens Anfangs noch nicht fehlecht: bin das Göttliche des Vaters felbft war, fonbern etwa ber Ans fungspunft des Seins Gottes ald der Liebe und Weisheit in ber Welt; nicht minder auch, daß bie göttliche Leiblichfeit ſich erſt allmählig aus der Seele hervor geftaltete, alfo die göttliche Sub⸗ ſtanz nur nad und nach in dieſe Zeitlichleit ſich hineinbildete, während Gottes Wefen felbft Über Raum und Zeit fieht. So wäre aber die folgerichtigere Ausbildung ber patripaffianifchen Keime bei Swedenborg ein. Sabellianigmus. Die Menfchwerbung nimmt hienach bei Swebenborg doch nur die Stellung ein, bas, was ohne fie ſchon ewig ba iſt, Gott als das Wahre und Gute zu zeigen. Es ift aber früher bars nn S. 80. ff. ) „Vom Herrn“ im Anfang. s, Vera chr. rel. ©. 69. Immanuel Swebenborg. 875 gelegt (f. o. II, &. 7), warum bas profetifche (und Lönigliche) Amt für fih noch Feine genügende Begründung einer realen. Menſchwerdung im Unterfihiede von Theophanie enthalte, viel mehr eine fo gehaltene Chriftologie ſtets bofetifchen Charafter behalten müſſe. Das zeigt fih in ganz befonderem Maße an Swedenborg. Abgeſehen von dem Bisherigen, wornach bie Menfchwerdung und nichts objectiv Neues bringt, vielmehr nur das Bewußtfein von der ewigen Gotimenfehheit anregt, in welche bie zeitliche zurückgeht, fieht man das befonders auch aus Swebenborge Lehre von ber heil. Schrift. Sie ift ihm gar nichts weſentlich Anderes als fein Chriftus, nemlich fchriftgewors dener Logos. Wie man über den buchftäblihen Sinn hinaus gehn muß zum himmlifchen, fo ift auch die angenommene Menſchheit Ehrifti eine Hülle, die fallen muß. Diefe zweite Form der In⸗ carnation (die Schrift) hält die erfte oder in letzter Beziehung bie ewige Gottmenfchheit Gottes gegenwärtig, aber nur wenn fie rich: tig, d. h. allegorifch verftanden wirb, wozu Swebenborg den Schlüf: fel erhalten hat. Mit ihm beginnt das himmliſche Verſtändniß, das bimmlifche Jeruſalem, welches freilich das abfolut fupernaturafe Gerüfte feiner Infpirationetheorie und Auslegung dazu verwendet, um den Unterfchiedb zwiſchen Natur und Gnade durch feine Lehre von der Gottmenſchheit zu verwifchen, die Grundlehren von ber Berföhnung und Rechtfertigung zu entleeren und eine im Wefent: lichen rationaliftifche Lehre von Gottes ewiger Liebe und von bes Menſchen Berföhnung durch Liebe an bie Stelle zu feßen. 4 Drittes Rapitel. Die reformirte Kirche. Ihre wiffenfhaftliche Blüthe hatte bie reformirte Kirche nach der Reformationgzeit, in der bie Schweiz an ber Spige fland, zuerft in Holland, etwas fpäter im 17. Jahrhundert in Frankreich, befonders durch die Theologen zu Montauban, Seban und Saumur, endlich in England (f. S. 864 f.). Aber au in Deutfchland war reformirte Wiffenfchaft ſtets vertreten, beſonders in Heidelberg, Marburg, Frankfurt a./D., Herborn und Duisburg. Wie fih die Beſtreitung der Iutherifchen Lehre in ihr fortfegte, ft oben II, ©. 725 ff. ausführlich erörtert. So bleibt nur noch zu erzählen: wie bie reformirte Chriftologie ſelbſt fich weiter ausgebildet '), und dann ‚wie auch fie allmählig in fich felbft ent⸗ zweit worden ift theils durch Aufnahme lutheriſcher Beftimmuns gen, theils durch Eindringen fremdartiger und. beftructiver Ele⸗ mente, bie ſich bei ihr früher als in der Schwefterficche ein- ſtellten. ) Ueber die Literatur vgl. II, 725 f. Sam. Maresiüs system. tbeol. Groning. 1673. S. 488—579. — J. HB. Heidegger medulla theol. christ. L. IL Tig. 1714. ©. 1-98. — H. Witsius de oeco- nomia foed. dei cum hominibus ed. 4. 1712. ©. 128—240. P. van Mastricht theoretico-practica theologla. Traj. 1699. L. IV. cap. 4-18. ©, 485—686. — J. Cocceji opera t. VIL De foedere et testamento dei (1660. ©. 298-315. Andere, wie A. Hulsius HA. Alting Scriptorum theologic. T. II. 1644. Rodolph Catech. Palstins. Bern. 1697. ſ. bei Schnedegburger, Berg. Darfiellung ver luth. und ref. Lehrbgr. 1855 1. XLIV ff, und zur kirchlichen Chriſtol. ©. 222 f. Neformirte Chriſtologie des 17. Jahrhunderis. 877 So wenig die reformirte Lehre der Menſchheit Chriſti be⸗ ſtimmt eine Selbſtſtändigkeit nach Art des Adoptianismus zuſchreibt, fo wird doch Chriſtus ale Gegenſtand der göttlichen Praͤdeſtination angefehen, ſowohl in dem Sinn, daß die Erwählung in Chrifto gefchieht und es ewiger Rathſchluß Gottes ift, mur in Einheit mit Chriftus Stehende zu befeligen, als auch in dem Sinn, daß Chrifti Menfchheit die Herrlichkeit bes Hauptes und bie Ber: berrlichung feiner Glieder vorher beflimmt if. Diefe Prädeſti⸗ nation ift Rathſchluß des breieinigen Gottes, in welchem nach fpäterer, auch in ber Iuthertfchen Kirche vorfommender Darſtel⸗ lung bie verfchiedenen einzelnen trinitarifchen Perfonen eine ver: ſchiedene Rolle ‚haben (paetum salutis), Der Logos vertritt fhon innergöttlich Mittlerſtelle) durch feine Bereitwilligkeit, menſchwerdend die Genugtfuung für Gott zu leiſten. So fireng alle Wandelbarkeit und Vermiſchung des Göttlichen mit Menſch⸗ lichem ansgefchloffen bleibt, fo wirb doch eine inclinatio miseri- cordiae, eine quasi humiliatio dem Logos zugefchrieben, bie ihn zur Menſchwerdung ziehe”). Hierin ift der tiefe Gedanke ent: halten, daß die Liebe zu Niedrigerem einen flellvertretenden Sinn Hat, weicher die Niebrigfeit und das Elend fich zueignet, ſich dem Riedrigen gleich macht in der Gefinnung ber Tpeitnapme, ohne jedoch fich felbft aufzugeben. Die Menfchheit ift nun in der Zeit angenommen, um biefe ewige Realität feiner Liebe zu offenbaren; fie ift Das Inſtru⸗ ment, durch welches der Logos feine liebende Theilnahme an der Menfchheit realiſirt. In diefem Sinn wird dann häufig gelehrt, daß die incarnatio an ihr felhft kumiliatio fei, womit nicht will 2) H. Witsius L. I, cap. 2. ©. 14, L. IL c. 8, ©. 142. 148: Ex has constitatlone (id ost aeterno trinitatis consilio) Filius ab aeterno peculierem ox6doıw erga servandos habuit. — Mox post lapsum homi- nit deo — offenso se obtulit ad es actu-praestanda, quae ab aeteruo “ spoponderat. Qua intercessioue Christus actu medistor constitutus et talis declaratus est mox post lapsum. — Cocce]. 1. c. c. 83. 84. Heidegge. l. c. ©. 285 ff. 3) Heidegg. loc. 18, 1. loc, 11. S. 2238. Die reformirte Dogmatik pfleat fo die Exinanitio auf beide Naturen zu beziehen, daher auch pie Exaltatjo, 878 Zweite Periode. Dritte Eyoche. Abſchnitt L Rap 2. behauptet werten, daß der Stand der Erniedrigung währe fo lange die Dienfdnverbung banert, noch weniger, daß ter Lo: 9086 an ſich fei alterirt worden, wie bie Iutherifchen Dogma⸗ tifer es oft tabelnb verfichen, fonbern es fol nur tie Menſch⸗ werbung als Act herablaffender Liebe bezeichnet werben *). Was nun die Menfchwerbung ſelbſt anlangt, fo bleibt bie reformirte Chriſtologie von dem Beſtreben beherrſcht, bie Unters fchieblichfeit der menfchlichen und ber göttlidien Ratur und die volle Wirklichkeit‘ der erfieren in ihrer Gleichheit mit ung, aus⸗ genommen die Sünde, feſtzuhalten. Die Menfchheit in ibrer Armuth if ihr in die inelinatio des barmherzigen Logos ins nerlich, geiftig aufgenommen und fie glaubt nım nid mehr, ‘ver reichen-Iutherifchen Beranftaltungen zu bebürfen, durch weiche die Einheit Gottes und des Menſchen bie zur Gefahr der Bere flüchtigung des Menfchlichen erplicirt wirb, fondern umgelehrt fommt ihr nur darauf an, in ber vollen Wirflichfeit, Niedrigfeit und Homonufie des Menfchlichen mit und den Beweis und Aus- drud davon zu fehen, daß in dem Logos bie wirkliche Sympa⸗ thie mit unferer Natur, wie fie ift, fich finde. Zu dem Zwed genügt es vielen reformirten Dogmatifern, zu fagen, daß bie Perſon des Logos °) (in welcher ja eben jene inclinatio con; centrirt ift), aber nicht die göttliche Natur fi) mit der menſch⸗ lichen geeinigt babe, was ihnen phyſiſch, zur Vermiſchung beider Naturen führend, erfchiene. Aus demſelben Intereſſe wirb bie wichtige Stellung abzuleiten fein, die in ber reformirten Chri⸗ flologie dem heiligen Geiſte zufommt. Zwar iſt es zu viel ges fagt, wenn man meint, ber Logos trete ihr zurüd, bie unio *) Da für diefe eine Stelle ift nicht blos wo Sünde if, fondern au dem Menſchen überhaupt gegenüber, fo konnte fich Hier Leicht der Rathſchluß einer nicht erſt durch die Sünde mobdificirten Incarna⸗ tion ergeben, was unter den NReformirten aufier den II, 438 Ge nannten Bucanus Institut. Art. 10 u. Willetius de statu hom.L. L (vgl. Maftriht S. 441) annahmen, jedoch unter dem Widerſpruch der Meiften. Auch die Supralapfarier konnten die Borherbeftim: mung Chriſti mit dem Rathſchluß der Schöpfung und Bollenpung der Welt felbft zufammenfallen laſſen. 6) Mares. 1. c. ©. 449: Incarnatio est actus personalis non naturalis. Reformirte Epriftologie des 17. Jahrhunderts. 879 werde zu eimer unio ber Menfchheit mit dem heil. Geifte und nicht mit dem Logos‘). Bielmehr die incarnatio ift Vereini⸗ gung der Perfon des Logos mit der menfchlichen Natur, aber der heil. Geift wird ald Band zwifchen der Menfchheit und ber göttlichen Natur des Logos angenommen. Cr bewirkt durch Heis ligung der Menfchheit, daß die Perfon des Logos fie annehmen fann und darin geht feine Thätigfeit der des Logos voran, ohne fie zu erfegen ’). So ift dieſe Tpätigfeit des heil. Geiſtes reformirteds Surrogat für die (utherifche Capacitas hum. nat. - ) Im Gegentheil fagt Cocoejus t. VII; &. 10. aphorismi breviores: das rvevua ayıov Matth. 1, Luc. 1 fei die persons fllii dei. ”) Heidegg. L.1. ©. 6 ff. Spiritus saucti tres actus fnerant: 1. formatio naturae bumanae ex sanguine et substantia Mariae. (Hier redet er auch dagegen, daß spiritus s. patris vicem supplevit, was andere Reformirte annapmen, z. B. Mares. 9. 480. Mastricht 9. 496 — 499.) 2. Sanctißcatio, 8. carnis in unitateın personae assumtio. Bon Mastricht wird unterſchieden: 1. segregatio portiunculae carnis et sanguinis, 2. ejus praeparatio, 3. die liberatio ab omni intempe- rie, 4. unitio humanae naturae cum divina persona. Nah Eloppen: burg (vgl. Wiiſius 1. c. ©. 168) fichert die jungfräul. Geburt Chriſti Sündlofigkeit nicht, da nicht durch das männliche Ges ſchlecht allein die Erbfünpe übergeleitet wird. Die Urſache der Sündloſigkeit Zefu ift ter Heil. Geift: vie jungfräul. Geburt thut nichts dazu, if nur Symbol ter Sonterung Jeſu von ten Sündern. Rah Eoccefus und Maftricht if das Semen ver Maria jwar von Adam derivirt, aber semen non animatum non est im- pürum; malitia non cadit in inanimatum irrationale, fondern nur in- temperies naturalis, daher eine defsecatio ab iutemperie physica eine Stelle hatte. Mastr. 1. c. ©. 492-500. Chriſtus konnte aber als wahrer Adamsfohn in die Sünde und Schuld der Menfchheit noch dadurch gezogen frheinen, daß ja nach der Bundestpeologie Adam als Bunveshaupt für alle Nachkommen das Geſetz empfangen hatte und fill. Maſtricht antwortete: Chriftus war in Adam na- turalitor aber. nicht foederaliter, als er das Gebot erhielt. Dem Gottmenſchen war dieß Gebot nicht gegeben, folglich hat er auch nicht in Adam gefündigt. Den Bund der Werke hat Gott nicht mit dem Gottmenſchen noch mjt ber menſchlichen Ratur, fondern mit eimer menfchlichen Perfon und in ihr mit bloßen Menſchen geſchloſſen, die fündigen konnten, was ver Gottmenſch nicht konnte; mit Solchen, die aus Adam jedenfalls entfliehen follten, während 880 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 8. Sodann aber nach dem affumirenden Acte des Logos Tigt es im refonnirten Typus, um nicht durch die göttlihe Natur die menfchlihe, wenn diefe fie aneignete, fich verflüchtigen zu laſſen, zmifchen des Logos Natur und bie menfchliche den heil. Geiſt einzufchieben und für ben eignen Antheil der Menſchheit an dem Göttlichen vielmehr auf den heil. Geiſt und feine Salbung zurüd zu gehen. Diefer geht zwar auch von beim Logos aus, aber repräfentirt vornemlich deſſen ethifche Kraft und Eimwirfung auf Die Menfchheit, welche beren eigene uns terſchiedliche Wirklichkeit nicht gefährdet. So iſt die unctio spiritus sancti Surrogat. der -Iutherifhden comm. idd. 8) In ihr firahlt göttliche Kraft von dem Logos ber auf die Menſchheit aus, fie beflimmend, ja auch befeelend in der Art, daß durch die Kraft des heil. Geiftes die Dienfchheit in ihrem eigenen Weſen gefteis gert, erhoben und vollendet, nie aber unmittelbar bie gestliche Natur der menſchlichen zu eigen wird. Es bleibt auch in Chriſto das Göttliche nur das die Menſchheit Beftimmende, nie wird ed menfchlih, nie das Menſchliche görlih’). Maſtricht leitet alle Säge der Tutherifchen Chriſtologie, die er beilreitet, aus ber Lehre ab, die frühere ref. Dogmatifer hatten gelten laſſen, daß bie persona bes Logos. der Menfchheit zuklomme. Doch will auh er für Jeſu menfchlide Natur nicht blos die allgemeine der Gottmenfh ohne Sünte gar nicht enifiehen follte L ec. ©. 507. Vgl. hiemit oben ©. 837 ff. ®, Doch fagt Heidege. l.c. ©. 12. $. 21 ff. von dem Logos fei ausgegangen comnıunic, gratiae, eminentiae (supra omnes creaturas) et gratise habituales i. e. dotes, quas 6 Auyog naturae -sibi unitse contulit et implantavit, was aber nur allmäbhlig geichehen fei. — Coccejus.l. c. ©. 801 verſteht darunter die inhabitatio- divinae personae in humana natura. 9, Die Menſchheit iR Organon Mares. 1. c. S. 469, bleibt infuiti non capax, ©. 471, was befonders fireng Coccejus ausführt. Wo⸗ gegen Heidegger ]. c, ©. 18 zwar auch gegen eine Mittheilung der Idiome in ver Ratur .eifert, kefonders ter Omnipräfeny, aber bie Kraft ver vivißeatio und des Berichtes ter Menſchheit (als opus apo- telesmatic.) beigelegt wiffen will, Auch pflegt die Menſchheit, Coc- cajus ausgenommen, «sunoorezos im Logos genannt zu werben. Reformirte Chriſtologie Im Verhältnis zur Aemterlehre. 881 Erheltung durch ben Logos beanſpruchen (eustentatio communis), fondern bie sustentatio personalis und fagt: Persona filii Dei ingreditur constitutionem unius personae, Christi (l. c. S. 443). — Hieran ſchließt fih das Gewicht, das von allen Reformirs ten auf eine wahrhaft menschliche Entwidiung gelegt wird. Nur daß, je beftimmter die Wenfchheit auch innerhalb der Incarna⸗ tion als unperfönlich gedacht wird, deſto mehr dieſelbe zu einem bloßen Organon der Gottheit wird. Es verftcht fid, von felbft, daß um fo mehr auch die Unmöglichkeit des Sündigens fchlechts hin von Chriftus prädicirt werben mußte. Das Werden ber Menfchheit if in Feiner Weife durch deren Freiheit vermittelt, fondern beſteht nur in ber Allmäpligfeit ihrer paffiven Auss geftaltung und Berflärung !°). Derfelden Richtung auf die ‚volle Wirflichfeit der Menfchs heit entfpricht es, dag Chrifti Leiden von den reformirten Theotos gen befonterd auch ald Seelenleiden gedacht werben. Diefe verfiehen fie gewöhnlich unter ber Höllenfahrt Chriſti, bie fie zum Stande der Erniedrigung rechnen ''), ja in ber fie bie 10, Daß ihr Werten wenigfiend nad tem Seligleitsbewußtfein noch jeßt, fo lange die Kirche, Eprifti Leib, unvollentet ift, nicht ab» geichloffen fei, iſt wierer eine tloße Folgerung Schnedfenburgers, fein ref. Lehrſatz; es trifft aber auch die Folgerung nicht zu, da fa ver Logos unbefchadet feiner Seligkeit ſtets die inelinatio amoris et misericordise hat und ter Menſchheit, tie ten hi. Geift ſendet, das Siegesbewußtſein hat mittheilen können. ) Sie iſt ihnen gewöhnlich die Seelenangſt Chriſti, wie dem Hei⸗ delberger Katechiomns. Diefe Deutung der Höllenfabrt Hat ihren Srund und Halt nicht etwa im Gegenſatz gegen die lutheriſche comm. idd., die fih im GErigeinenlaflen ver Perfon Eprifi au im Bades gefalle (venn vielmehr die Hölle if den Lutheranern ein einzelner befimmter Ort, gerate wie den Reformirten ber Dimmel).. Auch die reformirte Antipatpie gegen blos epiveiktifches Thun motivirt jene Deutung der Hadesfahrt nicht, wenn nicte hinderte, Chriſtum wirkſam daſelbſt zu denken. Denfelben Triumph ter „Gefangenführung der Gefangenſchaft“ verlegen fa die refor⸗ mirten Dogmatifer nur an einen andern Ort, in die Himmelfahrt. Vielmehr kommt negativ in Betracht, daß die reformirte Lehre jeden Mittelzufand zwifchen Hölle und Himmel, ſelbſt für die Bäter A. T. verwarf. So gibt es im Jenſeits keine zu Erlöfenden, und 882 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 8. Spitze feiner fleffvertretenden, Gott vollfländig genugthuenden Leiden fehen. Es entficht nun die Frage, ob bie reformirte Chriftologie auch auf die Acmterlehre und Soteriologie fpürbar einwirfe. Das Erftere läßt ſich theilweife nicht in Abrede flellen, wiewohl Schnedenburger auch hier duch feinen Scharflinn ſich viel zu weit führen läßt. Cr meint, ba die leidende und thätige Menſch⸗ beit endlich bleibe und -ohne comm. idd., fo fei nicht fie es, welche die unendliche Genugthuung barbringe, folglich thue eigents lich der Logos genug. Aber fo werde das gottmenfchliche Werk vielmehr zu einer Selbfigenugthuung, die Gott ſich gebe, womit das Ganze zu einem blos dramatifchen Spiel würde. Allein das widerfpricht gänzlich dem Ernfte, womit reformirterfeitd von ber göttlichen ira und der Nothwenbigfeit der Satisfartion gefprochen zu werben pflegt '?). Tyhut Gott fich felbft genug, giebt er einfach Die in Homoufte mit ung gebt auch Chriftt Seele fofort nad dem Tode ins Paradies ein. So ift motivirt die Abweifung der griechifchen Kirchenlehre (descensus in dag Mittelreich zur Predigt für die Den» fen vor Eprifto), der römifchen (Befreiung der Bäter A. X.) und ber lutheriſchen (f. 0. 549. 720). — Aber das erklärt wieder nicht, warum man den Artikel des Symbolum von ver Hadesfahrt nicht o firih, oder nicht nach altzuricherfcher Weile Top und Grab dar: „unter verfand. Bielmehr das einzig flichhaltige pofitive Mo⸗ tiv diefer reformirten Lehrbildung wird in dem Bemühen zu fin den fein, die leidende Genugthuung Chriſti möglichſt allfeitig und lückenlos zu feßen. Es wird die ira dei wider pas Böfe und bie Nothwendigkeit der vollfländigen Genugthuung für die Ehre ver göttlichen Gerechtigfeit von reformirten Theologen fo far! geltend gemacht, daß Chriſti Leiden ihr auch einen Erfaß für das geben follen, was den Leiden der Bervammten für ihre unendliche Straf: würbigfeit an genugthuender Kraft abgeht. Ich freue mich, Hierin mit Güder, Erſcheinung 3. Ehr. unter den Todten, 1853, zus fammenzutreffen. Anders fieht Schnedenburger a. a. D. ©. 88 u. f. die Sade an. 2) Wits. 1. c. ©. 213 ff. Die Genugthuung durch den Sohn und fein Büßen habe eine uns erfennbare Nothwendigkeit in. Gottes Wefen, fei nicht blos declarativ, vergl. ©. 144 ff. 177. Natura et actiones dei necessitatem satisfactionis docent. Gott fer deßhalb nit weniger frei, ipse euim est necessitas sus. Maſtricht 1. c. Reformirte Ehriftologie und Genugthuung. 883 Satisfaction, bie er empfängt, fo wäre das faum von dem Sat verfchieden, daß die Sünde ewig vergeben fei, fei es auch durch das göttliche liberum arbitrium "). Allerdings fteht an ſich die Lehre von einem abfoluten göttlichen lib. arb. im Widerfpruch mit ber Nothwendigkeit einer Genugthuung. Aber es ift eben das fitte liche Bemwußtfein, was jener Lehre einen Damm entgegenfett -— fei e8 auch auf Koften der Confequenz !'). Wozu bebürfte es denn jener innergöttlichen Verhandlung, in welcher der Logos für bie Sünden einzuſtehen ſich ewig bereit erflärt? Wozu wäre bie Lehre von ber ira dei und ber Höffe, wenn die Meinung wäre, Gottes liberum arbitrium könnie auch das Böfe als nicht ſtraf⸗ fällig, ja als nicht 608 anfehen? Was follte der Gegenfaß ge: gen die Arminianer hier fonft bedeuten? Es ift Die ernfle Mei⸗ nung ber ortheboren Reformirten, daß bie Sünde Genugthuung fordere und Chriſtus fie babe bringen müffen, damit wir erlöst würden. Doch es foll das Gegentheil Daraus erhellen, daß die ref. Chriſtologie die genugthuende Kraft, die unendlich fein müßte, nur in bie Gottheit verlegt, zwifchen den Raturen aber feine bas Göttliche der menfchlichen leihende Mittheilung flatuirt. Al⸗ fein wir haben. hinreichend gefehen, wie auch die Tutherifche Dog⸗ matif "mit der. Aneignung des Göttlihen durch die menfchliche Natur in ihren Lehrfägen nicht Ernft macht, fondern die uedekı; ablehnt; umgefehrt die Aneignung ber menfchlichen Natur S. 544- ff. 612 ff. 616 ff 625 ff.: die Berföhnung war nicht norönrevons. Died auch gegen Schweizer ref. Dogm. IL und Güder ©. 266. x a) Wits. 1. c. ©. 167 will nicht Yäugnen, Gott könnte eine nicht perfönlich angenommene menfchliche Nattır alfo halten und tragen, daß fie alfen Leinen Üiberlegen wäre. Aber da würde nicht ſowohl unfer Bürge als Gott durch ihn die Feinde befiegen, und bag ges nügte für dieß Werk nicht; unfer Bürge mußte durch eigene Kraft e3 leiften, alfo Gottmenfch fein. Heidegg. 1. c. 67 ff. Die satis- factio mußte durch poena vicaria eines Menfchen gefchehen, weil der Menfch dem Gefebe verhaftet if. Mares. }. c. ©. 533: neces- sitas satisf. arcessitur a dei justitia essentiali. ») In der Föperaltheologie regt fich fchon beſtimmter die menſchliche Breipeit und die Abfolutheit des Ethiſchen. Dorner, Chriſtologie. II. 2te Aufl. 57 884 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 8. durch die göttliche Perfon feßt auch die ref. Dogmatik und läßt das menſchliche Thun und Leiden unendlichen Werth haben, weil die darin handelnde Perſon ber Logos ſelbſt ik Oder follte dieſe Verleihung unendlichen Werthes für das menfchliche Thun und Leiden nur ausgeben können von ber göttlichen Natur, nicht auch von der Perfon, die doch real mit der Menfchheit verbun- den ift in perfönlicher unio, und fo für. Das göttliche Urtheil, nach welchem die genugthuende Kraft nicht blog dem Göttlichen, fon- dern bem Gottmenfchlichen zufommt, die veale Baſis dem ewigen Ratbfchluffe gemäß darbietet? Schließt doch vermöge feiner incli- natio der Logos die Menſchheit Sefu in ſich ein, um fie für bie thatfächliche Genugthuung zu verwenden. Will man einmal bie Grenze zwifchen Lehrfägen und Folgerungen verwifchen, fo muß man auch aus ber Iutherifchen Chriſtologie Schlüffe ziehen Iaffen, die Ehrifti genugthuendes Leiden und Thun in einen epibeiftifchen Schein verwandeln, denn die Menfchheit iſt ja audy hier rein durch die Gottheit beftimmt, fo daß Gott nur das, was er ſelbſt fich giebt, zu empfangen feheint, nicht zu veben von ber Tutheris hen visio beatifica und bem feligen Weltregiment mitten im Leiden, dem bie reformirte Chriſtologie bie unendliche Seelenangft und Chrifti geiftiged Sein in ben Höflenqualen gegenüber ſtellt. In Betreff der Satisfaction wird daher zu fagen fein: bie reformirte Lehre von ihr ſetzt ſich allerdings in Conflict mit der im fhroffften Calvinismus herrfchenden Ueberorbnung bes gött- lichen liberum arbitrium über alles Andere 19); denn hiemit bes ftände nur eine zufällige Verwerflichkeit, Strafbarkeit und fatisfarto- 5) So Mares. ]. c. ©. 551: Nec etiam datio Christi in redemtorem ipsiusque satisfactio praeordinatur electioni aeternae — sed ei tam- quam illius completiva et executiva subordinatur. Gott werbe nicht durch die satisfactio bewogen, das Sünderheil zu wollen, ſondern weil er es wollte mit Dagzmwifchentunft der Genugthuung, bewirkt diefe, daß er salutem poceatorum volitam ex solo bene placito in tempore conferat et conferre posset convenienter suse justitise und ohne Veränderung. Andrerfeits vgl. Anm. 13 die Stelle &. 633. - Sofern das Bewirkte in dem, der es bewirkt, Feine Aenderung her⸗ vorbringen Tann, müßte freilich Marefius eigentlih fagen, das Berföhntwerven fei uorondsvpor, komme Gott nicht zu. Reform. Epriftol. u. Satisfaction. Obed. act. u. passiva. Yiscator. 885 riſche Verpflichtung des Böfen. Aber dahin wird nicht fortgegangen ; die Tendenz ‘gebt auf ernfle Satisfaction burch Chriſti Leiden und Thun!) und ihr entfprechend Tauten die Lehrfäge. Nicht einmal Das doppelte deoretum Ändert bie innere Befchaffenheit' ber Satisfastion Chriſti 17). Dem 3. Piscator, welcher die Nothwendigkeit der obedien- tia passiva als entgründet anfah, wenn man eine fatisfactorifche obedientia activa annähme, weil durch dieſe die Menfchen fchon 0, Mit Recht weist Schnedendurger (Zur kirchlichen Chriſtologie ©. 62 ff.) gegen Rudelbach, Guericke u. X. darauf hin, wie die Lehre von der obed. Christi activa im reform. Spfiem eine größere _ Bedeutung habe als im Tutherifhen. Sp 3. B. bei Wenpelin, Perkins u. A. ©, Eine unendlich werthvolle iſt nöthig und geleiſtet, gleichgültig, ob es der Menſchen viele ſind oder wenige; alſo auch gleichgültig, ob für alle Menſchen, die ſind, oder für diejenigen nicht, die in die Erwählung nicht aufgenommen find. Maſtricht ſagt: der reatus der Menſchen war unendlich, Chriſti Verdienſt ebenfo. Das Un» endliche aber tft nicht theilbar, keiner Zunahme noch Abnahme fähig. Chriſtus Hätte auch für Alle nicht mehr Teiften können noch zu leiften gebraudt, als er geleiftet hat. Er hat Unendliches geleiftet, die meritoria virtualis reconciliatio erivorben, die an fi für Alle zureichend wäre. 1. e. S. 613 ff. (3a in gewiſſer Art be zieht ſich Chrifti Genugthuung auch auf die Verdammten, fofern die genugthuende Kraft ihrer Strafe dadurch ergänzt wird.) Chris ftus ift aber allerdings vor Allem hingewandt zu Gott, die Ehre feiner Gerechtigkeit: zu wahren, und umfaßt fo liebend bie, die Gott erwählt, wie ſchon innerhalb ver Trinität, und fo iſt au im Leiden feine intentio nur auf die Ermwählten gerichtet gewefen (Mastr. 1. c. 628). — Die Uebertragbarkeit nes Verdienſtes Chriſti wird auch von den Dogmatikern, die jeven Menfchen, daher aud "Ehriftum, von Natur als vem Geſetz verpflichtet anfehen G. 2. Wits.) gewonnen, indem fie erinnern, fofortige Herrlichfeit wäre mit jener Verbindlichkeit gegen das Gefeb vereinbar gewefen, aber Chriſtus Habe aus Liebe zu uns die Erniebrigung übernommen, die ung zu Gute gerechnet wird, während fie auch ihm feine Er: höhung verdiente, die Mareſins aus der unio ableitet, 1. c.©. 509; Maftricht aber fagt; weil Ehrifti obedientia infinita War, genügte fie für ihn und ung, 1. c. 627 ff., auch verbinde das Gefeh nur Menſchen; er fei Gottmenſch. 57% 886 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 3. dem Gefeg gemügen würden ohne Strafe, ſtimmten bie wenigfien Reformirten bei. Dagegen theilten Manche Chriſti Gehorſam fo, daß fie in der obed. passiva die Satiefartion für die Schuld faben, durch die obed. activa das ewige Leben erworben fein fiegen. Auch biefer Zertrennung bed Einen untrennbaren Gehors fams feste ſich aber namentlih Maſtricht entgegen. Genug⸗ thuung fomme auch dem thuenden DBerdienft, auch dem leidenden Gehorfam zu 18). Es iſt alfo auch unrichtig, daß bie refor- mirte Lehre der obed. act. die ſatisfactoriſche Bedeutung ab⸗ ſpreche. Dagegen iſt richtig, daß die reform. Chriſtologie das königliche Amt Chriſti im Stande der Erhöhung vornemlich auf das Gnadenreich beſchränkt, welchem Chriſtus fort und fort die Gabe des heiligen Geiſtes ſendet, durch den er ſeinen Leib re⸗ giert 19). Nicht als ob die reform. Dogmatik für Chriſti König⸗ thum auf die äußere Macht und Geltung verzichtete, im Gegen- theil ift ihr eifriges Streben befannt, diefed Reich der Gnabe zur Darfteflung zu bringen, fa auch im Kreife der dieſem Gna⸗ denreich Angehörigen alfe weltlichen Dinge und Ordnungen ihm zu unterwerfen. Aber was außer dem Reich diefer Gnade fteht, das betrachtet Die reforın. Ehriftologie noch als Reich des Vaters, und den Fortfehritt zum Weltregiment, in welches den Luthera⸗ nern Chriftus feit der Himmelfahrt actuell eingetreten ift, ver mittelt die Ausbreitung des Reiches der Gnade. Chriſti Regi⸗ ment ijt und bleibt alfo noch dadurch von dem bes Vaters unterfchieden, Daß die Macht und äußere Machtbeweifung erft das Refultat des inneren Sieges des Geiſtes fein foll, flir welchen auch die Gläubigen mitzuarbeiten haben, fo jedoch, daß die Sen- . dung bed Geiftes felbft von dem Haupte Chriftus ausgeht. Der. heit. Geift nimmt Behufs der Vermittlung der Menſchen mit Ehriftus foteriologifch eine ähnliche vermittelnde Stellung ein wie chriſtologiſch ?). Sp wenig aber dort zu einer Incarnation des MM) Mastr. }. c. ©. 626 f. 19) Heidegg. 1. c. ©. 81 ff. Umfaſſender venft Chriſti Macht Maſt⸗ richt; f. u. Uebrigens ift ſchon jet dag regaum naturale ad muneris mediatoril in mundo functionem ordinatum. Heidegg. 1. o. ©. 90. 2°) Mastricht 1. c. ©. 640. Fundamentum applicstionis salutis est unio Reform. Epriftol. im Verb. zur Aemterlehre und Soteriologie. 887 heil. Geiftes flatt des Logos übergegangen werben will, fo wenig fol foteriologifch die Gemeinfchaft mit dem heil. Geifte Die Ge: meinſchaft mit Chriſtus erfegen. Vielmehr fest ber heil. Geift in dem Glauben die unio mystica mit Chriſtus und von ihm dem Baupte, dem Weinftod, und zwar aus feiner Menſchheit ſtrömen alle Kräfte des Geiſtes in bie Glieder ?'). et communio cum Christo, aber ohne immediata conjunetio. Vin- culum intercedit fldes et Spiritus s. Die Unio iſt unio foederalis et mystica secundi Adami, qua sumus in Christo (nemlich gemäß dem pactum salutis'; cum Christo uniti empfangen wir justificatio, adoptio, sanctificatio &c. 21) Died if. zugleich der Zrundgedante der reform. Abendmahlslehre, welche, wenn auch durch den Glauben vermittelt, eine Beziehung auch auf unſern Leib und die Auferſtehung des Lebens kraft der aus dem Gottmenſchen ſtrömenden Kräfte hat. Wenn Schnecken⸗ burger zuerſt den ſatisfactor iſchen Gedanken, weil er nicht allſeitig folgerecht durchgeführt iſt, in der reform. Lehre nicht ernſtlich ver⸗ treten, ſondern an deſſen Stelle eigentlich die Lebensgemeinſchaft mit Chriſtus geſetzt findet (durch welche allerdings Chriſti obed. activa der blos imputativen und forenſen Bedeutung enthoben wird); dann aber wiederum dieſe Lebensgemeinſchaft mit Chri⸗ ſtus in das bloße Empfangen des heil. Geiſtes umdeutet, ſo iſt das Alles nicht richtig, ſondern willkürliche und ungeſchichtliche Einlegung. Ferner ſtellt Schneckenburger auch den Juſtifications⸗ prozeß unrichtig dar, als ob bei den Reformirten keine Stelle wäre für einen actus vor tem göttlichen forum, vor dem wirt lien Gerechtfein des Sünbers, während umgekehrt der actus fo- repsis, der um Chriſti willen die Sünder für gerecht erflärt, im größeften Mapflab, wenn auch mit antern Worten, feine Stelle hat in ver Sphäre des göttlichen Rathfchluffes für die Erwählten, der ja oft genug fogar als ein Pactun in der Trinität geſchildert wird und dem die executio und Bewirfung der vermittelnden ob» jectiven und fubjertiven Bedingungen folgt, wie auch die Bewir; fung des Wiffens von der justificatio oder Ermwählung bes Sün- ders in tiefem felbfl. Der Unterfchied ver beiten Eonfeffionen fommt bier zurück auf die Differenz in Betreff ver Freiheit, indem die Iutperifche Lehre den YJuftificationsact bedingt fein läßt durch bie fides, weiche der Gnade nicht widerfieht, was ver Menfch konnte, während diefe Ndes ven Neformirten nur Folge der Erwählung ifl. Wird daher die refprm. Präveflinationglehre aufgegeben, fo hat der Unterſchied in der Juſtificationslehre feine Baſis und feinen 888 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 8. Iſt nun aber das Erlöſungswerk an allen Erwählten voll: bracht, fo findet die depositio regni ftatt, d. i. des Gnabenreicdhe. Das Reich der Mittlerfchaft und mittlerifchen Erlöfung bat nun in der Vollendung ein Ende, Chriſtus fellt die Seinigen dem Bater Dar als wohlgefälliges Opfer. Aber bie Kehrfeite dieſer depositio regni ift, daß nun Ehriflus, weicher ewig Das Haupt bleibt und durch welchen der Water ſtets alle feine Segmungen mitzutheilen befchloffen bat, nun auch durch den Geift und durch bie Seinigen, b. i. feinen Leib, den er regiert, das Reich ber Macht und Herrlichfeit antritt **). a) v Kern verloren. Denn läßt ſich die göttliche Thätigleit durch das Verhalten eines geſchichtlichen Factors (der menſtchlichen Freiheit) irgendwie bedingen, fo vertheilt fih Dasjenige, was die reformirte Anfchauung in den einen ewigen’ Act der Erwählung verlegt, in mehrere, von welchen je die fpateren in ihrem Eintritt durch das menfchliche Berhalten bevingt find, und wodurch es "dann möglich wird, die Justificatio des Sünders vor dem göttlihen forum als etwas gefrhichtlih an Allen, die fich nicht indigne verhalten, ſich Vollziehendes zu denen. Mastricht 1. V. cap. 568 ff. cap. 17. ©. 602 ff. ©. 608: bie sessio ad . dextram befiehe in majestate ac gloria tantum non in- finita, tanta tamen, quanta in mediatorem Hsasdponor cadere ‚potest. Qua se ostentat regem monarcham unicum Psalm. 2, 6. et ca- put supremum ecclesiae suae, immo et in potentia cui omnia in coelo in terra infra terram, seu velimt seu nolint, subesse debeaut. Er be: ſchränkt alfo das, was im Sitzen zur Rechten Gottes ligt, nicht "auf das bfoße Gnadenreich. Heidegger J. c. ©. 81 fagt: Seht herricht Chriſtus Durch Die Ausgießung des heil. Geiſtes, die ein volltommener Derrfchaftsact tft, unter feinen Feinden, mit Wort und Berheißung bie Seinen fohirmend. Er übt die Intercessio für ung, bie feine precaria usurpatio potestatis {fl, fondern ut patronus causam nosiram apud Deum agit. Diefe Form des Regiments wird aber dann aufhören, wenn Mittlexrfhaft nicht mehr nöthig fein wird. Da wird die Kirche ohne Gefahr des Irrens und Sündi⸗ gens in freiwilligem Liebesgehorfam und Dank Chriſto ewiglich dienen, aufs innigfle mit ihrem Paupt und König verbunden. S. 90: non obstente illa traditione regni Christus rex noster, caput nostrum, corpus suum spiritu et gloris implens, mediator noster non ‚ promerens amplius, sed coronatus et coronans manebit et nos in uno corpore ipsl subjecti aeternum beabimaur. Rückblick und Kritik. 889 Ueberfieht. man das Ganze, fo hat bie reformirte Dogmas tik bis um 1700 an dem Grundſatz: Finitum non capax infi- niti feftgehalten, aber auch für bie Einigung beider Naturen durch den heil. Geiſt und feine Salbung, aus welcher eine be: fondere charismatifche Begabung der Menfchheit Chriſti folgte, Sorge zu tragen gefucht. Sie hat ferner mit befonderem Fleiß die Seite der Homoufie Chriſti mit uns in wahrhaft menfch: lichem Werben ausgebildet. As unveränberliche Kolgen der Unlo werden die Eigenftbaften der Irrthumsloſigkeit und Sünd⸗ Iofigfeit angefeben, wie auch das Bewußtſein der Gottesgemein⸗ fehaft, während wachſende Charismata find: Chriſti Wiſſen und Weisheit, Macht, pofitive Heiligfeit und Seligfeit ?°). Mehr Schwanken findet in Betreff der Perfönlichfeit des Gottmenfchen fatt. Denn zwar ift der Lehrſatz von ber Unperſbuülichkeit ber Menichheit ftehend; auch wirb von denen, bie fich beflimmter _ ausdrücken, in Abrede geftellt, daß die Perfönlichkeit des Logos der Menſchheit fei zu eigen geworben; unb von bier aus ergibt fih, daß die Menfchheit nur ein ſelbſtloſes Organon, Tempel oder Kleid des Logos fein kann. Dazu paſſen freilich, wie Schnedenburger bervsrhebt, die fo eben genannten Präbifate nicht 29, die einen Fokus habitualen Selbftbemußtfeind voraus: zufegen fcheinen: und noch mehr ift biefes mit dem geifligen Werben bed Menſchen Jeſu der Fall. Darf man nun darum bie ſtehende reformirte Unterfcheidung zwifchen dem Logos in Chriſto und extra Ehriftum fo verfiehen, bag wie in ben lettern das abfolute weltregierende Selbfibewußtfein fällt, fo der Logos in Chriſto verendlichtes gottmenſchliches Selbſtbewußtſein fei? So hätte man ein boppeltes Logosbewußtſein (wie Schnedenburger meint), und fo fönnte bie DMenfchheit als perfönlic im Logos gedacht fein, fofern der von ihr eingefaßte, nach ihr mobificirte Logos es wäre, in welchem fie beftebt und perfönlich iſt. Allein den Logos in fich veränderlich zu denfen, davor ſchreckt bie refor⸗ 23) Bgl. Schneckenb. vergleichende Darftelung des luth. und reform. Lehrb. 2, 198. Maſtricht ©. 439. Heidegg. 1. co. ©. 12 f. 20) Ebend. ©. 199. 8090 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Kap. 3. mirte Dogmatif wie bie Iutherifche zurück ?°). Die Unterfchei- bung des Logos extra Chriſtum und. in Chriſto will nicht einen. Doppellogos. ft ſonach der orthodoren reformirten Dogmatif auch der Weg zu einer Perfönlichfeit der Menſchheit, welcher durch eine Depotenzirung bes Logos hindurch geht ?°), abgefchnitten, fo bleibt ihr nur übrig, entweder die Menfchheit als bloßes Orga⸗ non zu behandeln, oder. aber den Menſchen Jeſus, die Perfüns lichfeit, die er nicht vom Logos haben foll, in fich felbft haben zu laſſen. Das Erfte führt zum Nihilismus, das zweite zum Adoptianismug, wo nicht zum Socinianismus. Die alte antio- henifche Schule, wie die Dogmatif des Mittelalters ſchwankte zwifchen beiden. Auch die alte reform. Theologie bat hier feinen Ausweg und bleibt in Widerfprüchen ftehen. Bei den deutfch Reformirten ftellten fih noch sec. 17, be ſonders durch Brandenburg begünftigt, nicht blos unirende Ten: benzen .ein (in ber Iutherifchen Kirche. bei den Helmftäbtern Königebergern, Altorfern, bei Spener, Pfaff und Andern), fon dern vielfach traten fchon früher auch reformirte Theologen dem lutheriſchen Lehrbegriff in chriftofogifcher Hinfiht näher. So Sohn, Berg, Crorius, Alting u. A. bie reformirten Theolo: gen bes Gaffeler Geſprächs 1661. 5. Beinius und Sebaftian Curtius, fo daß Calov in feinen Schriften gegen die Spnfretiften und Calviniſten fi die Freude machen fonnte, für die meiften ſpeciſtſch lutheriſchen Lehrfäge eine anfehnliche Reihe testium veritatis aus den Reformirten zum Schluß für feine Beweife zu citiren 2°), In Holland ſelbſt, das im 16ten Jahrhundert zuerſt der 2) Die Stelle aus Zurretin bei Schnedenburger II, 263 beweist nichts Anderes. Eher Die Compressio Majestatis div. nat. Heidegg. 1. c. ©. 12. 2°), Baupp-d. Union. 1846. ©. 72 ff. 96 ff. verfieht fo die Refor⸗ mirten des Collog. Lips. Nur das fehe ich mit Schnedenburger: dem reformirten Typus Tigt es näher, den Logos fi den Men: ſchen gleichftellen zu laſſen, dem Iutherifchen, die Menfchheit zur Gottheit zu erheben. S. 0. ©. 876. 29) Aehnlich Rudelbach Grunpvefle ©. 67. Vgl. Schnedendb. Ber: gleihende Darf. des luth. und reform. Lehrbegr. IT, 206. Rückblick. Lutheriſche Einflüffe — Arminianer. 891 Intherifchen Lehrform zugeneigt geweſen, und erft in der zweiten Hälfte von Frankreich und Belgien aus für den Genfer Typus gewonnen war, trat im Anfang des 17ten Jahrhunderts die Arminianifche Reaction ein, welche in vielen Stüden luthera⸗ nifivend, chriftologifch dem reformirten Typus ähnlicher bleibt, aber bald Die göttliche Seite in Chriſtus zurückſtellt oder beſchränkt ?°). Die Arminianer gehen (wie fhon I. Arminius) zunächſt von ber Frage über die auzodeorrg des Sohnes aus, welche in der Reformationszeit die‘ veformirten Kirchen bewegte und ent ſchieden ſich verneinend, während Calvin fie bejaht hatte 9); den Som dachten fie nicht arianifch ale Geſchöpf oder in der Zeit entſtanden, fonbern immerhin noch innergöttlich als Perfon ähnz- lich wie Origenes oder Eufebiug von Caeſ. Allein dieſe Zwi⸗ ſchenſtellung erwies fi nothwendig abermals als unhaltbar und mußte entweder zur Räugnung ber wahren Gottheit des Sohnes, zur Behauptung feiner Gefchöpflichkeit in arianifcher wenn nicht focinianifcher Weife führen, oder zu einer vollkommenen ®leichfegung ſei es in tritheiftifcher oder fabellianifcher Form. War man ba- rin eind, daß generatio fuborbinire, fo. mußte man entweber fie fallen laſſen, um die abrobeorne bee Sohnes. zu- behaupten, oder 2) Sim. Episcopins Instit. theol. Amst. 1650. de Christo 415 — 23. Fteph. Curcellaet Opera theol. Amst, 1675. ©. 74 ff. 219 — 34. Ph, a Limborch theol. christ. Amsterd. 1735. S. 219 — 236. 286-282. *, Episcopius 1. c. ©. 834. Die Generatio divina est fundamentum subordinatiouis inter P. et F. Plus est esse a nullo quam esse ab alio, generare quam generari. Göttliche Natur haben alle drei und find Perfonen, aber nicht collateral fonvdern subordinate Cur-. eell. 1. c. ©. 70—79: deitatis apex in patre residet, omnis divini- tatis fonte. Der Geift it auch dem Sohn ſubordinirt. Die alte Kirchenlehre gehe auf idiorrras ©. 74, 79 ff. nicht auf gleiche Per: fonen. Limborch 1. e. S. 102. Der Bater habe die praerogativa ordinis als fons et principium divinitatis. Diefe Formel der grie⸗ chiſchen Kirche wird ſtehend noch mit der Berweifung auf die Un⸗ erforfchlirpkeit des Geheimniffes begleitet. Jedoch gingen die Ars minianer nicht bis zum arianiſchen Sape fort, daß das Weſen der Gottheit in der aysvrmoia beftehe, Tießen vielmehr auch dem Sopn und Geiſt göttlicdes Velen. ‘ 892 Zweite Periode. Dritie Epode. Abſchnitt L Rap. 3. hatte man bie Ießtere aufzugeben, alfo die Homouſie, um bie generatio feflzubalten. Das Lebtere wollten die Arminianer, aber nicht folgerichtig; das Erſtere flellte Aler. Roëll auf °°). 2), Herm. Aler. Rosll in Franeder, ein Eartefianer, gebt von ben» felben Yrämiffen über ‚die urodesrys und die generatio aus wie die Arminianer, nemlich, daß der Sohn, wenn er gezeugt werde und nicht aurodedsrys habe, fubordinirt werben müfle, zieht aber den entgegengefeßten Schluß: da ter Logos nicht fubordinirt wer⸗ den dürfe, fo fei auch die Zeugung nicht von ihm auszu⸗ fagen, die viele Unvolltommenpeiten mit ſich bringe, 3. B. Zeit: lipleit. Zeugung bebeute in der HL. Schrift Offenbarung ; Sohn beiße in ihr nicht der ewige Logos, ſondern nur bie göttliche Offenbarung durch die Menfchheit Jeſu, in der das unſichtbare Licht ſei fichtbar geworben. Theses theol. de generatione filii und Diss. II, de generatione fllii 1689 (gegen Camp. Vitringa), ©. 43: Nomen Filti dei significat quidem naturae vere divinae veram communio- nem, sed quatenus manifestanda et manifestata fuit per singularem illam oeconomism, ob quam Messias et Rex Israälis vocatur. Bgl. Scholten De leer der herformde Kerk in hare grondbeginselen. Leyd. 1851. ed. 2. II, 454. f. und I, 269 f. Bald, Relig.-Streit. auff. d. luth. 8. 1, 486 f. III, 866 f. Auch das Wort „Bater“ Habe feinen Bezug auf die ewige Zeugung. Uebrigens befennt er in feinen Theses drei unterſchiedene Perfonen; fagte auch zuerſt: Zeus gung des Sohns dürfe nur Gleichheit des Weſens und Ewigkeit zufammen mit dem Bater bebeuten. So fchien er anfangs drei ewig coeriftente göttliche Weſen zu lehren, ohne etwas über ihr inneres Berhältniß zu fagen. Aber das wandte er fpäter meht fabellianifh, indem er nach Aufpebung des kitchlichen cha- racter hypostaticus die Worte Baier und Sohn nur. auf die Dffenbarung bezog. Doch nimmt er eine ewige Beflimmung Gottes zur Offenbarung im Fleiſch an und Läßt dieſerhalb auch in der Gottheit eine ewige auf diefe Offenbarung bezügliche Sohn: ſchaft zu, freilich, wie es fcheint, nur ale Ramen. Er fagt dise. 1I, 8.89: soripturam per- distinote nomina indistinceterum personarum docere nos cognitionem voluisse; ipsa ergo nomina esso charac- teres personarum atque eatenus characteristicas earum proprietates.- Persona ſcheint er im alten Sinn von nosonro» zu nehmen. Ge⸗ gen ipn erfchien noch nach feinem Tod das Leydener Facultäts⸗Gut⸗ arten (nad etwa 20 Probinzialfynoden, die wider ihn gehalten wurden): Judiciam ecclesissticum quo opiniones quaedam cl. Herm. Al. Roöll synodice damnatae sunt &c. Leyd. 1733. Arminianer.. Eptfcopius. Curceläus. Limborch. 893 : Die Schwierigfeit der arminianifchen Trinitätslehre zeigte fich befonders in ihrer Chriſtologie. Denn wie foll eine ſubordi⸗ nirte Perfon mit einem Menſchen eines werben? Den arianifchen Weg der Läugnung einer menfchlichen Seele verwerfen fie, flreiten vielmehr aufs Kifrigfte für die volle Wahrheit ber Dienfchheit, zu welcher Curcelläus auch bie Ichheit rechnet °’). Andrerſeits wird aber auch aufs Beſtimmteſte jede Beränberlichkeit des Sohnes Got: ted geläugnet, und Joh. 1, 14 mit den Socinianern durch caro fuit erklärt. Mithin if auch der Weg abgefchnitten, durch Selbſtver⸗ wanblumg des Logos einen Menſchen zu gewinnen. So bleibt bei ihren Prämifien nichts übrig, als eine mehr als neftorianifche Dop⸗ pelperfönlichkeit, wie fie auch regelmäßig den Neflorianismus ver: theibigen. Die Einheit, bie das Chalcedonense fordert, das fie an⸗ erfennen, finden fie in dem specialis influxus und ber operatio der divina natura 22). Die unio reducirt fih auf Aſſiſtenz, hat aber bie Mittheilung geiftlicher und göttlicher Kräfte, fo weit fie "einer Creatur zufommen fann, zur Folge. Trotz der Polemik gegen die lutheriſche Lehre wird Chrifto zugefchrieben, daß er die Wun⸗ derfraft ſtetig befaß und nach feinem Willen gebrauchte, wie er auch: den heil. Geift mittheilt. Auch die Arminianer bilden eine Stänbelehre aus, beziehen deren Unterfchied aber nur auf die Menfchheit und rechnen zur exinanitio (humiliatio) nicht ſchon die conceptio, fonbern bie passio, mors, sepultura unb ben descensus ad inferos *°). Seine conceptio iſt nach ihnen ausgezeichnet durch Salbung mit heil. Geift *). Die conceptio ex spiritu sancto bezeichne nicht ?‘) Suppositum rationale fei auch Perfon, jede Seele mit intellectus u und voluntas hat ihm auch personalitas. ©. 75. Dagegen Lim» borch, überhaupt zur orthod. Chriſtol. mehr zurücklenkend, fpricht der menfchlichen Natur es ab, persona per se zu fein. ©. 220. 32) Ourcellaeus 1. c. &. 229: videtur spiritus Christi divinus in huma- nam ejus naturam peculiariter influxisse et tam excellenti modo in illa operatur, ut in nullo unquam alio homine perinde. 33) Limborch 1. e. verfieht unter dem descensus Chriſti Begräbniß, er habe nicht im Bades geprevigt. 3) Limborch 1. c. ©, 219. Die Unctio hat weitere Stufen an ber Zaufe und der Auferſtehung. 894 Zweite Yeriode. Dritte Epoche. Abſchnitt L Rap. 8. den Stoff, fondern bie wirfende Urfadhe, aber bie Auoren £scpyeız oder mascula vis foeeundans fei durch ben heil. Geiſt infusa oder afflata. Regelmäßig wird tabei gegen bie anabap⸗ tiſtiſche Anſicht gefprochen, welche den Leib aus Gottes Weſen durch Selbfiverwanblung entflanden fein läßt ?*). Auf bie wahre Menſchheit legen fie, während fie für Die meiſten andern Bes flimmungen bie größte Freiheit der Anfichten offen laffen wol len, das größte Gewicht, befonders weil ihnen in ber Lehre von Ehriſti Amt auf Erden die Hauptſache in Ehrifti Beifpiel ruft. Dies ift auch der rund, warum fie die Willensfreiheit im Chriſtus fo hervorheben, daß fie nur die factifche Sündloſigkeit, aber nicht die impeccabilitas behaupten. Könnte Ehrifius nicht fündigen, fagen fie, fo wäre fein Gehorfam Fein freier, nicht der Liebe und Belohnung werth. Doc war bie. göttliche Natur nie müßig in ihm, fondern bewegte und flärfte ihn immerbar °°). Nur in der Paffıon ließ fie ihn auf furze Zeit allein, fo daß er ber Stärlung bed Engels bedurfte. Zur Erlöfung gehörte die Befreiung von der Schuld für bie Vergangenheit, von der Sündenherrfchaft für die Zufunft. Was das Eritere betrifft, fo hätte eine gefcheufweife Sünben- vergebung Hingereicht, wenn ed Gott fo gefallen hätte Aber Gott, in deſſen liberum arbitrium es ſteht, feine Ordnungen zu ändern, wollte, daß durch Bermittlung ber Bergießung feines Blutes die Freiheit yon Schuld erlangt würde und die ewige Interceſſion Chriſti erhält diefes Blut in fletiger Kraft in forts Dauernder Darbringung und Darftellung. Diefes alles zuſam⸗ men ift Chrifti Priefterthum, welches die erfte Stelle haben muß. Dagegen zur Befreiung von der Sündenherrfchaft gehörte bie. helle Offenbarung des gerechten heiligen Willens Gottes wider sie Sünde und die Mittheilung der genügenden Mittel zum Sieg (profetiſches Amt), endlid) die Befreiung vom Todeszuſtand zum Leben fordert eine unwiderftehlihe Macht Ehrifti und feine nad Gott höchſte Autorität (Königthum). So Epifcopius N. 3) Episcopius I. c. &. 416 ff. Curcellaeus l.c. ©. 219. 36) Curcellaeus l.c. ©. 75 und 229 ff. - ”, S. 423 ff. Arminianer. Epifcopius. Curcell. Limbord- 895 Surcelläus läßt buch Chriſti Tod feine Lehre, namentlich bie von ber Sünbenvergebung beftegelt werben. Gottes Liebe ift dabei Liebesbeiſpiel, Chriſti Leiden eine Tugendtafel. So fältt fein Leiden dem profetifchen Amte zu; doch wird auch ges fagt, er mußte ſterben, um durch fein Blut ein Recht zu haben, für ung zu -erfcheinen und Sündenvergebung zu. erfleben; anbere als durch Leiden konnte er zur Glorie nicht eingehen, durch fein Königthum aber gibt er Auferflehung und Seligfeit. So fcheint fein Prieſterthum eigentlich in die himmliſche intercessio zu füls len ’®). Lim borch läßt das Prieftertfum im Tode beginnen, vollendet werden im Himmel. Aber Ehriftus hat nicht die Stra- fen der Verdammten oder Berbammenswerthen tragen Fönnen, db. 5. den ewigen Tod, auch nicht intenfio, denn ber ewige Tod babe nicht intenfive, fondern ertenfive Bedeutung. Zur verdien⸗ ten Strafe der Erwählten würde ja auch Berzweiflung gehören, die ihm doch Niemand zufchreiben.. wolle Chriftus habe ſtets die Freude und Zunerficht genofien, die aus dem Glauben fließen. Der ſchlechthin Gottgeliebte babe auch nicht ald Bürge den Zorn Gottes fühlen können, wohl aber verlaffe Gott auch fromme Menfchen auf eine Zeit non: effectu, sed aflfectu, fo daß fie Gottes Liebe nicht fühlen. Dadurch ſollte Chriftus ein mitleidis ger Hoherpriefter bei Gott für ung werden. Zum Opfer ge: hört nicht Erſatz (aequipollentia), fondern nur Darbringung und Snterceffion, damit ein Genüge dem gefchehe, was der Verletzte will, und ſo die freie Simdenvergebung erlangt werde °°). Wie den Sorinianern fällt alfo den Arminianern bie Dauptfache des Prieftertfums in den Himmel. Auch ber Königlichen Gemalt Chriſti im Himmel geben fie eine große, obwohl geiftige Be⸗ beutung, und die Dauer feiner Herrſchaft denfen fie ewig, da er 38, Ourcellaeus 1. c. ©. 231-284. 29), ©. 2232-29. Dennod, fagt er, reatum poceati abolevit al® sacer- dos. Durch die Kraft feines Todes und feines Gnade erflehenden Opfers (sacrif. propitiatorium) erlangte er von Gott, daß diefer ver Sünde halber ung zürnend doch actuelle Berföhnung mit uns ein: gehen und die Mittel zum Glauben, Gehorfam und ewigen Leben "ung verleihen wollte ©. 279. 896 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchniti L Kap. 8. auch nach dem Mittlerwerf mit dem Bater trinmphiren werbe in ewiger Herrlichfeit ald Haupt feiner Kirche. Belannilich hatte fhon Hugo Gretius Ehrifius nur als leidendes Straferempel angefehen, nicht weil bie Gerechtigleit Sühne ber Schuld forbert, fondern damit Die vergebene Gnade, die bereitd an ſich mit dem Strafe broßenben Geſet eigentlich im Widerſpruch flieht, nicht auch noch für die Zufumft Leichtſinn an die Stelle bes Gehorfams pflanze. Das Strafexempel laſſen die fpätern Arminianer zu rüdtreten, aber das Räthfel fliehen warm dann nur um den Preis des Blutes Ehrifti Gott geneigt. war, actuell bie Sünde zu vergeben. Dagegen entwidelt ihre Acceptilations⸗ theorie den ſchon bei Grotius zu Grunde liegenden Gebanfen, daß es Gott frei fiehe, feine Gefege und Orbnungen zu ändern. Das Geſetz hängt nach ihnen nicht mit Gottes Wefen zufammen, fondern wird nur pofitio durch fein bene placitum oder liberum arbitrium feftgefegt *%). Gottes Wille richtet fich aber feinem weifen Wohlwollen gemäß danach, wie bei gegebener. Beichaffens heit der Menſchen ihre Wohlfahrt am beiten könne befördert werden. Hierm ift eine bis zum Eudämonismus ſich verirs ende Abweichung von jener altreformirten Lehre enthalten, nad) der vielmehr Gott Alles um fein felbft willen gemacht bat. Der Arminianismus fteht weit zurüd hinter der hohen ernſten altreformirten Lehre, die in der That aud dem Menfchen eine viel böhere Stellung anmweist, indem fie von ihm fordert, wie als möglich behauptet, daß er Gottes Ehre mehr liebe als fi felbft, und durch Gottes Liebe dieſe Opferwilligfeit mitgetheilt werben läßt. Gleichwohl verräth ſich Die reformirte Familien⸗ Ähnlichkeit im Arminianismus noch deutlich genug, vor Allem in der Obenanftellung des bene placitum sder liberum arbitrium in Gott. Wenn die altreformirte Lehre fo entfchieden die Strafe im Weſen Gottes ald nothwendig begründet fieht und die Gerechtig⸗ feit nicht in die Willkür Gottes fiellen will, fo wird dieſes folge: recht fordern auch dem Menſchen Freiheit zuzugeftehen, zumal ja #0) Steph. Curcell. 1.c. &. 87. de ira dei ©. 70. Epistop. 1. c. ©. 311. 8318. 321. Limborch L. c. de amore odio et ira Dei. ©. 74. —8 Arminianer. Hugo Grotius u. f. w. Kritik. 807 ſelbſt ein Maſtricht zugibt, daß die Gerechtigkeit als firafende eulpa vorausfege. Wird dagegen reformirterfeits ber Begriff vom bene placitum, der in ber Präbeftinationsiehre waltet, con⸗ fequent durchgeführt, fo bleibt auch für bie. firafende Gerechtigfeit und Chriſti Berföhnungswert Feine notbwendige Stelle, fondern ed Tann dann (f. o. Anm. 15) Gott ohne Verlegung feines Weſens oder feiner Gerechtigkeit und Heiligkeit nach Befinden der Umſtände feine Gefege ändern unb die Sünde bald als firaf- fällig, bald als ftraffrei bezeichnen. Das behauptet denn ber Arminianismus freilich nicht dem göttlichen bene placitum, ſon⸗ dern dem Wohlfein ber wandelbaren Menfchen zu Lieb *'). Der Widerfprud des Arminianismus hat nur darin etwas von lu⸗ therifcher Reaction an ſich, daß er dem Menſchen Gott gegens über eine felbfifländige freie Stellung fucht. Aber der Arminia- nismus thut das unferm Supernaturalismus ähnlich fo, daß für die Chriſtologie nur eine Außerliche Stellung zwifchen. dem Gött⸗ lichen und Menſchlichen übrig bleibt. Er bleibt darin wieder reformirt, daß er nicht eine wefentliche Zuſammengehörigkeit bes Menfhlichen mit dem Göttlichen fucht, vielmehr nur bei einer Gemeinſchaft der Wirkungen (Affiftenz) ſtehen bfeibt, die beiden Raturen aber außer einander »fieben läßt. Allerdings ift auch ein Unterfchied. Die orthobor reformirte Lehre, fo lange fie bei der Unperfönlichfeit der Menfchheit Chriſti an ſich oder in ber Incarnation verharrt, iſt freilich nicht neftorianifh Cihr wird Dagegen "die Menfchheit zur felbftlofen Hülle), Aber ber Ars minianismus, fofern er (was befonders fehmerzlih von ben reformirten Dogmatifern empfunden wirb), mit den Lutheranern, wenn auch in anderer Weife, eine Perfünlichfeit der Menſchheit behauptet, bleibt in einer offenbaren Doppelperfönlichfeit ſtehen. Und biefe muß wiederum in Socinianismus ausarten, weil ihm das Verhältniß des Logos zu dieſer menfchlichen Perfon ein überaus Ioderes wird und Ehriftus von anderen Menfchen ſich nicht mehr dadurch unterfcheidet, daß er in bie Perfon bes Logos aufge: #1) Bel. Episcop. 1. c. L. IV, sect. ©. 2, c. 28. 29. de justitia Dei. ©. 8321 ff. ell. sect. 5. c. 10. ©. 4293, 882 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abfchnitt I. Kap. 8. Spitze feiner fleflvertretenden, Gott vollſtändig genugthuenden Leiden fehen. Es entſteht nun die Frage, ob bie reformirte Ehriftologie auch auf Die Aemterlehre und Soteriologie fpürbar einwirfe. Das Erftere läßt ſich theilweife nicht in Abrede ftellen, wiewohl Schnedenburger auch bier durch feinen Scarffinn fi viel zu weit führen läßt. Er meint, ba die leidende und thätige Menſch⸗ beit endlich bleibe und -ohne comm. idd., fo fei nicht fie es, weiche die unendliche Genugthuung darbringe, folglich thue eigents li der Rogos genug. Aber fo werbe das gottmenſchliche Wert vielmehr zu einer Selbfigenugihuung, die Gott füch gebe, womit tas Ganze zu einem blos bramatifchen Spiel würde. Allein das widerfpricht gänzlich dem Ernte, womit reformirterfeitd von ber göttlichen ira und der Nothwendigfeit der Satisfartion geſprochen zu werben pflegt '?). Thut Gott fich felbft genug, giebt er einfach bie in Homoufte mit und geht auch Chriſti Seele fofort nach dern Tone ins Parapdies ein. So ift motivirt die Abweifung der griechifchen Kirchenlehre (descensus in dag Dittelreich zur Predigt für die Men: fen vor Eprifto), der romiſchen (Befreiung der Bäter A. T.) und der Iutherifchen (f. 0. 549. 720). — Aber das erflärt wieder nicht, warum man den Artilel des Symbolum von ver Hapdesfahrt nicht o NHrih, oder nicht nach altzüuricherfcher Weile Tod und Grab dar: ‚unter verfand. Bielmehr das einzig ftichhaltige pofitive Mo⸗ tio dieſer reformirten Lehrbildung wird in dem Bemühen zu fin den fein, die leidende Genugthuung Chriſti möglichſt alifeitig und lückenlos zu feßen. Es wird die ira dei wider das Böfe und bie Nothwendigkeit der vollſtändigen Genugthuung für die Ehre der göttlichen Gerechtigkeit von reformirten Theologen fo ſtark geltend gemacht, daß Chriſti Keinen ihr auch einen Erſatz für das geben folien, was den Leiden der Bervammten für ihre unendliche Straf: würdigkeit an genugthuender Kraft abgeht. Ich freue mich, hierin mit Güder, Erſcheinung 93. Ehr. unter ven Todten, 1858, zu⸗ fammenzutreffen. Anders fiebt Schnedendburger a. a. O. ©. 88 u. f. die Sade an. , Wits.l.c. ©. 218 f. Die Genugthuung dur den Sohn und fein Büßen Habe eine ung erkennbare Nothwendigkeit in Gottes Weſen, ſei nicht blos declarativ, vergl. ©. 144 ff. 177. Natura et actiones dei necessitatem satisfactionis docent. Bott fer deßhalb nicht weniger frei, ipse euim est necessitas sua. Maſtricht 1. c. Reformirte Chriſtologie und Genugthuung. 883 Satisfaction, die er empfängt, fo wäre bas faum von dem Sat verfchieben, daß die Sünde ewig vergeben fei, fei es auch durch das göttliche liberum arbitrium *). Allerdings fteht an fich Die Lehre von einem abfoluten göttlichen lib. arb. im Widerfpruch mit ber Nothwendigkeit einer Genugthuung. Aber es ift eben das fitte lihe Bewußtfein, was jener Lehre einen Damm entgegenfegt -— fei e8 auch auf Koften der Confequenz 1. Wozu beblrfte es denn jener innergöttlihen Verhandlung, in welcher der Logos für bie Sünden einzuſtehen ſich ewig bereit erflärt? Wozu wäre bie Lehre von der ira dei und ber Hölle, wenn bie Meinung wäre, Gottes liberum arbitrium fünnte auch das Böfe als nicht ſtraf⸗ fällig, ja als nicht 668 anfehen? Was follte der Gegenſatz ge: gen die Arminianer ‚bier fonft bedeuten? Es ift Die ernfle Mei- nung ber orthodoxen NReformirten, daß bie Sünde Genugthuung fordere und Chriſtus fie habe bringen müffen, damit wir erlöst würden. Doch es foll das Gegentheil daraus erhellen, daß die ref. Chriſtologie die genugthuende Kraft, die unendlich fein müßte, nur in bie Gottheit verlegt, zwiſchen den Naturen aber feine das Göttliche der menjchlichen leihende Mittheilung ſtatuirt. Al: fein wir haben. hinreichend gefehen, mie auch die Iutherifche Dog⸗ matif mit der Aneignung des Göttlichen durch bie menfchliche Natur in ihren Lehrfägen nicht Ernft macht, fondern die uedekı; ablehnt; umgelehrt die Aneignung ber menſchlichen Natur ©. 544. ff. 612 ff. 616 ff 625 ff.: die Berfühnung war nicht morönievoos. Died auch gegen Schweizer ref. Dognt. IL und Güder ©. 268. \ ) Wits. 1.c. ©. 167 will nicht Täugnen, Gott könnte eine nicht perfönlich angenommene menſchliche Natur alfo halten und tragen, daß fie alfen Keiven überlegen wäre. Aber da würde nicht ſowohl unfer Bürge als Gott durch ihn die Feinde befiegen, und das ge: nügte für dieß Wert nicht; unfer Bürge mußte durch eigene Kraft e8 Teiften, alfo Gottmenfch fein. Heidegg. 1. c. 67 ff. Die satis- factio mußte durch poena vicaria eines Menſchen gefchehen, weil der Menfch dent Geſetze verhaftet il. Mares. }. c. ©. 533: neces- sitas satisf. arcessitar a dei justitia essentiali. In der Foöderaltheologie regt ſich ſchon beftiimmter die menfchliche Freiheit und die Abfolutheit des Ethifchen. Dorner, Chriſtologie. II.-2te Aufl. 57 884 3weite Periode. Dritte Epoche. Abfepnitt J. Kap. 8. burch bie göttliche Perfon feat aud bie ref. Dogmatik und läßt bas menſchliche Thun und Leiden unendlichen Werth haben, weil die darin handelnde Berfon der Logos ſelbſt iſt. Oder ſollte biefe Berleibung unendlichen Werthes für Das menfchliche Thun und Leiden nur ausgehen können von der göttlichen Nature, nicht auch von der Perfon, bie doch real mit der Dienfchheit verbun- den iſt in perfönficher unio, und fo für. das göttliche Urtheil, nach welchem bie genugthuende Kraft nicht blos dem @öttlichen, fon- bern dem Gottmenſchlichen zufommt, bie reale Baſis dem ewigen Rathichluffe gemäß darbietet? Schließt doch vermöge feiner ineli- natio der Logos bie Menfchheit Jeſu in ſich ein, um fie für bie thatfächlicde Genugthuung zu verwenden. Wil man einmal bie Grenze zwifchen Lehrfägen und Folgerungen verwiſchen, fo muß man auch aus der Iutherifchen Chriſtologie Schlüffe ziehen Iaffen, die Chrifti genugthuenbes Leiden und Thun in einen epibeiftifchen Schein verwandeln, denn bie Menfchheit iſt ja auch hier rein durch die Gottheit beftimmt, fo daß Bott nur das, was er felbft ſich giebt, zu empfangen feheint, nicht zu reden von ber Iutheris ſchen visio beatifica und bem feligen Weltregiment mitten im Leiden, dem bie reformirte Chriftologie die unendliche Seelenangft und Chrifti geiſtiges Sein in den Höllenqualen gegenüber ftellt. In Betreff der Satisfaction wird daher zu fagen fein: bie reformirte Lehre von ihr fett fich allerdings in Conflict mit ber im fchroffften Calvinismus herrſchenden Ueberorbnung bes gött⸗ lichen liberum arbitrium über alles Andere 1%); denn biemit bes fände nur eine zufällige Berwerffichkeit, Strafbarfeit und fatisfacto- »5) Sp Mares. ]. c. ©. 551: Nec etiam datio Christi in redemtorem ipsiusque satisfactio .prasordinatur electioni asternae — sed ei tam- quam illius completiva et executiva subordinatur. Gott werbe nicht dur die satisfactio bewogen, das Sünderheil zu wollen, ſondern weil er es wollte mit Dazmwifchentunft der Genugthuung, bewirkt diefe, daß er salutem peceatorum volitam ex solo bene placito in tempore conferat et conferre posset convenienter suae justitiae und ohne Beränderung. Andrerfeits vgl. Anm. 13 die Stelle S. 633. -Sofern das Bewirkte in dem, ber es bewirkt, Feine Aenderung her- vorbringen Tann, müßte freifih Mareſius eigentlich fagen, das Berföhntwerben fei novonAsvgor, Tomme Gott nicht zu. ⸗ Reform. Chriſtol. u. Satisfaction. Obed. act. u. passiva. Piscator. 885 rifche Verpflichtung des Böfen. Aber dahin wirb nicht fortgegangen ; die Tendenz gebt auf ernſte Satiefaction durch Chriſti Leiden und Thun!) und ihr entfprechend Lauten bie Lehrſätze. Nicht einmal das doppelte deoretum ändert bie innere Befchaffenheit ber Satisfartion Chriſti !7). Dem J. Piscator, welcher die Nothivendigfeit der obedien- tja passiva als entgründet anſah, wenn man eine fatisfactorifche obedientia activa annähme, weil durch biefe die Menfchen fchon 10) Mit Recht weist Schnedenburger (Zur Firchlichen Epriftologie ©. 62 ff.) gegen Rudelbach, Gueride u. U. darauf hin, wie die Lehre von der obed. Christi activa im reform. Syſtem eine größere Bedeutung habe als im Tutherifhen So 3. DB. bei Wenvelin, Perkins u. A. im Eine unendlich werthvolle if nöthig und geleiſtet, gleichgültig, ob e8 der Menfchen viele find over wenige; alfo auch gleichgültig, ob für alle Menfchen, die find, oder für diejenigen nicht, die in die Erwählung nicht aufgenommen find. Maſtricht fagt: der reatus der Menfchen war unendlich, Chriſti Verdienſt ebenfo. Das Un endliche aber tft nicht theilbar, Feiner Zunahme noch Abnahme fähig. Chriſtus Hätte auch für Alle nicht mehr leiſten können noch zu leiften gebraucht, als er geleiftet bat. Er hat Unenpliches geleiftet, die meritoria virtualis reconcilistio erworben, die an fich für Alle zureichend wäre. 1. c. ©. 613 ff. (Ja in gewifler Art be zieht fih Chriſti Genugthuung auch auf die Verdammten, fofern bie genugthuende Kraft ihrer Skrafe dadurch erganzt wird.) Epris ſtus ift aber allerdings vor Allem hingewandt zu Gott, die Ehre feiner Gerechtigkeit zu wahren, und umfaßt fo liebend die, die Bott erwählt, wie fhon innerhalb der Zrinität, und fo {ft auch im Leiden feine intentio nur auf die Erwählten gerichtet geweſen (Mastr. ]. c. 628). — Die lebertragbarfeit tes Berdienftes Chriſti wird auch von den Dogmatikern, die jeden Menfchen, daher auch Chriſtum, von Natur als dem Geſetz verpflichtet anfehen (3. 2. Wits.) gewonnen, indem fie erinnern, fofortige Herrlichkeit wäre mit jener Berbinplichleit gegen das Geſetz vereinbar geweſen, aber Chriſtus habe aus Liebe zu uns die Ernievrigung übernommen, bie ung zu Gute gerechnet wird, während fie auch ihm feine Er höhung verdiente, die Marefind aus der unio ableitet, 1. c.©. 509; Maftricht aber fagt; weil Chriſti obedientis infinita War, genügte fie für ihn und ung, 1. e. 627 ff., auch verbinde das Geſetz nur Menfchen; er fei Gottmenſch. 57 27 904 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abfpnitt L Kap. 3. dem Nicaenum in ber fpätern Kirchenlehre Sabellianismus fand und zuletzt ſelbſt ſich offen zum- Arianismus befannte °°). Man erfand für die Annahme einer Ungleichheit unter ben Pers fonen der Gotiheit, wornach eine vor der anbern einen Vorzug habe, den Namen ber platonifchen Trinität, der einen gelinbern Arianismus bezeichnen follte. Dahin gehörte wie Bull Radulf Cudworth 5°). - Aehnlich hatte früher Wilhelm Sherlod die Trinität gegen den Socinianiemus zu vertheidigen unternommen‘”), fam aber von Cartefianifchen Sägen aus zu einem Tritheismus, ber für die Einheit nur bie Identität des Bewußtſeins jeber der Pers fonen von ſich wie von den anbern übrig ließ. Sein Gegner Robert South, indem er bie Perfonen nur ald ewige Relatios nen ber ‘einen göttlichen Subftanz zu fich felbft bezeichnete, fiel in den Sabellianigmus, während noch Andere eine Bermittlung zwiſchen beiden fuchten, wie Ed. Stillingfleet °F). So zeigt fih in England flatt der frühern Sicherheit des teinitarifchen Bewußtfeins von 1690 — 1730 eine weit verbreis tete Erfchütterung, und indem das Dogma in das erſte Stadium feiner Auflöfang eintritt, verfusht fi der Geift in früher das geweſenen und überfchrittenen Theorien, bie jeßt wieder hervor⸗ treten, aber noch ohne neue Gefihispunfte Höchſtens wers ben neue Combinationen des bisherigen‘ Materials, das aus einander fallen will, verſucht. So meint Paul Maty 9% %) In feinen vordgas peortösc. Lond. 1727. °°) Systema intellectuale hujus universi ed. Mosheim 1738. ©. 686 ff. #°) A vindication of the doctrine -of the holy and ever blessed trinity and the incarnation of the son of God. Lond. 1690. °”), Werke T. II, auch die Abhandlung über Trinität. Gegen Yull ſchrieb Heidegger corp. theolog. christ. lib. IV. &. 122 Ebenfo wider legte Jurieu religion des latitudinaires etc. Rotterd. 1696 den ats geblihen Zritpeismus der Nicanifihen Bäter, welchen 3. Elericus u. U. behaupteten. . 69, Lettre d'un theologien à un autre theologien sur le mystäre de la . trinit6 1729. Gegen ihn ſchrieb Arm. de la Chapelle reflexions en forme de lettre au sujet d'un systeme prötendu nourean sur les mystöre de la Trinite. Ämst. 1729, worauf Maty feine Apologte etc. Sherlod und South. — Paul Maty. 905 in Holland allen Schwierigfeiten durch eine Theorie zu ents gehen, bie eine Zufammenfegung von Sabellianismus, Aria nismus und Tritheismus if. Sohn und Geift, fagt er, haben in der Schrift bald: fubordinirende, bald coorbinivende Prädikate. Das erfläre fih, wenn der Bater bie ganze Gottheit, Sohn und heil. Geiſt aber zwei andere Perfonen ſeien, jede mit zwei Nas turen, einer unendlichen, dem Vater gleichen und einer endlichen. Dieſes vom h. Geift zu beweilen seichte Die Schrift nicht zu, von dem Sohne aber meinte er fchon vor ber Menſchwerdung zwei Naturen in der Schrift. gelehrt zu finden. Das ſcheine im Widers ſpruch mit der ewigen Zengung bes Sohnes, weil fie für ein endliches Wefen nicht anzunehmen fei, und anbererfeitd beſtehe boch der Unterfchied zwifchen dem Vater und Sohn nur in dem endlihen Weſen des letzteren, bas alfo ewig feheine fein zu müſſen. Allein man fehe nicht, warum nicht Gott ein endliched Weſen von Ewigfeit her habe fehaffen können 9%. So gewinne man eine Subordination der Perfonen und einen Unterfchieb der Subſtanzen und behalte doch eine Einheit ihres Weſens und der Gottheit. Es iſt dieſe Theorie nur als Bekenntniß des Eindruckes von - Bedeutung, den dieſe neuen trinitariſchen Verhandlungen gemacht hatten, nicht blos auf Maty, fondern auch auf das Publifum, weiches für feine. Theorie, ohne fie anzunehmen, fich fo lebhaft intereffirte. Seine Schrift ift das Geftänpniß, bag aus phyfi⸗ fhen, Hiftorifchen und fpefulativen. Gründen die fo zahlreichen Angriffe auf die Kirchenlehre nicht ohne Gewicht feien, forie daß die Suborbination, Coordination und der Sabellianismus, jedes für fi, ein Moment der Wahrheit vertreten. In Maty's gekün⸗ fleltem Verſuch ihrer Einigung fol die Endlichkeit näher mit ber Utr. 1730 u. A. ſchrieb. Gegen Maty find in Holland, Frankreich und Deutfchland mehrere Schriften erfihienen, unter welchen Mos⸗ heims modesta inquisitio in novam dogmatis.de ss. trinitate expli- cationem quam vir ci. Paul. Maty nuper proposuit. Heimst. 1736 ges nannt zu werden verbient. eo, Hier berührt er fi mit ven obigen Theorieen von einer yrueri⸗ ſtirenden, himmliſchen Menſchheit Chrifii. ſ. o. ©. 860 ff. 906 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt I. Kap. 8. Gottheit felbft vereinigt, ja möglichft in fie hineingetragen wers den. Ferner foll es zum tieferen Unterfchied zwifchen Bater und Sohn erft fommen durch die als ewig gedachte Bereinigung ber Gottheit mit der Endlichkeit, wodurch erſt die zweite Perfon als ſolche conftituirt wird 8). Endlich ift in dieſer Theorie deutlich der Zug zu verſpüren, der im Schooße der Zeit ligt, und ber auch im Arminianidmus wie in dem wiedererwachten Arianies mus fich ankündigt, nemlich gegenüber von der göttlichen die end» liche Seite zu betonen, die nicht minder verlürzt wird, wenn mit der orthoboren veformirten Lehre die Menfchheit zum bloßen Drganon ber Gottheit herabgefegt wird, ald das in der zum Dos ketismus führenden Ehriftologie der hıth. Dogmatifer geſchah. €, Uebrigens fagt er auch, es fei nicht nothwendig, zu glauben, daß der Bater den Sopn von Ewigkeit gezeugt habe; worin fich deut: li verräth, daß er dem Drigenes ähnlich einen auf fabellianifche Befensgleichheit gebauten Suborbinatianigmus im Sinne hat. Seine Zpeorie iſt im Wefentlichen die Origeniſtiſche, nur daß er nicht beſtimmt die präerifiente endliche Natur am Sohn mit Eprifi Seele oder himmliſcher Menfchheit iventificirt, was er doch muß, wenn er nicht in Chriſtus zwei endlirhe Perſonen neben der gött⸗ Ligen Natur fehen will. Bueiter Abfdnitit. Der ſich verbreitende Indifferentismus gegen bie alte Form der Chriftolngie. Bon 1700 — 1750. Bwar bis um 1750 war bie Chriſtologie des lutheri⸗ ſchen Bekenntniſſes im Allgemeinen noch in Geltung, aber in Art und Ton der Behandlung ift gegen bas 17. Jahrhundert ein wefentlicher Unterschied zu bemerfen. Die unermübeten An- geiffe Seitens ber reformirten und Fatholifchen Theologie für fid, fo viel Treffendes ‚auch befonders bie erſtere fagen mochte, hät: ten fchwerlich einen Umſchwung hervorgebracht: im Gegentheil verleiht das ſich einmifchende confeffionelle Chrgefühl bem luthe⸗ rifhen Dogma noch eine gewiſſe Tenacität über bie Zeit ber reinen inneren Luft an bemfelben hinaus, und ba bie Anderen nichts wefentlich Beſſeres zu bieten hatten, fo regte ihr Wider: fprudy eher immer wieder die Neigung, fich felbit dawider zu behaupten, an. Ebenſowenig darf man ben englifchen Frei⸗ benfern oder dem franzöfifchen Unglauben viel Einfluß auf bie. veränderte, kühlere Stellung zur orthoboren Form ber Tutherifchen Chriſtologie zufchreiben, die in ber erften Hälfte des vorigen Jahrhunderts zu bemerken if. Der eigentliche und hauptſäch⸗ lichſte Grund ligt in der inneren Gefchichte des Dogma felbft, und in ber Lage, in bie es gerathen war, Im vorigen Abfchnitt iſt erzählt, wie bie Ehriftofogie ber lutheriſchen Dogmatifer, fo lange die alten Prämiffen feftitanden, weder vorwärts noch rückwärts Tonnte, während bie inneren Widerſprüche das Eine forderten oder das Andere. So blieb * 908 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt IL nichts Übrig, als der Berfall in ſich fell. Die Symptome ftellten fih sec. 18 immer raſcher ein. Spener hatte den Grundſatz aufgeflelt: die Werfe und Wohlthaten Chriſti feien wichtiger, als Die genauen Beflimmungen über bie Perfon. Dem entſpricht, daß die Dogmatifer nach Hollaz die Comm. idd. be⸗ reits weit fürzer behandeln. Manche, wie Mosheim, Börner, Clauſing u. 9. ziehen ſich für die ganze Ehriftologie ſchon auf das Geheimniß zurüd, was deutlich anf ein Berfiegen der Luft und ber Hoffnung des Erfennens hinweist. Selbſt ein Löfcher warnt vor Subtilitäten ). Er meint, das Wefentliche der Unio liege nicht in der Mittheifung des character personalis an die Menſchheit, fondern in der exhibitio mutua et maxime realis beider Naturen, wobei in dem genus apotelesm., dag auch die NReformirten an⸗ erfennen, bie Hauptſache gefunden wird. Mosheim fteht biefes Wefentliche darin, daß Gott fih ganz an bie Drenfchheit „fo weit fie dafür empfänglich“ mitgetheilt habe: die Lehre der alten Dogmatif fei von ariftot. Bhilofophie beherrſcht; es fei ein labor improbus, diefe fpinöfe in mehr als 2000 Büchern niebers gelegte Scholaftif und Streittheologie fiber die Comm. idd. auch nur zu veritehen. Die allgemeinern Formeln (meoıyagrows, maje- statis divinae communicatio) behält er bei, aber unter dem Bors bebalt, daß fie Mysteria feien, was er für die Allgegenwart ale identifch mit „Fombolifch“ nimmt 2), ı, Börner 1740. Elaufing 1737 in Dissertstt. Auch Mosheim Elem. theol. dogm. Vol. 2. 80 ff. frhließt aus ı Tim. 3, 16, wo die In« carnation ein Myſterium heiße, es könne nicht pefitio, fondern nur negativ erläutert werben, auch nicht aus Analogieen. E. V. Lö- scher Theologla Pretiosa 1750. ©. 738. 2) Elem. II, &. 110. Er fucht fich auch durch weitere Ausbilung der Unterſcheidung zwifchen der mediate und immedista. Communie. zu beifen. Reich könne ein Sohn auch fein, fofern er reiche Eltern babe, durch das Anrecht. Das ſei mediata possessio. Auf vieles Anrecht reduciren dann Heilmann und Zachariä die Comm. idd., was Mosheim felbft noch nicht wagt. Danov Theol. dogm. Inst. bemerkt aber dazu mit Recht, daß man dann au die alte Sprade nicht mehr brauchen, fondern den veränderten Sinn rein hinftellen oder aber bei dem alten bleiben müſſe. ©. 388 fi. Spener. Löcher. Mospeim. Sartorius. Seller. 909 Köcher muß fich fihon beſchweren, daß man die Comm. idd. nicht mehr vortragen wolle: man fei doch auf fie verpflichtet. Bis auf F. Buddeus ſei fie allgemein feflgehalten; jegt beginnen ſelbſt Angriffe auf fie). Sartorius *) fagt: es genüge zum Heil die einfache Schriftlehre, die burch viele Subtilitäten vers bunfelt fei. Das Nothwendige findet er in der Unio personalis- et negıywenos mit den negativen dhalced. Formeln. Zur Zerfiörung der alten Form des Dogma trug aber nicht blos Die eingetretene Lauheit und die allmählich hervortretende Uns sufriebenheit mit ihr aus Gründen der Wiffenfchaft und einer eins fachen praftiichen Theologie bei, fondern auch ein pofitives Ele⸗ ment, in welchem fich ſchon Keime einer andern Chriſtologie von ferne zeigen. Vom 18ten Jahrhundert an ift nemlich auch bei den orthodoreren Theologen das Beftweben ſpürbar, die vollere Wirfs lichkeit und Selbftftändigfeit der Dienfchheit Ehrifti hervorzuheben: aber in demfelben Maße, als der Blick fih auf fie vornemlich richtet, beginnt fie auch die bisherige Lehre von der communi- catio idiomatum wmzubilden oder. zurüdzubrängen. Es wird von den Orthodoreren mehr Gewicht auf die Mittheilung ber etbifchen Prädifate Gottes gelegt, woran fi) bald das Beftreben ſchloß, auch der Menfchheit eine ethiſche Selbfiftändigfeit zuzu⸗ fhreiben. Die Einen fagen zwar, um. bie menfchlihe Natur vor Vermiſchung mit ber göttlichen mehr ficher zu flelfen: die göttliche Perfon könne fih nicht mittheilen, die Menſchheit in Chriſtus ſei unperfönlich,. nur ein Organ des Logos — ein Ab: brechen der Spige der alten Ehriftologie, was doch der göttlichen Natur ihr Uebergewicht Tieß und zum reformirten Typus führt; wie bann auch gefagt wird: die Menfchheit fei endlich, das End: — — rm —— — 3, Seiler, Theol. Dogm. Polem. 1774 ©. 174 f. verſteht unter ter communic. mediate die Zufprehung ver Eigenfihaften um ver unio willen, die eigentlich nur dem Logos zulommen. Aber. die Menſchheit Habe das Göttliche empfangen, da quidem ratione, qua hoc fieri potest. S. 178. Das follen vie Reformirten läug⸗ nen! Die Omnipräfenz. will er aus Ser. 22, 24, d. 9. aus der Allwiſſenheit erflären. 4%) Comp. Theol. dogm. 1783. ©. 210 ff. 917. 910 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt II. liche aber nicht fähig, Unenbliches aufzunehmen. So Ehrifl. Matth. Pfaff‘). Aber das war nur eine Zwifchenfiufe. Andere befchränz fen, um eine wahre Dienfchheit zu gewinnen, den Beſitz ber göttlichen Eigenſchaften auf das Anrecht darauf, die Selbfternie= brigung bes Gottmenfchen aber zur Knechtsgeſtalt verwandelt Heils mann, um eine präeriftente fich erniebrigende Gotimenfchheit bes ftimmt auszufchließen, in bie nachträgliche Gutheißung ber Knechts⸗ geftalt Seitens Jeſu, wornach alfo Jeſus nur Menſch mit dem Anrecht auf göttliche Prädikate durch ein befonderes Berhältnig des Logos zu ihm wäre ©). Andere zogen befonders perfünliche Arte des Menſchen Chriſtus, welche vom Logosleben auf's Bes ſtimmteſte unterſchieden ſind, näher in Betracht. So Haferung in Wittenberg, welcher über „das Gebet des Menſchen Chriſti für ſich feibft“ ſchrieb?), ſowie er auch die Behauptung ver⸗ $) De Impersonalitate etc. 1722. Auch Joh. Georg Walch läßt die Perfönlichkeit der Menfchheit ‘im Logos ſchon fehr zurüdtreten, Löſcher, a. a. D. ©. 74 fpricht der menfhlihen Ratur die commn- nicatio characteris personalis ab, und fagt: die Seele Chrifti ſchrei⸗ tet nicht weniger als der Leib fort. 6) Diefe Theorie ber nachträglichen Genshmigung der Kuechtsgeſtalt hat Reinhard von Heilmann (wornach Schnedenburger zu be richtigen if). gl. Reinhard Epit. Theol. Christ. 1804. ©. 136. Heilmann, de humili Christi infautia in f. opusc. T. 2. ©. 501 f. ”) De supplicationibus Christi pro semet ipso ex Hebr. 5, 7. 1729, Ehrifus fei nicht nur um unfertwillen als Heiland, ſondern auf als Menſch an fih dem Gele unterworfen und verbunden ge weien, für fich felbf zu beten. Es ſei Chriſto auch die Liebe mit⸗ getpeilt worden und für fie fei es an ſich eine Nothwendigkeit ge weien, das Geſetz vor Augen zu haben und zu erfüllen. Die Gegner erwiederten: fei Ehriftus als Menſch an fih zum Gehor⸗ fam verpflichtet geweſen, fo fei feine Natur nicht mit der gött« lichen vereinigt, feine Heiligkeit nicht unendlich, fo habe Chriſtus fündigen können, fo fei die Genugtpuung für uns noch nit ge: leitet (vgl. Wald V. 440 ff.). "Außer mehreren anonymen Schrif⸗ ten bat Löfcher fortgef. Samml. von alt. und neuen theologifchen Saden 1731 ©. 973, Claudius gloria Christi a gAvapiass Haferun- gianis vindicata, Joh. Fr. Wagner und Haferungse Reſpondens Krüger: Norma actionum Christi moralium sive vindicise gloriosae mw Wu all er (un Mm Wi u TE 3 3 U u ——— we Zn Ch. M. Haff, Heilmann, Zachariä; Haferung. 911 trat, daß Ehriftus nach feiner Menfchheit den Gehorfam gegen das Geſetz fchuldig war. Weil alle Kreatur zum Lobe Gottes auch durch Gebet erfchaffen fei, Chriftus aber nach feiner Menſch⸗ beit zu den Kreaturen gehöre, fo fei ex auch zum Gebete ver- pflichtet geweſen; zwar nicht zu dem bemüthigen Flehen (instnoic), Das Schuld vorausfege und das er nur als Mittler für uns bargebracht habe, aber wohl zum einfachen DBittgebet. Glaube, Hoffnung, Liebe feien Chriſti Menſchheit nicht vergeblich, fondern mit dem Erfolg mitgetheilt,. daß er das ganze Geſetz zu halten innerlich getrieben war; baher habe das Gebet bei ihm fo wenig fehlen können als. bei Adam vor dem Fall ober bei den Engeln im Himmel. Er babe ja auch unläugbar fein Leben Gott be- foblen, als dem, ber. vom Tode könne aushelfen Hebr. 5, 7., wie- er auch befenne, daß er ben Willen Gottes zu thun ges fommen- fei und nach dieſem Willen ſich verhalten habe. Diefe Controverſe ift von großer Bedeutung, weil fie auf bie Seele - domini nostri Jesu Christi 1732 als Einleitung in eine Christologia moralis et jus divinum naturae Christi humanae ſich Paferung ent: gegengeſetzt. Chriſtus ſei nach feiner Menfchheit nicht verpflichtet geweſen, für. fih zu betem oder das Geſetz zu erfüllen, weil er die sollfommenfte Kreiheit und Heiligkeit gehabt babe; weil feine Menſchheit Feine Perfon für ſich ausmache, alfo auch feine Ber: bindlichfeit Haben könne; er fei ein Herr des Sabbaths u. f. w. Beſſer als Krüger erinnerte Löfcher, daß Chriſti Menfchheit, von Anfang an rein und heilig, wie das Geſetz es erforvere, wohl tönne zum Geſetz auch für fih in eine Beziehung gebracht wer: den. Er fei ösvonoc, jſedoch wollte auch er in keiner Weiſe eine Berbindlichkett der Menſchheit Eprifti zugeben. Die Perſon in ipr fet ja der frefe Sohn Gottes. Aber Haferungs Gründe waren damit nicht widerlegt. — Schon 1563 Hatte Parfimonius (Georg Karg in Anſpach) gefagt, den Gehorfam habe Chriſtus für ſich ges leiftet, nur das Strafleiden für und getragen. Aber fein Abfehen gieng dabei feineswegs, wie bei Haferung, auf eine ethifche Chri⸗ Kologie, fonvern er meinte (wie 3. Piscator), dag Geſetz verbinde entiweder zum Gehorfam "oder zur Strafe, nicht zu beivem zugleich. Was Epriftus geleiftet habe, dürfen wir nicht Teiften;. aber den Sefebesgehorfam haben wir zu Teiften, folglich habe Chriſtus nur für fich feinen Gehorſam geleiftet. Noch größere Bedeutung als durch Haferung erhält dieſe Frage bald darauf durch Zöllner. 012 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abfıhnitt UI. ChHrifti fich bezieht und zum erften Mal das ethifche Intereſſe heroorfehrend gegen ein phyſiſches Fertigfein der Heiligfeit Chtiſti von der Geburt an die wahre Menfchheit und das Werden burch Uebung und Erwerben betont: oder anders ausgebrüdt, weil fie die Derfönlichfeit der Menfchheit in einer. Art geltend macht, bie einen Stand vollfommenerer Erniedrigung vorausfegt, als ihn, im Widerfprud mit den oben angegebenen Keimen einer volls fommeneren Chriftologie bei Luther, die Tutherifchen Dogmatiker aufftellten 8). Schon daß Epriftus für ſich ſelbſt gebetet, iſt, wie Haferung behauptet, ein Beweis, daß trotz der unio er auf Erden noch nicht in einem vollfommenen Zuftande war. Biel: mehr feine Niedrigfeit und fein Kämpfen ift im Widerſpruch mit der Annahme einer fchon abfoluten Realität ber Gottmenfchs heit in ihm. Diefe Gottmenſchheit alfo ift noch gebunden und nicht rein verwirklicht. Allerdings nicht aus Innerer Ohnmacht, aber auch nicht aus Willkür iſt er in Erniebrigung und in Anfechtungen; aber felbft die Liebe und Treue gegen das Men: fchengefchleht ift von der Art, daß er darin auch feine Per fon zu behaupten und zu vollenden hat ®). Der geiftvolle Ha= a, Schon früher hatte Chriſtoph Frande in Kiel gelehrt — dem Witfius ähnlich — Ehriftus habe das Geſet auch für ſich erfüllt, aber fo, daß es zugleich für Andere geſchah. VBgl. Haberſack diss. de Ohristo. 704. ©. 12 (unter Niehenck in Roſtoch. Alſo lange vor Töllner hatte diefe Anficht in ber lutheriſchen Kirche Anhänger. Ebendahbin iR auch zu rechnen, daß nah Kramer Chriſtus dur feine Erniedrigung fi felbft etwas verdient habe, was fpäter Storr fo augführte, daß Chriſtus den von ihm verdienten Lohn für die Chriſten erbeten und auf fie übertragen habe. Wald freilih V. 886 ff. meint, was Chriſtus bat, das bat er nur uns ald Mittler und nicht für fih, aber fo gewiß Heil und Seligkeit nicht blos in Ehrifi Leiftungen und Werfen, fontern au in feiner Perſon befteht, fo gewiß mußte er, um für unfer Heil zu beten, auch um feine eigene Berklärung bitten. Das if fa eben ver Liebe Art, daß für fie das Eigene, Perſönliche und das Fremde unauflöglich geeinigt find. Solches Gebet Chriſti für fich felbft if in Feiner Art egoiftifch, weil das Beil der Menfchen in feine perfönlie Luft aufgenommen if. Kerner meint Wald V. 688, eine Verbindlichkeit gegen das Geſetz fihließe eine mora⸗ — — — — — — wu. u. Haferung über Eprifi Gebet und Gehorfam. 913 ferung fam zu biefen Sätzen von einem kräftigen fittlichen Be wußtfein aus, bem ber Gedanke unerträglich war, daß das Geſetz und überhaupt der Wille Gottes in einem nur Außerfichen Ber: hältniß zum menfchlichen Weſen als ſolchem oder gar auch zu bem göttlichen Weſen ftehe und in jemer Hinſicht zufällig, in biefer aber willfürlich jei. Daber - bat er in einer andern Ab- handlung bie Behauptung aufgeftellt, auch das Eyangelium habe eine obligatorifche Kraft; es fei Pflicht, feine Wahrheit zu glau⸗ ben, feine Güter anzunehmen. Deßhalb fei von einem Glaubens⸗ gehorfam die Rebe: Es fei des Baterd Alle verpflichtender Wille, daß an Jeſum geglaubt werde. Hiemit war das Ehriften: thum an ‘das allgemeine Sittengefeg angefnäpft, im Gegenfag gegen eine abflraft religiöfe Gnabenlehre dem. Chriftenthum fein ethifcher Charakter und feine innere Zufammenfiimmung mit bem Geſetz ber erfien Schöpfung gefihert. Aber die Gedanken⸗ veihe, bie damit ſich eröffnete, war nieht blos ungewöhnlich, und ermedte ben Verdacht, daß man aus dem Eangelium eine Buß⸗ — liſche Nothwendigkeit in fi, zu thun oder zu laſſen, und „hebe die Freiheit, die man vorher deßhalb gehabt, auf; fie entſtehe aus einem Geſetz und komme allzeit von einem Höheren, ber verpflich⸗ ten und befeplen ‚Tann; denn Niemand Könne fich felber verbinden. ‚Wer nun diefer Höhere fein fol, da der Sohn Gottes perſönlich mit diefen Menfchen vereinigt ſei? — Und ſelbſt wenn man nur bei der Menfchheit für fich fiehen bleibe, fo fet von Verbindlichkeit . nicht zu reden, weil ſolche menſchliche Natur ihre eigene Subfiften; nicht Habe und Feine eigene Perſon ausmacht. Es falle bei Eprifi > Menfchheit an.fich der Begriff einer Perfon weg; daher auch ver einer Berbindlichleit, denn nur eine Perfon, nicht eine Natıtr tönne verbunden. werden; die Perſon aber fei die göttliche, bie nicht. verbanden werden Tann.“ Dan flieht hieraus, wie der Ges danfe an Freiheit im Geſetz, Selbfigefeßgebung und vergleichen noch fo ferne ligt, welche loſe Stellung das Gefeß hier noch zum Weſen des Menfchen hat; befontere aber, wie durch Daferungs Säge die Dogmatik ſich nun zur Unperſönlichkeit der menſchlichen Ratur treiben läßt, womit- bereits ver Saß von der Communic. personse erfchüttert ift, der bei Ealoo, Quenſtedt u. f. m., wie 3. B. Marefius wohl fleht, ven Grundſtein für das ganze Gebäude der communfcatio naturarum und idiomatum abgibt. 914 ‚Zweite Periode. Dritte Epoche. Abfepnitt IL prebigt machen oder ed mit dem Geſetz vermifchen wolle \%), - fondern man fand auch diefe Redeweiſe unbequem und unbe⸗ gründet. Obligation fei nicht ohne Gefeg und Gefes nicht ohne Obligation, Alles fei Gefeg, dem obligatorifche Kraft zufomme ; nun fei das Evangelium nicht Geſetz, folglich auch nicht obli⸗ gatoriſch; Die Schuldigkeit, an Jeſum zu glauben, ſtamme nicht vom Evangelium, fondern von dem ‚geoffenbarten Geſetz. Seinem Inhalt nad) fei das Evangelium nicht Forderung, fon« bern wolle etwas fchenfen, es könne alfo feine verbindenbe Kraft haben. Das Annehmen bes Evangeliums fei zwar Pflicht, aber biefe flamme nicht aus dem Evangelium, -fondern, wie Walch fogt, aus dem Generafprineipio des Geſetzes, daß wir alles thun müflen, was zu unferer wahren Glückſeligkeit dient. Wie weit it Walch .von der Anerkennung. entfernt, daß des Evange⸗ liums letzter Zweck die Vollendung der Schöpfung in Heiligfeit, ja daß es nur bas wirkungskräftige Sieh bes Geiſtes und Les beng iſt! en Nicht minder zeigt fü ſich bie beginnende Betonung ber. rela⸗ tiven Selbſtſtändigkeit der menſchlichen Seite in einer Reihe an⸗ derer Züge '. Hieher gehören beſonders die Verhandlungen, bie vor 1750 an über bie.in der weſon iien chriiulegie ſo wichtige 10) Walch V. 544 ff. 890 ff. ı) Ein befonders charakteriftifches Zeichen if, daß feit dem 18. Jahr: huntert auf die Mittheilung der ethifchen Eigenſchaften Gottes ‚an die Menfchpeit ein befonderes Gewicht gelegt zu werben ber ginnt. So bei Hollaz, Buddeus, Reuſch u. f. w. Damit tritt auch die menfchliche Seele Eprifti beſtimmter in den Geſichtskreis. — Aber auch die confequentere Fortbildung der Comm. idd. konnte zu größerer Selbſtſtaͤndigkeit der Menſchheit führen, wenn nemlich gefagt wurde: die perichoresis komme nicht blos der göttlichen Na: tar zu, fondern auch die menfchliche permeire die göttliche. So He: benftreit de duarum Christi naturarum communicatione 1703, der fi für feine Lehre von einer activen permeatio der Menfchheit in der Gottheit nicht blos auf die Tübinger Thumm und Ofanter beruft, nach welchen die participatio utriusque naturae eine werhfel: feitige fet, fondern au auf Ealov’s Gap: Quidguid vere perso- natur rüdzuführen pflege: fo ift das theils zu viel nad) den Principien biefer Männer; denn auch nur bie Annahme eines fünblofen ©) Bol. Röhre Briefe ber den Rationalismus XI. Wegſcheiders In- stitutiones 8. 123. 128. ) Wegfcheiver, Instit. 5. 123. 128, 994 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt DIL Kap. 2. Weiſen in Chriſtus erfcheint da unberechtigt, theils aber viel zu wenig, um biefem Dogma eine Stelle in der Glaubenslehre zu bewahren, wovon auch Röhr das richtige Bewußtſein nicht ab: geht). Eine chriſtliche Glaubenslehre aber, welche „die Chri⸗ fiologie nicht zu einem integrivenden Beſtandtheil ihres Syſtems machen kann“, Hat fich felbft das Urtheil gefprochen: fie hat auf ben Namen einer chriftlichen refignirt. Chrifti Perfon ift völlig unmwefentlih und zufällig für feine Lehre, welche allein bas Weſentliche tft als die reine Vernunftreligion ?). Was aber Kant betrifft, mit dem biefe Form bes Rationa⸗ lismus, welche wir die praktiſche nennen können, die weſent⸗ lichen Mängel theilt, ſo hat er vor ihr theils Conſequenz, theils das Verdienſt voraus, eine Chriſtologie, wenn auch von ferne, doch poſitiv vorbereitet zu haben, wie die neuere Zeit ſie nöthig hat. Hat es nemlich der alten Chriſtologie vornemlich daran gefehlt, die Perſon Chriſti nach ihrer menſchlichen Seite, als nicht blos von auſſenher kommend, ſondern als verwandt dem Geſchlecht, als in ihr ſelbſtangelegt zu erkennen, hatte fie vielmehr einen ab⸗ folut fupernatwalen Charakter, etwas Abgeriffenes und bem menfchlichen Bewußtfein Fremdartiges bekommen, fo hat Kant durch Anbauung bes anthropnfogifchen Weges, und durch Hinabfteigen in die Tiefen menfchlicher Natur in biefer etwas Gottveruandtes erfannt, daher er fie den Sohn Gotted nennt, an dem Gott Woplgefallen hat; eine Bezeichnung freilich, bie ihre nach chriſt⸗ lihem Mapftab nicht an fi, fondern nur fofern Chriſtus zu {br gehört, zufommen kann. e, Röhr a. a. O. XV. N Röhr a a. O. ©. 407. Drittes Rapitel.. | Die Sihtifd - -Iahsbife Beit, Ami Hatte, während feiner Kritik fonft nichts Stand hielt, ‘an der Idee des Sittlichguten noch einen feflen Halt und für fh eine Art von Vermittlung mit dem Chriftentbum und der Chriſtologie gefunden. Aber auch) biefer Iebte Reſt von einem objektiven, allgemein gültigen Boden mußte burch das Fortfchreiten ber fich felbft Fritifirenden Vernunft erfehüttert, ind Subjeftive ge: . zogen werben. Das geichah durch Fichte und Jacobi, wenn ſchon von jedem auf verfchievene Weiſe. Wiefern dieß Fichte gethan, davon fpäter; aber näher ficht ber Xheologie ſo⸗ "wohl an fih, ald buch ihre unmittelbaren Anwendungen auf bie - Theologie die Jacobi'ſche Denfweife. Die Subjektivi⸗ tät fehritt in Jacobi zu dem Satze fort:- nicht weil etwas gut iſt, will ich es, fondern weil ich es will, ift es gut. Damit war jebe Obfeftivität bes Sittengefeges untergraben ober viel: mehr vom Sch serfchlungen und vernichtet: Aber dieß iſt nur bie negative Seite ber Sache. Die pofitive und für uns bier wichtigfte iſt, daß dieſe tiefere Kritik des Geiftes über fich felbft zugleich in eine tiefere Region führte, in die der Religion. Statt ber verlorenen Objektivität bes Sittengeſetzes, welches auch in ber That nicht ſich ſelbſt tragen kann, ging in ber Ahnung, in dem religiöſen Gefühl eine höhere Objektivität, die Welt bes Glaubens auf, und kraft biefes Iebendigen Zufammenhanges mit dem Göttlichen ift es, daß. die Subjektivität fich erhaben über das Geſetz dünkt. Das Fortfchreiten in der fubieftiven, fich felbft fritifivenden Richtung machte den Geift nicht ärmer, fondern Dorner, Chriſtologie. IL ?te Auf. 64 996 Zweite Pertode. Dritte Epoche. Abſchnitt IIL Kap. 3. war’ zugleich ein Sichvertiefen in ſich ſelbſt: ahnungsreiche Ge: fühle, das „unmittelbare Vernehmen bes Göttlichen“ raten an die Stelle der praftifchen Vernunft und erfrifchten ihr dürres Land. Hiemit flehen wir auf der letzten Stufe der Entwidelung eitifeitiger Subjeftivität. Diefe höchſte Spige ‘der Subjeftivität ift ihrer Natur nad) gleichgüftig gegen alle Objektivität bee - Wiffens: das Gefühl bat in ſich Befriedigung und verharrt in fih, gleichgültig, ob es das Gefühl eines Objektiven fei, ob es dieſes Objektive wahrhaft und fo wie es ift, oder ob es blos ſich ſelbſt in irgend einer Beftimmung und Affektion vernehme. Ebenfo verhält es fich völlig gleichgültig gegen die Objektivität des Gu- ten; fein fubjeftiver, freilich zufälliger Zuftand iſt ihm bie ein: zige Auftorität. Weil es aber feine Berechtigung und innere Befriedigung ſich nicht daher ableitet, daß es das Gefühl eines Objektiven ſei, das aus ihm noch einigermaßen wiberfcheint, fo vereinigt fich mit ihm gar wohl ein völlig Fritifches und ſlepti⸗ ſches Verhalten gegen. alle Obfeftivität; der Verſtand, ber doch auch eine Seite des Geiſtes iſt, mag alle Objektivität rich» ten nach feinem Maß; zerftört er fie au, fo verharrt doch bas Gefühl nichts deſto weniger in feinen. fubfeftiven Stimmuns gen der Ahnung, bed Glaubens u. f. w. und weiß fich in dem innern Genuſſe befriedigt, ber dann eben ein Genuß ber eigenen edlen Natur ift. Diefe äſthetiſche Weltanſicht hat de Wette nach Fries⸗ ſcher Philoſophie auf die Theologie übertragen '). Seine Grundanfigt kann fo bezeichnet werden, dag in ihr das religiöfe Gefühl, das ihm mit dem ber Schönheit nach helles niſcher Weife auf das Innigſte Eins if, für ſich gleichgültig if gegen bie bee bes Wahren. Zwar gebührt au dem Wahren feine Stelle in der Religion: nach diefer Seite ift fie Glaube; der Schönheit Dagegen entfpricht das Gefühl, bas im Glauben it; aber dieß Gefühl ift das Wefentliche der Religion, und in ben Momenten ber frommen Erregung wird nicht gefragt, ob 1) Religion und Theologie. 1815. Andeutungen hievon finden fih Thon bei Herder, Bom Sohne Gottes. 1797. 8. 9. Jacobi. De Wette. 997 - das wahr fei ober nicht, worin ſich das Gefühl bewegt. Dem Berftande zwar gebührt auch fein Recht, aber nur nicht in ber religiöfen Anſchauungsweiſe; die bes verſtändigen Denkens ift eine ganz andere, ja entgegengeſetzte, denn ihr iſt es nur um das Wahre zu thun, gegen welches das religiöfe Gefühl an und für fih gleichgüftig if. Das’ religiöfe Gefühl kann fi andächtig in etwas verjenfen, was ber. befönnene Verſtand als unwahr erfennt. - Darum kann man aber dennoch nicht fagen, daß das Gefühl ein Unmahres fei:. denn die Kategorie ber Verſtandes⸗ wahrheit gehört gar nicht in das Gebiet der äſthetiſchen Betrach⸗ tungsweiſe. So -fann eine gedoppelte, ja enigegengefeßte Ber wachtungsweiſe deſſelben Gegenftandes ftatt finden, bie verſtän⸗ dige und die Afthetifche. - Freilich ift da das nächſte Bedenken: ob durch folche tiefe Ente | zweiung und" Doppelbeit nicht. Die Einheit des Bewußtſeins zer: trennt werde? Seine Antwort aber auf bie Frage iſt dieſe: So weit die Wahrheit ein integrivendes Moment der religiöfen Gefühle if,’ fo weit bleibt fie vom Berflande unangetaftet, deſſen Betirachtungsweiſe überall in Geheimniſſen endigt und hinter ber Das Reich bes religiöfen Glaubens und ber Ahnung beginnt. Die ewigen Ideen fi nd das Wefentlihe an ben religiöfen. Ge⸗ fühlen, fo weit bier die Wahrheit überhaupt in Betracht fommen Darf, und biefe Ideen muß bie verftänbige Betrachtungsweife ſtehen laſſen: nicht darum, weil etwa der Verſtand ſelbſt ſich dazu poſitiv zu verhalten, ſie in ſich aufzunehmen hätte, ſondern weil er ſie nicht in ſich aufnehmen kann. Sein Gebiet iſt das Endliche, das Unendliche überſteigt ſein Maß und iſt nur für das Gefühl da. Weil er aber ſelbſt in ſeinem Gebiete nie zu Ende kommt, ſtets unvollkommen bleibt, ſo bleibt auch immer für das religiöſe Gefühl ein Gebiet offen, das dem Verſtande völlig fremd, doch auch von ihm nicht angetaſtet wird, indem es da beginnt, wo jener aufhört: Die Anwendung bievon auf: das Chriſtenthum und die Lehre von Chriſtus ergibt ſich von ſelbſt. An ſich iſt überall nur die ewige Idee das eigentlich Werthvolle, nur ſie bewegt das Ge⸗ müth. Aber die Religion, das Gefühl kann der Verbildlichung 64 27 998 Zweite Periode. - Dritte Epoche. Abfchnitt II. Kap. 3. ber ewigen Ideen nicht enibehren: ihr ‚Gehalt und Stoff bedarf einer Hülle, fol nicht ihre Kraft und Eigenthümlichkeit zerfließen und fich verflüchtigen. Dieß nun bildet eine Vermittlung ber Bildung unferer Zeit mit dem Chriſtenthum, foferh es mit der wunderbaren Geſchichte Chriſti fo innig verflechten iſt. Zwar Tann, fährt er fort, nur die dee, nicht der gefchichts lidye todte Stoff, in welchen. die Idee ſich gehüllt hat, den relis giöfen Sinn nähren. Die Gefchichte hat nur Werth, fofern fie Hülle der ewigen Idee ift, und biefer Stoff kann ruhig ber zer fegenben oder negirenden Richtung des. Verſtandes überlaffen werden, ber auch feine Berechtigung hat, alles aus natürlichen Urfachen abzuleiten... Er darf und fol die veine Wahrheit fehen, d. h. bie fchimmernde, wunderbare Hülle dem gefchichtlichen Chriſtenthum abftreifen; das ift insbefondere die Aufgabe prote⸗ ftantifcher Theologie. Allein damit wird bie Gefchichte nicht wertblos, fondern das Gefühl bebarf, wie gefagt, ber Verbild⸗ lihungen, ber Form ber Schönheit für feine Ideen, und wo foll: ten wir biefe fonft hernehmen, als aus ber gefchichtfichen Ueberliefe⸗ rung? Diefe entfpriht zwar gar nicht gerade durchaus den äſthe⸗ tiſchen Gefegen, und macht in fofern eine Umbilbung zum Theil wünſchenswerth, wobei die helleniſchen Gebilde religiöfer Kunſt zu benügen wären; aber hoch zu achten: bleiben biefe Hüllen dennoch. Ihnen verbankt: felbft die wiſſenſchaftliche Glaubens: Iehre fo manche echte Erweiterung und Entwidlung ber allges meinen religiöfen Seen. Daher ift er weit entfernt, . bag Dogma von ber Gottheit Chrifti umftürzen zu wollen, obwohl es ein wiberfprecdhender Bes griff ift, die Gottheit mit der Menfchheit in Einem Individuum vereinigt zu benfen, weil dadurch die Gottheit zu einem End» lichen herabgewürbigt und eigentlich nicht mehr als ſolche gedacht wird ?). Aber. es fol diefe Lehre auch Fein Begriff, fondern eine äſthetiſche Idee fein ®). Nach gefhichtlicher und verfläns 2) Bol. hierüber noch befonderd be Wette, uͤber den Geiſt der nenern protefl. Theologie. Studien und Krititen. 1828. 1. ©. 131—188, 2) Religion und Theologie. ©. 91. — —⸗ —— —— — TE —— — 0 ——— — — — — — — — — — ⸗ De Bette, 999 diger Betrachtung fehen wir in Ehrifius den menfchlichen Geiſt zuerft in der Weltgefchichte zu vollfommenem Bewußtfein feiner ſelbſt und feiner hohen Würde gelangen: bier lernt er ſich zuerft als Sohn Gottes fühlen, und als fähig, dem bimmlifchen Vater gleih zu werben. In Chriftus als dem erfigeborenen Sohn ©ottes offenbarte ſich die göttliche Wahrheit, die unendliche Tiefe und Reinheit. Er war das hohe Vorbild, dem Die andern nach⸗ ftreben follen. Das ift feine Stelle, wenn von Berftandeswahrs beit die Rede iſt. Diefe Wahrheit aber ſchlug ſchon den Apo⸗ ſteln auch in einen finnlichen Begriff um, fie vergütterten bie irdifhe Perfon Jeſu. Und immer mehr befam die Idee bes Sohnes Gottes eine meiaphyſiſche Bedeutung, ba fie doch mehr nur eine moralifche Hat. Lange blieb es bei dieſer mythologifchen Denkweiſe, daß er ein herabgeftiegener Gott fei; aber in unfern Zeiten empörte fich ber. natürliche Menfchenverfland gegen bie im Wiberſpruch befindlichen Formeln der Kirche. Viele verwarfen bie ganze Lehre, ober begnügten ſich, Jeſum für einen fehr tugend⸗ haften, weifen Dann zu ‚halten. - Allein damit: iſt weber dem Gefühl Genüge geichehen, welches ber Ehrift dem Urheber feines Glaubens ſchuldig iſt, noch die Idee erfchöpft, welche die Apoftel und bie erſte Kirche beherrfchte. Solch eine Kritif findet nur dürftige Ideen in wegzumerfenden Hüllen, weil ihr Stanbpunft aufferhalb des Chriſtenthums und bes religiöfen Gefühle über: haupt genommen ift, fo daß fie nım mit dem falten Verſtand, nicht mit dem begeifterten Gefühl urtheilt. Der fromme Chriſt aber, überzeugt von ber göttlichen Wahrheit ber Lehre Jeſu, von der in Einführung derſelben füchtbar gewordenen Weisheit und Gnade Böttes, und ergriffen von der Reinheit und Erhabenheit des Charaktere Jeſu, glaubt und ſchaut in ihm die leibhaf⸗ tige Gottheit. So findet die Gottheit Chriſti ihre Stelle als äſthetiſche Idee, da, wo von religiöfer Schönheit die Rebe ift. Der fromme Ehrift grübelt nicht, fein Verſtand iſt befangen von der idealen Anſchauung. Weg alfo, ruft er aus, mit all jenen bogmatifchen Beftimmungen, von welchen ohnehin bie Bibel und ber Bolfsglaube nichts weiß; Chriſtus gelie und fortan als gött⸗ licher Gefandter, als Gottmenſch, als Ebenbild Gottes; man fei 1000 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abfchnitt TIL Kap. 3. nicht zu karg in feiner Verherrlihung, dinge und marfte nicht mit Ausdrüden, aber vergefje nicht den Unterfchied der verftän- digen und ber idealen .Anficht! Seine ganze Geſchichte werde in echt fombolifcher Anficht aufgefaßt. Die wunderbare Zeugung und Geburt Jeſu ift die Idee des göttlichen Urfprungs ber Re⸗ ligion und ber göttlichen Würde Jefu. Seine Wunder flellen die Idee der Herrſchaft, der felbfiftändigen Kraft des -Meufchen- geiftes und die erhabene Lehre des geiftigen Selbflvertrauene ein⸗ gehüllt dar. In Chriſti Auferfichung fehen wir auffer der hiſto⸗ rifchen Seite, nad) welcher wir barin eine fihfbare Wirkung und Veranſtaltung der göttlichen Weltregierung finden, das Bild des Sieges der Wahrheit; in der Himmelfahrt endlich das Bild der ewigen Herrlichkeit der Religion. Dieſe Scheidung nun von Bild und Idee, fähri er fort, wodurch wir in den Stand geſetzt ſind, jenes als ein Geſchicht⸗ liches ganz der philoſophiſchen und hiſtoriſchen Forſchung anheim zu geben, während uns die Idee unverkümmert bleibt, iſt weder willkürlich, noch unredlich. Nicht willkürlich — denn bie vers ſtändige Anſichtsweiſe fordert ihre Rechte, und bie religiöſen Gefühle und Borftellungen bagegen bedürfen der Bilder. Nicht unreblich, benn was von ewigen Ideen im religiöfen: Gefühle an diefen Bildern gefunden wird, das tft auch objectiv in Chriſti Perſon gelegen gewefen. Das Hiftorifche am fih aber fann für das Gefühl felbft nur Verſinnlichungsmittel, Vehikel ſein. Man fönnte nun freilich zu der Frage geneigt fein, ob nicht das. refis giöfe Gefühl, um von jenen Bildern zur Idee übergeleitet zu werden, wejentlich das an ſich babe, die Bilder ſelbſt für etwas Objektives, Hiftorifches zu halten? Die Antwort be Weite's aber hierauf fcheint in Folgendem zu Tiegen *): Sn den Momenten veligiöfer Erregung grübelt ber Verſtand nicht, er ift. befangen von der idealen Anfchauung, und nur da tritt er hervor, wo. bie DBegeifterung erfaltet. Darin ligt nun nicht undentlich, daß allers dings in den Momenten religiöfer Begeifterung der Menſch fich jenen Symbolen als geſchichtlichen hingibt, nur tritt ba ber Ber: +) Religion u. f. w. ©. 216, —r — — a. — oa ww" a un ww - . — — — — — — De Wette. 1001 ftand, ber dieß nicht annehmen kann, noch darf, zurück; dem Ge: fühl dagegen kommt keine theoretiſche Bedeutung zu. Hiemit iſt freilich ein tiefer weſentlicher Zwieſpalt in dem Organismus des Geiſtes ſelbſt geſetzt, der nur kümmerlich dadurch beſchwichtigt wird, daß es dem Geiſt in religiöſen Momenten um Wahrheit zunächſt gar nicht zu thun ſei, auſſer in Beziehung auf die all⸗ gemeinen, ewigen Ideen, welche aber von der Perſon Chriſti völlig unabhängig ſind. Denn mag es ſein, daß auf den Stufen niedriger Verſtandeslultur in frommen Momenten durchaus innig das Bild mit der Idee verwachſen iſt, und der fromme Sinn, ohne daß man ihn darob tadeln darf, ſich unbefangen und arg⸗ los dem Bilde hingibt, in welchem er die Sache ſelbſt, ohne Scheidung zwiſchen Form und Juhalt, hat, ſo wird es doch eine andere Bewandtniß haben mit derjenigen Verſtandesſtufe, wo dieſe Scheidung vor ſich gegangen iſt, wo der Verſtand die Ge⸗ ſchichte als bloßes Bild erkannt haben will. Dieſen einmal ge⸗ machten Erwerb wird der Geiſt, der doch Einer iſt, in frommen Augenblicken ſich nicht wieder hinwegdenken können, als wäre er nicht gemacht; er wird, iſt die Scheidung wahrhaft und mit klarer verſtändiger Verwerfung der Gefchichte als ſolcher voll: zogen, auch in frommen Augenblicken ſich der Geſchichte nicht mehr als ſolcher hingeben können, noch dem Bilde ohne das Be⸗ wußtſein, daß es blos Bild einer ſubjektiven äſthetiſchen Idee ſei. Dann ſind aber auch dieſe Bilder, aus chriſtlicher Geſchichte, . befonderd den Erzählungen von ber Perſon Jeſu genommen, völlig fubjektive, willfürliche Einlleidungen ewiger, an ber Perfon Jeſu wie an aller Geſchichte gar nicht weſentlich haftender Ideen, Einfleibungen, welche mit ganz anbern zu vertaufchen fo lange offen bleiben muß, bis bie Nothwenbigfeit dem Geifte nachgewieſen iſt, an diefe fich zu halten. Der Beweis dafür aus der Nothwen⸗ "digkeit, ſich im Zufammenhang mis ber Gefchichte zu erhalten, reicht hier weit nicht aus: dieß Argument würde jedes freie Her⸗ vortreten .eiger neuen Erſcheinung in ber Menſchheit, auch das Ehriftentfum, als unberechtigt darſtellen. Soll aber aus bem Wefen des menfhlichen Geiftes dieſer Beweis geführt werben, fo bürfte diefer Beweis Teicht dahin ausfhlagen, daß wir, um 1002 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt IL Kay. 3. ber wrfpränglihen, wefenttichen Nothwendigkeit willen, und afles Herrlichſte und Größte nur im Bilde der Perfon Chriſti lebendig zu vergegenwärtigen, Chrikum und and objektiv ald Solchen denfen müſſen, wie uns das Gefühl nöthige, es wäre denn, daß wir eine präftabilirte Disharmonie zwifchen Denfen und Ge: fühl, Objektivität und Subjeftioität vorzögen. Weiter if Mar: folhe Trennung zwiſchen Verſtand und Gemüth, nach weicher die Anfchauungsweife bes letztern erft da anfängt, wo bie bes erfiern aufhört und als unmöglich gedacht ift, daß beibe in einander feien und einander durchdringen, muß auch einen Daalismus in die Objektivität der Welt verlegen. Der Berfland, wenn er bis an das Ende ber Urfachen gelangte, was feine Aufgabe ift, müßte alles ale rein natürlich and 3. B. bie Perſon Chriſti ganz nur aus ber menſchlichen Natur begreifen. Dann aber würde auch das menfchliche Denfen nad) be Wette aufhören, das fo Begriffene ale eine That Gottes zu denfen, und nur das, erhält immer noch der Frömmigfeit ein Recht auf ihre Anfchauungsweife, daß der Berfland überall in Geheimniffen endigt, d. h. nicht zu feinem Ziele kommt. Nach Jacobi' ſcher Weiſe ſoll nur auf das Nichtwiſſen die Frömmigkeit gebaut ſein. Der erfannte Naturzuſammenhang kann alſo nicht zugleich als göttliche That gedacht werden; dieſe Begriffe deden ſich nicht, fondern fchließen fih aus. Da haben wir mithin wieber den allen einfeitig fubjeltiven Spflemen gemeinfamen Fehler einer abftrafs ten Trennung zwifchen Gott und Welt. Daffelbe. offenbart fich aber auch befonderd im yelagianifchen Charakter dieſes Syſtems. Die verſtändige philofophifche Anficht ſchreibt nach ihm das Gute dem Menſchen zu, und muß es, benn nach anthropologifcher Ans fiht, welches eben die der Philoſophie ift, ift der im Menfchen wirkende Geift nichts ald ber Geift der Vernunft. Dagegen ifl es eine ſchöne religiöfe Anficht, die in uns aufglähende Begeiftes rung zum Guten als einen Ausflug Gottes zu betrachten; auf ihrem Standpunkte, bem religiöſen, iſt fie richtig, aber fie fol ſich nicht zur anthropologiſchen Wahrheit ſtempeln wollen, ſonſt iſt fie falſch. Daraus erhellt, daß de Wette über Chriſti göttlichen Wefen De Bette. _ 1003 wiffenfchaftlich nichts ausfagen fann, denn von göttlichen Dingen weiß nur das fubfeftive Gefühl, nicht der Verſtand. Chrifti Perſon felbft hat feinen ewigen Werth, denn fie ift feine ewige See, fondern nur als Bild bleibt fie fliehen. Da gebührt aber fortan der Ehriftologie Feine dogmatiſche Stelle, denn aus Bil- dern hat die Wiffenfchaft nicht zu beſtehen. Was über Abzug deſſen bleibt, daß Chriftus Bild einer Afthetifchen Idee ift, tft rein Menſchliches; zwar von de Wette in feiner Bollendung gedacht, aber ohne Berechtigung, fofern von Feiner Seite bes be MWette’fchen Syſtems die Nothwendigkeit erhellt, daß ein fol vol Ienbeter „Sottesfohn“ hiſtoriſch gewefen fei, vielmehr eher das gerade. Gegentheil. Ein anthropologifhes Bebürfniß einer fol: chen vollendeten Erſcheinung (und nur von anthropologifcher Seite her ift ja nad) de Wette etwas zu erfennen) Tann nad ihm die Wiffenfchaft nicht anerkennen. Der Verſtand ift ihm. ein geborner Pelagianer: die Heiligung, Verföhnung, Befeligung dee . Menſchen bewirkt Chriſti Perfon nicht, fondern nur bie emige, an feine Perfon nicht gebundene Idee. Seine Perfon und Ge: fchichte erweckt z. B. die Idee, daß nur Durch das religiöfe Ge⸗ fühl der Refignation, indem wir ung vor Gott beugen, die Ruhe des Gemüths von felbft wieder kehrt. Diefe Idee erwedt er mir durch Lehre und Vorbild. Allein dazu bedarf es Feines fündlofen Religionsftiftere, fondern nur eines folchen, ber andern Religionsftiftern coorbinirt ift: ja es bedarf dba kaum bes be ftimmten Glaubens an feine Unfündlichfeit, weil er, auch ohne dieſe hiſtoriſch volllommen an fich ‚zu tragen ‚ zur Verbildlichung einer ewigen Idee dienen kann 9). 5, In fpäteren Beröffentlichungen {ft diefer edle, raſtlos firebende, der Wahrheit ftets offen gebliebene Geiſt dem objektiven Chriſtenthum immer näher getreten. So befonvders in dem „Weſen des chrif: Ken Glaubens vom Standpunkte des Glaubens bargeftellt.“ Baf. 1846. Schon der Begriff des Glaubens gewinnt ihm hier objektivere Bedeutung auch für die Erkenntniß. „Zwar die Zrini« tätslehre, alfo auch Präeriftenz Eprifti wie die Zweinaturenicehre weist er ab; die Auferfiehfung if ihm eine objektive Bifion der Apoftel, die Wunder Chriſti find ihm relative, Wirkungen feiner geſteigerten Geiſteskraft. Aber die verfländige oder natürliche Auf "1004 3weite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt IL Kap. 8. Diefer de Wette'ſchen Anſicht ift die von Hafe‘) und Colani ”) verwandt. Für die wahre chriſtologiſche Erfenntniß, fagt Hafe, ift vor Allem Ergründung ber Ideen ber Gottheit und ber Menſchheit in ihrem Verhältniß zu einander nöthig; Möglichfeit und Ber beutung ihres Vereins in Einer Perfon wird dann von ſelbſt erbellen. Das Wefen ber Menfchheit num ift, wie aus dem faffung der heil. Geſchichte und die ideale, gläubige der Gemeinde fucht er zu vermitteln durch einen lebendigern Gottesbegriff, durch Gottes Immanenz in der Welt und fein Wirken in der Natur. Chriſtus ift als Heiland geboren, nicht erfi geworben; das „Wort“ d. h. die nach der Welt hingerichtete offenbarenve Thätigkeit Got: tes war im Anfang bei Gott, eine Beſtimmtheit ober Eigenfchaft feines Weſens, und zugleih war in berfelben fein ganzes Weſen, fie war Gott, nicht verſchieden von ihm, etwa blos ein Ausflug von ihm. Und dieſer fich ſelbſt offenbarende Bott in feiner gan⸗ zen Einheit und Fülle offenbarte ſich zulegt in Eprifto (S. 328). „Das. neue felige, freubige Leben, die Perftellung des wahren Lex bens der Menſchheit hat feinen Anfangs: und Mittelpuntt in ver gefchichtlichen Perſon, in welcher es feine Bollendung, fein Ur: und Borbilv hat. — Im chriſtlichen Glauben iſt ein allgemein gülti- ger idealer und ein realer Beftartbtpeit. Jener beſteht aus den all⸗ gemeinen ewigen Wahrheiten, dieſer if das dem Chriſtenthum Eigenthümliche, allein zum Heil Hinreihende. Daß ein Wenſch gelebt Hat, durch welchen alle jene Wahrheiten nicht bios gelehrt, fondern Iebenbig geoffenbart, ja vollzogen und verwirklicht find, daß in ihm die Einheit der Gottheit und Menſchheit wirkliche Thatſache geweſen, daß er die Berföhnung vollbracht und das Neid Gottes geftiftet Hat, das gibt dem Glauben die Bollendung. Dieß realiftifche Moment der Verwirklichung if es, wodurch fih das Chriſtenthum gegen alle andern Religionen, fo wie gegen jebe iveas liſtiſche oder rationaliftifche Lehre, die fi über daffelbe ftellen will, fiegreich geltend mat.“ ©. 33. - °), Bel. Hafe Gnofis III. 8. 159-177. Leben Jeſu fi 11—18, Evangel. Dogmatif Ausg. 1. 8. 141 — 169. A. 2. 1838. 8. 161. 170. ©. 241-287. A. 8. $. 148-157. 169. ©. 191— 227. 274 f. Das dog- matifche NRefultat in Beziehung auf Chriſtologie, wie aud deſſen Begründung ift im Ganzen fi gleich geblieben; vgl. befonders Ausg. 3. $. 167. N) Revue de Theologie et de Philosophie ohr6tienne. Strassbourg. . Safe. Colani. " 1005 Selbſtbewußtſein ſich ergibt, die aus dem Endlichen zu erfchafs fende Unendlichkeit ($. 47). Der DMenfchengeift hat in ſich das Geſetz einer unendlichen Entwicklung feiner felbft, ift demnach frei, d. i. durch fich felbft in beſtimmter Art feiend; eben daher theifnehmend am Unenblihen, weil ohne abfolute Schranke. Ans bererfeits ift die Freiheit befchränft; geht aus von Nichtfein, Bes wußtloflgfeit, entwidelt fih unter nicht ſelbſt gegebenen Gefegen. Diefe Urkraft der Freiheit, im Fühlen, Wollen, Erkennen bes Unenblihen, des Schönen, Guten, Wahren fi offenbarend, ift nichts Anderes als das Streben des Geiftes, unendlich er felbft zu fein. Nun ift es freilich an’ fich unmoglich, daß aus bem Werben je das solllommene Sein, aus bem Enblichen das Uns endliche werbe, das Eine ift Die vollfommene Verneinung bes An: dern. Diefer Widerfpruch im Geifte ſelbſt müßte ihn zu Grunde richten, wenn nicht .eine Kraft in ihm wäre, bie fich Fremdes aneignete, ohne es doch fo in ſich aufzunehmen, daß ihr baffelbe wie ein Eigenes würde. Durch eine foldhe Kraft würde ber Menſch bie ihm unerreichhare und in einem andern Objekte rea⸗ liſirte Unendlichkeit ſich zu eigen machen und jene fremde. Macht, Die ben Grund feiner Freiheit enthält, als eigene Macht anfehen; jene Kraft müßte aber doch eine freie fein, weil bie Freiheit nur durch fich felbft erhalten werden kann. Eine foldhe Kraft, Frem⸗ des anzueignen, ohne es in fich aufzunehmen noch bie eigene Selbſtſtändigkeit daran zu verlieren, ift im Menſchen feing Liebe zum Unendlichen, burch welche er an feiner Bollfommenheit Theil nimmt. Diefe Liebe des Menfchen zum Unendlichen geht hervor aus dem Streben nach bemfelben, iſt nur durch Freiheit möglich, ift nur des Menfchen natürliche Entwicklung. Wer die» Liebe zum Lnenblichen (Gott), die Religion verneint, der verfällt dem Widerſpruch mit fich ſelbſt. Man muß Gott fein oder Gott lieben. Wir lieben in dem Unendlichen die unerreihbare Bollendbung unferer ſelbſt. Nur fofern der Menſch göttlich wird in forigefeßtem Streben, liebt er Gott und hat Religion. Weit aber aus dem Enblichen niemals das Unendliche werben fann, fo ift ber Menfch real ewig geſchieden von Gott, ideal vereint ihn feine Liebe mit Gott in einer Einheit, die nur durch 1006 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt DIL Kap. 8. bie Verſchiedenheit der. Subfefte möglich iſt. Diefe Einigung iſt ein Fortfchreiten vom Endlichen zum Unenblichen in nie enden⸗ der Annäherung. Das Gefühl des freien fortichreitenden Lebens ift die Gflüdfeligfeit, die wahre Seligfeit aber iſt Gottfeligkeit in ber Liebe zu Gott. Denn das einzig wahrhaft. unendliche Leben des Menfchen ift feine Liebe "zum Unendlichen ($. 48—55). In ber Liebe zu Gott ift der Glaube an Gott gegründet; aus ihr daher muß die Idee Gottes vollſtändig entwidelt werben fönnen. Die Gottesliebe tft aber bie Einheit von Freiheit und Abhängigkeit, nicht dieſe blog noch jene, benn das Eine führte zur Selbfivergötterung, das Andere zur Vernichtung -in Gott. Sp ergibt fi) ein Gottesbegriff, wornadh wir von Gott abhän- gig find, indem er es ift, der unfere Freiheit fichert, und ber andererfeitö für unfere relative Freiheit das Urbild, bie ihr uns erreichbare Vollendung ihrer ſelbſt if. Die Idee der Menſch⸗ heit, erhaben über alle Beſchränkung, ift bie Idee Gottes, wies fern fie ber Menſchheit offenbart werden konnte ($. 105 f.). Hafe’8 gewandter Geift hat, verglichen mit Jacobi ober de Wette, offenbar manche Bilbungselemente der neueren Theologie in fih aufgenommen, bie ed in Frage ftellen können, ob er nicht - bereits ber britten Periobe zuzuzählen fei, der er. ohne Zwei⸗ fel auf dem Gebiete angehört, auf welchem er feine Stärke bat, auf dem ber Kirchengefchichte. Allein fieht man von bem beftechenden Zauber fchöner, fehlagenber Einzelfäge ab, fo ift wohl nicht in Abrede zu ftellen, daß ber Kern feiner Gebanfen unb bie alles beflimmenden Grunbfäben troß bes Einfchlages ande ver Art noch unferer Epoche angehören, fofern deren dharafterifti- ſches Wefen in der einfeitigen Subjeftivität befteht, durch welche bie Immanenz Gottes in der Welt in eine bloße Tranſcendenz verwandelt, wodurch ber Dualismus zwiſchen Gott, von bem wir „real ewig geſchieden“ bleiben follen, und zwiſchen ung zur unübers fteiglichen Scheidewand wird trog ber „unendlichen Annäherung“, auf die wir vertröftet werben, und troß ber Liebe zu Gott, bie und „ideal“ mit Gott vereinen fol. Diefer Dualismus bringt einen nie auszugleichenden Zwiefpalt in unfere eigene Beſtim⸗ mung, benn einerfeits foll die Vollendung unferer ſelbſt in Gott Haſe. 1007 gegeben ſein, alſo das Gottſein als unſer Ideal gelten, andererſeits find wir doch neben Gott nur durch relative Freiheit, ober da⸗ durch, dag wir nicht Gott find. Iſt es ein Ernft mit unferer Bes flimmung für die Vollendung, fo kann die Seligfeit noch nicht fein in dem ſtets unendlichen Abflande von ihr, fondern wir ſelbſt ſind, in den Dualismus zwiſchen Sollen ılıd Sein als einen ewigen gebannt, im Zwiefpalt und in ber Unfeligfeit. Iſt es aber mit der Vollendung unferer felbft als unferem Lebens⸗ geſetz Fein Ernſt, ja haben wir eine von der Sünde völlig befreite Zufunft nicht zu erwarten, wie anberwärts angebeutet fcheint ($. 70), ſo fieht man nicht, wie Das mit dem wenigfteng fubjeftiv- ethiſchen Geifte ſich reimt, ber in Vergleih mit dem Pantheismus und mit Syſtemen ber bloßen Nothwendigkeit fonft Hafe eigen ift. Sagt man, die Kluft. zwiſchen Ideal und Wirklichkeit werde auss gefüllt durch die Liebe zu Gott, fo Fann das nicht helfen, wenn gerade unfere Liebe fo unvollfommen ift, wie Hafe felbft geſteht. Denn die. Liebe ift ja das, was fein follte: fie bezeichnet alfo fo, wie fie in ung ift, die Kluft aber nicht deren Ausfüllung. Sa, wenn geredet würde von einer Liebe Gottes zu ung, einer fich bethätigenden — denn nur biefe ift Liebe!. Aber dieſe Liebe Gottes zu und bleibt ihm, wenn man von der Selbftmittheilung in der Schöpfung abfieht, rein in Gott beſchloſſen, ähnlich wie die justificatio forensis oft als ein Liebesurtheil gedacht warb, bas Bott efvig oder zeitlich nur in ſich ſelbſt hineinfpricht. Die Ur- ſache hievon ift bei Hafe fpürbar nicht etwa ein beiftifcher Hang, fondern nur eine eiferfüchtige Behütung feines Freiheits⸗ begriffes, ber nicht vermag auch im Empfangen und fi Bes flimmenlaffenwollen einen Aft der Freiheit zu fehen, noch umge: fehrt die höhere Freiheitsſtufe an ihr felbft als bie Kraft vollerer Hingebung zum Beſtimmtwerden und Empfangen von Gott zu begreifen weiß; der endlich nicht wirklich den fehlen Glauben zeigt, daß Gott feine Liebe bethätigend „die Freiheit fichert“, bie ohne ihn welfte ober untergienge. Hafe will allerdings nicht eine abfolute Fremdheit und Wefensverfchiebenheit zwifchen Gott und dem Menfchen; im Gegentheil nur einen quantitativen Uns terfchied (&. 157). Aber gerade bie Unmittelbarfeit ber Einheit \ ‚1008 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt I. Ray. 8. des Göttlichen und Menfchlihen läßt es nicht zu einer wahren Einheit Tommen. „Die menfchliche Natur ift ihm berfelben Art mit der göttlichen, nur dadurch quantitatio gefchieben, daß ber Menſch nach dem Unendlichen firebt, Gott das Unendliche if.“ Alfein geradg weil ihm der Menſch nur Gott in ber Contraction, Gott der Ir A in abfoluter Erpanfion ift, fchließen fich beide aus. Ganz anders würde füch dieſes Alles geftalten, wenn Haſe des Menfchen Unendlichkeit, ftatt in ber Unmittelbarfeit des Ha⸗ bens und der probuftiven Kraft, die er Freiheit nennt, zunächſt in der Unenblichfeit der Empfänglichleit fähe. Denn da ergäbe fih, daß des Menſchen Begriff ohne Gott und feine Einwohnung gar nicht realifirt iſt; da ergäbe fich ftatt jener loſen und ſchwan⸗ fenden Fäden zwifchen und und Gott, die einfeitig unfer Streben und unfere Liebe an Gott anfnüpfen fol, um ihn mit ung zu verbinden, ein dem Begriffe Gottes ald der Allmacht und Liebe entfprechenderes Band als dasjenige ift, welches Hafe findet, und welches darin beitehen foll, in Liebe fi „Fremdes anzueignen, ohne es doch in fich aufzunehmen.“ Das Leptere erinnert un willkürlich an die Communicatio idiomatum, wie fie in der ſpä⸗ tern Tutherifhen Dogmatik ald Aneignung ohne usdekus vors geftellt ift. Wie bei ben Prämiffen biefes Freiheitsbegriffs bie Chris ftolögie ausfallen muß, iſt Teicht zu diviniren. . Ehrifti göttliche Natur ift feine ungetrübte Frömmigkeit. Die pofitive Bedingung der Vollkommenheit Jeſu von Gottes Seite war, daß Jeſus mit dem unverlegten Keime zur vollfommenen Dtenfchheit geboren ward; bie negative Bedingung von Jeſu Seite mar feine auch im Kampfe bewährte Sünblofigfeit. Die Kirche hat immer mehr den guten Willen und bie Meinung gehabt, an die Gottheit Ehrifti zu glauben als die Sache felbfl; denn durch das „Ges zeugtfein“ ift dem Sohne die Abfolutheit abgefprochen, alſo bie Gottheit. Da Menfchheit und Gottheit nur quantitativ Yon eins ander verfchieben find, fo enthielte es einen unbebingten Wider⸗ fprud), wenn bie Gottheit das Befchränkte in ſich aufnähme, oder bie menfchliche Natur, bie perfönlich fein muß, um wahre Menfchheit zu fein, das Abſolute. Jede von beiden Naturen, Haſe. 1009 in allem gleich mit der andern iſt nur verſchieden durch die Negation deſſen, was ſie bei der Vereinigung in ſi ch auf⸗ nehmen ſoll, mit deſſen Aufnahme ſie alſo nothwendig zur an⸗ dern Natur würde, nicht mit ihr vereinigt. In Chriſto iſt nicht durch ein wunderbares Eingehen der göttlichen Natur in die menſchliche, ſondern durch die vollendete Ausbildung der menſch⸗ lichen Natur ihr göttlicher Inhalt offenbar geworden. Die Kir⸗ chenlehre hat durch das mißverſtandene Symbol eines menſch⸗ gewordenen Gottes den Glauben an die göttliche Natur und Be⸗ ſtimmung der Menſchheit wie an ihre Vollendung in Chriſto treu überbracht. Es iſt aber Zeit, als Gemeingut ber Menſch⸗ heit anzuerkennen, daß nach Chriſti Vorbild jeder Menſchen⸗ ſohn, ſo weit an ihm iſt, zum Gottesſohn erwachſen ſoll. In Jeſu Leben iſt die verklärte Menſchheit geſchichtlich vor Augen geſtellt; das reine und ewige Ich findet gerade in der Hingabe (aber nicht Anbetung) an Chriſtum als den Inbegriff aller höhern Tendenzen des Menſchenlebens ſeine höchſte Entwicklung. Durch Lehre und Leben iſt Jeſus der Gründer einer von ſeinem Geiſte beſeelten Gemeinſchaft geworden, mit der Abſicht, die Menſchheit zur höchſten religiöſen Entwicklung zu vereinigen, und in dieſer Stiftung ligt dem Chriſten die Bürgſchaft für Chriſti Würde im Gebiet der Frömmigkeit. Er war Anfang bes neuen Lebens und befaß, was er gründen wollte für Andere ($. 158. 164). Sein Tod ift Borbilb der Selpfiopferung ber Liebe, worin das Heil ift. Aber Gott bedarf feines Opfers, noch einer Berföhnung durch das Opfer eines Gerechten. Fremde Schuld und fremdes Verdienſt find unübertragbar. Kein Verbienft eines Menſchen, fondern die Gnade Gottes allein verföhnt und befeligt die Sünder. Auch was übernatürtiche Gnabenwirfungen betrifft, fo hat nach Hafe nur das burch Freiheit Erworbene für ein freies Wefen Werth; alles Andere achtet berfelbe nur in Gott, nicht im Gefchöpf. „Der Wirkfamfeit Jeſu danft die ganze Chriftenheit Religion und Seligfeit, aber ob biefe nicht auch auſſer Chriſto gefunden werben könne, ligt im Streit der Wif- fenfaf | Es if ohne Zweifel im firengen Sinne gemeint, 1010 Zweite Yertove. Dritte Epoche. Abſchnitt TIL Kap. 8. Hafe Zefu die religiöfe Vollkommenheit, d. b. die vollfommene Liebe zufchreibt. Aber dazu wollen feine andern Säge nit ftimmen. Iſt in Jeſu bie vollfommene Liebe wirklich geworden, ift die Menſchheit in ihm verflärt, ihre Idee verwirklicht, fo iſt er nach Hafe’s Prämiffen Gott, da ihm Gott bie See ber Menfchheit if. Umgefehrt, wie kann er Gott unb ben Mens ſchen einerfeits nur fo wie Unendliches und Endliches fich unter: ſcheiden laſſen und doch eine reale ewige Scheidung beider annehmen, anbererfeitö aber auch dem Menſchen göttliche Natur zufchreiben, ja ihn ein endlichsunendliches Wefen nennen ? Stehen fih Gott und Menſch fo, wie Hafe fagt,. gegens über, gefchieben durch die ewig unausfüllbare Kluft des Endlichen und Unenblichen, fo if die Zufammenfegung „werdender Gott“ „vollkommene Menfchheit“ ein Fatachreflifcher Ausdruck, ein Si⸗ berorplon; fo ift ed aber auch mit der Beſtimmung bes Men⸗ fchen zur Vollkommenheit Fein Ernft; denn fein Wefen Tegt dam ewig Einfpruch ein gegen die Vollkommenheit, wie anbererfeits biefe von demfelben Wefen foll gefordert fein. Und dafür bie tet, was Hafe von ber göttlichen Art ober Natur des Menfchen fagt, feinen Erfag; denn dieſe natürliche Güte verträgt fich auch mit ber Selbſtſucht ($. 77). Eben baber it Colani's Anficht als eine Verbeſſerung ber Hafe’fhen zu achten. Er läßt ab von ber Spröbheit des Haſe'ſchen Freiheitsbegriffes Gott gegen- über — bie doch mit der Schöpfung durch ſelbſtmittheilende Liebe übel beſteht; er will auch bie göttliche und menſchliche Natur nicht blos wie Endliches und. Unendbliches anfehen, fondern zum Begriff der Menfchheit gehört ihm bie ethiſche Unendlichkeit oder Bollfommenheit, wie zum Begriffe Gotted. Sp ift ihm Chriſtus in ethiſcher Hinſicht wirkliches Ebenbild Gottes; er iſt ihm nicht Gottmenſch, aber Menfchgott,- weil Gottes ethifche Eigenfchaften in ihm Wirklichfeit find. Aber, fährt er fort, hievon fei Gottes metaphyfifches Wefen wohl zu unterfcheiden, und die Beſtimmungen von biefem können Chriſtus nicht zufommen: in dieſer Hinficht fei und bleibe Ehriftus blos endlich. Aehnlich Hatte auch die alte Comm. idd., und nicht blos die reformirte, zwifchen mittheils baren und unmittheilbaren göttlichen Eigenfchaften unterfcheiven Safe. Colani. | 1011 wollen, und die Unendlichkeit, fo wie bie Unermeßlichkeit nicht bireft auf bie Menfchheit übertragen, dagegen (die ethifchen Eigen: haften unbeachtet laſſend) auf Allwiſſenheit, Allmacht, Allgegens wart als Objekte der Deittheilung fich gerichtet. | Colani läugnet wie Hafe Chrifti Präexiſtenz und bie Zweiheit der Naturen. Chriftus if ihm Menſch, der aber bie ethiſchen göttlichen Cigenfchaften ſich auf Grund einer reinen Natur angeeignet bat, und ihm daher Homme-Dieu heißt. Die nächſte Trage muß nun aber die fein: iſt das Ethiſche nur eine Eigenſchaft, ober iſt es auch ontologifch zu faflen? Im erflern Tall hätten wir eine Mittheilung son ‚göttlichen Eigenſchaften ohne Mittheilung des göttlichen Wefens, alfo dieſelbe Meinung von einer Trennbarfeit von Weſen und Eigenfchaften in Gott, zu weicher wider Willen bie alte Orthodoxie neigt. Umgekehrt bagegen, wenn in ber Liebe: göttliches Weſen ift, fo ift in ihr auch ein fubftanzielles metaphyſiſches Sein eingefchloffen und ber Antheil des Menfchen am göttlich Ethiſchen ohne das Metaphy⸗ ſiſche nicht möglich. - Colani's Trennung des Ethiſchen und Meta: Phyſiſchen in Gott trüge ſonach, um nur nicht in Chriſtus eine Menſchwerdung Gottes zuzugeben, in Gott ſelbſt den Dualismus eines ethiſchen und metaphyſiſchen Weſens hinein, die indifferent auſſer einander ſtuͤnden. Die Hervorkehrung der ethiſchen Seite an der Chriſtologie, welche ſeit Kant immer vollſtändiger eingreift, iſt ohne Zwei⸗ fel ein dankenswerther Fortſchritt. Aber das Ethiſche iſt ſelbſt noch nicht in ſeiner ganzen Abſolutheit gedacht, wenn es nicht auch als die wahre Realität und als bie Macht über alle Rea⸗ litcüt erfannt iſt. Der verwirflichten göttlichen Liebe wird daher auch bie göttliche Weisheit und Macht nicht fehlen können. Um den Grundirrthum bes Standpunkte ber einfeitigen Subjeftioität zu überwinden, muß es darauf anfommen, auf dag Verhältniß des Wefens Gottes und des Menfchen einzugehen, nicht aber: blos bei ben Gigenfchaften fliehen zu bleiben. Käme es nur auf fie an, dann freilich brauchte es nur Die Eigenfchaften ber Sittlichfeit, Erfenntniß, Liebe in's Unenbliche ausgedehnt zu benten, jo wäre das Menſchliche und Bas Göttliche Eind geworde Dorner, Chriſtologie. IL. 2te Aufl. 65 " % 1012 Zweite Yeriode. Dritte Epoche. Wöfnitt TIL Kap. 3. Allein da käme veine Bereinerleiung heraus, bas vollenbeie Menſqhtiche hörte auf menfeplich zu fein, es Blicke am Echlaffe nur Göttliches übrig. Aber gegen biefen fubjeltiven ober an> thropologifchen Monophyſitismus reagirt ber wahre Begriff Gots tes und des Meufchen; er macht ſich zunächſt wenigfiend negativ gegen die äußerlichen Weifen der Berfühnung geltend, die nur in der Bernichtung ber einen Seite bed Gegenſatzes beflchen, und ruht nicht, bis von dem Weſen Gottes und des Menſchen bie Erkenntuiß gewonnen ift, baß fie füh weber monopbpfitifch noch neſtorianiſch ausſchließen, vielmehr auf einander weißen und zielen, und bis durch Erfenninig ihres durch ihre Unterſchiedlichleit zu⸗ faınmengehörigen Weſens eine tiefere Berföpuung im Wefen des Göttlichen und Menſchlichen gefunden iſt. - Allen Stabien der einfeitigen Subjeftivität if eine unüber ſteigliche Muft zwiſchen dem Begriff bes Menſchlichen und bee Gottlichen befeſtigt. Diefe find mun durchlaufen. Sie haben alle Seine Chriſtologie zu Wege gebracht, fofern darin weſentlich bie Aufgabe ligt, die Einheit bes. Böttlichen und Menfchlichen zu begreifen. Denn alle haben nur die menſchliche Seite Chriſti erfaffen können; bie göttliche aber mußten fie ausfchließen, und biſden fo den vollfommenfien Gegenſatz gegen die antike Richs tung, das Göttliche allein hervorzuheben. Drei Stationen der Philoſophie Haben, wie wir fahen, die Grundlage gebilbet für bie Geſchichte der Chriſtologie feit der vorherrſchenden Richtung auf das Menſchliche in Chriſtus; die wolf'ſche, bie kant'ſche und bie jacobiſche. Die einfeitige Subjektivität, nach ihren verfchies denen Kormen auf die Theologie übertragen, bildet im Allgemeinen bie Stufe des fubjektiven Nationalismus. Auf jeder dieſer Sta: tionen verfuchte Theologie und Philofophie eine Einigung, fie ſchlug aber allemal dahin aus, daß die Objektivität nicht zu ihrem Rechte Fam, coufequent nur die Subjeftivität blieb. - Die erfie Stufe, bie wolf’fche mit ihren: Ausläufern, bem Eubämonismus und ber Popularphilofophie ift vorerſt mit Niederreiſſen der alten Objektivität. befchäftigt, und kommt bamit jo glüdlih aufs Reine, dag der unendliche Reichthum des Chriſtenthums zum leeren Deismus, der Vater Jeſu Chriſti zum Die drei Stadien der einfeitigen Gubfeltivität. 1013 &tre supreme wird. Die Chriſtologie finft noch unter ben Ebjo⸗ nismus: der Gottesſohn ift ein weiſer Landrabbiner, ‘ein Predi⸗ ger ded Naturalismus. Die zweite Stufe, bie Fant’fche, zerſtört zwar biefes ideenloſe Unwefen und Chriſtus foll gelten für das Ideal der gottwohlgefälligen Menfchheit. Allein: über des hiftoriichen Gott⸗ menfchen Weien, Über das Verhältniß bes Göttlichen in ihm zum Denfchlichen weiß fie nichts auszufagen. Ihrer theoretifchen Atonie war das Dogma vom Gottmenfhen tranfeendent, ihrer praftifchen Autarkie Überfläffig und zuwider. Die dritte Stufe nun, die äſthetiſche, verfpricht biefen Mangel des Tant’fchen Syſtems, welches auf pas Verhältniß zwoifchen dem Göttlichen und Menfchlichen, das doch für die Chris ſtologie die Hauptfache fein muß, fich nicht einläßt, zu beben, und Göttliches und Menſchliches in weſentlichere Verbindung zu bringen. Es wird nicht die Moral, ſondern die Religion ale Das Höchſte, allein Gewiffe bargeftellt, von dem alle andere Ges wißheit ausgeht, und in ber Religion eine Verbindung des gött⸗ fichen @eifted mit dem menfchlichen angenommen. Allein biefe Berbindung mit Gott iſt eine natürliche, unmittelbare: im ber Freiheit, dem angeborenen Adel menfchlicher Ratur Ligt von ſelbſt ſchon bie volle Möglichkeit, jene Verbindung durch fich zu vers wirklichen. Diefe religiöfe Autarkie macht daher nicht minder, als die moralifche, einen Erlöſer entbehrfih. Aufferdem ift bier nicht einmal eine vollfommen fünblofe, religiöfe Perſönlichkeit möglich. Iſt Gott nur „das Beſſere, als Ich,“ fo muß, follen nicht die Begriffe „Menih“ und „Gott“ coincidiren, bas Ich bie Unvolllommenheit weſentlich an fich haben, Ghriftus, wäre er jene Perfönfichfeit, Könnte nicht mehr Menſch fein, ſondern nur Bolt; da er aber Menſch jedenfalls war, fo ift es Idololatrie, on ihm als an ben Sopn Gottes zu glauben, vor ihm bie Kniee zu beugen. & wenig uun aber alle biefe Formen bes Rationalismus, Die des negativ verffändigen, bed praftifhen und "des äſthetiſchen bie Aufgabe Iöfen, fo wenig barf daraus bie Uns möglichfett ber Löfung, die Unwahrheit der Einheit des Gött⸗ 65 * 1012 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt DL Kap. 8. Allein da käme reine Bereinerleiung heraus, das volleubeie Menfchliche hörte auf menfchlidh zu fein, es bliebe am Schluffe nur Böttlihes übrig. Aber gegen dieſen ſubjektiven ober an⸗ thropologifhen Monophyſitismus reagirt der wahre Begriff Got⸗ te8 und des Menfchen; er macht fich zunächft wenigflend negativ gegen die äußerlichen Weifen ber Verſöhnung geltend, bie nur in der Vernichtung ber eimen Seite des Gegenſatzes beftehen, und ruht nicht, is von dem -Wefen Gottes uud bes Menſchen bie Erlenntniß gewonnen ift, daß fie fih weder monopppfttiich noch neftorianifch ausfchließen, vielmehr auf einander weiſen und zielen, und bis durch Erfennimiß ihres durch ihre Unterſchiedlichleit zus ſammengehörigen Wefens eine tiefere Berföhnung im Wefen des Göltlichen und Menfchlichen gefunden ifl. Allen Stadien ber einfeitigen Subjektivität it eine unüber⸗ fleigliche Kluft zwifchen dem Begriff des Menſchlichen und des Gottlichen befeſtigt. Diefe find nun durchlaufen. Sie haben alle feine Chriſtologie zu Wege gebracht, fofern darin weſentlich die Aufgabe ligt, die Einheit bes. Götilichen und Menſchlichen zu begreifen. Denn alle haben nur die menfchlide Seite Chriſti erfaffen Können; bie göttliche aber mußten fie ausfchließen, und bilden fo den vollkommenſten Gegenſatz gegen die antike Rich⸗ tung, das Göttliche allein hervorzuheben. Drei Stationen der Philoſophie haben, wie wir fahen, bie Grundlage gebildet für bie Geſchichte der Chriſtologie feit der vorherrſchenden Richtung auf dad Menſchliche in Epriftus; bie wolf'ſche, die kant'ſche und bie jacobi'ſche. Die einfeitige Subjeftisität, nach ihren verfchies denen Formen auf bie Theologie Übertragen, bildet im Allgemeinen bie Stufe des fubjetiven Rationaliemus. Auf jeber dieſer Sta⸗ tionen verfuchte Theologie und Philofophie eine Einigung, fie fhlug aber allemal dahin aus, daß bie. Objektivität nicht zu ihrem Rechte fam, coufequent nur bie Subjeftivität biieb. Die erfte Stufe, bie wolf’fhe mit ihren Ausläufern, dem Eubämonismus und ber Popularphiloſophie ift vorerft mit Nieberreiffen der alten Objektivität. befehäftigt, und fommt damit fo glücklich aufs Reine, dag der unendliche Reichthum des Chriſtenthums zum leeren Deismus, der Vater Jeſu Chrifti zum Kritifcher Rückblick auf die Zeit der Subteltivität. 4015 es die Einficht vor, wie bie menfchliche Natur, der göttlichen nicht fremde, in Chriſtus mit biefer Eins werben könne. Und da hat nun die zweite Form bes Rationalismus, die kantiſche, das Berbienft, in dem Ethiſchen ſowohl etwas dem menſch⸗ fichen Geifte Wefentliches, als eine Idee von abfolutem Werth erkannt zu haben, womit, nach Kant felbft, ſchon eine gewiſſe Einheit des menfchlichen Geiftes mit bem göttlichen gegeben ifl. Und endlich bie dritte, äfthetifche Korm bes Nationalismus bat das Berbienft, noch tiefer in das Wefen göttlicher und menſch⸗ licher Natur „geftiegen zu fein, bis zu dem Punkt, wo fie bad göttliche und das menfchliche Leben in unmittelbarer Verbindung erfannte. Aufferdem bat das Fichte'ſche Syſtem auch poſitiv Achnliches in Beziehung .auf das Erfennen geleiftet; denn bier wird auch dem Denken, der Vernunft des Menſchen ein abfolu- . ter Werth, der innere Beruf aus abfoluten Gewißheit und Wahr⸗ heit vindicirt. So waren von drei Seiten, ‘dem Denken, Wollen und Ge: fühl, Anfnüpfumgspunfte- gegeben zur Erkenntniß der Einheit. des Göttlichen und Menſchlichen in Ehriftus. Freilich, wie fchon be: “merkt, gelöst war das Problem noch keineswegs; bie gefundene Einigung ließ jedenfall der Perfon Chrifti nichts ewig Aus⸗ zeichnendes; ‚noch wichtiger aber ift bier, daß fie fih auf bie Einigung der Bermögen beſchränkte, bee Erfennens, Wolleng, Fühlens, während die denfelben allen zu Grunde liegende Ein⸗ heit und Kraft noch dualiſtiſch, In abſtraktem Gegenſatz des Gött⸗ lichen und Menſchlichen gefaßt war. Weſenseinheit der Perſon Chriſti (EImors puoixij) mit Gott war noch nicht denkbar auf dieſem Wege, ſondern nur Einheit der Vermögen. Merkwürdig muß uns ſein, daß hiemit die Subjektivität an dem anthropologiſchen Correlat zu der letzten Form der einſeitig obfeftiven Chriſtologie angelangt war, ber lutheriſchen communi- catio.idiomatum, bei ber, wie wir fahen, bie Entwicklung ber objeftiven Seite der Chriſtologie ſtehen blieb und ftehen bleiben mußte, bis fie von ihrer Einfeitigfeit erlöst war. Wie bie alt- lutheriſche Dogmatik die Einheit der zwei Naturen in Chriftus von Seiten ber Gottheit bis auf den Punkt ber Einheit in ben 1014 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abfepnitt UL Kap. 3. lichen und Menfchlichen in Chriſtus gefolgert werben. Bielmehr haben fih uns fa alle diefe Theorieen als fich ſelbſt widerſpre⸗ hend dargethan. Wir fahen, wie auf dem Boden bes abſtrakten Gegenſatzes zwifchen Endlihem und Unenblihem, auf dem fie alle ſtehen, Anderes fich nicht ergeben Tonnte, als was fie fans den: ein Gegenfag, der ſchon dag allgemeine religiöſe Gefühl und die Vernunft felbft nicht befriedigt, geſchweige denn, baß bie chriſtliche Religion, welche die Einheit beider in Epriftus fest, darnach gerichtet werden Fünnte. Ä Aber auch poſitiv läßt fi zeigen, daß das Problem durch biefe Syſteme nicht als ein unlösbares dargethan if. Jedes berfelben nemlich mußte auf feine Weiſe, in regelreihtem Fort⸗ fehritt, vielmehr Dazu dienen, die Loͤſung vorzubereiten; und das iR nur bie Kehrſeite zu ber obigen Betrachtung, nach weicher alle diefe Spfteme feine Chriſtologie haben erreichen können. Sollte die Perfon Chriſti dem menfclichen Denken näber gebracht werden, fo mußte, wie wir oben fahen, auch bie menſch⸗ liche Seite zu ihrem Rechte fommen: es mußte zur Ergänzung der einfeitig objektiven Betrachtungsweiſe von oben nach unten, bie anbere son unten nach oben eintreten, damit bie chriftliche Wahrheit in einer Einheit beiber Ihren Ausbrud fände, bie höher - wäre ale biefenige, welche zuerft gefchloffen ward. Damit nun biefe. Seite der Sache ſich frei geftalten könnte, mußte zuerſt das Uebergewicht der einfeitigen Objektivität lber- wunden werben. Das Chriſtenthum Tieß es darauf anfommen, auf alle äuffere Auftorität zu verzichten, der Subjeftioität ihren Lauf zu laffen, deſſen gewiß, daß es fich auch in -Diefer Feuer⸗ probe nur als bie ewige, unentfliehbare innere Macht des auf Chriſtus gefchaffenen Geiftes erweiſen werde. Das Werf. der Ueberwindung einfeitiger, zu feiner tüchtigen Ehriftologie führender Objektivität bat nun die erſte Weife bes Nationalismus doch offenbar hinreichend vollbracht, und das ik bie verbienftliche Seite biefer Richtung. Der Boden war nun sein gemacht, ber Geifl, entlaftet von Feſſeln äuflerer Auftorität, hatte nun fich ſelbſt. Und in ſich felbft ſich vertiefend,. das Mefen unb die Würde menfchlicher Natur Überhaupt erforfchend, bereitet Dritte Periode, Die Zeit der Verſuche, das Göttliche und das Menſchliche in Chriſtus in gleicher Berechtigung und in weſentlicher Einheit zu betrachten. | | Einleitung. — — —— Die beiden beupteinſelitheien— welche, wenn auch manch⸗ faltiger Form, ſeit dem chalced. Concil die Chriſtologie charakte⸗ riſirten, hatten am Ende des 18ten Jahrhunderts ſich klar aus⸗ gebildet und folgerichtig dargelegt. Es lag nun für alle Zeiten offen vor, wie verderblich für das Dogma das Uebergewicht der göttlichen Seite ſei, das von 451 bie um 1700 mit alleiniger Ausnahme der Reformationszeit flatt gefunden; nicht minder aber - auch, vote bie alleinherrſchende Subjeftivität, indem fie umgekehrt dem Göttlicden in Chriſtus eine nur acciventelfe Stellung neben des perſönlichen Menfchheit Chriſti ließ, die Chriftologie übers baupt verlor. Das alfo ift Die große Lehre ber zweiten Periode: entweder fchließt das chriftologifche Problem eine Unmöglichkeit in fi, oder müſſen die beiden Faltoren Gottheit und Menfchheit von Anfang an fo gedacht werben können, daß fie in Ehrifti Pers fon im Gleichgewicht und in gleicher Berechtigung ftehen, fich ge: genfeitig in ihrer Integrität, und Ganzheit fuchen, ſtatt fi) aus: zufchließen ober zu verkürzen. . Der Glaube der. Kixche, ber an Chriſtus die Wahr heit und bas Leben, ‚ja den einigenden Mittelpunkt befigt für die höchſten Gegenfüge und Räthſel, weiß, daß bad letzte 1016 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchuitt IH. Kap. 3. Eigenſchaften gebracht hatte, fo war num ebenfo von Seiten ber menschlichen Natur bie Einheit bis zur Einheit der Vermögen gebiehen. Die anthropologifche Betrachtungeweife der Berfon Jeſu Hatte nun bie theologifhe eingeholt, Wie aber beide im Gewinne fih gleich gefommen waren, fo auch in ben Män⸗ geln: die Einheit duch bloße Eigenfchaften oder Vermögen zeigte fi) ung beiberfeitd durch Reaction des noch unverfühnten Weſens beider als eine falfche. Aber das war nun endlich auch ihre gemeinfame Aufgabe, jene Einheit ber Vermögen und Eigenfchaften bis zu einer Einigung im Wefen fortzuführen, und mit den Verſuchen hie zu wird ip das Beitere L beichäftigen haben. Dritte Periode. Die Zeit ber Verſuche, das Göttliche und das Menſchliche in Chriſtus in gleicher Berechtigung und ‚in weſentlicher Einheit zu betrachten. Einleitung. — —— — — Die beiden Kaupteinſeengleien welche, wenn auch manch⸗ ſaltiger Form, ſeit dem chalced. Concil die Chriſtologie charakte⸗ riſirten, hatten am Ende des 18ten Jahrhunderts ſich klar aus⸗ gebildet und folgerichtig dargelegt. Es lag nun für alle Zeiten offen vor, wie verderblich für das Dogma das Uebergewicht der göttlichen Seite fei, das von 451 bie um 1700 mit alleiniger Ausnahme ber Reformations zeit ſtatt gefunden; nicht minder aber auch, wie bie alleinherrſchende Subjektivität, indem fie umgelkehrt dem Göttlichen in Chriſtus eine nur accidentelle Stellung neben bes perſönlichen Menſchheit Chriſti ließ, die Chriſtologie übers haupt verlor. Das alſo iſt die große Lehre der zweiten Periode: entweder ſchließt das chriſtologiſche Problem eine Unmöglichleit in ſich, oder müſſen die beiden Faktoren Gottheit und Menſchheit von Anfang an ſo gedacht werden können, daß ſie in Chriſti Per⸗ ſon im Gleichgewicht und in gleicher Berechtigung ſtehen, ſich ge⸗ genfeitig in ihrer Integrität, und Ganzheit ſuchen, ſtatt ſich aus⸗ zuſchließen oder zu verkürzen. Der Glaube der Kirche, der an Chriſtus die Wahr⸗ heit und das Leben, ja ben einigenden Mittelpunkt beſitzt für bie höchſten Gegenfüge und Räthſel, weiß, daß das letzte 1018 Die dritte Periode. Einleitung. Wort der Wiffenfchaft das nicht fein Tann, das Chriftum nur in einen großen Widerfpruch verwandelt. Diefer Glaube aber der in Chriſtus fich erlöst willenden Gemeinde lief durch alle Erfchütterungen und fritifche Labprinthe der Lehrform des Dogma als der goldne nie abreiffende Faden fort. In ihm als einer fortgehenden lebendigen Tradition lag aber auch der tieffte Antrieb zu neuer wiffenfhaftlider Arbeit. Der Einzelne zwar mag firh feinen Glauben veiten durch Rüdzug vor dem Zweifel, in die Burg des Gemüthe; die Kirche darf nicht vor ihm fliehen, fie muß ihn auf wahre Weife überwinden, fo gewiß fie im Chriftenthbum ein Ganzes muß haben wollen. Sie bat nicht auf die wiflenfchaftliche Demonftration zu warten, bes vor fie glaubt, aber fie kann auch nicht Zwieſpältiges in ihrem Dafein mit ſich herumtragen wollen; fügte fie fich in biefes, fo verlöre fie das ehrliche gute Gewiffen bei ihrem Glauben, fo würde ihr aus bem Objekt des Glaubens eine felbfigemächte Einbildung. So tief gehende Zweifel, ‚wie fie das achtzehnte Sahrhundert am bemußteften in Deutfchland erzeugte, und wie bie ganze Gefchichte der Kirche fie nicht aufzuweiſen hat, Zweifel, bie das gefammte Denkſyſtem, das ganze bisherige Gebäude tref⸗ fen, wollen innerlich überwunden fein, wenn fie nicht Das Feld behaupten ‚follen; fie werben aber erſt rechtmäßig und fiegreich befeitigt fein, wenn alles Wahre, das ihnen Gewicht gibt, von bet bisherigen Lehrform aber verkannt ift, der anzuſtrebenden neuen Bildung einverleit il. So ift es benn ‚bie Wahrheit ſelbſt, bie durch Negation und Pofition als die weſentlich zuſammen⸗ gehörigen Momente ihrer ſelbſt beides vollzieht, bie Deſtruc⸗ tion des ungenügenben Alten und bie Pofttion bes Neuen in Reproduction und veicherer Selbftentfaltung der alten Wahrheit. Solche rechtmäßige Ueberwindung bes Zweifels iſt die ber pro⸗ teftantifchen .Wiffenfchaft würbigfte That; fie iſt aber auch das Schwerfte, nur lösbar, wenn die beiben Lebensfartoren ber pro⸗ teftantifchen Kirche, der Fritifhe und ber pofttive, in unbeflech- lichem, vor der Wahrheit fih willig beugendem Wahrheitsſinn geeinigt, zu fortichreitender Probuftioität zuſammenwirken. Daß im Gegenfat gegen bie deſtruirende Richtung ber neuern geffing. Semier. Herder. 1019 Zeit, der Jeſus aufhören muß, Gegenftand des Glaubens zu fein, weil ex ihr zum bloßen Menfhen ward, aber auch im Gegenſatz gegen bie alte Ehriftologie eine neue Form berfelben nöthig fei, das erfanmte fchon während ber Zeit. der Deftruction mancher tiefer Blickende, und ergriff wenigftens in ber Weife der Ahnung jene höhere Einheit des Göttlichen und Menſchlichen, welche über die im Supernaturalidmus wie im Rationaliemus herrſchende gegenfätzliche Faſſung beider und bamit über ben Alles erfüllen: ben Streit zwifchen Ehrifienibum und Philofophie hinauszuheben geeignet war. - Ausgezeichnete Männer freieren und tieferen Geiſtes, wie zum Theil Leſſing, Semler, Herber ); ferner Ter⸗ ) Wichtiger als keſſings Conſtruction der Trinität in feiner Ex ziehung des Menfchengefchlehts auf Grund der nothwendigen Selbſtobjektivirung des Geiſtes If feine Forderung, an die Wahr: heit um ihrer feibf willen zu glauben, zumal er die Wahrheit auch als fich fefbft begeugende Kraft, nicht blos intellectuell denkt und fie mit der Sonne vergleicht, die dur ihre Wärme Kunde von fih gebe. Semlers „private Religion“ ift gleichfalls eine Iebendige Spur der Erfenntniß, daß es im Chriſtenthum auf das testimonium Sp. S. anfomme. Auch Herder iſt von dem Ber: * Iangen nach einer Iebendigeren Gotteslehre bewegt, aber bleibt zu fehr im Gebiet der Fantaſie und bes Aefthetifihen fleben, um mehr als tiefere unbeſtimmte Ahnungen ausfprechen zu können. — Die Schrift von Schwarz Über Leffing iſt eine Tendenzſchrift und tritt ihm, indem, fie ihn als das Haupt ver Aufklärung hinftellen wid, die pofitiven Keime in ihm aber unterfchäßt, zu nahe. Das myſtiſche und fpelulative Element in Leffing wird faft als nicht: feiend behandelt. Richtiger iſt Leſſing aufgefaßt von H. Ritter, Bobs, Zimmermann, Schloffer IN, 2. 178 ff. Für alle oben ges nannten Männer ift aber auf das treffliche Werl von Gelzer die deutſche poet. Literatur u. f. w. 2te Ausg. zu verweifen. — Webers aus treffend hebt Gelzer hervor, mit Beziehung auf die minder erfreuliche- fpätere Zeit dieſer Männer (Leifings, Herders einer feits, Lavaters, Hamanns und Elaubius .andrerfeitd), daß fie, was religiöfe Dinge beirifft, zu ven intuitiven Naturen gehörten, » welche die (religiöfe) Wahrheit durch einen unmittelbaren erfien Seiftesblid gefunden haben und fie mehr als Gefühl venn ale Erfenntniß befaßen. Alles habe hier davon abhangen müſſen, fagt er bei Herder und ähnlich bei Hamann und Claudius, ob diefe Undefangenpeit des Gefühls, dieſe Sicherheit des inneren r 1020 Die dritte Periode. Einleitung. fteegen, Claudius, Hamann, Lavater, Stilling, Kleuler, Erufius und befonbere ber wirttembergifche Prälat Detinger konnten ſich weber in dem Syſtem ber alten Orthodoxie beimifch finden und feine innere Brüdhigfeit überfehen, noch auch ſich, feit bie Theo⸗ logie in eine rationaliſtiſche und eine fupernaturaliſtiſche aus⸗ einander gegangen war, auf bie-eine biefer beiben Seiten ſchla⸗ gen, hatten vielmehr das Gefühl, ja zum Theil die Einſicht, daß dieſe Gegenſätze weſentlich auf gleichem Boben eines beiftifchen Gottesbegriffs fichen, daher einander ebenſo halten und tragen, als gegenfeitig fich fchlagen, und fo fuchten: fie flatt eines Super: naturalismug, ber zu immer neuen Sonceffionen gedrängt warb, noch bevor bie einfeitige Subjektivität fich durchgeführt hatte ihre neue Stellung zu nehmen und bie Feitifchen Zweifel gegen das Dogma für eine Berfüngung beffelben zu verwenden. Hamann tiefer und reicher Geiſt war einerfeits fern von tobter, geiſtloſer Orthodoxie, daher er zu Jacobi fügte: Alles Hängen an Worten und buchfläblichen Lehren in. der Religion ift Lamadienſt; andererfeits aber ſah er auch nicht wie biefer in ber Verehrung Chriſti Idololatrie, fondern hielt das Hiſto⸗ riſche fireng feft, aber nicht wie der Supernaturalismud, fonbern Sinnes das ganze Leben hindurch unangefochten bleiben würde. Eigene Bildung. und Richtung des Strebens wie die Gegnerſchaft babe das unmöglich gemacht; es fei daran zu denken geweien, für das Ahnen und Innere Schauen eine Unterlage in Begriffen und Gedanken zu bauen, jene in diefe umzuſetzen. Diefe Umbil- dung, in der das Unendliche in ihnen endlich und auſchaulich zu werden fuchte, Habe, worüber fie oft ſchmerzlich Klage führen, ihnen momentan oder auf längere Zeit Einbuße an innerem Gehalte gebragt, zumal fie in ver. Zeit fo wenig Unterküßung fanden. Diefe eindringenne und wahre, aber eben daher auf humane und hriftlihe Beurtheilung jener Vorläufer ber neueren Zeit zeigt zugleich die innere Nothwendigkeit einer begriffliden Haren Durchbildung der neuen Ideen, mit weldder Jene nicht zu Stande kamen; die Wichtigkeit diefer Durchbildung für ein har- monifches geiftiges Dafein. Denn die bloße Rückkehr zu den ftarren Pofltionen ber Formeln des kirchlichen Dogma wäre eine Berarmung bes Geiſtes durch Verknöcherung, wie das immer rüds paltlofere Anpeimfallen an die bloße Negation. Terflegen. Claudius. Hamann und A. Detinger. 1021 hatte in feinem energifchen Geiſte Diefes auch als ein Gegenwärti⸗ ges und Göttliches. Die Schöpfung ift ihm ein Werf der göttlichen Demuth: narra Bein nad arduamra narte fein Lieblingsſpruch. Sprache, Bernunft, Offenbarung fuchte er in ihrem einfachen Grund: wefen und ihrem wefentlihen Zufammenhang zu erfennen. Ber: nunft it Sprache, Aayos, fagt er, an dieſem Markknochen nage ich. Bernunft und Schrift, wie Gefchichte, fucht. er ald Eins im Grunde und ald Sprache Gottes zu verftehen. Aber „die Phi⸗ loſophen wiſſen nit, was Vernunft, wie die Juden nicht, was Geſetz ift“. Beide weifen auf Chriftus, die gefchichtliche Dffenbarung der Wahrheit und Gnade, durch Erkenntniß ber Unwiſſenheit und Sünde. Den Spelulanten fehlt ed an Geift, die Grundlehren des Chriſtenthums von der Verffärung ber Menfchheit in der Gottheit. und der Gottheit in der Menfchheit durch die Baterfchaft und Sohnfchaft zu glauben und mit unfrer lutheriſchen Kirche zu fingen: Der Brunn des Lebens thut aus ihm entforimgen Gar hoch vom Himmel her aus feinem Herzen. Sn Ehriftus fah er das Haupt bes Leibes feiner Gemeinde, in beis ben zufammen ben großen Plan enthüllt, welcher auf bie dem gans_ zen Syflem der Natur und der menfchlichen Gefellfchaft, den Ge- fegen gefunder Vernunft und den Schlußfolgen Iebendiger Erfah: rung entſprechendſte Weife die Geheimmniffe ber höchften und zur Mittheitung ihrer ſelbſt aufpringlichften Majeſtät Gottes enthülle. „Das im Herzen und Mund aller Religionen verborgene Senf- forn der Anthropomorphofe und Apotheofe erfcheint hier (in Chriftus und der Kirche) in der Größe eines Baumes der Er- kennmiß und des Lebens mitten_im Garten; aller philoſophiſche Widerſpruch und das ganze hiftorifche Räthſel unferer Eriftenz, bie unburchdringliche Nacht ihrer Termini a quo und Termini ad quem find burd bie Urkunde bes Fleiſch geworbenen Wortes aufgelöst.“ Aber das Chaotifche feines Weſens und der Mangel an philofophifcher Durchbilbung bat Hamanns Geift gehindert, die Blige, die in feineh Geift hereinfeuchteten, in ein ficher und ruhig ſcheinendes Licht zu verwandeln, den Neichthum feiner Intuitionen zu ordnen und zu gliedern). | 23 S. Gelzer a. a. O. ©. 24-229, Auberlen: bie Theofopbie 1010 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abſchnitt TIL Kap. 8. Hafe Zefu die religidfe Vollkommenheit, d. h. die wollfommene Liebe zufchreibt. Aber dazu wollen feine andern Säge nit fimmen. Iſt in Jeſu bie vollfommene Liebe wirklich geworben, ift Die Menfchheit in ihm verklärt, ihre Idee verwirklicht, fo iſt er. nach Hafe’s Prämiffen Gott, da ihm Gott bie Idee der Menfchheit if. - Umgefehrt, wie fann er Gott und den Mens ſchen einerfeits nur fo wie Unendliches und Enbliches ſich unter: fcheiden laſſen und body eine reale ewige Scheidung beider annehmen, anbererfeits aber auch dem Menſchen göttliche Natur zufchreiben, ja ihn ein endlichsunenbliches Weſen nennen? Steben fi Gott und Menſch fo, wie Hafe ſagt, gegen- über, gefchieben durch die ewig unausfüllbare Kluft des Enblichen und Unenblichen, fo ift die Zufammenfegung „werdender Gott“ „sollfommene Menfchheit“ ein Fatachreftifcher Ausdruck, ein Si- berorplon; fo ift es aber au mit der Beſtimmung bed Men⸗ fhen zur Vollkommenheit fein Ernft; denn fein Wefen Tegt dann ewig Einfpruch ein gegen die Vollkommenheit, wie anbererfeite biefe von demſelben Wefen fol gefordert fein. Ind dafür bie tet, was Hafe von ber göttlichen Art oder Natur des Menſchen fagt, feinen Erfag; denn dieſe natürliche Güte verträgt ſich auch mit ber Selbſtſucht (F. 77). Eben daher it Eolani’s Anficht als eine Berbefferung der Hafe’fchen zu achten. Er läßt ab von ber Spröbheit des Haſe'ſchen Freiheitsbegriffes Gott gegens über — die doch mit der Schöpfung durch felbfimittheilende Kiebe übel beſteht; er will aud die göttliche und menfchliche Natur nicht blog wie Enbliches und Unendlihes anfehen, fondern zum Begriff der Menfchheit gehört ihm bie ethifche Unendlichkeit oder Bollfommenheit, wie zum Begriffe Gotted. So ift ihm Chriſtus in ethifcher Hinficht wirkliches Ebenbild Gottes; er ift ihm nicht Gottmenſch, aber Menfchgott, weil Gottes ethiſche Eigenſchaften in ihm Wirklichkeit find. Aber, fährt er fort, hievon fei Gottes metaphyfifches Weſen wohl zu unterfcheiden, und bie Beftimmungen von biefem können Chriftus nicht zufommen: in biefer Hinfücht fei und bleibe Ehriftus blos endlich. Aehnlich hatte auch Die alte Comm. idd., und nicht bios die veformirte, zwifchen mittheil- baren und unmittheilbaren göttlichen Eigenfchaften unterfcheiden Haſe. Colani. 1011 wollen, und die Unendlichkeit, fo wie bie Unermeßlichkeit nicht bireft auf bie Menfchheit übertragen, dagegen (die ethifchen Eigen: ſchaften unbeachtet laſſend) auf Alwiffenheit, Allmacht, Allgegen- wart als Objekte der Mittheilung fich gerichtet. Colani läugnet wie Hafe Chriſti Präexiſtenz und bie Zweiheit der Naturen. Chriftus ift ihm Menfch, der’ aber bie etbiichen göttlichen Eigenfchaften fih auf Grund einer reinen Natur angeeignet bat, und ihm baher Homme-Dieu heißt. Die näshfte Frage muß nun aber die fein: iſt Das Eihifche nur eine Eigenſchaft, oder iſt e8 auch ontologifch zu faſſen? Im erſtern Fall Hätten wir eine Mittheilung von ‚göttlichen „Eigenfchaften ohne Mittheilung des göttlichen Weſens, alfo diefelde Meinung von einer Trennbarfeit von Weſen und Eigenfchaften in Gott, zu welcher wider Willen die alte Orthodoxie neigt. Umgekehrt Dagegen, wenn in ber Liebe göttliches Weſen ift, fo iſt in ihr auch :ein fubftanzielles metaphyſiſches Sein eingefchloffen und ber Aniheil des Menfchen am göttlich Ethifchen olme das Metaphp⸗ ſiſche nicht möglich. Colani's Trennung des-Eihifchen und Meta: phyſiſchen in Gott trüge ſonach, um nur nicht. in Chriftus eine Menſchwerdung Gottes zugugeben, in Gott ſelbſt ben Dualismus eines ethifchen und metapbyfifchen Weſens hinein, bie indifferent auſſer einander ftünden. Die Heroorfehrung der ethifchen Seite an ber Chriſtologie, weiche feit Kant immer vollfkändiger eingreift, ift ohne Zwei⸗ fel ein dankenswerther Fortſchritt. Aber das Ethiſche iſt felbft noch nicht in feiner ganzen Abfolutheit gedacht, wenn es nicht auch als die wahre Realität und ald bie Macht Über alle Rea⸗ lität erfannt iſt. Der verwirflichten göttlichen Liebe wirb daher auch bie göttliche Weisheit und Macht nicht fehlen können. - Um den Grundirrthum des Standpunftes ber einfeitigen Subjeftivität zu überwinden, muß es barauf anfommen, auf das Verhältniß bes Weſens Gottes und des Menfchen einzugehen, nicht aber bios bei ben Gigenfchaften flehen zu bleiben. Käme es nur auf fie an, bann freilich brauchte es nur Die Eigenfchaften ber Sittlichleit, Erkenntniß, Liebe in's Unendliche ausgedehnt zu denlen, ſo wäre das Menſchliche und das Göttliche Eins geworben. Dorner, Ghriftologte. IT. 2te Aufl. 65 1012 Zweite Periode. Dritte Epoche. Abfepnitt TIL Kap. 3. Allein da käme veine Bereinerleiung berans, bas vollendete Menſchliche hörte auf menfchlich zu fein, es bliebe am Schluſſe nur Böttlihes übrig. Aber gegen biefen fubieftisen ober an» thropologifchen Monophyſitismus reagirt der wahre Begriff Got te8 und bes Menſchen; er macht fich zunächſt wenigſtens negativ gegen die äufßerlichen Weifen ber Berföhnung geltend, die nur in der Bernichtung der einen Seite bed Gegenſatzes beſtehen, und rubt nicht, bis von bem Weſen Gotied und bed Menfchen bie Erfenutniß gewonnen ift, bag fie fh weber monophyſitiſch noch neſtorianiſch ausfchließen, vielmehr auf einander weiſen und zielen, und bie durch Erkenntniß ihres durch ihre Unterſchiedlichleit zu⸗ ſammengehörigen Weſens eine tiefere Berföhnung im Wefen des Göttlichen und Menſchlichen gefunden ifl. Allen Stadien der einfeitigen Subjeftivität if eine unüber: ſteigliche Kluft zwiſchen dem Begriff bes Menſchlichen und bee @öttlichen befeſtigt. Diefe find num durchlaufen. Sie haben alle feine Chriſtologie zu Wege gebracht, fofern darin weſentlich bie Aufgabe Tigt, die Einheit des Göttlichen und Menfchlichen zu begreifen. Denn alle haben nur die menſchliche Seite Ehrifi erfaffen können; bie göttliche aber mußten fie ausfchließen, und bilden fo den vollfommenften Gegenſatz gegen die antike Richs tung, das Göttliche allein hervorzuheben. Drei Stationen der Philoſophie haben, wie wir fahen, bie Grundlage gebilbet für bie Geſchichte ber Chriſtologie ſeit der —— Richtung auf das Menſchliche in Chriſtus; die wolffche, bie kant'ſche und bie jacobi'ſche. Die einfeitige Subjektivität, nach ihren verſchie⸗ denen Formen auf die Theologie Übertragen, bildet im Allgemeinen bie Stufe des fubjektiven Nationalismus. Auf jeder dieſer Sta: tionen verfuchte Theologie und Philoſophie eine Einigung, fie fchlug aber allemal dahin aus, daß bie. Objektioitäit nicht zu ihrem Rechte Fam, confequent nur bie Subjektivität blieb. Die erfte Stufe, bie wolf'ſche mit ihren Ausläufern, bem Eubämonismus und der Popularphifofophie iſt vorerft mit Niederreiffen der alten Objektivität. befchäftigt, und kommt bamit fo glücklich aufs Reine, daß der unendliche Reichthum bes Chriſtenthums zum leeren Deismus, der Vater Jeſu Chriſti zum — — — — — — — — — — —— Die drei Stadien der einfeitigen Subieftivität. 1013. ötre supreme wird. Die Chriſtologie ſinkt noch unter ben Ebjo⸗ nismus: der Gottesſohn ift ein weifer Landrabbiner, ein Predis ger des Naturalismus. Die zweite Stufe, die Fant’fche, zerftört zwar dieſes ideenloſe Unweſen und Chriftus foll gelten für das Ideal ber gottwohlgefälfigen Menfchheit. Allein über des hiſtoriſchen Gott⸗ menfchen Wefen, über das Verhältniß bes Göttlichen in ihm zum Menfchlichen weiß fie nichts auszuſagen. Ihrer theoretifchen Atonie war dad Dogma vom Gottmenfhen tranfendent, ihrer praltiſchen Autarkie Überflüffig und zuwider. Die dritte Stufe nun, die äfthetifche, verſpricht dieſen Mangel des kant'ſchen Syſtems, welches auf das Verhältniß zwiſchen dem Göttlichen und Menſchlichen, das doch für die Chri⸗ ſtologie die Hauptſache fein muß, ſich nicht einläßt, gu heben, und Böttliches und Mienfchliches in wefentlichere Verbindung zu bringen. Es wird nicht die Moral, fondern bie Religion ale das Höchfte, allein Gewiſſe dargeftellt, von dem alle andere Ges wißheit ausgeht, und in der Religion eine Verbindung des gölts fichen Geiſtes mit dem menfchlichen angenommen. Allein dieſe Verbindung mit Gott ift eine natürliche, unmittelbare: im ber Freiheit, dem angeborenen Adel menfchlicher Ratur ligt von ſelbſt fchon die volle Möglichkeit, jene Verbindung durch ſich zu vers wirklichen. Diefe religiöſe Autarfie macht daher nicht minder, als die moralifche, einen Erlöſer entbehrlich. Aufferdem ift bier nicht einmal -eine vollfommen fündlofe, religiöfe Perfönlichfeit möglich. Iſt Gott nur „das Beſſere, ald Ich,“ fo muß, follen nicht die Begriffe „Menfh“ und „Bott“ coincidiren, das Ich bie Unvollfommenheit weſentlich an fih haben, Chriſtus, wäre er jene Perſönlichkeit, könnte nicht mehr Menſch fein, fondern nur Gott; da er aber Menſch jedenfalls war, fo ift es Idololatrie, an im als an ben Sopn Goties zu glauben, vor ihm bie Kniee zu beugen. Sp wenig uun aber alle biefe Formen des Rationalismus, bie bes negativ verfländigen, bed praftifhen und bes äfthetifchen bie Aufgabe Iöfen, fo wenig barf daraus bie Uns möglichfeit der Löſung, bie Unwahrheit der Einheit bes Gött- 65 * 1026 Die dritte Periode. Einleitung. perfekter Geift, fondern mur der Anfang bes Geiſtes. Leiblich- keit ſei das Ende ber Werke Gottes. Umgekehrt freilich fei auch die Materie, wie wir fie vor Augen haben, plump unb nicht Geift, werde auch nicht Geiſt; fie if ihm für ſich Finſter⸗ niß, Chaos; aber es kann fi) Geift aus ihr fondern; es kann der Geift, fie bearbeitend, fi) aus ihr beleiben, unb wie dieſe Leiblichfeit mehr ober minder Grabe haben fann, fo auch in ihr bie Wirklichfeit des Geiſtes. Dieſes idenlreale oberfle Princip ſieht er vor Allem in Gott; eine Natur ober Leiblichfeit höherer Art, frei von ben Mängeln der irdifchen, Das ift die Geiftigfeit als fubſtantielle Realität. Er pflegt fie Gottes Herrlichkeit (Rakia Ueſſo) zu nennen. Se wenig feine Trinitätslehre Far tft (das Wort. Perfon beanſtandet er) 6): fo viel erhellt, daß er in Gottes einigem Wefen den Gegenſatz eines artiven Principe, des Wortes oder Logos, und eines paffiven beſtimmbaren annimmt, eines Erpanfum in Gott, welches fähig iſt, alle Geftalten anzunehmen, - bie ihm bas ewige Wort gibt. Diefed Paſſive oder Gottes. Herrlichkeit iſt, obwohl nicht Gott, doch Eins mit Gott und das Licht, darin er wohnt. Durch feine Fähigkeit, in Geftaltungen einzugehen (bemm es iſt 9 Einerſeits adoptirt Oetinger: die cabbafifttfche Vorfellung von den zehn Ausflüſſen oder Abglänzen Gottes (Sephiroth), von wel: hen die drei erfien bie breit trinitarifhen Perfonen beveuten fol . Ien, die übrigen fieben werben mit ben fieben Geiſtern ver Apos ealypfe identificirt. Das Nähere f. Auberlen ©. 163 ff. Anderer . feits fagt er, Lehrt. S. 211:.die Selbſtſtändigkeit, die Selbſterkennt⸗ niß und die Liebe feien drei Principien, eine Geburt ih des Ba- ters Schooß, Eins zwar, wie fie denn in allem Leben find, aber doch „in den Selbfibewegungsquellen unterfehieden“; fie find in einander nur ein inniges unauflösl. Band des göttlichen Lebens. ©. 227 ff. Diefe Principia oder Selbſtbewegungsquellen find ihm aber nicht Berfonen, ja nach ehrt. ©. 164 find fie nicht in Gott felbft, fondern in der „Herrlichkeit“ (d. h. in der Natur Gottes), aus welder durch das Wort, das 'aus der Finſterniß das Licht hervorruft, Alles warb und wird. An Stelle der kirchl. Trinttät würde allerdings Detingern der Unterſchied des Uranfänglichen oder des Ungrundes von dem Wort und von ber Ratur („Bert lichkeit) in Gott treten.. Kritiſcher Rückblick auf die Zeit ver Subteltioitä. 1015 es bie Einficht vor, wie bie menfchlihe Natur, ber ‚göttlichen nicht fremde, in Chriſtus mit diefer Eins werden fünne. Und da bat nun die zweite Form bed Rationalismus, die Tantifche, das DBerbienft, in dem Ethiſchen ſowohl etwas dem menſch⸗ lichen Geiſte Weſentliches, als eine Idee von abſolutem Werth erkannt zu haben, womit, nad Kant ſelbſt, ſchon eine gewiſſe Einheit des menſchlichen Geiſtes mit dem göttlichen gegeben iſt. Und endlich die dritte, aͤſthetiſche Form bes Rationalismus hat das Verdienſt, noch tiefer in das Weſen göttlicher und menſch⸗ licher Natur geſtiegen zu fein, bis zu dem Punft, wo fie das göttliche und das menfchliche Leben in unmittelbarer Verbindung erfannte. Aufferdem bat das Fichtefche Syſtem auch pofitiv Aehnliches in Beziehung auf das Erfennen geleiftet; denn bier wird auch dem Denfen, der Bernunft des Menfchen ein abfolu- . ter Werth, der innere Beruf zur abſoluten Gewißheit und Wahr⸗ heit vindicirt. So waren von drei Seiten, dem Denken, Wollen und Ge⸗ fühl, Anknüpfungspunkte gegeben zur Erkenntniß der Einheit des Göttlichen und Menſchlichen in Chriſtus. Freilich, wie ſchon be⸗ merkt, gelöst war das Problem noch keineswegs; bie. gefundene Einigung ließ jedenfalls der Perſon Chriſti nichts ewig Aus⸗ zeichnendes; noch wichtiger aber iſt hier, daß ſie ſich auf die Einigung der Vermögen beſchränkte, des Erkennens, Wollens, Fuͤhlens, während bie benf elben allen zu Grunde liegende Ein- heit und Kraft noch buafiftifch, in abfiraftem Gegenſatz bes Gött: lichen und Menfchlichen gefaßt war. Wefendeinheit der Perfon Ehrifti (E9woıs gvown) mit Gott. war noch nicht denkbar auf biefem Wege, fordern nur Einheit der Vermögen. Merkwürdig muß ung fein, daß hiemit die Subfeftivität an bem anthropologifchen Correlat zu ber Testen Form ber einfeitig obfeftiven Chriftologie angelangt war, ber Iutherifchen communi- catio.idiomatum, bei ber, wie wir fahen, bie Entwidlung ber objeftiven Seite ber Chriſtologie ſtehen blieb und ſtehen bleiben mußte, bis fie von ihrer Einſeitigkeit erlöst war. Wie die alt- Iutherifche Dogmatif die Einheit der zwei Naturen in Chriſtus von Seiten ber Gottheit bis auf den Punkt ber Einheit in den 1016 Zweite Periode. Dritte. Epoche. Abſchnitt I. Kap. 3. Eigenſchaften gebracht hatte, fo war nun ebenfo von Seiten ber menschlichen Natur die Einheit bis zur Einheit der Vermögen gebiehen. Die anthropologiſche Betrachtungsweiſe der Berfon Jeſu Hatte num bie theologifche eingeholt. Wie aber beide im Gewinne fih gleich gefommen waren, fo auch in den Män- geln: die Einheit durch bloße Kigenfchaften oder Bermögen zeigte ſich ung beiderfeits durch Reaction des noch unverföhnten Weſens beider als eine falfhe. Aber das war nun endlich auch ihre gemeinfame Aufgabe, jene Einheit der Bermögen und Eigenfchaften bie zu einer Einigung im Weſen fortzuführen, und mit ben Verſuchen hiezu wird fih das Weitere zu beſchäftigen haben. -— — — — — — — — Dritte Periode. Die Zeit der Verſuche, das Göttliche und das Menſchliche in Chriſtus in gleicher Berechtigung und in wefentlicher Einheit zu betrachten. | | Einleitung. — — nn Die beiden Haupteinſeitigkeiten, welche, wenn auch manch⸗ ſaltiger Form, ſeit dem chalced. Concil die Chriſtologie charakte⸗ riſirten, hatten am Ende des 18ten Jahrhunderts ſich klar aus⸗ gebildet und folgerichtig dargelegt. Es lag nun für alle Zeiten offen vor, wie verderblich für das Dogma das Uebergewicht der göttlichen Seite fei, das von 451 bie um 1700 mit alleiniger Ausnahme der Reformationszeit flatt gefunden; nicht minder aber and, wie bie alleinherrſchende Subjeltivität, indem fie umgelehrt dem Göttlichen in Chriſtus eine nur accidentelle Stellung neben des perfönlihen Menſchheit Chriſti ließ, bie Chriſtologie übers - haupt verlor. Das alfo ift bie große Lehre der zweiten Periode: entweber ſchließt das chriftologifche Problem eine Unmöglichkeit in fih, oder müſſen die beiden Faktoren Gottheit und Menfchheit von Anfang an fo gedacht werben können, daß fie in Eprifti Pers fon im Gleichgewicht und in gleicher Berechtigung ftehen, ſich ges genfeitig in ihrer Integrität, und Ganzheit fuchen, flatt ſich aus⸗ zufchließen oder zu. verkürzen. . Der Glaube ber. Kirche, der an Chriſtus die Wahr beit und das Leben, .ja ben einigenden Mittelpunft befigt für bie höchſten Gegenfüge und Räthfel, weiß, daß das letzte 1030 Die dritte Periode. Einleitung. Ableitung des Böfen aus der Enblichleit genüge nicht; es breche nicht aus dem Nichts oder ber Leere herfür, fondern die Luft gebiert fih aus einer Erhebung einer Kraft über bie andere, bie einander die Wange halten follten; aus einem Streit ber Kräfte, und das fei nicht einfache Enblichleit, fondern finitudo interna positiva !?). In Ehrifius nun if das zerivennliche Leben der Kreatur unauflöglich geworben, durch das Wort Gottes als durch ein unauflöslihes Band, phyſiſch und geiſtig. Und deßhalb konnte Chriſtus Mittler fein, weil er empfangen bat das Leben zu haben in ihm ſelbſt. Er Hat die Herrlichkeit und Unſterblich⸗ feit aus bem Tode wieberbringen fünnen, weil er, ber Lebens⸗ fürft, durch den Tod den Tod befiegte. Diefe felbige Kraft aber, weiche erlöfen kann, iſt auch bie vollendende. Denn Chriſti Kraft tödtet und verzehrt nicht blos das Unreine und den Tod in une, fondern fammelt und einigt- auch unfere- Kräfte zu har⸗ monifcher Durchbringung, ftellt die Vielheit unferer Kräfte zu einer lebendigen fich vollendenben Einfeit ber. (Theol ex idee vitae S. 189.) Detinger hat namentlich in feiner Dogmatif (Theologia ex idea vitae deducta) feine chriſtologiſchen Gedanlen näher entwifs kelt. Schon die Methode, bie er will, zeigt einen überlegenen Geil. Die mathematifche ober geometrifhe Beweismethode Wolfs genügt ihm nicht; fie beginnt ab una aliqua idea abs- tracta und fegt fo einfache Principia voraus, bie für einen Prozeß oder Progreß unfähig find ; denn das fchlechthin Einfache fommt nicht zur Bewegung aus fih. Er aber will ben ordo generativus, ber — wie an dem Samen zu fehen, bei bem Ganzen beginnt und biefes bis ind Kleinſte gleichmäßig ent widelt. Die Philofophie ber Zeit nennt er eine Kunftphilofos phie; fie iſt ihm zu abftraft formal und unreal, fie. will nicht 12) Abhandl. über die Sünde w. d. h. Sf. ©. 66 ff. ehrt. 366 f. 220. Er fcheint fogar eine Herrſchaft ver Finfterniß, eine chaos tiſche Modification der Kräfte als Erfles anzunehmen, was noth⸗ wendig im Menſchen fei, bis die einander abfloßenden und fi widerfiehenden Kräfte, die doch zufammen gehören, in einer con- trarietas harmonlica ſich durchdrungen haben. Anvererfeits aber iſt ihm das durch die Freiheit geſetzte Böfe in intenfinerem Sinne bös. Detinger. 1031 blos zu viel wiſſen (3. B. in der Atomenlehre), ſondern auch zu wenig, dringt nicht ind innere der Natur ein, gibt nicht intui⸗ tive Erfenniniß- Die generative Methode dagegen’ gebt aus von der Idee des Lebens!) Diefe ift auch ein Grunbbegriff der Schrift. Nicht minder ift fie ſchon bem sensus communis ahnungsweife zugänglich. Die dee des Lebens faßt er aber eoncretz Leben fieht er nur, wo eine Einheit bes Entgegen- gefeßten ift, was in einander wirkt. Die Iogifchen Gefete bes ausgefchloffenen Dritten und bes Widerſpruchs find ihm durchaus ungenügend, — liebt er, dem Entweder — Oder ein Weder — Noch, was zugleich ein Sowohl — Als auch iſt, entgegenzuſtellen. Wir haben das ſchon oben an dem Begriff der Herrlichkeit geſehen. Dieſe iſt ihm die oberſte Einheit von Geiſtlichem und Leiblichem, das göttliche Leben in ſeiner Offen⸗ barung. — Er will eben daher auch nicht mit der Foderaltheologie von der Idee des Bundes ausgehen, die den Schein erzeuge, als känie Gottes Leben des Bundes wegen und als wäre nicht der Bund wegen dieſes Lebens gegeben. Vielmehr davon will er ausgehen, daß Chriſtus germinatio novae vitae ſei (Ze- mach), non tantum ut Architectus creaturae, sed ut germen et prineipium vegetans templi non manu faciendi et totius novae ereaturae. - Bon Anfang war das Ziel Gottes baffelbe, mit fteigender Klarheit geſchah die Offenbarung, aber erft in Chriſtus immortalitas et vita plene patefacta est et semper magis in Evangelio aeterno manifestatur. Wer das ganze Al betrachtet, fagt er (de grat. $. 1. 2), der fieht einerfeits, dag bie Erbe voll ik der Güte Gottes, ans bererfeits aber auch, daß das Unheil in ben mannigfaltigen Ge⸗ falten eingeriffen fei._ Das wedt ſchon im natürlichen Menfchen die Sehnfucht nach einem Eriöfer, nach einem Heiligen, beffen Heifigfeit fo reich ift, daß fie Überfliegen Tann auf Andere. Das ganze Univerfum leidet, — fo wird auch das ganze Univerfum in finnbilblicher Weife harmoniſche Vorzeichen auf Jenen enthal- ten. Wer jene Sehnſucht hat, kann durch Die Gefchichte, wie i2) Das erinnert an Sqleiermacher. 1032 Die dritte Periode. Einleitung. durch die emblematifche Sprache bes ganzen Alls jenes Heiligen gewiß werben. Liest.ein Spider nun unbefangen bie Schrift, da fieht er in der That die Wahrheit feiner Ahnungen von einem Erlöfer: er fieht, daß Jener in ſich trägt die allen Emblemen enifprechende Eoncentration bes ganzen Univerſums, unb daß er das Ebenbild des unfichtbaren Vaters in fichtbarer Geftalt if. Sm ihm iſt ro mar, die Fülle des Vaters, der Alles in Allem erfüllet. In dem Logos zumächft waren originales rerum antequam existerunt formae; omnia constiterunt in ipso sive archetypi- ee, sive actu. In ihm war Gott als aetus purissimus zunächfl fi ſelbſt offenbar geworben ; aber durch Bermittlung ber „Herr Tichfeit“ ober bes himmlischen Elementes, der himmliſchen Menſch⸗ beit, die das Wort aus fich hervorbrachte, brachte und bringt er auch die in ihm befchloffene Welt der Uxrformen ber Dinge zur Wirklichkeit, indem er immer vollftänbiger feine Fülle der Welt einzubilden firebt. In Jeſu Ehrifto wird biefe Fülle unb Herr lichleit im Fleiſch Törperlich. Detinger reißt aber bie Exfcheinung Ehrifti weder von den übrigen Offenbarungen, noch von der erſten Schöpfung Io. Als Logos war und ift Chriſtus Herr und Architeft ber Natur, Princip bes Lebens und aller Bewe⸗ gung, frei und allgegenivärtig wirfend in Natur und Geſchichte. Das Wort von Anfang allen Menfchen eingegeben zum Lebens: licht, und burch den Geiſt als Kraft wirkfam, iſt durch Gottes Bewegen in Maria nur recht wefentlich offenbar geworben. Die Art und Weife der Menfchwerbung befchreibt ex näher ſo, daß die reine Leiblichleit Gottes oder feine „Herrlichleit“ ihre Möglichkeit und Vermittelung bilbet 1). „Weil Die Weisheit , Bibl. Wörterb. 847 ff. Bgl. die obigen Theorien (S. 860) von einer himmliſchen Menfchheit Chriſti. Sie war von Joh. Wil. Peterſen befonders eifrig gelehrt, (vgl. das Geheimniß des Erfigebornen aller Kreaturen. Frankfurt 1711.) Jeſus Chriſtus, fagt er, if von Anfang der Sottmenfch geweſen, nad feinem Ebenbild IR Adam erfchaffen. S. 2. Der Sohn Gottes if Eins geborner in der unausfprechlichen Vorewigkeit, vor dem Schöpfungss dekret vom Bater gezeuget; aber zum Erfigebornen ifl er gewor⸗ ben wegen der von Bott beſchloſſenen Schöpfung, und hat feinen Detinger. (Joh. Wilh. Yeterfen’s Geheimniß d. Erfigeburt.) 1033 vor der Menſchwerdung das fichtlihe Ebenbild bes unſicht⸗ baren Gottes if, Col. 1, 15, fo iſt der Sohn gegen bem Wefen Ausgang aus Gott genommen. Da hat ihn vor ber Zeit Gott mit einem temperirten Lichtfleid (Tabernakel) umgeben, welches if feine göttliche Menſchheit, auf daß er in ihm und durch ihn ale dur ein bequemes Deittel die fonft von dem Schöpfer in unend⸗ licher Dikanz unterſchiedene Kreatur beides fihaffen und vereinigen, auch die Kreatur ihn bei folchem in dem Erfigebornen gemilverten Licht ertragen könnte; wie auch die Bäter von folchem sese tem- perare et demittere des Logos zum Beften ver Welt reden. Solche himmlische Menſchheit fei nicht eine Schöpfung, fondern eine Ges neration oder Emanation aus Bott. Er beruft fi dabei auf das Buch einer englifhen Gräfinn de principiis philosophise an- tiquissimae et recentissimae infonderheit von Bott, Chriſto und den Kreaturen, fo wie auf Guil. Postellus Absconditorum — Clavis, welcher fage: Cum Deus infinitus condiderit omnia, ut a creaturls rstionabilibüs comprehendi posset et laudari, sit autem impossibile infnitum a finito comprehendi, opus fuit, ut ante omnla divina bo- ' nitas ita se accommodaret coapacitati tam angelicae quam nostrae, ut Snitam infinito uniret. Solches temperamentum fet in der präeri: Renten Seele Eprifti gegeben. Durch fie ſei Ehrifius weltſchöpfe⸗ riſch, Offenbarer im U. T. u. f. w. ©. 29 f. Jene engliſche Gräfinn fage: Deus cum lux esset omnium intensissima et quidem Infinite, summa tamen etiam bonitas, propter hanc bonitatem creatu- ras quldem condere voluit, quibus sese cammunicaret; has tamen — ejas lucem neutiquam potuissent tolerare. — Diminuit ergo in corea- turarum gratiam, ut locus ipsis esse posset, summum illum intensae lucis gradum, unde locus exoriebatur quasi vacuus eircularis, mun- dorum spattum. Hoc vacuum non erat privatio vel non Ens, sed positio lucis diminutae realis, quae erat anima Messiae, Heb- raeis Adam Kadmon dicta, qua totum illud spatium implebatur. Haec anima Messise unita erat cum tota illa luee divinitatis, quae intra vacuum illud gradu leniori remanserat, unumqgue cum illa constituebat subjectum. Hio Messias (Logos et Primogenitas Dei fillus appellatus deinde intra sese, facta nova etiam suse lucis diminutione pro crea- tararum commoditate, condebat omnium cresturarum seriem, quibus divinitatis suaeque naturae Iumina ulterius communicabat, — Trinitas ergo hic ocourrit divinae repraesentationis, primusque conceptus ost Deus ipse infnitus, extra et supra productionem consideratus; Secun- dus est Deus idem, quatenus in Messia, et Tertius idem Deus qua- tenus cum Messia in oresturis, gradu luminis minimo ad pereeptio- , bem creaturaram accommodato. ©. 41 f. In diefem Ens medium 1034 Die weitte Periode. Einleitung. afler Weſen refpective etwas Leibliches, ob ex ſchon lauter it. Seine himmliſche Menſchheit, die er als Herr mel hatte, war fchon bei den Sfraeliten unfuhtbar zugegen, trunfen aus dem Feld. Darum iſt er auch ald die Kraft Höchſten in Mariam fommen, um fchattigt und leiblich zu in der Gebärmutter Mariä, in ihr ſich in einiges Dunkle zu⸗ fammenzuziehen nad dem Geſetz der Geburt. As feine vom Himmel gebrachte Menſchheit in Mariam am; fo bat ihn Gott geringer gemadt als die Engel, er hat ihn der Plumpheit bes Zleifches unterworfen. — Darum heißt ed, das Wort wurde Fleiſch. Der blöde, menfchliche Verſtand, fagt er anberwärts, madyt aus biefer göttlichen Rebe das vermeinttich Reinere: gött liche und menfchlihe Natur haben ſich vereinigt, daß aus beiden Eine Perfon worden. Iſt fihon recht geredet, aber man bat vom Worte Gottes abgebrochen Was hinderts, bei bem Wurde alfo zu gebenfen: das Subtüfte hat fh von dem Gröbſten fo Tange müffen widerfiehen lafien, bis das Subtilſte das Gröbfe überwunden? Alfo ift es nicht nur eine Vereinigung ber Natu⸗ ren, fondern eine durch Refiftenz burchgebrochene Geduld. Sieh, das ewige Wort. hat Freatürliche Arten müffen annepmen und leiden!“ Lehrt. 273 ff. Die Grundibeen ber lirchlichen Lehre von der Comm. idd. findet er unwiderſprechlich, gibt aber zu verfiehen, daß bie Aus: führung weit über bie heil. Schrift hinausgehe, und er felbft gibt ihr einen durch die Lehre von der himmliſchen Menſchheit in Chriſtus modificirten Sinn. In dieſer ift gleichfam die Einis 78 ir ift leine corruptio, mors, defectus, es iſt balsamım quo omnia prae- servari possunt a decrementis et morte quas ipsi unita sunt, adeoque hie omnia sunt nova, vegeta ot virescontia. Rad Peterſen iſt alle göttliche avyrarapaoıs in diefer himmliſchen Menfchheit gefcheben, bie ſich auch ſchon den Gläubigen A. T. zu genießen gegeben. ©. 70. Eine Menge von Schriftftellen werde durch dieſe Lehre licht; die Judenbekehrung durch fie erleichtert, auch könne fie der Bereinigung mit den Reformirten dienen, da fie zu ber Abſolut⸗ heit eines göttlichen Dekrets (nemlich nach P. ber apocatastasis) wohl ſtimme, und die reale Bereinbarkeit des Böttlihen und Menſchlichen, fo wie bie luth. Abendmahlslehre anſchaulich mache. Detinger. 1035 gung des Gonlichen und Dienfchlichen ſtets gegeben, aber zus nächſt potentiell; in Chriſtus tritt fie actuell hervor. Aber nicht magisch und vom Moment der Empfängnig an fertig, fonbern fucceffiv. Potuit capacitas naturae humanae per inhabitatio- nem Aoys successive augeri; Chriſti exaltatio hatte augmenta intrinseca. Der Logos nobilitirte das Leben der menfchlichen Seele Ehrifti, die er wie jeder andere Menfch im vierten Monat in Maria theils von unten, theils von oben befommen. So er⸗ hielt feine menfchliche Natur herrlichere Qualitäten, als bie Natur Adams vor dem Fall hatte. Adam hatte noch nicht das raum loozooör. — Das Erfe ift immer noch unvollfommen ; die Kräfte haben füh da noch nicht zur einer höhern Einheit. burchbrungen (mad er easentiare nennt), daher der Fall fo Teicht möglich war. Adamo per 'gradus fuisset eundum ad perfectionem 'summam gaalitatum spiritus vivifiei, sed vix inchoamenta servavit. Chri- stus autem (der auch zuerft statum psychicum subire debuit) & prima 'conceptione cursu non interrupto omnia permeans tandem sdo&a0dn et zeAeıwdels owrreiar conferre et vitam in aliis generare potuit. Er bat müffen von der unterfien Stufe beginnen, ut psychicum in: spirituale 'elevetur; er hat müſſen legibus resistentis materiae tenebrosae adstringi, omnes tenta- -tiones experiri, ut carnig insita inimieitisa aboleatur 1°). In⸗ dem fo immer mehr durch Erfüllung mit dem fiebenfachen Geift ohne Maß fein Leib Geift, geiftlich wurbe, wurde zugleich feine Seele, fein Geift Leib, vollfommen reale, Iebensmächtige Sub» flanz. Und fo ift in ber verBlärten Subſtanz bes geiftteiblichen Herrn gleichfam die Effenz der Unfterblichkeit, der Wieberberftel- Iung und Bollenbung 'unferer Natur gewonnen, bie namentlich durch das heil. Abendmahl ung zu eigen wird. Die Spenbung biefes feines Lebens weist er dem Hoheprieftertbum Chriſti zu, das er nicht blos als ſtellvertretendes und genug- thuendes benft, fondern Ehriftus ift ihm auch ber Hohepriefter, weil er das allgemeine Organ ber göttlichen Offenbarung und Lebensmittbeilung ift (Theol. S. 216). Weil er das felbft: %) Theolog. 198: ff. 917. 1036 Die dritte Periode. Einleitung. Ränbige göttliche Leben in fich felber hat, fo Tann er es influzu septemplici in nos derivare. Die Fülle feines geifleiblichen Weſens oder feinen Leib theilt er mit an bie Menſchheit, damit fie zu feinem Leib werbe, baran er das Daupt, in allgemeiner Wiederbringung, zur Kirche, zu einer Fortfegung feiner felbf. „Die Blaubigen nd Eprifi Fleiſch, welches ihm fo Lieb if als Chriſtus für feine Gemeine. Die Kirche, ſpricht Tertullian, if nichts anderes, als Christus explicatus, der ausgebreitete, aus⸗ gefalteie Ehrifius“ '%). Er lehrt eine aͤhuliche Unio Chriſti mit uns wie bie Chriſti mit dem Logos war und if, und. parallelifist wie Phil. Nicolai eingehend bie Incarnation mit ber Wieder geburt und Unio mystica, wobei ihm göttliche Operatio nicht ges nügt, fondern wie ben Alten nur eine propinquitas essentiae. In Chriſtus iſt die göttliche unb menſchliche Natur personaliter geeint, in ben Chriſten, bie gleichfalls Hein guonc in ihm haben, spiritualiter. Dort wird Eine persona ovrderoc aus zwei Ras turen, bier wird aus benfelben zwei Naturen Ein compositum mysticam. Die Folge ber Unio pers. if in Chrifius commu- nio naturarum, ebenfo auch fließt aus ber unio spiritualis eine eommunio unfrer und ber göttlichen Natur, denn Chriſtus thut beides: nostram’ individuam naturam sibi adglutinat et viciseim divinae naturas uos oonsortes facit, ita ut finitum capax sit infiniti non per localem comprehensionem sed per arctissimsm consociationem 17). Traxit carnem nostram in plenitudinem Dei- tatis, fo daß unfer Geſchlecht der himmliſchen Natur theilhaft wurde in ihm und in und d. h. unione tum personali tum mystica 8), .) Bol. Auberlen a. a. D. ©. 459. , Theolog. ©. 800-802. - ' ) Theolog. ©. 821. 822.: Quodsi Christo nos tradimus, tum regene- ramur ad plenitudinem illam denuo, ex qua nos Adamus excussit; quae sus sunt, nostra flunt; anima Christi per mysticam unionem nostra est anima, caro Christi nostra caro, vivit ille in nobis, nos in illo. Die nos in corpore suo — immasulatos sistet, quis in ipso Detinger. S. Verh. 4. Theol. d. Reformation. — Franz v. Baader. 1037 Detinger trägt das lebendige Bewußtfein in fih, daß bie Reformation, nachdem fie überwiegend die Heilslehren behandelt, jetzt am einem Punkt angelangt fe, wo auch Die fogenannten obfestiven Lehren nad einer Regeneration dringend verlangen. Es ſei jeßt, nachdem der Galater: und Römerbrief erichloffen fei, an ber Zeit, daß auch der Epheſer⸗ und Eolofferbrief wie Johannes an bie Reihe komme !9). Wie fremd und ungewohnt Tauten felche Worte im 18ten Jahrhundert, und wie aͤhnlich find’ fie anbererfeits ben oben vers nommenen Stimmen aus der älteften Ehriftenheit unb der Re⸗ formationgzeit! Am unmittelbarften aber ſchloß er fih an Jacob BöHm an, defien been planer zu machen unb in bes ſtimmte chriſtliche Geſtalt zu bringen er fich in vielen Abhand⸗ lungen eine befondere Angelegenheit fein läͤßt. Es gehört über haupt zu den charafteriftifchen Kennzeichen der neuen Zeit, daß fie aus den abfiraften Regionen, welche die Philoſophie feit Wolf und Kant in Deutfchland einnahm, ſich wieder nad) ber Flle und Realität des Lebens Tehnte, daher auch die geiftvoliften Männer, weldhe die neue Zeit heraufführen follten, ſich mit Liebe in das Alterthum verfenften, wobei fie immer mit beſonderer Verehrung vor der Geſtalt des Philosophus Teutonicus ftehen blieben, der erft für die nenere Zeit gefchrieben zu haben ſchien, und. von ihr gewürbigt zu werben begann. Es kann dieß nicht befremden, wenn wir erwägen, daß es ſich jetzt um Ueberwindung der einfeitigen Subjectivität — ohne doch bie Früchte der fub- jertiven Richtung überhaupt aufzugeben — handelte, und daß Böhme, fo Fräftig das Princip der Perfönlichteit in ihm auf: sumus unum corpus: nam ut Adamus fuit commune corpus nostrum, sio jam Christus est commune corpus nostrum. Unde ecclesiae tanta vis, tanta fidei parrhesia, ex magnifico illo potentiarum resurrectionis promptuarlo. Hesidet igitur vis potentierum Domini non in hoc vel illo tantum membro, sed in omnibus, at quam maxime in ipso ca- pite, in plenitudine virium ipsius, ex qua sumimus gratiam pro gra- tia. — Ecce hi sunt rivuli parvi ex magno fonte et pleromate Epi- stolse ad Ephesios! 0, Das Räpere f. bei Auberlen a, a. O. ©. 283. 298. 460. 482. 1038 Die dritte Periode. Einleitung. - tritt, doch fehr weit bavon entfernt ift, fich blos in fubjertiven und formellen Denkbeflimmungen umgutreiben, vielmehr ben Rhyth⸗ mus des allgemeinen kosmiſchen und bes göttlichen Lebens ans zuſchauen und barzufiellen fich beſtrebt. Wir nennen bier noch als Männer, bie zu Böhm und zu ber neuern Zeit in einem ähnlichen Verhältnig fliehen, wie Detinger, ben Novalis und Franz von Baader. Lepterer läßt ſich in feinen verfchiebenen Abhandlungen, bie zwar nirgends bie Sache vollſtändiger entwideln, aber dennoch reich find an tiefen Gedanken, über unfern Gegenſtand alſo vernehmen 20): Chriſtus iſt die zuvor verhalten Manifeftation der wahren Menfchennatur. Die Manifeflation der menfchlihen Urgeflalt ift Gipfel und Centrum, Träger und Bollender ber kos mi⸗ fhen Begriffe Der Erlöfungsproceß if daher auch nad feinen kosmiſchen Momenten nachzumweifen. Dieß thut er mm fo, daß er ausgeht von dem Sate: bas normale Berhäliniß wäre, daß Gott das Princip, der Menſch das Organ, die Natur fein Werkzeug wäre, Gott fomit durch den menfchlichen Geiſt, als fein Organ, mit der Natur in Berbindung ftände. Allein ber Menſch ift abgefallen, das Organ vom Princip (vgl. Ferm. cogn. 1. $. 7. S. 14—16.), der aus dem Centrum gerüdie Menſch ift Natur geworben, ja biefe übt ihre Macht gegen ihn aus und ift felbfiftändig, gleichſam aus einem Werlkzeuglichen, Dinglihen perfönlich geworden. Der Menſch dagegen ift in bie Region der Unperfönlichleit und der Ohnmacht gefunfen — dem er iſt von ber Gentralfeele, Gott, durch den ex allein feine wahre Perfönlichkeit hat, abgefallen. Da aber fo das göttliche Geſetz aufgehört hatte, menfchlich zu fein (d. h. verwirklicht oder gleich⸗ fam menfchgeworben im Denfchen), fo konnte nur durch Wieder⸗ %) Bgl. Feormenta oognitionis Heft 1 und feine Geſammelte Schriften. Bd. I, IL, beſonders L, 152 ff, Gedanken aus dem großen Zuſam⸗ menhang des Lebens, und. Sur l’Eucharistie Bd. IL, ©. 427 ff., Ueber Divination und Glaubenékraft S. 38 ff. 58. Ueber bie Bernänftigkeit ver drei Fundamentaldoetrinen des Chriſtenthums. 1889. ©. 21 ff. Ueber ipn: Bamberger, Hoffmann u. U. Franz v. Baader. (St. Martin:) 1039 menfchwerbung bes moralifchen Geſetzes geholfen werben, wodurch das Naturgefeg fubficirt ward. Dem zweifellofen Streben nach Wahrheit wie der aufrichtigen moralifchen Gefinnung ligt Har ober bunfel bie Hoffnung einer künftigen ober bie Ueberzeugung einer fchon gefchehenen Menfchwerbung ber Wahrheit und bes Sittengefebes zu Grunde. Und fo if die Menſchwerdung auch Die Bollendung der moralifhen und wiſſenſchaftlichen Begriffe, fie ift Das punctum saliens darin. . . Diefe Nothwendigkeit der Menfchwerbung flellt er näher fo bar 29. Nur ber gefallene Menſch bebarf eines Gottesgefandten auſſer und neben ihm; nur für ihn ift es nöthig, daß fich das göttliche. ober moraliſche Geſetz bis in Ein Individuum erſt cons centrirte, damit durch einen Chriſtus aufler uns jeder an ben Chriſtus in und erinnert würde (Ferm. cogn. I., 54). Zwar quillt jedem Lebenbigen. Das Leben nur von innen heraus; in jeder Iebhaften Kreatur offenbart ſich Gott, weil er central, Cen⸗ tralfeele tft, nur aufgehend, nicht von auffen einfahrend; in wels dem Sinn jeder Menfch ein geborener Ehrift heißen kann. Aber doch iſt nicht minder gewiß, daß wenn bieß Leben innerlich ers krankt und die Stimme Gottes im Lebenbigen zum Schweigen gebracht iſt, diefe nur von auffen wieder erweckbar, freilich nicht eingießbar if: Das wieberbefreiende Höhere muß, um fih dem 21) Gedanken aug dem großen Zufammenhange des Lebens. ©. 152, ferm. cognit. I, 54. Aehnlih St. Martin Esprit des Choses U, 301 ff. 341. La Divinits se rendit Christ dans cette möme image &ernelle d’oü Adam avait 6t6 cr66. — Il s’est venu ensevelir dans notre matiöre. Das Wort Gottes ici bas se trouve expatride. Der Menſch ift nach feinem wahren Weſen nichts als ein Gotwer⸗ langen, beflimmt faire un avec la Divinite. Aber eine Alteration {ft vorgegangen, wir find Gefangene der Natur, die wir in uns fern Fall Hinabzogen. Die Reftauration fordert, daß das Wort ſich entkleide in dieſelbe elementare Bafls, die unfer Gefängniß iſt. So if in Chriſtus die göttliche, die ſpirituale und die natürliche Welt vereinigt, damit er allſeitig das Heilmittel. fein und dem Kranken nabe kommen könnte. Auch dem St. Martin if Ehriftus der Schlüffel aller Wiffenfchaft, auch der Natur. Durch das Wort, ‘wenn wir mit ihm geeint find, durch Jeſus, können wir die Sprache - aller Dinge verfiehen, d. 9. fie ſelbſt. . 1040 Die dritte Yerlode, Einleitung. Gefangenen halt⸗ unb faßbar zu machen, per descemsum fh entäußern, bepotenziren. Verbum Dei caro factum. Iſt das Gottesbild im Menfchen actu untergegangen, blos noch potentia vorhanden, und lebt Dagegen bie äuffere Welt in ihm, fo iſt ihm jo wenig, als einem Kranken ohne Mittel, mit jener ohnmäch⸗ tigen potentia als bloßem ober aller Kräfte entblößtem Bermögen geholfen ; ſchon die Erinnerung an feine Geſundheit fordert bie Hülfe eines fih ihm nun von auſſen barfiellenden, gefaltenden, in ein Bild coutrahirenden Gottes, ober einer göttlichen Geſtalt. Da ber feinem Sig entfallene Menſch zur Rettung eines ſich ent⸗ äußernden, auf gleiches Niveau ſich mit ihm fiellenden Gottes bedarf, fo iſt es Teinedwegs ein religiöfer Materialismus, vers liebte Thorheit, unſchuldiger Goötzendienſt, wenn ber Chriſt, der durch Chriſtus die Gottheit: erficht und mit ihm ald einer gott geſandten himsmliichen Geſtalt zu ben höchſten Ideen ſich empor ſchwingt, — glaubt und glaubend inne wird, daß er nur am, oder vielmehr in ihr füch empor ſchwingt. Glauben berüßet ex dieſe Fräftige himmliſche Geftalt, der Glaube aber öffnet, ſetzt in Rapport, macht einer fremden Perfönlichleit theilhaftig Um in diefer äuffern oder Formenregion ſich darzuſtellen ?2), wo alles noch als Einzelnes auftritt neben und gegen Einzelnes muß ſelbſt das ewige Wort in Bereinzelung auftreten und feiner fosmifchen Bedeutung zunächft, in Beziehung auf ben ac- tus, ſich entänßern. So erfihien benn ber bie ganze gemein- fame menfchliche Natur an ſich nehmende Gott in einem einzel: nen Menfchen neben andern, und biefe feine Einzelheit erhält ſich auch nothwendig fort und fort in ber Kirche und burd bie Sa Iramente ; diefe Nothwendigkeit ber wirffamen Vergegenwärtigung bes allgemeinen Einen burd) ein Einzelnes wird fo Tange dauern, bis dieß Gemeinfame in das Gentrum aller einzelnen Formen wirb burchgebrungen fein und alles Anorganiſche an ihnen ſich wird ſubjicirt und organiſch, d. h. von innen heraus aſſumilirt haben, oder bis Gott Alles in Allem wird geworden ſein. Schon 22) Ferm. cogn. IL, $. 1 ff. und im zweiten Band der Geſammelien Schriften ZW., ©. 427. Stanz v. Baader. 1041 Chriſti Tob bat feine fräper befcheinfte äuſſere Gegenwart zu einer kosmiſchen, aber annoch verhüllten, erhoben. — Dazı, daß der Menſch wieder erhoben werbe, gehört nicht bios bes Menſchen Selbitentäußerung (im Glauben) fondern auch bie Selbftentäußerung Chriſti; beides muß zufammentreifen. Letztere beſtand darin, daß bas Princip ſelbſt auch Organ und Werkzeug, Geiſt und Natur wurde. In beide eingehend wurden in ihm beide durch ſiegreichen Kampf in ihre wahre Stellung gebracht. Der Sieg aber, der in ihm als ber Urperſon ober dem homme general vollbracht it, ſoll auch der unfrige werben. Denn bei feiner Menfchwerbung ſoll es nicht ſtehen bleiben. Die Geburt Gottes iſt überhaupt eine dreifache (Bd. IL, f. Abh. ©. 398): 1) Die ewige Geburt des Sohnes Gottes aus dem Bater; 2) die in Maria; 3) die in ben Ehriften geſchehende. Chriſtus aber iſt Centrum aller Menfchwerbung: unb wie burch Selbſt⸗ entänßerung das Wort fie begann in Ehrifto, fo feht es fie fort in uns. Im Abendmahl und für den fich entäußernben Glauben entänßert es ſich dazu, Nutriment, d. h. Kraft zu werben, um. als Yerfon im Menſchen aufzuſtehen. Fortwaͤhrend gibt es ſich uns bin, um ats Keim einer neuen Perfönlichkeit in bem Mens ſchen aufgenommen zu werden 2°). Auch hierin, wie in fo 23) In der Schrift über bie drei Kundamentalartifel 2c. 1889 verfucht Baader näher die Art und Weiſe der Menfchwerbung Gottes in Chriſto auseinander zu feßen; jedoch da er hier in ziemlich uns klarer Weiſe faf nur Böpm’fche Ideen mittheilt, fo übergehen wir das Einzelne. Der Haupigedanke if, daß zur Erlärung der Menſchwerdung des Wortes die Unterfiheibung zu machen fei zwi⸗ ſchen dem Wefen ober der Natur Bottes und Bott ſelbſt. Aus der göttliden Natur oder Wefenpeit ſei Adams urfprünglicer - Reid, ein himmliſches, wenn ſchon gefhaffenes Weſen, verblichen durch die Sünde, aber potentiell foridauernd in der Menſchheit. Das Wort nun gieng nicht unmittelbar in dieß verblichene ge ſchaffene (himmiifche) Wefen ein, das (als Weibesfame) fortbanerte, fondern das Wort, bie ſchaffende Subſtanz, erweckte dieſe verblichene in den ſtillen Tod gegangene Subſtanz in Maria, und gieng ſofort nach ſeiner Natur oder Weſenheit in dieſe ein. Die Lehre son einer Natur in Bott und von einer urſprünglich höhern menſchlichen Weſenheit fol wieder dazu dienen, ven Sohn Gottes 1042 Die dritte Periode. Einleitung. mandem Andern ſchließt fih Baader an Böhm und bie alte deutſche Myſtik an. Neben Baader verdient Novalis eine Stelle. Wie Bas⸗ der wendet er ſeine Liebe dem Alterthum und feiner ahnungs⸗ veichen Fülle, die es vor allem in feiner Myſtik niedergelegt hat, zu; wie er ift er ein Verehrer Böhms Cogl. Non. Werle Bo. II. S. 43 ff. das Gedicht an Tied, deſſen Gegenftand Jacob Böhm if). Diefer edle Geift gehört wie Einer zu den Bor boten ber neuen.Zeit; er iſt aber den bisher genannten Männern auch darin ähnlich, daß es, was ihm vorſchwebt, noch nicht zu einem organifchen Ganzen verarbeitet, fondern bei großen, weit⸗ greifenden been ftehen bleibt, bie wir wenigſtens zu einem Um⸗ riffe zu gruppisen fuchen wollen. Die Stellung von Novalis if eine ſehr charakteriftifche, aber auch durch die Mannigfaltigfeit der Bildungeelemente, bie im ihm nach Bereinigung ringen, feltfame und ſchwer zu zeich⸗ nende. Um aber den Uebergang aus der einſeitigen Sub⸗ jectivität zu begreifen, if das Verſtändniß einer geiſtigen Gehalt, wie bie feinige, ungemein lehrreich; wie überhaupt bie. roman⸗ tifche Schule in dieſem Betracht eine wichtige Stelle einnimmt. Einerſeits nemlich ſtellt fih in ihm die. Subjertivität in ihrer äußerften Zufpigung dar; aber weil fie ihm nicht blos die benfenbe if, fondern die Totalität des Menfchen umfaßt, fegt fie ihn auch mit der Objectivität in Verbindung. Aber bas Borherrfchen ber Subjectivität läßt es nicht zu einer wahren Anerkennung und Vermählung mit jener fommen, fondern er bleibt in feinem zu vermitteln mit der Menſchheit, erflären, wie ſowohl die Menſch⸗ heit (Maria) habe Antpeil Haben können an biefer Oekonomie, als wie der Sohn Gottes habe zu dieſer Menfchheit fi entäußern Zönnen. Die kreirende göttliche Natur fei nad Edhart unperfont vor diefem Eingang (d. h. erft in Eprifio gelangte die ſchaf⸗ fende göttliche Natur zu einer perfönlihen Selbfivarfiellung). Berwandt iſt der bei Andern 5. B. Bren$ und Andreä vorloms mende Gedanke, daß die göttlide Ratur, nicht pie Perſon das Aſſumirende ſei, aber terminus der affumirenden Ratur ſei die Pers “ Söntichleit. — NMebrigens laßt auch Baader in Chriſto bie Unauf⸗ löslichkeit der Kräfte, die in Adam auflöslich find, eintreten. Novalis. 1043 Schwanlken, indem er bald aus ber Objektivität nur machen will, was dem Subjekt beliebt, fie nicht fie ſelbſt fein laſſen will, bald aber wieder an ein gegebenes Objekt fich anzufchließen das Be bürfni hat. Die Vermittlung fcheint für ihn barin gelegen zu haben, daß er es dabei nicht will bewenden Iaffen, willkürlich aus dem Objett — 3. B. dem ber Religion zu machen, was ber momentanen Subjeltivität beliebt, ſondern an einer bleibenden Bebeutung des Objektis fefthalten will; einer Bedeutung, bie zwar nur als vom Subjekt geſetzte für daſſelbe Gültigkeit haben fann, darum aber boch für das Subfeft im wechfelnden Strom ber Gebanfen oder Empfindungen etwas Bleibendes, Feſtes ift, zu welchem immer wieder zurückgekehrt wird, um in ihm fich zu fammeln und zu erheben: an bas alfo auch eine Art Hingabe ftatifinden Tann, aus welcher ber Geift erfrifcht wieder aufer: fieht. So macht fih in ihm ber Vebergang zu einer Art von Objektivitäi. Jene energiſche Subjektivität, in welcher der Fichtianismus nachklingt, zeigt ſich da, wo er von der Allmacht des Willens ſpricht, der als ſittlicher zugleich Gottes Wille iſt (II, 256). Sitiliches Gefühl, ſagt er (S. 254), iſt Gefühl des abſolut ſchöpferiſchen Vermögens, ber produktiven Freiheit, ber unend⸗ lichen Perſonalität, des Mikrokosmus, der eigentlichen Divinität in uns. Das wahre Wunder iſt das moraliſche, denn das Böſe, was nur durch ein Wunder zu heilen iſt, heilt die Wil⸗ lenskraft (S. 251). Auch die Ue berzeugung (S. 247) kann nicht durch äußere Wunder gewirkt werben 29); die wahrhafte Ueberzeugung tft die höchfle Funktion unferes Gemüths und uns ferer Perſonalität. So iſt ihm der Wille bie unumfchränfte Macht auf dem Gebiete bes Handelns und der Vieberzeugung. 20, Wie ihm die rationaliſtiſche und die fupernaturaliftiiche Betrach⸗ tungsweife ſich verföhnen, iſt angebeutet ©. 247. vgl. 250: Die Erhebung iſt das vortrefflichfte Mittel, das ich kenne, um auf eins mal aus fatalen Eollifionen zu fommen. So z. B. die Erhebung aller Phänomene in Wunderftand, der Materie zu Geifl, des Mens ſchen zu Bott, aller Zeit zur goldenen Zeit. Dorner, Chriſtologie. IL Ate Ruß. 67 1044 _ Die dritte Periode. Einleitung. Beides aber geht ihm dadurch in Eines zufammen, daß er unter der Träftigen Willensthat bie Erhebung in das göttliche Weſen verfieht. In dem moralifhen Sinn wird uns Gott vernehms> lich; je moralifcher, deſto göttlidher (S. 256). Eine innige mos ralifche UVeberzeugung iſt ihm eine göttlihe Anſchauung. Solche moraliihe That, bie zugleich innige Ueberzeugung iſt, nennt er dann au) Glauben. Den Glauben fest er fo mäch⸗ tig, daß er fagt, wenn Einer wahrhaft glaubte, er fei moralifch, fo würde er es auch fein (S. 252). Diefer Glaube fest Leiben, Sterben, Tod voraus (S. 265). Indem das Herz abgezogen von allen einzelnen wirklichen Gegenftänden nur fich felbft empfins bet, ſich felbft zu einem idealiſchen Gegenſtande macht, entſteht Religion. Alle einzelnen Neigungen vereinigen ſich in Einer, deren wunderbares Objket ein höheres Weſen, eine Gottheit if, baher echte Gottesfurcht alle Empfindungen und Reigungen ums faßt (S. 266). Indem alles Einzelne, was Anſpruch mach, für ſich etwas zu gelten, zum Opfer gebracht wirb, fo werben wir dadurch des höchſten Weſens werth (S. 265) und biefes offenbart fich in ung; jedoch nicht als ein fremdes, fondern als unfer eigenfies Weſen. Wenn fi nun hierin ber intereffante Uebergang macht von Jacobi's Selbſtgefühl der edlen Seele zum Innewerden ber eigenen Göttlichkeit, fo ift doch zugleich bei No⸗ valis biefes Göttliche als ein Obfektives gewußt. Der ſtarke fubs jeftive Wille, dee Glaube, ift darum fo allmächtig und wunbers thätig, weil in ihm aus dem Tode bed bios individuellen Wil Iens, der allgemeine, göttliche auferftund; daher die Willensthat bed Glaubens, bie das Göttliche erfaßt als das wahre Weſer bes Menfchen, zugleih und in Einem auch. Dahingabe, Empfans gen ifl. Don ber bloßen Subjektivität entfernt ex fich aber noch entfchiebener in feinem religiöfen Verhalten dadurch, daß er nicht bei der Reflerion auf. fih ftehen bleibt, fondern nach Orgamen, Bermittlungen des religiöfen Bewußtſeins fi umfieht: alfo nicht blos (wie die angeführte Stelle S. 266 andeuten könnte) aus ber Negation alles Einzelnen zum Göttlichen fommt, fondern dem Einzelnen auch die pofitive Bebeutung ein Behifel des Gött⸗ lichen zu fein zugefteht, Diefe Organe nennt-er Mittler; und Novalis. 1045 ſagt geradezu (S. 262), es iſt Irreligion, wenn ich gar keinen Mittler annehme. Freilich ſcheint ihn nun die Subjektivität wieder zu hindern, zur chriſtlichen Idee bes Mittlers überzugehen. Denn jeber Ge⸗ genſtand kann dem Religiöſen ein Tempel im Sinn der Augurn ſein; jedes Willkürliche, Zufällige, Individuelle kaun unſer Welt⸗ organ werden (S. 263), wodurch wir den Geiſt dieſes Tem⸗ pels, den allgegenwärtigen Hohenprieſter und monotheiſtiſchen Mittler vernehmen, welcher allein im unmittelbaren Berbältnifie ‚mit der Gottheit fieht. — Und ©. 261 fagt er zwar: Nichte ift zur wahren Religioſität unenibehrlicher, als ein Mittelglied, das und mit der Gottheit verbindet; unmittelbar kann ber Menfch ſchlechterdings nicht mit derfelben im Verhältniß fteben, fährt aber fort: „In der Wahl dieſes Mittelgliebed muß der Menſch durch: aus frei fein, der mindefle Zwang hierin fchabet feiner Religion. Die Mittelglieder find: Fetiſche, Geſtirne, Thiere, Helden, Götter, Götzen, ein Gottmenſch. Da biefe Wahlen offenbar relativ find (d. h. angemeflen dem geiftigen Zuftand eines Volls und fein Abbild), fo wird man unbemerft auf die Idee getrieben, daß - das Wefen der Religion wohl nicht von ber Beichaffenheit des Mittlere abhänge, fondern lediglich in der Anficht beffelben, in den Berhältniffen zu ihm beftehe.“ So einfeitig idealiſtiſch nun dieſes Iautet, fo ift Doch, wenn das Weitere dazu genommen wirb, hiemit nichts gefagt, als was unläugbare Wahrheit it, daß nur Dasfenige für ein Volk ber Bott fein kann, was feiner Bilbungsfufe gemäß von ihm aufe gefaßt und vorgefiellt wird. Damit iſt aber nicht ausgeſchloſſen, daß die Menfchheit, der fü ein objektiver Bildungsgang einge⸗ pflanzt iſt, fo auch bie Nothwendigkeit in ſich trage, aus ber unberechenbaren Zufälligfeit der Wahl ihres Mittlers zu Einer feften, ewigen Geftalt deſſelben füch zu erheben. Auch Novalis fügt: Die Wahl ift charakteriftifch, es werben mithin bie ges bildeten Menſchen ziemlich gleiche Mittelglieder wählen, ba bins gegen ber Ungebilbete durch Zufall hierin beſtimmt werben wird (S. 261). Näher fagt er (S. 264): Unter Menfchen muß man Gott fuchen, in den menfchlichen Begebenheiten, in menſch⸗ 0. 67 * 1046 Die dritte Periode. Einleitung. lichen Gebanfen und Empfindungen offenbart ſich der Geiſt des Himmels am hellſten. Hier ſteht er nun an dem Punkte des Ueberganges zum chriſtlichen Mittler. Es fehlt nicht an Stellen, wie: Chriſtus iſt der neue Adam (S. 272). Er hat eine zweite höhere Schöpfung gebracht; denn bie Vernichtung der Sünde, dieſer alten Laſt ber Menfchheit, und alles Glaubens an Buße unb Sühnung ift durch die Offenbarung des Chriſtenthums eigentlich bewirft worden. Wer bie Sünde verfieht, verfteht- Die Tugend und das Chriſtenthum, ſich felbft und die Welt; ohne dieß Ber ſtändniß kann man ſich Chriſti Berdienft nicht zu eigen machen, man bat feinen Theil an diefer zweiten höheren Schöpfung (©. 259. S. 270) Aber andererſeits (S. 270) weiß- er das Chriſtenthum nicht vollſtändig mit bem zu veimen, was er Pans theismus nennt, und was ihm bas Höchſte iſt; daher er nahe baran fcheint, im Pantheismus das Ende ber hriftlichen Religion zu finden. Dieß.ift näher auseinandergefept S. 262. 263. vgl. mit S. 287. 298. Wie vermittelt fih ihm Beides? „Es ift ein Götzendienſt im weiteren Sinn, fagt er, wenn ich diefen Mittler in der That für Gott ſelbſt anfehe, wie es Serreligion ift und Unglaube, feinen Mittler zu haben. Wahre Religion ift, die jenen Mittler als Mittler annimmt, ihn gleichfam für das Organ der Gottheit hält, für ihre himmliſche Erſcheinung; jo hatten die Juden in ihrer meffianifchen Erwars tung eine echt veligiöfe Tendenz. Aber die wahre Religion fcheint wieder getheilt in Pantheismug und Monotheismus, — und eine Antinomie zwifchen beiden zu fein.“ Unter Pantheismus serfteht er, daß Alles Organ der Gottheit, Mittler fein könne, indem das Ich es dazu erhebt; unter Monotheismus den Glau⸗ ben, daß es nur Ein folhes Drgan in der Welt für uns gebe, das allein der Idee eines Mittler angemeflen fei, und wodurch Gott allein fich vernehmen laſſe. Den Namen ber wahren Re ligion will er dem Monotheismus nicht abfprechen. Er verbient ihn, wenn er flatuirt, dieß Organ zu wählen werde der Menſch genöthigt durch ſich ſelbſt. — Novalis ſelbſt aber Halt mehr daran mit Vorneigung feſt, daß das Organ nur durch und Rovalis. Schleiermacher's Reden. Weihnachtfeier. 1047 ſelbſt zum Organ erhoben werde, wobei feine Objektivität an ſich gleichgültig bleibt. Dennoch bietet ſchon das oben über die Gleichheit und. nothwendig wachſende Einheit in der Wahl des Mitilers Bemerkte eine Löfung diefer Antinomie dar. Und wirt lich ahnt auch Novalis biefelbe (S. 263). „So unverträglid beide zu fein fcheinen (die Anficht, nach welcher Alles ein Recht Hat, Organ Gottes zu fein, und bie Anſicht, nach welcher die nur Chriſto zufommt), fo läßt fih doch ihre Bereinigung bewerfftelligen, wenn man den monotheiftifchen Mittler (Chris ftus) zum Mittler der Mittelmelt des Pantheismus macht, und biefe gleichſam durch ihn centrirt, fo daß beide einander, jedoch auf verſchiedene Weife, nothwendig machen.“ Die Berfühnung aber findet er darum .in ber Idee Ehrifti als bes Mittels punkts der Welt, weil fo tbeild auch der Welt bie Bedeutung bleibt, Organ flie die Religion zu fein, theils doch dieſes nur Durch die Vermitklung des allgemeinen Centrums, bes vollkom⸗ menen Gottmenfchen, fo daß diefer der einige Mittler bieibt, wie er anbererfeitd mitibeilfam if. Jedoch hat er biefes nicht näher auselnanbergefett und begründet, wohl aber mit großer. Liebe der Idee⸗der allgemeinen (menn fehon nur durch Berföh- nung. der Sünde fi vermittelnden) Menſchwerdung Gottes ſich zugewandt. Und auf biefen Punkt beſonders werfen ſich feine begeifterten Hoffnungen für die neue Zufunft. 25). — — — 25, &. 285: Daß die Zeit der Auferſtehung der Religion gekommen iR und gerade die Begebenheiten, die gegen ihre Belebung gerich⸗ tet zu fein ſchienen und ihren Untergang zu vollenden broßten, — die günftigfien Zeichen ihrer Regeneration geworben find, dieß fann einem hiſtoriſchen Gemüthe gar nicht zweifelhaft bleiben. — So fpricht er nach einem geifivollen Ueberblick über bie Geſchichte des Unglaubens und der deſtruktiven Richtungen im vorigen Jahr⸗ hundert: „Wahrhafte Anarchie iſt das Zeugungselement der Reli⸗ gion. Aus der Vernichtung alles Poſitiven hebt ſie ihr glor⸗ reiches Haupt als neue Weltftifterin empor. Aus der allgemeinen Auflöſung treten die höhern Organe und Kräfte wie von ſelbſt als ver Urkern der chriſtlichen Geſtaltung heraus. Der Geiſt Got⸗ tes ſchwebt über den Waſſern und ein himmliſches Eiland wird — ſichtbar über den zurückſtrömenden Wogen.“ 1048 Die dritte Periode. Einleitung. Dieſen Ideen ift fehr verwandt, was Schleiermader in der Weihnachtsfeier und den Neben über Religion und zum Theil Fichte in feiner fpätern Periode ſagt. Doch es ift Zeit, aus den Vorhallen der neuern Zeit zu treten, und zu betrachten, wie fih auf dialektiſchem und firenger wiffenfchaft- lihem Wege der Fortichritt, die Ueberwindung ber extremen fubjektiven Richtung machte, bei der ‚wir oben: flehen blieben ? Wir betrachten zuvor nur noch, wie fi) derſelbe namentlich im Fichte negativ in feiner Nothwendigkeit barlegte. Das Ungenügende und den innern Wiberfpruch. ber bis zu ihrer Spige fich forttreibenden Subjektivität haben wir ſchon oben zum Theil erfannt, wo bie Kritik ber auf Jacobi erbau ten Theologie das Nefultat gewann, es bleibe nach der Jacobi: ſchen Anſicht ein wefentlicher und unauflöglicher Zwieſpalt zwifchen Berftand und Gemüth, ein die Einheit bes Geiftes zerftörender Dualismus als‘ das Leute fliehen. Der Berfiand, ein geborener Gottesläugner, fchlechthin endlich und .deni Enblichen zugewandt ; das Gemüth und Gefühl vernehmend das Unendliche, ja darin allein befriedigt und felig. Yon dem Göttlichen blieb da noch ein ſchwacher Reſt der Objeftivität übrig, -fofern nemlich bie höheren Gefühle von Jacobi als bewirkt durch ein Objektives Göttliches angefehen wurden, das fich unmittelbar dem Geifte zu vernehmen gebe. So lange jene Gefühle wicht blos ale ein Innewerden ber eigenen ebeln Natur, Als Selbftgefühle angefehen wurben, blieb immer noch dem Göttlichen einige wenn fchon ges ſchmälerte objeftive Bedeutung. Allein fhon Jacobi neigte fü in etwas zu ber Anficht, Daß dag vernommene Göttliche nur das Bernehmen des Ichs ſelbſt und feines innerfien Weſens fei, was fich befonders in der oben befprochenen abfoluten Macht⸗ vollfommenheit ausſpricht, die nach ihm die Subjektivität Bat, zu beflimmen, was gut und was böfe fei. Obwohl ber Ber: ftand nach Jacobi durchaus nur endlich ift, fo iſt doch das Gemüt göttliher Art. Damit war ſchon der Anfang dazu ges macht, die göttliche Objektivität in der Subjeftivität aufgehen zu laſſen; dieſe fo zu fleigern, daß jene ausgefchloffen, ihr Raub aber der Subjeftivität zugelegt ward: eine Richtung, die von Fichte. Friedr. Sglegel. Jacobi. 1049 Fr. Schlegel noch weiter ausgebildet wurde. Bon dem objek⸗ tiven Göttlichen können wir ja nad Jacobi 2%) nichts wiſſen; dagegen ift bie eigene, edle, göttliche Natur uns immer nahe. Ein Gott, von dem wir nichts wiffen fönnen, muß eben darum, weil er in unfer Denkſyſtem nicht eingreifen kann, nicht blos ignorirt werben, fondern wird im natürlichen Fortgang ber eine Einheit fuhenden Vernunft ausgefchloffen und negirt, weil feine Annahme nur einen Dualismus in die Vernunft bringt. Was abfohrt nicht gebucht ‚werben kann, gegen was der Verſtand nad) feinem Wefen, nicht blos nach feiner zufälligen Ericeinung Widerſprüche erheben muß, bas kann nur als unmöglich prä⸗ dieirt werben. Und wie im Deismus bad Ignoriren Gottes von felbft zum Materialismus und Atheismus wird, fo war von der Jaco bi'ſchen Denfweife, welche noch durch einen fhwachen Faden an die Subjeftivität ein Objeftives anfnüpfte, bie confequente und wiflenfchaftliche Durchführung nichts Andes res, ald das völlige Ausfchliegen aller Objektivität durch bie Subjektivität, ober ber abfolute fubjektive Idealismus, den Fichte aufgeftellt. Wir können die Fichte ’fche Lehre in feinem Say zuſam⸗ menfaffen: das Ih ift Ein und Alles. Es iſt einziges Urprineip, es ift abfolut. Allein andererſeits ift es auch nicht abfolut, inſofern die Erfahrung von Anderem, von einer felbfts fländigen Welt zeugt, durch welche als durch ein Nichtich die Abfolusheit des Ich befchränft, d. b. aufgehoben wird. So ver: folgte die Objektivität, welche von dem Ich ausgefchloffen wer⸗ ben follte, diefes wie fein Schatten immerdar, von dem das Sch nicht loskommen konnte. Einerſeits mußte das Ich, um fi als abfolutes zu bewähren, alle Objektivität zu überwinden trach⸗ ten, weil jedes Sein, das nicht — Ich, nicht Denken war, ihm als ein Anderes, feine Abſolutheit Befchränfendes gegenüber ftand; andererfeitd aber, wenn ihm dieß vollftändig gelingen ſollte, mußte dem Denfen fein Gegenfiand und Inhalt ents 26) Bgl. Jacobi's Brtef an Fichte, beſonders bie Stelle: Ja, ich bin der Atheiſt, ver Gottlofe ac. 1050 Die dritte Periode. Einleitung. ſchwinden. Ein Denken aber, bem der Inhalt fehlt, ift Nihilis⸗ mus; und denft es fich gleich ſelbſt, fo bleibt doch ein foldhes Denken des Denkens, das nichts benft, ein leeres Denfen, ein Nichtsdenken. Gelang alfo der Subjektivität ihr Verſuch, ſchlecht⸗ hin alles Sein in fi aufzuzehren, fo ſchlug die errungene ſchein⸗ bare Allmacht der Subjeltivität in den Nihilismus, in ben Un: tergang bes Denkens um. Diefer Inhalt nun kann nicht reftituirt werben durch bie theoretifche Vernunft. Denn biefe verhält ſich nach der Betrach⸗ tungsweife Kants und ber ganzen Reflerionsftufe nur vefleftirend auf ein Gegebenes, nur receptio, nicht probuftiv ?). „Wenn nun alfo die theoretifche- Vernunft für fi nicht von der Gtelle fommt, fo iſt Dagegen in ber praftifhen Bernunft em produktives Princip. Im fittlihen Wollen ift ein Inhalt, ben ber Wille fich felbft ſetzt, der fittliche Zweck, der nicht von auffen, fondern von dem Subjeft ſich felbft zum Inhalt gegeben ifl. Damit aber ein Handeln flattfinden Tönne, muß etwas Ein: zelnes gefegt fein; denn fonft kann das Wollen nicht ein Bes ſtimmtes fein, und es würde wiederum aus dem Wollen ein Nicht: wollen, wie vorhin aus dem Denfen ein Nichtvenfen. So be darf alfo das praftifche Sch eines Beftimmten, eines Nicht⸗Ich, um fich zu verwirklichen; es fett aber diefes Nicht: ch felbft aus feiner Probuftivität heraus für feinen Zwed, die Realifirung der Freiheit; ſekundär ift hiemit auch wieder ein vom Ich als praftifchem ſelbſt gefegter Inhalt der Vernunft als theoretifcher geworben. Ans gewendet auf das Gebiet der Religion heißt dieß: der Wille hat ber Weltorbnung, Gott Wirklichkeit zu geben. Gott ift zu realiſi⸗ rende Aufgabe der praftifchen Vernunft, Gegenftand ber theores tifchen nur fefundär und mittelbar. Allein das Ungenügende biefes Standpunkts erhellt ſogleich, wenn wir erwägen, daß nach Fichte bie Realifirung jenes Zwecks (oder Sollens) nichts anderes ift, als Ueberwindung der Schranfe bes Nichtich, die das Ich, um ein praftifches zu fein, über ſich 7) Diep if bündig von Schelling, Zeitfchr. für ſpekul. Phyſik. 1801. Borr. VI. ausgefprocen. Fichte. Friedr. Schlegel. Jacobi. 1051 nehmen mußte. Das Nicht⸗Ich iſt alfo eben. fo fehr das zu Negirende, als das Unentbehrtihe: — daher das praktiſche Ich einem progressus in infinitum anheimfällt. Wie es nun ein zweckloſes Thun iſt, das Nichtsfeinsfollende fchlieplich zu dem Ende zu ſetzen, nicht etwa daß eine: höhere Geftalt des Seins . werde, fonbern daß das Richtsfein-follende nicht fei; fo iſt übers Baupt, fo lange einfeitig auf dem ypraftifchen ober moralifchen Stanbpunft beharrt wird, mur die ewige Unruhe einer Agilität gegeben, die eben fo fehr nach dem. Sein haſcht, — der Freiheit, als dem Ziele des Sollens — wie ihm entflieht, weil der prafs tifchen Vernunft die Erreichung bes Zieles, zu dem fie in uns endlicher Annäherung begriffen ift, Regungslofigfeit, Tod wäre. Die Trennung des theoretifchen Ich vom praktifchen, bie son Fichte fo wenig als von Kant in ihrer gemeinfamen Einheit und Wurzel, — der Religion, freilich nicht der 6108 ſubjectiven Jaco⸗ bis, — erfannt find, ift die Trennung des Seins von dem Sollen, denn das Erkennen bat zu feinem Gegenftande das Sein, wie die praftifche Vernunft Das Sollen. Beides aber ifl gleich übel beratben, das Sollen ofme ein Sein, und das Sein ohne ein Sollen. Denn das Sein für ſich ift regungslos, fommt es nicht in Fluß und Gliederung, fo ift ed von feinem @egentheile, dem Nichts, nicht zu unterfcheiden. Daraus folgt, daß erft, wenn bie bisher fo ſchroff getrennten Seiten, die theo⸗ retiſche und die praftifche Vernunft ſich burchbringen, ber wahre Standpunkt gewonnen if. Da wird das Erfennen nicht mehr blos eine Rereptivität, eine Reflerion auf Gegebenes fein, fon: dern die praftiiche Vernunft bat fi als Trieb ober treibender Impuls, als Princip eines Proceffes dem Denken vermählt, und au das Denfen — obwohl von Gegebenem ausgehend, wie es ja auf das Sein gerichtet ift, ift dann producivend, nemlich näher reproductiv. Und andrerfeits, wenn das Sein, was Gegen ftand des Erkennens ift, der praktiſchen Vernunft fi) einverleibt bat, fo geht diefe nicht mehr in enblofe Unruhe fort, fondern bie Verſöhnung des Geiftes in fich ift dann gefchloffen, weil er fort: fhreitet auf ber ewigen Grundlage bes Seins. Das Sollen ift da herabgeſetzt zur Lebendigkeit des Seins, ober vielmehr dazu 1052 Die pritte Periode. Einleitung. Fich te's beide Stopunkte, erhoben, wie auch ber praftifhe Trieb nicht mehr ein blindes Thun, fonbern ein vernünftiges, Erplifation ber Bernunft if. fpefulativ als praftifch fort. Und wenn gleich jetzt der ſpeknla⸗ . tiven, jet ber praftifchen Seite zugewenbet, ift es doch immer der ganze in ſich verföhnte Geiſt, der ſich theoreiifh im Er⸗ fennen ber Wahrheit verhält, praftifch im Geflalten der Welt der Sittlichleit. Aber dieſe Berföhnung ruht auf ber Anerfeunung einer Dbjeltivität; nur daß diefe nidyt mehr als das Fremde, fon dern ald das an ſich Geiſtige (daher Reprobuftionsfühige) gewußt werben muß. Durch Fichte nun erweist ſich die Zufammengehörigfeit des Objekts und Subjelts auf doppelte Weife, nemlich an dem ent: gegengefepten Berfach, bas Eine je durch das Andere ausſchließen zu wollen. Die erfie Weife war bie beiradhieie, — das Ob⸗ jeft anszufchließen durch das Subjekt. Das Nefultat war, wie wir fahen, daß das Subjeft über dem endloſen Sollen ſich felbk in Wiberfprüchen verliert, wenn es nicht dadurch jüh erhält, bag es ein Richtich theils vorausſetzt, theils in ihm ſich ſelbſt finder oder verwirklicht, flatt ed zu vernichten. Die anbere Weife ift bie fpätere Geflaltung bes Fichte⸗ fchen Syſtems, die wir bie fpinoziftifche nennen können *8). Hier hat das Objekt als abfirafies Sein ganz jene fchlehihin aus» ſchlichende liegende Stellung gegen die Subfektivität eingenommen, welche =) Dan bet Pan betrachtet die Anſichten, welche Fichte in der Anweiſung zum feligen Leben ausfpricht, noch jeßt nicht felten als ein Ermatten des ſtarken Ich, das ſich der ganzen Objektivität gewachſen gefüplt hatte. Allein den Uebergang aus feinem ſubjektiven Idealismus zur ſpinoziſtiſchen Anficht nicht als etwas fo Zufälliges anzufehen, “dazu fordert fhon an ſich die Entwidlungsgefchichte der Männer, die von feinem Spftem flärker angeregt waren, wie Schleier: maders, Novalis, Schellings auf. Befonders letzterer hat die klare Einfiht von der Nothwendigkeit diefes Uebergangs in der Borr. zur Zeitſchr. f. ſpek. Phyſik Bo. IL, 2. 1801, wo er bie Hoffnung diefes nothwendigen Kortfchritts in Beziehung auf Fichte aus: ſpricht, noch ehe ihn diefer gemacht hatte. Auch Daubs Theole- gumene, 1806, fallen Hicher. & 5 ’ ein Beweis f. d. Zufgehörigkt. der Objeftt. u. Subieltt. 1053 zuvor biefe ſich zugefprochen hatte. Der Vebergang vom erften Standpunkte zum zweiten macht fich gleich leicht, mögen wir jenen in feinem Ausgangspunkt oder in feinem Ziele auffaffen. Ziel ift doch offenbar das Sein, das Erreihthaben ald Ende des Sollens. Als Ausgangspunkt aber mußte Fichte das Abfo- Iute, Unbebingte feten, was ber Wille an ſich fei, der fich fos fort nur in Schranken begibt, um zu handeln. So faßt ihn auch Novalis auf, wenn er fagt: Fichtianismus iſt angewandte Reli⸗ sion. Je mehr ihm die Widerſprüche ſich aufthaten inedem eins feitig fubjeltiven Thun, defto näher lag es, auf Die andere Seite fi) zu werfen, die Objektivität des Subjekts, fein An fuh ober das göttliche Wefen in's Auge zu fallen. Aber den Stanbpunft der Reflerion, auf welchem beides, das Subſektive, Menfchliche, und das Objektive, Göttliche ſich widerfprechen und ausfchließen, bat er auch fo noch nicht überwunden, fondern jetzt nur nad) ber enigegengefeßten Seite hervorgelehrt. Wie ihm zuvor bag Göttliche nur als Produkt des Subfefts erfchienen war, fo jegt umgefehrt, das Subjekt nur als Accidens der göttlichen Sub: ſtanz. Er ſchließt in feinen beiden Geftalten die alte Zeit voll: ftändig ab, und fie in ſich in feinen zwei Formen refapitulicend, bildet er von beiden Seiten den Schlußftein zum Erweife, daß das Subjektive unwahr gedacht ift ohne das Objektive und um: gekehrt; daß alfo beide. als zufammen gehörig wefentlich Eins find %). Denn jeder biefer Begriffe Tosgeriffen von ber 29, Es mag hier die nähere Charakteriſtik Fichte's auf feinem zweiten Standpunkt folgen, um fo mehr, da auf dieſem eine Vermitt⸗ lung zwifchen der Thevlogie und Philofoppie wieder verfucht wer⸗ den konnte. In der Amwelfung zum feligen Leben (befonvers Bor: lefung 6 und Anhang) läßt er fih alfo vernehmen: Das einzige wahre Sein und Leben iſt das göttliche Leben, weiches frei hervortritt in dem Leben des gottergebenen Menfchen. In diefem Handeln handelt nicht der Menſch, fondern Bott feld; der durch den Menfchen fein Werl wirket. Bott hat erfifich ein inneres, in fi verborgenes Sein. Sodann {fl er aber auch ba, bat ein Dafein, welches zugleich ein Willen if. Dieb Dafein aber iR wieder Bott ſelbſt, fein Sein, nicht verſchieden von ihm, und wird bewußt in dem Menſchen. So ift Bott und Menſch abfolut 1054 Die dritte Periode. Einleitung. wefentlichen Einheit mit dem andern und für ſich geltend gemacht gegen ben andern, geht felbft unter, und zwar durch die Reaktion Eins, und die Kinfiht in diefe Einheit if die tieffte Erkenntniß, die der Menſch erfihwingen kann. Diele Einficht findet jebt ver Philoſoph, fo viel er weiß, unabhängig vom Chriſtenthum, und zwar in befferer Korm. Doch bleibt ewig wahr, daß vor Epriftus jenes Kleinod der Erfenntniß nirgends vorhanden war, wie wir denn auch mit al unferem Erkennen im Chriſtenthum wurzeln. In jedem, der an’s Göttliche ſich hingibt, und zu allen Zeiten wird nach der confequenten philofophifchen Einfiht das ewige Wort ganz auf diefelbe Weife, wie in Jeſu Chriſto, geboren, Fleiſch, d. h. ein perſönliches, finnlich menfchliches Dafein. Allein wie wird diefe Möglichkeit der Geburt des Wortes im DMenfchen, die Allen gegeben iſt, zur Wirklichleit? Das Epriftentpum lehrt: durch Ehriftue. Das iſt nun wahr, daß Ehriftus von Jahrtaufenden vor und nach ihm geſchieden iſt durch den Alleinbefiß diefer Wahrheit, und daß Alle, die feit Sefu zur Bereinigung mit Gott gefommen, nur dur ihn dazu gelangt find. Allein ein metaphyſiſcher Sap if dieſe Einzigteit Jeſu nicht, fondern ein Hiftorifcher. Es if nicht gewiß, ob nicht auch ohne Epriftus Jemand zu jener Erkenntniß und zum feligen Leben kommen Tann. Daher ift auch die ewige Dauer des Chriſtenthums als einer auf eine hiſtoriſche Perſon ges bauten Religion durchaus nicht verbürgt. If nur Semand mit Gott wirklich vereinigt, fo iſt es gleichgültig, auf welchem Wege er dazu gelommen:. es wäre unnüg und verkehrt, flatt im ber Sache zu leben, immes das Andenken des Weges fi) zu wieder⸗ holen. Falls Jeſus wieder käme, fo flieht zu erwarten, daß er mit der Derrfchaft des Chriſtenthums in den Gemüthern zufrieden wäre, nicht darnach fragend, ob man fein Verdienſt dabei priefe oder Überginge. Nur die metaphyfiſche, ewige Wahrheit macht fellg: das Hifkorifche aber tft ein bloßes, rein für fi daſtehendes Faktum, in fofern einfeitig und in dieſer auf Einen Punkt con» centrirten Wahrheit blos Durchgangspunkt. Daß die ganze Menfchheit aus Gottes Weſen hervorging, if bie ewige metaphyfifche Wahrheit. Aber im Chriſtenthum iſt nicht auf biefes, fondern auf das einzelne Faktum der Menfchwerbung Gottes in Chriſto der Accent: gelegt, dieß if das Zeitliche am Chriſtenthum. Daß fih in Jeſus von Nazareth jenes unmittelbare Daſein Gottes rein und lauter, wie es in ſich ſelbſt ift, ohne alle Bei⸗ miſchung von Finſterniß, Unklarheit, individueller Beſchränkung, pP) Fichte's Anweifung zum feligen Leben. 1055 des Entgenftehenben, in den er überfilägt Darin offenbart ſich, daß fie, in ihrer Wahrheit gebacht, beide gleichberechtigt in einem perſönlichen, menſchlichen Dafein dargeſtellt Habe, bieß {ft bloß Hiftorifche Zuthat, nicht metaphpfiſch. Die Erkenntniß von der abſoluten Identität der Menſchheit mit der Gottheit in Bezug auf das eigentlich Reale an jener hat ohne Zweifel Chriſtus beſeſſen. Wie entſtand ſie in ihm? In uns entſteht ſie nicht aus ſeiner Hiſtorie, ſondern aus ſpekulativer Phi⸗ loſophie; ja damit wir nur das Organ, Chriſtus zu verſtehen haben, bedarf es, jene Einheit auf anderem Wege ſchon eingeſehen zu haben. Aber Ehriftus ſtellt ſich uns nicht dar als einen, der durch ſpekulative Philoſophie, pisturfives Denken, Lernen oder Tra⸗ dition diefe Erkenntniß Habe, fondern ſchlechthin durch fein Da⸗ fein. Ohne irgend ein Mitielglied war ihm diefe Erkenntniß Erfies und Abfolutes, nicht hervorgegangen aus andern Zuſtän⸗ den, aus Bernichtung des perfönlichen befondern Ichs, wie das der Weg für uns if, fondern fie war unmittelbar identiſch mit feinem Selbbewußtfein. Er war die zu einem unmittelbaren Selbfibemußtfein gewordene abfolnte Bernunft, Religion. Gott war fein felbft, ex Hatte kein Selbfibewußtfein. Richt der Jeſus war ihm Gott, wohl aber war Bott Zefus, erfihien als Jeſus. Das alles war er aber nicht einzeln, fondern das metaphyſiſche Erfennen zeigt, daß, was Er war, die eigentliche Realität Aller if: ja daß vieß feine Realität nur darum iſt, weil es Bberhaupt zum Begriff der Menſchheit als realer gehört. Soll aber feine Ewigkeit feftgehalten werben, fo Tann dieß nur auf Koflen der metaphyfiſchen Wahrheit gefchehen. Diefe iſt nur für. die Allge⸗ meinheit; nur das Hervorgehen der Menfchheit im Allgemeinen läßt fih aus Bott begreifen; und es iſt ein verkehrtes Unterneh⸗ men, biefe feine Einzigteit, vie doc bios hiſtoriſchen Werth Hat, metaphyficiren zu wollen. Da es aber nicht möglich if, auf dem Wege metappyfifcher Gefebe zur Erkenntniß der Menſchwerdung Gottes in einem einzelnen Individuum zu gelangen, fondern diefe Geſetze blos auf eine allgemeine Menſchwerdung Gottes weis fen, fo werden dann die Lüden des Beweiſes durch Dichtungen ausgefüllt. So will alfo auch diefe Theorie ausgehen von der Einheit des Söttlihen und Menſchlichen, die aber unmittelbar als eine ſchlecht⸗ pin allgemeine gefebt if. Chriſtus hat. Feine befondere Stelle, alle Menfchen find ihm gleich in dem, was ihre eigentliche Reali« tät ausmacht. Alfe Haben Gott ganz in fh, nur nit glei verwirklicht. Ehrifius gebührt vielleicht vie Stelle des Anfängers, 104 - Die dritte Periode. Einleitung. Beides aber geht ihm dadurch in Eines zufammen, daß er unter der fräftigen Willensthat bie Erhebung in das göttliche Weſen verfiebt. Sn dem moralifhen Sinn wird uns Gott vernehms lich; fe moralifcher, defto göttlicher (S. 256). Eine immige mos raliſche Weberzeugung if ihm eine göttlihe Anfhauung. Solche moralifhe That, bie zugleich innige Ueberzeugung if, nennt er dann au Glauben. Den Glauben febt er fo mäch⸗ tig, daß er fagt, wenn Einer wahrhaft glaubte, er fei moraliſch, fo würde er es auch fein (S. 252). Diefer Glaube fett Leiben, Sterben, Tod voraus (S. 265). Indem das Herz abgezogen von allen einzelnen wirklichen Gegenſtänden nur fich ſelbſt empfin⸗ bet, fich felbft zu einem ibenlifchen Gegenflande macht, entitcht Religion. Alle einzelnen Neigungen vereinigen ſich in Einer, deren wunderbares Objket ein höheres Weſen, eine Gottheit ifl, daher echte Gottesfurcht alle Empfindungen und Neigungen ums faßt (S. 266). Indem alles Einzelne, was Anfpruch macht, für fih etwas zu gelten, zum Opfer gebradht wirb, fo werben wir dadurch des höchſten Weſens werth (S. 265) und biefes offenbart ſich in uns; jedoch nicht als ein fremdes, ſondern als unſer eigenſtes Weſen. Wenn ſich nun hierin der intereſſante Uebergang macht von Jacobi's Selbſtgefühl der edlen Seele zum. Innewerden ber eigenen Göttlichkeit, fo if doch zugleich bei No⸗ valis Diefes Göttliche als ein Objektives gewußt. Der ſtarke ſub⸗ jeftioe Wille, der Glaube, ift darum fo allmächtig und wunder: thätig, weil in ihm aus bem Tode bes blos individuellen Wil: Iens, der allgemeine, göttliche auferftund; daher die Willensthat bes Glaubens, bie das Göttliche erfaßt als das wahre Weſen des Menſchen, zugleih und in Einem auch Dahingabe, Empfan⸗ gen if. Bon ber bloßen Subjektivität entfernt er fi) aber no entichiedener in feinem religiöfen Berhalten dadurch, daß er nicht bei der Reflerion auf. ſich ftehen bieibt, fondern nach Organen, Bermittlungen des religidfen Bewußtſeins ſich umſieht: alfo nicht blos (wie bie angeführte Stelle S. 266 andeuten könnte) aus ber Negation alles Einzelnen zum Göttlichen fommt, fondern bem Einzelnen auch die pofitive Bedeutung ein Vehilel des Gött⸗ lichen zu fein zugefteht, Diefe Organe nennt-er Mittler; und Rovalie. 1045 fagt gerabezu (S. 262), es iſt Irreligion, wenn ich gar feinen Mittler annehme. Freilich fcheint ihn num die Subjektivität wieder zu hindern, zur chriſtlichen Idee des Mitilerd Üüberzugehen. Denn jeder Ges genftand kann dem Religiöfen ein Tempel im Sinn der Augurn fein; jedes Willfürliche, Zufällige, Individuelle. kann unfer Welke organ werden (S. 263), wodurch wir ben Geiſt biefes Tem: pels, ben allgegenwärtigen Hohenprieſter und monotheiftifchen Mittler vernehmen, weicher allein im unmittelbaren Verhältniſſe mit ber Gottheit flieht. — Und S. 261 fagt er zwar: Nichte it zur wahren Religioſität unentbehrkicher, als ein Mittelglied, Das und mit ber Gottheit verbindet; unmittelbar fann ber Menſch ſchlechterdings nicht mit derfelben im Verhältniß ftehen, fährt aber fort: „In der Wabl dieſes Mittelgliedes muß der Meunſch durch: aus frei fein, der mindefle Zwang hierin fehabet feiner Religion. Die Mittelglieder find: Fetifche, Geftirne, Thiere, Helden, Götter, Bögen, ein Gottmenſch. Da dieſe Wahlen offenbar relativ find (d. h. angemeffen dem geiftigen Zuſtand eines Volls und fein Abbild), fo wird man unbemerkt auf bie Idee getrieben, daß - das Weſen der Religion wohl nicht von ber Befchaffenheit des Mittlere abbänge, fondern lediglich in der Anficht deſſelben, in den Verhältniſſen zu ibm beſtehe.“ So einfeitig idealiſtiſch nun dieſes Iautet, fo ift Doch, wenn das Weitere dazu genommen wird, hiemit nichts gefast, als was unläugbare Wahrheit ift, daß nur Dasjenige für ein Vollk ber Bott fein kann, was feiner Bildungsſtufe gemäß von ihm aufs gefaßt und vorgeſtellt wird. Damit ift aber nicht ausgefchloflen, daß bie Menfchheit, der in ein objektiver Bilbungsgang einges pflanzt if, fo auch bie Nothwendigkeit in ſich trage, aus ber unberechenbaren Zufälligfeit der Wahl ihres Mittlerd zu Einer fetten, ewigen Geftalt beffelben ſich zu erheben. Auch Novalie fügt: Die Wahl ift charakteriftifch, es werden mithin bie ges bildeten Menfchen ziemlich gleiche Mittelgliever wählen, ba bins gegen ber Ungebildete durch Zufall hierin beftimmt werben wirb (S. 261). Näher fagt er (S. 264): Unter Menfchen muß man Gott ſuchen, in den menfchlichen Begebenheiten, in menſch⸗ U 67 * | Erfer Abſchnitt. Die Anfänge der neueren Chriftologie durch Schelling, Hegel, Schleiermader. L Scelling. Schelling bleibt das unflerbliche Berbienft, nicht blos fenen Dualismus, welder der einfeitig von ber Objektivität aus⸗ gehenden Denfweife in gleihem Maße wie der einfeitigen Subs jeftioität eigen ift (Einfeitigfeiten, die immer ganz befonders in der Ehriftologie ſich abfpiegelten und, wie wir ſahen, die legte Urfache ihres bisherigen Mißlingens enthielten), eingeſehen, fons dern auch einen bedeutenden Schritt zu feiner Aufhebung gethan zu haben. Er erfannte, daß das Subjeft und Objekt nicht als fih ausſchließend und blos entgegengefegt gebacht werben bürfen, fondern daß als Princip aller Philoſophie die weientliche Ein- heit von beiden gefeßt werben müfle, bie er Subjert = Öbjert nannte N). i) Bgl. befonvers Zeitfchrift für fpekulative Phyſik. 1801. IL, 2. 9. 1. 22. Die Darflellung feines Syftems im Ueberblid, die er dort geben will, ift noch dem fpinozifchen Standpunkt fehr nahe. Bgl. befonders $. 28. 30. 82., wornach alle quantitative Differenz “(eine andere erkennt er nicht an $. 23.) keineswegs an fid, ſondern nur in der Erfcheinung gefeht, der Proceß alſo, ben Schelling gleichwohl in der ganzen Schrift darzuſtellen fucht, nur ein fubjertiver il. Das Eine tft ihm hier noch nicht an ihm fels ber das fih bewegenve, fondern ber Proceß und die Bewegung fällt blos in das Subjekt. Das if durch Fichtianismus Hin- durchgegangener Spinozismus. Bier flieht Schelling alfo da, wo Bichte fpäter auch noch anlangte; hat aber an bem wenn auf Friedr. Wilh. Joſeph Schelling. 1059 Diefer eine Sag, klar erfaßt unb mit eben fo Träftigem Geiſt ausgeſprochen als ausgeführt, bilbet ben Wendepunkt nicht blos in der Philofophie, fondern auch in der von der Philofo- pbie, wie wir oben fahen, in ihrem zunächft nöthigen Fortſchritt abhängigen. Theologie ?). Es ift hier nicht der Ort, genauer in das philofophifche Detail einzugehen: . fo viel aber kommt bier. in Betracht, daß die alten Einfeitigfeiten wenigſtens ihrem Princip nach durch ein neues Prineip überwunden wurden. - Das Charakteriftifihe aller neueren Chriſtologie if fortan, bie weſentliche Einheit des Göttlichen und Menfchlichen anzu- ſtreben. Aber dieſe Einheit, die ſchon Ruthern vor Augen fland, wenn er von ber neuen höheren Menfchheit ſprach, konnte Ir; verſchieden aufgefaßt werben. Schekling faßte ſie als abſolute Identität. Die höhere Einheit des Menſchlichen und Göttlichen, des Subjekts und Ob⸗ jefts iſt ihm zwar nicht blos eine abſtrakte Indifferenz beider, auch nicht ein durch Negation der Gegenſätze gewonnenes Abſtrac⸗ tum oder Weder⸗-Noch beider, ſondern die Gegenſätze bleiben, werben aber als Eines, in lebendiger Dentitit m erlennen ge⸗ vorerſt nur fubieftiven Proceß bereits den Puls zu weiterer Be⸗ wegung in fih, der fih zum Theil ſchon in ver „Methode des akadem. Stud.“ 1803, und „Darlegung des wahren Berh.“ 1806 zeigt: und zwar bildet Schelling ven Proceß mehr und mehr nach der Seite des Willens aus, während Hegel ihn als Denkprozeß behandelt. Vgl. auch Ein. i. d. Philoſ. d. Mythol. 1856. ©. 460 ff. 2) Schelling fagt darüber in der „Darlegung bes wahren Ber: hältniffes der Naturppilofoppie zu der verbefferten Bichte’fchen Lehre“ 1806. ©. 46. 47.: Es regt fih eine in Bezug auf die zunächſt vorbergegangene völlig neue Zeit und die alte kann fie nicht faffen, und ahnet nit von ferne, wie ſcharf und lauter ber Begenfaß fei. Die Vorzeit hat fich wieder aufgethan, bie ewigen Urquellen ver Wahrheit und des Lebens find wieder zugänglid. Der Geift darf fih wieder freuen und frei und kühn in dem ewi⸗ gen Strom des Lebens und der Schönheit fpielen. Fichte iſt die philoſophiſche Blüthe diefer alten Zeit, und in fo fern ihre Grenze. Dorner, Chriflologie. IL te Anl. . ° 68 x 1060 Dritte Periode. Abſchnitt J. Schelling's Verh. 3. höchſten ſucht *2). Das Abſolute, ſagt er, darf nicht als ein reines Eins sder Sein gedacht werden, fehlechtbin in feiner Neuheit verhar⸗ rend; als felches wäre es ohne Offenbarung feiner ſelbſt, ja ohne Sein. Dean Offenbarung iſt Selbfibejahung und biefe ift Sein. Sendern das Abſolute ift auch an ihm ſelbſt Vielheit. Es if die Einheit ober. Copula des Gegenſatzes von Bielheit und Einheit. Gegenfag muß fein, weil das Leben fein muß; aber die wahre Identität hält ihn ſelbſt unter ſich bewältigt, wie fie ihn fegt. Damit ift fie die in fich bewegliche, quellenbe und fchaffende Einheit. Das actuelle, wirlliche Sein ift Selbftoffen- barung; aber damit das Abſolute wirftih fei, alfo ſich offen⸗ bare, darf es nicht blos es ſelbſt ſein, ſondern es muß in ihm ſelbſt ein Anderes, in dieſem Andern aber ſich ſelbſt das Eine ſein. Dieſes Andere oder Viele exiſtirt nicht als das Viele oder Andere, darf auch nicht erſt zu dem Einen hinzukommen, es iſt vielmehr nur das Eine ſelbſt, aber als exiſtirendes, ſich offen⸗ barendes, was nur möglich, indem das Eine ſich ſelbſt ein Anderes, ein Vieles wird. Die göttliche Einheit iſt von Ewig⸗ keit eine lebendige, eine wirklich exiſtirende Einheit; denn das Göttliche iſt eben das, was gar nicht anders denn wirklich ſein kann. Indem aber ſo Gott nichts Anderes iſt als die lebendige Einheit des Vielen, die organiſche, d. h. in ſich ſelbſt gegliederte und darin ſich offenbarende Einheit, ſo iſt er eben Damit nothwendig ein Werben, wie alles Leben, benn nur das (reine) Sein ‚hat fein Werben; alles Leben verwirfticht ſich immerbar durch Gegenfas und feine Meberwinbung hindurch. So hat denn das göttliche Leben, um Leben zu fein, fih dem Lei: ben und Werben unterthan gemacht, welches das Schickſal alles Lebens ift, und hat es übernommen, in eine Gefchichte ſich da⸗ bin zu geben. Wie diefe Säge dem beiftifchen Begriff von Gott als einer abfirart einfachen Einheit und dem ſtarren Gottesbegriff bes Wolfianismus auch in feiner ſupernaturaliſtiſchen Form direkt ent⸗ 8) Sal. Darlegung des wahren Berh. der Ratamhilolbodi zur ver⸗ beſſerten Fichte'ſchen Lehre. ©. 51 ff. Weſen od. reinen Sein des Deism. n. fubflant. VPanth. 1061 gegen fteben, fo wenden fie fi) wieder den Grundlagen bes chriſtlichen trinitarifchen Gottesbegriffes zu, indem fie zeigen, daß Gott ohne eine Selbftunterfcheibung in ſich, ohne ein Anderes, in welchem er gleichwohl wieder ſich ſelbſt hat, nicht der Leben: dige, ja actuell Seiende fein könnte: Gott als reines Sein (mie ihn der Deismus und der fuhftantielfe Pantpeismus denft) wäre bios möglicher, nicht wirklicher Gott. Wird Gott nur als reines Sein gedacht, fo iſt fein Ueber⸗ gang zur Welt, noch weniger zur Chriftologie zu finden. Iſt er in ſich lebendig und unterſchieden, dann eröffnen ſich neue Aus⸗ ſichten in beiderlei Beziehung. Verweilen wir hier bei der Chri⸗ ſtologie ). Zuerſt ein Wort über die frühere Darſtellung in ber Methode bes akademiſchen Studiums *), die für bie Chriſto⸗ logie ber fpefulativen Philofophie neuerer Zeit auf lange ton⸗ angeben geblieben ift; dann über bie fpätere, in der fich eine nicht unbedeutende Fortentwidelung fund thut. Das göttliche Leben in feiner Manifeſtation durchläuft (wie wirt oben fahen) einen Proceß. Die nothwendige Form der gött⸗ _ 2) Daß das „Andere*, ohne das Gott nicht als abfolutes Leben könnte gedacht werden, ihm fofort zum „Vielen“, zur Welt wird, von ber er doch an biefer Stelle noch kein Wiſſen haben kann (auffer ein rein empirifches), das if ein Sprung, der fehr folgenreich, aber nicht wiffenfchaftlich motivirt if, der zwei Probleme, das der ewigen Theogonie und das der Kosmogonie, in Eines zuſammenwirft und durch diefe Bermifchung dann wider Willen dapin getrieben wird, die wefentliche Einheit. des Göttlichen und Menfchlichen in eine Einerleipeit zuſammen fallen zu laffen. Die Einheit, um die es ich befonders für die Chriſtologie handelt, Tann nit erkannt werden, wenn bie beiden Glieder des Begenfaßes nicht rein für fih nach ihrer Idee ausgedacht werden; mit andern Worten; die Einheit ift noch nicht die wahre, wenn die Glieder des Gegen; ſatzes nur durch wine Identität und nicht vielmehr gerade auch Durch ihren Unterſchied und Gegenfap mit einander verbunden find. Vgl. oben II, ©..716. Die Einheit durch die bloße Iden⸗ tität oder Durch actuell eriftirende Identität vor dem Unterfchieb ift Regation des Gegenfages flatt der Berwandlung ber @iener deffelden in Momente einer höhern Einheit. Borlefung VIU. IX. 68 * 1062 Dritte Periode. Abſchnitt J lichen Offenbarung ift aber die Enblichleit. Die ewige, göttliche Spee könnte nicht an fich offenbar werben; Damit fie es werde, muß fie in Befchränfung eingehen. Weil fie aber in feiner end⸗ lichen, beſchränkten Form fich darftellen Tann, fo ſtellt ſich das göttliche Leben in einer Mannigfaltigfeit von Individuen bar, in einer reichen Gefchichte, von ber jeder Zeitmoment die Offen⸗ barung einer befonderen Seite des göttlichen. Lebens, in beren jeder Gott abfolut if. Daher iſt das Endliche nicht blos end» lich, vielmehr dasjenige, in weldem Gott felbft fein geſchicht⸗ liches Lehen hat: das Enbliche ift bie nothwendige Form ber Offenbarung, des offenbaren Gottes. Es ift Gott in feinem Werden, oder der Sohn Gottes. So erhält nun auch alle Ges ſchichte eine höhere Bedeutung... Das Menſchliche ſchließt das Göttliche nit aus, ſondern hat es in fi, das Reich der Ges fchichte ift die Geburtsflätte bes Geifles, der Schauplag ber Theogonie. So ift bie Idee der Menfchwerbung Gottes zum Princip der ganzen Philofophie erhoben; und dba biefe Idee das Weſen des Chriſtenthums if, fo it die Philofophie mit ihr vers fühnt. Alles ift zu begreifen aus biefer Ider der Menſchwer⸗ ‚dung Gottes: die Natur felbft deutet auf den Sohn Gottes, und bat in ihm ihre Final⸗Urſachen. Aber an diefe pofitive, conſtruirende Seite der Scelling: ſchen Philoſophie ſchließt ſich nicht minder entfchieben die kritiſche und negative an. Diie Theologen, fagt ex, faſſen Shriftum als eine einzelne Perſon: aber von diefer Seite kann es nicht zweifelhaft fein, daß er eine geichichtlich begreifliche Perſon it ohne alles Myfterium. Weil aber nicht ein Einzelner, fondern nur eine ewige Idee zum Dogma kann geftempelt werben, fo ift dann auch bie Ehriftologie als Dogma unhaltbar. Die Theologen verfteben fie, wie alle Lehren, empiriſch, als eine That Gottes in der Zeit. Allein dabei kann fchlechterbinge nichts gedacht werden, da Gott ewig auffer aller Zeit if. Die Menfchwerbung Gottes ift alfo eine Menſchwerdung von Ewigkeit. Damit ift aber nichts verloren bag Chriſtus als ewige Idee betrachtet wird. Vielmehr ift da erft das innerſte Wefen zur Offenbarung, zum Bewußtfein ges Schelling. Methode des alad. Sludiums. 1063 kommen. Der Geiſt der neuern Zeit hat klar und laut bezeugt, daß er mit einer blos empiriſchen Erſcheinung nicht vorlieb nehme; er geht mit ſichtbarer Conſequenz auf die Vernichtung aller blos endlichen Formen, welche die Wahrheit ſtützen ſollen durch äußere Auftorität, Wunderbeweis u. dgl. Damit aber will er die Wahrbeit nicht vernichten, fondern an's Licht bringen. Die Göottlichkeit des Chriftentkums Tann nicht auf empirifche Weife (welche zugleich gegen andere gefchichtliche Erfcheinungen ausfchliegend fein muß), fondern nur in allgemeiner fpekulativer Weiſe der Gefchichtsbetrachtung, d. b. fo erfannt werben, daß die ganze Geſchichte als göttliche That begriffen wird. Aeuſſer⸗ lich iſt nie nachzuweiſen, wie die ewige Idee fich in bie Zeit lichkeit emläßt, das Göttliche ift feiner Natur nach empirifch weder erfennbar, noch demonftrabel. Anbererfeits aber ift doch dieß Eingehen der ewigen bee in bie Zeitlichfeit, die Einheit bes Unendlichen und Enblichen Grunbbeflimmung bes Ehriften- thums. Daher muß biefe Einheit, welche äuſſerlich nicht ans gefchaut werden kann, innerlich erfannt werben. Das Schauen diefer Einheit, der Auflöfung des Gegenfages zwiſchen Endlichem ‚und Unendlichem fällt in das Subjekt. Aeuſſeres Tann nur bazu dienen, bie fubieftive, die Gegenfäge als Eins ſchauende, Thätig⸗ keit anzuregen, nicht aber durch fein eigenes, gebiegen göttliches Wefen die Anſchauung der Einheit zu geben. Die. heilige Ger ſchichte muß ung nur eine ſubjektive Symbolik fein, nicht eine objective, wie die Griechen fie hatten, welche das Unendliche nur im Endlichen anfchauten und auf diefe Weife ſelbſt der Endlich⸗ feit unterorbneten. Vielmehr ba die chriflliche Religion biefenige tft, Die auf das Unendliche unmittelbar an ſich ſelbſt geht: fo wird in ihr das Endliche nicht als ein objectived Symbol bes Unenblichen, nicht zugleich um feiner felbft willen, fondern nur als Allegorie des Unendlichen und in ber gänzlichen Unterorbnung unter baffelbe gedacht. Ja es wird noch weiter gegangen: wir follen, die heilige Gefchichte betrachtend, in klarem Bewußtſein haben, daß die ewige Idee auf feine Weife an eine beftimmte Geflalt der Offenbarung gewiefen iſt. In einer Religion, welche auf das Unendliche unmittelbar geht, find die Geftalten nicht bleibend, 1064 Dritte Periode. Abſchaitt J. fondern erfcheinend, hiftorifche Geſtalten, in denen ſich das Gött⸗ liche nur vorübergehend offenbart. Darum will der Geiſt der neuen Zeit dasjenige, was von ber Kirche und auch von ihren hierin ſehr niedrig zu ſtellenden heiligen Urfunden auf eine einzelne empiriſche Erfcheinung be: zogen wurbe, womit auch Zufälligfeit gegeben war, in feiner ‚ allgemeinen und ewigen Nothwendigkeit erfaflen: er well bie - ewige See flatt ber empirifchen, einzelnen Erfcheinung; die bie- herige Auffaffung der Perfon Chriſti ald des einzigen, einzelnen Sohnes Gottes iſt nur erſt die eroterifche, in welcher ſich, ale binter der Hülle des Buchſtabens, bie ewige, allgemeine Wahr⸗ beit verbirgt. Seiner Zeit, ale der göttliche Geift erſt aufgieng in des Menfchheit als innerfies Centrum berfelben, bedurfte, fagt er, die große Idee der Menſchwerdung Gottes eines mythologi⸗ fchen Leibes und Buchſtabens. Aber die Zeit kommt und if ihon da, we bas Efoteriiche von feiner Hülle. befreit hervortritt und für fi leuchten muß. Die Grundidee bes Chriſtenthums if eine ewige, univer⸗ fale: und es kann baher ohne die religiöfe Conſtruktion der Ges ſchichte hiſtoriſch nicht. conſtruirt merben. Als eine ewige war bie Idee der Menſchwerdung ſchon da auſſerhalb bes Chriſten⸗ thums. Daß aber ſo das Chriſtenthum ſchon vor und auſſer⸗ halb deſſelben exiſtirt bat, iſt ein Beweis für bie Rothwendigfeit feiner Idee. Daß das Höchfte im indiſchen Religionsglauben und ber dortigen Philoſophie ſich in der Idee der Meufchwerbung Gottes zuſammenfaßt, und daß ſich Aehnliches ſchon in griechi⸗ ſcher Philoſophie und Poeſie regt — das ſetzt das Chriſtenthum nicht herab, fondern iſt eine Prophezeihung des Chriſtenthums in einer ganz fremden und entfernten Welt, und beweist, daß die Hriftlihe Lehre von Gottes Menfchwerbung nicht etwas abſolut Neues, fondern eine ewige Wahrheit enthält. Der Menſch Ehriftus if in der Erfcheinung nur. der Gipfel und in foferm auch wieder der Anfang ber Menſchwerdung; ‚denn von ihm aus follte fie dadutch ſich fortfegen, daß alle feine Nachfolger Glieder eines‘ und beffelben Leibes wären, von dem er das Haupt iſt. Das in Chriſto Gott zuerk wahrhaft objectiv geworben, Syelling. Methode des akad. Studiums. 1065 zeigt die Geſchichte: denn wer vor ihm hat das Unendliche auf ſolche Weiſe geoffenbart? Die. alte Welt ift Die Naturfeite ber Ge⸗ ſchichte, fofern ihre Idee Sein bes Linenblichen im Enblichen iR. Der Schluß der alten Zeit und bie Grenze einer neuen, deren berrichendes Princip das Unendliche war, konnte nur da⸗ durch gemacht werden, daß das wahre Unendliche in das End⸗ liche kam, nicht um es zu vergöttern, ſondern um es in feiner eigenen Perſon Gott zu opfern und dadurch zu verſöhnen. Sonach hat in dieſer Theorie Chriſtus feine Bebentung nicht darin, daß er das comcrete Unendliche, bie abfelute Einheit bes RNealen und Idealen barftellt, fonbern darin, baß er dad End⸗ liche Gott. opfert, oder befonders in feinem Tode darſtellt, dag das Endliche nichts ift, fonbern das wahre Sein und Reben me im Unendlichen if. Daß dieß die Meinung ift, und Eprifti Hoheit hier nicht in dem abfoluten Einswerben bes Realen und Idealen gefunden wirb, beweist bas Folgende. Auch Chriſtus, Gipfel und ‚Ende der alten Götterwelt, verenblicht in ſich das Göttliche: allein er ſteht als eine von Ewigkeit zwar beichloffene, aber in ber Zeit vergüngliche Erſcheinung da, als Grenze ber beiden Welten. Er gieng zurück nach feinem Wirken auf Erben in's Unenbliche und verheißt fintt feiner ben Geift, der das End» liche ind Unendliche. zurückführi. " Die Menfhheit allein ift ber ewige Sopn Gottes, aus dem Weſen des Baters aller Dinge geboren, ber offenbare Gott; erfcheinend als ein Teidenber, den -Berhängnifien ber Zeit unters worfener Gott, der. im Gipfel feiner Erfcheinung, in Chrifto, bie Welt der Endlicpkeit ſchließt und. bie der Unendlichkeit ober ber Herrſchaft des Geiftes eröffnet. Darum müffen jene mythologi⸗ schen Hüllen falten, in denen Chriſtus als der einzige Gottmenſch bargeftellt if. Der ewig lebendige Geiſt aller Bildung wird das Chriſtent hum in neue, bauerndere Formen Heiden: bie Spekulation, die nicht auf Bergangenheit eingefchränkten, fonbern auf eine ungemefiene Zeit ſich erſtredenden Beftimmungen bes Ehriften thums verfichenb, bat bie Wiedergeburt bed efoterifchen Chriſten⸗ thums und die Verkündigung des abſoluten Evangeliums in ſich vorbereitet. 1066 Dritte Periode. Abſchnitt J. Dieſe Darſtellung Schellings enthält auf das beſtinnnteſte Solches, wornach Chriſtus nur eine intenfiv und extenſwo enbliche Erſcheinung geweſen fein fann. In der chriſtlichen Religion, fagt er, werde das Unendliche blos bedeutet durch das Enbliche; nie aber ‚verkörperte fich bie Idee in ihm: das fei vielmehr bie Art der griechifhen Religion, in welcher eben. deßhalb auch bag Unenbliche verenblicht, unwürdig Dargeftellt fei. Die chriftliche Religion gehe auf das Unendliche unmittelbar, an ſich ſelbſt: da⸗ ber fei das Ganze, worin die Ideen ſolch einer Religion ob: jeftio werben, nothwendig felbft ein Linenbliches, feine nad - allen Seiten vollendete und begrenzte Welt: bie Geftalten nicht bleibend, fondern erſcheinend: nicht ewige Naturweſen, fonbern hiſtoriſche Geftalten, in denen ſich das Göttliche nur vorübergehenb offenbart. Das Unendliche wird auf eine Weiſe gefaßt, nad welcher ed unmöglich in Einem Individuum ſich nach feiner. gans zen Fülle offenbaren kann, indem es fonft felbft verenbficht, ober bem Enblichen untergeorbnet ‚würde. Und weil alfo das End: liche es wefentlich an fi hat, eine unangemeffene Form bes Unendlichen zu fein, fo kann dieſes in feiner endlichen Geftalt bleibende Wohnung machen; es muß ſich andersiwie darzuſtellen fuchen. Aber das kann freilich immer wieder nur in Endlichem geſchehen: denn das Unenbliche kann an ſich ſelbſt nicht offenbar wer: ben. So geht denn das Unendfiche nur hindurch durch das End⸗ liche als durch flüchtige Hüllen, in deren buntem Schimmer fi fein inneres Wefen darlegen will; und weil bieß nie in (Eimer endlichen Geftalt gelingen kann, fo Bleibt nichts übrig, als zu fagen, daß in der Totalität der endlichen Geftalten das Unend⸗ liche feine adäquate Offenbarung habe; wobei jedoch alsbald muß hinzugefegt werden ©), daß biefe Totalität nicht als eine begrenzte und gefchloffene dürfe gebucht werden (denn um in einer. begrenz⸗ ten Totalität von Endlichkeiten feine Darflellung vollfommen zu haben, müßte das Unendliche nicht minder verenblicht werden, ale wenn es feine adäquate Darftellung in einem einzelnen Indivi⸗ duum hätte), fondern die Totalität ber Enblichleiten, in der das *) Bgl. Borlefung Über die Methode ıc. U. 2. ©. 171. Kritik diefer Stufe Schelling’e. 1067 Unendliche fich darftellen foll, muß eine grenzenlofe, d. h. Feine Totalität, fondern eine unbegrenzte Welt von Enblichfeiten fein. Freilich ift Har, daß damit Die Löſung ber Frage, wie denn ein folches Unendliches, das in feiner endlichen Geftalt feine Dar: ftellung finden kann, je fich offenbaren und wahrhaft darftelfen könne (indem es doch nicht an fich ſelbſt, ſondern nır in End⸗ lichem fich offenbaren kann), nur hinausgeſchoben iſt auf einen progressus in infinitum. Nur die enblofe Reihe der enblichen- Geiſter ſoll Gottes Unendlichkeit darftellen, ihr adäquater Aus⸗ druck fein können. Es iſt eben fo klar, daß eine Unendlichkeit, welche in einer mathematiſchen Unendlichkeit der Endlichkeit ſich ſoll darſtellen können, ſelbſt noch nicht rein als intenſive, meta⸗ phyſiſche, ſondern noch als mathematiſche gedacht fein muß. Iſt das Unendliche mathematiſch oder gleichſam als abſolutes Quan⸗ tum zu beſtimmen, dann tft freilich das Endliche, Beftimmte fein Widerſpruch; die Beſtimmtheit it da Gegenſatz des Unendlichen, da gilt ber berühmte Spinoziftifche Sag: omnis determinatio est negatio. Der Begriff des Gottmenfchen iſt da ein unmöglicher. Und wo Gott als Unendliches diefer Art gebacht ift, da ift ihm freilich der Begriff der Perfönlichkeit direkt zuwiderlaufend, weil der Begriff der göttlichen Perfönlichfeit bie reichſte Concretheit und Beftimmtheit if, was von jenem Standpunft aus mir eine unwürdige Erniedrigung Gottes fein kann. Anders aber verhält es fi), wo einmal der Begriff ber ertenfiven Unendlichkeit mit dem tiefern der intenfiven vertaufcht if. Da fleht das Endliche nicht mehr dem Unendlichen noth- wendig als Nicht⸗Unendliches gegenüber; da braucht das Unend⸗ liche im Endlichen nicht mehr blos zu ſcheinen, als in feiner Allegorie, ober von ihm bedeutet zu werben, fondern da ift es möglich, daß es zu einer wefentlichen Verbindung fomme zwiſchen beiden, und das Inenbliche fein Sein und Leben habe im End⸗ lichen. Das Endliche ift freilich nicht unendlich im ertenfiven Sinne des Worts, aber es wiberfpricht feinem Begriffe keines⸗ wegs, intenfio unenbfich zu fein. Oder bie wahre Einheit von Endlichem und Unendlichem kann nur zu Stande fommen durch das Auffleigen aus der Kategorie der Ouantität in die ber Qualität, 1068 Dritte Periode. Abſchnitt 1. aus der ertenfiven Unendlichkeit in bie intenfive, bie gar wohl auch einem Extenfios@nblichen zulommen kann ”). Wirb biefer Uebergang nicht gemacht, fo bleiben wir im Dualismus ſtehen. Endliches und Unendliches find Daun fich ge genfeitig ausfchließende Begriffe: denn wenn ein folhes Unend⸗ liches ift, fo bleibt für Endliches feine Stelle mehr ; fondern ein Enbliches wäre feine Schranfe und fein Widerſpruch: unb ums gelehrt, wenn ein ſolches Endliches ift, fo Bleibt für ein Unend⸗ liches Fein Raum mehr; fondern das Unendliche iſt dann burch das Endliche verendlicht. Darım muß von biefem qiantitativen Begriff des Enblichen und Unendlichen, wornach fie fich beide nur widerſprechen, aufgeftiegen werben zu dem höhern Begriff, in welchem fie fih wahrhaft verfühnen. Es iſt nicht zu läugnen, daß Schelling jenen höhern Be⸗ griff Des Unenblichen und Enblichen geahnt Bat. Aber nichts befto weniger brängt fich Bier der andere, niebrigere immer wies ber vor. Es wird zwar gefagt, in einer jeden Geſtalt fei ent halten eine befondere Seite der göttlichen Offenbarung, in beren jeder Gott abſolut fei: aber anbererfeits ebenfo, das Unendliche fönne in feiner Geflalt ganz fein, fondern nur in ber un be⸗ grenzten Welt der endlichen Geftalten; in jeder einzelnen Ges ftalt fei es nım als eine flüchtige Erfheinung: und ſoll ed nicht zu einer Verendlichung bes Unendlichen kommen, fo fönne das Enbliche das Unendlihe nur bedeuten. So fieht .) Die intenfive Unendlichkeit hat ihr Centrum in dem Ethiſchen, dem allein in fich ſelbſt unendlich werthuollen und wahren gött⸗ lihen Sein, denn Bott ift die Kiebe. Indem Baur bei feinem Widerſpruch gegen obige Unterſcheidung (Zrin. IH, 918) die ganze ethifche, d. h. sensu eminenti göttliche Welt ignorirt, fo muß er dabei bieiben im Gebiet des Duantitativen d. h. alfo im Duans tum den Unterſchied zwifchen Gott und dem Endlichen zu finben, ein Standpunkt, der ed weder zum wahren Unterſchied noch zur wahren Einheit bringt. Wett fpelulativer reden ſchon die alten Schwaben (ſ. 0.), wenn fie in der Afeltät Gottes flatt in dem Quantum feinen Unterſchied von der Welt ſahen. Bgl. hier⸗ über auch Conradi Kritil v. hrifll. Dogmen. 1841. ©. 150f. Schellings Freibeltslchre: 1069 man, daß es zu feiner wahren Einheit des Endlichen und Unendlichen kommt. — Damit aber ift nicht blog bie Idee eines Gottmenfchen, in bem die Fülle der Gottheit ompezısös wohnt, in eoncreter Individualität, ausgefchloffen — fondern das Syſtem ift felbfi noch in einem Dualismus befangen. Denn es ſchwankt noch zwiſchen der mathematiſchen Auffaffung des Unendlichen (von welcher die Dleinung eingegeben ift, es könne in feinem End» lichen das Göttliche ſich wahrhaft offenbaren, eine Anficht, bei der der Wille ſich ſelbſt darzuſtellen zwar dem abfolsten Geiſt weſenilich ift, aber eben fo nothwendig ewig erfolglos Bleiben muß), und zwifchen ‚der höhern, metaphyſiſchen Anſchauungsweiſe. Tritt auch ſchon biefe höhere Anſicht da und bort ſtärker bevor, 3. B. da, wo er Chriſtus den Gipfel und auch wieder den Anfang der Menfchwerbung neımt, von dem aus fie fi fortfegen mäffe, damit Alle Glieder eines und beffelben Leibes würden, beffen Haupt er ift: — Stellen, worin ber Anfang Dazu erfannt werben mag, den hiftoriichen Geflalten mehr als nur einen flüchtigen Werth beizulegen, fo tritt doch dieſes im Allges meinen vor. ber vorherrihenden, dem Spinoza noch verwand⸗ tern Anfchauungsweife des Unendlichen, gegen das alled Endliche nur Schein ift, zurück, und kann nur ald ber VBorbote der höhern Geftalt der Philoſophie betrachtet werden, bie er in ber „Frei⸗ hbeitslehre“ darſtellt, und bie wir mun zu betrachten haben. So Tange das Endliche nur ale eine Reihe flüchtiger Er- fheinungen betrachtet wird, in deren feine das Göttliche ſich wahrhaft. nieberläßt ober eingeht, fo lange find fie im Wefent- lichen ſich gleich; fie ſtellen eine einförmige Reihe dar. Daher ah Schelling auf der fo eben befprochenen erſten Stufe Die chriſtliche Idee der Menſchwerdung fo fehr verallgemeinert, daß auch das Vorchriſtliche unmittelbar als Darftellung der gött⸗ lichen Menfchwerbung genommen, und von einem. Chriftenthum vor dem Chriftentbum gefprochen wird. Zwar nennt er biefes auch wieder blos eine Prophezeihung bes Chriſtenthums, und fin bet in Chriſtus auch wieder den Anfang der Menfchwerdung. Allein wie ſich die erfte Menſchwerdung, vor Chriſtus, unters ſcheide von der mit ibm begimmenden, und ob fie auch den Ramen ⸗ 1070 Dritte Periode. Abſchnitt L der Menfchwerbung noch verbiene, das kommt nicht genauer zur Sprache. Daher dann ber qualitative Unterfchied des Chriſten⸗ thums von dem Vorchriſtlichen Gefahr Täuft, verfannt zu wer: den. Dieß fucht nun: die Freiheitslehre zu verbeflern: fie gebt mehr, als jene frühere Schrift, darauf aus, die Geſchichte zu gliedern, nach dem Maße, in welchem ber göttliche Geiſt ſieg⸗ reicher füh in dem menfchlichen Bewußtfein emporhebt. Damit tft die Einförmigfeit der Geftalten überwunden, deren jede eine nur flüchtige und weſentlich ungenügende Erfiheinung bes Uns endlichen ift: bie biftorifchen Geftalten befommen einen coneres teen und feflern Gehalt; und eben damit tritt bie wahre Bes trachtungsweiſe des Unendlichen fiegreicher ein, nach welcher es, in das Endliche eingehend, ihm immermehr abfoluten Werth verleiht. — Alles Leben, das iſt der Ausgangspunkt auch diefer Schrift, tft ein Werden, ein Proceß. Nur das Sein hat fein Werben, ift aber eben deßhalb tobt, ohne Offenbarung weder. für fich noch für Anderes, nur einfach fich ſelbſt gleich. Jedem Werben aber, ober jeder Geburt muß vorbergehen ein. Grund, der, wie aus ihm beraus das Neue geboren wird, ſo andrerfeits Das Neue nicht ift, fondern im Gegenſatz zu ihm fleht, und von ihm übers wunden, wiberlegt werben muß als eine unsolllommene Da⸗ feindweife. Dieß gilt von dem Reich der Natur und dem ber Gefchichte. In jenem iſt das Ziel die Geburt des Lichte, und bem Lichte mußte als Grund bie Finfterniß vorangehen. Syn bie fem tft das Ziel die Geburt des Geiftes, des freien, univerfalen. Der Geburt des Geiftes aber mußte auch ein Grund, der nicht @eift iſt, vorangehen, damit eine Möglichleit zur Geburt des Geiftes würde. Diefer Grund des Geiftes nun if die Nat, oder vielmehr das Princip der Natur, welches zuerft für ſich wirfen mußte, damit eine Selbſtheit, ein vereinzelter Wille (Nature oder Partifular- Wille) da wäre, mit weldem der Geift, wenn feine Zeit käme, in Kampf treten könnte, woburd allein der Geift actu oder verwirklicht ber Univerfal-Wille werben Tann, ber er potentia ifl. | Au Gott, ſofern er ja Leben und nicht Sein ft, muß Schelling's Freipeitslchre. 1071 ſich dem Werben unterihan gemacht haben. Eben barum muf auch für Gott zuerit ein Grund ba fein, aus welchem er fich zur Wirklichkeit, zur abfoluten Geiftigfeit erhebt, bie er Anfangs potentia iſt. Diejer Grund des Geiſtes ift aber eben die Natur, und biefe als der göttliche Grund bie nothwendige Borausfegung des actu exiſtirenden Gottes. Die actuelle Eriftenz Gottes vermit⸗ telt fi) aber eben dadurch, daß, nachdem ber Grund in feiner Ins dependenz (von dem annoch in Gott verfchlofienen Geiſt) ges wirkt bat, damit eine @eburisftätte bes Geiles ba wäre, nun in der Tiefe des göttlichen Weſens das erkennende Princip aufs gebt, der göttliche Lebensblick. Das geichieht im Menfchen, ber ind Centrum ber Natur erfchaffen ift, d. h. der zwar Natur, andererfeitd aber auch das iſt, was bie Natur in ihrem erften Mittelpunkt oder Weſen in fich verfchließt, nemlich Geil. Der höchſte Gipfel diefer Offenbarung Gottes ift, wie in ber Natur der Menſch überhaupt, fo bier. ber urbilblihe und göttliche Menſch (der Urmenfch), derjenige, ber im Anfang bei Gott war (ruhend), und in dem alle andern Dinge und der Menſch ſelbſt geichaffen find, der aber auch actuell foll heroorgeboren werben. Aber die Geburt des Geiftes kann nur durch Kampf vers mittelt werben. :Der-Orumb muß wiberfiveben, bamit eine Ents wicklung und ein Kampf fei und alle Kräfte, aus der potentia und Unenifchiebenheit geſetzt, actu fich verwirffichen: und anderers feits muß das erlennende Princip immer mehr aufgeben, bamit Die Scheidung vor ſich gebe, bamit bie erſte Form bes Dafeins ass eine folche erfannt werde, welche überwunden werben muß, als die bios natürliche, deren Partikular⸗Wille dem Univerfals Willen zu weichen bat. So wird aus biefer allmäligen Geburt des Geiftes das Reich der Gefchichte, welche in folgende Perio⸗ den zerfällt. Das Erfte muß die Perisbe fein, wo erft der Grund ges fegt wird zum Geift, zum freien UniverfalWillen, zur wahren Perſönlichkeit. — Das if die Zeit, wo Gott fih nur nach feiner Natur, nicht aber nach feinem Herzen, feiner Liebe, oder übers haupt feiner Geiftigfeit offenbart, damit bie Möglichkeit des Geiſtes gegeben wäre. Da ift num ber Menſch nur das höchfte 1072 Dritte Perlode. Abſchnitt L Raturweien: der Geift noch nicht einmal als. erfennender in ibm aufgegangen. Daher iſt das, obwohl nur erft der natürliche yartikular⸗Wille waltet, boch eine Zeit ſeliger Unentfchiebenheit und Unſchuld, wo weder Gutes noch Böſes war, eine Zeit der Bewußt⸗ Iofigfeit über die Sünde, Über das Verſenktſein des Geiſtes in die Natur. Es folgte innerhalb dieſer Naturfeite der Gefchichte auf jenes goldene Zeitalter des Nichtwiſſens von Gut und Böe die Zeit der Allmacht der Natur (der mwaltenden Götter und Herven); fobann bie Zeit der höchften Verherrlichung der Natur in allem Glanz der Kunft und ſinnreichen Wiflenfchaft, bis das im Grunde wirfende Princip der Selbſtheit als welteroberndes Princip Hervortrat, ein feites, bauerndes Weltveich zu fliften. Da aber das Weſen des Grundes nie für fich die wahre Einheit erzeugen Tann, fo Tommt bie Zeit, wo all biefe Her: lichkeit ſich auflöst, und wie durch ſchreckliche Krankheit ber fchöne Leib der bisherigen Welt‘ zerfällt, endlich das Chaos wieder ein- tritt. Das iſt bie tragische Periode, bie des Schickſals. Hier iſt das Element des Bewußtſeins eingetreten, ber Geiſt als die über feinen Probuftionen ſtehende Macht, ex erkennt ſich aber als in Ohnmacht; beun bie Unangemeflenbeit bed natür: lichen Lebens gegen fein geifliges Leben verbirgt ſich feinem An- blick nicht länger. Die Unſchuld wird aufgehoben, inbem bie Verbindung des Geiſtes mit der Ratur nun ale Sünde erfannt wird, und bie formelle Freiheit erwacht, weiche den Kampf mit fener Objektivität beginnt, bie fo lange den Geiſt gebunden hielt. — Aber dieſe alte Welt des bloßen Grundes weicht nicht, ſon⸗ dern bleibt mächtig, um alle Kräfte zu fchärfen, zu fleigern, alles Gute durch feinen Gegenfag erfennen zu laſſen. Die Dualität von Geil und Natur darf nicht fogleich aufgehoben werben, ber Geiſt bedarf zu feiner Geburt des Gegnerd, der unabläffig ihn follicitixe, damit nicht das geiftige Leben ohne Actualifirung im Grunde verborgen bleibe. Daher tritt denn auch das Böſe im⸗ mer beftiger hervor; von jenes formellen Freiheit kann es nicht überwunden werben, fonbern nur fo viel geichieht, daß Geift und Ratur immer vollftändiger fich entzweien. Der Moment nun, wo bie Entzweiung vollendet ift, ober EEE En EEE DEE EEE un BEE an BEE = AED A SEE EEE CE u u SEE 79 ⏑ —⏑ ,, 734m 374 mn 27 232 Selling. 1073 bie Zeit des Schickſals, wo bie Erbe zum zwritenmal wüſte und leer wird, if zugleich der Moment ber Geburt bes höhern Lichtes (des Geiftes), das von Anbeginn an in ber Welt war, aber unbegriffen von ber flir fi wirkenden Finſterniß und in ammoch verfploffener,, eingefchränfter Offenbarung. Auf die Ilias ber Geſchichte folgt ihre Odyſſer, die Heimkehr des Geiſtes zum Unenbfichen aus der unendlichen Flucht. Auf die Periode bes Sshickſals folgt die ber Borfehung 2); Gott offenbart ſich nach feinem Herzen, feiner Liebe. Die unterlegene Freiheit ſteht herr licher wieder auf: Indem fie dem Schickſal unterlag, if fie nur Gott unterlegen, und jene finftere Natur⸗Nothwendigkeit offen⸗ bart fih, nachdem bie Raturfeite des Geiſtes durch fie gerichtet it, als die göttliche Liebe. Der abfolnte, univerfelle Wille diefer Liebe, indem er ben Partiluler-Willen ergreift, wirft die innerſte Bern bes Geiſtes mit fich felbft. Es iſt Die Erlöfung bes perſönlichen Geiſtes nothwendig Gottes Werk, kann nicht vom Menſchen ausgehen: immer be⸗ darf der Menſch einer Hülfe zu feiner Transmutation (Frei⸗ heitsl. S. 473. 477.). Das wahre Gute fann nur buch eine göttliche Magie bewirft werben, durch unmittelbare Gegenwart des Seienden im Bewußtfeyn und in ber Erkenntniß. Je ges waltiger das Böfe als geiftige perſönliche Macht hervorgetreten war, indem es in jener Zeit -ganze Perfonen annahın, ihres Bewußtſeyns fi) bemächtigte (Freiheitsl. S. A60.): defto nöthie ger war, baß ber Geiſt ebenfalls in perfönlicher, menſchlicher Geſtalt erſchien als Mittler, um den Rapport ber Schöpfung ‚mit Gott auf der Höchkten Stufe wieber herzuftellen; benn nur Herfönliches fann Perſönliches heilen, und Gott muß Menfch werben, damit ber Menſch wieder zu Gott Iomme In diefer Derfon nimmt Gott bie Natur an, verbindet fih mit ihr, und dadurch wird fie zur bloßen Potenz, zur überwunbenen Baſis des Guten herabgeſetzt. Als folde gelangt fie dann nie mehr zum Alleinwirfen, zur Wirklichleit als bloße Natur, fie ift nicht eine eigene Macht, fondern nur ®) Philoſ. und Religion. ©. 64. Methode des af. Stud. ©. 176, 1074 Dritte Periode. Abſchnitt 1 Werkzeug, Offenbarungsmittel des Geiſtes. Mit dieſer herge⸗ ſtellten Beziehung des (bisher in Independenz von Gott als Geiſt wirkenden) Grundes auf Gott-ald Geiſt iſt erſt die Mög⸗ lichkeit der Heilung, des Heils wieder gegeben, indem nun in Chriſti Perfönlichkeit der Partikular⸗Wille und der Univerſal⸗ Wille, Natur und Geift Eins geworben find. Mit ihm begammıt das Reich des Geifles, d. h. bie Zeit, wo der göttliche Geiſt aktnalifiet oder in die Wirklichkeit feiner Erifienz eingefuhrt wird: und dieß Neich währe als Zeit des Streites zwiſchen Gutem und Böfem bis zum Ende ber Tage (u a. O. ©. 461. 495 ff.). Chriſtus muß herrichen, bis alle feine Feinde zu feinen Fügen gelegt find. Die aus der Finfterniß and Licht Gebore⸗ nen fchließen fich dem idealen Princip als Glieder feines Leibes an, in welchem jenes vollfommen verwirklicht und. nun ganz perfönliches Wefen iſt. Zulegt orbnet das ideale Princip fh und das mit ihm Eins geworbene reale gemeinfchaftlich dem Geift unter, und biefer, ale das göttliche Bewußtſeyn, lebt auf gleiche Weife in beiden Principien, wie bie Schrift fagt: wenn alles dem Sohn untertban fein wird, alsdann wird auch ber Sohn felbft untertfan fein bem, der ihm alles untergethan hat, auf Daß Gott fei Alles in Allem. - Gewiß ift bier eine großartige Betrachtung des Univerfums als eines wohlgeorbneten Organismus gegeben und tiefe Blicke in den Gang. der Gefchichte bes menfchlichen Geiftes frhließt Schelling auf. Die chriftliche Religion wird nicht mehr lahl und leer als eine Doftrin betrachtet, ſondern als fortwährenbe göttlihe That, Kraft, Geſchichte: Chriſti Geſchichte nicht mehr bios als eine empirifche, einzelne Gefchichte, die ſelbſt wieder zur bürftigen Lehre wird, ſondern als eine ewige zugleich, fofern fie in der Menfchheit überhaupt ihr Nachbild findet. Das Chriſtenthum gilt nicht mehr blos als eine refigiöfe Anſtalt unter andern, fondern als bie Religion, als bie wahre Dafeinsweife bed Geiftes überhaupt, als die göttliche Seele ber Gefchichte, welche ſich der Menfchheit einverleibt hat, um fie zu organifiren zu Einem großen Leib, defien Haupt Chriſtus if 9. Auch komm ) Berwandt mit Schellings Anfchauung don Natur und Gefchichte Ueber Schelling's Freiheitslehre. — Schubert. Steffens. 1075 es bier gegenüber von bem oben Dargefleliten darin zu einem Zorifchritt, daß, vermöge einer gegliederten und feftere Grenzen und ihrem inneren Berhältniffe unter fi und zum Chriſtenthum find die Anfichten von H. v. Schubert und Steffens Es mögen hier nur von letzterem einige Worte ftehen’ (vgl. feine An- tpropologie II, 353 ff. 455 ff. und: Wie ich wieder Lutheraner ' ward): Auf den untermenfshligen Stufen find.die Gattungen auseinander geriffen und deuten in zerfirenten Formen auf den Mittelpuntt aller Gattungen, auf die menſchliche. Aber auch die menfohliche Gattung ift nicht frei von Anfang an, fondern wilder " Kampf und thierifche Begterve entzünven fie, bis die Perſönlichkeit geftaltet if. Die Freiheit wird er durch Berfenfung, Opferung des eigenen Willens in das ewige Geſetz. Unſern Eigenwillen spfernd gewinnen wir unfern eigenfien Willen. Died ift dann unfer Wille und doch auch nicht unfer Wille; es if der Heiland in ung, die ewige Liebe, und beftätigt in einem Jeden die ewige Perfönlichkeit. Die Offenbarung der eivigen Perſönlichkeit Gottes, der Sohn von. Ewigkeit der, die wahre Urgeſtalt und die innere Fülle alles Geſetzes vom Nranfang war der Herr und Heiland Jeſus Chriſtus. Seine verhüllte Perfönlichleit war von Anfang an und blickt als Andentung zu Fünftiger Seligleit aus der Natur ber. In Nichts, was irdifch wahrgenommen und vernommen wird, fann die Befreiung liegen. Alle Geflalt auf Erben vergeht, — aber ber Sohn erfhien, die vollendete Erlöfung der Schöpfung, der ver ſöhnende Mittelpunkt der Geſchichte, wie der irdiſche Menfch der verföhsiende Mittelpunkt der Natur. In der Innigen Vereinigung mit diefer Berfönlichkeit tritt allein auch unfere ewige, nimmer vergehende Urgeflalt hervor, das Herz, der erlöste Abgrund, als die Stätte der Liebe; das verklärte Antlig als der enthüllte Him⸗ mel, das innere Licht, das Wefen der Seele, die Seligfeit. — Der Heiland dat den geheimen Schmerz, das innere Weh der ganzen Schöpfung getragen und überwunden, und mit feinem Zode brach die harte Schaale, daß der Frühling der unergründlichen Liebe und des ewigen perfönlichen Lebens hervorkeimen kann in jevem Gemuͤth. — So fchreitet in der organifchen Epoche der Geſchichte der Geiſt Gottes richtend' über die Welt, und bereitet die Zeit vor, in welcher die befreiten Urgeftalten eines. neuen Himmels und einer neuen Erbe in der Freiheit Gottes, In ver Liebe des Sohnes, in der Offenbarung des’ Geiſtes jene tiefe Einheit alles Lebens offen: baren werden. — Andersiwo: wer jene Einheit ver Natur und des Geiſtes, jene Herrlichkeit des Sohnes: (ver ihre Einheit dar: Dorner, Ghrifiologie. II. 2te Aufl. 69 1076 Dritte Periode. Abſchnitt 1. ziehenden Gefchichtebetrachtung, das Chriſtenthum mehr in feinem qualitativen Unterfchied von allem Nishichriftfichen erfcheint. Die bee der ewigen Menfchwerbung Gottes findet fih hier nicht mehr angewandt auf das Vorchriftliche, fo daß es eine Menſch⸗ werbung Gottes zu allen Zeiten gäbe: fondern erſt im Chriflen- thum ift Gott actu Gott und vollendet fid) die Menſchwerdung Gottes. Ebenfo ift bier das oben erwähnte Schwanfen zwifchen einer äußerfichen, blos ertenfiven, und zwiſchen der wahren in: tenfiven Unendlichkeit nicht mehr zu ſehen. Vielmehr bat fi bier Schelling von jener entfchieden biefer zugewandt. Daher find ihm die einzelnen Geftalten nicht mehr bios Allegorien, aus denen das Unendliche fcheint: ſondern inhaltsvolle, bedeutungs⸗ reiche Perſönlichkeiten eingereiht in die zu einem Organismus ſich gliedernde Geſchichte. Und wie überhaupt in dieſer Schrift bie unendliche Bedeutung der Perſönlichkeit zu klarerem Bewußt⸗ fein kommt, ja die Erhebung derſelben zur wahren intenfiven Unendlichfeit das Ziel aller Gefchichte ift, jo wird auch der oben bemerfte progressus in infinitum, den bie göttliche Offenbarung in einer grenzenlofen Welt der Enblichfeiten machen fol, dahin verbeſſert, daß bie einzelne Perfönlichfeit als fähig und beſtimmt betrachtet wird, durch Aufnahme des Univerfalwillens in den Partifularwillen abfoluten Werth zu erreichen und nicht bios eine flüchtige Erfcheinung, ſondern eine Darſtellung des göttlichen Lebens zu fein. Reit, aber nur aus fich felber, nicht aus ver Geſchichte su erklären iſt) begriffen hat, der allein ahnet die Tiefe des Abendmahls und die Seligkeit der innigen Vereinigung mit ihm. — Dieſe Gedanken find weiter ausgeführt in ſ. Religionsphiloſ. I, 410 ff. mit be: ſonderer Beziehung auf das Wunder. ©. 440 ff. Alle Entwid: lungen in ver Natur bis zur höchſten Stufe wollen nichts als die. göttliche Liebe vffenbaren. Diefe aber offenbart fih nur da⸗ durch, daß, was allein ift, die ewige Perſönlichkeit, aus fich felber werde, die verborgenfie Aufgabe der Schöpfung durch bie Perfon felbR gelöst fei. Der zweite Adam, die göttliche Perſon aller Derfönlichkeit, das Gentrum ver Geſchichte, wie ſchon in Adam ber Menſch Eentrum ver Rasur war, hat alle Gewalt über bie Schöpfung. Selbſt ein Wunder, die Perfon aus Gott, bringt er das Wunder zu Stand und Weſen in der Wiedergeburt des Alle. Schelling's Freipeitsichre. Die univerſelle Menſchwerdung. 4077 So ſehr nun in dieſem Allem ein weſentlicher und, wie von ſelbſt erhellt, der Conſtruktion der Chriſtologie günftiger Fortſchritt gefehen werben muß, fo wenig wird Dagegen Schel⸗ lings Anſicht über das Verhältniß des Menſchlichen zum Gött⸗ lichen, wie es ſich beſonders in ſeiner Lehre von der univerſellen Menſchwerdung Gottes ausſpricht, Billigung verdienen. Dieſe Idee ſcheint Vielen ſchon an ſich, und abgeſehen von der Schelling’fchen Grundlage, wonach die Geſchichte der Menſch⸗ beit zugleich die Gefchichte Gottes if, von Grund atıs darum verwerflich, weil baburch ber Menfch. über. die Maaßen erhöhet würde. Allein, wollen wir die Wiffenfchaft und das chriftliche Leben nicht um Binen ihrer höchften Gewinne bringen, fo wird bier nicht zu voreilig zu verfahren, fondern zu bedenken fein, ob ſich hier nicht eine tiefere, vielleiht lange verfannte Wahr: beit verberge. Es war, wie wir fo Häufig oben gefehen, das Haupige⸗ brechen der ganzen alten Ehriftologie, daß ihr Chriſtus als ein ‚abfelutes Wunder, als ein durch fein göttliches Wefen von ber übrigen Denfchheit auch nad ihrer göttlichen Idee fchlechtbin Berſchiedener erſchien. Wir fahen auch, daß immer babei bie Borftellung zu Grunde lag, daß Menfchliches und Göttliches überhaupt ſchlechthin verſchieden feien, und erfannten, wie deß⸗ halb in der alten Chriſtologie das Menschliche in Chriſtus nie zu feinem Rechte kam, weil es nad den vorgefaßten Begriffen neben dem @öttlichen nicht mehr Raum hatte. Die neuere ſub⸗ jeftive Richtung hob das Menfchliche hervor, und ihr Reſultat wer, in demfelben etwas Gottverwandtes, Göttliches zu erfennen: womit offenbar die Einficht in die Einheit des Göttlichen und Menfchlichen in Ehrifius ſich anbahnte. Wollten wir und nun zum Voraus gegen jede Anficht wehren, welche eine innige und wefentliche Verwandiſchaft des Göttlichen und des Menichlichen fieht, fo. wilden wir uns muthwillig um den Gewinn von Jahrhunderten bringen, und ung auf ben Boden zurüd verſetzen, auf weichem eine Ehriftologie ſchlechthin unmöglich iſt. Freilich Die philoſophiſche Betrachtung überfliegt gern bie Zeiten, die noch vorübergehen müſſen, bevor Gott in der Menſch⸗ 69 * 1078 Dritte Periode, Abfehnitt J. heit Alles in Allem geworden iſt: mit Ueberfpringung ber nöthi⸗ gen Bermittlungen ‚liebt fie, das innerfte Wefen oder die Anlage des Menfchen ins Auge faffend und Bierin feine innigfte Ver⸗ wandtſchaft mit Gott erfennend, unmittelbar von einer Einheit ‘ Gottes und des Menfchen, oder von bes letztern Opttlichfeit zu reden, wobei dann einerfeits Pantheismus, andererfeitd unge: bührliche Zurüdftellung ber Perfon bes gottmenſchlichen Ver⸗ mittlers jener Einheit unvermeidlich iſt. Dagegen wirb auf chriſt⸗ lichem Gebiet Niemand mit Fug Dagegen etwas einzuwenden haben, wenn chriftliche Philofophen bie Geburt aus Gott, aus göttlichen Saamen bei Johannes, oder das Einsfein im Sohn und im - Bater, davon ber Herr felbft fpricht im hobepriefterlichen Gebet, und bas er vergleicht mit dem Einsſein des Sohnes im Vater und bes Baters im Sohne, — nicht bios für eine moralifche Einheit mit Gott nehmen: wenn fie dag Wohnungmachen des Sohnes mit dem Vater in den Gläubigen nicht ‚blos für eine bildliche, orientaliſch⸗ übertreibende. Redeweiſe anfehen mögen: wenn fie endlich das Theilhaftwerden ber göttlichen Natur, wel: ches 2 Petr. 1, 4. von den Ehriften ausfagt, für volle Wahr: beit ımb Wirklirhfeit halten: wiffend, daß, fo namenlos des Menſchen Emiedrigung durch die Sünde ift, fo namenlos auch feine Erhöhung ift durch Chriftus Auch ift dieſe chriſtliche Idee nicht blos groß, ſondern es ift auch Zeit, fie zu faflen; damit wir ung Har bewußt werben, was wir am Chriſtenthum haben und zu welcher Würbe wir berufen find; und bamit Shriftus uns auf Feine Weife mehr äußerlich und unferem Weſen fremd daftehe, fondern wahrhaft als Bruder und Genoffe ber Menfchheit. Aber dieſe köſtlichen Wahrheiten, daß wir wahrhaft Chriſti Brüder werben ſollen, indem er auch in uns geboren: wird, und daß alfo die Menſchwerdung Gottes-burch die fortgehende Geburt des Sohnes Gottes in den Menfchen fich ins Unendliche vervielfäl- tigen fol, Damit das göttliche Leben die ganze Menſchheit an fih nehme, heilige, burchbringe und fich aneigne als feinen Leib, deſſen Haupt, als feinen Tempel, deſſen Edftein Chriſtus ift: — biefe boben Wahrheiten wollen von geweihten Hänben behandelt fein. Ueber Schelling's Freiheitslehre; allg. Menfchwerbung. 1079 Werben fie Dagegen roh erfaßt, fo werben fie zur Karifa- tur. Sie werben zu unchriſtlichen, ja zu irreligiöfen Theolos gumenen verzerrt, wenn die Vermittlung außer Acht gelaffen, und ber natürliche Menſch, wie er leibt und lebt, als Sohn, Kind Gottes betrachtet wird, ber unmittelbar jich in ihm wiffe und in ihm handele. Solch ein phyfifcher, unethifcher Begriff yon Gottmenfchheit läßt für eine Erlöfung, ‚für eine Potenzirung ber erften Schöpfung durch bie zweite, pneumatiſche, für eine ethisch gedachte Vollendung des Menſchen Teine Stelle; mit einem Wort, dieſe Anficht flieht noch auf pelagianifchem Boden, ja noch tief unter dem gewöhnlichen Pelagianismus. Denn jene Erhöhung des natürlichen Menfchen ift eine ufurpirte Hoheit, mit Einem Wort, eine Selbfterhöhung und eine Lüge. Der Mahn vom unmittelbarer wahrer Söttlichfeit unferer Natur hat zur natürlichen Folge, daß der Menſch mit allen feinen Träumen von Götttichfeit, mit aller angemaßten Hoheit nicht einmal wiſſenſchaftlich von der Stelle fommt, wie benn nur neue Räthſel fi ihm zufammenfnüpfen, bie alten aber theils bleiben, theils noch unlösbarer gemacht find, wie 4. B. bie Frage nad) dem Urfprung bed Böfen in unendlich vermehrter Schwierigfeit vor uns fteht, wenn wir den Menfchen unmittelbar für göttlich nehmen. Wie verhält fih nun biezu bie Schelling’fche Philoſophie? Die Idee der ewigen Menfchwerbung Gottes ift ihr leitender Gedanke, und wir können gewiffermaßen fagen, daß Schelling bas Problem der Welt zu löſen fuche, indem er die ganze Phi⸗ loſophie und Theologie in Chriſtologie verwandle, bie ganze Weit als den Sohn Gottes anfehe, die Grundidee des Chriſten⸗ thums durchführe Durch die Betrachtung der ganzen Welt. Da: bei ift er beflxebt, durch Gliederung ber Geſchichte in weſentlich verfehiedene Perioden dem Chriftenthum und Ehrifto feine eigen- thümliche, nicht. blos. quantitativ, fondern auch qualitativ über alfe andern Religionen und Religionsftifter ſich erhebende Dig. nität zu ſichern. Jenes erfcheint ihn, wie einerfeitd als bie ewige Idee bes Menfchheit, unter ber Alles gefchaffen ift, fo nach feiner Erfcheinung in ber Zeit als ein ganz Neues, welches da geboren wird, als die Erde zum zweitenmal wüſte und leer 1080 Dritte Periode. Abſchnitt 1 geworben, gleich als eine neue Schöpfung. Damit ift auch jener voreiligen Apotheofe der Menfchheit in fo weit geiwehrt, als das göttliche Leben in der Menfchheit nicht als ein unmitielbares, fondern als ein folches geſetzt ift, das erft feit Chriſtus im ihr aufgegangen iſt. Dennoch, fo tief mande dieſer Schelling’schen Ideen mir Recht in die beurfche Wiſſenſchaft eingegrifen haben, fo iR doch auch auf diefer Stufe feine Philofophie weder mit dem Chriften: thum noch mit fich ſelbſt in befriedigendem Einklang. Schellings Fortſchritt befleht hier darin, daß er bie Per: fönlichfeit (als lebendige Einheit von Subjert und Object, vom Einzelnen und Allgemeinen) in ihrem unenbliden Werthe zu erfaffen begonnen bat. Das Ziel ded ganzen Weltproceſſes it nach der Freiheitslehre die Geburt der volllommenen Menſch⸗ heit, die Realifirung der Idee des ewigen, urfprünglichen gött⸗ lichen Menſchen, oder von oben her angefehen bie volllommene Berwirklichung des idealen Principe, das einft in ben Gliedern feines Leibes ganz perſönliches Weſen wirb geworben fein ®). Allein welche Stellung hat inmitten dieſes Proceſſes der Menſch⸗ heit unb Gottes der hiſtoriſche Ehriftus? Nicht er ſowohl frheint der Handelnde und erlöſend Bollendende, vielmehr ſcheint „das ideale Princip“ ohne wefentlihe Beziehung zu feiner biftorifchen Erſcheinung die Seele der Gefchichte zu fein. Zwar fpricht ex ven trefflihen Sag aus: „Nur Perſönliches Tann das Perſön⸗ liche heilen;“ aber ex läßt ihn ohne Begründung und durch⸗ greifende Wirkung. Chriſtus eröffnet ferner zwar nach Schelling eine neue Periode, das Reich des Geiſtes. Aber iR er nur ber Erfigeborne, oder auch das wirffame und bleibende Princip ber Wiedergeburt ber Welt? ıtur ber Anfang oder auch ber Gipfel der neuen Weltperiode? — In ber bee bes Proceſſes, umter ben bie ganze Weltgefchichte geftellt wird, feheint zu Tiegen, daß bas Höchſte vielmehr am Ende. als am Anfang der neuen Zeit ſtehe. Ja wenn in biefem Menfchen wahrhaft und vollkommen bie Bälle der Gottheit ſich dargeſtellt, Bott ſich artualifirt hätte, 99) S. 496, 457, | Ueber Schelling’8 Freiheitslehre. 1081 fo wäre, fofeen ihm Endziel der ganzen Welt nur die Selbft: actualifirung Gottes ift, fein Grund weiter zu benfen, warum bie Weltzeit ſich nicht ſchon mit Chriftus gefchloffen hätte !%. Sp dag nach Schelling’fhen Principien ſcheint gefagt werben zu müffen, : Chriftus, fofern er ein neues Weltalter erft eröffnet, könne noch nicht bie wahre und vollkommene Selbſtactualiſirung Gottes darſtellen. Der tiefer liegende Grund, warum trotz des entgegenge⸗ ſetzten Bemühens für Chriſti hiſtoriſche Perſönlichkeit keine weſent⸗ liche Stelle in dem Syſtem kann gefunden werden, wird aber darin liegen, daß die Geſchichte der Menſchheit als völlig identiſch mit der Geſchichte Gottes betrachtet wird. Sichtlich zwar ſucht Schelling in der Freiheitslehre den Unterſchieden neben der Ein⸗ heit eine größere Macht und Selbſtändigkeit zu geben als zuvor und aus einem Gegenſatze, der bis an das Duatiftifche ſtreift, läßt er die Perfönlichfeit hertvorgeboren werben. Aber biefe Gegenſätze find fo gefaßt, daß fie zugleich und in Einem Gegen: fäte im göttlichen Leben felbft wie in der Welt fein follen. Indem ihm nun aber fo Gott ſelbſt nicht ewig actualifirt ifl in fih, nicht als abfoluter Geift dem Weltproceffe vorfteht, fondern in der Welt feine Actualifivung fucht, fo finft die Be⸗ beutung ber” enblichen Geifter überhaupt dahin zurüd, daß fie die Medien find, durch welche hindurch Gott feine Eriftenz als Geiſt erfireht. Weil Gott ſelbſt noch nicht abfolut lichte und freie Actualität ift, kann er die Welt auch noch nicht zur Stel: lung des freien Selbflzwedes entlaffen, und alle Kraft des phi⸗ Iofophifchen Geiftes, die Idee der Perfönlichfeit zum Prinzip zu erheben,“ wendet fih nur dem Problem der ewigen Perfonwerbung Gottes zu, wofür Die Welt mit ihren Perſönlichleiten als Mittel * Seltſamer Weiſe iſt dieſe Inftanz, die ſchon in der vorigen Aus⸗ gabe vorgetragen war, von Dr. Baur, Trin. II, ©. 963 ff: dahin mißverftanden worben, als wäre es meine Anfüht daß, wenn in Chriſtus das Höchſte fihon gegeben fei, der weitere Proceß nun überflüſſig und ziellos fei.. Eine fohärfere Auffaffung meiner Worte hätte die Widerſprüche erfpart, in die fie ſich ihm nun freilich verwickeln mußten. 1082 Dritte Periode. Abſchnitt 1. verwendet wird. Aber da kann offenbar einer einzelnen hiſtori⸗ ſchen Geftalt, wie die der Perfon Chriſti, feine weſentliche oder centrale Bedeutung zufommen; Alles fällt eigentlich dem treiben: den „idealen Prineip“ zu. Und auch ein Organismus perfön- licher Geifter, welche Heerbe und Träger des göttlichen Lebens wären in lebendiger Wechfelbeziehung auf einander und in ge⸗ meinfamer Abhängigfeit von der Perfönlichfeit, die ihrer aller Haupt ift, kann da Feine Stelle behalten. So Tange bie Er: löſung und Bollendung der Menfchheit nur als eine immanente Evolution Gottes in den einzelnen Geftalten oder Perfönlichfeiten der Geſchichte gebacht ift, fo bleibt für eine allgemeine perſön⸗ liche Mittlerfchaft Ehrifti Fein Raum; er ift da nur Anfang ber neuen Zeit, nicht Haupt, fonbern nur Bruder der Menſchheit. An die Stelle des allbeftinnnenden yerfönlichen Hauptes tritt ba der Eine Allgeiſt, der fich in der Menfchheit actualifirende Geift Gottes, gleihfam als idealer Chriſtus. If Gott ferner ber Weltgeift, ver Menfchheit Werben fein Werben, fo ift damit auch fchon gefagt, daß Gott feine ganze Fülle nicht ausgieße in Eine Perfönlichkeit. Iſt er doch ihrer, fo lange noch ein Wer: den iſt, nicht mächtig; nur in dem Ganzen der Menſchheit, die zufünftige mit eingefchloffen, ift er offenbar und gegenwärtig. Eine einzelne Perfon erfcheint da wieder zu eng und einfeitig für bie Fülle Gottes. Aber Damit iſt Dann auch wieder jener äußerliche Begriff des ertenfio Unendlichen zugelaffen, und ver drängt den tieferen ber intenfiven Unendlichfeit, der, wie wir faben, erſt die Wahrheit von jenem ifl. Da bildet die concret⸗ menſchliche Yerfönlichfeit wieder einen Widerfpruch mit dem Göttlichen, an dem fie zu Grunde geben muß. Indem Schel⸗ ling, der doch das Abfolute ald Subject, Perfon faffen will, Gott nur als perfonwerdend feßt, und zwar in ber Welt, die biefem Zwede feines für fih Offenbarwerdenwollens ihren Urfprung verdanken foll, flellt ex bie abfolute Nacht auch in Gott als die Borausfegung bes Lichtes, die phyſiſche Unendlich; feit als das Erſte in Gott auf und ift fo noch wider Willen mit ben Spftemen ber Subftantialität verflocdhten, welche Gottes Unenblifeit primitiv in quantitativem Sinne auffaſſen. So Ueber Scheling’s Freiheitslehre. 1083 Yange das gefchieht, ift die Inadäquatheit zwifchen ihm als Sub- ftanz und ald Perſon eine abfolute, und erſt wenn Gottes Wefen als abſolute Perfönlichkeit und Liebe gedacht ift, wirb auch bas Verhälmiß zu der menfchlichen Perfönlichfeit, die als foldhe uns endliche Empfänglichkeit hat, auch für den perſönlichen Gott ſich anders darftellen. Jene der Ehriflologie feindlichen Seiten. diefer Philofophie gehen aber insgeſammt von einer in fich zwiefpältigen Vorſtel⸗ fung aus — nämlich von ber Theorie eines werdenden Gottes, der am Ende ber Weltzeit actu criftirender Gott fein wird. Richt blos ift da Gott ganz in bie Zeitlichfeit dahingegeben, was nad manden Stellen bei Schelling felbft gegen feinen Bes griff ift: fondern Darin befonders ift biefe Anficht fich felbft wider: fprechend, wie fie Gottes Werben. motipirt und näher beftimmt. Damit Leben fei, müſſe, fagt fie einerfeite, ein Werden fein; ein Leben ohne Werben wäre ein tobtes Sein; zum Leben aber, zur Entwicklung fei ein Grund nöthig, der noch nicht das gölts liche Leben actu fei, aus welchem es vielmehr gerabe exfl werben müffe. Anbererfeits aber wird doch als Ziel das in Ausſicht geflellt, daß der Grund ganz überwältigt, Gott ganz actu Gott fe. So ſcheint alfo das Werben doch nur das Sein füh zum Ziele zu fegen, in welchem es erlifcht, und da träte Damm wieber jenes Sein ein, das, weil es nicht Werben ift, ein unlebendigeg, ſtarres, ungöttlihes wäre. Wir werben baher wohl bahin ges trieben werben, daß immer ein Grund fein müfle, ber noch zu überwältigen fei, damit das Werben nicht aufhöre. Allein damit finb wir .nur aus ber Charybbis in bie Scylla gefallen. Denn da iſt die ganze Weltentwidtung, wie bie Evolution Gottes, ziellos geworden. Zwar ift das Ziel, daß ber Geift des Grun⸗ des völlig mächtig werde; und ber Geift- arbeitet fortwährend, als ob dieß fein Ziel wäre: allein andererfeits Tann er bas nicht zum Ziele haben, weil er feines Gegners nicht entbehren fann, damit nicht fein eigenes lebendiges Sein ober Werben aufhöre: und es bleibt alfo dabei, daß der Geift, der göttliche wie ber menschliche, in letzter Inſtanz nur in einen ziel- und hoffnungsloſen progressus in infinitum ſich verſetzt ſieht. — x 1084 Dritte Periode. Abſchnitt 1. Faffen wir das Bisherige zufammen, fo führt Schellinge Philoſophie — zwar noch nicht in ihrer dermaligen Form, wohl aber nach ihrer Intention oder Richtung auf den wahren Begriff von Perfönlichkeit, im welchem Endliches und Unendliches wahr: haft zur Einigung gebeihen, — einer höhern Som ber Opeifologie entgegen ?). I. Die Chriſtologie der Hegel'ſchen Schule. . Daß wir dieſe jebt folgen Yaffen, muß ſich vorläufig ſchon baburch rechtfertigen, daß befannslich die Philofophie Hegels fich ans der Schelling’fchen. herausgebilbet hat. Die Einwirkung, ber Hegel’ichen Philoſophie auf die Theologie hat übrigens ungefähr den gleichen Gang genommen, wie bie der Kant’fchen. Wir ſahen früher, wie bie Theologen alebald die Kant’fche Philofo- phie utiliter acceptirten, und in einer Art auf die Theologie anwandien, bie, als ſich fpäter der Stifter der Fritifchen Philo⸗ fophie in feiner Schrift „Religion innerhalb der Grängen ber bloßen Vernunft“ vernehmen lieh, mit dem Sinn des Meifters übel zufammen ſtimmte. Aehnlich nun geſchah es auch .hier: und es ift in der That eine namhafte Differenz zwiſchen ber Lehre mehrerer Schüler Hegels und feiner eigenen, die erſt fpäter befannt geworden iſt 12), zu bemerfen. Wir werden daher, im Ganzen der Zeitordnung folgen, in kurzem Umriß gleihfam ala Cinfeitung die chriſtologiſchen Berfuche einiger feiner Schüler geben, welche noch vor bes Re= Higionsphilofophie von Hegel felbft erfehienen, denen ober freilich. begegnete, nicht im Geifte des ganzen Syſtems die Chriftologie zu geftalten, fonbern über dem an ſich löblichen, aber zu raſchen Bemuͤhen um Bermittlung der hriftlichen und fpefulativen In⸗ 1 Ob diefe Höhere Form von Schelling fpäter erreicht fei, Tann erfi definitiv entfchteden werden, wenn die fnätere Gehalt feines Sy⸗ ſtems authentifch vorligt. Sie nad ven bis jegt vorhandenen Ber: öffentlihungen zu ſchildern, halte ich mich nah Schellings Er: Härungen über diefe nicht für befugt. 2) Defonders dur die „Vorleſungen über die Philoſophie ver Reli: gion 1832“, Epriftol. d. Hegel'ſchen Schule. Dearbeineke. 1085 tereffen kamen fie zu einer minder zufammenhängenden, eflef: tifchen Ehriftologie. Das Syſtem, wie es Hegel felbft aufflellte, fonnte dazu die Veranlaffung werden, fofern wefentliche Seiten deſſelben noch nicht in einander gearbeitet, noch nicht zur feften, unzweideutigen Geftalt gelangt waren. Zuerft fommt bier die Chriſtologie von Marheineke in Betracht ' Bekanntlich ift feine ganze Dogmatik auf die Tri: nität gebaut. Der ewige Sohn Gottes, fagt er, immanent in Gott als ewiger Logos, bringt es zu feinem Unterfchied, bis ber ungefchaffene Logos zum göttlichen Ebenbild, ber Sohn Gottes zur Menfchheit wird. Aber, ift nun bie Menfchheit überhaupt ber Sohn Gottes, wie gelangt er zu Chriſtus, und welche Stelle weist er ihm an? Der Menfch, fagt er, ift vorerfi im Stande ber Unſchuld, worin aber nur das noch nicht eingetretene De: wußtſein ber Schuld, nicht die Wirklichkeit jener Urbildlichkeit Kit, zu.ber er als Gottes Ebenbild gefchaffen iſt ($. 252. fgg.) Er hat zunächſt mur die Anlage zu dem, was er werben foll, Indem er diefed noch nicht if, iſt Die nattirliche, erſte oder un⸗ mittelbare Exiſtenz des Menichen die böſe. Wie ſoll es befler, wie foll er verfühnt werben? - Es Tann nur gefchehen durch Erhebung. ber Seele in eine höhere Region, durch Aufgenommenfein der menfchlichen Natur in die göttliche, was von göttliher Seite aus Annahme menfch- licher Natur if. Nur die Idee ber Gottimenfchheit trägt bie Wiederherfiellung der verlorenen Einheit in-fih. Das ift. die Nothwendigkeit diefer Idee. Aber auch die Wirklichkeit dieſer Idee iſt möglich, denn ber Geift überhaupt iſt eigentlich Gottmenſch, fein MWefen ift, göttliche und menfchlihe Natur in Einheit zu fein; Gott ift bie Wahrheit des Geiftes, die menfchlihe Natur Gottes Wirklichkeit. Ya diefe Einheit, die des Geiftes Wefen ift, ift auch wirklich, fo gewiß Wahrheit und Sittlichleit in der Welt find. Sn Ber: nunft und Freiheit ift Gott zu allen Zeiten ber Welt gegen: 12) Grundlinien der chriſtlichen Dogmatik als Wiſſenſchaft. $. 295 bis 340. 1086 Dritte Periode. AÄAbſchnitt 1. wärtig und in ihr gewefen und fie in ihm. Das Reich des Wahren und Guten ift zu allen Zeiten allen Menfchen zus: gänglich, affo Gott in feiner Menfchheit offenbar. und wirklich geweſen. Sp hätte denn Gott, trogbem . daß er nur in dem Men⸗ ſchen, dem werdenden, ‚wirklich fein ſoll, ſtets actu exiſtirt — nemlich wenn ſtets Menſchheit und zwar ſelbſtbewußte war! — Aber bebarf ed ba noch Chriſti? Die Einheit des Menſchen mit Gott, fagt er, fei eine geſchichtlich fortfchreitende 7%) : in Chriſtus fei die Dffenbarung vollkommen menfclid) geworben: dieſer offenbare Menſch if der offenbare Gott in gefchichtlicher Ob⸗ jectivität (Grunblin. §. 327.) Mit ihm ift Gott auf das Boll fommenfte Eins; nur auf dem Grund feiner Einheit mit Got fann die Menſchheit gleichfalls mit Bott vereinigt werben 1°). Er ift nach feiner Herkunft aus ber Natur (bie natürliche Zeus gung dürfe nicht geleugnet werben) blos Menfchenfohn, Sohn Gottes it Jeſus Chriſtus als ber in feiner Einzelheit allge meine, in feiner Allgemeinheit einzelne Menſch; er ift bie von Gott gefchaffene menſchliche Natur in ihrer Integrität und Illa⸗ bifität und eben darum als ber zweite Adam, Repräfentant der Menschheit, die Wahrheit des erften. Die Nothiwenbigfeit diefer Idee hat ex fo wenig begründet als bie Nothwenbigfeit Davon, daß die Gotimenfchheit in Einem Individuum ganz verwirklicht fei. Vielmehr aus feiner Deduction folgt, bag nur Gott den Menſchen durch Herablaffung in ihn und Aufnahme deſſelben in ſich erlöfen könne; und theologifch unvermittelt tritt an bie Stelle bes Beweiſes die empirifche Behauptung ber vollfommenen Wirk: lichkeit Diefer Idee in Ehriftus auf. Aehnlich Roſenkranz '9%): einerfeils iſt auch ihm bie Sünde die allgemein nothwendige erſte menſchliche Daſeinsform; , Alſo doch wieder nicht ſtets vollendete; Gott alſo nicht ſtets actu Gott. 15) Nachdem die Sünde als nothwendige erſte Dafeinsform aller Men: Shen behauptet war, find dieſe Ausfagen über Chriſtus willkürlich und folgewidrig. 10) Encpclopädie d. theol. Wiff. 1831. 6. 26 . 69-73, Hegel'ſche Schule. Marheineke, Roſenkranz, Göſchel. 1087 anbresfeits nennt er doch Chriſtus ſündlos. — „Noch ein Epri- flus als individuelle Exrfcheinung wäre fo überfläßig als noch ein Adam, um natürliche Menfchen zu zeugen.“ Dann aber fagt er wieber: Gott ift das Wefen ber Menfchheit, und dieſes Befen hat immerwährende nicht blos momentane Erfcheinung, es offenbart fi) abfolut nicht in ben einzelnen Erfcheinungen für fich, aber in ifmen als Totalität, in welcher die Zufälligfeit und der Mangel des einzelnen Dafeins fih aufhebt 17. Hienach wäre nicht in dem Individuum, fondern in der „Totalität“ bie adäquate Offenbarung Gottes ober bes Weſens. Friedlich fteht Daneben aber wieber der Satz, daß die Einheit von Gott und dem Menfchen als Erſcheinung völlig und auf einzige Weife in Jeſu geweſen - fei, wovon bie Nothwendigleit ober auch nur Möglichfeit nicht gezeigt wirb 12). Göſchel fegt Die Sünde voraus, ober die Entzweiung. Die Menſchheit ift abfiraft gegen Gott, die Eirkalation des all- gemeinen Lebens durch das Beſondere hindurch ftodt und der Menſch if darin unfelig, Wie fol die Erlöſung gefchehen? Weber durch das abftrafte Selbſt, noch durch das göttliche Weſen, fofern es abfraft fi) trennte von ber Welt. Es gilt bie Auf: hebung der Abſtraltheit beiderfeits, Die Herftellung ber Gonti- muität des Lebens. Diefe fann nur ausgehen vom Allgemeinen, Goͤttlichen, denn der Menſch bat Bott nicht durch fih. Er kann in Gott nur fein oder verfeßt werden durch Gott, ober dadurch daß Sort fich in ihn verſetzt. Wie gefchieht das? Durch feinen in den Denfhen wirkenden Geiſt? Göſchel fagt (aber ohne ge: nligende Begründung): durch Selbfientäußerung Gottes. Gott verſetze fich in die Menfchheit um fie zu wiffen; fein leben: — — 2, Eine von Schelling ſtammende, von dem Weſen des Ethiſchen und Religiöfen abfehende Borftellung, deren fpäter auh Strauß fih theilhaft gemacht, ruhend auf Verwechslung des äfpetilhen Ge⸗ hietes mit dem ethifchen. Es if nur ein Rüdfall von der Stufe des Proteſtantismus und feinem energiſchen Perföntichkeitsbegriff auf die des Katholiciomus in ſolchen Theorieen ver Ergänzung ber Einzelnen zu fehen. 38, Unten werben wir noch einmal von Roſenkranz zu fprechen haben. 1088 Drritie periode. Abichnitt 1. diger Gedanle ſei That. Er verſetzt ſich nicht blos in bie Menſchheit im Allgemeinen, ſondern wird als einzelner Menſch in einer beflimmten Zeit und an einem beflimmten Ort Fleiſch, um diefes Schickſal des Menſchen, vereinzelt zu fein, zu willen. So ift er in die ganze Nofh der gefallenen Kreatur. verfeßt und trägt ihre Sünde. Die Berfegung wäre nur eine halbe, wicht Berfeßung in den einzelnen Menfchen, wenn nicht die Fülle der Gottheit ofme Reft und Rückhalt in der Dienfchwerbung ſich ent- äußerte. Behielte das göttliche Weſen noch etwas für ſich, fo wäre es ſelbſt noch abfiraft alfo unvermögend, von ber Abfiraft: beit zu erlöſen. In biefer thatfächlichen Entäußerung feiner ſelbſt wird Gott erfannt ale das concret Allgemeine, das treu ift; mur in biefer Offenbarung, in’ Jeſus Ehrifius, erfennt der Menſch Gott und hat Feinen. Namen, in welchem er Gott an: beten fol, als den Ramen des Menſchenſohnes 19. Iſt hier aus ber auch in unfrer Unireue treuen Liebe Gottes feine Menſchwerdung abgeleitet, fo bat Göſchel bald darauf auch aus der Gerechtigkeit Gottes dasſelbe Refultat zu gewin- nen gefucht 2°). Der firafende Richter dürfe dem Geſtraften feine Liebe nicht entziehen, das gehöre zur Herflellung der Rechtsord⸗ ‚nung, bie als fütlihe Gemeinfchaft exiſtiren muß. Die Strafe ſelbſt fei fhon ein Gemeinfchaftsact, Mittheilung. Die Gerech⸗ tigfeit fordere nicht blos Strafleiden bed Ungerechten, Abbüßung und Tilgung des Unrechts, fondern zu ihrer vollen Darſtellung gehöre auch, daß der Strafenbe mit leide, mittelſt der Liebes⸗ gemeinfchaft die Strafe auf fih nehme, um fie zu überwinden und die Gemeinschaft wiederherzuſtellen. Deßhalb mußte Gott Menfch werben; er. mußte ſtatt die Gemeinfchaft. mit den Straf: würdigen zu weigern ald Menſch mit leiden; damit erſt hat das Recht, welches Herfiellung der Semeinfchaft mit dem Rechte: organismus fordert, feine Satiefackon, und fo ift ber große Gnadenact der Heildorbnung ein Juſtizact. Bei allem Lob, das dem Geift und dem chriſtlichen Sinn , Aphorismen über Richtwiffen u. abfol. Wiffen 1829. 20, Zerfirente Blätter aus den Dand- und Hllfsäcten eines Juriſten 1832. Degel'ſche Schule. Göſchel. 1089 dieſes Verſuches gebührt, iſt doch unverfeimbar, baß- er in feiner zweiten Geftalt Gerechtigkeit und Gnade, Gefeg und Evange- lium vermifcht. Zuerſt wird einfeitig die Strafe ald eine Art ber Liebesmittheilung betrachtet, was mit ber paulinifchen Lehre vom Zorn Gottes, zumal über bie Ungläubigen nicht beſteht. Sodann wird Gottes freie Gnade als ein Juſtizacrt befchrieben, was feinen guten Sinn hat bei dem bibliihen Begriff von Ge⸗ rechtigkeit, aber nicht bei dem juriſtiſchen. Nach letzterem gewänne es den Schein, als ob das Werk der Verſöhnung Gottes Schul⸗ digkeit wäre. Göſchel greift hier in die justitia Dei reetoria über, deren Prinzip nicht die bloße Gerechtigkeit, ſondern auch die gAardewmix Gottes iſt. Es iſt verdienſtlich, Die Grundideen der Jurisprudenz und Theologie zuſammen zu ſchauen, aber nicht, ſie zu. vermiſchen. Daß Gott mit Sündern will Gemeins ſchaft halten, das ift aus feiner Liebe abzuleiten; die Gerechtig⸗ keit ift dabei nur die negative Bedingung. Daß ferner Gott feinen Gemeinfchaftswillen habe durch die Menſchwerdung in Shriftus beihätigen müſſen, erhellt auch nicht aus Göſchel's erſter Deduc⸗ tion, ſondern nur dag Gott des gefallenen Menfchen ſich an: nehmen, ihn an fi nehmen müſſe. Warum Gottes Liebe fi nicht Damit begnfigt, ſich innerlich dem Menſchen zu bezeugen als den. Treuen, fondern in Chriftus feine Liebe offenbart, ift nicht qureihend begründet. Denn ber Berfuh, es als eine innere Nothwenbigfeit der Liebe Gottes zu ermeifen, bag er fich bis zu dem ſich Vereinzeltfühlen entäußere, damit er das Schid: fal des Menfchen, vereinzelt zu fein, wiffe, trennt — was mit der theopaſchitiſchen Färbung der ganzen Darfiellung zufammens Hängt, Chriſtus von Gott in unzuläffiger Weife, zumal wenn er doch wieder Goties Offenbarung fein ſoll 2). Ob endlich die ethiſchen Kategorieen, mit weichen Göſchel zu arbeiten ſucht, zu der Hegel’fchen Grundlage, mit ber er eins fein will, flimmen, wird fpäter erhellen. Das Bedeutendſte aus ber Hegeb ſchen Schule vor dem Er⸗ 21, Ueber feine ſpätere, bedentendere chriſtol. Leitung unten ein Wort. 10% Dritte Periode. Abfepuiti-L fiheinen von Hegels eigener Darflellung war aber bie Chriſto⸗ Iogie von Kaſ. Conradi 22). Sein Verſuch verbient befonbers darum Anerkennung, weil er im echt wiſſenſchaftlicher Geſchichtsbetrachtung die ganze vor: chriſtliche Religionsgeſchichte als die noch einfeitigen Momente ber abjoluten Religion. beirachtet und als ben Zielpunft ber ganzen Entwicklung die perfönliche Einheit Gottes und des Men- ſchen oder ben Gottmenſchen feſthält. Die Geſchichte ift ihm nur bie reale Gliederung beflelben Begriffes, deſſen ideale, logiſche bie Philoſophie darſtellt 2°), und da fo biefe Gefchichtsbetrachtung zugleich Philoſophie iſt, ſo ift, wenn fie fich burchgefühtt, das Chriſtenthum hiſtoriſch und philoſophiſch conſtruirt. Die Ger ſchichte des religiöſen Selbſtbewußtſeins iſt aber zugleich Geſchichte der Offenbarung Gottes. Da bei dieſer nichts kann Inhalt der Offenbarung fein als er ſelbſt, fo ſtelle fie die göttliche Selbfl- explication das, ſei zugleich Gefchichte des göttlichen Geiftes, ber Seele dieſes Proreffed. Das wahre Geben beider, Gottes und bee Menfchen ift bie gegenfeitige Hingabe des einen an ben andern. Was von Seiten des Menfchen Hingabe an Gott ift (Religion), das if, fagt er, von Gottes Seite, der des Menfchen Weſen ift, betrachtet Er- plifation des göttlichen Weiene, ein Subjeltiowerden der Sub ſtanz in dem Menfchen, Selbſtverwirklichung in ihm. Umgelehri die Hingabe Gottes, die ein Aufſteigen im ſubjectiven Bewußt⸗ fein iſt, iſt von Seiten der menſchlichen Subjetioität ein Sich⸗ verienfen in bie eigene Subſtanz (Gott) um mit ihr Eins zu fein. Sonach fei die Idee bes Gotimenfihen das einzig. wahre Dofein von beiden. Im Gotimenfchen ift jene gegenfeitige Dabingabe in vollfommenfter Weife vollgogen. Erſt in ber 22) Gelbſtbewußtſein und Offenbarung ober Entiwidtung des relig. Bewußtſeins. Mainz 1881. 23) Der Ruhm der Erfindung bdiefer Behandlung der Religionsge- ſchichte gebührt zwar Schelling und Hegel; aber der Gang fohreitet bei Eonradi fiherer zum Ziel der vollendeten Perſönlichkeit fort, während er fih bei Hegel durch feine Ungunft gegen die hebr. Religion verwirrt. — ———⏑ u mm Ting wur un u" wm ii ww u. ⸗ Chriſtol. Bd. Segel'ſchen Schule. Kaſ. Conradi. 1091 Perfon des Böttmenfhen bringt es der Menſchengeiſt zur abſo⸗ luten Dahingabe an Gott und zur freien, fein inneres Weſen ergreifenden Subfeftivitäs; erſt in ihm iſt aber auch Bott, das An ſich menfchlicher Natur ober das Allgemeine in vollenbeter Herföntichleit verwirklicht und offenbar. Die vollendete Perfön- Kichleit ift num aber die Einheit zweier Seiten, des Allgemeinen und des Beſondern. Der veligionsgefchichtliche Prozeß, deſſen Ziel fie iſt, verfucht daher feine Biſdungen nach beiden Seiten, im Orient nach der Seite der Allgemeinbeit, im Decident nad der Seite der Beſonderheit. Beide erweilen ihre innere Zu: fammengebörigfeit dadurch, daß im Laufe der Entwidlung jedes in das andere umſchlägt, worin fid) eben offenbart, bag nur in der Einheit beider die Wahrheit ift, d. h. in ber volllommenen Verföntichteit, die das Göttliche und das Menſchliche gleichmäßig in ſich bat. Das Dafein dieſer realen Perföntichkeit, wenn fie eintritt, if den Bedingungen individueller Wirkfamfeit Überhaupt entzogen, iR freier AB des abfofuten Wefens ſelbſt, ja fie nimmt ihren Urfprung aus dem Uigrund alles Seins und iſt fu das Daſein nicht des eimelnen Geiſtes, fonbern bed Geiſtes Hberhaupt; fie kann nicht mehr blos eine einzelne und endliche fein, das Allge⸗ meine, Abfotnte muß in ihr fein reales Dafein haben. Sie iſt Ausdruck des unmittelbaren güttlidden Lebens, Hervortreten biefen Urgrundes, fie it a) nah der Seite der Allgemeinheit Geburt aus dem Geiſt, nicht aus einem einzelnen zufäfligen Individnum oder Geiſt, nicht aus einem einzelnen Vollsgeiſt, ſoudern dem Geiſt der Menſchheit, der als folder ber reine heil. Griſt Gottes genannt werden kann. So iſt alle Zufüklig- Seit, Beſchränktheit und Vereinzelung bes Erzeugten ausgeſchloſſen, dasſelbe ift vielmehr einerfeits ein. nochwendiges, andrerſeits ein allgemeines Dafein. Die Bermittlung bildet nur bie reine Natürlichkeit, Die wir in einem weiblichen Weſen erhalten ſehen, das mit frommer Einfalt an die Macht des Geiſtes füh hingibt und feine Wiskfandeit empfängt. Der Moment bed Zuſammen⸗ treffeng ber reinen Allgemeinheit und einer reinen natürlichen Subjectivität iſt die Geburt Chrifti, das Dafein bes reinen Dorner, Chriſtologie. II. 2te Aufl. 70 1092 Dritte Periode. Abſchnitt L Geiſtes ald bie veine Ratürlichlet — wobei bie Trage nach den Mittelurfachen mäßig if. So ift Chriftus rein und ohne Sünde empfangen und geboren, in einer zunächſt negativen Unſchuld b) Aber ebenſo wefentlich, ſahen wir, iſt das Moment der Be⸗ ſonderheit für die Perſönlichkeit. Auch der Geiſt if erſt geſedt als das Allgemeine, wenn er zugleich das Beſondere iſt, wenn er als das Allgemeine ſich zugleich für ſich bat, Subjekt iſt. Da⸗ mit erſt, daß der Geiſt Subjekt if, if er die Wirklichkeit feines Weſens, Geiſt im Geiſt, Gott in Gott, das Wort. Chriſtus ift das fleifhgeworbene Wort. Das erſte Dafein Eprifi, Einheit des Göttliden und Menſchlichen in reiner Natürlichkeit, iſt noch nicht fubjeftio, muß es erfi werben. Er if zunächſt bloßes Au fi; es muß dahin fommen, daß die Subflanz die Form der Subjeftivität erreiche, ohne die fie unbeftimmtes, leeres, Allgemeines bliebe, und daß die Subjektivität fih mit ihrer Subflanz erfüllt, ohne Die fie gleichfalls Leer wäre. Chriſti zumächft unmittelbares Dafeie „muß, da doch ber Geiſt es it, der m ihm in die Natürlichkeit einge: gangen, feinen Inhalt auch für fich gewinnen: er muß, was er an fi ſchon if, auch. durch ſich und für fh werben. Dazu gehört, daß ber fuhjeftive Geiſt ſich .unterjcheibe von feiner Un⸗ mittelbarleit, biefe negue. So enificht Kampf, Möglichkeit der Chriſti Unfändlichkeit iſt nicht Bios eine natürliche Un: ſchald, da wäre fie ohne Werben, bewußtlos, Die Möglichfeit des Begentheild muß ſtets überwunden werden. Dennoch bleibt bie Möglichkeit der Entzweiung ftetd nur eine gedachte, der Umer⸗ ſchied wirb nicht zum Gegenſatz, deun nach feiner andern Seite it Chriſtus die reine Allgemeinheit °%). Die Entwicklung Ehrifi auf jeder Stufe if eine gleichmäßige, die Unterſchiede in die Einheit auflöfende. Indem Die Gubjeltivikät ſich unterkheidet von ihrem unmittelbaren Weſen, fo zieht fich gleichermaßen und zumal das Weſen hinein in Die Subieftivität, und zugleich — 2) G. 126 ff. 134, Chriſtol. d. Hegel'ſchen Schule. Kaſ. Conradi. 1093 anders angeſehen geht bie Subjektivität ein in ihr Weſen und dieſes erhebt ſich in ihm zur Subfeftivität 25). 25) Später freilich, hiemit unvermittelt, tritt die Meinung auf: Zu den nothwendigen Bebingungen des perfönlichen Selbft gehöre ver eigene Wille des Fürfichfeins, daraus ergeben fi Bewußtſein der Schuld, Schmerz und Leiden um die Sünde ©. 266 ff. Zu ben reinen Refultaten der Entwidfung vor Chriſtus gehöre auch Schuld: bewußtfein, Reue, das müſſe alfo in ihm, ver reinen Bollendung des perfönlichen Selbft feine Stelle haben. Seine Unfünplidfeit ſei nicht die reine Regation der Sünde, fonvern- die aufgehobene zu keinem beharrligen Zußand, zu Feiner objeltinen Virklichkeit getfommene Sündlichleit. So leide er um ber eigenen Sünde willen: Leiden um fremder Sünde willen fei damit nicht ausge ſchloſſen. — In feiner Kritit der Dogmen nach Anleitung des apof. Symbol. 1841. ©. 132—153, fuchte er genauer beides zu vermitteln: Unſündlichkeit komme Chriſtus zu vermöge der To- talität des In feine Individualität eingegangenen Begriffe der Menſchheit; die Sündlichkeit aber, fofern die Vermittlung biefes allgemeinen Begriffs zur‘ conereten menfchlichen Individualität nothwendig den Gegenfaß zwiſchen dem Individuellen und Allge⸗ meinen vorausfege. Die unfündlige Gehurt aus dem wahren Weſen ver Menſchheit fei für ihn auszuſagen, aber das fchließe noch nicht Tünbiofe Entwicklung ein. Im Gegentheil fei menſch⸗ liche Entwicklung in ihm nur möglich, wenn auch in ihm ein Unterfehied der Richtungen auf das indivfpuelle Kürfichfein und auf das Allgemeine, .ein eigener Wille im Gegenfab gegen das Allgemeine fei, der dawider und wider bas ‚angefonuene Opfer des ganzen natürlichen Lebens ſich behaupten „wolle und erfi real zu überwinden fei- Er habe den perſönlichen Willensentſchluß der Selbfiopferung erft zu erringen gehabt aus Schwankungen, und der Raturwille, der eine Kette verfucherifcher Gedanken aus fih auffeigen ließ (Matth. 4.) habe auch bei der Ausführung des reinen Entſchluſſes fein Widerfireben noch entgegengefegt. Darauf iſt zu fagen: Man darf pas Nochnichtvorhandenſein der abfoluten Bolltommenpeit, die das Ziel iR, fo wenig Sünde nennen, ale den unſchuldigen Conflict zwifchen der natürlichen und ber geiftigen Seite, die der Beruf bringt. Die Regungen des natürlichen Lebens oder Raturwillens in Chriſtus find gar nicht bis an fh, au nicht wenn fie in das Bewußtfein und in die Gedanken ſich reflec- tiren; Sünde würde nur im Geife fein, wenn er wider fein Velen und feinen Beruf ſich beſtimmen Tiefe und befimmte. Die natürliche Seite ift fo wenig im nothwendigen Widerfpruc mit 70* 1094 . Dritte Periobe. Abſchnilt L Die Entwidlung der Perfönlichleit Chriſti, Führt er fort, erreicht in ihrer Richtung auf ſich ſelbſt notwendig einen Punkt wo diefe Richtung ale vollendet angefeben werden muß. Mit dieſer Vollendung feiner Subjeftivität erlifcht aber nicht bie Ertwidlung. IR es doch das allgemeine Selbfibewußtjein, das (ih in ihm gefondert hat; dieſes Tann nicht eim abgefchloffenes Fürfichfein Heiden, das den Gegenfap (die Menſchen) noch außer fich zurückließe. Es muß fi daher die Perfönlichfeit des Individuums zur Perfönlichleit des Gefchlechtd erweitern. Der weitere Fortſchritt Chrifti ift Daher, daß er fih als Das Ganze, als Die Wahrheit und Das Leben des Banzen wiſſe. Denn in ihm fommt das ganze Wefen überhaupt, bie zufam- mengenommene Gattung zum Fürfichfein. Seine Individualität bleibt als beſtimmtes Bewußtfein, aber fo, daß ſie als ihres Weſens Inhalt bat und weiß die Wahrheit und das Leben des Ganzen. Dieſe Perföntichleit if einerfeits der Begriff des Gan⸗ zen, bes Allgemeinen, inbipiduelle Wirklichfeit, Grund und Quelle bes Lebens flir das Ganze, und darin ligt für jeden Einzelnen Die Nothivendigfeit, die eigene Realität und Wahrheit in ihm zu fuchen im Slauben. Das Ganze als Glaubenseinheit ver: fammelt fih um diefe eine Perfönlichkeit, alle feine Bewegung dem Gelfte oder dem Allgemeinen, daß vielmehr auch fie vom All⸗ gemeinen und vom Willen des Geiftes umfchloffen fein muß, fo zwar, daß der Geift Regel und Ordnung ſetzt. Bel Eonrabi Täme eine nothwendige ewige Sündlichkeit heraus, indem auch in der Vollendung das Moment des Fürfihfeins, des individuellen Wollens von dem Allgemeinen nicht vernichtet werden darf. — Sünde iſt Widerſpruch gegen das Sollen, das Bebensgefeh, nicht das abftracte, fonft freilich wäre auch Unvollkommenheit und Werden Sünde, fondern gegen bad @efep mit den Anforderungen die es an jede Rebensftufe macht. Daß Epriftus dieſem Geſetz gegenüber je fih abnorm verhielt, fet es perſönlich, fei e8 nach feiner natürfichen Seite, hat Conradi nicht bewiefen, ja kaum beweifen wollen. Es wäre aud im Widerſpruch damit, was er von Chrifti unmittelbarer heiliger Ratur fonft ſagt. Kraft diefer mußte die Richtung Chriſti auf fich ſelbſt auch Richtung auf diefe heilige Natur, ihre Behütung und Entfaltung fein. Chriſtol. d. Hegel'ſchen Schule. Kaf. Eonrabi. 1095 Beebt dieſem Mittelpuulte zu, geht in ‚if. zufammen. Aber wäre biefe Bewegung bie einzige, fo erlöfche. alles Reben in dem Mittelpunkte, flöße nur in dem Haupte zuſammen; bie Kirche würde, flatt Organismus zu fein, erflarren. Darum if ebenfo das Entgegengefepte nöthig, daß der Mittelpunft dem Ganzen zuge: fehrt fei, auf daß die Einzelnen fich nicht verlieren in ihm, fonbern finden und zwar wiedergeboren, wie denn Alle in ihm ber Mögliche keit nad) enthalten find. So ift in der Kirche. die weitere Gefchichte feiner Perſönlichleit. Ihr Leben: hat eine boppelte Seite, eine phyſiſche und eine geiftige. Weil er das Leben war, fo gab er zeugend durch That Leben (in den Wundern bie nicht mythiſch wollen verſtanden fein). Auf geiftige Weife flellt Chriſtus das allgemeine Lehen dar, indem er bie Gerechtigkeit perſönlich repraͤſentiri. Seine Gereshtigfeit ift bie Gerechtigkeit des Ges ſchlechts. Kraft disfer Gerechtigkeit vollendete ſich feine Perſön⸗ lichfeit in der Auferfiehung, (welde feine Perſoönlichleit in ihrer Integritaͤt berfiellen muß, weil bazu auch die Leiblichkeit gehört), und in der Himmelfahrt, welche ausbrüdt, daß feine Leiblichkeit feine Form ber Eriftenz mehr ‚habe, die nicht vom innern Wefen der Perfönlichfeit erfüllt und durchdrumgen wäre. Die Perfönlichkeit ft nun auch ber "äußern Natur gegenüber zum wirflihen Befig ihres Freiheit gelangt. Er iſt nun bag Tip, weiches in einem Brennpunkt das Allleben des Univerſums vers. fammelt und wiederum in daſſelbe ausgegofien ‚if. Er bat wohl wech ein örtliches Dafein.. Aber dieſes iſt lediglich durch ihn bedingt. Der Leib folgt dem Zuge des Geiſtes, da die natür⸗ liche Erifteug die er war, und die eine Schranke bildete, num aufgenommen und begeifter ift von feiner unendlichen Perſön⸗ lichkeit. Ihn wollend will und Bat ber Menſch Leben und Gerrehtigleit. Dieſe Theorie enthält mehrere bebentende Punkte, die noch weiter zur Sprache kommen werben, namentlich iſt bie Kraft erfreulich, mit der er auf die Vollendung der Perfönlichkeit in dem Gottmenfchen hinſteuert. Trefflihes ift auch in demjenigen enthalten, was er von Ehrifti Perfon als ber in inbivibuelle Form eingegangenen Totalität, von ihrer Gntwidlung und ihrem 1096 Dritte Periode. Abſchnitt 1. Berhäftuig zur Menſchheit fagt. Aber das Alles wirb fi nad) dem bei Schelling Bemerkten mır fefthalten laſſen bei einer an- dern philoſophiſchen Grundlage. Auch er faßt Gott als ten Weligeiſt, die Gattung ald das Allgemeine — Gott, die Men- fchengefchichte als Selbftactualifirung Gottes (wodurch in feiner Sprache viele Unklarheit und Spielereien entſtehen). Die Ber- wirflichung des Gamzen in einem Individuum kann weber ale möglich noch ale nothwendig von einem Stanbpunft aus. behauptet werben, der den Weltprszeß nur darum fan fortbauern laflen, weil Gott no nicht vollfommen actualiſirt fei. — Eonradi riihtet, um den Prozeß, nachdem in Chriſtus das Höchſte erreicht iR, nicht erlöfchen zu Taflen, den Blick auf die Menfchheit, die Kirche werben fol, felig und heilig durch Glauben. Allein das it nur berechtigt, wenn das Daſein der Menfchheit nicht dadurch begründet if, der Eniftehung bes Selbſtbewußtſeins Gottes zu bienen. Denn dieſes Ietere wäre ja fchon mit Chriſtus gewonnen. Und nun geben wir über zu der Chriftologie von Hegel ſelbſt, wobei am meiften die oben erwähnten Vor: lefungen über die Philofopbie der Religion in De tracht Tommen 29%. @ott tft ala Geift der dreieinige, fagt er; als Geiſt if ihm weſentlich, ſich zu manifefticen, ſich als Unterſchiedenes zu fegen, oder zu objektiviren. Hiemit IR geſagt, daß Bott, um Geiſt zu fein, fih ein Anderer werben muß... In der göttlichen Idee aber iſt dieſer Unterſchied ebenfo uumistelhar wieder auf gehoben, wie er gefegt if, und fo kemmt es in Get nach Diefer mmanenten Trinität zu feiner Ernfihaftigfeit des Unterfchiede: das Unterſcheiden ift bier nur ein Spiel der Liebe mit ſich ſelbſt: zur Trenmung und Entzweiung kommt es nicht. Damit der Unterfhieb als ein fefter hervortrete, und nicht immer wieder das Identiſche fei, wird der Sohn oder des Unterſchied in Gott — — 260) Vgl. Bd. 1. (Werke XIL) beſonders ©. 204- 2506. Ferner gehört bieher von der Phänomenologie der Abſchnitt: die offenbare Re: ligion. Geſchichte ver Philofophie MI. S. 100-- 108. (Werke Bd. XV). Philoſophie ver Geſchichte (Werke IX.) G. 328 ff. Degel. 1097 entlaffen aus Bolt, daß er für ſich feihft ein Freies fei, ein Wirkliches außer, ohne Gott. Das Entlaffene ift die Welt überhaupt, welche der freie und fein ſelbſt ſichere Gott, weil dag Freie nur für das Freie vorhanden ift, felbſtſtändig fein Täßt. Allein eben dieß Sein in Selbſtſtändigkeit ohne Gott ift Feine wahrhafte -Wirklichleit. Das Sein ber Welt ift daher, nur einen Augenblick bes Seins zu haben; dann aber biefe Trennung, Entzweiung mit Gott aufzuheben, zum Urforung zurückzukehren. Hierin Kegen alle Momente des Prozeſſes, ber darin befteht, daß ber Geiſt zur Entzweiung und-von ba zur Verföhnung fort: ſchreite, Gott als Geift aus dem Andersfein zu fich zurückkehre. Die Welt nun iſt Natur und endlicher Geift. Der endliche Geift aber bat das Bedürfniß in fich, die abfolute Wahrheit zu haben. Dorin ligt ſchon, daß das Subjekt in der Unwahrheit flebe: doch ſteht es als Geiſt zugleich über der Unwahrheit, indem ja dieſe das ift, was non ihm überwinden werben. fol. Die Uns wahrheit aber enthält näher bas in fi, daß das Subjekt nicht iſt, was es fein fol — dieß erfennend (und erkennen foll es das Subjekt) erfennt es fh als böſe und fieht in Entzweiung mit füch ſelbſt, mit Gott und der Welt. Daraus ergibt fich dann ‚der Schmerz Über die Sünde und deren Folgen, bie Uebel, und das Bedürfniß der Verſöhnung. Oder anders: ber endliche Geiſt in feiner erften, unmittel⸗ baren Geſtalt ift ber natürliche Geift. Aber es ift gerabe Weſen bes Oeiſtes, nicht natürlicher Geift zu fein; das Natürlichſein m das Böſe, denn der Geift muß wirklich werben als Geiſt; die Natürlichkeit ift feine mangemeſſene Geſtalt. Damit er aber Geiſt werde, dazu ift nöthig, daß er, der Natürliche, Unmittel- bare Übergebe in: bie Trennung oder Entzweiung mit fi. Er muß inne werden, daß bie Natürlichkeit feinem Begriffe unan⸗ gemeflen ifl. So erfennt fü ber. Menſch als böfe; und je mehr der Geift in feinem Bewußtſein als Einheit, als das Abfolute aufgeht, deſto mehr it der Widerſpruch gegen ihn, als gegen ein Unenbliches, ein unendlicher Wiberfpruh. Der Menſch be barf der Berföhnung. Wie foll er fie erlangen? Er muß werben, was er feinem Begriff nad if, er muß 1006 Dritte Periode. Abſchnitt L aber dazu eine Zucht durchlaufen. — Hiezu bedarf es des Bes wußtſeins. Es mehret den Schmerz ber Trennung, aber es muß ihn auch heilen. - Hiebei kommt es num beſonders auf zweierlei an: 1) Dem Subject muf das Bewußtſein werben, daß dieſer Begenfag zwiſchen Gott und Menfch, den das Böſe fiftet, wicht an fi da, ſondern das Innere oder die Wahrheit das Auf gehobenfein dieſes Gegenſatzes iſt. 2) Weil aber der Gegenſatz an ſich aufgehoben iſt, fo kann und fol das Subfet ud für fi befien Aufhebung ober bie Berföhnung erlangen. Daß der Gegenfag an ſich aufgehoben if, ober daß Goli und Dienfch ihrem Weſen nach nicht als abſolut und abſtral außer einander ſtehende Ertveme anzuſehen find, das macht. bie Bedingung oder Möglichkeit aus, daß das Subject den Ge: genſatz auch für fich aufhebe. Aber Daß das An fich, oder bie Möglichkeit der Verſoͤhnnug wirklich werde, Dazu iſt uöthig, daß biefe Moͤglichkeit dem Meenfchen zum Bewußtiſein komme, fonft bliebe Bott dem Menfchen fremd, äußerlich im ertrenfen Gegenſatz gegen ſeine Natlirlichfeit, bie er als böfe erkennt. Aber die große Frage ift nun: wie kann der Menſch zu den Bewußtjein gelangen, daß ber Gegenfag mit Gott an fih over ber Möglichkeit nach aufgehoben fei? Es ift bier in Betracht zu ziehen der Stantpunft bes Berwußifeind, das bie Möglichkeit einfehen fol. Es ift im Allgemeinen ber Stand: punkt. des unendlichen Schmerzes, für welchen ber Gegenſatz gegm Gott in feiner ganzen Schroffheit ſich aufgethan hat. Wie ſoll er geſtillt werden? Nicht fo, daß den Bewaßt fein die Unangemeffenbeit der Natürkichkeit für den Geiſt ver - ſchwände. Das wäre eine retrrograde Bewegung, eine Bermiche tung des Gegenſatzes durch Vernichtung bed Geiſtes als Geiß. Der Geiſt muß den Zwieſpalt ertragen, aber wie ſoll er denn doch die Verföhnung erlangen? Der Geiſt auf dieſer Stufe iſt nur der endliche Geiſt, er weiß nichts Yon feiner an ſich ſeienben oder weſentlichen Un⸗ enblichleit; es ift ihm weſentlich, ſich in unendlicher Diſtanz Hegel: | 1099 von Gott - zu denen. Wie fol ex Tune werden, daß Gott ihm abe fei? Etwa durch bie Ratur? Sie fann Gott nicht ganz offen baren, fie hat Feine Seele, feinen Geiſt; fie weiß Gott nicht und Tanz daher auch nicht erzähfen, was fie nicht weiß. Nur abſtrakt als Macht u. dal. lann fie Gott offenberen, was fir bie geiſtigen Leiden, in denen das Bewußtſein fleht, nicht genligt. Der Menſch auf der Stufe des Zwieſpalts If ja beveits ſub⸗ jeftiner Geiſt: die Offenbarung, daß Sott nahe ſei mb Eine mit den Geiſt — muß alſo geſchehen darch den Geiſt. Aber Tann dieß ber eigene Geiſt thun — ımb dem Men figen Gewißheit geben von ber an ſich feicnden Einheit bes Söttkichen. nd Menfchtichen? Bielmehr gibt er ihm nur das Bewaftfeln der Treunung. Der endlicdhe-Seift auf biefer Stufe bat weder die rechte Erkenntniß von Gott, nämlich daß ihm weſenilich if} fich zu verendlichen, noch vom Menſchen, daß ihm weſentlich iſt, an ſich unendlich zu fen: ſondern durch feinen ganzen Stanbpumft iſt er zu ber Meinung einer abfoluten Schei⸗ dung feiner, des Bereinzelten, von Gott geirichen. So muß alfo Goit ſelbſt ſich ihm als nahe Fwigen. Da iſt aber nicht genug, daß Gott durch Worte und Zeichen, wie 3. 2. im feu- rigen Buch ſich gnͤdig zeige: das wäre nut eine äußerliche, vereinzelte, ſlüchtige Verbindung Opttes init-bem Menſchen, würde keineswegs eine weſentliche und ewige beweiſen. Die Gewiß⸗ heit einer innerlichen oder weſentlichen Verbin⸗ bang Gottes mit dem Menſchen kann nur dadurch gegeben werben, daß Gott ſelbſt Menſch wird. Nur daburch kann der endliche Menſch mit Gott verſöhnt ſich wiffen, werm er dad Bewußtſein Gottes im Endlichen ſelbſt befommt: von Bott ſich abfolut getrennt achtend kann er nur baburch übers führt. werben, deij Gott ihm mihe fei, wenn "Gott als feines: gleichen ihm gegenäbertritt auf gegenftänbtiche, ſinnliche Weiſe. Das kann nur dadurch geſchehen, daß Gott das Moment ber Eingelbeit an fih nimmt, die Form ber Ummittelbarkeit. Aber diefe Unmittelbarfeit Tann Unmittelbarkeit des Geiftigen nur in der geiftigen Geftalt fein, weldes bie menfchliche if. Es iſt 1100 Dritte Periode. Abſchnitt 1. nicht darum zu thun, dem Menſchen bie Nothwendigkeit ber Einheit Gottes und des Menſchen zu zeigen; um Spelulation handelt es ſich hier nick, fondern nur um die Gewißheit, in unmittelbarer Weife, was durch innere oder äußere Anſchauung gefeheben Tann. Eine Gewißheit durch innere Anſchauung if, wie gefogt, dem Menſchen für fich im Zufland des Zwicfpakts nicht möglih: fo muß ſich alſo bie Idee hingeben der Auſchauuug, Empfindung, damit unmittelbare Gewißheit werde. Daher nimmt Gott bie Beſtimmung der Einzelheit in ſich anf: und. nice blos ber Einzelheit überhaupt (dieſe Beſtimmuug wäre felbft wieder nur die aflgemeine, Daß es Bott wefentlich fei, fich zu indwidualiſiren). Sondern, da es um bie Gewißheit des Anfchauens und Empfindens zu thun iR, fo muß die fub- ſtantielle Einheit Gottes und des Menfihen — das An ſich — als einzelner, anschließender Menſch ericheinen für die Andern. Diefer Andere iſt ihnen dann zwar ein fenfeitiger, aber bas An ſich in der Form der Einzgelbeit ift num auf den Boden ber Gewißheit gerüdt. Dieß ift das Ungeheure, bie ſchwerſte Beftimmung in ber Religion, bie doch nothwendig iſt: Gott Menſch, erſcheinend in menſchlicher Geſtali! Das Erfjeinen iR für Anderes: das Andere iſt Die Gemeinde ?”). Diefe Erfcheinung Gottes. mm im Fleiſch 2%) iſt in einer beftimmten Zeit, und tft in biefem Einzelnen, damit ein An knüpfungspunkt wäre für das Bewußtſein ber Einheit des Göti⸗ lichen und Menſchlichen. Weil fie Erſcheimmg ift, gebt fie für ſich vorbei, wirb zur vergangenen Geſchichte. Diefe finnlice Welfe muß verfchwinden und in den Raum ber Vorſtellung binauffteigen. Die ſinnliche Form geht in .ein geifliges Element, das heißt in bie Einſicht über, daß es fich bier um das allge: meine Menſchliche banble, das nad feinem inneriten Weſen zur Offenbarung komme. Diefe Reinigung erfährt das Sinmliche dadurch, daß es vergeht. — Sp ift der Tod Chrifti der Scheibepunft, mo ſich zeigen muß, ob man Chriflus mit den Augen des Glaubens anfeht, .2?) Bol. XII, 275 fg. M Bgl. XU, 257 ff. Pegel 14101 oder nicht. Der Tod iſt Die Probe feines Menſchheit, denn Sterben iſt allem Menſchlichen weientiäh, und Probe feiner Göttlichkeit, denn an dieſem Aeußerſten muß ſich erweifen, ob Chriſms unterfigt dem Tode. Der Glaube weiß, daß fein Tod Sein Linterliegen ‘war, ſondern bed Todes Tod; nicht durch per: ſönliche Auferftehung,. fonbern durch Auferfiehen in der Gemeinde. Von bier an gewinnt feine Geſchichte geiftige Auffaffung. Bei der Beglanbigung Chriſti iſt möglich eine Äußere oder innere Weiſe. Jene gefchieht durch feine Lebensgefchichte, durch feine Wunder u. |. w. Allein. Wunder find eine völlig unan⸗ gemeffene Beglaubigung bes Geiſtes (XII. 256. 263 ff.): gegen ſfinnliche Faeta kann immer etwas eingewenbet werben, weil Be⸗ wußtfein unb Gegenftand bier. immer auffer einander find, ber Gegenftand nicht Geiſt iſt. Der finnlihe Inhalt ift nicht an ihm jelbft gewiß, weil ex nicht durch den Geiſt, Begriff geſetzt Der göttliche Inhalt ift nicht ſiunlich, wie ſoll ex alfo finn- lich bewiefen werben? Nach äußerlicher, finnlicher, aber auch zu: gleich irreligiöfer Betrachtung ift Chriſtus Menſch, wie Sokrates; ein Lehrer, der in feinem Leben tugenphaft gelebt und Das in dem Denichen zum Bewußtſein gebracht hat, was das Wahr: hafte überhaupt fei, was die Grundlage für das Bewußtſein der Menſchen ausmachen mäfle. Daher iff erft eine andere Weiſe der Betrachtung nöthig, die ded Glaubens. Was ber Geift für Wahrheit nehmen, glauben foll, muß nicht finnfih zu Glauben: des, fondern eiwas feiner Würdiges, Geifliges fein: und es ift eine Hanptbeſtimmung, baß fein Verhalten gegen das Sinnliche zugleich ein negatives Verhalten it. Es ift nicht um ben Glau- ben zu thun an diefe Äußere Gedichte, fondern um den Glau⸗ ben, daß biefer Menſch Sohn Gottes war. Da wirb der finn- liche Inhalt ein ganz anderer: ber einzelne Menſch wird „ver- wendet“ son der Gemeinde, gewußt ald Bott, beffen eigentli- ches Wefen es ift, Gottmenſch zu fein, feine Gefchichte als Gottes⸗ Geſchichte; fein Lebenslauf als der Proceß und Lebenslauf Gottes jelbft, als die Dreieinigfeit, worin das Allgemeine ſich felbft fi) gegenüber ſtellt und darin identifch mit ſich ift: das &egenübergefiellte ift die Menſchheit, welche ſonach in ihrer Ein- 110% Dritte Periode. Abſchnitt I. peit mit Sott erkannt iſt. So die GSehſchichte verſtchend, geht ber Geiſt Über zur Unendlichteit, verläßt den Boden. bes Exb- lichen, und bieß wird herunteugefegt zum LUntergeorbneien, zu einem foren Bild, das nur noch in ber Vergangenheit befkeipt, nicht in Dem Geiſt, der ſich ſchlechthin gegenwärtig iR. Ufo wicht bie Geſchichte, nicht die Forte der Dibel Tümmen bar Slaubens- inhalt hervorbringen, fonbem bie geiſtige Buffafkıng des Gau; bund, das Zeugniß bes Geiltes °*), deſſen este Ferm bas Ge⸗ fahl ft, welches, nachdem es durch bie Erſcheinmg der Ein⸗ heit Gottes und bes Dienfihen deſſen gewiß geworben öl, daß 29) Vgl. IX, 342. „Wenn die Bricchen ihre himmlifrhen Götter ver geiftigt haben, fo fuchten. die Ehriften ihrerfeits in dem Geſchicht⸗ lichen ihrer Religion einen tieferen Sinn. Ebenſo wie Philo in ver moſaiſchen Urkunde ein Tieferes angedentet fand, und das Aeußerliche ver Erzählung idealiſtrte, thaten auch die Chriften das⸗ ſelbe, einerſrits in polemiſchet Rückficht, anvererfelts noch mehr um der Sache ſelbſt willen.“ Im Verlauf ſagt er, zwar ſeien bie Dogmen in die chriftliche Religion durch Philoſophie gelommen, aber darum feien fie dem Chriftentgum nicht fremd, fontern gehen daffelde doch an. Denn „wo etwas hergefommen if, ift völlig gleichgültig, die Frage ift nur: if es wahr an und für ich, und das tief Spekulative iR verwebt mit der Erſcheinung Ehrbki feihR.“ Nemlich werigfiens fofern in dem Glauben an ihn. beweits vie fpelulative Idee von der allgemeinen Wefendeinheit Gottes und bes Menſchen gährt, und nut in ver Weife der Borflellung ter: ſelbe Inhalt gehegt wird, den die Philofophie, das Sinnliche, Em: viriſche abfireifend, als allgemeine Wahrheit erfeunt, in Feiner Baile an ein Indididnum gebunden, over von ihm abhängig. Daß dieß ver Sinn Hegels IR, IR wo möglich mod deutlichet zu erſehen aus XV, 104. (Geh. der Philoſ. IIL) „Die Gruntibes (von der wefentlichen Einheit Gottes und des Menſchen) hat all: gemeines Bewußtſein, allgemeine Religion werden müffen. Daher behält und erhält fie die Geſtalt für das vorſtellende Bewußtſein, in Ferm bes ußerlichen Bewnpßiieius, nicht des near aligemmei: nen Gedankens; das wäre font eine Miloſophie ber. Hrifligen Religion, und dieß if der Standpunkt der Philofopbie, — bie Idee in der Form des Denkens. Wodurch diefe Idee als Religion ift, das gehört in die Gelchichte ver Religion, d. h. ihre Ent: wicklung, ihre Form. Was er aber für abzuſtreiſende Form Hält, das deutet er dur das Seiſpiel ver Geſchichte vom GBlnten- "Hegel. . th | 1403 tie Vefühming an-ımb für-füh vollbtacht fei, udn im EStande iR, ſich ſelbſt in dieſe Einheit zu fegen, unb weihes, bie Ber ſhnung als eine an und für fih vollbrachte ergreifend, feinem wmenblichen Schmerz gelöst, die unendliche Entzweiung mit Gekt aufgehoben und. bad Bedürfuiß der Wahrheit und Verſbhuung geßiit weiß (XI, 267). Dieß unmittelbare innere Zeugniß Yet vann aber bie Mioſephie in’s Element bes Denkens zu erheben, dennit ber begreifende Geiſt daſſelbe in feiner wahrhafien Roth: wendigkeit erlemne (S. 255). ‚Der Bang clio, den Hegel zur Conſtruetion der Chriſtologie wimmt, ift ia Surzem folgender: Gott muß Unterſchiede in füch fegen ; das gehört ?%) zum Begriff ber Lebendigkeit, daß Gott ein Procch fei, dex von bem einen Moment zum aubern forifſchreitet. Indem ed mü den Umerſchieden in Gott Ernſt wird, ift eine endliche Mei gefeht,. damit sin Anberes flir Bot. gegeben fei, aus weis Gem zu sid ſelbſt als Geiſt zu lommen, ber Inhalt bes Pos eefies ober feines Lebens iſt. Diefe Rüdkchr zu fich ſelbſt ge- ſhieht nun im menſchlichen Geiſt, weil Gott in biefem zum Wiſſen feiner ſelbſt, zum abfoluten Wiſſen gelangen kaum. Allein ber menſthliche Geiſt in feiner erſten Form iſt der natüciche, verenblichte Geiſt; und Die Spitze der Endlichkeit ii das Bbiſe 2). Der Menſch weiß ſich sin geirerimt von Gott, glaubt Con ferne , fall an, beren Wahrpeit fei, fie vielmehr als die Geſchichte Aller zu wiſſen (S. 105. 106). Er unterfcheivet Tcharf das Metappy: fifche und das Hiftörtfche bei der Perfon Chriffi, und ſetzt keines⸗ wegs beides in weſentliche Berbindung. Welches ſeine hiſtoriſche Dignktät'fei, das iſt auch va, wo es am eheſten zu erwarten wear, -in der Religionsppilofophie, nit näher angegeben, wie dag au für fig ohne weientligges Interefie if; vielmehr wird au hier zum Tode Chriſti fortgeeift, nicht damit wir ihn vielmehr als verklaͤrte, vollendete Perfönkichkeit betrachten (in dieſem Sinne flieht auch Die Kirche in der hiſtoriſchen Erſcheinung Epeit no tm Unangemeffenheit, die erfi nach feinem Tode Aberwunden twirb): fonvdern fein Tod ſoll vielmehr uns lehren, von ihm als Einzel ‚nem abfehen, aus ver blog religiöfen Betrachtung uns zu ber ſpe⸗ kulativen erheben. 30, Bol. Religionsphilof. 1, 35 fg. Werke IX. si) A. a. O. S. 126 g. 1104 Dritte Periode. Abſchnitt L. und auffer füh, weiß ihn nicht als fein eigenßes Weſen. Da⸗ mit ber Proceß fein. Ziel ewreihe, fo muß ihm bie Gewißheü werben, daß Gott ihm trotz ber Exizweiung weſentlich nabe if. Da ihm biefe Gewißheit weber der eigene Geiſt noch Die Rat geben lann — beide wiſſen ja’ nichts von ber weſentlichen Ein⸗ beit zu fügen, Die zwiſchen Gott und dem Menſchen flatifindet, fo muß alſo Gott in endlicher Geſtalt ihm erſcheinen, natürlich in. det allein adäquaten menſchlichen, Damit ber Menſch im End: lichen, welches für den Geiſt im Zuftande ber Entzweiung mit Gott die eigentliche Sohäre des Daſeins if, das Bewußtfein Gottes und feiner Nähe habe. Dieß if geſcheben im Chriſten⸗ Hann. Nunmehr weiß der Menſch, daß Gott ihm nahe iſt: im cͤheiſtus ſicht er die Eutzweiaug aufgehoben, erlenut, daß fie nicht weſentlich iſt. Und wie ex, im Glauben Chriſeas aufnchmend, in. Chriſus Bott lebend und ber Menſchheit nahe weiß, fo er weitet füch ihan, wenn ex in geiſtigem Foriſchreiten ben Slauben zum Wiſſen erhebt, der BU; ex erkennt, daß Die Einheit Go tes und des Menſchen nicht ein vereinzelt ſtehendes, in. Jeſn von Nazaveih vollbrachtes Faltum if, ſondern daß durch dem (Eintritt des Chriſtenthums vielmehr das Bewußtſein der allge meiner: Wahrheit aufgegangen iſt, Daß Bott ewig und wefeutich am ſich bat, Menſch zu fein umb zu werben, baf bie wahre Krk ftenz oder Wirklichfeit Gottes ewig in ber Menfchheit iſt, vie ba heißt die Gemeine Gottes; und umgefehrt, daß der Menſch wefentlich Eins it mit Gott, und nicht, wie er auf der Stufe der Entzweiung wähnte, Gott ein Anderer, Fremder gegen ihn, wer daß Gott bie Wahrheit und Das Weſen ber Menſchheit iſt. Zunächſt muß uns bei biefer Debuction „der Erfcheinung Gottes im Fleifh in einer beftimmten Zeit und in dieſem Ein⸗ zelnen“ das auffallen, dag Hegel dabei ben fpefulativen Weg von oben herab nach unten ganz unterbricht, und nur ein anthro⸗ pologiſches Bedürfniß, Gott nahe zu wiſſen, zum-Ausgangepunfte ſeiner Chriſtologie nimmt. Anhebend bei der Trinität, wie er thut, und den Unterſchieden, welche Gott in ſich ſetze, wäre von ihm ſo fortzuſchreiten geweſen, daß er für Gott die Nothwendig⸗ feit dargethan hätte, ſich ſelbſt fremde und von ſich getrennt zu neber Begel’s Ehrinologie. 1105 werben, ham aber in immanentem Proceſſe fh in ber Menſch⸗ heit zu finden, und dadurch erſt fie ſich im ihm finden zu laffen. Statt dieſes immanenten Proceſſes des durch die Belt ſich bes wegenden Goctes wendet ch wöplich bie Sache äußerlich. empi- riſch. Es wird Niemand Hingnen, daß ber ganze Theil von dem Weiche des Sohnes bedentend anbers Jätte ausfallen mäfßen, wenn, fait plötzlich auf die Menſchheit überzufpringen, auch bier alles ale Immunente Dialeftik des göttlichen in der Menſchheit fortſchreitenden Lebens proceffes beisachtet worden wäre, Da häkten wohl erſt Deutlich die Schwierigkeiten der Hegel’fchen Lehre von der Sünde an ben Tag fommen müſſen. Da wäre auch beuts licher geworben, was in dem Syſteme die Cheiſtologie bebesten fann: nemläh ten Wendepunkt zu bezeichnen, wo ſowohl Best in der Menſchheit als der. Menſchheit in Gout das Geibbaumft- fein aufgeht. De hätte aber auch klarer hervortreten muſſen, als es nun ſich amdguferuchen findet, daß ber hiſtoriſchen Perfon Chriſti in dieſem allgemeinen Proceß mır eine unweſentliche Be⸗ beutung zulommen, daß Chriſtus mur ben Auſang dieſes wahren gettmenkhlichen Seibfibewnßtieine bezeichnen Tann, nicht aber deſſen Vollendung; ober daß ex zwar an dem Einzgange des mewen Weltalters ſteht, aber daß ex darum keineswegs der Gipfel deſſelben fein miiſſe, vielmehr, wie wir unten genauer feben wer⸗ den, eben darum es nicht fein: KAnne. Dieſen Weg, der allein ein regelrechter Fortſchritt genannt werben lann, bat. Hegel night genommen; und wie au im Uchzigen. feine Eprifologie beſchaffen fein möge, wir werben zum voraus fagen- müflen, daß ihre Einführung ungenügend, weil einfeitig anthropofogifch, fe. — Doch wir geben jur nähern ſritik fort 9). 2) Bas Baur Zrin., II. 908 f, vagl. 974, fg. gegen diefen Tadel vor: bringt, läuft darauf Hinans, daß es Web um Die Eonfiruction ver Hftorifchen Perſon Chriſti für Hegel nicht gehandelt habe, und berhaupt ſich nicht Handeln könne, indem das hiſtoriſche Indivi⸗ dunm zufällig jel. Wir reden hier noch nicht davon, ob Eprifius für das chriſtliche Bewußtfein zuſällig fei, wie Moſes für das jũdiſche. Aber nicht minder zufkltig iſt dann and, daß die Gott 4106 Dritie Periode. Wöfrhaitt 1. Bor allein verdient Hegel volliemment Istertenmmg ie Be ziehung auf Webeswiebung ber Ghrifelogie des gewöhnlichen Nationalismus. Denn hat auch feine geniale Dialektik dieß wicht allein geleiſtet; maß gleich geſagt werden, daß dicfer Umſchronng ber Denfweife Überhaupt gewiſſermaßen bie Arbeit aller bedeuten⸗ den Männer ber meuern Zeit geweſen it, und bie Gemubiber berfelben, neinlich die weſentliche Eicheit bed Gättlichen umnd Menſchlichen, auch noch andere Männer zu Dempikägen bot, wie Schelling und. Schleierwacher, von welchen jener biefe ‘ber zuerſt wit ber vollen Energie friſcher Begeiſterung umdgefprehen, tiefer aber mit befonderem Bl her‘ Tpeslogie einverleibt ud namentlich meiſterhaft in der Chriſtelogie buschgeflliet hat, ſo Weißt doch Hegel das epochebiidende und eigenikümliche Ber: dienſt, das neue Laub, wos Scthelling wie im Sturm eroberie, darch fiuengere Mahede in ſeßern Beſch genommen zu haben; währen? dagegen Schleiermacher daſſcübe nauucntlich in thenlogk- ſcher Wichtung angulsınen begann. Incleeſordere hat Hegel bie Unwahrheit der alten Beſtimmungen des Gegenſatzes zwiſchen dein Endlichen und Usenbäichen, zwiſchen Ghost und ber Welt auf eine jebem Deubenden zugängliche Weis gejeigt und fo bie weſeniliche Cinbeit beiber iu bie algemeinene Ueberzeugung ein geſöbrt. Welcher Reichthum in dieſem ſcharf aufgefafiten Prin⸗ one liege, das iſt theils ſchon jest MORE, theils wird es ne menfchheit zunächſt in der Form ber Verlegung in einen Aubern ſich verwirklicht haben Toll, and gleichwohl iR dier Die Zufäßttgiett iu canfiruisen veriurht. Ober war denn eine Retbwerkigkit für Bott, das gottmenſchliche Bewußtfein zuerſt in dieſer Form zu ver: wirklichen? Das hieße nichts Geringeres, als die Gemeinde habe gottmenfchliches Bewußtſein vor Epriftus haben müffen. Baur felbR fagt Hievon nachher das Gegentheil. — Diefer anthropolo- giſche Weg begründet ſcheinbar ein Verbältaiß zmbihen Eprifus und der Gemeinde, und das hat verwirrend gewirkt. Uebrigens ligt darin auch ein Element, welches Da, wo bie Welt nur Mittel für bie Verwirklichung des göttlichen Selbſtbewußtſeins iR, eigent: lich Heine Stelle bat. Es iſt darin noch ein ethiſcher Zug enthalten, der bei Bielen feiner Schüler vollends: verlozen geht, Matt feine ewige Vegrundung im der Gottesider zu fudgen. Hieber die Chriſtologie Hegefs. 4107 Beutlücher werben, je mehr in dieſer wefentlidhen Ein⸗ beitaucd die Unterfhiede bewahrt bleiben und beide burd einander fih bewähren Te inniger aber. biefe Philoſophie ſich auch mit ‚der Theologie -zu verbinden gefucht hat (im Unterſchiede von Schellings älterem Syſtem), eine befto flärs fere Keitif darf fie anſprechen. Da längere Zeit hindurch, ohne daß ber Meifter ſich hiegegen verwahrt hätte ®°), Hegels Philoſophie als eine Säule hriftlicher Nechtgläubigfeit gegolten bat, auch in ber Schule Streit darüber entftanden ift, wie er aufzufaffen fei, und jede der Seiten, in bie fie befonberd durch Richter und Strauß auseinander gieng, den Ring des. Meifters geerbt zu haben behauptete, fo unterfuchen wir erſtens bie Frage: ob Hegel eine fyefulative Begründung des hiftorifchen Chriſtus ale bes abfohıten Gottmenfchen gegeben bat? Da wir und werben überzeugen müſſen, daß feine Lehrſätze, zumal im Zufammen- bange des ganzen Syſtems genommen, wefentlich antichriftologifch find, jo werben wir zweitens bie Grundlagen zu prüfen haben, aus denen biefer Widerſpruch gegen das Chriſtenthum folgt. A. Mandes in dem oben Angeführten macht den Eindruch Hegel babe. wirklich ben hiſtoriſchen Chriftus als abfoluten Gott⸗ menfchen durch feine Säge begründen wollen und ‚begrünbet ges glaubt. „Die Erfcheinung Gottes im Fleiſch ift in einer bes ſtimmten Zeit,. und ift in dieſem Einzelnen gefchehen,“ damit das mit Gott entzweite Bewußtfein bie troftvolle Einſicht in die weientliche Einheit: Gottes und bes Menfchen gewinne und bas mit der Menſch im Endlichen das Bewußtſein Gottes, Gott in unmittelbarer Gegenftändfichfeit vor fi babe. Das Iautet gut firchlich, | ' Allein warum foll für den bezeichneten Zwed nicht ber fubs jective Olaube hingereicht haben, daß in einer Perjon jene Einheit abſolut verwirklicht fei, fo dag — ohne ein entfprechens bes abſolutes objectives Faktum — das Bewußtfein von ber 2, Bol. Marheineke Syflem der chriſtl. Dogm. 1847. ©. 312, Dorner, Chriſtologie. U. te Aufl. 711 1108 Dritte Periode. Abſchnitt 1. Gottmenſchheit zu feiner erſten Form die Art und WBeife der " „Borfellung“ gehabt hätte? Ya wozu auch nur diefer Glaube, der, wenn ihm feine Ob: fektivität entfpräche, unb wenn er gleichwohl nothwendig heißen follte, das Widrige unb Unfpefulative einer nothwendigen Täus fung au ſich trüge? Iſt es nur um das Erwachen des Bes wußtfeins von der ſchon feienden wefentlichen Einheit mit Gott zu thun, fo ift gar nicht abzufeben, warum ber Geiſt ſich an ſolch eine, ſei es wirkliche, fei es eingebildete Objektivität beften fol, um zu fi zu fommen. Genligt jenes Bewußtfein, das der Bernunft in ihrem immanenten Fortfchritt zugänglich fein muß, fo ift von biefer Seite gar fein Bedürfniß einzufehen, weder eine ſolche Objektivität, noch den Glauben an fie zu haben. a gefegt es wäre bem entzweiten Menſchen nicht möglich, auf dem Wege des rein immanenten Proceffes jenes Bewußtfein zu er- reichen, vielmehr nach ber Sprade der Schule nur durch ein Wunder oder einen Sprung, fo fieht man nit, warum biefer Sprung nicht fol durch ein inneres Wunber durch eine reine That Gottes in den Menſchen gefchehen Eönnen?. Aber Hegel fest fonft immer feine andere als eine immanente Ent⸗ widlung des Geiles; für dieſe fann es feiner beſondern Objek⸗ tioität bebürfen. Das Erwachen des Bewußtſeins von ber wefentlichen Einheit Gottes und des Menſchen, worauf. es aflein anfommen foll, ligt ſchon von ſelbſt auf der Bahn des regelrecht fih entwickelnden menichlichen Geiſtes. Damit hört dann freilich das Chriſtenthum auf, durch die gefchichtliche Perfon des volls fommenen Gottmenfchen vermittelt, ober auch nur etwas fpecis fiſch Neues zu fein. Die Hegel’fche Bonftruction bat nad) dem Allem bie Noth wenbigfeit der Erfcheinung des abfoluten Gottmenfchen nicht ers - reiht. Nicht einmal die Nothwendigkeit davon ift erwiefen, daß das Selbſtbewußtſein auf ben Wege feiner Entwidlung die Form annehme, bie Einheit bes Göttlichen und Menſchlichen als finns lich irgendwo vorhanden zu glauben; gefeßt aber, biefer Glaube wäre als nothwendige Stufe erwiefen, fo ergäbe ſich Daraus nichts darüber, was nun obfeftiv und von biefem Glauben abgefchen ‚ Ueber die Chriſtologie Hegel's. .1109 in Chriſto war. Ob Chriſtus nach Hegel noch eine eigenthüm⸗ liche Würde bleibe, darüber iſt kein Aufſchluß gegeben. Richt einmal das folgt ſicher, daß Chriſtus wenigſtens der Erſte war, in welchem jenes gottmenſchliche Bewußtſein erwachte, oder daß er der Stifter des Chriſtenthums iſt, das als Wendepunkt das gottmenſchliche Bewußtſein in. die Welt einführt. Denn mögs licherweife Fönnten auch bie Apoftel nachträglich, da fie ihn mit beri Augen bed Glaubens betrachten lernten, bie Einheit des Göttlichen und Menſchlichen, bie er felbft in fich weder erfannt noch ausgefprochen hätte, in ihm erfannt und von ihm ausgefagt haben. Chriſtus Fünnte das zufällige, Das, was er veranlaßte, nicht nothwendig felbft begreifende Mittel gewefen fein, um etwa bie Erfenntniß jener an ſich allgemeinen Einheit des Göttlichen and Menfchlichen in den Seinen vorzubereiten. Doch es finden fi) genug fhon in der obigen Darftellung zerfireute Anbeutungen, welche Bedeutung Chrifto hier eigentlich übrig bleibt. Er fpricht von breierlei Auffaffungen Chriſti: 1) ber äuſſer⸗ lichen, finnlichen, welche Chriſtus nur für einen Menfchen, etwa wie Sofrated, nimmt, — die ungläubige Betrachtung. 2) Die äufferliche, gewöhnliche Geſchichte aber muß durch ben Glauben eine Verwandlung - erleiden, geiftige Auffaffung ges winnen, ehe in Chriſtus ber Gottmenſch erfannt werben kann. Die Gedichte Jeſu, bemerft Hegel, ift nur befshrieben von folchen, über welche der Geiſt ausgegoffen war. Erſt wenn ber finnlihe Gehalt mit den Augen des Glaubens betrachtet und fo vergeiftigt wird, wird Chriftus ald Goitmenſch erkannt. 3) Aber auch hiebei darf es nicht ſtehen bleiben. Es iſt noch eine mit Sinnlichem vermifchte, obwohl zum- Theil geiftige Betrachtungs⸗ weife, die-der Glaube hat: es ift erft die Weife der Borftellung. Dieß Sinnliche muß abgeftreift werben, bamit ber veine Gehalt, die reine Wahrheit im Bewußtſein der Gemeinde aufgehe. Was iR nun jenes noch übrige Sinnlihe? Es iſt nichts anderes, ale bie Richtung auf Chriſtus, als eine befondere Perfon. Damit ber geiftige Gehalt ganz frei werde, muß er in's Element bed Denfens erhoben und unabhängig von jenem Einzelnen gemacht 71* 1110 . Dritte Periode. Abſchnitt 1. werben, von Chrifto als einer geweſenen verſchwundenen Geſtalt, fo wird dann die Gefchichte dieſes Einzelnen als eine allgemeine, ale die Geſchichte Gottes und der Menfchheit nach ihrem wahren in inniger Einheit fiehenden Wefen erkannt. Indem nun fo in dem Reiche des Geiſtes zuletzt jede Abs hängigfeit von dem Individuum, von einer einzelnen Geſchichte abgeftreift wird, fo erweist ſich jener Glaube nur als Ausgangs punft für die Entwidiung bes feine Verſöhnung erringenden Geiſtes: er glaubt die Einheit bes Göttlichen und Menſchlichen in Ehriftus, um fie dann in fi zu wiffen, von wo ab dann Chriſtus zur gleichgültigen Perfon wird. Was ben objefti- ven Gehalt jenes an der Perfon Ehrifti haftenden Glaubens be> trifft, fo darf man nun zwar nicht fagen, daß er nur Falſches in fih trage; denn wenn er in Chriſto die Einheit des Göttlichen und Menfchlichen fieht, .fo ift das eine wahre Erfenntmiß, wie denn in Allen biefe Einheit an fih vorhanden iſt; aber die Täu⸗ ſchung wird abgeftreift, daß biefer der einzige Gottmenſch, oder auf eine ganz befondere Weife biefer fe. Die wahre Einficht vielmehr it die: Daß die Gottmenſchheit ber ganzen Menfhheit zufommt. ' Wir haben oben bei Schelling. gefehen, Daß das Bapıe hieran auch vom Chriſtenthum anerfannt if, daß es durch Chrifti Ber mittlung ber ganzen Menfchheit ein gottmenfchliches, oder befier ein göttlichmenfchliches Leben verheißt. Aber wie iſt es mit bies fer Vermittlung durch Chriftus hier beſchaffen? Es iſt fchon gefagt, daß nach dem Spftem eigentlich sein bei der ſich mit ſich felbft vermittelnden Ides ftehen zu bleiben, der gamze Proceß als Selbftvermittlung Gottes anzufchen ift, mithin für die Wirkungen bes hiſtoriſchen Mittlers bier Feine Stelle bleibt. Selbft wenn man — was der eine Theil der Schule thut — anerkennt, daß nicht der Glaube der Gemeinde Zefum in den fih als Gottmen⸗ ſchen wiffenden Chriftus verwandelt, fonbern daß er felbft zuerft das gotimenfchliche Bewußtfein gehabt und in der Menſchheit ers wedt habe durch Lehre und Leben, fo fommt doch für Chriftus nicht mehr heraus, als das profetifhe Amt; eine Beſchrän⸗ fung der Thätigkeit Chriſti, die mit Recht als Hauptmangel der Ueber die Chriſtologie Hegel's. 1111 rationaliſtiſchen Chriſtologie bezeichnet wird. Auch das profetiſche Amt ſelbſt iſt dabei nothwendig anders gefaßt, als im Chriſten⸗ thum; es wiefe bier nicht auf Chriſtus als Hohenprieſter und Kö⸗ nig, ſondern es ſelbſt vollbrächte die Erlöſung, indem es ben Menſchen auf fih und fein eigenes göttliches Weſen binwiefe, auf defien Erfenntniß allein es anfommen fol. Hätte Chri— ſtus auf feine Perfon als die erlöfende hingewiefen, was er, wenn es irgend geſchichtliche Gewißheit gibt, unläugbar gethan, fo wäre das auf dieſem Stanbpunft ein wenn auch unbewußter Reſt von Beſchränktheit und Sünde, und nachdem- er den Ans ſtoß zu der neuen Entwicklung gegeben, fo hätte er jedenfalls wie jede gefchichtliche Perfon zurüdzutveten. Seine individuelle Perfönlichfeit bleibt. da völlig Nebenfache, die Idee führt ihr Wert fort burdy immer andere Werkzeuge. 5 Daß aber Chriſtus bier nicht ale der Die Wiedergeburt und Berföhnung bringende erfcheint, das hat feinen tiefern Grund in dem den Begriff der Sünde abfchwächenden Charakter des Sy: ſtems. Es iſt in dem Syſtem viel die Rede von Werden und Proceß, aber doch auch viel zu wenig, nemlich in ethifcher und religiöfer Hinſicht. Der Proceß bleibt oberflächlich ald Sache des Denfens gehalten. Bon Gott geht die Bewegung aus fowohl in die Entzweiung, als zu der Einheit. Aber einmal ift bie Entzweiung, in der ber Menſch ift, hier feine andere als bie, in der auch Gott mit fich felbft ſteht; ja das Legtre if bie ab» folute Betrachtungsweife, für welche die Entzweiung auch ewig wieder aufgelöst ifl. Da Kann es unmöglich zu einem ernſten Begriffe von der Sünde fommen °*); ja ba droht, wie Die Sünde, 3, Auf die Amphibolie bei Hegel im Begriff des Böſen Hat mit Recht Zul. Müller in feinem Bude von der Sünde aufmerffam gemacht. Bald erfiheint überhaupt das Unmittelbare als das Böfe, Thieriſche; bald das Erwachen tes Menfchen zum Bewußtfein, das Sichunterſcheiden von diefer feiner Unmittelbarkeit (3. DB. „ver . . Sündenfall if der ewige Mythus des Menfchen, wodurch er eben Menſch wird‘); bald endlich das fih Fixiren im Gegenſat ge gen den allgemeinen göttlichen Geift („das Bleiben auf dem Stand» punft der Trennung von dem allgemeinen göttlichen @eift, durch die der Menſch freilich eben Menfch wird, if das Böfe‘). 1112 Dritte Periode. Abſchnitt 1. fo das Andersfein Gottes (die Welt), womit bie Entzweiung ſoll gegeben fein, fih in Schein zu verwandeln, unb nach biefer Seite neigt das Syſtem zum Spinozismus zurüd 5). Sofern es nun dagegen Über diefen hinaus „die Subſtanz ale Subjekt“ faflen will, tritt ein pelagianifcher Charakter des Syſtems im größeften Styl hervor. Denn Gott ift hier nicht ein Anderer ale der Menfch, fondern das Wort „Bott“ bedeutet nur bad Weſen der Menſch⸗ heit; und Jeder wirb- erlöst, indem er fein Welen zur Enwick⸗ fung, genauer zum Bewußtſein bringt. Dieſes Welen if zwar nicht blos fein, des Einzelnen Weſen, fondern Wefen Aller; es iſt aber von Natur auch fein Wefen, nicht als Empfänglichkeit für die Erlöfung fondern als immanente Kraft, und fraft deſſel⸗ ben vollbringt er die Selbfterlöfung *%), die in dem Abthun bes auch fittlich ſchädlichen Irrthums beftebe, daß fein Welen ihm fremb und nicht eigen fei. Daßer wird gefügt, bie Sünden: vergebung fei nur ber religiöfe Ausdruck für die fittliche Freiheit. Allerdings ift Kants Selbfterlöfungelehre eine andere; er läßt fie durch den Willen, Hegel buch das Denken geſchehen; er fest eine ſubjeltive Sreiheit der Wahl zwifihen gut und bös, die Hegel läugnet. Allein das ändert die Sache nicht weſentlich. Im Gegentheil, ethifh genommen ſtellt fi die Sache viel ungünſti⸗ ger bei Hegel. Bon einer Veränderung des Lebens, von einer Entwicklung oder Umgeburt bed Seins iſt da keine Rebe, bie Entwicklung fällt blos auf die theoretifche. Seite, was -intelleciuas Man könnte alles dieß fo zu vereinigen fuchen, daß das Böſe überhaupt fei das Nichtenifpredien der Idee bes Geiſtes. Allein auch die erfie Trennung bes fürfichfeienden Geiſtes von der Un: .mittelbarfeit nennt er Sünde: wenn ſchon nur, fofern im Be: wußtfein des Menfchen biefe nothiwendige, aber wieder aufzu⸗ bebende Trennung als Sünde erfheine: während fie an fih vielmehr ein Fortſchritt if. Webrigens iſt auch das ſich Ziriren in diefem Gegenſatz nicht als That des Willens, folglich auch nicht als Schuld, fondern nur als Mangel im Erkennen behandelt, fo wenig als die Berföhnung als eine die Totalität des Lebens um: faffende gedacht if, fondern als ein Proceß bes Bewußtſeins. 2) Das hat fih fpäter in Strauß befiimmter herausgeftellt. *) Phänomenol. ©. 620 ff. Religionsphiloſ. I, 270-274. Ueber die Chriſtologie Hegel's. 1113 liſtiſch iſt. Das Objelt bes Bewußtſeins bleibt unverändert ſich ſelbſt gleich, nur bie Anſichtsweiſe von demſelben rectiſficirt ſich, denn während Anfangs das An ſich ale dem Göttlihen fremd und bös gebucht war, wirb es nun als wefentlich göttlich, und als bös nur die Vorſtellung jener Sremdheis erkannt, und darin hat ee feine VBerföhnung. Daß diefes eine DVerflahung ber chriſtlichen See von. ber Wiedergeburt if, Ligt auf der Hand. Ueberhaupt aber ligt ſchon der alten Kirche in dem Streite mit dem Pelagianis⸗ mus der Schwerpunft in. nichts anderem als darin, daß bieler ben Unterfchied von Natur und Gnade verfennt. Der Kirche kommt es nicht wefentlich auf Läugnung der menfchlichen Freiheit überhaupt an 37); noch weniger läßt fie biefe Läugnung fchon als Anerfennung der Gnade gelten. ‚Die Gnade iſt dadurch von ber Natur unterfchieden und als chriftliche charafterifirt, Daß was bie Gnade wirkt, ſich durch Chriſtus vermittelt 9). Die Pelngianer wollten auch von Gnade reden, aber fie kamen nicht hinaus über das profetifche Amt Chrifti einerfeits, was für fich immer wehrs ‚und haltlos bafteht, ſofern es Chriſti fpeeifiiches Weſen bezeichnen fol, und Über bie gratia creans anbererfeits d. h. bie eingebornen Kräfte zum Guten — Punkte, in Betreff beren uns Jäugbar dieſe Philofophie in ganz gleicher Tage iſt, mag fie auch on Stelle des Einzelnen als folden bie Menſchheit, das Gat⸗ tungswefen, fegen. Mitpin ift der Antheil Aller an der Gott- menfchheit bier yon der Art, dag damit. Die Chriſtologie nicht bes ſteht. Die ‚allgemeine Gottmenfcpheit oder Menſchwerdung Gottes bei- Hegel, von Chriſtus weder abgeleitet noch ableitbar, muß ihm feine ſpecifiſche Stelle rauben und alte Menſchen ihm weſent⸗ lich gleich. ſetzen. | Zwar könnte die Lehre des Syſtems, daß die bee ener⸗ giſch, d. h. als die Macht fich gu verwirklichen gebucht werben 37, In der Iutherifchen Kirche iſt Anfangs präpeftinatianifch gelehrt; in⸗ dem fie das fpäter zurüdnahm, bat fie doch das, worauf es ihr anfommt, nicht zurüdgenommen. Bgl. hiezu auch I. Müller das .Berh. zw. d. Wirkſ. d. h. Geifles und d. Gnadenmittel d. göttl. Worte. Stud. u. Kr. 1866, 2. 3) Bel. Schleiermacher d. chriſtl. Glaube 1. 5. 11. 1114 Dritte Periode. Abſchnitt J mäffe,. eine Stelle offen zu laſſen ſcheinen für den Eintritt des ab⸗ foluten Gottmenfchen. Und in der That ift namentlid) von Rofen- franz die Sache fo gewendet. Allein jenen Sag machen die oben (S. 1085 ff.) zuerſt Genannten ſich Doch gewöhnlich entweder gar nicht oder nur im Borbeigeben zu nut. Der Grund davon ligt einfach darin, daß jener Sag in dem Syſtem nicht eine der Ehriftologie günftige, jondern vielmehr feinbfelige Bedeutung hat. Er ift identifch mit dem befannten Sag: daß alles Bernünftige wirklih fei. Diefer erhält uber feinen wahren Siun nur in ' Verbindung mit bem enigegengefegten: daß das Wirkliche das Bernünftige fe. Es bebarf alfo, damit das Vernänftige wirklich werbe, die Idee ihre Macht beweife, Teiner objektiven äußern Realität; das wahre Sein, die wahre Realität ligt ſchon im Speellen ſelbſt. Dieſes Speelle nun verwirklicht ſich zwar auch objektiv, äufferlih, — aber die Welt ift gegen die Idee Das Zufällige, das Enbliche, als ſolches der Unendlichkeit dee Idee ewig Unangemeflene; bie dee hat ihre wahre Realität in ſich felbft, und ‚vermag weder, noch aber auch bedarf fie es, füch irgend im Endlihen nad ihrer ganzen Fülle darzuftellen. Weil aber jedes Endliche der Idee unangemeflen ift, wird es immer von ihr in fih zurüdgenommen; und nicht als ob es fähig wäre, mit dem abfoluten Gehalt erfüllt zu fein, fondern nur darum wird Endliches immer wieder geſetzt, weil Gott einzig in ber Bewegung des Procefies fein Leben hat. Das if der Rhyth⸗ mus, das reine, ewige Leben des Geiſtes ſelbſt, Daß er immer eingeht in die Beſchränktheit oder Enblichfeit, aus dieſer aber wieder in fich zurüdfehrt und ſich in der Gleichheit der Form wieder berftellt. Hätte Gott diefe Bewegung nit, fo wäre er das Todte. So find die endlichen Geifter nur die vorüber fliehenden Geftalten oder Hüllen, in welche ſich der göttliche wirft, durch welche er hindurch gebt, um feiner felbft bewußt, um Subjelt zu fein. | Ligt es aber fonach ſchon in dem Begriffe bes göttlichen Lebens, daß Gott in Feiner endlichen Geftalt die angemeffene Form oder Wirklichkeit feines Weſens fürbet; ligt es vielmehr im Begriffe des Endlichen, nur eine inabäquate Darftellung ber dee neber die Chriſtologie Hegel's. 1115 und nur das zu ſein, was einen Augenblick des Seins hat: ſo iſt von ſelbſt klar, daß für einen ſolchen perſönlichen Gott⸗ menſchen, in welchem die Fülle der Idee Wohnung gemacht hätte, keine Stelle übrig bleibt. Auch würde Gott aufhören, ein lebendiger Gott zu ſein, wenn irgendwie, ſei es in einem Einzelnen oder im Ganzen, die Wirklichkeit der Idee eine abſo⸗ lute wäre. Denn bie Unangemeffenheit jeder Geſtalt zu dem Gehalt ift: das, was fort und fort den Proceß wieder follicitirt. In feinem vollfommenen Refultat würbe der Proceß erlöfchen und mit ihm das göttliche Leben. . Nicht minder iſt von einer andern Seite ein urbilblichs geſchichtlicher Chriſtus unmöglich gemacht N. Gleichwie das Endliche nicht anders gefegt fein kann, denn ald die unangemeffene Beriirklihung der Idee, fo muß ja auch nach der Lehre bes Syſtems jedes fich entwidelnde geiftige Wefen bie Entzweiung burchlaufen. Die erfte Lebensform bes enblichen Geiſtes ift bie Natürlichkeit, Unmittelbarfeit. Um lebendiger Geift zu fein oder zu werben, muß er einen Proceß ber Diremtion, Entzweiung ers fahren, um fich als den Geiſt, ber er an ſich ift, wirklich zu machen, Alle Raturen, fagt Hegel, müſſen aus ihrer Unſchuld beraudtreten, es muß zur Entzweiung fommen, in welder das An fich ein Anderes, Fremdes wird für die Subjektivität: und erſt fo fann dann, durch die Rückkehr der Subjeftivität in ihr An fich, ihren Lebensgrund, durch zu Grunderichten ober Aufs heben diefer Subjektivität als einer mit dem An fich entzweiten die Verföhnung des Geiſtes eintreten, in welcher die Subjektivi⸗ tät fich felbft in der Objektivität, dem An fich findet. Wird fonach der Begriff der Entwicklung weſentlich an Fall imd Entzweiung gefnüpft, fo ift deutlich, daß nicht einmal von einem fünblofen Gottmenfchen, gefchweige denn von Chriſti Ein- zigfeit die Rede fein fann. Wenn aber, um bes Böfen Noth⸗ wendigfeit zu begreifen, der. Weg durch Entzweiung mit fid als allgemeines Lebensgeſetz bes Geiftes verfünbigt wird, fo gebührt 89, Hiemit fommen wir auf das dem Spflem fcheinbar Entlegenfte, die dualiſtiſche Seite deffelben. 1116 Dritte Periode. Abſchnitt 1. gewiß dem Meiſter ber Schule vor jenen Schülern ber Ruhm ber Eonfequenz, wenn er mit hohen Präbilaten für Chriſtus fparfamer umgeht, und vielmehr genng verſtändliche Winfe gibt, daß Chriſtus, der alle Eublichfeit auf ſich genom⸗ men, auch der Spige der Enblichfeit, der Entzweiung mit ſich und Gott, zu welcher nad feiner Behauptung bie füh manifeſti⸗ sende See, um ernfthafte Unterichiede zu gewinnen, wefentlich und nothwendig forttreibt, fi) nicht habe entziehen lönnen, ob⸗ wohl ihm im Glauben, d. h. der Borfiellung ber Gemeinbe, bie Unſündlichkeit zuzufchreiben iſt; ein Glaube, der dann im Denien feine wahre Bedeutung darin erhält, daß bie fleckenloſe Reinheit und Unfünblichfeit der ewigen Idee der Menfchheit zufommt, fos fern dieſe in ihrer Totalität die Gottmenſchheit darſtellt. Unfer Schfugrefultat alfo iſt: daß Das Hegel'ſche Syſten weber in Chriſtus die volllommene Einheit des Göttlichen und Menſchlichen auf einzige Weiſe yeichloffen, noch feine Entwicklung ſündlos denkt, noch bei ben fo eben beſprochenen Prämiflen den⸗ fen Tann. Der legte Grund hievon ligt aber darin, daß Hegel Gott nicht als in fich vefleftirtes abſolutes Selbſtbewußtſein denft, ſon⸗ bern ihm nur ein Subjeftiowerben in ber enblofen Reihe ober Totalität der endlichen Geifter zuſchreibtz daB er als das Aus bere, durch welches und in welchem er allein. fich ſelbſt wiffen kann, willfürlih und mit Einmifchung empirifhen Wiſſens ia bie Spefulation die Wert anfieht, und bie Stufen ihrer Ges fhichte als Stufen bes zu ſich ſelbſt kommenden göttlichen Selbfs bewußtfeing bezeichnet, daß er mit einem Wort Gott nicht als ewige abfolute Perfönlichkeit, noch wirklich ethiſch, ſondern als MWeltgeift denkt, für den die Welt nur da if, um ihm (wie etwa dem Dienfchen die Natur an und aufler ibm) das Selbſi⸗ bewußtſein zu vermitteln. Daß nun mit dieſer Grundanſchauung alle obigen anti⸗ chriſtologiſchen Säge von ſelbſt gegeben find, leuchtet ein. a. Vorerſt Chriſtus, der in ber Mitte der Zeiten Erſchienene, fann in biefem Proceß der Weltgefchichte nicht den. Gipfelpunft einnehmen. Denn ift das Ziel des Procefles der Weltgeichichte, Neber die Chriſtologie Degels. 4117 daß Gott fein Selbſtbewußtſein im Menſchen habe, hat bie Ges fchichte nur die Bedeutung und das Ziel, daß Gott fich adäquat im Menjchen wiſſe, wozu Ein Individuum völlig fo viel leiſtet als Mehrere, fo müßte mit Chriſtus — wenn er als vollkom⸗ mener Gottmenfch gebacht wäre, bas Ende ber Geſchichte ges geben fein. Da fie nun aber mit Chriſtus nicht geenbet, ſon⸗ bern erft vecht begorinen Bat, fo kann Gott. ſich in Chriſtus noch nicht auf abfolut vollkommene Weife gewußt haben, wenn ber legte und abfolute Sinn und Zwed ber Weltgefchichte ift, daß Gott in ihr das Selbfibewußtfein ſich erringe. Sondern höch⸗ ftens könnte Ehriftus den Anfangspunkt einer höhern Stufe im Proceß des göttlichen Selbftbernußtfeing bilden, über welchen bie folgenden binauszufchreiten hatten. Daß Chriſtus weder auf einzige. noch auf vollfommene Weife Gottmenſch fein kann bei folchen Borausfegungen, erhellt-von felbfl. . Noch weiteres ergibt fih, wenn wir biefen Proceß näher betrachten. b. Als Puls der Fortbewegung wirb bas befchrieben, daß jede Geftalt, weil endlich, nicht der ganzen Idee gemachfen fei: daher fie zurück⸗ genommen, negirt werbe, gemäß ber ewigen Gerechtigfeit ber See, die das Ungenligende richtet, indem fie darüber hinaus⸗ fhreitet. Im einer einzelnen Geftalt Tann fi) alſo Gott nicht adäquat barftellen, ſondern, wird gelehrt, nur in der Totalität ber Geſchichte. c. und wie fo jede folgende Stufe der Menfchheit eine Widerlegung der frühern iſt, und in pofitive Entzweiung mit ihr geräth, durch weichen Streit hindurch allein das höhere Moment das niedrigere bewältigen und ſich felbft verwirklichen kann; fo fpiegelt fi daſſelbe Verhältnig ab in der Entwidlung bes einzelnen Geiftes: dein nur durch Entzweiung mit feiner erfien Dafeinsform, folglich nur durch das. Bewußtfein ber Sinphaftigfeit und Schuld hindurch fann jeder Einzelne fi ent- wideln. Ligt in der erfiern Beflimmung, die biefem Proceß zus gefihrieben wird, auf das Entſchiedenſte, daß Ehriftus nur bie: fenige Bedeutung kann gegeben werden, die im Wefentlichen Jedem zufommt, indem fo auch Er nur ein Moment bed Gans zen ft, in welchem fich bie Idee Darftellt, und welches zur Voll: fommenpeit ergänzt werben muß durch bie unendliche Totalität 1118 Dritte Periode. Abſchniti L der andern, wie fie: fo ligt in ber letztern bie Nochwendigkeit der Entzweiung ober fünblichen Entwidiung aud für Ehrifius ansgefprochen. Daß dieſes bie Conſequenz bes Hegel ſchen Syſtemes im Großen ſei, wenn gleich auch andere Elemente in demſelben ſich finden, das ſtellten die Stimmführer der Schule ſelbſt längere Zeit in Abrede, am eifrigften Göſchel und Marheinefe Aber das Leben Jeſu von D. F. Strauß rief eine Krifis in ber Schule hervor, welde ihre Herrfchaft brach. Die rüdhaltlofe Schärfe, mit der Strauß die Eonfequenzen des Syſtemes im Großen zog, brachte bie Grundſätze hervor, die er für die Be trachtung des Lebens Jeſu als Ariome zu Grund Iegte, und bie nicht blos den Grundlagen des Chriſtenthums, fondern ber Relis ion überhaupt feindlih find. Bon den oben Genannten Tiepen fih Conradi und Rofenfranz theilweife in ihren frühern Anſich⸗ ten erſchüttern. Baur mit feiner Schule trat faft ganz auf feine Seite 0), Zu energiſcherer Oppofition gegen Strauß, aber 0) Ueber Eprifius fagt Strauß, Leben Jeſu I., 734 und 715 (A. 1): „Das iſt ja gar nicht die Art, wie die Idee fih reali⸗ firt, in Ein Eremplar ihre ganze Fülle auszufchütten, und gegen alle andern zu geizen, fonvern in einer Mannigfaltigfeit von Exemplaren, bie fih gegenfeitig ergänzen, im Wechſel ſich ſetzender und wieder aufhebenver Individuen liebt fie ihren Reichtum auss zubreiten.“ — S. 717: „weder überhaupt ein Individuum, noch insbefondere ein gefhichtlicher Anfangspunkt Tann zugleich urbild⸗ Li fein.“ IL, 716-18 und 734 fagt er, daß auch Chriſtus das 2006 des endlichen Geiftes, inneren Kampf und Schwankungen zwiſchen Gut und Böfe habe erfahren müflen; fein Anfih oder fein innerer Kern fei freilich urbildlich, dieſer fei die menſchliche Natur überhaupt (d. h. Bott); aber feine geichichtliche Ericheinung könne nicht rein geweſen fein, ein gefchichtliches Individuum aber fet nur das, was von ihm erfceine. Damit fei keineswegs die Idee der Menfhwerbung Gottes over des Gottmenfchen aus gefchloffen. Im Gegentpeil, was von der Kirche als einmalige Geſchichte gedacht war, ſei jeßt als allgemeine Wirklichkeit zu den» fen. Das ſei der Schlüffel der ganzen Epriftologie, (S. 734. 735.) daß als Subjekt der Präpifate, welche die Kirche Chriſto beilegt, ſtatt eines Individuums eine Idee, aber eine reale gefeßt werde. Die Krifis in d. Hegel'ſchen Schule. Strauß. Baur. 1119 nicht ohne ein eflektifches Brechen mit den oben bargelegten Prämiffen und Grundlagen des Spflems, erhoben ſich Göſchel, J. Sthaller, Gabler, Daub, Marheineke u. A. Hierüber unten mehr. In einem Individuum, einem Gottmenſchen gedacht, winerfprechen ch die. Eigenfhaften und Funktionen, welche die Kirchenlehre Chriſto zufchreibe, in der Idee ver Gattung flimmen fie zuſam⸗ men. Die Menfchheit iſt die Bereinigung ber beiden Raturen, ber menſchgewordene Bott u. ſ. w. Diefe allgemeine und ewige Menſchwerdung fei realer und wahrer als die Annahme, daß fie Einmal gefchehen fei. Die Denfchheit fei die aus dem heil. Geift geborene, ihr Geiſt der Wunderthäter, der Unſundliche, der Ster: bende, Auferſtehende, ja felbft gen Himmel Fahrende; Ausdentuns gen bes chriſtlichen Dogma, die in ganz ähnlicher Weiſe fchon mannigfah im Berlaufe unferer Unterfudung an und vorüberges gangen find. Hiemit fällt die Epriftologie gänzlich in die An: tpropologie zurüd, der Eine Ehriftus der Kirche Iöst fih auf in die Idee, Bott, der allgemeines Weſen ver Menfchheit if, und in Zefus von Razaretb (ara und xare Xpıorog). Ueber den letztern heißt es ©. 735: Died Individuum wurde durch feine Perſönlhichkeit und feine Shidfale Anlaß die Wahr: heit, daß die Menſchheit ver Gottmenſch if, ins allgemeine Bes wußtſein zu erheben. Die Spröpigleit gegen den Rationalismus, dem Chriſtus Lehrer einer reinen, trefflichen Religion if, (S. 710) ift offenbar hienach wenig motivirt, wenn gleich philofophifch bes trachtet der ſpeculative Rattonalismus allein das Lob rückſichts⸗ Iofer Eonfequenz verdient. Später hat Strauß in feinen Streit ſchriften beſonders UI. 69 ff., fowie anderwärts in noch populäs rerer Weife fich etwas anders über Chriſtus erklärt. Chriſtus wird befchrieben als religiöfes Genie, das möglicher Weile au durch eigenthümliche Conftitution, oder ſittliche Kraft einige ver Heil⸗ wunder geihan habe, und obgleich er nicht die vollbrachte Realität der Idee nach allen Seiten hin ſei fondern jedenfalls nur nad der refigiöfen Beſtimmtheit, fo könne doc auf religiöfem Gebiet nicht über ihn hinausgegangen werden, weil er das höchſte Ziel derfelben erreicht habe, daß ein Menih in feinem unmittelbaren Bewußtfein fih Eins mit Gott wife. Leben Jeſu A. 3. 1839. U, 777. 778: Mit Beiſeitſetzung der Begriffe von Unſündlichkeit und fchlechthiniger Bollfommenpeit als unvollziehbarer faflen wir Chriſtum als Denjenigen, in deſſen Selbfibewußtfein die Einheit des Böttlihen und Menſchlichen zuerſt und mit einer Energie aufgetreten if, weile in dem ganzen Umfang feines Gemüths 1120 Dritte Periode. Abſchuitt L Yrüfang der B. Se weniger mit dem Bisherigen ſchon ein Urtheil über den wiffenfchaftlichen Werth dieſer Anſicht von Chriſtus beabfühtigt fein faun, deſto nöthiger if nun noch bie Prüfung der Grund⸗ lage, auf der die vernommenen Refultate über die Perfon Chriſti ruhen. Bor allem fommt es nach dem Öbigen (S. 1116) auf ben Begriff Gottes als bes bloßen Weltgeiftes an, woran die weiter oben vernommenen Säge über die nähere Beſchaffen⸗ heit feines Prozeſſes gefnüpft find. Hier werden wir fehen, daß bie Diefelbigfeit des Prozeſſes der Menfchheit und bes göttlichen Lebens in der Art, wie fie Hegel denkt, unbewiefen und zweitens fich felbft wiberfprechend iſt. Zwar ſcheint ein Beweis für dieſelbe in dem oben Ange führten zu liegen, daß der Geift als Geiſt ſich offenbar fein, fich erfennen muß, dieß aber nicht kann, ohne daß er ſich von und Lebens alfe Hemmungen biefer Einheit bis zum verfchwin: denden Minimum zurhdorängt, der in fofern einzig und uner reicht In der Geſchichte daſteht. — Der Anfangspunkt einer Reihe lafle ſich wohl au als Größtes deuten, fofern eine Speer bei iprem Hervortreten am kräftigſten zu fein pflege, nur nicht ale abfolut Größtes; vielmehr dürfe das veligiöfe Bewußtfein, das er errungen und ausgefprocen, fi ver Läuterung und Beiter: bildung nicht entziehen. Aehnlich Baur, Trin. IL, 969. 968: „Beſteht die Negattvität der Idee, die das immanente Yrinzip ber Weltgeſchichte iR, darin, daß die Idee in ihrer lebendigen Selbft- bewegung über jede endliche Geſtalt hinausfchreitet, fie dadurch negirt und in fi zurücknimmt, mit weichem: Recht läßt fig die Ausnahme begründen, die nach der Eirchlichen Lehre bet dem einen Individuum gemacht werben fol? Der ganze Prozeß (Gottes und der Menfchheit) müßte mit Einemmal erlöfchen“ u.f.w. S. 964 ff.: „Aehnlich verhält es ſich mit der abfoluten Sündlofigkeit (oder Ur: bilblichkeit) fofern fie Einem Individuum beigelegt werben fol. Daß fie als-eine Unmöglichkett im Syſtem erfheint — darin ftellt fih nur die Unmöglichkeit der Sache felbfi var.“ — Gie wider: . freite dem Wefen des enplichen Geiftes. Sie könne nur bie auf gehobene, zu Teinem beharrlichen Zufland geivorbene Sündligteit fein, fagt er mit Conradi; f. 0. ©. 1098 f. Grundlagen des Antichriſtolog. im Hegel'ſchen Syſt. 1121 ih ſelbſt unterfiheibet, ſich ſelbſt ſich als Andern gegenäberfteik. Aber daß der Geiſt als anderer ſeiner die Welt ſei, oder was damit zuſammenfällt, daß der Geiſt, um ſich ein anderer zu werben und aus dieſem Andern als aufgehobenem wieder zurück zu kehren, zuerſt umſchlage in die Natur, ſich zu dieſer ent⸗ äußere, und ſofort im Menſchen bie Rückkehr aus dieſem Andersſein beginne: das iſt nirgends bewieſen. Es iſt auch ſchon von Andern vielfach dieſer hiatus im Syſtem gerügt worden, daß das Andersſein der Idee, insbeſondere der Uebergang von der Logik zur Naturphiloſophie ſo wenig ver⸗ mittelt if. Theologiſch kann dieß fo ausgedrückt werden: Es iſt nicht bewieſen, daß dieſes Andere Gottes (was zum göttlichen Selbſtbewußtſein gehört), dieſe Welt und nicht etwas Anderes, nämlich vielmehr ber ewige Sohn Gottes ſei, durch welchen nad fo vieler Lehrer Meinung Gott felbft ſich ewig felbft erkennt, ats in feinem Gegenbild, in dem heil, Geifl. Ober foll das als Beweis anzuſehen fein, daß gefagt wird: bie trinitarifchen Unterfchiede, welche bie Kirche in Bott immanent nennt, feien blos ein Spiel der Liebe mit fich felbft; Damit ed mit ben Ins terſchieden ermft werde, müſſe das Andere der Idee bie Welt fein? Es mag zugegeben werben, baß die Kirche an ber ſchär⸗ fern Beſtimmung der trinitariſchen Unterfchiede noch weiter zu arbeiten hat, aber als inhaltlofes Spiel der Liebe mit fich ſelbſt fann bie immanente Trinität nicht bezeichnet werben, ba fie ben lebendigen, yerfönlichen, ethifchen Gottesbegriff ‘gegen Pantheis⸗ mus und Deismus wie früher (I, 888) fo auch jest allein zit fihern im Stande fein wird. Aber wie, wenn ſich zeigen Tiefe, daß die Welt diefes andere nicht fein kann, durch welches Gott fich fein abfolutes Selbſtbewußtſein vermittelt; daß mit Einem Worte Gott entweder ohne dieſer Vermittlung durch bie enbliche Welt zu bebürfen, fich abfolut ſelbſt wiffen muß, oder aber übers haupt nicht ſich abfolut wiffen kann? wenn ſich zeigen Tieße, bag wenn die in Gott immanente Trinität nur ein Spiel von Unterfhieden ift, au die Welt zum leeren Spiele wird; und daß die wahre, allerdings auch trinitarifche Selbſtverwirklichung Gottes in der Welt nur möglich iſt unter ber Borausfegung 1122 Dritte Periode. Abſchnitt L eines Gottes, ber nicht blos Weltgeiſt, fonbern auch abſolnte Perfönlichfeit in ſich ſelbſt if? Es beruht freilich auf einem Mißverſtand, wenn biefer Theorie vorgeworfen wird, daß nach ihr Bott von ber Welt, von dem Endlichen abhängig wäre, weil er befielben bebürfe, um felbfibewußte Eubjeftivität zu werden. Denn jedenfalls if ed ja Gott, der fih endlich zu fein beſtimmt; er iſt einzig ber Beftimmenbe, nicht aber der durch die Welt Beſtimmte. Allen in anderer Form kehrt diefer Einwurf wieber. Bermittelt ſich nämlich das göttlihe Selbfibewußtfein nothwendig durch die endliche Welt, insbefondere den endlichen Geiſt, fo if beides, das Sichwiſſen Gottes in der Menſchheit und durch fie und das Sihwiflen der Menſchheit in Gott fo ſehr ibentifh, daß das göttliche Selbfibewußtfein nicht weiter verwirklicht fein fann, ale das Wiflen, das die Menſchheit von Gott hat. Nun ift aber bie Menfchheit dem Geſetz der Allmäligfeit unterthan, ſonach iſt damit die Allmäligfeit des Bewußtwerdens auf Gott felbft Übertragen. Und es if hier fein Entrinnen, als dadurch, daß das göttlihe Selbfibemußtfein irgendwie dem Ges bundenfein an die Menfchheit und ihre Entwidiungsfiufen ent⸗ hoben wird. Daß nun das göttliche Selbſtbewußtſein nach dem Spftem nicht abfolut vollendet, fondern allmälig erft werbend fei, Tann eine harte Anklage fcheinen, zumal Hegel fo oft verfihert, Daß Gott ebenfo die ewig in fich zurüdgefehrte,. wie bie in bie Ends lichfeit auseinander getretene Idee fei. Allein ift es wirklich der Sinn des Syſtems, daß Gott nicht erft dur) die Menſch⸗ beit hindurch fich feine Verwirklichung als Subject erringe (wo⸗ mit ja bie Allmäligkeit biefer Verwirklichung von felbft ſchon gegeben ift), fo muß gefragt werben: bat es denn einen Gott über und außerhalb diefes Prozefles der Menichheit? Bielmehr rechnet es fich zum größten Ruhme an, dieſe Weltanficht übers wunden zu haben. Was befäße das Syſtem, falls Gott in ewiger Abfolutheit Selbfibewußtfein, fomit fein Anderes ewig auch er felbft wäre, noch für einen Grund, zu einer Welt, in ber es mit dem Unterfchiebe Ernft ift, und zu einem Weltprogeffe, Prũfung » Grundlagen bes Antichriſtol. bei Hegel. 1123 ber biefen ernſten Unterſchied überwinden fol, Gott ſich erſchlie⸗ pen zu laſſen? Den Weg des chriftlichen Theismus, von der ſich in fich felbit und nicht erfi durch die Welt vermittelnden Perföns lichfeit Gottes will das Spftem nicht, es fteht ihm ohne Beweis feft, baß Gott fich fuchend zur Welt kömmt, nicht aber aus Liebe, daß ber Weltprogeß mit dem’ Prozeß des göttlichen Lebens identifch if. Es bleibt aber auch ebendeßwegen babei, daß Hegel Gottes Selbſtbewußtſein nur als ein allmälig ſich entwidelndes anſehen fann. Er fegt, ungefähr wie Schelling, Epochen in der Geſchichte; und wie diefe gegen einander nach den Momenten abgegrenzt find, die allnälig im Bewußtſein der Menſchheit wirflich werden, fo müſſen wir auch im göttlichen Geift ein von Moment zu Moment fortichreitendes Bewußtfein annehmen — eine Geſchichte, die nicht ewig ihr Refultat auch wieder ſchon gegenwärtig und wirklich hat. Wozu fonft die Iange Arbeit des Prozeſſes, wenn im eigentlichen und nächſten Sinn des Wortes Bott ſchon als. Anfang zugleich das Refultat wäre? Mit der Allmäligfeit der Entwichlung aber ifl, wie. mit jeder Gefchichte, die Zeit geſetzt. Zwar foll das nah Hegel nicht gedacht werden: auf Gott ift der Begriff der Zeit nicht anwendbar. Allein wie follte bier Gott fein ewig vollendetes Selbſtbewußtſein haben? Wenn es am Tage ift, daß er es in dem Menfchengeift nicht haben fann von Anfang an, weil biefem weſentlich ift, von der Befangenheit in der Natur beginnend, erft allmälig das volle Selbitbemußtfein, oder das Willen der Einheit Gottes und des Menfchen zu erlangen, in welchem allein Bott das Dafein ald Geift bat: welches foll denn bie Daſeins⸗ weife fein, in der, fo lange der Dienfchengeift noch unvollkom⸗ men ift, Gott fih als abfeluten Geiſt hat, weiß. und verwirl⸗ licht iſt? — Es iſt hierauf ſchon geantwortet worden: daß wir unfern Blick nicht auf die gegenwärtige Welt zu befchränfen haben. Unferer Welt können Je möglicher Weife andere in unenblicher Bolge vorangegangen, oder können es andere Wefenklaffen fein, in denen Gott fih ale abfoluten Geift offenbare und geoffn⸗ Dorner, Ehriſtologie. IL 2te Aufl. 72 1124 Deitte Yeriove. Abſchnitt L Ueber d. Grundlagen baret habe immerbar *'). So fell das götlihe Selbſtbewußt⸗ fein dem Gebundenfein au die Menſchheit und an bie Allmälig- feit enthoben werden. Allein dieſes Ausfunftsmittel möchte dem Spfieme felbft ziemlich fremb unb fon au fh ungenügend fein. — IR die Geſchichte der Menſchheit wirklich bie Gefchichte Gottes, fo gibt es nothwendig nur eine einzige Geſchichte umb eine einzige Welt, weil Gott nur Eine Geſchichte haben Tann. Eine meue Welt, nachdem in einer früheren Gott feine abfolnte Berwirklichung ale GSeiſt ſchon erreicht hätte, wäre da gänzlich ummotivirt, es wäre denn, daß Bott — gleichſam in einem Abfall von füh, das Refultat der frühern Entwidlung verloren gegangen wäre. Iſt die Geſchichte die reale Bernuaft d. 5. bie Exrplication aller logiſchen Momente, fo Tann es nur Eine Geſchichte geben. Es müßte die Bernunft nicht Eine fein, wenn eine weitere Geſchichte eine wirklich andere, d. h. nicht bios eine leere Wiederholung völlig derfelben logiſchen Momente fein follte. Da aber die Bernunft Eine ift, und biefe Eine im regels rechter Aufeinanderfolge ihrer Momente fich barfteltt in der Ge: ſchichte der Menſchheit, fo haben wir bier nirgends ein Recht, auf andere Welten oder Weſenklaſſen zu provociren, damit Gott nicht mit exit werbendem Bewußtſein gedacht werben müſſe. ebenfalls fönnte, wenn in ihrem Prozeß ein Kerifihreiten iR, auch in ihnen Gott das abfolute Selbfibewußtfein nur als Res fultat, nicht als Anfang haben; und es ift alfo durch ſolche ) Vatke hat Hall. Jahrb. Nro. 283-289. 1838, diefe vom Stand» punkte des Syſtems aus doppelt abenteuerliche Theorie nach frü⸗ bern Vorgängen wiederholt. In ſolchen das Spſtem durchlöchern⸗ den Theorien mag ſich das löbliche Streben zeigen, Gott ein nicht erfi wachſendes, fondern ein ewig fich gleiches, abfolutes Selbſtbewußtſein zuzufcpreiben. Allein fein Zlel kann dieß Streben nicht erreichen, es fet denn, daß ganz ähnlicher Weife, wie jene Theorie no ein vernünftiges Jenſeits für die Dlenihenwelt an- nimmt, ohne daß darum diefe von göttlichen Leben entblößt fein müßte, auch der Widerwille gegen ein von dem Weltprozeß über haupt unabhängiges göttlihes Selbfibewußtfein verlernt wird. Benigfiens das werben wir fogleich fehen, daß die Abſolutheit biefes Selbfibewußtfeins anders nicht Tann behauptet werden. des Anticgriftot. bei Hegel. Bott nicht vollendet. 4125 Berufungen das Räthſel nur rückwärts gefchoben, ımb nur Scheinbar etwas gewonnen. If aber Fein Fortſchreiten in ihrem Prozeß, fo Tann kaum von einem Weltprozeß, ja von einer Welt die Rede, und bie Wiederheiung der Welten, Perioden oder Individuen müßte etwas völlig Leeres, Zweclloſes fein. Und fo muß es bei dem Sag fein Berbleiben haben, daß nad dem Hegel’fhen Syſtem, — falld nur ber. Prozeß ber Geſchichte einen Inhalt und Zweck bat, und nicht. bloßer Schein iR an dem göttlichen Leben, — Gottes Bewußtfein nod nicht vollendet if, fo lange das menſchliche noch fort⸗ ſchreitet ⸗). 2) e⸗ könnte nur ſo der Allmäligkeit der Entwicklung entnommen fein, wenn ber ſelbſtbewußte Gott, oder die Idee in ihr ſelbſt ewige Realität hatte. Dieb könnte nun auf doppelte Weiſe ver flanden werden, nämlich entweder fo, daß Gott frei und unab⸗ hängig von ter Welt und ihrem Entwidlungsgang ewig das abfolute Selbſtbewußtſein fei in ch; oder fo, baß Bott als die geiftige Subflanz angeſehen würde, die fich immer gleich in dem Entwillungsgang ver Menfchheit nichts zu fuchen noch zu finden bat, fondern übergreifend über die Individuen, als ihre Erſchei⸗ nungen, in fich felbft alle Wefentlichleit, Subflanzialität vereinigt, fo daß außer ihr nur Unweſentliches, Accidentelles fein fann. Das Erſte entfpräge der chriſtlichen Idee von Gott, die zweite Anficht iR son Baur vertreten, Trin. 11, 925—928: der Geift fe an fi ewig zurüdgelehrt, und mit fih Eins, Gott fei nicht blos der Prozeß, d. h. die im Sepen und Aufpeben ins Unendliche ver Ianfende Wirklichtelt ver Welt, fondern vor allem die Einheit diefes Prozeſſes oder das Prinzip beffeiben, in welchem alle Belt: gegenfäge nur ideell enthalten find. „Daß überhaupt eine endliche Welt zur Verwirklichung der Idee iſt, iſt die nothwendige Bedin⸗ gung des concreten göttlichen Selbſtbewußtſeins, was aber in der endlichen Welt im Einzelnen ſich verwirklicht, iſt der an ſich ſeien⸗ den Idee gegenüber auch wieder das Unweſentliche“ Da kann dann auch aefagt werben, daß Gott nicht Weltgeift ſei, nemlich fofern der concrete Inhalt der Welt ein Unweſentliches if, nur einen Schein des Seins bat. Aber in fofern als die Welt einen Yugenblid des Seins hat und Gott nur durch ihre Bermittelung ſich als Geiſt actualifirt, ift er auch fo der Weltgeiſt. — Baur will den vermittelnden Prozeß einerfeits als ewig vollendeten, audrer⸗ feits als fortfchreitenden denken. Aber er bringt beides nicht zus 72 * 1126 Dritte Periode. Abſchnitt L Ueber d. Grundlagen IR ſchon ber fo eben ausgeſprochene Gab dem Begriffe Gottes zuwider, daher ihm auch Hegel, jekoch vergeblich, aus⸗ weichen wollte; ja ſtellt ſich dadurch das Syſtem bereits in Zwie⸗ ſpalt mit ſich ſelbſt, indem es durch feine Theorie Gott in bie Zeitlichkeit zu verſeten genöthigt iſt, was es doch ſelbſt als eine falſche Vorſtellung anſicht: — fo bricht der innere Zwie⸗ fpalt in der philoſophiſchen Grundlage obiger Ehrifielogie noch mehr darin hervor, wenn wir weiter betrachten, ob überhaupt (auch abgefehen von jener Allmäligfeit) die Welt das geeignete Medium nad dem Syſteme fein fann, um dasjenige, was doch Ziel des Prozeſſes ift, zu vermitteln, nämlich, daß Gott abſo⸗ Inter Geiſt oder fonfrete (nicht mehr bios abfirafte und fub- ftantielle, fondern zugleich fubieftive, d. b. ſowohl an ale für fih feiende) Allgemeinheit werde? Die Frage wird zu verneinen fein. Dieß Ziel fann und darf nicht vollftändig erreicht werden. Denn fonft ftodie und erlöſche der Prozeß in biefer Bollendung. Im Ziel erftürbe Gottes Lebendigkeit. Es muß, damit Lehen fei und Bewußtfein, immer wieder ein Endliches, Unvollfom: menes ba fein, weil nur in deſſen Aufbebung das Göttliche ſich ale unendlihen Geift wiſſen kann. Wäre es ganz abolirt, fo fehlte der Widerfpruc und Gegenſatz, der Alles Lebens Bater if. Der mit der dee Gottes als des bloßen Weltgeiſtes ges gebene Prozeß hat das Widerfprechende an fih, um feine abäs quate Wirftichfeit zu haben, ewig ein nicht abäquates Medium (die Welt) ſetzen zu müflen; andererfeits aber auch ebenfo es aufzuheben, weil in feiner einzelnen Geftalt Gott wahrhaft und bleibend fein Leben und feine Wohnung haben kann. So thut fi und abermal der wohlbefannte in der neucren Philoſophie fo häufig aufgetretene Dualismus auf. Es ift in fammen, weil es eine innere Unmöglichkeit if. Vollendet ſei er (8. 924), fofern die Idee in ihrem ewigen Anſichſein Alles enthalte, was die Wirkficpleit der Welt verwirkliche. Aber dieſe Bollendung, die in dem An fich Täge, wäre eine Bollendung ohne das Höchſte, die conerete Subjeftivität, die daneben ein bloßes Accidens wäre. Es wäre das auf dem Boden des Spftems die For⸗ terung, Gott als ewig vollendet zu denken, ohne abfolntes Selbſt⸗ bewußtfein, das ja nur in der Welt folk verwirklicht fein Können. — — — z- u 1 un — ws a wu. des Antichriftiof. bei Hegel. Ihr Dualismus. 1127 Gottes Weſen gelegen, ewig Endliches zu fegen, damit er durch defien Ueberwindung, Negation, fich felbft als Unendlichen vermittle und wiffe. Aber anbererfeitd darf dieſe Ueberwindung nie eine abfolute — d. h. alfo Gottes Wiffen von ſich ale Un⸗ endlichem nie abſolut fein; fonft fründe das göttliche Leben ftill. — Es ift in Gottes Wefen gelegen, durch Setzung von End⸗ lichem in diefem felb zur fonfreten Allgemeinheit, zus Wirklich feit als abfoluter Geiſt zu gelangen. Aber andererfeits ift es auch dem Einzelnen weſentlich, nur die unangemefiene Offen: barung der göttlichen Idee zu fein, fo daß es zu jenem Nefultat nicht fommen Tann. So daß auch von: diefer Seite nichts übrig bleiben wird, als entweder zu fagen, die dee fei ewig in fich ſelbſt real, und Gott bebürfe nicht der adäquaten Wirklichfeit der Welt zum -abfoluten Selbfibewußtiein, an welche gebunden baffelbe vielmehr nur ewig getrübt und unvollfommen fein müßte, oder aber, falle darauf foll beharrt werden, daß Gott fein abfolutes Selbfibe- wußtfein nur durch DBermittlung der Welt habe, wird es al ewig fi fuchend und nie ſich findend nad den Principien bed Syſtemes zu bezeichnen fein. Da bleibt ed dann bei dem umverföhnten Widerſpruch, daß Gott ewig das Endliche ſetzen muß, um in ihm ſich abſolut zu wiſſen, und das wahre Daſein des Geiſtes, das allein in der Gottmenfchheit iſt, zu erlangen; andererſeits aber nie zu dieſem wahren Dafein fommen Tann, weil es fowohl bem Begriffe des Endlichen widerfprechen fol, daß die ganze Fülle der Idee in ihm offenbar werde, ald auch dem Begriffe Gottes, der weſent⸗ lich Prozeß und nur als folder Leben ift, irgend fo realifirt zu fein, daß er feine abſolute Wirklichkeit erreicht hätte. Daher werben benn bie endlichen Geftalten als unangemeffene Formen des göttlichen Dafeins immer wieder zurüdgenommen, und bad göttliche Leben ift und erhält fich nur als das ewige Wechſelſpiel von Sesen und Aufheben des Enblichen *°). *5) Dierans iſt erfichtlich, wie die abfolute Perföntichkeit- Gottes und der unendliche Werth der Verfönlichleit des Menſchen mit ein» 1128 Dritte Periode. Abſchnitt L Progressus in insnit. bei Hegel, Wollte man ung num damit beſchwichtigen, daß dieß denn doch nicht ale eitles, leeres Spiel gedacht werben dürfe, inbem vielmehr ein Foriſchritt flattfinde in dem Prozeſſe, wie denn auch das Geſetzte, obwohl es als individuelle Erfcheinuug bem Loos der Endlichkeit nicht entgehen Tonne, ſondern zurüdgenommen werde, — doch ale Moment in dem Folgenden aufbewahrt fei, fo tritt zu ben alten Wiberfprüchen nur noch ein weiterer hinzu. Denn da, wie oben auseinandergefegt if, in dem Begriffe Gottes und des Endlichen nad) dem Syſtem bie Nothwendigkeit liegt, ben Prozeß ale endlos, das Refultat — (fowohl dad wahre Dafein Gottes als des Menfchen) ewig unvolllommen erreicht zu denken; andererſeits aber doch ſtets ein Fortſchritt ſtattfinden ſoll, ein Zunehmen des geiſtigen Lebens ber Welt. und des gött⸗ lichen Selbſtbewußtſeins, was haben wir da Anderes, als doch wieder den dem Syſtem ſelbſt fo verhaßten progressus in inſ nitum, wie ex überall ſich ergeben muß, wo das Göttliche unter ber Kategorie jener äußerlichen Unendlichkeit gedacht wird, das ewige Sollen, das immer erreicht werden fol, aber nie erreicht wird, ja befien ewige Nichterreichung eben durch den Widerſpruch verbürgt ift, welchem gemäß Gott nie aufhören Tann, Endliches zu feßen aber wefentlic auch das Geſebte als inadäquat immer wieder aufheben muß. Soll dann aber dieſem progressus in infinitum gewehrt ‚ander fiehen und fallen. Scheinbar frhließt die eine die andere aus: im Wahrheit aber haftet ver Dualismus von Endlichem und Unendlihem an ber Borfiellung von Gott als dem Weltgeiſt; während dagegen, wo Gott nicht blos ertenfiv unendlich gedacht wird, fene wahre Einheit des Unendlihen und Endlichen möglich tft, bei welcher ſich Gott wirklich auf abfolute Welle willen kann in dem vollendeten Dienfchenfohne, der die adäquate Erfgeinung des ewigen Gottesſohnes if, nicht fofern er einfam bleibt, fons dern fofern er auch das Haupt if, und fofern das Leben, was ſich in ihm concentrirt, in aller Herrlichfeit ver Kirche ih aus einan- ver breitet, des Leibes, in deſſen Gliedern auf relative Weiſe fid die Einheit des Endlichen und Unendlichen wiederholt, welche abfolut in dem Haupie if. Immo TE m er A TE —— A EN oder idealiſt. Gleichgiltigleit gegen die Wirklichleit. 4429 werben, in welchen mit der Welt auch das göttliche Bewußtfein verflochten wäre, fo wird die Sache nur noch bedenflicher. Auf gehoben fann ber progressus in infinitum nur fo werden, daß man ihn entweder in ber Vollendung fein Ende finden läßt, ober aber jo, baß man einen wahrhaften Fortfchritt läugnet und in allen feinen Dafeinsweilen den Geift für gleich vollendet anſieht. Jenes kann diefe Philofophie, wie wir fahen, nicht, weil im abfeluten Refultat mit dem Prozeß auch das Leben erlöfche. Diefes aber, das Längnen alles Fortſchrittes, hätte in Beziehung auf das göttliche Selbitbewußtfein feinen guten Sinn, wenn ed als ewig vollendet gebucht wäre. Allein da es ſich erft durch den endlichen Geift und feine Momente vermitteln fol: fo ges winnt die Räugnung des Fortfchritted einen andern Sinn, und iR fowohl in Beziehung auf die Welt als in Beziehung auf den Begriff Gottes verwerflich. Ä Was zu erſt die Welt betrifft, fo if, wen ber Kortfchrikt und die Stufenfolge in den Epochen ber Menfchheit geläugnet wird, nach feinem eigentlichen Werth ein Geſchlecht, wie bas andere; das, worin eigentlich ber Werth ligt, muß gleichermaßen in Allen zu finden fein '*%). Was ift aber dieſes? Es ift bie an fich feiende Göttlichkeit des Gefchlehts. Dieß An fih if aber nad dem Spilem das Allgemeine, ſchlechthin Gleiche in Allen. Fällt diefem alle Bedeutung zu, fo ift die Wirklichkeit, die Art und Weife, die Stufenfolge und Mamigfaltigkeit ber: felben, das Werihlofe. Der einzige wahre Gehalt der Welt figt in ber abftraften, völlig allgemeinen Beflimmung, daß Gott überhaupt fih ewig individualiſirt. Wie er dieß thue, aljo ber wirkliche 4. B. ethiſche Gehalt der Individualitäten, iſt gleich⸗ gültig “9); wäre er es nicht, fo müßte das Maaß und bie Art der Wirklichkeit des An ſich mit in Rechnung genommen fein. Das An ſich der Welt aber iſt das göttliche Weſen. Iſt die Welt der Wirklichkeit nach ihrem Gehalt gleichgültig für 2) Bol. Rechtsphilofophie von Hegel $. 345, wie denn überhaupt unläugbar biefe idealiſtiſche Pllofophie eine Neigung bat zu der Betrachtungsweife, von der wir nun reden wollen. 5 Bgl. Baur, Zrin. III, ©. 928. 1130 Dritte Periode. Abfepnitt L daffelbe, ihre Ausbreitung und DMannigfaltigfeit, umb ihr Forte fehreiten nur ein Zufälliges für den Weltgeiſt, weil «8 ihm nur um die ganz abftrafte Beftimmung des ſich als endlich Setzens und Wiederaufhebens zu thun ift, um durch flete Negation des gefegten Enblichen feine Unendlichkeit zu bewähren: fo iſt ber ganze wefentliche Gehalt der Welt und Geſchichte nur ein leeres Spiel, eine endlofe Wiederholung; die Welt der Wirklichkeit nur eine Welt marflofer Geftalten ohne Sim und Zwed, von Gott verlaffener Zufälligfeiten, indem Gott in benfelben feinen Ges halt auszulegen oder zu verwirklichen bat, vielmehr ihm nur barum zu thun iſt, im Wechfel von Segen und Aufheben bes Endlichen ſich ſelbſſt als Reben zu erhalten. Da ſinkt dann freilich der große Organismus von Geiſtern, von Perſönlichkeiten, deren jede für ſich von unendlicher Tiefe und Bedeutung iſt, dergleichen das Chriſtenthum kennt und ſchafft, herab zu der zahlloſen Mannigfaltigkeit von Exemplaren der Gattung, welche keine wahrhaft geiſtige Eigenthümlichkeit haben. Die Prädikate, die hier der Perſon Chriſti abgeſprochen werden müſſen, weil 'mit dem Begriffe des Weltgeiſtes gegeben ift, daß er fih in einem Einzelnen nimmermehr darflellen kann, fondern nur im Ganzen, follen zwar der Menfchheit zufallen; und fo feheint, wenn auch auf Koften Chriſti, die Menſchheit ‚ erhöht, zumal die Einheit der göttlichen und menfchlichen Natur als reale, nicht als Kant'ſches unwirkliches Sollen, ja ale eine in unendlich höherem Sinne reale und wahre gepriefen wirb als die auf Ein Individuum befchränfte fei. Aber während im Chriſtenthum die Kehrfeite der Niebrigfeit des Menſchen durch bie Sünde feine Hoheit durch jenes Eine Smdividuum ift, fo bat fene befonders von Strauß verfündigte Apotheofe der Menſch⸗ heit überhaupt zu ihrem Revers bie Nothwendigkeit der Sünde fo lange Leben ift, und jene Realität der Einheit Gottes und bes Menſchen die ewige Nichtrealität, indem es unmöglich fein foll, daß das Urbilbliche hiftorifch werde. An fich follen alle Men⸗ ſchen göttlich fein, aber in dew Wirklichkeit Jeder feinem Begriff immer und wefentlih wiberfprechend. Dem ber Begriff eines Jeden ift in biefer Philofopbie nicht eine individuelle, ideale Pers Ueber d. Grundlagen des Antichriftol. bei Hegel. 1131 föntichkeit, fondern das Allgemeine oder Gott, dem als Unend⸗ lichem das Enbliche wefentlich unangemeffen if. Das iſt flatt Veberwindung mur Ueberbietung bes Kant'ſchen Dualismus zwifchen Sollen und Sein; und wenn von ihm und der Wirfs Kichfeit hinweg auf das immer auch in der Sünde und in dem Zwiefpalt ſich gleichbleibende An jih als die Hauptfache hin: gewiefen wird, fo heißt das unter Kant zurüdfinfen, und an bie Stelle der Ethik eine gegen Gut und Bös inbifferente Phyſik oder Logik ſetzen. Wie wir aber hierin eine höhere Anſi cht vom Weſen der Menſchheit nicht finden können, fo iſt zweitens auch der Be: griff Gottes völlig ungenügend weil in letzter Beziehung un: ethiſch gedacht. Da der Prozeß der Welt zugleich der des göttlichen Lebens und feine Manifeftation fein fol, ter Gehalt abet des Geſetzten völlig bedeutungslos iſt, fo wäre Gott bier nur das ſchlechthin formelle Leben, bie principielle Einheit des Setzens und Aufbebend. Wie die Erplifation des menfchs lichen Selbfibewußtfeinsg im Fortfchritt zu immer höhern Stu: fen für Gott etwas Gleichgültiges wäre, fo müßte auch bie Bollendung bed eigenen Selbſibewußtſeins, die nur durch das Endliche hindurch möglich fein fol, für Gott etwas Gleichgül⸗ tiges fein. Zu feinem Begriffe gehörte nicht, daß er fich wiſſe in feinem innern, unendlihen Reichtbum als abfolnten auch etbifchen Geift, fondern nur, daß er fei die ewige Einheit bee Setzens und Aufhebens des‘ Endlichen. : Wo aber der Gehalt fo aus Gott hinausgehalten wird, da ift, um mit dem Syſtem ſelbſt zu reden, die Form abftraft und unwahr gedacht, weil ſie nicht Eins iſt mit dem Inhalt. Nun iſt aber ſchon das abſolute Selbſtbewußtſein nicht eiwas, was tem abfoluten Geiſte nad) Belieben zus oder ab: gefprochen werben könnte, wie es eben fommt; fondern er iſt nicht abfoluter Geift ohne abfolut ſich ſelbſt zu wiflen. Wäre Bott nicht. abfolutes Selbitbewußtfein, fo könnte er zwar Wiffen dennoch fein, oder Bewußtſein, aber nicht einmal abfo- lutes Wiſſen; denn fein Bewußtfein wäre zwar erfüllt mit dem Bielen, allein dieß Andere ift nicht er felbft, und fo fehlt feinem 1132 Dritte Periode. Abſchnitt L Wiſſen ein Wefentliches, weil er nicht fich ſelbſt Gegenſtand und Inhalt feines Wiffens if. Und hier hilft es nicht zu fagen, dieſes Andere fei wefentlich er felbft, indem er das Anbersfein als Beftimmung feiner in fi) aufgenommen; dem geſetzt, es wäre alfo, und das Umfchlagen ber Idee in ihr Andersfein fände nicht fo unbewiefen ba, als wir oben ſahen, fo ift doch dieſes Andere nur an fih er ſelbſt; daß er das Andere au fich fei, müßte auch in fein Bewußtſein treten, bamit diefed Durch das fich ſelbſt Wiffen im Andern abſolut verwirklicht wäre. Fehlt diefes, fo ift das göttliche Bewußtſein nicht vollendet, bie Einheit feiner felbft und des Andern ift nur an ſich da, nidt gewußt; es gäbe ein Moment der Wahrheit was nicht von Gott gewußt, fondern nur in ber Form des unmittelbaren Seins ba wäre: und ebenbamit, daß Das Bewußtſein fich nicht zum Selbſt⸗ bewußtfein vollendet, wäre es felbft nicht abfolut. Aehnliches ließe ſich von den ethifchen Beftimmungen des Gottesbegriffs nachweifen. Keineswegs fol behauptet werben, daß die obige Betrach⸗ tungsweife die einzige fei, unter welcher Welt -und Gott in bem Spfleme gedacht find. Aber, wenn bann wieder die Welt in ihrem Reichthum von Individualitäten nicht als weſenloſer, binfliehenber Schatten, als Accidens an der göttlichen Subflanz, fondern bie Gefchichte der Menſchheit wirflih als eine Entfals tung des göttlichen in fie eingegangenen Lebens, als Berwirk: lichung bes unendlichen Reichthums ber göttlichen Idee betrachtet wird, fo ift Das nur ein, Beweis, wie in dem Syſtem zwei ſich völlig wiberfprechende Anfchauungsweifen unverföhnt neben eins ander hergeben, wie jene rein ibealiftifche Betrachtungeweife, welche die Welt zu einem Schattenreiche macht, fich nicht durch⸗ führen läßt, ohne daß bie Schatten immer wieder nach bem Lebensbfute ber Wirklichkeit dürften. Wenn anbererfeitd bag abfolute Selbſtbewußtſein Gottes immer wieder feftgehalten wer: den will, ohne daß doch einzufehen ift, wie bieß irgend bamit ſich vertrage, daß die Welt das Medium für baffelbe ſoll bilden fönnen, ohne daß bie Abfolutheit von fenem verlegt werde, fo if dieß nur ein Beweis, wie bie Wahrheit immer wieber wenigs Betrachtung Ueber das Antichriſtol. bei Hegel. 1133 ſtens in fofern füh geltend macht, als fie das Irrthümliche nie läßt, obne es durch Refte der Wahrheit mit fich felbft in Wider: fireit zu ſetzen und fo über ſich hinaus zu führen *°). Au das Bisherige mag und überzeugen, daß das Syſtem, in fich ſelbſt noch nicht vollendet, ſondern voller Widerfprüche, beſonders in Beziehung auf das, was die Grundlage feiner Ans ficht über die Ehriftologie ift, in Feiner Weile als befugt kann angefehen werben, biefe zu richten, noch als fähig deren Unmög⸗ tichfeit zu begründen. Denn es kann biefe Unmöglichkeit nur um den Preis der Bedentungelofigfeit alles Wirklichen, oder bes ewigen Dualismus eines progressus in infinitum behaupten. Das Chriſtenthum ſteht weit über ihm, wie wir gefeben haben, in dem Punkt, der bier bie Hauptfache ift, in feinem Begriff vom End⸗ lichen und Unendlichen. Denm während ſich, wie nachgewieſen iſt, in diefer Phitofophie immer wieder der ſchlechte Begriff‘ von Unenbfichfeit einfchleicht, bei weichem es freilich undenkbar if, dag Enbliches unendlich, das Unendliche endlich fei, d. h., bei weichen der Begriff der Menfchwerbung Gottes nie ganz und wahrhaftig fih realiſiren kann — fo ift es nach dem Chriftens thum nicht wiberfprechend, daß bie wahre, intenfive Unendlichkeit in Endlichem fei, fondern es verkündigt diefe wahre Berfühnung des Endlichen und Unendlichen als gefchehen in bem Sohne Gottes, als fortwährend gefchehend in denen, bie Durch ben Glau⸗ ben Kinder Gottes und Glieder werben an bem Haupte, bad da iſt Chriſtus. Das führt noch auf eine andere Seite- ber War einmal Gott als das Weſen der Welt beſtimmt, ſo war es eine logiſch erlaubte Umſetzung des Subjeltes und des Prädikats, wenn Feuerbach damit Ernſt machend, das Weſen der Welt zur Welt ſelbſt zu rechnen, die Welt zum Subjekt ) Mit dieſer Kritit des Spftems ftimmen im WVefentlichen zufammen die treffliche Schrift von 2. HH. Zifcher, die Idee der Gott: heit, 1889. Billroth, BVorlefungen über Religionsphilefophie, Leipz. 1887. Fichte, Beiträge zur Charakteriſtik der neuern Philoſ. A. 2. 18641. Chalybäus, Philof. u. Eprifienty. Ein Beitrag 5 Begründung d. Religionsppilof. Kiel 18852. 1134 Dritte Periode. Abſchnitt J. Der wahre n. neue und Gott zum bloßen Prädifat an der Welt machte. - Damit war dann in abfoluten Anthropologiemus, den Vorläufer des Materialismus übergegangen... Davon ift der Theil ber Schule Hegels allerdings weit entfernt, der vielmehr bie Welt nur idea⸗ liſtiſch, als Schein oder felbftlofed Accidens zu behandeln weiß 7). Aber wie er mit feinen Mitteln diefem Umfchlage nicht zu wehren vermag, da nur in dem Eihifhen und in der Reli: gion und ihrer Logik die Macht dawider liegen kann, indem nur durch jene der Begriff Gottes eine Selbftändigfeit ge: . winnt, welche ihn davor fihert, vielmehr nur als Welt ange: fehen zu werben: fo muß jener Theil der Schule felbft, um den Witerfprüchen in Hegeld Spftem zu entgehen, zu einem wenn auch etwas mobdificirten Fichte’fchen Idealismus ober zu Spinoza zurüds fallen. Damit aber läßt er eine der beiden Seiten, welche zu vers "einigen Hegel ſich zur Hauptaufgabe gefegt hatte, fallen. Strauf befannte offen, aus den Widerfprüchen, die Hegel nicht bewältigt, zu Spinoza zurüdfehren zu wollen. - Baur gibt gleichfalls zu verfichen, das Spftem biete zwei mögliche Auffaffungen dar, er felbft neigt ſich mehr der idealiftifchen zu. - Mit diefem Rückfall auf frühere Stanbpunfte ift aber das Problem ber Ueberwinbung bes Spinozismus und bes fubjectiven Fichte’fchen Idealismus, die Ineinanderbildung von Subftanz und Subfeft woran Hegel feine Kraft gefegt, aufgegeben und fallen gelaflen. Denn viel mehr beide find von diefem Theil der Schule doch wieder als einander ausfchliegend gedacht. In dieſer Hinficht verdienen nun einige andere Männer der Schule noch Beachtung, weiche, Ratt bie bildungsfähigen Keime bes Syſtemes auszuftoßen, ben Ges banfen jenes Problems, der das Neue, was Hegel erfirebte, bezeichnet, zu bewahren fuchen durch Fortbildung und reine Durch⸗ führung deffelben 8). Sie find dabei zum Theil geleitet von einer ) Bol. Baur, Zrin. III. 969. Anm. Gleichwohl fol nad Baur eine folge Welt ernflere, feftere Unterfchiede in Bott begründen, als die Trinitätslehre der Kirche. ) Zul. Schaller, ver hiſtor. Epriftus u. d. Philoſophie; Kritik der dogm. Grundidee des Lebens Jeſu v. Dr. Strauß 1838. Göſchel, Beiträge 3. fpeful. Philoſophie v. Gott u. d. Menſchen und vom Grundgedanke bei Hegel. 3. Schaller. Göſchel. 1135 energifcheren dee des Eittlichen, und geben kraft beffen und ber damit gegebenen Idee der Perfönlichfeit darauf aus, über die erfte Stufe ber neuern Zeit, bie ber unmittelbaren, abs firaften Einheit des Göttlihen und Dienfchen, welche Einerleiheit geblieben war, hHinauszuführen, und dem Unterfchiebe in ber Einheit fein Recht werten zu laſſen. | 3 Schaller und Göſchel nehmen ſchon dadurch eine wahrere und dem Ehriftenthum entfpreehendere Stellung ein, daß fie das Böſe einer ernfteren Beachtung würdigen. Beide Teugs nen bie Nothwendigkeit der Entwidlung durch Sünde hindurd). Denn biefe Thefe, fowie bie von der Unerreichbarfeit der Beſtim⸗ mung des Menſchen alterirte, fagt Schaller, das menfchliche Ideal, bezeichnete als das Weſen des menfchlichen Geiſtes die unübers windliche fee Endlichfeit. Rechnen wir das Böſe und das ſchlechthin beſchränkte Wiffen zum Wefen des Menſchen, fo ift eben dieß feine Idee, fein deal, und das Sündigen gehört zu feinem Begriffe 1%). Göſchel klagt über die Vernachläſſigung ter Lehre von der Sünde in ber Spekulation, und über vors eifige Urtheile Hegels hierüber, die zu feinem Syflem, wie er, meint, nicht pafien. Die Erfenntniß der Sünde fei mit Recht das 8 und w der Philofophie genannt. Was ihre angebliche Nothwendigkeit betreffe, fo entfräften die Beweiſe für fie ſich ſelbſt. Man fage: bie Willfür und die Selbflunterfcheidung und Trennung von Gott fei notbwendig zur Verwirklichung der Freiheit und des Selbfibewußtfeind. Vielmehr aber fei nur bie Möglichkeit der wirklichen Willkür, nicht die Wirklichkeit, nur die Unterſcheidung, nicht die Scheidung von Gott nothiwendig zur Freiheit und zum Selbflbewußtfein; es Taffe ſich vielmehr zeigen, daß die Verwirklichung der Willfür der Freiheit geradezu zuwibers laufe und jene Scheidung ftatt Erkenntniß Verfinfterung bringe. Gottmenſchen. Mit Rüdfiht auf D. F. Strauß's Chriſtologie, Berlin 1838. Eonradi, Chriſtus in der Gegenwart, Bergan» genheit und Zufunft 1839. Roſenkranz, Theol. Encyelop. 9. 2. 184 S. Marheineke, Spyf. dv. chriſtl. Dogmatik, herausgeg. v. Matthies und Vatle, Berl. 1847. - ) ©. 39. 86 f. 1136 Dritte Periode. Abſchnitt J. Das Böfe habe die Epeeulation ald zufälfig anzufehen und in fi) Raum für Zufälliges zu laffen *). Sonach faun von dieſer Seite nichts hindern, die Idee in Shriſti Perfon fünbles realis firt zu ſehen. Noch tiefer ins Ganze bes Syſtems nad feiner unmittels baren Geftalt greift dad ein, was beibe gegen bie Borftellung von Gott als dem Weltgeift vortragen. Man hat vollfom- men Recht, fagt Schaller °'), „wenn man an der Behanptung feſthält, daß das Abfolute aufhöre, abfolut zu fein, wenn baffelbe ale von dem enbliden Wiffen des Menſchen vermitteht und fos mit bedingt gedacht werbe. Eine ſolche Bermittinug finde z. B. dann flatt, wenn Gott an ſich unperfönlich, erſt im Wiſſen des Menſchen von ihm zum Bewußtſein feiner ſelbſt fonmen ſoll. Und wenn wir vollends nicht nur das Berwußtfein des Menſchen von Gott Überhaupt, fondern das dem Inhalt wie ber Form nach beftimmte Willen bes Menſchen von Bett, ale die Ber mittfung betrachten, durch welche &ott feine Form erhalte, fo erfcheine der Fortſchruͤt des menfchlichen Wiſſens von Gott auch als Kortfchritt des Weſens Gottes ſelbſt. Wenn alfo der Menſch Gott nur als Subftanz vorſtellt, fo ift Gott auch nur Subſtanz, und erft mit ber Borftellung Gottes als bes abfoluten Subjecte geht Gott auch aus der Subflantialität in die Subjeftivität über, bis er vom Menfchen als Perfon gefaßt, endlich zur wirklichen Perſönlichkeit gelangte. Das Bewußtſein diefer Bedingtheit Gottes durch das endlihe Bewußtſein müßte den Glauben an Gott als Subſtanz, oder Subject, oder Perfon geradezu aufheben, und in bie Gewißheit umfchlagen, daß nicht Gott, ſondern das menſch⸗ , Beiträge ©. 17- 28. Vervollftändigt iſt der Beweis von der Nicht⸗ nothwendigkeit des Böſen durch Chalybäus, ber auf den weſent⸗ lichen Unterfcpied zwifchen Sünde und allmählicher Entwidlung zur Vollkommenheit durch Unvollkommenheit hindurch aufmerk⸗ ſam macht, Syſt. d. ſpecul. Ethik J, 148 ff. Wiſſenſchaftsl. ©. 189 ff. 21) J. c. S. 58 ff. Aehnlich auch Billroth in ſ. Vorleſungen über bie Religionsphiloſophie Leipzig 1837. vgl. Frauenſtädt, die Frei⸗ heit des Menſchen und die Perfſönlichkeit Gottes. 1838. Die Menſch⸗ werbung Gottes nah ihrer Möglicpleit, Wirklifeit und Roth wendigfeit. Berl. 1839. _ 3. Schaller. Goͤſchel. 1137 lihe Wiffen das wahrhaft Abfolute fei 7), denn das Abſolute wäre da vollkändig ein Produkt des endlichen Willens, das in fi felbft ruhend nicht in einem Andern feine Voraus⸗ fegung hätte.“ Diefer fubjeftive Idealismus hebe aber auf feiner höchften Spige ſich ſelbſt auf. Und auch abgefehen hievon trete die - Einfeitigfeit. der Behauptung, daß Gott gerade Das fei, ald was ihn der Menſch denke, fogleich dadurch hervor, daß z. B. bie Borfiellung der Subflanz ſogleich verfchwinden würbe, wenn Gott wirklich die Subſtanz wäre; baher fei der Glaube an Gott ale an bie abfolute Subftanz ſchon die thatfächliche Widerkegung feined eigenen Inhalts. Die Subſtanz fchließt ja durch ihren Begriff ſchon die Vorſtellung, alfo auch die Vorftellung von ihr feld aus, und verſenkt alles in unterfchietstofe Einheit. Biel mehr, wie in ber Gewißheit von der Wahrheit überhaupt uns mittelbar das Bewußtſein ligt, Daß die Wahrbeit nicht erft vom Subjeet gemacht und esfunden, daß fie vielmehr an und für fi bie Borausfegung für das wiſſende Subfeft ifl: fo ligt auch in bem Glauben an ben perfönlichen breieinigen Gott die Gewiß- heit, daß Gott nicht erſt durch den Menfchen yperfönlich und breieinig geworben ift, follte auch der Menſch erft in der Zeit das Weſen Gottes als dreieinige Perfönlichfeit erfannt haben. Achnlih bat Göſchel an der Ueberwindung der falfchen Borftellung von Gott: ala dem bloßen Weltgeifte gearbeitet >*). Er bat zu dem Ende die immanente Zrinität nicht mebr blos als ein Spiel ber Liebe Gottes mit ſich ſelbſt, fondern als ernfis fiche Unterfchiede in Gott gefaßt, in welchen er fein ewiges, ab⸗ folutes Selbfibewußtfein und Perfönlichleit hat. Dabei verdient noch Erwähnung, daß er zwifchen diefer immanenten Trinität und der ökonomiſchen, zwifchen ber ewig in fich felbft vollendeten göttlichen Perfönlichleit und ber biftorifchen Perfons oder Menſch⸗ 2) D. 9. die Confequenz dieſes Pantheismus wäre ber Anthropo⸗ Iogismnse. 3, Dabei Hat fih aber Göſchel dadurch in eine ſchwierige Lage ver: fegt, daß er feine Einſtimmung mit Hegel als eine auebräitige bat behaupten wollen. w 6 1138 Dritte Periode. Abſchnitt . wertung bas Band nicht verlieren will (gl. 3. B. S. 264). Er dringt mit Recht darauf (S. 262), daß man ſich vor beiden Ertremen hüte, dem der Abfiraftion des Göttlichen und Menſch⸗ lichen gegen einander, und tem andern, welches den Unterſchied beider verflüchtigt und verwiſcht. Diefe Vermifchung finde ſich in der Schule in den manchfachſten Ausdrücken: der Unterfchied werde durch die Einheit für befeitigt angefehen; es werde wohl gar gelehrt, dag, weil die Immanenz Gottes in der Welt und bie Transfcendenz Gottes gegen die Welt ſich durchdringen, nunmehr auch Feines biefer beiden Momente in ihrer Aufhebung gültig und wirklich fei, flatt daß gerade durch die Bermittlung ber Unterſchied deſto heller in's Richt gefegt werde. Diefer Ber: mifhung des Unterſchieds zwiſchen dem abfoluten und endlichen Geiſt habe die Philofophie gegen ihre Schule nad) allen Seiten zu begeguen. Die Urfachen diefer Trübung der Philofophie feien theild der Mangel wirklicher Erfenntniß der Sünbe, theile bie, weil nicht hiſtoriſche, auch nicht reale Vorftellung von ber Eriöfung, theild das Mißverſtändniß des Begriffs der Aufhebung, oder die Berwechslung der Einheit und inerleiheit °'). Ya der That, wird nicht der Unterfchied in der Einheit bewahrt, fo kann die Folge nur fein, Daß entweder in der Sub: ftanz auch das Wefentlihe der Subjeftivität gefunden und fo in jener dieſe abforbirt wird, oder umgefehrt in einem neuen dich⸗ tianismus die gottliche Subſtanz ſich verflüchtigt. Aus dieſer Verwerfung der Idee von Gott als dem bloßen Weltgeiſte entwickeln ſich ſofort die folgenreichſten Sätze. Denn nun kann es, ohne Verletzung der wirklichen Einheit zwiſchen Got und dem Menſchen, auch zu einem feſten Unterſchiede 8) Auf die abſolute Unabhängigkeit Gottes vom Menſchen, die ſchon in ſ. Aſeität liege, drangen auch im Intereſſe der Perſönlichkeit Gottes Frauenſtädt, die Freiheit des Menſchen und die Perſön⸗ Kichkeit Gottes, mit einer Borrede von Gabler, Berlin 1838. Gabler, De verae Philosophiae erga christ. relig. pietate 1836. Danne, Rationalismus u. fpelul. Theol. in Braunſchweig 1838, u. And., auch Conradi a.a. DO. hält die ewige abfoluts Reflerion Gottes in fich fef. Göſchel und Schaller über Hegel. 1139 zwiſchen beiden, und mit ber Anerfennung der Perfünlichkeit Gottes auch zur Anerfennung des unendlichen Werthes ber menfchlichen Perfönlichkeit kommen 55). Um biefe letztere Seite der Sache nun haben fih Schaller und Göſchel weſentliche Verdienſte er- worben. jener zeigt auf überzeugende Weife, daß, wenn bie Unenblichfeit nicht auch in die Form der Einzelnheit oder Sub- jeftivität eingebe, fondern beide außer einander "bleiben, die Vers föhnung noch nicht gefchloffen fe. Mit Recht finde man biefe Berföhnung nicht in einer bios moralifchen Einheit Gottes und bes Menfchen, fondern in einer wefentlichen, d. h. in der Idee ber Gottmenfchheit. Wolle man nun aber die Gottmenfchheit der ganzen menfchlichen Gattung zufchreiben, fage man, (S. 64 ff.) daß fein Einzelner die Fülle der Göttlichfeit in ſich umfaſſen fönne, und fol fo die Gattung der Menfchheit der wirkliche Gotmenſch fein, fo fei Diefe Lehre von Chriftus fo wenig bie Aufhebung der dem chriftlichen Bemußtfein wejentlich vorangehen- ben Entzweiung bes Dienfchen mit Gott und Gottes mit dem Menfchen, daß fie vielmehr die Entzweiung als unauflöglich firire. Die Theilnahme des Einzelnen nämlich an der Gattung ift feine perfönlihe, fondern nur fubftantielle Theilnahme, und doch ift Das eben die Baſis der Entzweiung, daß ber Menfch ſich nicht als fich ſelbſt wiſſendes Subjeft mit Gott in Einheit weiß. Die abfolute Subftanz fett nicht nur alles Einzelne fondern auch die einzelnen Perfonen zu nur verfchwindenden Momenten ihres Wefens herab. Daſſelbe thut das abfolute Subjeft, welches als Eines ohne wirklichen Unterichieb in fich felbft if. Das fih in der Entzweiung wiflende Subjeft vers langt nicht nach der Einheit mit der Öattung, bie es ja nie ‚verliert, fondern nach einer Einheit mit Gott, und zwar nicht einer nur fubftantiellen fonbesn perfönlichen, ber Menfch will 55, Vgl. Schaller I. c. ©. 50 ff. Man vergefle aber nit, daß hie mit nur erſt eine, wenn gleich fehr wichtige Borfrage für die Chriſtologie erledigt if. Die Nothwendigkeit ver Gottmenfchpeit kann anerkannt fein, und doch die Anwendung auf bie Ehriftor . logie noch ſehr verfchieven ausfallen. Dorner, Shriftologie. II. 2te Aufl. 13 1140 _ Dritte Periode. Abſchnitt 1 fih in Gott frei willen. Diefe der Entzweiung nethwenbig immanente Sehnſucht nad der Berföhnung wirb dadurch, daß der Gattung der Menfchheit die Gottmenfhlichkeit zugeftanden wird, nicht erfüllt, fondern vielmehr ald unerfüllbar abgewiefen und auf eine fubflantiefle Theilnahme an der Böttlichfeit reducirt, von deren LUnzureichenheit für den Geiſt die Entzweiung ſelbſt das entfchiedenfte Bewußtfein hat. So bleibt das unumftöplich gewiß, daß die blos fubflantielle Theilnahme bes fi wiffenden Subjects an der unperfönlidden Bott: menfhheit nicht Die Berföhnung, fondern die Ent- zweiung ifl. Hatte ferner Strauß mit den Kategorien „Gattung und Eremplare der Gattung“ operirend gefagt, in ber Allheit ihrer einander ergänzenden Individuen und in ihr allein babe bie menfchliche Gattung ihre Bollfommenheit, die Einzelnen feien ale ſolche nur einfeitige Bruchflüde des Ganzen, das in der ganzen Ausbreitung der Menfchheit fein Dafein habe, fo zeigte Schaller fiegreich fowohl, Daß das Wefen des Geiſtes bei folden Natur: fategorien noch ganz ignorirt fei, die auf daſſelbe nicht paflen, als auch poſitiv, Daß vielmehr gerabe bed Geiftes Wefen fet, bas Allgemeine in fubjeltiver Form zu fein, oder eine Totalität zu bilden. Das Auseinanderfallen des Begriffs und der Realität fei gerade das Wefen der Natur; weil diefes für fih ein uns aufgelöster Widerfpruch if, indem die Gattung in der Natur nie eine ihrer Spealität entiprechende Realität, nie fi ſelbſt in den Individuen geminnt, weist es über ſich ſelbſt hinaus. Die fung dieſes Widerſpruchs ift der Geil. Durch Selbſt⸗ bemußtfein und Willen fcheidet er fih ab von der Natur und feßt diefe zum Moment an fi herab. So ift ber Einzelne nicht blos dieſes einzelne Individuum, fondern als Einzelner zus gleih Ich, einfache Allgemeinheit. Dadurch allein, durch biefe unendliche Beftimmtheit an fich felbft ift bas Individuum zus gleich Perfon. Die einzelne Perfon hat die Gattung, nicht ale Subftanz in fi, fondern weiß ſich ſelbſt, ift für ſich in ihrer Einzelheit, ohne an einem andern ihr Supplement zu haben, zus gleih Die Gattung in fih ſelbſt. (Er will fagen: eine Tota⸗ Schaller. Roſenkranz. Conradi. Marheinecke. 1141 lität). Dadurch hört das Allgemeine auf, nur Subſtanz zu ſein, und verdoppelt (d. h. vervielfacht) ſich 5%). Wenn nun aber jeder Geiſt als ſolcher Totalität iſt und nicht bloßes Fragment, wie bie. einzelnen Arten in ber Natur, fo. muß auch Chriftus eine Totalität, Einheit des Allgemeinen und des Individuellen fein. Aber da fragt fich, welche Dignität bleibt da der Perſon Chriſti, wenn Alle als Perfonen Totakität find? Hier iſt Schaller ungenügend. Denn einerfeits macht s, A. a. O. 6.36. Daffelbe meint Rofenfranz Encycl. 2.4. ©. 64, wenn er es als Art, der Idee d. h. als Nothiwendigkeit der Ver⸗ nunft bezeichnet, das Einzelne als bie Einheit des Befonvdern und Allgemeinen, alfo als punktuelle Totalität zu ſetzen. Nur daß " Ratur und Geiſt von ihm zu wenig unterfchieven werden. Auch kann man nicht mit Rofentranz fagen: „Jeder Menſch ift alle Menfchen, jeder Geift if alle Geiſter.“ Denn diefe Formel feßt und leugnet zugleich die Unterfchlevenpeit der einzelnen Geiſter, die dadurch nicht ausgefchloffen ift, daß fie als Geiſter Totalitäten find. Beſonders aber hat Conradi (Ehriftus in der Bergangenheit, Gegenwart: und Zufunft 1839. ©. 58.) auf das Wefen der Pers ſönlichkeit aufmerkſam gemacht. „Sie if eben diefes, die Realität - des Begriffs in feiner. Unendlichkeit zu fein.“ S. 267 ff.: die Indi⸗ viduen der natürlichen Gattung find nur Durdgangspunfte,_ An: deutungen bes Lebens der Gattung, Mufter, Exemplare. Aber mit diefem. natürlichen Berhältniß von Gattung und Individuum if ver Begriff ver Menſchheit nicht erreicht; auch könnte man ba nicht fagen, daß die Idee in der Menfchpeit realifirt fei, Indem es der Idee weſentlich iſt, ihrer felbft bewußt d. h. in einem Selbfl- bewußtſein verwirflicht zu fein. Jedenfalls müſſe alfo in ver Welt “ver Menfchheit, ver perfönlichen Weſen die Berwirffihung der Idee geſucht werden. Aehnlich bezeichnet Marpeinede Syfl. d. Dogm. ©. 293. den Begriff der Perſönlichkeit als den das ‚ Räthfel des ſcheinbaren Widerſpruches zwiſchen dem Allgemeinen und Einzelnen Töfenden. In ihr finde flatt der Uebergang der Abfolutpeit in die Ichheit und der Zchheit in die Abfolutpeit; durch fie fe Menfchwerdung Gottes möglich. Hiemit langt biefer Theil der Hegel’fchen Schule, nicht ohne Hinzunahme des Willens zu dem Wiffen, an demfelben Punkt, ver Perſoͤnlichkeit an, als der Einheit des Allgemeinen und Einzelnen, der wir in Schellings Sreipeitsichre fanden. Auch Vatke (die menſchliche Sreipeitzc. 1841) hat nad biefer Seite das Spfiem fortzubilden gefucht; ferner in unabfängigerer Stellung zu Hegel Fifcher, Weiſſe. 1142 Dritte Periode. Abfchnitt 1. er ſich anheiſchig zu zeigen, daß in Chriſtus Gott auf einzige Weiſe fich gottmenfchlich offenbare °”), andbererfeitd, ohne Ber: mittlung biemit, forbert ex, daß behufs der Berföhnung bie ganze Fülle des Göttlihen in jedem Gläubigen ſei *) Wäre nun irgend durch bie Idee Gottes oder bes ‘Menfchen motivirt, daß wir durch Chriſtus an biefer Fülle Theil haben, fo wäre eine Vermittlung beider Säge in Ausficht: Chriftus wäre von allen nicht zwar durch feine Fülle unterſchieden, bie er vielmehr nicht für fich behält fondern mitteilt, aber dadurch daß er ber ‚reale Quellpunft aller göttlichen Segensmittheilung an bie Menſch⸗ heit innerhalb ihrer ſelbſt if. Allein ſtatt deſſen verläßt er ben ſpeculativen Weg und betritt den bios Biftorifchen, jo baß er das Ziel, das er ſich ſteckte, nicht erreicht. Er erinnert einerfeite daran, daß die Menfchen wie fe find den Begriff ihrer Perfün- Tichkeit nicht vealifiven, vielmehr im Zwiefpalt, in ber Sünde find, und der Verföhnung bebürfen, bie nur durch Gottes Gegen- wart und Selbftoffenberung könne geftiftet werben, anbererfeits bavan, daß Ehriftus als die erſte perfönliche Gegenwart Gottes in der Welt anzufehen fei, denn jeder geiftige Fortfchritt gehe aus von ber Energie der Inbivibualität; das fei die Art der Idee, zuerft zu geizen, an einem einzelnen Punft hervorzuiveten, und von biefem aus erft ihre. innerliche Fülle über Biele aus⸗ zuſchütten ꝰ2). Aber warum flatt der hiftorifchen Mittlerfchaft nicht bie innere Selbfkmittheilung Gottes zur Verſöhnung genüge, wird nicht Mar, und ebenfowenig, was Andres ber hiftorifche Chriſtus gethan habe, als daß er das Bewußtſein bes Einheit mit Gott in den Andern veranlaßte, was offenbar eine bürftige, ja faft. zufällige und jedenfalls vergängliche Bedeutung Chriſti ausfagte 9). Schaller Verbienft befteht mithin vornemlich 8) ©, 86 f. 88) 5, 86. *), ©. 96- 99. 58, 0) Nach dem oben bei Hegel Bemerkten folgt uns diefer empirtfchen Ableitung böchſt ens die Nothwendigkeit des Glaubens an bie vollfommene-Gegenwart Gottes in Chriſtus. Es zntzieht fig ihm au felbft viefer Mangel nicht ganz ©. 93. Ja nah ©. 197. Mängel bei Schaller. Conradi. Göſchel. 1143 nur darin, gezeigt zu haben, daß die Gottmenfchheit im Sub: jekt, in der Perfönlichkeit und in feiner andern Form ihr adä⸗ auates Dafein haben kann. An dem Punkte nun, wo Schaller bie Aufgabe hatte fallen laſſen, griff Göſchel (Beiträge u. f. w. 1838) ein. Er fucht den Begriff der Gottmenfchheit, welcher bei Schaller noch immer zu einer profufen Anwendung auf Alle fich neigte, dadurch näher zu beſtimmen, baß er nicht ſtehen bleibt bei dem Begriff der Totalität, bie jede einzelne Perfon zu fein beftimmt iſt, ſondern weiter greifenb für bie unendliche Vielheit dieſer Totalitäten wieber fordert, daß fie auch als eine Einheit, nicht bios als diffufe Pluralität gedacht werben 1). Der Werth. der ſcheint er auch eine nur vergängliche Bedeutung Ehrifii anzu: nehmen. „Die Tpeilnahme Aller an der Perfon und That Eprifti enthält allerbings eine Negation des Einzelnen, individuellen Chriſtus in fich,“ wiewohl er beifügt: fie ift jedoch nur dadurch eine wirkliche und geiftige, daß fle eben fo fehr auch bie fpezififche Eigenthümlichkeit Chriſti anerkennt und als Die Grundlage bes gan zen chriſtlichen Lebens feſthält. Roch bekimmter Iöst Conradi, Kritik der chriſtl. Dogmen, ©. 280 ff. Chriſti Perfönlichkeit zuleht wies der „in die Unendlichkeit des perfönlichen Geiftes“ auf. Leiblich⸗ teit ſei nur das relative Ende der Wege Gottes, nemlich bis dahin, wo die Seiftigfeit in die Leiblichkeit, die endliche Indivi⸗ dualität, die durch fle geſetzt werbe, hineingeboren ſei; von da an aber gelte: Geiftigfeit if das Ende ver Wege Gottes, und in dieſer werde die endliche Individualität aufgehoben. or Diefen Weg hatte fchon meine Abh. in vd. Tüb. Zeitfchr., welde die Grundlage vorliegenden Werkes tft, eingeſchlagen 1886, 1 ©. 239. Der dogmatifhe Grundgedanke if dann in ber Schlußabh. der vorigen Ausgabe S. 527 ff. wörtlich wiederholt: Nachdem nemlich bemerkt if, die ganze Entwidlung der Wiſſen⸗ ſchaft zeige, daß fie auch bei dem befien Willen Ehrifto eine fpeci: fifche Eigenthümlichkeit und Einzigkeit nicht bewahren könne, wenn fie nicht auf der Spur der kanoniſchen Lehre bleibenp (1 Eor. 15, 45—47. Röm. 5, 12 ff., Eph. 1; 19—23., 4, 10—16., 5, 28 ff. Col. 1, 18 ff., Hebr. 1, 2. 3., 30h. 1, 1—14.) ihm auch eine metaphyſiſche zuerkenne, wird wiederholt: „Wie eine tiefere Ratur: betrashtung die untergeorbneten Stufen des Dafeins als die zer firenten, auseinanvergefallenen Momente Eines Ganzen, Einer 1144 Dritte Periode. Abſchnitt L Perſonlichteit, den Schaller u. A. feſtgeſtellt, forderte hiezu drin⸗ gend auf, damit bie einzelnen Perſonlichkeiten nicht als leere Idee betrachtet, welches fih dann in der edeln gottähnlidden Ge: Ralt es Menſchen zufammenfaßt, der als folder tas Haupt und die Krone der natürlichen Schöpfung ik: fo iR auch die Menſchheit als die auseinandergetretene Bielpeit eines höhern Banzen, einer böhern Idee zu betrachten, nemlich Chriſti. Und wie die Ratur fih nicht blos in der Idee eines Menfchen zur Einpeit verfammelt, fondern im wirflichen Menſchen, fo faßt ſich auch die Menſchheit nit zufammen in einer bloßen Idee, einem idealen Eprifius, fondern in dem wirfliden Gottmenſchen, ver ihre Zotalttät perſönlich darſtellt und aller einzelnen Individuna⸗ fitäten Urbilvder oder ideale Perfönlichkeiten in fih verfammelt. *« nd wie die erfie Zufammenfaffung zerfirenter Momente, vie in Adam geſchah, obwohl eine Zufammenfaffung der Natur und ſelbſt noch an ihr participirend, felbf noch ein Naturwefen, doch eine unendlich höhere Geſtalt darſtellt, als jebes der einzelnen Naturweſen: fo ftebt auch der zweite Adam, obwohl in fih eine Zufammenfaffung der Menſchheit und ſelbſt noch ein Menſch, doch als eine unendlich höhere Geſtalt der Menfchhelt da denn alle einzelnen Darftellungen 'unfrer Gattäng. War Adam das Haupt der natürlihen Schöpfung, als foldyes -aber bereits hinüberreichend mit feinem Weſen in das Reich des Geiſtes und hinübergreifend über die natürliche Welt, fo if Epriftus das Haupt der geifigen Schöpfung, als folhes aber fhon hinüberweifenn von ver Menfch: heit auf eine fo zu fagen fosmifche oder, wie wir es oben nannten, metaphyſiſche Bedeutung feiner Perfon.“ Hier fet dann ber Ort, wo fih die Chriſtologie durch die Logosidee an die Trinitätslehre anfchließe, und wo die Rebe der Schrift ihre Stelle finde von „dem Worte, das im Anfang war, das bei Gott und Gott felbfi war: alle Dinge find durch daffelbige gemacht und ohne daffelbige it nichts gemacht, was gemadt if. In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der DMeufchen. Und daſſelbige Wort ward Fleiſch und wohnete unter und und wir 'fahen feine Herr⸗ lichkeit, eine Herrlichfeit als des Eingebornen vom Bater, voller Gnade und Wahrhbeit.“ Zugleih war S. 870-376 der vorigen Ausgabe eine ausführliche Rechtfertigung diefer Auffaflung gegeben worben, bie ich bier nicht wieder herfeßen will, fondern wofür ih Lieber auf die Werte von 8. PH. Kifcher, Liebner, Lange, Rothe, die in der einen over andern Pinficht die Wahrheit jenes Grundgedankens anerkennen, begründen und ausführen, verweife. Goöſchel. — 8. Schwan. 1148 Wiederholungen von einander in eine gleichartige Maſſe zu⸗ ſammenſinken oder auseinanderfallen. Es muß dabei darauf — Nur das ſei buchſtäblich wiederholt, auch auf die Gefahr, daß von Männern wie 8. Schwarz (3. Geſch. d. neueſten Theol. 2 4. ©. 261) abermals das direkte Gegentheil davon als meine An⸗ fiht xeferirt werde, die Meinung der Kirche (die zu allen Zeis ten, wie aus biefem ganzen Werke erhellt, dieſe apoftolifche Idee von Chriſti Perfon gehegt, bewahrt und, wo fie auf dem Gebiet der Spekulation fih findet, fie in viefer angeregt hat) wie auch die Meinung ver obigen Darlegung iſt nicht, daß in Chriſtus „die Allpeit ver Individuen, wie fie Ieiben und leben, oder die kollektive Einheit derſelben“ () gegeben ſei. Bor einem fo kraſſen Mißverſtändniß hätte obige Darftelung ſchon durch bie ausdrückliche Ablehnung derſelben (U. 1. ©. 373) geſchützt fein follen, fowie durch das, was vom erflen Adam gefagt ifl. Bas die Sache ſelbſt anlangt, fo if die Bielpeit der Nachkom⸗ men Adams, deren Jeder Zotalität oder Microcosmus auf feine Weiſe if, kein Grund gegen.die bleibende Einzigkeit Chrifli. Son: bern e8 wäre nur noch im Sinne des Apoftels, 1 Eor. 15., fort zufahren : wie der erfie Adam felbfi wieder zum Stammpvater einer Bielpeit ihm Gleichartiger ward, obwohl er allein Stammpvater bfieb, fo ift auch der zweite Adam zum Stammovater eines neuen ihm gleichartigen Geſchlechtes geworben, das an feinem gott menſchlichen Wefen Antbeil dur ihn gewingt. Der Unterfchieb iR nur, daß der Prozeß vom zweiten Adam aus intenfio nicht mehr höher fleigt, fondern zurüdgreift zu dem fchon vorhandenen Geſchlechte der Menfchen, die alle als Adams Kinder und nicht als Gottes Kinder geboren werden, aber nach ihrer Natur Gottes Kinder werben können, da fie ethifche, gefchichtliche Weſen find. Das mit ſchließt der Prozeß, ftatt in gerade auffleigender Linie oder gar im Progress. in infin. fortzufchreiten, fih zu einem Kreife ab. Der zweite Adam iſt zugleich ver Letzte, die abfolute Spige ver Menſch⸗ heit, die zum. Centrum ver Familie der Gotteskinder wird. Er wird aber was er ifi, dadurch, daß das ſchlechthin univerfale Princip, der Logos das abfolute Ebenbild Gottes und Urbild der Welt, fi in ihm auch die kosmiſche Wirklichkeit gegeben hat feinem eigenen ethi⸗ fhen Wefen gemäß, das von Anfang an nicht blog auf Hervor⸗ bringung eines Geſchlechtes ver natürlichen, pſychiſchen Menſchen (1 Eor. 15, 46) ſondern auf ein pneumatiſches Gefchlecht, ja auf das Sein und Leben Gottes in demfelben gerichtet war. Diefe Dafeinsweife hat ver göttliche Logos in Chriſto gefunden; in ber vollkommenſten, nicht blos fubftantiellen fondern perſön⸗ 1146 Dritte Periode. Abſchnitt I. anfommen, bie Menfchheit felbft wieder ald eine Totalität in höherem Styl als es ber Einzelne ift, als einen Organismus in der Unterſchiedlichkeit der Glieder unbefchadet ber relativen Totalität der Einzelnen aufzufaſſen. Göſchel's Anficht-ift nun aber folgende: die Einheit der Menfchheit gebe man zu, finde fie aber in dem allgemeinen, gottmenſchlichen Weſen der Gattung. Aber das fei nominaliſtiſch, man benfe höchſtens an eine moralifche Perfönlichfett ber Gat⸗ tung. Das genfige nicht, der moralifchen Perfönlichfeit fehle der Kern, bie SImbivibualität, die ſubjektive Perjönlichkeit. Da bleibe die Perfönlichfeit ein bloßer Name, um die Gattung in Eins zu faffen. Das -Gefchlecht müſſe an ihm felbft Perfön- Vichfeit und Individualität fein: Woher käme auch fonft biefe lichen Form; und deßhalb rupt in diefer Perfon die Kraft ober das „Prinzip“ zur Wiedergeburt Aller aus dem Geif. Eprifti Perſon, weil Losmifcher Ausprud, menſchlichwirkliche Realität (sinor) des göttlichen Welturbilpes oder des Logos, -2 Cor. 4., AR das umfchaffende für Alle zureichende Urbild Aller gewor⸗ den, bie perſönliche Kraft der Verwirklichung auch ihrer ur: bildlichen Individualität. Damit, vaß fo das wahre Leben Aller in Ihm feinen Quellpunkt hat und er in diefem Sinne potentiä ihre Einheit, gerade als Perſon, if, wird feine menſch⸗ Tiche Yerföntichteit oder wenn man will Individualität nicht aufgelöst, vielmehr ihre won allen andern ihn unterſcheidende und bleibende Einzigkeit befteht eben darin, daß er allein das Haupt if kraft feiner nicht einfeitigen, ſondern abfoluten Verbindung mit dem Logos. Allerdings hat der Ausdrudf: daß Chriſtus die Einheit der menschlichen Einzelpeit und der Gattung ſei, dann entiweber etwas Nichtsfagendes oder etwas Unangemeflenes, wenn man unter ber „Gattung“ eine phyfiſche Allgemeinheit verfieht; aber das Weſen der Menfchheit ift, Geift zu fein; dem Geift aber auch in feiner abfolut volffommenen, mithin fchlechthin mit Gott geeinigten und diefen adäquat offenbarenden und in ber Welt verwirflichenven Form widerfpricht doc die Einzelheit und Einzigkeit des Men: ſchenſohnes nicht, da nicht troß der Perſönlichkeit und Einzigfeit fondern durch fle diefe unterſchiedliche Perſon, Jeſus Chriſtus univerfale Bedeutung und eine Wirkung bat, wie fie der Einzig: feit der Berbindung feiner als des Centralindividunms mit dem Logos zufommt. Bgl. auch über Schleiermader ©. 1161. 1164. Göſchel. 1147 ſelbſt, da das Geſchlecht, wenn es ſelbſt unperſönlich wäre, ſie offenbar nicht geben könnte? Oder ſoll die Vielheit der Indi⸗ viduen die Stelle der Individualität des Geſchlechtes ſelbſt ver⸗ treten? Aber wo bliebe da die Einheit? Die vielen Individuen find nicht Eins, bevor fie Alle werden, Alle aber oder Eing werben bie Bielen nicht, wenn nicht dem Gefchlecht felbft ein Individuum vorfteht als Subjekt. Die Einheit des Gefchlechtes wird nur dadurch wirklich, daß fie in Einem Individuum ganz ift und dieß einige Individuum geht als Perfon für ſich ber davon bedingten Perſonlichkeit bes Geſchlechts voraus und dem⸗ nüchft ſelbſtändig mit ihr fort. Jeder Staat, jede religiöſe Gemeine hat ihre Wirklichkeit nicht durch einen Gemeingeiß der blos in ſich ſitzen bleibt, ſon⸗ dern iſt repräſentirt, und zwar anfänglich von Einem. In dem Einen iſt ein relativ Allgemeines (in dem Individuum iſt Pers föntichfeit) und dieſer ift das Haupt. Die Menfchheit kommt aus. dem Bielefein zum Einsfein reell und in: ihrem Bewußtfein nur durch ein Haupt Die Pluralität fann nicht Totalität werben ohne bie Gefammtheit in Einem. Diefer aber muß für ſich Individuum fein, denn aller Perſönlichkeit Tigt zu Grunde die Individualität, das untheilbare Fürfichlein des Sub: jefts. Das Haupt ift Daher nicht blos Seele, ſondern auch Leib; Herfönlichkeit ift Allgemeinheit, Individualität iſt &inzelheit ; Perſönlichkeit ift die höchſte Form der Individualität, wo fie das Allgemeine in fi) hegt und doch für ftch bleibt. Man darf nicht fagen, die Vielen find geeinigt ſubſtantiell; denn fie müffen auch als Subjefte oder nach ihrer höchſten Be: fimmung geeinigt fein, und zwar nicht blos fo, daß das fie Eini- gende ihr fubjeftiver Gebanfe if. Wenn das Ganze nur fub: jektiv gedacht if, To fehlt ihm das Befte, die objektive Realität ber Perfon. Da eriftirt e8 nicht außer der Vorſtellung ber Einzelnen. Ein ſolches Gedachtes kann auch nicht eine reale Macht ber Einheit des Einzelnen fein. Wäre das Ganze nicht real als perfönliche Macht über die Einzelnen, fo verbanfte es als bloße Borftellung feine Perfönlichfeit nur diefen, Die Doch was fie find aus dem Ganzen fein müffen: Daher fei vielmehr 1148 Driite Pperiode. Abſchnitt L eine wirlliche, inbivibuelle oder ſelbſtändige Perſönlichkeit des Menſchengeſchlechts anzunehmen, damit es nicht bei einer ‚bloßen Kollektiv⸗Einheit nominalifiifcher Art fein Bewenden habe. Es fei zu Idee von dem Urmenfchen als ber Urperfön- lichkeit fortzufchreiten, dieſe fei Alles, oder die ganze Menſch⸗ heit in Einem °%). — Das laffe man fih wohl gefallen, daß jedes Individnum als wirkliches Exemplar der Gattung, ale Mifrokoomus gedacht werbe, der das Allgemeine auf feine Weiſe ausbrüde und abfpiegle (individuis inesse universale individua- liter) dagegen nicht, daß irgend ein Individuum das Ganze nach all feiner Fülle ausdrücke, d. h. individuo inesse univer- sale et individualiter et universaliter. Aber bie Idee fei nicht fo ohumächtig, daß Allgemeines und Einzelnes, Unendliches und Eudliches nicht wirklich congruiren können; und bie Individua⸗ lität fei falfch gebucht, wenn fie nur ruhig in ſich beharrende Endlichkeit fein fol, vielmehr fei fie unendlich elaftifh, bie Grundlage für bie höchſte Wirktichfeit des Geifles, bie Perfön- lichkeit ©°), Diefe Urmenſchheit ftellt “ex näher fo dar. Wie jeber einzelne Menſch über der ganzen Natur flieht, fo der Gottmenſch über Menfchheit und Natur, nur daß er eben darum ber abſo⸗ Inte Geiſt ift, der Logos. Er ftellt vollendet dar bie Menſch⸗ heit in ihm felbit, ehe fie außer ihm geſetzt iſt und von ihm erfüllt wird. Ex ift die Menfchheit, wir haben fie, er ift fie ganz, wir haben Theil daran. Seine Perfönlichkeit geht der Perfönlichkeit des Geſchlechts und feiner Individuen voran und ligt ihr zu Grunde. Als Idee (und in fofern ift er fein Eins zelner) iſt er der ganzen Menfchheit eingepflangt, ligt jebem menfchlichen Bewußtfein zu Grunde, ohne in einem Einzelnen zur Realifation zu gelangen, fondern nur im ganzen Geſchlecht “2, ©. 63. 72 ff. 2) Bol. Hiezu Roſenkranz, Rec. v. Schleiermachers Glaubenslehre. Borr. S. XII, wo er darauf dringt, die Idee energifch zu denken, womit die Möglichkeit ihrer vollen Wirklichkeit In Chriſtus bes gründet fei. Um die fpeculative Feſtſtellung dieſer Begriffe hat fich beſonders Fiſcher's Metapppfit verdient gemacht. Göſchel. — Frauenſtädt. Conradi. 1149 am Ende der Zeiten. Alſo mit der Einpflanzung jener ewigen Idee iſt die Menſchheit nur objektiv und potentiell nicht wirk⸗ ich erlöſt. Aber dieſe ſelbe Idee, die in und Allen wirklich werben foll, denn Chriſtus fol in und eine Geflalt gewinnen, kann ſich auch, wie gezeigt, nicht in der bloßen Vielheit darſtellen fondern die Vielen find dadurch Eins, dag das ewige Wort felbft Menſch wird. Die dem Bewußtfein aller zu Grund lies gende dee ift fo bie dee des in individueller Perfönlichfeit menſchwerdenden Wortes und nur als ſolche ift fie erlöfend. Indem diefer Urmenfch nun biftorifche Perfon wird, wird er ein Menfh, das Individuum erfcheint als ein Individuum, und fo entfteht die Antinomie, daß biefer Urmenfch als hiſto⸗ rifcher auch Glied der Gattung (das Ganze zum Theil) werbe. Das fei die Erniedrigung, fagt er, daß der Schöpfer auch geſchaffen, geboren, Gottesſohn des Menſchenſohn werde und in Knechtsgeſtalt eingehe. Der Gottmenſch als an und für ſich, als unerſchaffen iſt der volllommene Menſch; er iſt aber auch im Fleiſche der vollfommene, erſchaffene Meufch. Aber zunächſt ift die Offenbarung in Niebrigfeit noch nicht bie voll: fommene Erfcheinung des vollfommenen Individuums ober des Urmenfchen. Es gehört dazu noch die Erhöhung — Hiegegen hat man erwidert: Ein perfönliches Individuum für die Gattung zu poſtuliren, fei freilich nothwenbig, aber Gott allein, nicht Chriſtus fei dieſes Urindividuum °*), und Gott fei nicht Einer aus der Gattung. "Darauf kann Göſchel aber ant⸗ worten: ohne eine innere Beziehung Gottes auf bie Menſchheit fönnte auch Gott nicht ihr Urbild fein; er fei es, indem er als Logos auch Urmenſch fei. Umgekehrt hat ferner, dem ſchwachen Punkte näher kommend, Conradi 65) entgegengehalten: „Der Begriff der Perfünlichfeit fei wefentlih ein concreter Begriff; als die Wahrheit des inbisibuellen Geiftes fege er als bie Be: bingungen feiner Vermittelung nothwendig die Natur und Welt voraus.“ Aber er felbft fügt wieder bei: Eine Perfönlichfeit, %, Frauenftädt: bie Denfhwerbung Gottes. S. 48-64. 53. es, Chriſtus in der Vergangenheit u. |. w. vgl. Borr. ©. IX, 1150 Dritte Periode. Wlgnitt L man nenne fie, wie man wolle, göttliche oder menfchliche, außer der Berbindung mit der Menfchheit und den Bedingungen ihrer Entwidelung fei ein bloßes Abfiraftum. „Gott felbft fei mur perfönlih in der Menfchheit *%).“ Conradi und Göflhel find mithin darin Eins, zum Begriff der. Perfönlichfeit auch Indi⸗ vibualität zu rechnen, in Gott (als Logos) wie im Menfchen. Der Unterſchied if} mur: während @öfchel im Logos die ewige Urmenfchheit oder den Urmenſchen fieht, fo betont Dagegen Eon: radi die Bermittelung und Succeffion; Gott wird nad ihm per⸗ fönlih im Menſchen durch einen Proceß, der freilich fein Res fultat immer auch fchon vorausſetze *7). Hören wir ihn genauer, bevor wir bie Fritifche Vergleichung mit Ooͤſchel zu Enbe führen. In unendlich Iangem Proceß, fagt er, bringt bie Menſch⸗ heit ihr innerftes allgemeines Weſen oder ihre bee hervor in volllommener , perfönlicher Gotimenfchheit, in Chriſtus. Die Realifation, welche die Dienfchheit in der Geſammtheit der Men⸗ ſchen, dieſer perfönlichen felbftändigen Wefen hat, genligt nicht, einmal weil die Idee nach ihrem Begriff nur in ber Einheit eines Selbſtbewußtſeins ihre Wirklichleit haben, nicht aber aus der Bielheit einzelner Selbſtbewußtſein zufammengefest fein kann, fobann weil ed darauf anfäme, ob, wenn man bie Summe biefer Einzelheiten zufammennähme und auf einer Wage ab: wöge, das Uebergewicht auf die Seite der Verwirklichungen ber bee oder ihrer Negationen fiel. Die Nealifirung ber Idee bliebe da fehr problematifch ©); und doch ift fie das ſchlechthin Nothwendige. Aber wie fo in der Vielheit Die Idre ihre Verwirk⸗ ae) S. 254 ff. Sehr abweichend von feiner erften Schrift betrachtet er in den fpätern Chriftus als Produkt eines rein immanenten Proceffes der Menfchheit, kommt aber dabei, da er doch in Chriſtus bie abfolute Gottmenſchheit in einziger Weiſe fehen möchte, über dem Bemühen, alles Schöpferifche in unendliche Bermitielungen aufzulöfen, auf fehr abenteuerliche Sätze von einer unendlich langen Reihe der Menſchheit rüdwärts, Präadamiten u. f. w. f. Kritit d. Hr. Dogm. ©. 181 ff. ), ©. Kritik d. chr. Dogm. Aber wo bleibt da der Ernfl des Proceſſes? 0*, Chriſtus in ber Bergangenpeit u. f. w. ©. 258 f. Goͤſchel und Eonradi. Roſenkranz, Marpeined.e A151 - lichung noch nicht findet, fondern bie Einheit eines perfünlichen Selbfibewußtfeind fordert, ſo bleibt es andererfeits boch- wahr, bag die Idee der Menfchheit nur in einer Vielheit realifirt ift. Die Menfchheit befteht in der Totalität ber verfchiedenen menſch⸗ lichen Individuen, ftellt alfo ihr Leben nur dar in deren Ge: ſammtheit. Wäre Die Idee ber Menfchheit in Einem Indivi⸗ duum verwirklicht, fo wäre dieſes Eine. Individuum die Wirk: lichfeit der Menſchheit, d. h. wir hätten feine Menfchheit, fondern ftatt ihrer Einen Menfchen. Wie löſt ſich diefer Widerſpruch? Nur fo, daß, indem die Idee in ber Bielheit ſich barftellt, biefe Vielheit auch wieder in die Einheit eines Individuums zufam- mengeht, in welcher die Vielen zugleich in ihrer Integrität und Perfönlichkeit erhalten find. Der Eine ift zugleich einer ber Vielen, einbegriffen als einzelnes Individuum in die Natur ‚und Entwicklung der Menſchheit; binwieberum aber ift bie. Menſch⸗ beit in ihm als dem. Refultate ihrer Entwicklung in ber Ge: fammtthätigfeit ihrer Individuen einbegriffen. Er ift, was bie Einheit feines individuellen Bewußtſeins betrifft, Bruder unter vielen Brüdern, was aber’ feinen Gehalt anbelangt, fo ift er bie Wahrheit der Menſchheit ſelbſt in dem. Refultat ihrer Ent- wicklung, bie univerfelle Perfönlichfeit, zu der Alle aus ber Zer⸗ fplitterung, Haltungsiofigfeit, in bie die Menſchheit fiel, fich hinneigen als zu ihrem Mittelpunkt, in welchem fie ihre Wahr: beit und Ruhe finden. ‚Aber. diefe Verwirklichung der Idee in Einem Individuum befteht nicht in der Summe aller menſch⸗ lichen Kräfte und Bortrefflichfeiten, ſondern verwirklicht ſich durch Negation aller Einfeitigfeiten, der Einzelheiten als für ſich feiender und geltenber Qualitäten durch Segung der vollfommen "freien geiftigen Perfönlichfeit,- fo daß alle menſchlichen Tugenden wie bem Keime, fo dem Refultate nach in ihm enthalten find ©), mn * S. 260 f. Aehnlich Roſenkranz a. a. OD. ©. 65. Es müflen auch Emtralindividuen auftreten, die Breite der Bildung muß auch in ihre Tiefe zufammengefaßt werben. S. 66. Chriſtus ſei nicht eine Encyelopädie von Kräften, Talenten, fondern ber wahrs hafte Menfh. Bon Gentalität zur wahren Menfchheit zu reden fet ein unpaflender Ausdruck. Seine Miffion war, die Nothwen⸗ 1152 Dritte Periode. Abſchnitt L So ähnlich ſich bei Conradi und Göſchel das Bild ber Derfon Eprifi ſelbſt oder ihre Verwirklichung gefaltet, ſo erheb⸗ lich iR doch ber zu Anfang oben bezeichnete Unterſchied. In Beziehung auf biefen wirb aber zu fagen fein, daß Jeder von beiden gegen den andern in theilweiſem Rechte if, fowie, daß fie von einer gemeinfamen falfchen Borausfegung ausgehen. Goſchels „Urmenfch“ vor allen Individuen, der zugleich Logos und Smbivibualität fein fol, führt offenbar, wie Conradi mit Recht andeutet, wenn er boch noch in ber Zeit Menſch werben fol, zu einer doppelten Menfchbeit, einer bimmlifchen und einer irbifchen, fordert eine Depotenzirung des Logos zur Menſchwer⸗ dung und macht gleichwohl, ba bie fertige Bollenbung biefes Urmenſchen dem geſchichtlichen Proceſſe fchon ewig voraufgeht, Chriſti menfchlihes Werden doch wieber bofetifch. Andererſeits mit Conradi einen Proceß für die Perfönlichfeit nicht Chriſti digkeit der Freipeit als die Wahrheit des Geiſtes, und nur dieſes, diefea aber als fein Selbſt darzuſtellen. Marheineke am meiften mit Eonradi zufammenfiimmend fagt a. a. D. ©. 308 ff. Das könne man Strauß zugeben, daß ohne das allgemeine Leben Gottes in der Menſchheit Bott (die Idee) auch nicht zu biefem konkreten Zürfichfein in Chriſto hätte gelangen können. Uber die Form der Bielheit ver Erfcheinung des Göttlichen in der Menſch⸗ heit Tomme noch fehr auf das Heidnifche hinaus, denn eben diefe Bielpeit der Form fei noch zugleich ihre Enplicpkeit. Dit dem Gedanken der Menfchheit meine man wohl in ber Unenplichkeit zu fiehen, weit fie Abfiractum ver Bielheit fel. Aber vwielmehr die Yerföntichkeit, die Einzelpeit müfle als das wahrhaft Unend⸗ liche begriffen werden. Die einzelne Perſönlichkeit trage eime Kraft und Intenfität ohne alles Maaß in fih. In Chriſtus fei der geiftige und fittlihe Grund, ohne den alle befondere Seiten des Lebens (Talente u. f. w.) ohne Werth find, enthalten, und diefe Intenfivität ſei das Größere gegen alle Erfrheinung und Er: tenfion. So ſei Epriftus als der Einzelne der allgemeine Menſch, als einzelnes Individuum das abfolute Individuum; er if die Menſchheit, aber die Denfchheit in ver Einzelfeit. ©. 312 f. — S. 310 bezeichnet er, Böfcheln ähnlich, den Logos als die Urper⸗ fönlicpkeit, wie er auch als den Sinn ber Lehre von der Any: poſtaſie der Menſchheit anficht, daß Bott das Weſen der Menſch⸗ peit ſei. Urtheil über Conradi und Göſchel. — Säleiermader 1153 nur, fondern bes Logos ober Gottes forbern, durch den fie erft wird, und fagen: Gott fei nur in der Mienfchheit perſoönlich, heißt entweder Gott die ewige Perfünlichfeit und das abfolute Selbſtbewußtſein abſprechen, was body Conradi nicht zu wollen fcheint, oder eine unendliche gefchichtliche Reihe menfchlicher In⸗ dividuen rückwärts pofluliven, in denen Gott perfönliches Selbſt⸗ bewußtfein hatte, womit. dann bie Stellung ſtreitet, die Conradi für Chriſtus bewahren will. Aber in dieſe Widerſprüche kommen beide durch den ge⸗ meinſamen Fehler, daß fie zu unmittelbar mit ber göttlichen Perfönfichkeit die wirkliche Menſchheit als die Form verbinden, in der Gott biefe feine Perfönlichfeit habe. Das iſt ein pan⸗ tbeiftifcher Reſt, der weder den Begriff der Perfönlichkeit Gortes noch den des Dienfchen zur reinen Ausbildung fommen läßt. Ihr Gegenfag kann uns zeigen, daß ed darauf ankommt, vor Allem bie Perfönlichkeit in Gott ohne reale Gottmenfchheit, wenn auch nicht ohne Natur in Gott, zu conſtruiren und erft das in ſich ewig vollendete ethiſche Weſen Gottes als den Grund des theils nehmenden und mittheilenden Liebesproceffes in ber Welt ans aufeben. II. Die Chriſtologie Schleiermaders. Daß wir neben Schelling und Hegel Schleiermadher fie len, obgleich. er befanntlicy nie Anfpruch darauf geriacht hat, in irgend einem innern Berhältniffe zu einer beftimmten Philofophie zu ſtehen oder eine philofophifche Schule zu gründen, muß fich durch die doppelte Erwägung rechtfertigen, daß er 1) unverfenn: bar von der wefentlihen Einheit Gottes und des Menfchen ausgeht, ohne jenem fubftantiellen Pantheismus zu huldigen, dem die Subjeftivität nur ein Accidens ift; vielmehr fucht auch er die Einheit der Subfeftioität und der Subflanz mit ihrem Unterfchiede. zu erhalten 70); und daß er 2) unläugbar fich unter ben Dreien am meiften mit jenem Princip in die Mitte chriſt⸗ 0, Daß dieſe beiden Seiten feinem Spftem gleich weſentlich find, (es ift noch nicht davon die Rede, wie weit ihm ihre wahre Ber: 1154 Dritte Periode. Abſchnitt 1. licher Denfweife geftellt und mit diefer ſich am innigften befreundet bat, fo daß feine Ehriftologie am meiften theologifchen Charakter an ſich trägt, wie denn auch fie es ift, die unter allen neueren Berfuchen bei weitem bie entfchiedenften Wirfurigen auf bie Zeit geübt hat. Wir fchiden Dasjenige voraus, was bei ihm am ebeften noch an bie fpefulative Richtung ſich anfchließt. In der Weihnachtsfeier nämlich wird der Uebergang auf Ehriftus folgendermaßen gemacht. Der Menſch an fi, fagt er, ift das Erfennen ber Erde in feinem ewigen Sein und in feinem immer wechfelnden Werben: oder ber Gelft, der nach Art und Weife unferer Erbe zum Selbftbewußtfein ſich geftaltet. - In dieſem Menfchen am fih if fein Verderben noch Abfall, und fein. Bebürfnif ber Erlöfung Wohl aber ift der Einzelne, wie er füh anſchließt an bie Bildungen der Erbe, das Werben allein, nicht aber bie Einheit des ewigen Seins und Werdeng, und ift im Abfall und Berderben. Wir mögen ung anftellen, wie wir immer wollen, bier ift fein Entrinnen: das Leben unb bie Freude der urfprünglichen Natur, wo die Gegenſätze nicht vorkommen zwiſchen Erfcheinung und Wefen, Zeit und Ewigkeit, ift nicht bie unfrige Der Menfch bedarf der Erlöfung. Erlöst aber wird er nur, - wenn der Menfh an fih in ihm aufgeht, bie Einheit des ewigen Seins und Werdens. Die Menſchheit wird ewig biefer Menſch an fih: aber er muß aufgehen in dem Menſchen als fein Ge- danke; das Bemußtfein und ben Geift der Menfchheit muß der Menſch in fih tragen, muß die Menschheit anfchauen und ers bauen als eine lebendige Gemeinſchaft der Einzelnen; nur ſo bat er das höhere Leben und den Frieden Gottes in fih. Das gefchieht in der Kirche. In ihr ift und wirb ber Menfch an fih dargeftellt. Jeder, in welchem jenes Selbftbewußtfein auf: geht, kommt zur Kirche. Sie ift gleichfam das Selbftbewußtfein ber ‘Menfchheit, wogegen Alles um fie Bewußtlofigfeit ift. — — — — — bindung gelungen ſei) läßt ſich ſchon äußerlich daran erkennen, daß die Einen ihm überwiegende Subjeftivität, die Andern Spi- nozismus, Andere endlich Beides vorwerfen. Fr. Schleiermacher. 1155 Diefe Gemeinfchaft nun ift als ein Werbendes auch ein Gewordenes; umb zwar, ba fie eine durch Mittheilung ber Ein: zelnen gewordene Gemeinſchaft if, fo fuchen wir Einen Punkt, von dem biefe Mitiheilung ausgegangen. Jener aber ber als Anfangspunft der Kirche angefehen wird, ..als ihre Empfängs niß, — wie man die erfle am Pfingſttag frei und felbfithätig ausbrechende Gemeinfchaft ber Empfindung ihre Geburt nennen Fönnte, — jener muß als der Drenfch an fich, als ber Gottmenfch ſchon geboren fein. Er muß das Selbfterfennen in fich tragen und das Licht ber Menfchen fein vom Anfang der Kirche an. Denn wir zwar iverben wiebergeboren burch ben Geift der Kirche. Der Geift felbft aber geht nur aus von dem Sohn, und biefer bebarf Feiner Wiedergeburt, fondern iſt der Menfchenfohn ſchlecht⸗ bin. Sn Chriſto fehen wir alſo den Geiſt nad Art und Weife unferer Erbe ſich urfprünglich geftalten zum Selbfibewußtfein in einem Einzelnen. Der Bater und die Brüder wohnen gleich mäßig in ihm, und find Eins in ihm. Darum ift Chriſtus zu feben in jedem Kind, und jeber von und ſchaut umgefehrt in Ehrifti Geburt feine eigene an. Wie nun fogar bier, wo Schleiermadher wohl am deuilichſten eine Vermittlung fucht zwifchen dem chriftlichen Be⸗ wußtfein und der Spefulation, nicht eigentlich eine philofophifche Debuftion gegeben iſt, fondern ausgegangen wird von dem em: piriihen Bewußtfein des Gegenſatzes zwifchen einer zerfallenen, in unfeligem Bewußtfein lebenden, und einer feligen, verfößnten Welt, wo das Ewige aufgegangen ift im Selbfibewußtfein, fo auf ganz Ähnliche Weife in der Glaubenslehre ?'). Die Ber: mittlung jener zwei Lebenszuftände weiß der Eimelne als ge: feheben durch den Geiſt ber Kirche, der feinerfeits einen hiſto⸗ riſchen Anfangspunft fordert, indem eben ber natürliche urſprüng⸗ liche Zuftand, in welchem noch jetst der Einzelne geboren wird, 29 Bgl. zu der folgenden Darfiellung: Der chriſtliche Glaube, von Schleiermacher, A. 2 u. 8. IL, $. 92—105. Reden über bie Religion 1831. Sendfchreiben an Dr. Lücke in den Studien und . Krititen von Ullmann und Umbreit 1829. Heft 2. 3. Dorner, Shrifiologie. IE. 2te Aufl. 74 1156 Dritte Periode. Abſchnitt 1. durch die Erlöfungsbebürftigfeit, die er in ſich trägt, den Beweis dafür abgibt, daß das geiftige Leben, das in der Kirche gelebt wird, nicht zu allen Zeiten kann ba geweien, fondern erfi in der Zeit der Menfchheit kann eingepflanzt worben fein In obiger, an Spekulation gränzenden Darftellung if bann une noch das Weitere enthalten, daß dem Chriſtenthum innerhalb einer metapbpfifchen Weltbetrachtung ein Ort anzuweifen ver ſucht if, wo ed Raum im Sufammenhang bes Weliganzen finden Tann. Obwohl alfo Schleiermader mit den im Borigen bar geftellten Anfichten barin zufammenftimmt, das Göttliche und Menſchliche in wefentlicher Einheit zu betrachten, fo ift ber feiner Dentweife eigenthümliche Weg doch nicht der von oben nad unten: es ift überhaupt nicht ber fpefulative Gang: Sondern er geht von ber Erfahrung eines gefteigerten Dafeind dur das Ehriftenthum ald von Etwas abſolut feften, einem durch ‚feine Philofophie weder zu gewährenden noch zu taubenden Das fein aus, und fucht dann durch Reflexion auf dieſe chriſtlichen Gemüthszuftände und durch Schlüffe aus ihnen ein möglich an fihauliches Bild Deſſen zu gewinnen, der allein zur Erflärung ienes höhern Daſeins augreiche. Der Gang nun, den er in ber Glaubensiehre nimmt, if näher folgender: Ausgehend von einer innern, unentreißbaren, in ſich abs ſolut fihern Erfahrung von der- Macht bes Chriſtenthums ver: gichtet er darauf ($. 11, 5.), daffelbe irgendwie als nothwendig oder einzig wahr darthun zu wollen; fondern will bios bie Phyfiognomie des hriftlihen Bewußtſeins, als eines empirifchen, biftorifchen, darlegen, fowohl im Unterfchied von andern Geftals tungen ber Srömmigfeit, als an fich felber. 1) Die Religionen unterfcheiden fih von einander durch verſchiedene Stärfe, aber auch durch verfchiebene Befchaffenheit ber frommen Erregungen. Je vollkommener fie find, befto mehr müffen fie eine ausgeprägte Phyfiognomie, eine fefte innere und äußere Begränzung haben, wozu namentlich ein fefter Anfange: punkt, ein Stifter- gehört, Der gefhichtliche Anfang gibt jeder Schleiermacher. 1 157 frommen Gemeinſchaft ihre äußere Einheit; daher die chriſtliche Religion, (die dieſer äußern Einheit, durch welche ſie von allen andern aufs Beſtimmieſte geſchieden iſt, nicht ermangelt), auch einen ſolchen haben muß. Niemand kann behaupten wollen, daß jüdiſche, muhamedaniſche, chriſtliche Gemeinſchaften ohne allen geſchichtlichen Zuſammenhang mit dem von Moſes, Muhamed, Chriſtus gegebenen Impuls von ſelbſt ſich irgendwo erheben könnten. Nur in -den niedrigern Geſtaltungen der Frömmig⸗ keit ſind, wie in den Lebensſtufen der Natur, die Gattungen unbeſtimmter gehalten; höhern Stufen aber gehört eine gleich⸗ mäßiger vollendete äußere und innere Einheit an: und in ber vollkommenſten Geftaltung muß am innigften die innere Eigen: thümlichkeit mit dem Aeußern, Gefchichtlichen verbunden fein, was bie gefchichtliche Einheit begründet. ($. 17.) Das Chriftenthum ift nun einmal eine teleologifche Ge⸗ ftaftung ber Srömmigfeit; aber auch von allen möglichen auf diefer Stufe flehenden ift es dadurch unterſchieden, daß alles Einzelne in ihm bezogen wirb auf das Bewußtfein der Erlöfung durch Jeſum von Nazareth ($. 18.). Hierin Tiegen zwei Mo: mente: das Bewußtfein der Sünde fammt der mit ihr gegebenen, als Strafe gefühlten Unfeligfeit; und das Bewußtſein ber Gnade, woburd jenes überwunden wird. Das Bewußtſein der Gnade entfteht ung nur aus dem chriftlichen Gefammtleben: es ift in dieſen Kreis befchloffen, bie andern Religionen haben es nicht ($. 12... Wer es bat und in ihm eine Annäherung am. den Zuftand der Seligfeit, ift fich bewußt, nicht aus dem natürlichen, das ein Gefammtleben ber Sünde iſt und der Unfeligfeit, fonbern aus einem neuen Ges fammtleben dieß befommen zu haben, weldhes ein göttfiches fein muß, weil es dem natürlichen fiegreich entgegen wirkt. Jeder Chriſt hat die Ueberzeugung, daß er in dem Gefammtleben ber Sünde, in welchem er fich zuerft vorfindet, nicht jenes höhere Leben ſelbſt hegt ober fortpflanzt, fondern vielmehr ebenfo mit erzeugt an ber Sünde, wie.mit empfängt: und daß auch das Zufammentreten* ber beften Einzelnen, um der Sünde entgegen zu wirfen, blos einzelne Sünden befämpfen, ja felbft nur eine 74% 1158 Dritte Periode. Abſchnitt L Drganifation innerhalb bes Geſammtlebens ber Sünde fein Tann. So dag ohne ein neu Hinzutretendes innerhalb des Geſammt⸗ lebens der Sünde felbft die beſſern Einzelnen zu einer bie Unfeligfeit aufhebenden Annäherung an bie Seligfeit nicht ges langen können. 2) Dieſes neue, göttliche Sefammtleben führt das chriſt⸗ liche Bewußtfein auf Chriftus zurüd. Und zwar kann es dieß zu thun nicht umhin. Zwar lann und will es bie Wahrheit feiner Ausfagen nicht beweifen: aber ed geht ihm ba nur, wie es auf gefchichtlihem Gebiet überall vorfommt, daß man eine ganz feſte Ueberzeugung von ber Richtigkeit feines Eindrudes haben fann, und doch diefe nicht zu beweifen vermag. Dagegen bie Entflehungsweife des Glaubend kann und muß entwidelt und gezeigt werben, wie urfprünglich und noch jet Die Ueber⸗ zeugung entſtehen fonnte, daß Jeſus eine unfündlide Vollkom⸗ menheit babe, und bag in ber von ihm geftiftelen Gemeinfchaft eine Mittheilung derſelben ſei. Nicht der Glaube erſt hat Jeſum zum Unfündlichen und zum Erlöfer gemacht; ſondern das liegt im chriftlichen Bewußt⸗ fein, daß er durch feine Unſündlichkeit diefen Glauben erfi der Gemeinde eingepflanzt habe. Aber in wie fen weiß bie Ge meinde von ihm als einem Uinfünblihen? Daher, daß in dem von ihm geftifteten Gefammtleben eine Mittheilung feiner uns fündligen Bollfommenpeit if. Das Gefammtleben trägt dieſe Mittheilung in ſich, kein Einzefner, außer Chriſtus. Aber wie das? Das riftlihe Geſammtleben hat doch als Maſſe im Gans zen einen fo bedeutenden Antheil an ber allgemeinen Sünbhaftigs fe. — Der Glaube antwortet, daß alles dieß nur das Nichte fein bes neuen Gefammtlebens fei, das Sündliche, in welchem das Neue verborgen, wiewohl erfahrbar if. Diefe Erfahrung beiteht barin, daß der Gläubige noch jetzt aus dem Bilde Chriſti, welches als eine Geſammtthat und als Gefammtbefig in ber . Gemeinde beftebt, den Eindrud der unfündlihen Bolltommenheit Jeſu erhält, den er ihr urfprünglih muß eingepflanzt haben, und welcher ihr zumal zum vollflommenen Berwußtfein ber Sünde wie zur Aufhebung ber Unfeligfeit wird, und bieß iR an ſich Schleiermacher. 1159 ſchon eine Mittheilung dieſer Vollkommenheit. Das Zweite aber iſt, daß bei all jenen ſündigen Reften doch eine in das Ge⸗ ſammtleben durch Chriſti Vollkommenheit geſetzte Richtung iſt, die zwar unvolllommen genannt werden muß in der Erſcheinung, als Innerſtes aber oder als Impuls ihrem Urfprugg angemeſſen, und ſich daher auch in der Erſcheinung immer reiner heraus⸗ arbeiten wird. Und dieſer, ganz innerlich betrachtet, auch voll⸗ Iommen reine Impuls bes gefchiehtlichen Lebens der Kirche ifl gleichfalls eine wahre und wirkfame Mittheilung der Bollfom- menheit Chrifti. | Ferner iſt in dem chriſtlichen Bewußtfein das enthalten, daß jedes Wachsthum ber Gemeinfchaft nicht aus irgend einer nen binzutretenden Kraft, fonbern nur aus der rege bleibenden Empfänglihfeit für das im Chriſtenthum ſchon Gegebene ent: ſtehe; es ligt in ihm, daß dem Gottesbewußtfein Feine neue Geſtaltung der Frömmigkeit bevorſtehen lann, jede neue vielmehr nur ein Rüchſchritt wäre; denn es enthält in ſich bie abſolute Berföhnung. Ja es enthält eben baher in fi das Bewußitfein, daß alle andern Religionsformen, als niedriger, beftimmt find, in daffelbe überzugehen. Aber wie wird von dem Gefagten aus auf Ehriftus, als einen Unfünblichen, Vollkommenen gefchloffen? Nach dem Schluß von der Wirkung auf ihre hinreichende Urſache. Auf einen beftimmten Stifter "weist nach dem Obigen das Chriſtenthum fchon darum zurück, weil es zu den höhern Kormen ber Religion gehört. Nach feiner fortdauernden Wirkſamkeit aber in der Gemeinde (denn nur durch dieſe haben wir Kunde von Chriſtus) wird auch geſchloſſen auf die Urbildlichkeit dieſes geſchicht lichen Stifters. Seine Urbildlichkeit braucht nicht in ber Fertigkeit und Geſchicklichkeit auf einzelnen Gebieten bes Lebens zu beſtehen, ſondern beſteht in der Reinheit unb Kräftigfeit des Gottesbewußtſeins, zu allen Lebensmomenten ben Impuls zu geben, und fie zu beflimmen. Nur ein urbilbliches Gottesbewußtſein, das gefchichtlich auftrat, Tonnte fol ein Ge: fammtleben fliften, wie dasjenige if, in welchem die Gläubigen ſtehen. | | 1160 - Dritte Periode. Abſchnitt 1. Dan bat zwar eingeiwenbet, um bie Kirche, dieß unvolls fommene Refultat, zu begreifen, fei es nicht nöthig, bie Urbild⸗ lichfeit, welche das Sein des Begriffs ſelbſt ausfagt, alfo die ſchlechthinige Bollfommenheit, ihm zugufchreiben. Sondern Ehris us fomme- gur eine vorbildliche Würde zu; es fei aber bie urfprüngtiche Pyperbel der Gläubigen, Chriſtus, wenn fie ihn im Spiegel ihrer eigenen Unwollkommenheit betrachten, urbildlich zu beufen, und zwar forigefegt, fo daß fie in Chriſtus jedesmal bineinlegen, was fie Urbildliches aufzufaflen vermögen. Allein darauf ift fchon im Obigen von Schleiermader geantwortet. If der Gemeinde ein Bild abfoluter Volllommen⸗ heit eingepflangt, fo muß nach Schleiermader, ba dieß nicht von felbft in der menſchlichen Natur Tiegt, fondern dieß Urbild nur Gefammtbefig der Gemeinde ifl, — nemlich als Bid Chriſti — auf einen geſchichtlichen Eindruck zurüdgegangen werben von einem urbildlich⸗ geſchichtlichen Stifter. Da ferner eine unge bemmte Kräftigfeit des Gottesbewußtſeins wenigſtens ald immer mehr fiegenber Impuls der Gemeinde eingefenkt ift, und biefer Impuls fih abermals nur auf die Gemeinde erfiredt, fo muß in dem gefchichtlichen Anfangspunft der Kirche bie Kraft felbft gewohnt haben, bie ald Impuls von ihm in der Gemeinde fich fortſetzt. — Ferner kann nur ein. ſolcher Impuls, die Erſcheinung er⸗ klären, daß dem chriſtlichen Bewußtſein weſentlich iſt, keine neue Geſtaltung des Gottesbewußtſeins für möglich, ſondern jede neue nur für einen Rüdichritt zu halten, ober: nur fo kann das allen Ehriften gemeinfame Bewußtſein erflärt werben, daß das Chriſten⸗ thum nach feinem innerften, auf eine abäquate gefchichtliche Ur⸗ fache zurüdweifenden Wefen nicht perfeftibet iſt. Es ift ferner den Gläubigen weſentlich das Bewußtſein, daß jeder gegebene Zuſtand des Geſammtlebens nur eine Ans näberung bleibe zu dem in dem Erlöfer Geſetzten: das Bild, das fie in fich tragen, durch feine gefchichtliche Wirkfamfeit mit: getheilt, tft, wenn man es etwa blos Vorbild nennen wollte, ein Borbilb, das geeignet ift, jede mögliche Steigerung in ber Gefammtheit zu bewirfen. Ein foldhes Vorbild aber iſt von Schleiermacher. 1161 dem Begriff eines Urbildes nicht mehr zu unterſcheiden; wie ja überhaupt die Produktivität nur in dem Begriffe des Urbildes, nicht aber des Vorbildes ligt. Wollte man läugnen, daß die Urbildlichkeit des Stifters ein weſentliches Element des Glaubens bilde, ſo müßte ſich in der Chriſtenheit die Hoffnung entwickeln können, daß das Men⸗ ſchengeſchlecht einmal, wenn auch nur in ſeinen Edelſten und Trefflichſten, über Chriſtus hinaus wachſe: — allein das iſt ſchon die Gränze des chriſtlichen Glaubens. Nicht zwar ſo ſehr, wenn damit gemeint iſt, ſein ſchlechthin urbildliches Innere habe ſich in Lehre und Handlung in den beſchränkten endlichen Verhältniſſen nur unvolllommen darlegen können: wohl aber ligt dieſe Anſicht außerhalb des Chriſtenthums, wenn man meint, Chriſtus ſei nach ſeinem innern Weſen nicht mehr, als nach ſeiner Erſcheinung; aber ſeine Gemeine habe durch ihn eine ſo glückliche Organiſation, daß fie ſich nad jedem etwa entſtehen⸗ ben vollklommenern Urbilde mit Leichtigleit umbilden laſſe, ohne daß fie ihre geſchichtliche Seibigkeit verlbre. Denn fo wäre Chriſtus ale zufällig für die Gemeinde bezeichnet. Sonach iſt das Chriftenthum. eine ſolche Geflaltung der Religion, deren innerem, faftifchem Wefen es wibersfpricht, ihrem Stifter eine andere als urbilbliche Würde zuzufchreiben. 7°) Wie ſich aber endlich in dem Glauben der Chriften dieſes ausdrückt, daß ſeine Lehren und Einſetzungen ewige Geltung haben, was nur mit ſeiner Urbildlichkeit, nicht aber mit bloßer Vorbildlichkeit ſich verträgt: fo weist in dem Glauben auch das auf feine Urbildlichkeit, daß er als allgemeines Borbild ges wußt wird; denn allgemeines Vorbild kann ex nur fein, wenn er nicht für die Einen mehr, für die Anbern weniger Vorbild it, fondern wenn er zu allen urfprünglichen Verſchiedenheiten der Einzelnen fich auf gleichmäßige Art verhält. Aber wie foll das Urbildliche in einem wirklich gefchichtlich gegebenen Einzelweſen zur Wahrnehmung und Erfahrung gekom⸗ 9, Den andern Religionen iſt die Perſon des Stifters zufällig; im Chriſtenthum weientlich zum Inhalt der Religion gehörig. $. 17. 1162 Dritte Periode. Abſchnitt L men fein? Sn den Werfen der Kunſt und in ben Gebilden der Natur pflegt doch jebes nur und iR der Ergänzung durch Anderes bevürftig, Dazu Tommi noch, daß vie hiſtoriſche Urbildlichleit durch das Geſammileben ber Sünde um fo unbegreiflicher wird, in weichem er war, und aus welchem er doch nicht kann erklärt werben. Was nun die erſtere Schwierigfeit betrifft, fo antwortet Schleiermader: Gibt man bie Möglichkeit einer beſtän⸗ Digen ortfchreitung in ber Kräftigfeit bes Gottesbewußt⸗ feins zu, Täugnet aber, daß die Bolllommenheit deffelben irgenb- wo fei, fo lann man aud nicht mehr behaupten, die Schöpfung bes Menfchen fei ober werbe vollenbet; denn in beflänbiger als von andern Wefen; denn von allen mehr gebunbenen Arten bes Seins kann man fagen, daß ihr Begriff vollfonmen wirt: lich wird in ber einander ergänzenden Geſammiheit ber Einzel⸗ wefen. Aber von einer freien, ſich entwidelnden Gattung fan das nicht gelten, weil das Unvollfommene ba fich nicht ergänzen fann zur Volllommenheit. Daher muß bie Vollkommenheit Dies fer weſentlichen Lebensfunftion, welde im Begriff gefegt AR, auch irgendwie in einem Einzelnen gegeben fein. Sagt man aber das Andere, daß feine hiſtoriſche Urbild⸗ lichkeit unbegreiflich bleibe bei dem Gefammtleben der Sünde; und ſucht man ben Ausweg, das Urbild eriftire nur im Geiſt, ſei auf Ehriftus nur übertragen mit mehr oder minder Willkür, jo ift zu antworten: wollten wir ber Menfchheit einräumen, ein reines, vollfommenes Urbild in fich zu erzeugen, fo Tönnte fie wegen bed Zuſammenhangs zwiſchen Berfiand und Willen ge rade nicht im Zufland ullgemeiner Sünbhaftigfeit geweſen fein. Was alfo bleibt übrig auf. die Frage, wie Chriſtus könne ur⸗ bildlich geweſen fein, -ald die Antwort: fein eigenthlimlicher geiſti⸗ ger Lebensgehalt könne nicht aus feinem gefhichtlichen Lebens: kreis, ſondern nur aus ber allgemeinen Quelle bes geifligen Lebens burch einen göttlichen fchöpferifchen Alt erklärt werben, Schleiermacher. 1163 in welchem ſich als einem abſolut Größten der Begriff des Menſchen als Subſjekts bes Gottesbewußtſeins vollendet? 3) Da ſonach in dem Erlöſer das Geſchichtliche und Ur⸗ bildliche ſo innig vereint müſſen gedacht werden, ſo iſt er allen Menſchen gleich vermöge der Selbigkeit menſchlicher Natur, von allen aber unterſchieden durch die ſtetige Kräftigkeit feines Got⸗ tesbewußtfeing, welche als ein ‚eigentfiches Sein Gottes in ihm zu beflimmen if. Aber da allen Menſchen ſonſt Sündhaftigkeit und Entwick⸗ lung durch Sünde gemeinſam iſt, raubt ihm nicht die Unſünd⸗ lichkeit, welche in feiner Urbildlichkeit liegt, bie Identität feiner Natur mit der menfchlichen Überhaupt? 7%) Keineswegs, denn die Sünde gehört nicht zum Weſen des Menfchen, fondern ift eine Störung ber Naur; 9 und bie DRöglichleit unfünblicher Entwidlung ift nicht unverträglich mit dem Begriff der menſch⸗ lichen Natur: ja biefe Anerkennung ligt in dem Bewußtſein der Sünde als Schuld. Daß aber das Gottesbewußtſein, ats ein ſchlechihin kräf⸗ tiges, in ihm als ein Sein Gottes zu denlen iſt, hat folgen⸗ den Sinn. Gott iſt nämlich zwar allgegenwärtig, aber da er reine Thätigkeit iſt und nicht Leiden, fo kann er als ſolche da nicht. volllommen fein, wo neben Thätigfeit, oder ohne dieſe, das Leidentliche iſt. Daher er. in der fogenannten todten, wie auch in der nicht intelligenten Natur nicht wahrhaft ſein Sein haben kann. Nur fo fern ein Einzelweſen keine rein leident⸗ lichen Zuſtände hat, fo daß es vielmehr durch thätige Empfäng⸗ lichkeit auch das Leidentliche ins Thätige umſetzt, kann von ihm eigentlich geſagt werden, daß Gott in ihm ſei. — Das kann alſo nur in den vernunftigen Weſen der Fall fein. Allein auch bier hat das Gottesbewußtfein nicht in allen Religionen ſich als veine Thätigkeit geltend gemacht, fonbern ift vom finnlichen Bewußtſein flets überwältigt worden. So war alfo Gott nicht wahrhaft in ihnen. Erft im Ehriftentum ift es anders gewor⸗ 73, Bel. Strauß a. a. O. ©. 710-720. ”) 6, 68, ©. 867. U. 8. 1164 Dritte Periode. Abſchnitt 1. den. Hier iſt das Princip eines fletigen, jeben Moment auss fchließend beflimmenben @ottesbewußtfeind aufgegangen. Das Chriſtenthum aber mit biefem feinem tiefen Impuls zur fleten . Kräftigfeit des Gottesbewußtfeins ift auf Chriſtus zurüdzuführen; daher feben wir in ihm jenes rein thätige Gottesbewußtfein, welches ein wahres Sein Gottes im Menſchen kann genannt werden. Er ift der einzige urfprängliche Ort dafür: erfi durch ihn wird das menschliche Gottesbewußtfein ein Sein Gottes in ber menfchlihen Natur; und da dann weiter erft durch biefe menfcpliche Natur die Gefammiheit endlicher Kräfte ein Sein Gottes in der Welt wird, fo iſt Chriſtus es, ber allein alles Sein Gottes in der Welt und alle Dffenbarung Gottes buch die Welt in Wahrheit vermittelt, fofern er die ganze.neue, bie volle SKräftigfeit des Gottesbewußtſeins enthaltende und eut- widelnde Schöpfung in fich trägt. Da nun aber der Stifter dieſes neuen Geſaumilebene nach der Urbildlichkeit ſeines Gottesbewußtſeins nicht aus dem Geſammileben der Sündhaftigkeit begriffen werben kann, weil in biefem naturgemäß vielmehr die Sünde fich fortpflanzt: fo ift es nur ein ibentifcher Sat, daß er fo, wie er fich zeigt, blos außerhalb des fünblichen Geſammtlebens kann geworden ſein. Daher wird an ihn nur geglaubt als an einen überna⸗ türlich Gewordenen. Jedoch iſt Chriſtus, wie fein Geſammt⸗ leben, nur rückwäris betrachtet, d. h. nach ber Seite des alten Gefammtlebens ber Sünde, etwas Uebernatürliches: aber vors wärts angeſehen ift letzteres ein fittliches Naturwerden des Uebernatürlichen. | Mer, fagt man, fo if wenigftens bie Entſtehung dieſer Perſon etwas Uebernatürliches, und damit ein unheilbarer Riß in eine geſunde zuſammenhängende Weltanſicht geſchehen.“0) Dies ſer Einwurf iſt, ſo geſtellt, philoſophiſcher Art und dem Stand⸗ punft ber Schleier macher'ſchen Dogmatik fremd. Allein von anderer Seite ber tritt er auch ihm enigegen, daher er ihn ber Sade nad dennoch berüdfichtig. Da nemlich die Reflexion 5) Bel. Straußa. a. D. ©. 716. Schleiermacher. | 1165 anf bie frommen Gemüthszuftände ihn darauf führt, daß Gott ein ewiges fchlechtbin einfaches Wefen vder Leben, und jede Zeit und Veränderung aus feiner Thätigkeit auszufchließen ſei, fe droht auch mit biefem feinem Gottesbegriff die Annahme einer erſt in der Mitte der Zeiten aufgetretenen Perfönlichkeit in Con⸗ flilt zu gerathen, welche zu ihrer Erflärung einen unmittelbaren, neuen fchöpferifchen Akt vorausfegt. Und da ihn eben jene Res flerion auch zu dem Sage geführt bat (6. 51..54.), daß Die göttliche Urfächlichkeit zwar von ber innerhalb des Naturzuſam⸗ menhangs enthaltenen unterfchieden und ihr alſo entgegengeſetzt, auf der andern Seite aber, dem Umfange nach, ihr gleich zu fegen ſei: fo ſcheint ja bei Chriſtus eine göttliche Cauſalität von Schleierm acher geſetzt zu fein, welder, ba fie über: natärlich heißt, ſchlechthin Keine natürliche entfpricht, ja ſogar, welche der im Naturzuſammenhang enthaltenen ſchnurſtracks zu⸗ wider läuft. 75) Darauf nun enthält Schleiermachers Darftellung be reits folgende Antwort. Da das neue Geſammileben ein ge- ſchichtliches, natürliches wird, fo folgt daraus fchon, daß auch bas alte Gefammileben ber Sünde an fi, d. h. ber Empfäng⸗ lichkeit nach, zufammenhängt mit bem neuen: unb überfchauen wir bie Gefchichte im Ganzen, fo iſt fie und Ein Naturverlauf, in welchem. auch bie Erſcheinung bes Erlöſers nicht mehr ein Uebernatürliches, fondern ein durch das Vorherige bebingtes Hervortreten einer neuen Entwicklungsſtufe iſt. Umer Natur nämlich ift überhaupt nicht blos das empiriſch Wirkliche zu ver- fteben : fondern es iſt auf das zurückzugehen, was oben ber all- gemeine, Lebensquell genannt worden if. Wollte man bad nicht, . fo wäre nur immer Daffelbe da. Allein jede Entſtehung eines individuellen Lebens ift theils die That des Heinen Kreiſes feiner Abſtammung, theild der menfchlichen Natur im Allges meinen (d. b. eben jener gemeinfamen Lebensqmelle). Je mehr nun Einer die Schwächen jenes Kreiſes an ſich trägt, befto — 76, Bgl. beſonders Braniß, kritiſcher Verſuch über Schleier: machers Glaubenslehre 1824. ©. 192 fg. . 1166 Dritte Periode. Abſchnitt L mehr hat jene erſte Betrachtungsweiſe ihr Recht. Je mehr aber in Aber mm Breis und Mus. 8 binausgreift über jenen Kreis und Neues hervorbringt, mehr wirft man fih auf bie anbere Betrachtungsweiſe. 5 muß nun Chriſtus nach der letztern genannt werben eine uns ſprüngliche That der menſchlichen Natur, d. h. eine That ber: felben als nicht von der Sünde ˖ afficirter. ) In fo fern if er nicht ſchlechthin fondern bios relativ, d. h. nicht in Bezug auf die Natur an ſich, fondern nur in Bezug auf bie fchon vor ihm veal gewordene, übernatürlih und eine on newe Erſcheinung War auch die im erſten Adam erſchenene Muthellung bes Geiſtes eine unzureichende, indem ber Geiſt in die Sinnlichkeit verfenfi blieb, und kaum auf Augenblide ald Ahnung eines Beflern ganz hervorſchaute; und ift das fehöpferiiche Werk erſt durch bie zweite gleich urfprüngliche Mittheilung an ben zweiten Adam vollendet: fo geben doch beide Momente auf Einen un: geiheilten, ewigen göttlichen Rathſchluß zurüd, und bilden auch im höhern Sinn nur einen unb denfelben, wenn auch und uns erreichbaren, Naturzufammenbang. Wenn aber auch biefe Eins beit nur in dem göttlichen Gedanken Yigt, fo können wir uns biefelbe doch auf folgende Weiſe mäher vorftellig machen. Der Rathſchluß Gottes Tann fo betrachtet werden, daß Chriſtus fei Die Vollendung der. bis dahin unvollenbeten Schöpfung, ber zweite Adam, ober Anfänger des höhern Lebens, der vollen deten Schöpfung, zu welcher Durch den von Adam aus ſich ent⸗ widelnden Naturzuſammenhang nicht zu gelangen war. So nun wird bie Schöpfung des Menſchen gleihfam in zwei Mo: mente zertheilt, wofür aber bie Geſchichte und die materielle Natur. genug Analogien geben. Und biefe Betrachtungsweiſe ift eigenthümlich und natürlich demjenigen, der ſchon erlöst iſt. Er fühlt und weiß ein neues Leben in ſich. Dieß ift das Eine. 2 D. 5. er if, um mit den Worten ber Weihnachtsfeier zu reben, die Darſtellung des Dienfchen an fich, welcher gleihfam in Gottes fchöpfertfcher Urkraft ewig wenn au nicht real präerifitzt. Schleiermacher. 1167 Aber allerdings muß nun auch ber Begriff ber neuen Schöpfung auf den der Erhaltung zurüdzuführen fein, weil fonft Gott in die Zeit gefebt würde. Das gefchieht aber dadurch, bag wir bie Erfcheinung Chrifti ſelbſt anfehen als Erhaltung der von Anbeginn der menſchlichen Natırr -eingepflanzten und fih fortwährend entwidelnden Empfänglichfeit der menfchlichen Natur, eine ſolche fehlechthinige Kräftigfeit des Gottesbewußt⸗ feins in ſich aufzunehmen. Kam gleich bei ber erflen Schöpfung bes Menſchengeſchlechts nur der unvolffommene Zuſtand ber menfchlichen Natur zur Erſcheinung, fo war boch das Erfcheinen des Erlöfers ihr auf ungeitliche Weiſe ſchon eingepflanzt. Sp daß ber göttliche Rathſchluß Einer ift, immer in der Erfüllung begriffen, und das Frühere immer ſchon mit Beziehung auf das Spätere geordnet iſt. Die ganze vorchriftliche Welt hat fo. eine Beziehung auf Chriſtus, iſt nur auf ihn georbnet. ”°) Sp betrachtet gefchieht dann ben geſchichtlichen Korberungen vollfommen Gemüge, wenn nur bieß Urbildliche von dem Ans fang feines Lebens an auf dieſelbe Weife der allmäligen Ents faltung ber Kräfte, wie alle Andern, ſich entwidelt bat. Hätte er das Gottesbewußtſein von Anfang an als folches und nicht blos als Keim in fich getragen, fo hätte ex Teine Kindheit ges Habt. Uber zu dieſer Gefcichtlichfeit gehört außer der Allmäligs feit feiner Entwiclung auch die Vollsthümlichkeit. Nur in ges wiſſer Aehnlichfeit mit feiner Umgebung konnte es fich entfalten. Aindererfeits kann er fi nur an das Wahre und Richtige, nicht aber. an das Kalfche daran angefchlofien haben. Nur. kann. diefe Bolfsthimlichkeit, die zu feiner vollfländigen Menfchheit gehörte, feine Urbilblichfeit anf feine Weiſe verfümmert, und daher bios feine Drganifation, nicht das eigentliche Princip feines Lebens betroffen haben. Er hatte fie nicht an fi als abfloßenbes 6, Died Berhältniß von Schöpfung und Erhaltung ift trefflich feſt⸗ gehalten und in apologetifchen Beziehungen ausgeführt in dem nach Därfellung und Inhalt gebtegenen Werke v. Drey’s: Die Apologetik als wiffenfchaftlihe Nachweiſung der Göttlichkeit des Chriſtenthums in feiner Erfcpeinung. Erfier Band. Philoſophie der Offenbarung. Mainz 1888. 1168 Dritte Periode. Abſchnitt I. Princip oder als Typus feiner Selbſtthätigkeit, fondern nur feiner Empfänglichfeit für dieſe Selbfithätigfeit, indem Sinn und Verſtand aus ber ihn umgebenden Weit mußten genäprt werben. Die kirchlichen Formeln, die von einer Zweihelt der Ro: turen, von einer göttlichen und menfdlichen reden, beurtheilt er genauer und redhifertigt fein Berfahren, an bie Stelle der felben die Urbildlichkeit und Geſchichtlichkeit des Erlöſers, und befonders an die Stelfe des Ausdruds: „göttliche Ratur“ das ſchlechthin vollfommene Gottesbewußtſein zu ſetzen (welches eben wegen biefer Kräftigfeit und Reinheit als ein wahres Sein Gottes in ihm‘ zu bezeichnen fei), damit, daß feine Formel Alles enthalte was wir bebärfen. Das. Sein Gottes if Die innerſte Grundfraft in ihm, von welcher alle Thätigfeit ausgeht, und welde alle Momente zuſammenhält: alles Menſchliche aber bildet nur den Organismus für dieſe Grundkraft, verhält fih zu ihr als ihr aufnehmendes. und barftellendes Syſtem, fo wie in uns alle andern Kräfte ſich zur Intelligenz verhalten ſollen. Mit dem Erftern nun iſt Alles ausgefagt, was in ihm liegen mußte, damit er fein Amt vollführen Tünne, und feine Dignität gefichert, Auf der andern Seite aber iſt er bier fo gedacht, daß wir feine Perſon aufzufaffen vermögen wegen ihrer Gleichheit mit ung, bie nur durch ſeine ſchlechthinige Unfünb« lichfeit begränzt iſt. Dennoch vermittelt er feine Betrachtungsweiſe im welgen⸗ den mit ber kirchlichen, und gibt eine — übrigens immer zus gleich kritiſch gehaltene — Darſtellung ſeiner Chriſtologie nach ihren einzelnen Momenten. (F. 96-98.) In Jeſu Chriſto, ſagt er, waren die göttliche und die menſchliche Natur zu Einer Perſon verknüpft: bei ihrer Ver⸗ einigung war bie göttliche allein thätig ober ſich mittheilend; während bed Bereintfeind beider aber war auch jede Thätigfeit eine beiden gemeinfchaftliche. Was das Erfte, den Aft ber Bereinigung betrifft, fo bevorwortet er, daß er in ben Anfang feines. indieibuellen Lebens zu fegen fei. Denn follte Chriſtus Anfangs ung gleich, Schleiermacher. 1169 alſo der Sünde theilhaft, und erſt ſpäter das geworden fein wis er uns iſt, jo würde Das eine dem chriſtlichen Bewußi⸗ ſein ungenügende Vorſtellung ſein, weil da wohl die Spuren der Sünde auch ſpäter nachwirken würden. Aber er tadelt den Ausdruck: der Sohn Gottes habe die menſchliche Natur in die Einheit ſeiner Perſon aufgenommen. Denn da ſei die Perſön⸗ lichkeit Chriſti abhängig gemacht von der Perfönlichfeit der zwei⸗ sen Berfon im göttlihen Weſen, alfo von ber rechigläubigen Trinitätsiehre: wozu man gegenüber ‚von ber fabellianifchen An⸗ fieht Fein Necht babe. Das Uebelfte aber fei, daß auf dieſe Weiſe die menfchlihe Natur au nur in dem Sinne eine Per: fon werden könne, in welchem biefes einer Perfon in ber Tris nität zufommt: fo daß entweder bie brei Perfonen der Gottheit wie bie menſchliche Perfönlishleit d. h. als für ſich beſtehende Einzelweſen zu denken feien: oder aber, daß Chriſti menfchliche Perfönlichkeit eine folche war im Sinne der göttlichen, wobei alsdann das Menfchliche ganz ins Dofetifche verſchwimmen würde. Dieß alfo iſt die Rechtfertigung Sthleiermaders dafür, daß er bie Chriſtologie losreißt von.der Kirchlichen Trinitätslehre. Dofetifch könnte, fährt er fort, auch bie kirchliche Bes ſtimmung feheinen, daß die menfchliche Natur in der Aufnahme ganz leidend geweſen fein fol. Allein es fol damit nur die Hineinpflanzgung der göttlichen Natur: in die menfchliche befchrieben und geſagt fein, daß die menfchlihe Natur nicht habe dazu thätig fein Tönnen, von ber göttlichen aufgenommen zu werben; weder fo, daß fie bie göttliche aus ſich entwickelt, noch fo, daß fie Diefelbe zu füch herabgesogen hätte. Sondern fie hatte für ſich nichts. als Die Empfänglichfeit oder die Mög⸗ lichfeit, aufgenommen zu werben von ber göttlihen Sonft freiften wir an bie Klippe, Chriftus nicht für eine neue, ums mittelbare göttliche That zu halten. Damit aber der Ewige durch biefen Akt nicht in bie Zeit verwidelt werde, darf man nicht den Erlöſer als ein Erzeug⸗ niß menfchlicher Natur betrachten; — das würde ebfonitifch fein; — auch. darf man eben fo wenig, um jener Klippe und biefer ebjonitiſchen zu entgehen, fügen, Ehrifti Menfchheit habe — 1170 Dritte Periode. Abfchnitt 1. sicht irgendwann angefangen. Das ſtreifte an das Doketiſche. Das Schwanken zwiſchen beiden wird aufgehoben, wenn man zugibt, bie vereinigende göttliche Thätigleit ſei eine ewige; für Gott fei fein Unterfchieb zwiſchen Rathſchluß und Xhätigfeit. Als Rathſchluß fei jene Vereinigung mit dem Raihſchluß ber Schöpfung des Menfchen identiſch und darin enthalten, zeitlich aber fei die und ale Thätigfeit zugekehrte Seite dieſes Rath⸗ fchluffes ober feine Erſcheinung in dem wirklichen Lebensanfang des Erlöfers, burch den jener ewige Rathſchluß Gottes ſich wie in einem Punkt des Raums, fo auch der Zeit verwirklicht hat. Sp vollendet die menschliche Natur ihre perfonbildende Thätig- feit erft im Moment der Erfcheinung Chriſti; als. menſchliche Derfon, Können wir fagen, war Chriſtus fchon immer mit ber Zeit zugleich- werbend, und alle Zeitlichleit füllt fo auf bie menſchliche Seite, zu welcher das Göttliche fih auf ewig gleiche Weile verhält. Dieß Verhältniß der göltlihen und menfchlicden Ratur im Aft der Vereinigung wird noch bezeichnet von der Kirche durch die Beflimmung ber Unperfänlichfeit und ber übernatürs lihen Erzeugung ber. menfchlihen Natur Jeſu. As Sinn ber erſtern hält er Zolgendes feſt. Die perſonbildende Kraft der menfchlihen Natur ober unferer Gattung hätte für ſich auch biefer Perfon ben Keim eines getrübten Gottesbewußtfeind zu geben nicht umhin können: daher biefe Perfon nicht ohne ein Hinzutreten jener vereinigenden göttlichen. Thätigleit hätte kön⸗ nen zu Stande fommen. Nicht fo, als ob bie menfchlihe Nas tur ohne biefen Hinzutritt würde unperfönlich geblieben fein: fondern jene Perfonwerbung ift nur bie BSollendung ber pers fonbildenden Thätigfeit menſchlicher Natur; und in biefer Bols Iendung iſt fie zugleich das Menſchwerden Gottes im Bes wußtfein. 9) Was aber bie übernatürlige Erzeugung betrifft, fo it nah Schleiermager das Wunder der Perſon ei 9) Bol. über die letztere bei Sa letermacher ſelten hervortre⸗ tende Betraqtungeweiſe oben ©. 1164 f. . Schleiermacher. 1171 nur gelegen in der übernatürlichen, alle ſchädlichen Einflüſſe der Abſtammung abwehrenden, der menſchlichen Natur die volle Sättigung mit Gottesbewußtſein reichenden, und dadurch ſo⸗ wohl fie vollendenden, als auch bie göttliche Thätigkeit in ber Form des Seins Gottes in Chriſto einführenden Wirkfamfeit Gottes. Jede weitere Beftimmung bält er für unweſentlich, ohne dogmatiſche Abzweckung. Die Erbfünde wirb nicht entfernt von Chriſto durch die Annahme einer Erzeugung ohne männ- liches Zuthun, weil Maria doch ihren Beitrag auch gegeben hätte zur Sündhaftigkeit, wenn fie nicht fündlos war. Es hat alſo an bie Stelle. diefer Beſtimmung jene anbere zu treten: bag bie natürliche Erzeugung für fich nicht zureichend geweſen wäre, um ben &rlöfer heroorzubringen. Weil er etwas in bie Gattung zu bringen hatte, was zuvor nicht in ihre war, Tann er nicht aus ihrer reprobuftiven Kraft felbft erklärt werben: fondern es ift zu der natürlichen Erzeugung jene göttliche ſchöpferiſche, ſündhafte Einflüffe abwehrende Thätigfeit Gottes hinzu zu benfen. Für den Zuftand des Bereintfeins beider Naturen HM alſo Schleiermachers Formel die, daß jede Thätigfeit in demfelben eine gemeinfchaftfiche beider war; ſo zwar, baß bie Thätigfeit ſtets ausgeht von ber göttlihen Natur, die menſch⸗ liche aber in dieſe Thätigfeit aufgenommen wird. Aber wie verhält es fih nun mit ben Teibentlichen Momenten ber menfch- lichen Ratur? Sie konnten doch nicht ausgehen von ber gött⸗ lihen! — und hatte alfo die menfchliche Natur gar Teine folche? Dam wäre fie gar nicht menfchlih. Die Antwort vielmehr ift, daß fletig und nothwendig ein Teidentlicher Zuftand in Ehri- fius war, fo daß alle feine Handlungen davon abhingen, — das Mitgefühl mit dem Zufland ber Menſchen. Aber woher dieſes Mitgefühl? Als. ein Teidentliches konnte e8 doch nur be ginnen in der menfchlichen Natur, die jenen Zuſtand wahrnahm. Iſt nun Chriſtus zu dem ganzen Erlöfungswerf nur gefommen durch dieſe gleichfam zufällige Wahrnehmung der menfchlichen Hülfebebürftigfeit? Rein, vielmehr ift auch während jener Wahr: Dorner, Chriſtologie. IL 2te Aufl. 75 1172 Dritte Periode. Abſchnitt I. nehmung feine menfchliche Natur nicht durch fich bewegt, ſondern nur geleitet von ber Thätigfeit des Göttlichen in ihm. Dieb Göttliche in Chriſto iſt die Liebe, weiche feiner menfchlichen Natur die Richtung auf die Betrachtung der menfchlichen Zuftände gab. Durch dieſe Wahrnehmungen entwickelten fi dann die Impulſe zu den einzelnen bülfreichen Handlungen; fo daß überall das Thätige der göttlichen, Das Leideniliche nur der menfchlichen Natur zufommt. Die andern leidentlichen Zuſtände feiner menſchlichen Na⸗ tur, bie aus dem Zuſammenhang feiner menſchlichen Organiſa⸗ tion mit der äußern Natur ſich ergaben, gehörten, ehe fie in's innerfte perfönliche Bewußtfein aufgenommen waren, nur ber menfchlichen,, für ſich unperföntichen Natur an, und blieben feis nem innerften Bewußtſein fremde. Sobald fie aber im dieſes eindrangen , wurden fie auch zugleich ſchon von einem göttlichen Impuls durchdrungen. Jeder thätige Zuſtand aljo in Chriſtus wurde angefangen vom Sein Gottes in ihm, und vollendet von der menſchlichen Natur; jeder leidende endete in einer Thätig⸗ keit, welche Verwandlung ihn erft zu einem yperfünlichen erhob. Aber auch bier droht ber. Zeitbegriff in die Thätigfeit bes Göttlichen in Chriſto wieder einzubringen. Damit nun bem Goͤttlichen nicht zeitlich entftehende und wergehende Thätigfeiten zugefehrieben werben, muß gefagt werben: daß das göttliche Weſen in Chriſtus, fich flets gleich bleibend, nur auf unzeitliche Meife thätig war. Zeitlich iſt wieder nur bie ſchon vermenfch- lichte, erfcheinende Seite diefer Thätigkeit. Nur fo, indem wir diefe erfcheinende Seite auffaffen, können wir Chriſto eine wahr- bafte menfchliche Seele zufchreiben, Die aber innerlich von dieſem befonbern Sein Gottes in Ehrifto getrieben wird, welches fich ſelbſt gleich bleibend, und unveränderlich, die Seele in ber Mannigfaltig- feit ihrer Funktionen burchdringt, wie fich dieſe Manuigfaltigfeit immer weiter entwidelt. Was fonad durch das Sein Gottes in Ehrifto wird, ift Alles vollfommen menſchlich, und konſtituirt zufammen die Einheit eines naturgemäßen Lebensverlaufs. Hierin Tigt nun, bag Chriſtus von allen anbern Menſchen vornemlich unterfchieden war durch feine wefentliche Un Schleiermacher. 1173 ſündlichkeit. Wefentlich nennt er fie, weil fie in feinem Innern ihren Grund hatte und biefelbe würde geweſen fein unter allen äußern Relationen: und bie Formel potuit non peccare erjchöpft Das, was von ihm ausgefagt werben muß, nur wenn fie mit ber andern: non potuit peccare Verbunden wird. Aber wie flimmt das zufammen mit ber Wahrheit menſch⸗ licher Natur, für welde der Wechfel von Luft und Unluſt all- gemein if, und wie mit ber Schrift, welche fagt: daß er fei verfucht worden allenthalben gleichwie wir, obwohl ohne Sünde? Es iſt unmöglich, fagt er, daß, wo ein innerer Kampf Ein- mal Statt gefunden hat, bie Spuren beffelben je ganz follten verſchwinden können. Dann aber, wenn bieß bei Chriſto ber Kalt wäre, wirde feine Urbilblichfeit verfchwinden. So muß er alfo frei gedacht werben von allem, was irgend ald Kampf ſich barftellen läßt. Aber ift da noch eine Entwicklung denkbar? Es iſt fehr gut möglich, antwortet er, daß das ſinnliche Bewußtſein und bie höhern Kräfte nur allmälig fortfchreitend hervortraten, fo daß die höhern Kräfte fich ber niebrigeren nur in bem Maaße bemädhtigen konnten, ats fie ſich entwidelten; unb baß anberer- ſeits doch die Bemächtigung in jedem Augenblide in dem Sinn eine vollftäindige war, daß .nie etwas in ber Sinmlichkeit geſetzt fein fonnte, was nicht ſchon gleich als Werkzeug des Geiſtes geſetzt geweſen wäre. Das Werben feiner Perfönlichfeit von der erfien Kindheit an bis zur Vollſtändigkeit feines männlichen Alters Können wir uns vorftellen als einen fletigen Uebergang aus dem Zuftand der reinften Unſchuld in ben einer rein geifti- gen Bollfräftigfeit, welche von allem, was wir Tugend nennen, weit entfernt if. Das andere aber, den Wechſel zwiſchen Luft und Unfuft betreffend, fo kann feine menfchlihe Natur auch an ihm partieipirt haben auf unfünblihe Weife. Er ift zu denken als von feiner Thätigfeit ſelbſt übernommen, nicht aber ihn be: fiimmend oder abhängig machend. In feiner Unfündlichfeit ligt aber auch, wegen des innigen Zuſammenhangs zwifchen DVerftand und Willen, bag Chriſtus Irrthümer weder fann felbft erzeugt, noch auch fremde mit wirklicher Ueberzeugung und als eine wohlerworbene Wahrheit 75* 1174 Dritte Periode. Abſchnitt L in ſich aufgenommen haben. Und zwar ift feine Irrthums⸗ Lofigfeit in dieſem Sinn nicht blos zu befchränten auf fein amtliche Gebiet. Nur muß ber Unterſchied feflgehalten werben zwiſchen Aufnehmen und Fortpflanzen von Vorſtellungen, bevem beſtimmte Vertreter Anbere find, und zwiſchen Abſchließen eines Urtheils, welches Ießtere immer auch irgendwie bie Handlungs⸗ weite beſtimmt. Im Lesteren kann Ehrifins nicht geirrt haben; benn bas würde eine llebereilung oder einen gerübten Wahr: heitsfinn vorausſetzen. Sonft Übrigens dürfen wir ihm Teine beſondere Vortreff⸗ lichkeit beilegen nach feiner menſchlichen Natur, z. DB. natürliche Unſterblichkeit, oder eine Virtuoſität in einer Wiſſenſchaft und Kunſt 80), ſondern feine Vollkommenheit ruht eben darin, daß er perſönlich die vollendete Religion darſtellt. Was aber die Thatſachen feiner Auferſtehung, Hims melfahrt und Wiederkunft zum Gerichte betrifft, fo iſt ein Zufammenhang berfelben mit feiner -erlöfenden Wirffamfeit nicht einzufehen: und doch kann unfer Glaube an ihn nad allen feinen Momenten nur buch biefe Wirkſamkeit beſtimmt fein. Zwar gehört zum Erlöfungswerf feine fortwährende gei⸗ flige Wirkfamfeit; allein dieſe wäre auch denkbar ohne Aufer⸗ ſtehung und Himmelfahrt, und ift nicht nothwendig durch fie vermittelt. So gibt uns auch die Lehre von feiner Wieberfunft nichts wefentlich zu feiner Erlöſerwürde Gehöriges; was in ihr figt für feine Würde, haben wir ohne fie, und fie if nur eime zufällige Ausbrudsweife für bie Befriebigung bes Verlangens, mit Chriſto vereint zu fein. Obwohl aber in all biefen brei Stüden fein wefentliches Moment bes Glaubens ligt, fo werben fe Doch wieder (6.99, 2.) wichtig für die Auftorität Ehrifti, da fich feine Schüler fo viel barauf berufen; denn wenn fie 3. B. von der Auferfiehung 80) Näher ift dieß ausgeführt im der Iefenswerthen Abhandlung von A. Schweizer, Über die Dignität des Religionsſtifters. Stud. und Kritiken 1884. Die Grundidee dieſer Abhanplung, daß Chriſto die religiöſe Genialität zulomme, hat fih aud Dr. . Strauß in feinen Streitfihriften angeeignet. Schleiermacher. 41175 Griſti Falſches bezeugt haben, fo iſt eine geiftige Schwäche ihnen beizumeffen, durch welche nicht bios ihr ganzes Zeugniß von Chriſto unzuverläſſig würde, fondern auch Chriftus, ber fie zu feinen Apoſteln wählte, könnte nicht gewußt haben, was im Menfchen war: ober, hätte er ed gar felbft veranflaltet, daß fie das Innere für ein Aeußeres angefehen, und feine Auferfiehung im Menfchen mit: der obfektiven, äußern, verwechfelt hätten, fo wäre er felbft -Lirheber- ihres Irrthums. Etwas anders aber verhält es fih mit der Himmelfahrt, weil wir über fie feinen Bericht eines Augenzeugen oder eines Apoftels nachweislich be⸗ figen. Noch äußerlicher aber fieht bie Verheißung feiner Wieder: Funft zu der Lehre von Chriſti Perfon, und würbe nur auf fie zurückwirken, wenn biefe Wieberfunft auf irgend eine nachweis⸗ bar falfche Weife befchrieben wäre. Diefe ebenfo kunſtreich als anſchaulich gezeichnete Chris ſtologie bat mit. Recht bie allgemeine Aufmerkfamfeit aufs Lebenbigfte erregt und nachhaltig eingewirft. Genügt fie auch in manchen wefentlichen Punkten noch. nicht: fo viel ift zu fagen, fie enthält einen Berfuh, das Göttliche und Menfchliche in lebendiger Werhfelbeziehung auf innere, organifche Weife zu ver mitteln, und einen gottmenfchlichen Lebensverlauf zu verzeichnen, wie das noch nie zuvor gejchehen war. Borerft verbient eine rühmende Anerfennung die Kritik der bisherigen Verſuche, fo weit fie von Schleiermacher gegeben ift. So ſcharf feine Dialektik verfährt, fo if fie doch keineswegs blos negativer Art, fondern er bat auch bie Aufgabe felbft um einen großen Schritt weiter geführt. Wer nur beachtet, was von Schleiermacher chriftologifch gefeiftet ift, der wird bie Aufgabe nicht für ſchlechthin unlösbar halten, das Göttliche und das Menſchliche in lebendiger Einheit zuſammen zu ſchauen. Zwar iſt die weſentliche Zuſammengehörigkeit des Gött⸗ lichen und Menſchlichen nicht dargethan: das würde auch ſeinem Standpunkt zuwider laufen, dem gemäß er nur von dem Bewußtfein des Erlösten ausgeht, der ba’ weiß, daß er feine Verſöhnung und fein gefräftigtes Gottesbewußtſein nur in ber 1176 Dritte Periode. Abſchnitt I. Gemeinfhaft erhielt, die auf Jeſum von Nazareth als ihren Stifter zurückweist. Statt alfo aus der Nothwenbigfeit bes Gottmenfchen feine Wirklichkeit zu folgern, fett er vielmehr eine Hiftorie voraus, das Wiffen um bie eigene Erlöfung und um eine erlöste Gemeinſchaft; und fchließt von biefer auf bie hiſto⸗ rifche Wirklichfeit des Gottmenfchen, ohne mit den Fragen nad ber Möglichfeit oder Nothwenbigfeit eines folchen ſich abzugeben. Aber fein großes Verdienſt ift, dieſe, ihm ſonach nur biftorifche, d. h. nach ihrer innern Nothwendigkeit noch nicht begriffene Einheit des Göttlichen und Menſchlichen anfchaulich und auf eine Weife entwidelt zu haben, welche eben fo wohl feine Eingigfeit und fpezififche Dignisät, als feine Berbrüberung mit den Menſchen zu bewahren firebt. In Ehrifto ift ihm das vollfommene Sein Gottes; und eben baher ift er ihm ber volls endete Menſch. Und umgefehrt, weil er ber vollendete Menſch it, fo iſt in ihm das Gottesbewußtfein zum Sein Gottes ges worden. Eben damit fucht er bie. beiden Betrachtungéweiſen, diejenige, nach welcher er eine unmittelbare, fchöpferifhe That Gottes, und die, wornach er Bollendung ber Schöpfung if, zu vermitteln. Er ift gleichfam bie ewige. Idee der Menfch- beit, als ſolche ihr auf ungeitliche Weiſe eingepflanzt: und bie ganze Gefhichte vor Chrifto Tann als die werbende Realifirung biefer Idee betrachtet werden. Anbdererfeits aber iſt er auch eine neue, göttlihe That — fofern er aus dem bis bahin real ges worbenen Raturzufammenhang nicht kann erklärt werben, fonbern ung nöthigt auf die Urquelle alles Lebens zurüdzugehen. Wir begegnen bier. wieder einmal einer Chriftologie, Die zugleich wiffenfchaftlichen und chriftlichen Charakter an ſich trägt. Der Gegenfat von Sünbe und Gnade, Die Grundlage feiner chrif- lichen Anſchauung bewahrt Schleiermacher'n vor dem pelagiamifchen Abweg, der eines Erlöſers entrathen will, weil er entweder bie Einheit des Menſchen mit Gott als eine unmittelbare oder aber ala eine folhe denkt, die der Menſch, ohne einen Mittler, vers wirklichen foll und kann. Schleier macher flellt die urfprüng- liche oder an ſich feiende Einheit Gottes und des Menfchen nicht in Abrebe; aber ex fest fie nur als unfere Anlage, ale Urtheile über Schleiermader. 1177 Möglichkeit des Eintritts Chriſti in unfer Geſchlecht; das wirkliche, erſte Dafein aller Menſchen dagegen ift ihm eine unzureichenve Theilnahme am Geifte, fo daß erſt eine zweite Schöpfung ben Menfchen vollenden muß. Die neue Geburt, deren reine Berwirk: lichung Ehriftus urfprünglich darſtellt, denft ex einerfeits nur ale bie Verwirklichung bes ewigen Begriffes des Menfchen; aber bie erſte Form feines Seins als eine biefem Begriffe noch wiber: ſprechende. Sp daß der Wiebergeborene und ber alte Menſch einerſeits bie ibentifche Perfönlichfeit bleibt, aber die Crumwiclung bes Menſchen zu fich felbft oder zu feinem Begriff durch einen Wenbepunft hindurchgehen muß, indem er in ein göttlich ges ſtiftetes Geſammileben einzugeben bat, in welchem-bDie alte Per⸗ fönfüchfeit der Sünde flirbt, und bie neue auferfleht, welche zu: gleich das Urſprünglichſte, Innerſte, wenn fchon ohne Chriſtus nur Gebundene iſt. Dieſe Theorie iſt nun aber hart und von vielen Seiten angegriffen worden. Jedoch großentheilg ungerecht, unb von einem entweder unbewiefenen ober gar undhriftlichen Standpunkt aus. Wir prüfen bie Hauptangriffe nach ihrem Werth, um dann bie eigene Kritik folgen zu laſſen °'). Man fagt: 1) „Schleiermacher fest mit feiner neuen Schö: pfung ein allen Raturzufammenhang plöglih ab: brechendes, abfolutes Wunder“. Schleiermader felbft gibt zu, daß, von Gott aus betrachtet, alles. ein zufammen: Wängendes Ganzes ſei; daß auch, was ben empirischen Naturs zuſammenhang betrifft (Cd. h. abftrahirt von jener allgemeinen Lebensquelle), nichts als abfolut Neues könne gedacht werben. Die nene Schöpfung betrachtet er daher auch wieder ald eine unzeitliche, ewige Einpflanzung Chrifti in bie menfchliche Natur und als Erhaltung diefer Einpflanzung in der Weile, daß fie immer mehr zur Wirflichfeit gelange. Allein dieſe, zum voraus auf wohl zu erwartende Angriffe gegebene, Antwort ift von feinen Kritifern wenig beachtet worben. 81) Bl. zum Folgenden Dr. Kern’s Abhandlung: die Hauptihat- ſachen ber evangelifchen Geſchichte, Tüb. Ztfehr. 1836. 2. 1178 Dritte Periode. Abſchnitt L Der Grund ſcheint in zweierlei zu Liegen. Der eine Grund, fo häufig er vorgebracht wird, ruht auf einer Schleier madern wie bem Chriftentbum fremden Anſchauung. Diele nämlich könnten fih nur bann einen urbilblihen und zugleich biftorifchen Chriftus denken, wenn bie Menfchheit allmälig zu der Kraft, einen ſolchen zu produciren, berangereift wäre ®?). So betrachtet wäre dann freilih Schleiermader völlig uns berechtigt, Chriſto fol eine Stelle in. ber Mitte ber Zeiten zu geben. Sollte aber diefer Angriff Gewicht haben, fo müßte base Chriftenthum nur eine quantitative Steigerung bed Borherigen, nicht aber ein wahrhaft Neues fein. Allein diefe Anficht hätte zuoor fich felbft, oder auch den Saß zu beweiſen, baß ber chrifl- liche Begriff der Wiedergeburt ein ſchlechthin unmöglicher fei, und zu dem der Beſſerung abgeſchwächt werben müffe. Das aber wirb fo lange nicht möglich fein, als es noch einerfeits ein lebendiges Gefühl der Sünde, anbererfeitd ein lebendiges Bewußtfein der Gnade gibt. Darum wird für jet biefer Ans griff, ber bie Unmöglichfeit eines in ber Mitte der Zeiten ers fhienenen, urbilblichen und zugleich hiſtoriſchen Chriſtus beweifen will, als eine bloße Behauptung ftehen zu laſſen fein. Allein auf andere Weife kann berfelbe Einwurf gegen Schleiermaher wieberfehren. Einerſeits nämlich will er felbft die vorchriftliche Zeit als eine Zeit des werdenden Chriſtus betrachtet und fo die neue Schöpfung unter ben Begriff ber Erhaltung geftellt willen. Andererſeits aber feheibet er bie Ges biete der Sünde und der Gnade fo fireng ab, daß ex bie vor: hrifllihe nur ein Gefammtleben der Sünde nennt, unfähig, Chriſtus aus ſich zu produciren. — Wie reimt fi das zus fammen ? Es ift zu geftehen, bag Schleiermach er nicht näher aus⸗ einander feßt, wiefern aud in der vorchriftlichen Welt Chriſtus als werbend könne gedacht werben, obwohl fie nur ein Geſanmt⸗ leben der Sünde war. Allein damit ift feine Sache noch nicht #2) So fpäter auch Eonradi u. v. 9. Urtpelle über Schleiermacher's Chriſtologie. 1179 verloren. Er kann die vorchriſtliche Zeit als ein Werben Chriſti anfehen, ohne irgend die Grenze, bie zwiſchen der alten und neuen Welt feſt ſteht, zu verwiſchen. Denn einmal kann er das Werden Chriſti in dem Gerichte finden, Das über die alte Welt erging, wodurch ihre Kraft und Schönheit in ſich felbft zerfiel, ihre Armuth und Leere offenbar wurde. So gut wir noch jet in dem Tob und dem Zerfallen des alten Menfchen - fchon die durch biefe zu zerſtörende Welt ber Simde hindurchſchreitende Geſtalt des Chriſtus erblicken, ber in uns fol auferfiehen, fo gut läßt ſich auch die alte Welt, weiche doch nicht aus Armuth und Erſchöpfung des Geiftes überhaupt, fondern nur ihres Geiftes zerfiel, als die im Maaße des fleigenden Falles -fich flärfer vegende Macht des zur voll: fommnen Menfchwerbung firebenden Gottes anfeben. Es gibt in der ganzen Geſchichte nirgends eine blos negative Kritik Über irgenb eine gefchichtliche Geftalt: auch fällt keine in Trümmer darch bie bloße Ohnmacht des Geiftes, fondern bas bewirkt nur eine, durch ſolche Negation gleichfam ſich übende, vorbereitende und zu fich ſelbſt firebende Macht einer höhern Pofition. Er⸗ fernen wir aber fonach ſchon in dem Zerfall der alten Welt von chriſtlichem Standpunft aus eine Thätigfeit des göttlichen zu feiner Menfchwerdung fortfchreitenden Geiſtes, fo läßt ſich baffelbe noch von anderer Seite zeigen — wie auch Schleier: mader thut. — Die alte Welt, obwohl in Vergleich mit dem Chriftenthum arm und leer in fich, durchlief Doch einen Kreis der Entwidlung, in welchem fie fi) mannigfach bereicherte. Zwar gab’ dieſe Be⸗ reicherung nie die Verſohnung, aber doch wurbe bie Eimpfäng- Kichfeit und das Sehnen nah Erlöfung auf mannigfache Weife vorbereitet. In der Sehnſucht aber ift fchon ein theilweifer Beſitz des Erfehnten, und alfo eine Art von Gegenwart des⸗ felben, jedoch eine folhe, die nur erft ideal iſt, umb nach ber Realität verlangt. Sofern nun jenes Sehnen und Hoffen immer beftimmter die Geftalt fich ſchuf, die allein allen Schmerz Iöfen fönnte, war auch noch anders, als durch bloßes Gericht, in ber alten Welt eine Vorbereitung Ehrifti, ein Werben feiner Er: 1180 Dritte Periode. Abſchnitt 1. fheinung zu fehen *2). Eine Borbereitung jedoch, die, obwohl fie faun pofttiv genaunt werben, doch keineswegs bas im fich enthält, daß die Menfchheit in allmäliger Fortentwicklung Chriſtum hätte produciren fönnen: beun auch diefe Borbereitung trägt ja uicht den Charakter ber Kraft zu folder Probuftivität, fordern vielmehr den der Bedürftigkeit an ſich. Aber iſt nicht, indem fo, wie Schleiermader ſelbſt ſagt, die Schöpfung in zwei Momente zerlegt ift, von benen das Zweite nicht Probuft bes Erſten iR, der Dualismus zweier unvereinbarer Momente nur in das Geheinmiß und Duntel des göttlichen Rathfchluffes zurückoerlegt? Keineswegs: dem ihre Bereinbarkeit fönnen wir und wohl denfen, wenn wir nur das Erfte und ale geſetzt um des Zweiten willen, ja durch Das weite, als die Vermittlung beffelben mit fich felb benfen, durch weis ches es felbſt, das weite, nicht probucirt wird, ſondern viel⸗ mehr, burch beffen Heberwindung es ſich felbft verwirklicht, und fein wahres Dafein gewinnt, Aber freilich, um bie Sache fo anzufeben, dazu iſt nöthig, weber bie erſte Geftalt ſchon für bie wahre noch für fo Fräftig zu halten, durch fich felbft die wahre beroorzubringen; fonbern vielmehr die erfie Geflalt ber Menſch⸗ beit für die noch unvolliommene anzufehen, durch welche hin⸗ durch, und durch beren Ueberwindung exft bie zweite. fh vealis firt, welche bie eigentliche treibende Macht des Proceſſes, wie die richtende Gewalt, innerhalb ber erfteu verborgen, iſt. 2) Der zweite Hauptvorwurf aber ii: „es fei unmög- lid, daß das Urbildliche zugleich gefhichtlich fei.« ®') — Der Beweis für diefen Satz iſt freilich noch von Niemand *3), Diefes fucht die neuere Altteſt. Theologie eines Baumgarten, Hofmann, und zum Theil auch Delibfch zu erreichen. *, Sp Baur, Strauß u. f. w. Letzterer hat Hiefür zwei Gründe; einmal: es wäre fonft mit der Menfchheit anders als mit ver Ratur, in der doch die Gattung nur in der Allheit der Indivi⸗ duen ihre Darftellung habe; fodann: wäre die Gattung G. h. bei ihm Gott) in Einem Individuum volffommen verwirklicht, fo würde fie fih gar nicht damit quälen, fich in eine Vielheit von Indivinuen zu zerfehlagen. In Beidem will eine phyſiſche, . Äfhettfche Weltbetrachtung ſich an die Stelle der ethbiſchen fehen. Urtpeile über Schleiermacher's Chriſtologie. 1181 - gegeben worben. Er kam in ber That auch nur verſucht wers den von jenem philofophifchen Stanbpunfte aus, der Gott -ald bas bios extenfio Unendliche, oder auch als den XWeligeift bes trachtet,, wie oben genauer erörtert iſt. Und da wir wilfen, wie wenig biefer Stanbpunft Halt in fich felbft Hat, fo werden . wir auch über biefen Angriff, der angeblich die Unmöglichkeit eines Chriftus beweist, wie er im Glauben der Kirche lebt, nur das zu fagen haben: er gehe Schleiermacher gar nicht an, bevor die Dafis feftftehe, auf die ex gegründet iſt. 3) „Aber es ift doch jede menſchliche Entwidlung ein Hindurchgehen durch Kampf, Entzweiung, Die als Sündhaftigfeit im Bewußtfein auftreten müf- fen.“ — Hier kann geantwortet werben: IR es überhaupt um jeden Snbuftionsbeweis eine mißliche Sache, indem er nie zum Ziele führen Tann, fo ‚gilt ein folcher vollends bier nicht, da ja bas Chriſtenthum ſelbſt diefe allgemeine Sündhaftigkeit voraus⸗ ſetzt, aber gerade um ihretwillen Den einführt in bie Welt, ber ohne Sünde war. Die Nothwendigkeit des Durchgangs durch Sünde bei jeder meufchlichen Entwidelung bat, wie gleich: falle oben erörtert ift, noch niemand bewiefen Und wenn 3 B. der Say aufgeflellt wird, daß eine Entwicklung ohme Un⸗ terſcheiden feiner von fich ſelbſt nicht möglich fei, indem fa bie geiftige Entwickiung in fich trage, daß man mit Bewußtfein ein anderer werde, als man fei; fo können wir ung doch recht wohl denken, daß jener Unterſchied, ohne zum Widerfpruch auszu⸗ ſchlagen, fo, wie er aufgeht im Bewußtfein, fofort auch durch den mit dem Bewußtſein in Einheit fiebenden Willen aufgehoben wirb: fo baß bie jeweilige Stufe des Bewußtſeins in unzer⸗ trennter Einheit immer auch zugleich die des Seins und Willene wird, und fein Zaubern des Willens die Wirklichkeit deſſen, was laut des Bewußtſeins wirklich werben foll, fo lange vers zögert, daß ſich Sünde oder Schuldbewußtſein zu entwideln ir: gend Raum gewännen. Auch wi würde in ber That, 89) wenn bie Nothwendigkeit ®) Wie nun auf nad dem Obigen Diefes von faſt allem Reueren anerkannt wird. 1182 Dritte Periode. Abſchnitt L ber Entwidiung durch Sünde bewieſen werben follte, 3* bewieſen. Denn da alles menfchliche Leben Enwicklung if, fo wäre dem menfchlichen Leben ale folchem bie Suünde weienilih. Allein das involvirt einen Innern Wiberſpruch. Dean was if „ Sünde, wenn nicht das, was ausgeſchloſſen wird ober if von ber Idee des Wefens, an dem fie iR? So kann alſo die Stinde nur accidentell und nicht weientlich an dem Menſchen fein. Gerade danı wäre ein Dualismus in ber bee eines. etihi⸗ fhen Weſens gelegen, wenn bas Böſe einerfeitd ein dem End⸗ lihen Wefentlihes, anbrerfeits Das feinem Begriff Wiberfpre- chende fein follte. Soll es dem Begriff des Menſchen wiberfprechen, daß feine Urbitblichfeit irgendwann real werbe, fo wiberfpricht fein Bes griff fich ſelbſt. Es bleibt da nichts Abrig, als entweder biefen Widerfprud durch einen progressus in infinitum fümmerlich zu verbeden, oder aber zu fagen, daß bie Idee des Menfchen ihre Realität in ſich ſelbſt trage, und nicht wirffich zu werben nöthig babe: eine Anficht, durch welche bie ganze Geſchichte wie das einzelne menfchliche Leben zu etwas Eitlem wird. Denn alle Erfheinungsformen find fih ba völlig gleich, aller Fortſchrint gleichgültig, da die Idee ihre einzig wahre Realität in allen ober vielmehr in fich felbft hat. Daher auch Schleier: macher fagt: zu läugnen, daß die Volllommenheit des Gottes: bewußtſeins irgendwo fei, heiße fo viel als läugmen, daß bie Schöpfung bes Menfchen vollendet werde: womit dann vom Menfchen weniger ausgefagt .fei, als von andern Gefchöpfen; benn bei freien Einzelwefen könne das Unvollkommene ſich nicht gegenfeitig ergänzen zur Volllommenheit, während dagegen bei ben andern Gefchöpfen die Geſammtheit der Einzelweſen für bie einzelnen ergänzend fei; fo daß ber Begriff vollfommen wirklich werde. | Obwohl nun aber Schleiermadher in all diefen Punk ten wohl fcheint gerechtfertigt werden zu können: fo werben wir doch in folgendem noch Mängel feiner Chriſtologie zu erfen nen haben, 1) Die hiſtoriſche Wirklichkeit eines urbilblichen Kritik der Schleiermacher'ſchen Chriſtologie. 1185 Chriſtus if aus dem Kriftlihen Bewußtfein nicht befriedigend abgeleitet. In dem Bewußtſein bes erlösten Glaͤubigen und der Gemeinde fpiegelt ſich nach ihm eine per- fönliche Wirkfamfeit des Gottmenſchen ab; fo-dbaß von dem chriſtlich geſtalteten Bewußtſein, als der Wirkung, der Schluß auf einen volllommenen Gottmenfchen gemacht wirb ale auf bie einzig zureichende Urfache jener Wirfung Auf den Einwand nun, daß die Kirche, als ein flets unvolllommenes Refultat, zu Ihrer Erflärung Keine urbildliche Urfache vorausſetze, bat er, wie wir oben fahen, fchon Bebacdht genommen. Dahin gehört nicht forwohl feine Berufung auf. das chriſtliche Bewußt⸗ fein, welches den. Glauben, daß über Chriſtus binausgefchritten werben könne, nicht mehr als chriftlich anerfenne, welcher Glaube nothwenbig entſtehen müßte, wenn jene Urfache nicht urbilblich wäre. Denn damit biefe Ausfage des chriſtlichen Bewußtſeins nicht als ‚eine zufällige, willfürliche und dem Chriftenthum felbft unwejentliche angefeben werben fönne, wäre zu unterfuchen, busch welche innere Beftimmtheit feines Weſens das chriftliche Bewußtfein zur Vorausſetzung ber Urbildlichleit Chriſti komme; damit nicht blos anf Außerliche Weife, burch plößlichen Ueber: gaug auf bie Hiſtorie und das Zeugniß ber Kirche Durch Schrift: wort und ihre eigene Exiſtenz, eine urbilbliche Perfünlichfeit ale zureichende Urſache für Die vorliegenden Wirfungen angenommen wäre. Es wären in ber innern- Gegenwart des Geiſtes, Des chriſtlichen Bewußtfeins, die lebendigen Spuren und das Siegel der Wirkfamfeit einer urbilplichen Perfönlichkeit aufzumeifen, °°) ftatt auf fene Außerlihe Weife, durch Reflerion auf äußere Zeugniffe den Beweis zu ergänzen, daß das neue Leben burch "feine faftifche Exiſtenz auf ſolch eine Perfünlichkeit als feinen Stifter weile. Alten Schleiermacher bleibt auch weder bei dieſer äußerlichen Weife, noch bei der bloßen Berufung auf das Fak⸗ ) im Bewußtfein der Berföhnung durch feine Stelfvertretung. Aber diefes konnte Schleiermacher nicht für fich firiren, weil es ihm aur aus dem principiellen Anteil an ver Heiligkeit Chriſti refultirt. 1184 Drifte Perisde. Abſchuitt L tum ſtehen, daß das chriſtliche Bewußtſein über Chriſtus mie glaube hinausſchreiten zu. können. Sondern er fügt bei: eine urbildliche Urfache müſſe für das vorhandene Refultat vorand- gefegt werben, und eine bios vorbilblicdhe reiche nicht zu, weil nur im Urbild, ‚nicht aber in einem immer tbeilmeis unvell- fommenen Borbild Die Probuftivität ruhe, von welcher doch Das Dafein der Gemeinde zeuge. Und fagt man biegegen: bie Ge meinde als eine nicht unfändliche Probuftion weile nicht noch⸗ wendig auf eine ganz heilige probucirende Kraft, fo amiworte er, Daß zwar das Hervortreten bes neuen Principe immer me volllommen fei: daß aber dem Princip nad der Menfchheit durch das Chriſtenthum ein Beifiges, reines Leben imwohne, weiches immer fiegveicher ſich geltend made: daß jeder Chriß wiffe, das noch Übrige Siindige fei nicht dem Princip, als wäre es felbft ein unveines, fonbern einzig ber noch begränzten Wirt famfeit beffelben zugufchreiben: daß enblich im. chriftlichen Be wußtfein Tiege, es brauche nimmermehr eines neuen Principe, fondern nur bes Hervortretens deſſen, was ſchon ber Dieufdhe heit eingepflangt fei. . So wahr mın Diefes ift, und fo gewiß zugeflanben wer den muß, baß, wenn das Princip des Chriſtenthums ſelbſt noch ein unreines wäre, die Geſtalt bes chriſtlichen Bewußtſeins eint ganz andere fein müßte,. fo iſt damit doch nur erſt die Wirk famfeit einer urbildlichen Uxfache - überhaupt, nicht aber einer folhen bewiefen, die zugleich eine hiſtoriſche Wirklichkeit hatte. — Aber was für eine andere Urſache wäre benfbar? — Die Idee. Es könnte, fagt man, ohne daß irgend auf eme urbildliche Perfönlichkeit zu fchließen wäre, bie Idee der Urbild⸗ lichkeit, im Geiſte der .Menfchheit .anfgegangen, biefe Refultate herbeigeführt haben. Hiegegen nun hat fih Schleiermader nur mit der Bemerkung verwahrt: wegen bes Zufammenhangs zwiichen Willen und Berftand müfle man aud fügen, baf bie ber fündigen Menfchheit durch das Chriftenthum eingepflanzte See der Urbildlichkeit nicht durch fie fehbft hätte erzeugt werben fönnen. — Allein dieſes kann ſchwerlich genügen. Auch Die ge fallene Natur dat noch ein Wiffen von der Idee ber Urbildlich⸗ Kritik der Schleiermacher'ſchen Chriſtologie. 1185 feit; aber dieß Wiſſen iſt mır Wiſſen vom Geſetz, das dem Evangelium gegenüber fieht, anklagt und nicht lebendig machen kann. Die Id ee der Urbildlichkeit für ſich, das wäre wohl die auireffende Antwort von Schleiermachers Stanbpunft aus, bat noch Teine Productivität, ſondern gewinnt fie, wie Schleier: mader fonft auch anerkennt, dadurch, daß fie real und vers ſönlich im Chriſtus erfcheint, und darin fieht er fonft die New beit uab Urſprünglichleit des Chriſtenthums. Sein qualitativer Unterfpieb von allem Nichtchriſtlichen it, daß die Jhre, bie ale Idee zunächſt ein bloßes Sollen ausdrückt, Wirklichkeit und Leben warb in Chriſto und durch ihn zum Lebensprincip ber Bemeinde. — Aber ergibt nicht an, warum nur das hiftorifch erjcheinende Urbild dieſe produetive Caufalität ober. „Princip des Lebens“ babe werben können. Die Antwort wird einerfeits darin liegen, daß die Menſchheit von Gott: ald ein Organismus ges wollt und von- Anfang gedacht ift, ber erſt durch das zu ihm gehörige Haupt fein höheres, pneumatiſches Leben zu haben be- ſtimmt if; anbererjeit darin, daß fie als ſündige mit Gott fich in Teben® und Liebesgemeinfchaft nur wiſſen kann mittelft ber enigegenfommenden, verjöhnenden Offenbarung Gottes, bie einen geſchichtlichen Mittler fordert (ſ. o. II. 3—10). Damit erft wäre noch vollſtändiger geantwortet auf den Einwand: der Schluß von dem Dafein des neuen Lebens in uns auf bas Dageweſen⸗ fein einer urbildlichen Perſönlichkeit in Chriſtus fei nicht berech⸗ tigt, weil dieß neue Leben in bee Seele des Ehriften feinen Grund in einer ähnlichen unmittelbaren That Gottes haben Fonnte, wie eine ſolche That von Schleiermader poſtulirt werde für die Entftehung der Perfon Chriſti.87) — Schleier: mader gebt zur Erwieberung blos auf das Faktiſche zurück: daß nur in. dem chriſtlichen Gefammtleben das. Bewußtfein ber Krlöfung und des Befiges eines. neuen und reinen Principe des Antheils an der Heiligkeit und Seligfeit uns zufomme, daß aber diefes neue Gefammtleben, das inmitten eines außerhalb ber Chrittenheit noch fortbauernden Zuftandes ber herrſchenden ”, Strauß a. a. DO. 719. 1186 Dritte Periode. Abſchnitt J Sünde und Unfeligteit fich erhob, einen Stifter haben müſſe, ber biefes Neue zuerft, durch unmittelbare göttliche Thätigfeit in fih trug, ja daß bie Perfon dieſes Stifters von Geburt an mit dem neuen Princip ausgeftatiet habe fein mäffen, weil nur auf magische Weife es gebacht werben könnte, daß exft während bes Lebens eines Individuums plößlich. und unmittelbar in dem⸗ felben das neue Leben ohne entfprechende äußere Einwirkung aufgehen follte, während bagegen in feiner Geburt jedes Indi⸗ viduum in unmittelbarer Beziehung zum allgemeinen Duell bes Lebens ſteht, und nur fein Lebensverlauf der Wechſelwirkung und Anregung von außen ber bedarf. Bei Schleiermakher erhellt nicht, warum Chriſtus ale urbildliche Darfiellung des neuen Principe zu betrachten fei, und nicht bios als Die erfte oder anfängliche, ausgeftattet mit - ber Kraft, Das neue Princip ber Menſchheit einzupflanzen. Sagte man: daß bie Urbilblichfeit in ihm war, folge aus feiner Pro⸗ buftioität, denn barin eben beflehe der Unterfchieb zwifchen ber bloßen Borbilblichfeit und ber Urbilblichfeit, daß jene wenn auch anregend doch nicht probuftiv fei, fondern nur biefe (ie ja doch auch nah Schleiermader die Kirche nicht dadurch im Stande ift, das neue Princip zeugend fortzupflangen, daß fie vorbilbe lich ift und bei getrübter Erfcheinung im innerfien Wefen rein und heilig, fondern in letter Beziehung dadurch, daß fie das hiftorifche Bi Chriſti fortpflanzt), fo ließe fich doch erwiedern: daß eine dem wurbilblichen ſich nähernde Vorbildlichkeit, zumal wenn fie im Glauben als Urbifblichfeit genommen würde, dann zureichend fein Tönnte, wenn das bloße Bewußtfein von ber Idee der Urbilblichkeit zur Erlöfung nöthig wäre, unb nur darum nicht genügt, weil wir noch eines Weiteren ale des prophetifchen Amtes Chrifti bebürfen. Das erfennt befanntlih auch Schleier- macher an; aber er hat nicht deutlich gemacht, wiefern das Urbilofihe mehr bewirle als bie Erweckung ber Idee ber Urs bifblichkeit, ober umgefehrt, wiefern es dem real Urbilblichen und nur ihm eigen fei, nicht blos auf das Erfennen zu wir fen, fonbern als reales Lebensprincip. Dies führt noch auf ein Weiteres, Kritit ver Chriſtologie Schleiermaner's. 14187 Ein bloßer Menſch, wie hoch er auch fiehe, Kat nicht bie Macht, das Princip der Heiligkeit und Seligfeit, d. i. ben hei⸗ ligen Geift, zu geben. Nun fpricht-aber Schleiermader, in richtiger Auslegung des chrifllichen Bewußtfeins, Chriſto zu, bag er biefed Princip den Seinen mitgeiheilt habe. Folglich Hot eine Probuftisität feiner Urbildlichkeit in feiner königlichen Vollmacht und That. Damit aber ift auch zu einer höheren Auffaffung feiner Perfon fortzugehen als derjenigen, die in dem Wort „urbildliche Menfchheit“, „Vollkommenheit bes Gottes⸗ bewußtfeins“ und drgl. zunächft ausgefagt if. Indem Schleiers . macher biefer Urbildlichkeit Produktivität zufchreibt, bezeichnet er in ber That damit ſchon mehr als irgend einem anbern Menfchen ſelbſt im Stande volllommener SHeiligfeit zukommt, wo exe feinem Urbilde adäquat fein wird. Für diefe Produk tivitãt Chriſti wird, um fie zu erflären, auf das eigenthilmliche Sein Gottes in ihm zurückzugehen, dieſer Gedanke Schleier machers nad neuen Seiten auszubilden fein. Chriſtus if wicht bloß Überhaupt ein volllommener Menſch, fonbern ber Menſch, mit melden fi) Gott jo geeinigt hat, daß feine Perfon auch an ber Produltivität bes neuen Lebens beibeiligt fl. Wäre dieſes beftimmter fürirt, fo wiirde auch nothwendig das eigenthlimliche Sein Gottes in Ehriftus fo haben behandelt werben müſſen, daß Gott nicht bios bie ſchlechthin unterſchieds⸗ loſe abftrafte Einheit blieb, fordern eine von allem fonftigen Sein in der Welt verfchievene bleibende Seinsweiſe Gottes felbft fih dazu beftimmte, in dieſem Menſchen feiend und durch ihn ben heiligen Geiſt mitzutheilen. Denn ba würbe auch beſtimm⸗ ter dagegen Vorkehr getroffen fein, daß bie Yortwirkung ber Perſon Ehrifti fich nicht in eine bloße Nachwirkung feines aufbes wahrten Bildes und in bie That bes mit bemfelben und durch es wirfenben göttlichen Geiftes ſich auflöfe. 2%) Mit Recht ſchreibt er nicht der Kirche für fich ober ihrem Gemeingeift Die Macht zu, ben heiligen Geift mitzutheilen, fonbern biefer pflanzt fich in ihr nur fort mittelſt des fleten Rüdganges auf Chriſti von ihr aufbewahrs tes Bild. Aber an fein Bild kann die fortgehende Produktivität 8, Vgl. Haffe, d. Leben des verffärten Erlöſers 1854. Dorner, Gpriftologie. IL 2te Aufl. 76 1188 Dritte Periode. Abſchnitt L nur darum gefnüpft fein, weil fein Bild vielmehr wärtigung Defien ift und bie Empfänglichfeit mit meinfchaft ſetzt, weldher geftern und heute und in Derſelbe, noch handelt lebt und ben Geiſt mitiheilt, nicht dem Gemeingeift der Küche und feinem Bilde ald bes Dage⸗ wefenen eine Stellvertretung überläßt, durch bie feine fortgehembe That ausgefchloffen würde. — Es if zwar nicht ganz genam, wen man fagt, Ehriflus ſei fir Schleiermader mr Le bensprincip,, feine. Perfon babe für ihn feine weientlicde Stelle. Denn vielmehr if er ihm ja mittheilendes Princip des. heiligen und perfünlichen Lebens, weil er es bat, biefes Leben aber for dert der Natur. der Sache nad perſönliche Eriftenzweife. So ift vielmehr zu fagen: weil er die urbilbliche, ja gotimenfchliche Perſon ift, hat er die Kraft, durch feine Liebe, die durch fein perfönliched Bild fortwährend vergegenwärtigt wird, fich zum Prinecip deſſelben heiligen und feligen Lebens aud in Anderen zu machen. Aber gleichwohl gewinnt es in Schleiermaders Lehre den Anfchein, als wäre Chrifti reale Perfon das Princip bes neuen Lebens in ber Menſchheit nur geweien ald ber Ans fangepunft einer nach ihm ſich von felbft fortiegenden Bewegung, alfo nur Durchgangspunkt und von vergänglicher Bedeutung, wobei ſowohl räthfelhaft bliebe, was Schleiermader doch fo beftimmt will, daß fein perfönliches Bild unerlaͤßlich fei für bie Fortzeugung biefes Lebens, als auch warum über ihm nicht fol binausgefchritten werben können. Ebenfo beutet er zwar das chriftliche Bewußtſein richtig, wenn er burch daſſelbe verwehrt findet, eine abfolute Gleichſtel⸗ Yung mit Chriſtus als die Zukunft ber Chriften auszuſagen. Aber fofern das Höchfte, was er von Chriſtus Ichrt, doch im⸗ mer wieder darauf fcheint zurädgeführt werben zu fünnen, daß in Chriſtus die Vollendung bes Gottesbewußtſeins wirklich ges wefen fei oder die vollfommene Heiligkeit und Seligfeit, fo bringt er fih in bie mißliche Lage, eine bleibende Tperiftfche Dignität Chriſti folgerichtig nur um ben Preis behaupten zu fönnen, daß das Urbilb unferer Perfönlichkeit nie Fönne in uns veal werden. Da blieben wir, ganz gegen feine fonftige Lehre, d ; Fr ar Kritik der Epriftologie Schlelermacher's. 4189 einem troſtloſen progressus in infinitum anheim gegeben, was einen wefentlichen Widerfpruch in dem Begriff unferes Weſens wie einen gerechten Zweifel in die zureichende Kraft der von Chriſtus ausgehenden Erlöſung mit ſich führen würde, bie er boch jonft fo fehr betont: Da Schleiermadher weit davon entfernt ift, und auf ber Stufe fleter Unfräftigfeit bes Gottes- bewußtſeins erhalten gu wollen, damit Chriſtus eine ſpecifiſche Dignität verbleibe, ſo wird nichts übrig bleiben, als den Satz zu leugnen, aus welchem ſich jener Widerſpruch mit der Kraft ber Eriöfung Chrifti und dem Begriff unſers Weſens ergäbe, nemlich, daß Chriſti ſpecifiſche Dignität mit ber volllommenen Kräftigkeit des Gottesbewußtſeins erſchöpft ſei. Suchen wir nun aber für Chriſtus die ſpecifiſche Dignität, die das chriſtliche Bewußtſein fordert und die auch Schleier⸗ macher feſthalten will, eine Digmität, bie nicht mit unſerer ewigen Unvollfommenbeit erfauft wird, womit feiner erlöfenden Liebe und Kraft nicht gebient wäre, ſondern bie befleht, wie glücklich auch Die Erlöften in ber Kräftigfeit des Gottesbewußt⸗ feins wachen: fo ift far, daß wir nicht auf dem Standpunkt anthropslogifcher Betrachtungsweiſe ſtehen bleiben dürfen, nad welcher Ehrifius blos ber vollendete Menſch if, und bie voll: kommenſte Keäftigfeit bes Gottesbewußtſeins barflellt, fonbern wir werben genöthigt fein, entweber weniger von Chri⸗ us auszufagen®®), oder mehr als Schleiermacher that 9%. 9) Bie z.B. A. Schweizer tfut a. a. O. ©. auch deſſen Geſch. d. ref. Dogm. 1847. 2, 275 ff. %) Auf der anderen Seite läßt Schleiermader allerdings auch die Menſchheit Chriſti bei der Art, wie er feine Unſündlichkeit ventt nicht zur vollen Wahrheit gelangen, denn zwar iſt es rühmlichſt anzuerkennen, daß er weit pavon entfernt if, das Böfe oder auch nur die Unvollkommenheit als das vom Begriff unferes Weſens Geforderte anzufehen. Er unterfcheivet fich hierin weſentlich von Pegel und Schelling, wie von Kant, und wunderlich iſt es, ihn Degel’fcher feits des Nüdfalis in ven Kant’fhen Standpunkt des Dualismus zwifchen Sollen und Sein, zwifchen Enplichen und Unendlichen anzuffagen, auf welchem man felbft fleht, wenn man nit in ethifcher Beziehung hinter Kant zurückſinkt. Schleier 76 2* 11% Dritte Periode Abſchnitt 1. Dieter Mangel hängt aber freilich mit dem Stanbpunft der Schleiermacherfchen Glaubenslehre infofern zufannmen, als über bie objektive Beichaffenheit Chriſti nur Unvollſtändiges kann ausgefagt werben, wenn bie Glaubenslehre nichts Teiften will, als die frommen Erregungen in Lehrfäge umfesen. Um fo mehr ift es aber in Anfchlag zu bringen, wenn dennoch andrerfeits Schleiermacer auch fo, wie von felbft, in feinem Spftem auf Punkte geführt worden ift, welche, wie fie über das blos Empirifche, Anthropolögifche hinausgehen, fo dem- jenigen, was er von ſpecifiſcher Dignität Chriſto zufchreibt, erſt ben begrünbenben Halt geben. Denn wenn ihm doch Chriſtus ber einzige Menfch if, der das Organ ber Lebensmittheilung an Ale ward: wenn er ihm Vorbild iſt, das ſchlechthin allge mein, zu allen urfprünglichen Berfchievenheiten ber Einzelnen fih auf gleihmäßige Art verhält: ber zweite Mam, auf den doch fein dritter folgen ſoll ober fann; wenn Chriſtus nad Schleiermacher in feinem hobepriefterlichen Mitgefühl die Stinbe ber ganzen Welt trägt; wenn Gott Alle nur in ihm als gerecht anfchaut, wenn alle Bitte, um Gott wohlgefällig zu fein, in feinem Namen dem Bater vorzutragen iſt, wie er feinerfeits alle Bitten der Seinen vor den Bater bringt, — iſt alles bied, was Schleiermacher von Chriſtus ausfagt, erfchöpft Damit, daß er der vollkommene Menſch fei? Liegt nicht vielmehr in all dieſem eine wefentliche und allgemeine Beziehung Ehrifti auf das gunze Ge⸗ macher Hält treulich daran feſt, daß die Wirklichkeit des Urbild⸗ lichen nicht über unfere Ratur gebt. — Aber zur Wahrheit dieſer Natur gehört auch die Wahrheit eines fittlichen Proceffes, zu biefem der Durchgang durch entgegengefehte ſich darſtellende Möglichkeiten hindurch, die wirkliche Arbeit und ver fittlide Er: werb: und doch verzeichnet Schleiermacher Chriſti unfündkiches Leben fo, daß es als ein ebener fpiegelglatter Strom ohne Kampf Berfugung oder Anfechtung dahin fließt, was ven Eindruck eines phyfiſch nothwendigen Berlaufes macht. Aehnlich wie dem Atha⸗ nafius oder Apollinaris ſcheint Ihm eine no Übrige Beweglichkeit des Willend (zpenzo») ſchon mit der Sünde zufammenzuhängen f. 0. 1,973. 987. Mit Recht hat hierauf Liebner mit Nachdruck als auf einen Mangel hingewiefen. Kritik der Chriſtologie Schleiermacher's. 1191 ſchlecht, und bes ganzen Geſchlechts auf Ehriftus, das in ihm ſich felbft anſchaut in feiner Bolfommenheit? Dder wenn er mit Recht als Ausfage des chriſtlichen Bewußtſeins feftftellt, daß über das Chriſtenthum nie könne hinausgefchritten werden, fon- . dern aller Zortfchritt in dem mit ihm Gegebenen ſchon begründet liege: daß daher alle außerchriftlichen Religionen in bie chriftliche, beren perſönliche Darftellung Ehriftus ifl, aufgenommen zu wer- den bie Deftimmung haben, — wie anders kann dieß ſich recht: fertigen, «als durch das Weitere, daß die abfolute Wahrheit im Chriftenibum gegeben ſei, fo daß wir auf ben. objektiven Siandpunkt von dem blos empfrifchen übergeben müſſen, falls jene Ausfagen fich follen halten Finnen ?). Ja führt nicht biefer anthropologiſche, empirifche Weg, nach welchem Chriftus bios als Erlöſer, Mittler, fomit nur als Mittel für die Menfchheit gewußt wird, über fich felbft infofern Hinaus, als der Zwei, den er vermitteln fol, in ihm felbft auf fchlechthin vollkommene Weiſe erreicht ii: — fo daß Er den abfoluten Weltzwed ober bie Idee, unter der Gott die Welt ſchuf, perſönlich darſtellt, alſo nicht minder als Endziel der ganzen Geſchichte zu betrachten iſt, wie als Princip? Werm Gott ſich in ihm weiß, fo daß fein Wiſſen von Gott zugleich Gottes Wiffen von fich felbft if 92), können wir dann babei fliehen bleiben, daß in Chriſtus nur bie vollfommene, adäquate Darftelung der Menſchheit überhaupt war? Führt dieß nicht, wenn nicht Überhaupt bie Menſchheit als wefentlich Gott inabäquat gebacht if, unmittelbar zu dem Anbern, daß in dem Menſchenſohn auch Gott ſich auf: adäquate Weife weiß? Sobald aber biefes Pegtere zugegeben ift, jo wirb dieſer ſchlechthin vollkommene Menſch (nicht nach feiner irdiſchen Ent- wicllung, fondern nach feiner Vollendung gedacht) wie als bie adäquate Darftellung ver Idee der Menſchheit, fo auch un⸗ mittelbar als die adäquate Darftellung und Offenbarung Gottes zu denken fein. 2 Dies iſt anerlannt und näher ausgeführt von D. Kern L. c. ©. 27. 88. . . =, Was, wie wir fahen, eine zwar nicht durchherrſchende, aber auch vorfommende Betrachtungsmweife Schl. if. Bgl. S. 1154. 1170. 1192 Dritte Periode. Abſchnitt 1. So werben wir, fo wenig auch Schleiermacher alles dieſes ausgebildet und zufammenhängend bargeftellt hat; fo gewiß viel- mehr Anderes fich findet, was mit demſelben ſich nicht gut vers tragen will, doch, das Ganze überiehend, und dahin aus⸗ fprechen müflen, daß auch Schleiermacher jener höhern, urchriſt⸗ lichen Anfchauung von Chriſtus als dem Haupte ber Menfchheit, und ber metaphyſiſchen Bedeutung feiner Perfon nahe genug fommt 99). Es ift bier der Drt über Schleiermachers Gotteslehre noch ein Wort zu ſagen. Er huldigt belanntlich dem Sabellianismus, wie in der Hauptſache auch das Hegel'ſche und Schelling'ſche Syſtem, infofern diefe alle Feine immanente Trinität haben. Aber während, wie wir fahen, Schelling und befondere Hegel Gott ſelbſt in der Welt werbend denken und in bem Leben ber Welt durch Vermittelung des Endlichen erft Gott zum Selbſt⸗ bewußtſein kommen laflen, was freilich nie abfolut erreicht wird: fo if es dagegen ein wefentliher Fortſchritt Schleiermachers, daß er einen ſolchen Proceh bes Werbend, ber Gott mit ber Welt vermifcht und feine Abfolutheit aufhebt, fchlechterdinge vom Gottesbegriff fern gehalten wiffen will. Schleiermacher ftellt in biefer Hinficht im Verhältniß zu Schelling und Hegel, die Gottes Abfolutheit in bie Leibentlichfeit und Zeitlichkeit fi umſetzen laſſen, einen ähnlichen Gegenſatz dar, wie allerdings auf engerem Gebiet der alte Sabellianismus zum fogen. Patripaffianismus. Dabei ift ihm doch Bott nicht nur abfolute Subſtanz, abftracte Monas, fondern er will ihn ale abſolutes geifliged Leben and infofeen auch in ewiger Bewegung gebacht wiflen, denn oft foricht er ſich ſehr ungünſtig über den Gottesbegriff nicht blos des Deismus, fondern auch des Supernaturalismus als einen todten aus. — Andererfeit um ben Unterſchied Gotted von der Welt feftzubalten, in weicher die Vielheit und Lnterfchieblichfeit 22) Eine Erwähnung verdient hier noch bie obige Stelle ver Wei nachtsfeier; denn ver Menſch an ſich dort If nichts anderes als der geifttge Urmenſch. Er if nicht blos der ideale Chriſtus, fondern nach der Stelle ift der Menſch an ih in Jeſus Chriſtus geboren. - Schleierm. Berpältn. 3. Gottesbdegriff ; zu Schelling u. Hegel. 1193 tft, meint er Gott als die fchlechthinige unterfchiedstofe Einheit faffen und Die immanente Trinität beftreiten zu müflen. Aber hiemit tritt bie Vielheit ber Welt ber abfoluten Einheit unver: mittelt gegenüber und es fehlt an dem Princip ihrer Ableitung obwohl ihm doch Bott bie abfolute Caufalität iſt. Verfolgte man ben Gedanken, wie es komme, baß bie fich felhft ewig gleiche göttliche Cauſalität mr in räumlicher und zeitlicher Getheiltheit auftritt, wofür in ihr als abfoluter Einheit ein Grund nicht abzufehen ift, jo würde man folgerichtig ähnlich wie wir das beim alten Sabellianiemus fahen (Bd. J. S.714f.) darauf geführt werben, daß ber Einheit göttlicher Eaufalität und . gößlichen Lebens, dad fih in bie Welt hineinbilden will, ein widerſtrebender ewiger Stoff gegenüber ftehe, welcher nur in allmäliger Bearbeitung befeelt und begeiflet werben könne °*). Das wäre aber Monarchianismus um ben Preis des Dualis- mus. Den will Schleiermader nicht; wohl. aber denkt er fi Gott als das ewig und Überall gleich firablende Licht, fo daß die Unterſchiede nur auf die Seite der Welt fallen, welche den Einen Strahl verichieden bricht und in ihrer Empfänglichfeit verfchieden if. Aber wenn fo Die Weltunterfchieve ihre Cauſa⸗ lität nicht in Gott, alfo in der Wels ſelbſt Haben (denn in ſub⸗ jeftiven Schein will er fie nicht auflöfen), fo tft das im Wider: ſpruch mit dem Begriffe Gottes als ber oberfien und abſoluten Cauſalität. Gerade. feine flarfe Betonung ber abfoluten, gött- lihen &aufalität ferbert für die doch realen Weltunterſchiede auch in Gott eine Unterfchiebenheit von Principien als Real: gründen berfelben, ſchließt mithin jene abfolute Unterſchiedsloſig⸗ feit in Gott aus. — Ließe freilich fein Syſtem eine Stelle für die Sreibeit als fittliches Wahlvermögen, fo ließe ſich jener Dualiswus, jene Kraft der Hemmung Gott gegenüber ethiſch und in Gott ſelbſt motiniren und bliebe fo von ber oberſten Einheit gewollt. Aber diefer Weg, bem fein Determinismus weichen müßte, um eingefchlagen werben zu können, würde ebens falls fordern, daß viel beftimmter, als es bei Schleiermacher — ”) Hievon geben Spätere aus. 1194 Dritte Periode Abſchnitt L geſchicht, Gott ethiſch im ſich feibR gedacht wärde, mb biefes wiederum wäre nid möglich ohne in Gott, und zwar auch abs gefehen von ber Welt, abfolute Perfünlichleit mit ewiger Re Rerion in fi unb mithin flait jener unteridiebelofen Einheit in Goit eine Selbſtunterſcheidung anzunchmen. Es if zwar Migverfiand, Schleiermacher den ſpinoziſtiſchen Gottesbegriff vor zumwerfen; Gott if ihm nicht bios Subflanz, nicht bloße Weit kraft, noch blos Begriff oder ſittliche Weltorbnung, fonbern bie Caufalität von biefem Allem und bie Einheit von Begriff und ‚Sein ®°), alfo das fich ſelbſt wiffende Sein und das abſolui feiende Wiffen, das als folches nicht bios Anderes weiß, fh ſelbſt aber nicht, fondern Das auch fich ſelbſt umfaßt. Wenn er Anſtand nimmt, Bott als perfönlich zu bezeichnen, fo iſt es, weil er im Wort Perfon eine Schranfe, endliche Subjeltivität ſieht 9), nicht aber ift e8 fo zu nehmen, als ob er Bott .bie ewig vollendete geiftige Abſolutheit abfprechen ober fie wenige ſtens als erſt werdende benfen wollte. Aber wie er überhaupt nicht fpefulatio von oben verfährt, vielmehr objeltive Gotteser⸗ fenntnig für unmöglich hält, fo nimmt ihm Gott für bie De trachtung von unten ber nur die Stellung bes Poftulates einer oberfien Einheit ein, bie nicht bloße Zufammenfaflung der vor- bandenen Weltvielheit fei, fondern reale Caufalität, ohne daß er fih näher darum Fümmert, wie biefe Einheit, um Princip der Vielheit fein zu können, müſſe gedacht werden; unb wie er das Wort Perfünlichfeit auf Gott nicht angewandt wilfen will, (ohne jedoch die Sache zu leugnen), fo will er auch feine Unter⸗ ſchiede, (ohne bie fie nicht beftimmt gedacht werden Fann,) in Gott bineintragen laſſen. Bielmehr um den Unterfchied der Welt von Gott feftzuhalten, meint ex jegliche Unterfchiedlichleit als etwas Weltförmiges aus Gott binaushalten zu mäffen. Aber da Leben und Bewegung ohne Unterfchiede nicht zu denken find, fo müßte er dann folgerichtig auch bei dem todten Begriff der Subftanz anlangen, welche zu Alosmismus führen würde. Auch hievon, ) Bgl. Dialektik S. 87 f. 111 f. 113 ff. 134 f. *%) Wie er in den Reben Über die Religion ſich ſelbſt erklärt Hat, Schleiermacher's Verh. 3. trinit. Oottesbegriff. 1195 wie ſchon ſein empiriſcher Ausgangspunkt beweist, iſt er weit entfernt. Aber weil er andererſeits in Gott nur bie oberſte caufivende Einheit für die Welt fieht, fo bringt ev es gerade nicht zu einem genligenden Unterfchieb yon der Welt, dieſe wird ihm vielmehr phyſiſch nothwendige Offenbarung - feines Lebens. Indem er die Unterſchiede von der abfoluten Einheit fchlechthin fern balten will, Tann er auch nicht Gott in ber Mittheilung an die Welt füh auf fi) beziehen und in ihr fich felbft be baupten laſſen, fondern Gott muß ihm nach feinem Wefen, wiefern er doch ein Lebensverhälinig zwifchen Gott unb ber Welt will, in die Welt Übergehendes Leben werben; und Damit it gerade die Gefahr des Pantheismus wirklich geworben, der er dadurch entgehen wollte, daß er alle Unterfchiede als welt- frmig aus Gott entfernt zu halten ſuchte. Damit wäre bei Schellings und Hegeld Begriffe yon dem das Werben über fi) nehmenben, ſich felbft in ber Welt aftualifirenden Gott angelangt. Das wiberfirebt nun aber nach dem Obigen dem Grunbriß feiner Gedanken ſchlechthin. Statt Bott felbft in das Werben, Leiden, in bie Endlichfeit oder: das Andersfein übergeben zu faffen, will er auf das Beſtimmteſte Gott vielmehr als das ewig in ſich vollendete und abfolute geiftige Leben in feiner Un- veränberlichleit Der "Welt gegenüber fefthalten. Aber nun müßte er folgerichtig von einer Selbfimittheilung Gottes an die Welt abfirahiren, von einem Sein und Leben Gottes in der Welt zur Kategorie der bloßen Aftion Gottes auf die Welt, ihres Beſtimmtiſeins durch ihn übergehen, was Tonfequent bie Innig⸗ feit des Verhältniſſes zwifchen Gott und der Menfchheit, die er mit dem Ehriftentfum will, Iöfchen und in bie Wege bes Deismus führen würde. So bewahrheitet fih an ihm abermals dag Fein Entrinnen ift aus der Alternative bed Pantheismus oder Deismus, außer in bem trinitarifchen Gottesbegriffe. Da er jene ewig fich felbft gleiche Vollendung und Selbfibehauptung Gottes nicht mit der Kirche durch inmere Selbftunterfcheidung auch in ber Selbfimittheilung ficher ſtellt, ſo Tann er nur entweber biefe fefthalten, aber fie wird unmillfäixtich ohne bie Selbfibehanptung zur Vermiſchung mit der Welt; ober um 1196 Dritte Periode. Abſchnitt 1. bie Vermiſchung Gottes mit ber Welt und fein Sichverlieren an fie abzuwehren, muß. er judaiſtiſch Gottes Unveränberlichfeit zu lieb feine Selbfimittheilung an die Welt beichränfen und bie Mittheilung feines Weſens, das eigentlich als die abfolute Eins ‚ beit, die es ift, nicht mittheilbar ift, umfeßen in Aftionen Gottes — ein Berlauf, der uns fchon früher vom Sabellianie- mus aus begegnet ift (I, 696 ff. 864 ff.). Demn auch nick einmal der Unterfchied zwifchen dem unmittheilbaren Sein unb der mittheilbaren Fülle Gottes hat feine Stelle, wenn Gott nur bie fchlechthin unterſchiedsloſe Einheit if. Würde diefer Gefichte- punkt, auf den Schleiermadher häufig genug übergeht, zu Ende geführt, fo kämen wir bei einer Bott wefentlich fremden Welt, bei dem Dualismus ber beiftifchen Weltbetrachtung an. Gett wäre da nur der durch feine Aftionen Alles beſtimmende all⸗ mächtige Herrfcher, aber nicht mehr die felbftmittheilfame Liebe und auch Ehriflus wäre nur der durch Gott fchlechfhin beſtimmie Menfch ohne eigenen Antheil an göttlichem Leben und Weſen. Nach diefer Seite wäre alfo das Ende des Sabellianismus ein Ebionitismus (vgl. I, 879 ff), wie er abermals Schleier machers Chriſtologie und Frömmigkeit fremd if. Das Ausgeführte mag zeigen, daß Schleiermachers Gottes⸗ begriff zwar weder pantheiftifch noch beiftifch fein will, aber im Schwanken zwifchen beiden bleibt und ſich von biefem fo lange nicht befreien fann, als er nicht einerfeits durch Selbftunterfcheibung Got: tes deſſen Selbfibehauptung auch. in der Selbfhnittheilung an die Welt fiher ſtellt, und als er nicht andererfeitd dem Deismus gegenüber Gott, damit er mittheilungsfähig fer, abermals als m fih ſelbſt unterfchiedene Einheit faßt. Und wie im dritten Jahr⸗ hundert zwar ber chriſtliche Gottesbegriff, im Gegenfag zum gnoſtiſchen und patripaffianifchen, gegen die Verwandlungslehren (das Anderswerben) und gegen das Werben Gottes ſich zur ewigen Abſolutheit feines Begriffs abfchließen mußte, aber ber abſtracte Monarchianismus ſich auch dem Schwanfen zwiſchen dem deiſtiſchen Arianismus und bem pantheiftifchen Sabellianis⸗ mus (die immer. wieder in einander Überfchlugen oder ſich zu combiniren verfuchten) nicht zu entziehen vermochte, bis bie kirch⸗ Ueber Schleiermacher's Gotteslehre. 1197 fiche Lehre von ber trinitarifchen Selbflunterfiheidung Goties in ſich feftgeftellt war, kraft deren Gott mittheilfam fein Tann, ohne fih an die Welt zu verlieren: — fo kann auch der Kortfchritt Schleiermachers über ben Theopafchitismus Zinzendorfs, der ihm wohl in feiner Jugend vor bie Seele trat, fowie ben Proceffus alismus Schellings- und Hegel, die bie Abfolutheit Gottes in ein Anderswerben umfchlagen und ihn fich verwandeln laffen, anbererfeits über ben todten Gotteöbegriff vor Kant fih nur füher fielen durch Aufnahme ber Uinterfchiebe in die Einheit bes göttlichen Lebens, Wiſſens und Liebens, mit einem Wort, durch eine immanente Trinitätslehre. Denn mit Hegel und Schelling zwar eine reale Unterfeheibung in Gott zu feben, aber fo daß bamit unmittelbar zur Welt übergegangen würbe als dem Sohne Gottes, würde weder für eine linterfcheidbung Gottes von der Welt Raum Iaflen, da -vielmehr die Welt. nur der ing Anderes fein verwandelte Gott felbft wäre, noch eben daher auch für eine Liebesmittheilung, weil bie Liebe einerfeits auch Selbſt⸗ behauptung in ber Mittheiling, andererſeits vealen Linterfchieb zwoifchen dem Gebenden und Empfangenben vorausfegt. Solche Geftaltung bes Gottesbegriffe würde aber nicht blos ber Tendenz Schleiermachers entfprechen, den Deismus und Pan: theiomus zu überfchreiten, fondern wiirde auch ber confequenten Durchführung feines dhriftologifchen Aufriges bie wejentlichften Dienfte leiften. Diefer fordert, wie wir zulegt faben, daß in Chriſtus nicht blos die Darftellung ber adäquaten Idee der Menfchheit, fondern au ber Dffendbarung Gottes, und zwar nicht bios in Form einer längere oder fürzere Zeit fefigehaltenen Aktion, fondern in Form eines fperififchen und einzigen Seins, ja fih Wiffens und Wollens Gottes in dieſem Menſchen ge- geben fei. Bweiter Abfhniti Die nenefte Zeit. Zufammenfaflung der Nefultate der bioherigen Gefchichte “der Chriftofogie. Seit Mitte vorigen Jahrhunderts war bie Chriſtologie über wiegend von philofophifchen Denkweiſen befiimmt, nur Daß immer wieber von ihnen aus ein Teibliches Uebereinfommen mit den firchlichen und bibliichen Elementen ber Chriſtologie gefucht wurbe. Die feit der Gnoſis nie dageweſene Probuktivität in raſch fich folgenden philofophifchen Spflemen fand in ber Gefchichte ver Chriftologie ihren faft nur zu treuen Wiberfchein, und dieſes macht zunächſt überwiegend den Eindruck des Unſteten und Schwankenden, ja der Verwirrung. In der That kann es auch hiebei nicht bleiben, eine ſolche Lage der Dinge kann nur eine Uebergangsſtufe fein. Der Glaube an das lebendige Fortwirken bed Chriſtenthums in der Kirche iſt identiſch mit ber Ueberzeu⸗ gung, daß der Zeit einer faſt wnüberfehbaren Getheiltheit ber chriſtologiſchen Theorien eine Zeit folgen werde, in welcher ſich mwenigftens in ben Hauptpunkten eine Firchliche Gemeinüberzengung wieber geltend machen wird; nicht durch bloße Repriftination des früher ſchon Dagewefenen : denn was hülfe es in bie Syrten abermals zurückzukehren, welche bie allgemeine Stodung und Verwirrung gebracht hatten, in welchen des Bleibens nicht war und welche doch auch Feine vorwärts gehende Fahrt, ſondern nur . eine theilweife Retractation übrig ließen? (II, 807). Bielmehr das Der Stillſtand ber philoſophiſchen u. theolog. Syſteme. 1199 wird die unerläßliche Bedingung für die Bildung einer ſolchen Gemeinüberzeugung fein. (die, auch ohne Synoden, nad dem Beifpiel ber erſten Jahrhunderte durch Die innere Kraft der Wahrheit möglich fein muß), daß bie Vorausfegungen, die ins Unwegiame abgeführt und bie Verwirrung verſchuldet haben, beſeitigt und dagegen ein Schritt in poſitiver Erkenntniß vor⸗ wärts gethan werde, ber dem vorhandenen Bedürfniß Befriedi⸗ gung bringe. Hiezu werben aber gar nicht weſentlich neue. Wahrheiten gehören; — der Glaube ber Kirche bat zu allen Zeiten die weſeniliche und ganze hriffiche Wahrheit in fi ich, — fondern vielmehr nur Diefes, daß bie. wifienfchaftliche Reconſtruction ber Kirche Solches gebe, was bem Glauben wie altbefannt weil ibm . ans dem Herzen gerebei, und was doch auch neu fei, inbem es alte. Schwierigkeiten IHR und neue Bahnen eröffnet. Daß wir bereits in biefed Stabium eingetreten find, wo bie Kirche nach der Frucht einer in den Hauptpunften einträch⸗ tigen unb wohlbegründeten Gemeinlehre verlangt und wo bie Arbeiter fi) anfchiden, diefem Bedürfniß zu genügen, iſt unvers kennbar; der flutbenbe Reichthum der aufeinander folgenden ori⸗ ginalen, wie auf freier Aue ber Ehriftenheit emporgewachſenen Syſteme fleht da, aber vermehrt ſich nicht mehr merflih. - Das nehmen Manche als ein Zeichen ber Ermattung ber neueren Theo⸗ Iogie, ſowohl neologiſch als paläologiſch Gerichtete, nicht fehend, daß es Sache eines krankhaften Gaumens wäre, immer nur nad neuem Kitzel zu verlangen. Das gefchichtlich gebildete, chriſtliche Urtheil fieht in jenem Pauſiren feinen Tod, Fein Privilegium zur Beratung der Wiffenfchaft ober zu verzweifelnber Reſtaurations⸗ ſucht des Alten, das uns von fi vorwärts: trieb, fonbern eine Aufforderung zu der Arbeit, Die dem neuen. Stabium obligt. Die Blumen haben geblüßt, reich und zum Theil prächtig, ‚eine Welt son neuen Gedanken bat fich erfchloffen, zum Theil ahnungsvoll in die fernfte Zufunft greifend. Aber die Arbeit der Biene if nicht zu fchmähen neben bem Fleiß der Bäume und Blumen. Sie hat das Haus kunſtgerecht wohnlich auszubauen und mit Schätzen zu füllen zum gemeinen Nuten. Die evangelifche Kirche darf hoffen, daß ihr werde gegeben 1200 Dritte Periode. Abſchnitt IL. werben, eine befriebigenbe‘ chriſtologiſche Gemeinlehre berzuficien. Dafür fpricht die Intenſität und die Berbreitung ber Aücklche zum Princip der Reformation. Dem aus ihm ift ſchließlech auch der chriſtologiſche poſitive Fortſchritt zu ſchöpfen (II, 515— 531.)- Es will und muß Licht und Seele auch biefer theologifihen Ar: beit fein; die Philoſophie ohne daſſelbe Tann nur Borarbeiten, wenn auch noch fo werthoolle, liefern. Betrachten wir num in ber Gegenwart der Chriſtenheit bie Borboten ober Anfänge einer hriftologifchen Gemeinichre, welche flatt der Widerſprüche in ber alten Form ber Chriftologie dem Glaubensinhalt zu befriebigenderem Ausdruck zu bringen bat, fo ge⸗ währt dafür leider bie griechiſche Kirche bis jetzt noch feinen Bei⸗ trag ; bie römifche einen nur geringen ; einen um fo reicheren umb boffnungsvolleren aber die evangelifche Theologie, fo weit fie bie reformatorifche Grundlage bewußt und energiich, eben Damit aber auch wieder ein wirkſames Princip weiterer Einigung im ſich aufgenommen bat. Um fo-williger verweilen wir zum Schluß hei diefer Betrachtung, als damit auf hiftoriihem Wege ein Gegengewicht gegen ben unbefriedigenden Schein fi) ergeben wird, als zeigte die Geſchichte der Chriſtologie zumal in ber evangelifchen Kirche nur eine rubelofe Bewegung. IR glei oft in dieſer Geſchichte auf den chrifllihen Glauben als das wefentlich Identiſche, Feſte in all diefen Bewegungen hingerwiefen, fo war doch der Natur der Sache nach bie Bewegung ihr vor: nehmfter Gegenftand. Um fo nöthiger ift es, nun auch ned doabei zu verweilen, baß biefe große bewegungsvolie Geſchichte nicht ziellos fei, fonbern fich fruchtbar erweife, mit einem Wort, daß gerade bie heftigfien Stürme, die bad Dogma mit Auf Iöfung zu bebrohen fchienen, nur dazu haben dienen müſſen, das Schiff aus den Syrien wieder in gutes Fahrwaſſer zu führen. Sn der griedifhen Kirche war, wie wir faben, eine ſchiefe und einfeitige Richtung feit ber voreiligen Ausfcheibung des Monophyſitismus eingetreten, ber noch ein nicht verfianbenes Recht auch gegen die chalcebonenfifchen Schlüffe hatte. Der Uns fegen biefer That belaflete bie Eutwidlung bis zum Concil vom Jahr 681 und trieb unwiderſtehlich im einfeltigen Gegenfag | Die hriftolng: Gegenwart d. drei großen chriſtl. Eonfefl. 1201 gegen den Monophyſitismus zu immer confequenterer Durchführs sung des Dualismusger zwei Naturen, bie zulegt faft nur buch das formale Band ber Einheit des Ich zufammengehalten waren und das einheitliche Bild von Chriſtus in eine fimultane Doppelseibe von Thätigfeiien bes Erkennens und Willens auf- löſen. Die Berwirrung flieg durch das Uebergewicht, das gegen bie Thefis von ber Zweiheit ber Naturen immer einfeitiger die göttliche Natur oder Perfon behauptete. Nach biefer Seite latitirte hinter dem ausgebilbetften Dualismus doch eine wefents lich monophyfitiiche Denfweife und mir fahen: das Concil vom Sabre 681 Tangte fo dabei an, durch. Setzung einer ſelbſtloſen Menfchheit mit feiner eigenen Intention in Widerfpruch zu foms men und gewiflermaßen damit abzufchließen, daß als Kirchen: lehre etwas aufgeftellt wurde, morin der oftenfibele Hauptzwech, die Ausrottung auch der Ausläufer des Monophyſitismus und bie Durchführung des reinen Dyophpfitismus ; mit direct Entgegen. geſetztem verbunden wurde. Das war wohl gut für den kirch⸗ lichen Glauben, ber fi nun von dem Wahren, das in beiden Denfweifen, ber byopbpfitifcfen und monophpfitifchen enthalten fein wird, nähren fonnte. Aber e8 war nicht gut für Die kirch⸗ liche Erkenniniß, daß die Iegte Formel, an der die griechifche Kirche ſich betheiligte, die Forderung ‚enthielt, Widerſprechendes zufammen zu denken. Sie bat auch ſeit vielen Jahrhunderten bis jetzt an ber Aufgabe nicht mehr gearbeitet, fondern nur traditionell ihre Formeln fortgepflanztt. Gleichwohl verbleibt immer ber griechifihen Kirche das Verdienſt, die Wahrheit der göttlichen Seite in Chriſtus bis zur Begründung in ber Trinität, die der menfchlichen fm Allgemeinen nach Seele und Leib in der erfien Periode durchgeführt zu haben. Die römifhe Kirche hat, ihre Gefchichte im Großen angefeben, chriſtologiſch unter allen am wenigſten geleiftet; ihre Probuktivität Tigt an anderen Orten. Aber ber genannte Widerſpruch in der von ihr übernommenen Erblehre Fam durch fie an das belle Tageslicht, indem der Adoptianismus und ber Nihilianismus fich in die entgegengefegten Säge bes Eoncild vom 1202 Dritte Periode. Abſchnitt IL Jahr 681 theilten. Wir fahen, wie die Scholaftif in diefen beiden unaufhörlic bin und her ſchwankt, aber ag, wie die beiderſeitigen chriſtologiſchen Lehrformen, gleich zerftörenb für die Idee wahrer Gottmenſchheit, theils ein Bedürfniß von Surrogaten für die Chriſto⸗ fogie hervorriefen (fo bie nihilianiſtiſche Richtung), theils ſolche Sur⸗ rogate erfanden ober dazu verlodten. In der Transſubſtantiations⸗ lehre bricht der verhaltene Monophyſitismus hervor; die adop⸗ tianiſche Richtung ladet beſonders ein, Ehriſto einen Kreis von Heiligen zur Seite zu ſtellen, mit welchen er feine Mittlerſchaft theilen fol. Die hriftologifche Verwirrung und der daran ſich fehließende Zweifel hat feine Spige in ber Scholaftif vor ber Reformation erreicht, und durch Abweifung der Reformation bat ſich vollends die fatholifche Kirche, Die dadurch zur römifchen wurde, in bie Lage geſetzt, daß ihre Theologie, fo weit fie fid nicht zur hriftologifchen Unthätigfeit verurtheilt, troß alter und neuer Bes fchwichtigungsverfuche: nicht darüber hinaustönmt, immer nur in jene mittelalterlichen Gegenfäbe ſich wieder nufzulöfen, welche das Gemeinſame haben, einen Dualismus des Göttlichen und bes Menfchlichen entweder in Form der Bereinerleiung und Abforption ober in ber trennenben Form in ſich zu hegen ’). ı) Es kommt bier Günther und feine Schule in Betracht, gegen welche in der katholiſchen Kicche eine fo Heftige Bewegung im Gange if, da die überwiegende Strömung bort jeßt dahin geht, die menſchliche Seite in Chriftus in die göttliche zu reforbiren und nur einen Schein von ihr übrig zu laſſen. Dem tritt Günther und die Seinigen mit Recht entgegen. Er betont bie Selbſtſtändigkeit der menfälichen Seite, wofür er fih auf Leo und die Synoben vom Jahr 451 u. 681. mit Recht wider feine Gegner - berufen Tann. In diefer Betonung. der wahren Menſchheit ligt freilich nur ein Moment des Reformatorifchen, da dieſes nicht minder auch vie Einpeit kräftig vertritt — und fo vermag Günther fich nicht wirklich damit zu befreunden. — Indem Ghntherd Gegner in entgegen: geſetzter Einſeitigkeit nur auf die Einpeit bliden, die fle in dem Göttlichen fehen, fo geſchieht es, daß beide einander mit gleichem Recht und Schein den Vorwurf des Proteftantifchen machen. Aber auch mit gleichem Unrecht, indem weder die Günther’fehe Inter: ſcheidung des Göttlichen und Menſchlichen die reformatorifce if, noch die Einheit, welche feine Gegner vertreten. Bielmehr, Die römiſch-kath. Ehriſtol. d. Gegenwart. Glinther, Trebifch. 1203 In der evangelifchen Kirche, vornehmlich der Intherifchen, ift foteriologiich oder im Glaubensprineip jener Dualismus bes wie diefer Doppelvormwurf ſchon andeuten kann, bie reformatortfche Betrachtung vereinigt das, was in dem Antireformatorifchen ewig aus einander fliehen muß; iene beiden Parteien aber flellen nur aufs Neue die Gegenſätze des Mittelalters dar, die einander wohl wider, legen, aber weder fih noch dem Gegner zur Wahrheit verhelfen. — Günthers Grundgedanke if der Dualismus Gottes und ber Welt. „Das Univerfum if die Eontrapofition des vreieinigen Got⸗ tes.“ Der Menſch if ihm ein „Bereinweien“ oder eine „Ehe“ von Geiſt einerfeits, Leib und Seele andererfeits. Die Berbindung beider Seiten fol eine nur formale fein. In jeder Perſon nemlich fet Form und Wefen oder Subſtanzprincip zu unterſcheiden. Die Form iſt das Denken des Welens, wodurch das Sein zum Sub: iett wird. Das Denten des Wefens (der zwei Subſtanzprincipien im Menſchen) over pas Selbftbewußtfein ift des Menfchen Einheit. Während aber in einer abfoluten Perſon das Selbfibewußtfein - ein unmitielbares if, fo wird es in der kreatürlichen nur durch Unterſcheidung fremden Dafeins und Mitwirkung des eigenen Seins vollbracht. Diefe Säge müflen auch auf Chriſti Perfon angewendet werben. Der ewige Sohn tft ein eigenes ſelbſt⸗ bewußtes Subielt. Aber au feiner Menfchheit, wenn fie eine wahre fein foll, muß ein eigenes Selbfibewußtiein, und ein Werden deſſelben, ein Zunehmen ver Erkenntniß zugefchrieben werden; nicht minder ein freier Wille, von dem auch das potuit peccare gilt. Es genügt nicht die Lehre von einem Scheinlet b Eprifi zu verwerfen, man muß ven Dofetismus auch in Bezug - auf fheingeiftige Zuflände, den Scheinwillen und das Schein: wiffen, abthun, Tonft iſt die Homoufle verlegt. Die Scholaſtik, fagt Trebifch Gie chriſtliche Weltanfhauung 1852. ©. 148), ſchwankte zwifchen Neftorius und Eutyches, wenn fie einerfeits eine scientia infusa als habituale oder aktuale und mit ihr eine Bol kommenheit der Weisheit in Eprifi Seele von Anfang annahm, andererfeits doch auch eine scientia acquisita, wenn fie ferner ähnlich in Beziehung auf die Heiligkeit verfuhr. Das Eine mat das Andere müſſig. Es fei daher auch die Menfchheit als perſönlich tn fich zu bezeichnen, wie andererfeits der Logos. — Wie wird nun aber die Einheit der Perfon Chriſti bei der Zweipeit ber Perſonen in ihr, die Feine innere Beziehung auf einander haben, . behauptet ? Wenig Gewicht ift varauf zu legen, daß Günther fagt, eigentlich fei jede reale Bereinigung einer abfoluten Subflanz Dorner, Chriſtologie. II. te Aufl. 77 1204 Dritte Periode. Abſchnitt II. Eprifiol. Streit zw.- wältigt, ber bie beiden Naturen in Ehriftus ſowohl der Ber: einerleiung ald ber Trennung ausfegt. Ja ed war and naments mit einer kreatürlichen infofern eine hypoſtatiſche, „als bie abſo⸗ Iute Perſoͤnlichkeit dabei die handelnde fei,“ denn damit iſt nur gefagt daß ber Logos auf Jeſum wie auf Alle fi beziehe. Der Menſchheit ſelbſt kommt mit dieſer Berbindung noch nichts zu Gute. Etwas mehr ligt darin, daß „von Anfang der Logos bie Blasmirung und die Seelenevolution des ihm Ieibeigenen gehei⸗ ligten Jeſuskindleins überwacht und fördert“ (Trebifh S. 151). Aber das eigentlich qualitative Moment, das Chriſto allein zu: fommt und ihn zum Gottmenſchen macht, fol in dem Selbſtbe⸗ wußtfein Tiegen, was auffallend an die Tarteflanifpe Chriſtologie erinnert (IT, 899). Diefes iſt der gemeinfame Typus ber gött- lichen und ver menfchliden Subflanz, indem es die wefentlide Form ihres Weſens if. Als Gemeinfames ift es zum Medium der Einigung des Logos mit Jeſu geeignet. Die Creatur nemlich erfaßt ihr eigenes Sein nur dadurch, daß daffelbe nach feiner Beftimmtheit für das Denten erſcheint. Das göttliche Princip nun, welches feinerfeits fich geeinigt hat mit menfchlichem Sein, wird daher für das menfchliche Selbſtbewußtſein erfcheinen durch irgend eine Einwirkung, durch Mittheilung des Gebantens von tener Einigung, indem das göttliche Princip fih dem menſchlichen als mit ihm verbunden zu erfennen gibt ober erſcheint. So hat nun dieſer Menſch das Wiſſen feiner als des Gottmenſchen. Aber Tann denn Günther jenes Zuelgenfein der Menſchheit Eprifi für den Logos als ihre eigene Beſtimmtheit aufzeigen? Es enthält ja nichts als was von Allem, felbft Leblofem gilt, daß ver Logos feinerfeite hypoſtatiſch handelnd dabei if als bei feinem Eigenen. Und wie fol doch bie Berboppelung ber gleichen Form Einheit ber Perfon bewirken ? Zumal wenn der Inhalt diefer Formen abfolut verfchieden tft und bleibt und bie Gleichheit nur darin befteht, daß fie beide geiflige Form eines Inhalts find? Eine fub- ftantielle Verbindung zwiſchen Bott und ber menfchlichen Sub⸗ ftanz, eine totale Durchdringung bes menfchlicden Selbſtbewußt⸗ feines vom Göttlihen dem Inhalte nach dürfe nicht angenommen werden, fondern nur eine formale Einpeit. Jene Erſcheinung, durch welche Zefus fh als Gottmenſchen weiß, koͤnne zurüdtreten und doch Jeſu Selbfibewußifein und jene Berbindung fortpauern. Alle Menfcen find Bereinwefen, durch die formale Einheit des Bewußtfeins; nicht anders verhalte es fich bei Chriſto, nur daß das Bewußtfein hier auch noch das abfolute Princip umfaßt. In diefem „Bereinwefen“ mit feinen zwei außer einander und Günther u. zw. Difipinger, Elemens, Ueber u. ſ. w. — Ev. Kirche. 4205 lich von Luther bereits der Anfang dazu gemacht, bie durch ben Unierſchied vermittelte Einheit der Perfon ober (damit man hier gefondert bleibenden Thätigfeitsreipen iſt Günther'n das göttliche und das menfchlich geiftige Leben mit abwechfelnder Borberrfchaft wirffam, nur daß der hegemoniſche göttliche Wille die Vorherr⸗ ſchaft des einen oder anveren beſtimmt. So find die zwei Per fonen befaßt unter eine gemeinfame Perfönlichleit (vergl. oben I, 87 Anm.). Da eine freie Schuld nur von einem freien Ber: dienft in einem und demfelben organifchen Ganzen gehoben wer: den Tönne, fo müffe die Genugthuung Fediglich vom Menſchen-⸗ fohne geleiftet fein.” Das werde, fagt Günther, erreicht bei feiner Lehre, welche in Yefus eine neue reine Schöpfung auf dem Boden der alten, aber eine wahre Menfchheit fehe. Mit ver Kirchenlehre - fucht ich namentlich Zrebifch dadurch auseinander zu feßen, daß er es für Eirchlich ausgibt, zwiſchen Hppoſtaſe und Proſopon zu unterfcheiden wie zwifchen dem Ruhenden und Actuellen. Es felen zwei Hypoſtaſen, aber in ihrer Actmalität werben fie Ein Profo- yon, Eine formale gottmenfchlide Perfon. Die Rekoriauer feien Monotheleten geweien und haben den Menſchenſohn von vorn herein eine Perſon fein Laffen, während er doch erfi mit dem Eins tritt des Willens um die Hypoftatifche Union fein volles Selbſt⸗ bewußtfein habe. Vgl. Günther, Borfchule der fpec. Theol. 2 Bde. 4. 2. 1848. Lydia 1849. Peregrins Gaſtmahl, Wien. 1850. Pabſt, Ehrikus und Adam; ber Menfh und feine Geſchichte. 2. Ausg. 1847. Merten, Grunde. d. Metaph. 1848. Knoodt: tath. Biertelf. 3. 2. 9. 2. 1848. Knoodt: Günther und Ele mens; offene Briefe, 8 Bde. 1853 u. 54. Br. 2. ©. 239482. Baltjer, neue theol. Briefe an X. Günther. 2. Ser. 1859. ©. 145-216. Die Gegner diefer Schule find beſonders Diſſchin⸗ ger: Die Günther'ſche Philoſophie. Schaffh. 1862. ©. 352 ff. Elemens, die fpec: Theol. Günthers und d. fath. Kirchenlehre Cöln, 1858. G. Lieber, Über das Wachsſsthum Jeſu in der Weisheit, ereget. dogmengeſch. Erörterg. d. Stelle Luc. 2. 1860. Boltmuth u. X. Gegen Günthers Lehre wird geltend gemacht der Widerſpruch mit dem Ephefiniſchen Concil, der ävasıs yuoıny, dem Beorsnog u. dergl. Chriſti Actionen feien gegen Leo's Satz bei @linther nicht gemeinfam, fondern es fallen die einen ber göttlichen, die anderen der menfchlichen Ratur zu in alternirender Vorherrſchaft. Clemens, der von dem Gegenfah der kathol. be- fonders jeſuitiſchen Dogmatif gegen die Inth. Ehriftologie nichts zu wiſſen ſcheint, vermißt. eine. reale comm. idd. und will, daß nach der unio der Unterfchied der Raturen nur noch ein formaler, 77* 1206 Dritte Periode. Abſchnitt IL nicht an das bios formale Band des Ich beufe) bie lebendige jene alten Gegenfäge im reformatorifchen Princip überwunden, aus der Berwirrung und Auflöfung des Alten hatte fi ein neuer unendlich fruchtbarer Anfangspunft erhoben. Aber die theo⸗ Iogifche Ausbeutung dieſes Principe für bie Chriſtologie geriet) abermals auf einfeitige Bahnen. Auf die Lehre vom Heildweg und den SHeilsmitteln überwiegend gerichtet unterließ die alte Dogmatif die überlieferte zum Theil ariftotelifche Lehre vom Weſen Gotted und des Menfchen kraft des reformatorifchen Principe umzugeſtalten. Auf die Lehre yon ber Trinität wie von der Perſon Chriſti hat der Bildungstrieb ber Reformation fih nur mit dem Fleineren Theile feiner Kraft hingewendet und bie chriftologifchen Ideen Luthers haben vermeintlich im Intereſſe feiner Abendmahlslehre in ber lutheriſchen Scholaftif wieder Theorieen Pla gemacht, in welden ber innerfien Intention Iutherifcher Kirche entgegen der alte Dualismus nur aufs Neue und etwas verhüllter bervortrat. Als nun bie Lehrform ber Iutherifchen Scholaftif das firchliche Vertrauen verloren hatte, ja in eine innere Selbftauflöfung geratben war, ba brach auch über die Theologie der evangeliſchen Kirche eine Zeit ber Verwirrung und Rathlofigfeit ein, welche fih mit der Lage der griechifchen Kirche im fiebenten Jahrhundert und der römifchen vor ber Re⸗ formation vergleichen läßt. Allein es ift auch ein Unterſchied die Einheit eine ſubſtantielle fei, was völlig monophyfitifch Tautet (f. 0. DI, 164 ff. 129. 77.) — So erfieulih das Streben Gün⸗ thers iſt, das Menfchlihe und Ethifche in Chriſtus zu betonen, fo bleibt ihm doc die Einheit der Perfon nur äußerlich bes fiimmt, indem Günther das Wefen Gottes und des Menfchen als fih ausfchließend und nicht innerlih auf einander bezogen vorftellt. Daher bat einerfeits Epriftt Menfchheit bei ihm eine dualiſtiſche Selbſtſtändigkeit, andererfelts, wenn es ſich um vie Einheit handelt, fo wird diefe Menſchheit nur beherrſcht und momentan in ihrer Selbfifländigfeit unterdrückt von der göttlichen, wie feine Lehre von dem alternirenden Borherrfchen ver einen über die andere zeigt, womit er doch wieder zu ber bei den Geg⸗ nern für gewöhnlich herrſchenden Denkweiſe greift. Die Epriftol. d. ev. Kirche d. Gegenw. A. Die göttl. Seite 1207 ba. Was die Auflöfung mehrte, was nur wider bie Kirche zu fein ſchien, das follte dießmal in ber Hand des Herrn zu neuem Leben ausfchlagen, unb nicht zu tobtem, bie Aufgaben vergeffendem Traditionalismus. Die bezeichnenbfte Parallele für das Stabium, worin jetzt bie enangelifche Kirche ſteht, dürfte vielmehr die Zeit fein, welche auf bie heißen Kämpfe mit ben vielgeſtaltigen gnoftifchen Spftemen folgte; wo aber allerbinge nur diejenigen Bäter für das wahre Hell der Kirche am beften geforgt haben, welde wie ein Srenäus, Clemens von Aler., fan, Hippolyt, Drigenes fich nicht bios negativ und aus: ſchließend gegen bie Gnoſis verhalten, vielmehr fie in ein Ferment für die Fortbildung bes kirchlichen Tehrbegriffes verwandelt haben. Wir betrachten nun, um über ben gegemwärtigen Stand ber Ehriftologie in unferer Kirche einen Ueberblick zu gerwinnen, A. Die göttliche Seite. - B. Die menfchliche. C. Die Unio beiber. A. Was erſtens die göttliche Seite betrifft, fo wirb ſich ung von dem fo eben angegebenen Geſichtspunkt aus von felbft auch eine fachgemäße Gruppirung ber gegenwärtig noch vorhandenen Diffe: venzen über das höhere Princip in Chriſti Perfon erge⸗ ben. Offenbar zum erftenmal feit die Kirche den Namen "Exxinoie HeoAoyaca verdiente (I. 401 ff.), gebt in unferem Sahrbunbert die Wiftenfchaft wieder mit aller Macht auf bie fogenannten objefs tiven Dogmen von Gott und ber Trinität zurüd. Sieht man nun auf Das, was nicht bios ererbte Lehre fondern wirklich lebendig angeeigneter und verflandener innerer Beſitz biefer Zeit iſt, auf Das, wovon fie religiös zehrt, fo kann freilich nicht in Abrede geftellt werben, daß in ber boppelten möglichen Weile noch eine ſpuürbare Dieproportion flattfinbet zwiſchen ber Lebendigkeit chriſtlicher Krömmigfeit und zwifchen der Anerken⸗ nung einer immanenten Trinität, wie fie im Sinne ber Kirche ig. Dem Gemeinurtheil des Glaubens in biefer Hinficht iſt die Sicherheit der Vorzeit noch nicht wiedergewonnen, ſondern 4208 Dritie Periode Abſchnitt N. Chriſt. i. d. ev. K. A. D. göttl. Seite. in höherer Weiſe erft herzuſtellen; es thut namentlich biejenige Heprobuftion des Dogma net), welche es Jedem ald ummng- lich für die evangeliſche Frömmigkeit erſcheinen läpt, be Wohr⸗ heit der Rechtfertigung durch. ben Glauben an Chriſtus ſeſtzu⸗ halten, und doch nie immanente Trinitätslehre zu oder bei irgend einer rein monarchianiſchen Dentweife eben zu bleiben. Es iR. in dieſer Hinfigt noch viel zu thun, bevor bie Kirche und ihre Tpeologie fih davon entbinden darf, bei dem Mrtheil über menarchianifhe Denlweiſen ber Zeit ernſilichſt der med nicht abgetragenen Gemeinſchuld zu gebenfen, die damit nicht getilgt, ſondern vermehri wäre, went bie geforberte Arbeit bed chriſtlichen Gedankens aus bem evangeliſchen Glauben auf unfer Gedachtniß oder auf bie Arbeit der Kirche vor. fünfzepnhundert Jahren abgeladen werben wollte.”) Aber doch ift auch unverfenm bar, daß mande antitrinitarifche Formen bereitd als bewältigt anzufeben find, und baß ber Zug der kirchlichen Entwicklung im Großen entſchieden dahin geht, bie immanente Trinitätdlchte auf eine dem evangelifchen Bewußtfein adäquate und homogene Weife zu reproduciren und feftzuftellen, wobei abermald ber vornebmfte Impuls von Chriſti Perſon und Werk ausgeht, wie fie dem Glauben durch bie religidfe Erfahrung von der Erlös fung und Berföhuung feſtſtehen. Wie der ältere jüdiſche Ebjonitismus mit feiner empirifchen und beiftifchen Denkweife, welche bie Gottheit umb Menfchheit mur. im Gegenfag zu fallen wußte, vor bei Gnoſis ſchwaud, ſo auch der Rationalismus mit deiſtiſchem Hintergrunde, wie er in manchfacher Form in der Zeit der einſeitigen Subiekli⸗ vität ſich kandgibt, vor ber Philoſophie ſeit Schelling. Aber wie wir ſahen, daß eine neue, hoͤhere Form bed Ebfonitiönme, bie wir Die helleniſche nannten, fih am Enbe bes zweiten Jahr hunberts mit Borausfegung einer unmittelbaren und allgemeinen Wefenseinheit Gottes und bes Menſchen hersorthat: fo if am auf Grund der neueren Philoſophie ein Ebjonitisnmus höherer 9 Bol. Jahrb. f. veutfehe Theol. 1856, 1. m. Abb: di . . ‚m. die dentfi l. u. ihre Aufgaben in d. Gegenwart. S. 34—85. m Die deiſt. u. panth. Form d. Ebj. principiell überwunden. 1209 Art entſtanden, der ähnlich wie einſt Carpocrates Chriſtus unter die Genien der Menſchheit aufzunehmen geneigt iſt, aber ohne ihm in der Mitte des Heiligenkranzes eine ſpecifiſche Stellung vorbehalten zu wollen oder zu können. Auch darin iſt dieſe Denlkweiſe jenen älteren mit ber Gnoſis verwachſenen ähnlich, baß fie wie nad) einer Seite ebjonitiſch, fo nach der anbern doketiſch if. Denn die Haupifache iſt ihe der ideale Chriſtus, für den ber hiſtoriſche Jeſus mehr nur zufällige Bedeutung hat, keineswegs Die reqle Wirklichfeit feiner felbft if. Der Unters ſchied zwiſchen der guoflifchen Doppelheit des arm und xazo Xoærose und dieſer neueren ligt vornemlich darin, daß bie leg: tere ihren aro Xgoros beſtimmter anthropologiſch — als Idee ber Menfchheit faßt, während bie Gnoſis ihm mehr eine theo⸗ Iogifche Stellung ließ. Aber fofern Gott das allgemeine We⸗ fen ber Menfchheit fein fol, nimmt auch diefer moderne Ebjoni- tismus eine zugleich theologifche Färbung an, wenn nicht mit Feuerbach der Menſch als das eigentliche Wefen Gottes an⸗ gefehen und fo in reinen Anthropologismus herabgefallen, wird. Ob dann von Jefu etwas mehr oder weniger Hohes ausgefagt wird, bleibt fo lange religiös gleichgültig, als auf Sünde und Berföhnung nicht veflectirt, die Erlöſung höchſtens als intellec⸗ tunler Proceß vorgeflellt wird. Da ift der göttliche Geiſt ober der Logos, ber auch die wahre Menſchheit ift, ber Erlöſer: ber biftorifchen Perfon bes Gottmenfchen bebarf es ba fo wenig, daß Chriftus auch dem Kreis der Sünder nicht entnommen ifl, mag auch die Sünde in ihm auf ein Minimum reducirt wer⸗ den. Wer aber Ehriftus zum Kreis der Erlöfungsbebürftigen rechnet, der hat auf ben chriftlichen Namen verzichtet. Jedoch ift oben ſchon auch gezeigt, wie dieſe Denfweife in dem etbifchen Gottesbegriffe überwunden if, fo daß man fagen fann, daß nicht minder ber pantheiftifche als ber beiftifche Wider: fpruch gegen die chriſtliche Trinitätslehre principiell für bie evang. Kirche befiegt if. Mit dem ethifchen Gottesbegriffe erhalten Sünde und Berföhnung ihre Bedeutung, wird bie unmittelbare und allgemeine Gottmenfchheit ausgefchloffen und anbererfeite doch im ethifchen Wefen des Menfchen die Möglichkeit begrüns 1210 Dritte Periode. Abſchnitt II. A. D. göttl. Seite. Leben Jeſu. bet, daß bie ideale Menfchheit nicht im ewigen Dualismus gegen bie Wirklichkeit bleibe, ſondern in Chriſtus auch Realität gewinne und durch ihn in dem Geſchlechte. Diefe ethiſche Seite in Ehrifti Perfon wird in unferer Zeit eindringender gewürdigt als fe, faft als wollte fich Chriſti perfönliches Lebensbild wieder in um fo helleren, beflimmieren Farben vor den Geiſt der Kirche hinſtellen, je mehr ber neue Gnoſticismus und feine Miythif es in ein Nebelbild einzuhüllen ge- droht hat. Eine reiche fruchtbare Literatur hat das „Leben Jeſu“ nach feinen verfchiedenften Seiten zum Segen für die Gemeinde aus⸗ zulegen begonnen und mancher fchöne Schatz ift da gehoben wor⸗ den. °) Daran haben fich werthvolle Abhandlungen über die Siinb- loſigkeit Jeſu gefchloflen. *) An diefer fruchtbaren von der Gefchichte aus der Dogmatik zuſtrebenden Arbeit haben ſich auch Solche mit amerfennenswerther Luft und Liebe betheiligt, welche in Jeſu Sünd⸗ Iofigfeit das höchfte Prädikat fehen, das von ihm könne ausgefagt‘ werben, und gegen jebe metaphyſiſche Bedeutung feiner er: fon fi firäuben. Sp 3.2. die Nordamerilaner Channing und Th. Parker (Sämmil. Werke Bd. 1. Deutfh von Ziethen), in welchen ber ältere Sorinianismus ben bualifiifchen Charaf: ter ablegt und unter fichtlihem Einfluß ber neuern deutfchen Philofophie eine Bahn einfchlägt, auf welcher ein Fortſchritt für ihn fih eröffnen muß. Im Vergleich mit dem gefeglichen, beiftifchen Weſen des Socinianiemus zeigt befonders Parker einen myſtiſchen Zug, freilich nicht ohne pantheiftifche Vorſtellun⸗ gen und mit Unterſchätzung der Sünde. Parker, fo fehr er noch ben veicheren Beftimmungen der Kirchenlehre fremb if, ) Es fei nur an das Leben Jeſu von Neander, Lange, Hoffmann, Dfiander, an meines hochverehrten Lehrers Schmid Bibl. Theo. J. an Rothe, T. Bed, Hofmann (Schriftbeweis), an Ullmann, Tholud, Lüde, Meyer, Wiefeler, Ebrard, Stier, Ewald, Weiſſe, Safe, de Bette, Baumgarten, Eruflus, Brüdner, Luthardt u. v. A., fowie an das ſchöne Buch des geiſtvollen Edın. de Pressenss, le Redempteur. Par. 1854., erinnert. * Ullmann, Piforifh oder mythiſch? — Die Sündlofſigkeit Jeſu. A. 6. 1858, Berpältn. d. eth. Vollkommenh. Jeſu 3. Weſensvollkommenheit. 1211 kann uns doch ein beſchämendes Beiſpiel ſein, welch ſchöne Früchte ſich ergeben, wo auch nur mit Wenigem treu Haus ges halten wird. Da mag fih wohl auch früher ober fpäter das Wort erfüllen: Wer da bat dem wird gegeben.?) Denn beffer als wähnen viel zu haben ift ed, Das Wenigere was man von Chriſtus erkannt, Tebendig und frifch zu beſitzen, auch unverküm⸗ mert von Polemik gegen ein Erbe, das man ſich noch nicht anzueignen vermochte. So haben auch die Jünger des Herrn damit angefangen, daß ſie in ihm den gerechten Knecht Gottes, den heiligen Davidsſohn erkannten. Aber in dem Lichte, das vom Bilde Chriſti ausſtrahlt, bildet ſich für den hingebenden Betrachter, wo der Proceß normal verläuft, eine wachſende Selbſt⸗ erkenntniß, die als Bewußtſein der eigenen Armuth und hohen Be⸗ ſtimmung um fo empfänglicher iſt für das Verſtändniß ber gött⸗ lichen Fülle von Weisheit und Liebe, die in Jeſu iſt und belebend von ihm ausſtrömt. Je mehr ſich ſo dem erkennenden Glau⸗ ben die Ueberzeugung von der Einzigkeit der ſittlichen Hoheit Chriſti erſchließt, deſto natürlicher ja nothwendiger muß es nun auch von dieſem feſten Punkte aus demſelben Glauben werden, mit Verſtändniß Chriſto in das Gebiet ſeiner Reden zu folgen, wo er ſeiner eigenthümlichen und einzigen Beziehung zu dem Vater gedenkt. Jeſu Heiligkeit und Weisheit, durch die er un⸗ ter den ſündigen, vielirrenden Menſchen einzig daſteht, weiſet fo, da fie nicht kann noch will als rein ſubjektives, menſchliches Produkt angefehen werden, auf einen Übernatürlichen Urfprung feiner Perfon. Diefe muß, um inmitten der Sünberwelt be: greiflih zu fein, aus einer eigenthümlichen und wunderbar fhöpferifhen That Gottes abgeleitet, ja es muß in Chriſtus, wenn doch Gott nicht beiftifch von der Welt getrennt fondern in Liebe ihr nahe und wefentlich als Liebe zu benfen ift, von 5 Kür dieſes hoffnungsvolle Urtheil beziehe ich mich auf bie früheren Schriften Parkers, da ich feine neueren Beröffentlichungen nicht tenne. Möge disfer, wie feine Vermiſchten Schriften zeigen, edle und für noch Befferes beſtimmte Geift fich nicht purch Wiberfpruc in eine feinem eigenften Wefen fremde Richtung hineindrängen und die innere Freiheit weiterer Entwidlung verkümmern laſſen! 1212 Dritte Periode. Wfgn.TL. A. D. göttl. Seite. Cprißus als eth Gott and betrachtet eine Incarnation göttlicher Liebe, alfe göttlichen Weſens gefehen werben, was ihn als ben Punkt ers fcheinen läßt, wo Gott und bie Menfchheit einzig und innigft geeinigt find. Freilich, man läßt fi in dieſem Stüde noch fo oft durch einen abſtracten, fubieltiven Moralismus irre machen, der bie Tiefe bes Ethiſchen nicht erfaßt. Aber wer tiefer blickend auch -von einer ontologifchen unb metaphyſiſchen Bedeutung des Eihifchen weiß, dem muß die @inzigfeit ber Heiligfeit und Liebe Chrifli ihren Grund in einer Einzigkeit auch feines Wefens haben, diefe aber in Gottes fich mitteilen: der, offenbarender Liebe. Iſt es doch dieſelbe göttliche Liebe, welche fülgerichtig gebacht auch die fataliflifchen oder naturaliſti⸗ chen Gedanken von einem bie wahrhaft vernünftigen Wunder ber Liebe ausfchließenden Naturzufammenhang überwindet unb es ald naturgemäß erfcheinen läßt, daß fie dur Sünde und Enblichfeit an der Verwirklichung des von ihr nothwendig ges wollten Zieles, ber volllommenen Einigung der Welt mit Gott durch Gottes Selbftmittheilung, nicht kann behindert werben, Es iſt nicht Willkür, fondern nur bie Nothwendigkeit der Sache, in Chriſtus, ſofern ihm Anamarteſie zugeſchrieben wird, eine göttliche, das Urbild der Heiligkeit durch Verwirklichung enthüllende Offen barung Gottes zu ſehen, die ſelbſt nur zu Stande kommen kann durch ein einziges, eigenthümliches Sein Gottes in ihm, wodurch Gottes Ebenbild in der Wirklichkeit der Welt zur Darſtellung kam. Dieſen Staudpunkt nehmen Männer wie Weiſſe, Ewald,®) 6) Weiffe, Philoſ. Dogm. I. 1855. $. 455 ff. mit den Nachweifungen früherer Arbeiten des Berf. „Die Menfchwerbung if die Ausprä- gung des einheitlichen Charakters oder Charakterbildes ver Bott: beit“ ©. 500. Der Sopn ift ihn die innergöttliche ideale Welt, zur Verwirklichung in realer Perſönlichkeit beſtimmt. Ewald, Geſch. Chriſtus' und feiner Zeit 1855. ©. 447f. „Das alte Teſta⸗ ment vollendend als der ſchlechthin Gerechte in Gottes Kraft ward - er der Sohn Gottes, wie keiner bis dapin, im flerblichen Leibe und in flüchtiger Zeit ver reinfte Abglanz und das verkiärtefte Bild des Emwigen ſelbſt, — das Wort Gottes durch fein menſch⸗ liches Wort, wie durch fein ganzes Erfcheinen und Werk aus Bott Urbild eine Gottesoffenbarung. Weiſſe. Ewald. Rebepenning. 1213 auch mande aus der Schleiermacherfchen Schule ein. Sie erfennen in Chriſtus die vollfommene Gotteöoffenbarung an, die auf den. ganzen Schöpfungsfreis ber Menfchheit eine Bes ziehung babe, deren Haupt er fei. Aber eine Präeriftenz ver perfonbiidenden göttlichen Seite erfennen fie nicht an, fonbern bleiben bei einem Monarchianismus ſtehen, welcher im höchſten Sort feldft feine Unterfchiebe zuläßt, vielmehr nur eine Manch⸗ faltigfeit von Öffenbarungen, bie fih auf die Melt beziehen (auf die reale oder auch auf deren ideales Urbilb in Gott) uud die dann nad Anleitung der Gefchichte, der Schrift und ber chriſtlichen Erfahrung auf eine Dreiheit zurüdgeführt werden. Damit haben wir alfo im Weſentlichen den Stanbpunft des Sabellianismus, der in beiden evangelifchen Confeflionen ber: malen zahlreich vertreten ift. 7) Beſonders lichtvoll iſt biefer Standpunkt neuerlich unter Berufung auf Hippolyt folgendermaßen dargeſtellt worden: 8) „Der. allem Werben entnommene perſönliche Gott (der Vater) it Subjelt des Logos eiwa fo, wie die Gedankenfülle bes menfhlidhen Geiſtes ihren Duell, Centralpunkt, Selbfbewußtfein und Ichheit in biefem hat (während im heiligen Geiſt das göttliche Sein und Leben fi in ber Welt, der Folge der Selbfloffenbarung bes Logos, verinnerlicht). Der — — redend — der wahre Meſſias, der ewige König des zuerfi in ihm ſich vollendenden Gottesreiches.“ Ueber fein irpifches Leben, ©. 445: „and die höchſte, göttliche Kraft, wenn fie in ven fterblichen Leib fich Halt und in beſtimmter Zeit erfcheint, findet in dieſem Leibe und in diefer Zeit ihre Grenze, und nie bat Jeſu ale der Sohn und das Wort Gottes fich mit dem Bater und Gotte felbfi ver: wechfelt oder vermeflen fich ſelbſt diefem gleichgeftellt. “ ) Gleichwohl muß etwas von Weſensunterſchieden in Gott fih fo: fort ergeben, wenn die dreifache Offenbarung Gottes als eine bauernde, nicht blos als Act, fondern auch als offenbares Sein oder ale Abbild von Junergöttlichem und als Erſcheinung veffelben anerlannt wird. So bei Weifte, Lüde, Bunfen. Weiſſe unter: fheivet in Gott Bernunft, Gemüth der Ratur, Willen. GotuSohn iſt die ideale Bilderwelt oder Natur in Gott. ©) Bol. Redepenning, Proteſt. 8.3. 1854. Nr. 9. S. 200 fl . 1214 Dritte Periode. Abſchnitt IL A. Die göttl. Seite. Bater des AUS iſt bie Urperſoͤnlichkeit, der Logos if die der ewigen göttlihen Wefensfillle bes Vaters gleiche Summe ber Gefammtheit feines Offenbarens.«“ Diefer Logos ber alfo „bie Summe ber göttlichen Gedanken und Kräfte ift, die ſich auf die Welt beziehen, hat nun feine bewußte Ichheit ober Pers fönlichleit auf der einen Seite in der ewigen Urperfönlichfeit bes Baters; andbererfeitd aber kann biefes Bebanfenganze (Logos) fi) auch ausſprechen, in ein anderes Sch aufgenommen werben und fo gleihfam außerhalb feines erſten Uxcheberd aufs Neue fi verperföntihen. So ift nun der Logos auch in Chriſtus Perſon geworden. Was im Bater ewig vorhanden war und in feinem Bewußtfein lebte ald eine geiftige Wirklichfeit, das Urbild der Deenfchheit, iſt in Ehriftüs zur wirklichen Erfcheinung gefommen, und in ihm die Offenbarung Gottes, Das in der Welt ſich darftellende göttliche Ebenbild, vollendet. Vom erften Weltanbeginn ber im Begriff, in die Welt fih bineinzuprägen, im Fortgang aller Entwicklungen und Dafeinsftufen immer völ- liger hineinergoſſen in biefelbe, iſt es innerhalb der menfchlichen Natur endlich vollſtändig ausgefprochen ba: es if eine menſch⸗ liche Perfon, an bie es ohne Rüdhalt wie febe ifrer Stufen es faffen konnte fich mitgetheilt Chineingenommen durch deren eigene, freie, wahrhaft menſchliche That), und fo ifl es nun von dem Bater ber, in defien ewiger Urperfönlichfeit es ruhte, nun aud eine zweite, für den Vater im vollfien Sinne gegenftändliche und doch wahrhaft bie göttliche Wefensfülle theilende, biefelbe nach ihrem innerlichften Sein ganz umfaſſende und abbildende Perfönlichkeit getworden. Der göttliche Logos iſt nun auch eine volle menfchliche, menfchlich = göttliche Perfönlich- feit, Chrifti Menfchheit aber ein voll durchgöttlichtes Sein und Leben geworden. Dieß fonnte fo gefchehen, denn es ift nichts in Gott, was feine Liebe nicht auch an die Welt mittheilen wollte; Alles was Gott bat und ift, offenbart er auch ganz wie er ift: denn feine Offenbarung ift Wahrheit. Er will an bie Welt ganz und ungetheilt fih geben. — Die Mitte biefer großen Weltentwidlung aber, wodurch die Welt die Vollkom⸗ menheit werden wird, die Gott in ewig fertiger Weiſe iſt, der Kritik d. neuern fabelllan. u. fuborbin. Zrinit. u. Eprikel. 1215 imnerlihfte Brennpunkt iprer allmaͤhlichen Durchgttlichung if ber Herr, ber erfie wahre Menfch, der ganz Das war, was fon von Anbeginn bie Menfchheit fein follte, das ungetrübte Bild der Gotiheit, und ber nun Allen ſich zu eigen gibt, fein Bild Allen leiht und. einprägt und Alle feiner göttlichen Natur theilbaftig machen kann.“ Diefe Darftellung faßt Chriſtus als das Centrum ber gött« lichen Idealwelt (des Logos), fofern in ihm zugleich bas Urs bild ber Menfchheit und die vollendete Offenbarung Gottes ers ſchienen fei. Sie ſucht auch ähnlich wie Hippolytus den Sohn als reale Perfönlichkeit gegenkändli dem Water gegenüberzus fielen, in befien Urperfönlichfeit er zuvor ruhte, nur mit dem Unterfchieve: während Hippolytus biefe Vergegenſtändlichung, beziehungsweiſe Berenblichung ſchon zur Schöpfung eintreten läßt, und ber Sohn fo bie perfünliche Einheit ber Welt war, aus der fie dann analytiih wurde, fo tritt bagegen hier bie Ber: gegenfländlihung erſt in Jeſu ein. Auch ift anzuerkennen, daß biefe Theorie fichtlich bemüht ift, die Offenbarung in Chris us als eine yperfönkiche zu fallen — unbefchabet ber vollen Wahrheit feiner Menfchheit —; ja Chriſtus heißt eine menfch lichgöttliche Perfönlichfeit, die im Stande fei, Alte feiner gött⸗ lichen Natur theilbaftig zu machen. Sp gewiß nım aber biefes dem chriftlichen Bewußtſein entfpricht: fo macht ſich doch die In⸗ conſiſtenz, die wir fonft am Sabellianismus zu bemerken hatten, auch bier geltend. Denn das die Perfönlichfeit Darreichende bleibt fo doch nur bie Menfchheit; wie fann aber dann gefagt werben, daß die Offenbarung und Selbfimittheilung Gottes vollendet fei? Wenn Gott nicht perfünlich in Jeſu iſt, ſich perfönlich wohl in fi) aber nicht in ihm weiß und will, fo bat er ſich noch nicht ganz mitgetheilt und offenbart, fo ift die Offenbarung in ber Kategorie der Einwirkung oder Kraftmittheilung ſtehen geblie- ben, was dem doch anerkannten Grundfag wiberfprict, daß ‚nichts in Gott anf ewige Weife fei, was er nicht auch in bie Welt hinein mittheifen wollte. In der That iſt auch nicht zu feben, warum wohl eine Kraft, ja „dem Gedanfenganzen“ gemäß die Kraft Gottes follte in Jeſu haben fein können, 4216 Dritte Periode. Abſchnitt I. A. D. göttl. Seite. Ueber die nicht aber auch fein perſönliches Sichwollen und Wiſſen und zwar fo, daß der Logos fih auch als Menſchen wie biefer Menſch Gott als mit feiner Perfon Eins und damit ſich ale Gott wußte.) Sollte das unmöglich heißen, fo wäre doch wie der der Dualismus der beiden Naturen, ben diefe Theorie mit Recht aus dem Gebiete der Naturen verweist, nur in bad Ger biet der Perföntichfeit zurücdgefchoben. Endlich aber iſt nach dem bei Schleiermacher Erörterten (S. 1187— 1197) wohl fein Zwei fel, daß. wenn in Ehriftus nicht Gott in perfönlicher Kor, wenn feine „Perfönlichkeit“ vielmehr nur menfchlich if, von ihm auch nicht folgerichtig kann gefagt werben, daß er bie Macht habe, „Alle feiner göttlihen Ratur theilhaft zu machen.“ Daraus kann auch erbellen, daß bei dem beiten Willen zum Gegentheil doch die fabellianifche Denkweife nie davon Iosfoms men fann, nach der ebfonitifchen Seite zurädzufchwanfen. '%) Sie muß bie eigentliche Erlöferfraft und die Macht den beis ligen Geift mitzuiheilen Ehriftus abfprechen, wenn fie bamit Ernft macht, als das die Perfönlichkeit Darreichende die Menfchheit, mithin das Göttliche in ihm nur als Kraft anzufehen. '') Das 9 Hierüber f. unten ein Mehreres. ©. 1258 f. ©) Warum überhaupt bei dem Sabellianismus. nicht kann fiehen ge blieben werben, {ft früher ©. 1192 ff, ausführlich erörtert. Er beat, wo mit der wahren Menfchheit Ernft gemacht wird, wie bei Origenes, Photin und ben Borläufern des Sorintanismug, den Suborbinatianismug ſchon in fich, der aber in der modernen Zeit fih gewöhnlich anthropologiſch d. h. ebfonttifh, felten art anifch geftaltet. 1) Die fo eben beurtpeilte Anficht theilt auch Bunfen in feinem Werte Hippolytus und feine Zeit, Leipzig 1852. L 114 m. f. 217 u. f. befonvers aber S. 279 ff. 289 ff., wo er übrigens auch eine immanente oder ontologifche Trinität (die des ewigen gött: lichen Selbſtbewußtſeins) neben ber ökonomiſchen, „weltbildenden Dreifaltigkeit“ lehrt, aber über das Verhältniß beider zu einander fih nicht näher erflärt. -- Um der Entfellungen willen, welche feine Anſicht erfahren hat, werde beigefügt, daß er in Gott (gegen’ Pegel) einen ewigen felbfipewußten und unendlichen Willen Iehrt, in der Welt ein endliches Abbild und eine Spiegelung veffelben (S. 281-290). Die metapppfifche oder ontologifche Dreifaltig. neuere fabell. u. fuborbinat. Chriſtol. Neuerer Patripaſſianism. 1217 chriſtliche Bewußtfein befteht aber (namentlich auch. um ber Ber föhnung willen) fo fehr darauf, in Chriſtus das Liebeswunder einer perſönlichen Selbfihingabe Gottes an bie Menfchheit zu fehen, daß ihm religiös betrachtet fogar eine patripaffianifche Denkweiſe 17) weit mehr zufügen müßte, als die fabellianifche, feit (Sein, Denten und bewußte Einheit beider, oder Gott als das abfolute Weſen, das Wort als ewige Offenbarung in Gott und der Bein) if ihm das nothwendige Urbild der end: lichen Wirklichkeit und der Schläffel zur Dreifaltigkeit Gottes in der Religion. In ver Welt entipricht ver Menſch dem Logos . in Gott, die Denfchheit dem Geiſte; auf chriftlicher Stufe ver Dffenbarung iſt das „Wort“ der Sohn; die Sohnfhaft um: faßt zwar Zefus Ehriftus und bie, welche durch feinen Geiſt feine Brüder geworben find; aber doch iſt Jeſus allein das Fleiſch ge- worbene Wort (Logos). Der Geift aber bezieht fih lets auf die oläubige Menfchheit, die Gemeine, die nicht ein bloßes Neben: und NRaseinander von Individuen ift, fondern ein vom Indivi⸗ duum unabhängiges Entwidlungsprincip hat, wie fih auch der Geiſt nie endlich und individuell verkörpert hat, noch dazu beſtimmt iR, ſondern nur als die Allpeit der Gläubigen, die Kirche, erfcheint. 12) Ein neuerer Bertreier des Patripaffianismus ift der Nordameri⸗ faner Horace Bushnell: Christ in Theology, Hartford 1851. (Berf. auch anderer chriftologiicher Schriften, wie God in Ohrist und The person in Christ, the Trinity and the work of redemtion) ein Kenner deutfcher Theologie. Chriſtus if ihm apoliinariftifch ohne menfchliche Seele eine Einheit von Bott und dem Menfchen, deren Zwed if, die Gottesidee zu vermenſchlichen und fo Gott auszu⸗ prüden oder mitzutheilen. „Sein Menfchliches, fagt er, hat keinen Zwei für mich außer daß es Bott bringe. Ob eine Seele mehr fei, ein Tropfen im Meer, ift gleichgültig, aber nicht gleichgültig ift, Gott zu, haben und zu wiflen als den, ver mit ung ifl, und un⸗ ferex Sympathie fo innig genahet, daß er auf unfere Stufe fi begab (on our human level ©. 92 ff.). Geſetzt, man hätte feine menfchlicge Seele, fie leiſtete doch nichts. Wirkt fie nichts Beſon⸗ deres für fich, fo iſt es als wäre fie nicht; man pflegt fie ja doch wieder in die göttlihe Natur zu verfenten. Alfo befier, das Menfchliche Hineinverlegt in Bott! Er Hat menſchliches Fühlen, nicht aber ift e8, wie Dr. Lymington, Atonement ©. 154 meint, eine Blasppemie zu fagen, daß Gott leide. Das Wahre if, daß er nicht ein Fels iſt (not a rock), daß er nicht alle Dinge weiß und doch nichts fühlt, wie ein Diamant das Licht empfängt ohne 4218 Dritte Periode. Abſchnitt IL A. Die goͤttl. Seite. die, wie wir früher fahen und bie Geſchichte immer gezeigt hat, folgerichtig das Sein Gottes in Chriſtus in ein bloßes Wirken Gefühl, fondern daß er intenſiv In der Tiefe feiner eigenen Rein- heit und Zartfinnigkeit alle Thaten und Gedanken im AU tief füplt, daß wenn er Mipfallen dat, er realen Widerwillen hat, daß wenn er auf Uebel fhaut, er es verabfeheut, wenn auf Böfes, er unwillig dawider if u. f. w. Da er fo viele Uebel zu fühlen vermag in feiner Güte, fo waltet vielleiht ein nothwendiges Geſetz der Selbficompenfation der Art in ihm, daß unendliche Minvderungen feiner Wonne erfeßt werben durch unendliche Meh—⸗ rungen und durch bewußtes Wachsthum an Wonne, wozu jene die Beranlaffungen find, daß fo, was wir bie Leidensunfähigkeit Gottes nennen, in einer unendlichen Leidensfähigkeit gründet, der gegenüber aber das Gleichgewicht von Wonne erhalten bleibt dur die ECompenfationen einer unendlichen Güte, die immer “mehr in ihm aufmwallen als Waſſer des ewigen Lebens. In Chri⸗ flus nun offenbart Bott, was er in Natur und Gefchichte nicht thut, feine paffiven Tugenven und Kräfte, und bringt mich unter deren Gewalt S. 104. Allervings ſolch eine Yerfon wie Chriſtus, Bott mit uns if abnorm. Er will fein und leben in der Art eines menſchlichen Bruders, der ewige Gott felbft unter menſch⸗ licher Beſchränkung. Die ganze Bewegung ifl allervings gewalt: fam und irregulär (violent and abnorm ©. 97. 98), aber fehen wir uns vor, nicht einen bloßen Denfrben zwifchen Gott und uns zu ftellen, und fo die Incarnation zu leugnen. Nimmt man eine menfchliche Seele an, fo geftebe man ihr auch ihre Perfönlichkeit zu und ergebe fich in die Zweiperföntlichkeit des Erlöfere S. 90. 114. Die Theorieen, welche das Leiden der Seele und dem Leibe flatt der Gottheit zukommen laffen und doch an ber Einheit der Perſon fefthalten, verfallen in Lehren, die die Wirkung des Ehloroform überbieten.“ Er wolle, wie Griffin, die Einpeit nicht theilen laſſen, fondern die eine Perfon gehe durch alles Leiden und Thun hin» durch. Das qualificire Chriſtus für feine Mittlerſchaft. Die ‚Achte vielvergeffene Kirchenlehre verlege Feine Dreipett in die Sube - ftanz ſelbſt, ſondern wolle mit generatio und processus nur eine Trinität des actus (des Willens), wofür ex fid auf Calvins Res kationen in Gott aber ohne Zrinität in der Effenz, fowie auf John Howe completes works lect. XV. S. 1096 ff. beruft. Er wi zugeben, daß die in ver Zeit hervortretenden Unterfchiebe der Offenbarung ewige Gründe in Gott haben, aber fordert, daß ausgegangen werde vom Zeitlichen und Hiftorifchen S. 185. „Die Dreipeit ift nöthig unbeſchadet der Einheit. Sie bat die Bedeu» Der neuere Patripaffianismus. Bor. Bufpnell. 1219 auf ihn oder in ihm verflüchtigen muß. Da aber der Patri⸗ paſſianismus ber Abſolutheit des Gottesbegriffes zu nahe tritt, tung Gott als- tranfcendent und perfönlich zugleich zu denken ©. 137. Der Geiſt Gottes if Teine Ebene, fein Abyffus oder Plateau, fondern perfönlic. Aber dieſe Dreipeit hat für Gott nur infirumentale Bedeutung, fie iſt ihm nur Drittel, nicht Zwed ©. 165. . Bas namentlih das Wort (Aoyos) betrifft, fo iſt es die eigenthümliche Kraft der Selbflausprägung Gottes in Gott (a pe- culiar capacity of selfexpression in God). In Gott iſt etwas, was Duell aller Formen der Dinge if, und das inwendige Leben Gottes Außerlih ausprüdt, der Spiegel feiner fchöpferifchen Zmagingtion, in melden Bott fhaut und durch welchen hin: durch er ein expreſſes Bild feiner Perſon bewirtt. ©. 131. Löfen will er das Problem nicht, er will es als unlösbares Myfterium fieben lafien, denn das Myſterium fei bie nothivens dige Dynamik des Unendlichen, das ale folches nicht könne de- finirt werden ©. 117. Wie die immanente Trinität, auch die Iogifhe und pipchologiiche dem frommen Intereffe ‚gleichgültig geworden fei, fo fei auch der Sabellianismus zu fehr nur logiſch und auch Schleiermachers Modalismus heißt er nicht gut. Stuart ‚wie Tweſten forbere für Schletermacher's dreifache Offenba⸗ rung rüdwärts in Gott ein dreifaches Offenbarungs: Princip. Aber, fagt Bufhnell mit dem Monarchianismus, wie er befons ders aus den Philoſophumena befannt geworben ifl), der Logos iſt allein das ganze Offenbarungs: Princip, wenn auch Berfihies denes offenbarend. Diefer Logos fei alſo Batır, Sohn und Geiſt, denn er fei Bott, wie er offenbar und für bie Welt fein will. Daber Epriftus ertläre, ex fei der Bater, d. h. der Bater fei Traft- weife offenbar in ihm. Zwifchen Gottes innerem Weſen und ung gebe «6 keine Drüde. Er wolle fie auch nicht fuchen. Die Drei beit könne Herablaffung zu unferer Schwäche fein, flatt ein Sein - Gottes in ſich zu bezeichnen. Sie ift als inftrumentaler Ausdruck Gottes für uns nöthig, ohne daß ihr ontolegifh In Bott etwas entfpredden muß ©. 147 ff. 164. Bott in fih Ian formlos fein, wenn glei zum. Ausdrud des Formloſen Formen nöthig find ©. 165. Aber eine Kraft zur Form wohnt Bott urfprünglich bei (originating power of. form), welche fih auf die Welt bezieht. Diefes Princip ver Form iſt der Logos; nicht eine befondre Pers fon, fondern wieder der Eine Gott ſelbſt ift es, der dieß Forms prineip in fih hat, das auf die Welt bezüglich, als in einem Spiegel Gott dem ewig Selbfibewußten den Gedanten bes Kos⸗ mos vorfiellt. Eprifius ſtellt uns aber Gott vollſtändig dar, wie Dorner, Ghriftologie. IL ꝛte Aufl. 78 1220 . Dritte Periode. Abſchnitt I. fo bleibt Fein anderer Weg, das Sein Gottes in Ehrifius feft- zubalten, auf das es dem Glauben anfommt, weil ex in Chriſtus er von uns gedacht fein will. Bleibe man fiehen bei den Perſonen als Berfonen des Drama der Offenbarung, fo könne man, da Gott nach feiner Ratur ewig ein: fich ſelbſt offenbarenves Wefen ift, auch fagen, daß er von Ewigkeit zu Ewigkeit anzuerfennen fei als Bater, Sohn und Geift, nämlich durch eine Trinttät ewiger Hervorbrin: gung (generatio) durch feine fich ſelbſtoffenbarende Activität. — Un: verfennbar hat diefe Theorie einen tiefen Hiatus, ver fie in zwei widerſtrebende Theile trennt. Redet Buſhnell von Gottes Tieben- der Sympathie, fo iſt ibm kein Ausdruck zu flarf, um Gottes Sein und Leben felbft in pie Enplichkeit und das Leinen berein: zuziehen, ja da nennt er Gott in fich Teidensfähig und leidend und fo fann er wenigſtens nicht mit dem alten Patripaſſianismus bie Fleiſchwerdung für Gott als nöthig anfehen um Leidensfähig⸗ feit zu gewinnen. Redet ex dagegen von ber Offenbarung Gottes, fo geht ihm Gottes Wefen nicht eigentlich in diefelbe ein, fondern Gott ift dann nur fraftweife (virtually) In dem aus Maria genom: menen Fleiſch, welches ohne Seele fein fol. Anvdererfeits endlich fol doch ‚in dem Antlitz Jeſu Gott den Ausprud feiner Perſon ſich gegeben haben, fa er fagt einmal au, Epriftus If Incarna⸗ tion der göttliden Natur für den Zwed der Offenbarung. . Dieß wird ſich nur fo reimen Taffen, daß ihm in Chriſtus ein lebendiges als Perfon vramatifh auftretendes Spmbol Gottes ift, welches von Gott offenbart was er will, aber nicht feines Weſens Offen: ‚barung ift. ber fo Halt Gott fein Innerfles verfchloffen, ja er ſteht unter dem Geſetz, es nicht erfchließen zu können, was feine Wahrheit Hätte, wenn Gottes Wefen nicht feine Liebe wäre. Ebionitifh Tann man diefe Theorie nicht nennen, im Gegentheil tann fie lehren, was heraustömmt, wenn man bie Menfchheit niht auch als Zweck, fondern nur als Mittel anfleht. Das Mittel wird gleichgültig und entbehrlih wenn ber Zweck erreicht if. In der That fann auch Buſhnell fo wenig als der alte Hatripaffianismus Chriſto eine ewige Menſchheit zufchreiben, er if ihm eine Theophanie. Er fagt nur, Gott der in Chriſtus er: fihien, wohne in gewiſſer Art ewig in einem menfchlichen Leib, fo glänzend, daß er den Himmel mit feinen Strahlen fülle, das onadyasua um Gott {ft ein Sonnenleib (a sun-body), das ift fein ewiger Leib. (In diefen fcheint ihm Chriſti Fleiſch aus Marta ſich aufgelöst zu haben, worin vielleicht ein Wink ligt für das Verſtändniß fenes alten ſabellianiſchen Sabes: Chriſtus habe feinen Leib in der Sonne niedergelegt.) Dennoch dauere in einem Der neuere Patripafflanismus. Bufhnell. Steinmeyer. 192 1 mit Gott ſich in Gemeinſchaft weiß, als zu ſagen, daß Gott in Chriſto nicht blos iſt, ſondern ſich weiß und will, in Sinne Chriſtus für uns fort als der verherrlichte Menſch. Denn hat Epriftus durch feine Offenbarung in uns vollkommen ges wirkt, was er will und fol, fo bat fich in unferem Geift ein Charakterbild (a character and a mold or retina of thought for God) gebilvet, fo daß Bott in Allem, was wir von ihm wiſſen mögen, für uns Chriſtus if, anthropomorphifirt (humanized), umgänglich für ung S. 114. Chrifi (d. h. Gottes) Eingehen in Leiden kann Buſhnell'n aber nicht Strafleiden für uns fein, denn Gott Tann nicht fich ſelbſt ſtrafen. Gott prüdt in Ehrifto aus, was er durch Strafe würde ausgerrüdt haben; er fubftituirt fo fein Leiden den Strafleiven der Menſchen, und fo wird jenes juſtificirend ©. 217, nicht ein blog epibeiltifcher Act, fondern bewirkend. Noch verdient bemerkt zu werben, daß er ben Unitariern, bie in Jeſus einen Menſchen fehen, aber verſchieden von allen anderen als eine reine Offenbarung Gottes, anfinnt, das Kind Jeſus anzubeten, und fie auffordert, wenn fie Gottes Anbetung im Sohn als an- thropomorphiſch nicht wollen, auch den Baier um beffelben Seru- pels willen fallen zu laffen. Er Tann jenes wohl thun und for- dern, fofern ihm die Anbetung des Kindes eigentlih nur Anbes tung des im Kinde ſich offenbarenden Gottes ifl, Chriſtus iR ihm gleihfam das Sacrament der Menfchheit. Die Unttarier, die er dabei im Sinne hat und zu gewinnen hofft, find ohne Zweifel Männer wie Thomas Parker u. X. Aber mit Recht betonen fie wider ihn die wahre Menfchheit. Da in der Theorie Buſhuells fh der Patripaſſianismus wiederholt, fo möge hier noch eine Anficht Erwähnung finden, welche, obwohl fie entſchieden auf trinitarifhem Grunde fliehen will, uns doc zeigt, wie auch die Theorie von der Selbſtdepo⸗ tentiirung des Logos, die jeßt manche Freunde zählt, den Patri- yaffianismus im Gefolge dat. Das ift die Ausführung von Steinmeyer, (Beiträge zum Schriftverftändniß in Predigten I. 1854 %. 2. ©. 33 fi): Weihnachten. fei das Feſt des Opfers des Baters. Im fchöpferifhen Werke war Fein Opfer, Fein Berluft bei feinem fegnenden Thun. Die Mitteilung iſt der Liebe felbft- eigenes Bedürfniß und fomit verlor er nicht, da er (ſchöpferiſch) gab, fondern er gewann mit den Gewinnenvden felbft. Aber bei der Menſchwerdung galt es, daß Gott felbft das Abrahamsopfer darbrachte. Da galt es zu entbehren und zu opfern, da kam es darauf an, daß das Erbarmen die Liebe überwog. Gott ift nicht erhaben über die Entbehrungen, welche die unterbrocene Gemein: 18° 1222 . Dritte Periode. Abſchnitt IL perſonlicher unauflöslicher Einheit mit Jeſu fteht wie dieſer Menſch mit Gott, was auf einen ewigen vom Bater unterichiedenen (haft mit fi führt. Gott war verwaist, Bott war vereinfamt! Johannes fagt, im Anfang war das Wort bei Gott, aber dieß Berpältniß ward ein anderes feit der Menſchwerdung, indem die Unmittelbarleit und mithin die Seligkeit der Gemeinſchaft auf hörte, nachdem der Sohn die Kunechtsgeſtalt erwählt Hatte. Die Liebe des Menfchgeworbenen und der Gehorfam des Erniebrigten Tonnte Fein genligender Erfaß für das fein, was vor der Welt des Baters Freude gewwefen war. — Andererfeits iſt ihm des Sohnes Dpfer nur Nachbild veffen, was der Bater felbft für die Welt ge: bracht dat. Ja Steinmeyer fügt hinzu (S. 41): „wann hätte der Bater fe zurüdempfangen, was er in biefer heiligen Naht gegeben ?“ womit es ven Anfchein gewinnt, als ob der nach ihm aus dem trinitarifchen Liebesieben herausgetretene und Menſch gewordene Sohn Gottes ſich durch die Menſchwerdung in ewige Erniedrigung verfeßt Hätte Die weitere Ausbilbung biefer Gedankenreihe würde natürlich auch den heil. Geiſt wie den Bater in das Opfer und in die Bereinfamung hineinziehen, vorausge⸗ feßt, daß, wie hier angenommen ſcheint, auch ohne die Fortdauer der Hypoſtaſe des Sohnes als folder die des Baters und des heit. Geiſtes fortvanern Tönnten. Es thut wehe, einer ſpürbar aus fo frommem Gefühl hervorquellennen Meinung zu widerſprechen. Aber es iſt ſchwerlich eine richtige Befchreibung ber vollkommenen Liebe, wenn ihre Selbfimitiheilung, weil fie Gewiun bringt, gleichfam deſſen angellagt wird, daß fie ein Kleines und noch nicht vie lauterfie Liebe fei. Dürften wir dieſe nur da fehen, wo das Geben mit Berluft für den Gebenden verbunden ifl, dann müßte freilich auch der Berluft und der Schmerz verewigt werben für bie Seligen ſowohl als für Bott feld, damit es an der Tauterfien Liebe nicht fehle. Dann wäre aber auch das Gute ein innerer Widerſpruch. Auch die an dem Elend der Menſchheit theilnehmende Liebe, die Steinmeper Erbarmen nennt, wie innig und rein fie gedacht werde (und wir können freilich ihre Abgründe nicht ausdenken) wird immer zugleich nach dem Mafftabe des Egois⸗ mus verlierende, nah dem Maßſtabe der Liebe, ver allein für Gott gilt, gewinnenve Liebe fein. Darin alfo bat die theilneh⸗ mende Liebe vor der mittheilenden nichts voraus. Noch weniger barf die theilnehmende auf Koften der mittheilenden geltend ges mat werden. Am allerwenigftien darf aber Überhaupt der Liebe ein Act zugedacht werben, durch den fie ſich ſelbſt als active theil⸗ nehmende und mittheilende aufpöbe, was durch Selbflaufgebung 6 Die neueren trinit. Theorieen. 1223 200005 ‚vnapkeng des Göttlichen in Jeſu weist, wie immer dieſer auch näher möge gedacht werben. Denn dieſes eigenthlimliche Sein Gottes in Jeſu ift ein unvergängliches, wie von dem Sein Got: tes in der Welt und ben Gläubigen unterfchiebenes. Die nähere Darftellung der neuern Verfuche zur Löfung bes trinit. Problems gehört nicht hieher. Die Einen nähern ſich dem Tritheismus, ober wollen eine Art von feinerem Suborbinatianis: mus; 1°) noch Andere faſſen die Trinität nur als Proceß der gött⸗ lichen Liebe ober bes göttlichen Bewußtſeins oder gar nur eigen- ſchaftlich. Sie mit dem Grundfaktum des evangelifchen Be—⸗ wußtfeins, der Rechtfertigung durch den Glauben in innere Bes ziebung zu fegen, dazu iſt noch faum ein Anfang gemacht. Es {ft bei Vielen faft vergeffen, an welchem Punkt die alte Kirche dieſes Dogma ftehen gelaflen: und weil die Hauptfrage (I, 938) zu wenig firiet wird, kann auch die Antwort nicht fördernder ausfallen. Doc wird bereitd immer allgemeiner gefehen, daß alle wefentlihen Beftimmungen bes Gottesbegriffes trinitarifch gedacht fein wollen. 1%) Ebenfs wird immer allgemeiner, was des göttlichen Selbfibewußtfeins geſchähe f. u. Es gehört viel: fetcht zu den Zeichen der Zeit, daß die Schrift: Kritik des Gottes: ‚begriffs in den gegenwärtigen Weltanſichten, Nördl. 1856. 2. A., jet Auffehen macht, bie au Gott verãnderlich und leidensfähig gedacht willen will. 8,38. Thomaflus, Chriſti Yerfon und Bert 1, 267-274 redet fo als Hätte die Trinität ihre eigentliche Exiſtenz in der Weſens⸗ einpeit der perfönlihen Monas die ihm zugleich ewiger Wille zur trinitar. Eriftenz if. In diefem Willen fieht er die Trini: tät geſichert. So fichen der Monas faft in tritpeiftiichem Subor- dinatianismus die Perfonen gegenüber; die Eine abfolute Yerfön- lichkeit will drei Perfonen. Daneben aber nimmt der Bater, ver allein die Afettät, dieſes weientliche göttliche Prädicat, haben fol, die Stellung der Monas bei ihm ein (Bgl. I, 92 ff.). Allein die Afeität ſelbſt will vielmehr trinitarifch gebacht fein. u) So nad Nitzſch's Borgang bei Thomaflus, Liebner. Wird dieſes durch⸗ dacht, fo kann es keinen Widerſpruch bilden, daß der eine Bott dur die drei Perſonen conftituirt wird, und doc das Refultat ewig vorhanden iſt, ja in ihnen und durch fle ſich ewig felbfi conftituirt. Iſt doch ein ähnliches Verhältniß der Gegenfeitigkeit in jedem Organismus zwiſchen der Einheit und ver Gliederung felbfl. 1222 _ Dritte Periode. Abſchnitt - ' perfönlicher unauflöglicher Einheit mit Sefu fteht wie dieſer Menſch mit Gott, was auf einen ewigen vom Bater unterſchiedenen haft mit fih führt. Gott war verwaist, Bott war vereinfamt! Johannes fagt, im Anfang war das Wort bei Gott, aber dieß Berhältnig ward ein anderes feit der Menſchwerdung, indem bie Unmittelbarteit und mithin die Seligkeit ver Gemeinſchaft auf hörte, nachdem der Sohn die Knechtsgeſtalt erwählt Hatte. Die Liebe des Menfchgewordenen und der Gehorfam des Erniebrigten konnte Tein genügender Erfag für das fein, was vor der Welt des Baters Freude geweten war. — Anpererfeits ift ihm des Sohnes Opfer nur Nachbild veffen, was ber Vater felbft für die Welt ge bracht dat. Ja Steinmeyer fügt hinzu (S. 41): „wann hätte der Bater fe jurücddempfangen, was er in biefer heiligen Rat gegeben ?“ womit es den Anſchein gewinnt, als ob der nach ihm ans dem trinitarifchen Liebesiehen herausgetretene und Menſch gewordene Sohn Gottes fih durch die Menſchwerdung in ewige Ernievrigung verfeßt hätte Die weitere Ausbildung biefer Gedankenreihe würde natürlis$ auch den heil. Geiſt wie den Bater in da3 Opfer und in die Bereinfamung hineinziehen, vorausges feßt, daß, wie hier angenommen ſcheint, auch ohne die Fortdauer der Hppoftafe des Sohnes als folcher die des Vaters und des heit. Geiſtes fortvanern Tönnten. Es thut wehe, einer ſpürbar aus fo frommem Gefühl hervorquellenden Meinung zu wiberfprecden. Aber es iſt fchwerlich eine richtige Beichreibung der vollkommenen Liebe, wenn ihre Selbfimitipeilung, weil fie Gewinn bringt, gleichſam deſſen angeflagt wird, daß fie ein Kleines und noch nicht vie lauterſte Liebe ſei. Dürften wir diefe nur da fehen, wo das Geben mit Berluft für den Gebenden verbunden ifl, dann müßte - freilich auch der Berluft und der Schmerz verewigt werben für die Seligen ſowohl als für Gott felbfl, damit es an der lauterfien Liebe nicht fehle. Dann wäre aber auch das Gute ein innerer Widerſpruch. Auch die an dem Elend ber Dienfchheit theilnehmende Liebe, die Steinmeper Erbarmen nennt, wie innig und rein fie gedacht werbe (und wir Tönnen freilich ihre Abgründe nicht ausdenken) wird immer zugleich nach dem Maßſtabe des Egois: mus verlierende, nad dem Maßſtabe der Liebe, ver allein für Gott gilt, gewinnende Liebe fein. Darin alfo bat die theilneh⸗ mende Liebe vor der mittheilenden nichts voraus. Noch weniger darf bie theilnehmende auf Koften der mittheilenden geltend ge- macht werden. Am allerwenigfien darf aber Überhaupt der Liebe ein Act zugedacht werben, durch den fle fich ſelbſt als active theil⸗ nehmenbe und mittheilende aufpäbe, was durch Selbfaufgebung Die neueren trinit. Theorien. 1223 zo0nos vᷣacokeoo des Göttlichen in Jeſu weist, wie immer biefer auch näher möge gebacht werden. Denn biefes eigenthlimliche Sein Gottes in Zefu ift ein unvergängliches, wie von dem Sein Got: tes in der Welt und ben Gläubigen unterfchiebenes. Die nähere Darftellung der neuern Verfuche zur Röfung bes teinit. Problems gehört nicht hieher. Die Einen nähern ſich dem Tritheismus, ober wollen eine Art von feinerem Suborbinatianiss mus; 1°) noch Andere faſſen die Trinität nur als Proceß der gött⸗ lichen Liebe oder des göttlichen Bewußtfeind oder gar nur eigen ſchaftlich. Sie mit dem Grundfaftum des evangelifhen Be- wußtfeins, der Rechtfertigung durch ben Glauben in innere Bes ziebung zu fegen, dazu iſt noch kaum ein Anfang gemacht. Es if bei Vielen faft vergeffen, an welchem Punkt die alte Kirche dieſes Dogma ſtehen gelaffen: und weil die Hauptfrage (I, 938) zu wenig fixiet wirb, kann auch bie Antiport nicht fürbernder ausfallen. Doc wird bereitd immer allgemeiner gefehen, daß alfe wefentlichen Beftimmungen des Gottesbegriffes trinitarifch gedacht fein wollen. 1% Ebenfo wird immer allgemeiner, was bes göttlichen Selbſtbewußtſeins gefhähe ſ. u. Es gehört viel: leicht zu den Zeichen. ver Zeit, Daß die Schrift: Kritif des Gottes: ‚begriffs in ven gegenwärtigen Weltanfichten, Nördl. 1866. 2. X, jet Auffehen macht, die auch Gott verãnderlich und leidensfähig gedacht wiſſen will. , 3. B. Thomaſius, Chriſti Yerfon und Wert U, 267--274 redet fo als hätte die Trinität ihre eigentliche Exiſtenz in der Wefens: einheit ver perfönlihen Monas die ihm zugleich ewiger Wille zur trinitar. Eriftenz if. In diefem Willen fieht er die Trini⸗ tät gefihert. So fiehen der Monas faft In tritheiftifchem Subor- dinatianismns die Perfonen gegenüber; die Eine abfolute Perfön- lichkeit will drei Perfonen. Daneben aber nimmt der Bater, der allein die Afettät, -viefes weientliche göttliche Prädicat, haben foll, bie Stellung der Monas bei ihm ein (Bgl. I, 92 ff.). Allein bie Afeität ſelbſt will vielmehr trinitarifch gedacht fein. 10) So nach Ritzſch's Borgang bei Thomafius, Liebner. Wird dieſes durch⸗ dacht, fo kann es feinen Widerſpruch bilden, daß der eine Bott durch die drei Perſonen conftituirt wird, und doch das Refultat ewig vorhanden iſt, ja in ihnen und durch fie ſich ewig ſelbſt conſtituirt. Iſt doch ein ähnliches Verhältnis der Gegenſeitigkeit in jebem Organismus zwifchen der Einheit und der Gliederung felbfi. 1222 . Dritte Periode. Abſchnitt - ' verfönticher unauflöslicher Einheit mit Jeſu fteht wie dieſer Menſch mit Gott, was auf einen ewigen vom Bater unterichiebenen ſchaft mit ich führt. Gott war verwaist, Bott war vereinfamt! Sohannes fagt, im Anfang war das Wort bei Gott, aber bieß Verhältniß ward ein anderes feit der Menſchwerdung, indem bie Unmittelbarleit und mithin die Seligkeit ver Gemeinfhaft auf: hörte, nachdem der Sohn die Kuechtsgeſtalt erwählt hatte. Die Liebe des Menſchgewordenen und der Gehorfam des Erniebrigten tonnte fein genügenver Erfag für das fein, was vor der Welt des Baters Freude gewefen war. — Andererſeits if ihm des Sohnes Opfer nur Nachbild veffen, was der Vater ſelbſt für die Welt ge bracht hat. Ja Steinmeyer fügt hinzu (©. 41): „warn hätte der Bater fe äurüdempfangen, was er in diefer Heiligen Rat gegeben ?“ womit es ven Anfchein gewinnt, als ob der nach ihm aus dem trinttarifchen Liebesieben herausgetretene und Menſch gewordene Sohn Gottes ſich durch die Menſchwerdung in ewige Erniedrigung verfeßt Hätte Die weitere Ausbildung dieſer Gedankenreihe würde natürlich auch den heil. Geiſt wie den Bater in dad Opfer und in die Bereinfamung bineinziehen, vorausge⸗ feßt, daß, wie bier angenommen fcheint, auch ohne die Fortdauer der Hypoſtaſe des Sohnes als foldher die des Vaters und bes heil. Geiſtes fortvanern könnten. Es thut wehe, einer ſpürbar aus fo frommem Gefühl hervorquellenden Meinung zu widerſprechen. Aber es iſt ſchwerlich eine richtige Befchreibung der: vollkommenen Liebe, wenn ihre Selbfimittheilung, weil fie Gewinn bringt, gleichſam deſſen angellagt wird, daß fie ein Kleines und noch nit vie lauterſte Liebe fei. Dürften wir diefe nur ba fehen, wo das Geben mit Berfuft für den Gebenden verbunden if, dann müßte - freilich auch der Berluft und der Schmerz vereivigt werben für die Seltgen ſowohl als für Gott ſelbſt, damit es an der Tauterfien Liebe nicht fehle. Daun wäre aber auch das Gute ein innerer Widerſpruch. Auch die an dem Elend der Menfchhett theilnehmenpe Liebe, die Steinme per Erbarmen nennt, wie innig und rein fie gedacht werbe (und wir können freilich ihre Abgründe nicht ausdenken) wird immer zugleich nah dem Maßſtabe des Egois: mus verlierende, nad dem Maßſtabe der Liebe, ver allein für Bott gilt, gewwinnende Liebe fein. Darin alfo hat die theilneh⸗ mende Liebe vor der mittheilenden nichts vorand. Roc weniger darf bie theilnehmende auf Koften ber mittheilenden geltend ges macht werden. Am allerwenigfien darf aber überhaupt ver Liebe ein Act zugebacht werden, durch den fle fich ſelbſt als active theil: nehmende und mitiheilende aufpöbe, was durch Selbflaufgebung Die neueren trinit. Theorieen. 1223 toonos ‚vnapbeons bed Bähtlichen in Jeſu weist, wie immer biefer auch näher möge gedacht werben. Denn biefes eigenthümliche Sein Gottes in Jeſu ift ein unvergängliches, wie von dem Sein Got: tes in der Welt und den Gläubigen unterfchiedenes. Die nähere Darftellung der neuern Verfuche zur Löſung bes trinit. Problems gehört nicht hieher. Die Einen nähern fich dem Tritheismus, ober wollen eine Art von feinerem Subordinatianis⸗ mus; '*) noch Andere faſſen Die Trinität nur als Proceß der gött⸗ lichen Liebe oder bes göttlichen Bewußtfeins oder gar nur eigen- ſchaftlich. Sie mit dem Grunbfaftum des evangelifhen Be wußtſeins, ber Rechtfertigung burch den ‚Glauben in innere Bes ziehung zu ſetzen, Dazu ift noch faum ein Anfang gemacht. Es ift bei Vielen faft vergeffen, an welchem Punkt bie alte Kirche biefes Dogma ftehen gelaflen: und weil bie Hauptfrage (I, 938) zu wenig ftriet wird, kann auch bie Antwort nicht fürdernder ausfallen. Doch wird bereitd immer allgemeiner gefehen, daß alle weientlihen Beftimmungen des Gottesbegriffes trinitarifch gedacht fein wollen. 1) Ebenfo wird immer allgemeiner, was des göttlichen Selbfibewußtfeins gefchähe f. u. Es gehört viel: leicht zu den Zeichen ber Zeit, daß die Schrift: Kritif des Gottes: ‚begriffs in den gegenwärtigen Weltanfihten, Nördl. 1856. 2. A., jetzt Auffehen macht, die au Gott veränderlich und leidensfähig gedacht wiſſen will. 2, 3. B. Thomaſius, Chriſti Perſon und Werk U, 267-274 "redet fo als Hätte die Trinität ihre eigentliche Exiſtenz in ver Wefens: einpeit der perfönlihen Monas die ihm zugleich ewiger Wille zur trinitar. Eriftenz iſt. In diefem Willen fieht ex die Trini: tät geſichert. So ſtehen der Monas faft in tritheiſtiſchem Subor⸗ binatianismus bie Perfonen gegenüber; die Eine abfolute Perſön⸗ lichkeit will drei Perfonen. Daneben aber nimmt ver Bater, der allein die Afeität, dieſes wefentliche göttliche Prädicat, haben foll, die Stellung ver Monas bei ihm ein (Bgl. I, 92 ff.). Allein bie Afeität ſelbſt will vielmehr trinttarifch gedacht fein. “) So nach Nitzſch's Borgang bei Thomafius, Liebner. Wird dieſes durchs dacht, fo kann es feinen Widerfpruch bilven, daß ber eine Bott durch die drei Perfonen conftituirt wird, und doch das Refultat ewig vorhanden iſt, ja in ihnen und durch fle ſich ewig ſelbſt conftituirt. If doch ein’ ähnliches: Verhältnis Der Gegenfeitigfeit in jedem Organismus zwiſchen der Einheit und der Gliederung ſelbſt. 1224 - Dritte Periode. Abſchnitt I. für die Chriſtologie die Hauptfache ift, anerkannt, daß das Söttliche in Chriſtus in der abfoluten höchſten alfo perfönlichen Form zu denfen und von dem Göttlichen in ber Welt und in ben Gläubigen zu unterfcheiden fe. Dahin gehören Nipfch, Tweſten, 3. Müller, Liebner, Martenfen, Lange, Mehring, Merz, Ebrard, Sartorius, Thomafius u. f. w. Fehlt auch noch viel zur inftimmigfeit, und wird das Verhaltniß ber Einen göttlichen Perfönlichfeit zu den drei göttlichen Perfonen fowie das ber immanenten Trinität zur öfonomifchen noch fehr verfchieden beflimmt: daß die neuefte Theologie nicht vergeblich an biefem Werfe arbeitet und ihre Richtung im Großen nad Ueberwindung des beiftifchen und ypantheiftiihen Monarchia⸗ nismud auch nothwendig auf Weberwindung des Sabellianie- mus und des Suborbinatianismus der modernen anthröpologis fen Form hinfteuert, zeigt das chriſtologiſche Werk von Lieb⸗ ner durch feine Kritif der neuern trinitarifchen Verſuche in überzeugender Weife. 7) | B. Die menſchliche Seite. Noch mehr erfreulihe Einftimmigfeit zeigt ſich in ber all gemeinen Servorfehrung der wahren Menfchheit Ehrifti, ) Die hr. Dogm. aus d. hriftol. Princip vargeftellt 1,1. S. 65269. In diefem Buche, dem eine große Eonception zu Grunde ligt und das rei an treffenden Urtheilen und Gedanken ifl, kann id zu dem Gelungenen bie Trinitätsiehre in Dem nicht rechnen, was ihr (mit Mertz, Stud. d. würt. Geifl. 1843. 1. 2.) eigenthümlich if, und ſtimme im Wefentlichen dem Urtheil Schöberleins (Reut. Repert. 1850. XXX. 218 ff.) darüber bei. Das fi ſelbſt unſelbſt⸗ fländig Machen des Sohnes gegen den Bater foll den Begriff der Trinität für Liebners Lehre von ver Kenofld des Sohnes zube: reiten. Aber wie, wenn diefe Kenofis ein haltbarer Gedanke wäre ? da würde biefe Lehre Gberflüffig. Sie mottvirte auch eben fo gut oder ebenfo wenig die Menfchwerbung des Baters, wenn nit eine Suborbination des Sohnes dazu kommt. Den ethifchen Proceß der Liebe ſtellt fie nicht in feiner ganzen Reinheit dar, da bie Liebe fich nie aufgibt, fonvern nur ihr Eigentum. Auch Tann, da die Perföntichleit Gottes ohne die des Sohns nach Liebner ſelbſt nicht zu denken If, von fener Kenofls des Sohnes ohne Ges fahr für Gottes Perföntichkeit nicht die Rede fein. Bgl. ©. 1234 f. Chriſti wahre Menfchpeit. Unſündlichkeit. Irving. Menken. 1225 die ſo lange verlannt war. Kaum ein nennenswerther Theo⸗ log wagt ed noch, ihr die eigene Perſönlichkeit abzuſprechen, fie als unperfönlich zu bezeichnen. Man erfennt wieder mit Luther, ' daß es namentlich für das Verſöhnungswerk unerläßlich ift, Chriſti Opfer als ein Werf feiner perfönlichen Menſchheit wenn gleih in Einheit mit bem Logos zu betrachten, damit bie flell- vertretende Genugthuung nicht zu einem bramatifchen Scheine werde. 1%) Nur Einige fcheinen an die Stelle einer menfchlichen Seele bie Perfon des bepstentiirten Logos zu ſetzen, wodurch doch Ehriftus wefentlich zur Theophanie würde ([.u.). Nicht minder erfennen Alle an, daB zur Wahrheit ber Menfchheit die Wahr: heit des Werdens, auch in Bezug auf Inielligenz und Willen, gehöre und. wenn die JZrvingianer mit Menken in Chriſtus eine unreine Natur von Maria ber feben, beren rebellifchen Willen zu überwinden feine von ihm auch normal gelöfte Auf gabe gewefen fei, fo ift dabei ihre Abſicht nicht, der Sündloſig⸗ feit. Jeſu etwas zu entziehen, ſondern nur .die Wahrheit feiner - Menſchheit und feines Zufammenhangs mit uns in einer Weiſe fezubalten, wodurch das Berdienft feines ſich durchringenden Glaubenskampfes noch erhöht werde. Aber freilich erhält bei ihnen durch die Forderung, daß Chriſtus in ſeinem Kampfe nicht anders geſtellt geweſen ſei, als jeder Gläubige, der des Beiſtandes bes heiligen Geiſtes eben fo ſicher ſei, als Jeſus deſſen bedürftig war, der Logos eine ſo müßige Stellung, daß die Incarnation faſt überflüſſig wird, in bedenklicher Weiſe die Gläubigen Chriſto far gleich geſtellt werden. So übereinſtim⸗ mend die jetzige Theologie aber in Betreff der Sündloſigkeit Jeſu if, fo Überwiegend ſie auch an der Wahrheit feiner ſitt⸗ lichen Entwidelung fefthätt, fo ift doch barüber noch nicht Ein: ſtimmung, ob die Verſuchung Chriſti und fein Kampf forbere, daß er durch Wahl und freie Entſcheidung hindurch ſich ethiſch vollendete, oder ob mehr phyſiſch von ihm eine unmittelbare Un⸗ möglichfeit bes Sundigens auszufagen fei. Die Beantwortung biefer Frage hängt theils von ber Klarheit und" Beſtimmtheit 16, Bol. Delitzſch d. bibl. prof. Theol. ©. 30 f. Thomaſ. II, 63. 117. 1226 Dritte Periore. Abſchuitt IL ber Erleuntni bes Berhältniffes zwiſchen dem Phoſtſchen uub Ethiſchen Überhaupt, theild davon ab, ob Die perfönliche Einhei des Logos und der Menfchheit Zefu als ein für alle mal durch den Alt der Incarnation fertig, ober aber ald eine auf ber Bafis einer feienden unio noch einem Werben untermworfene anzufehen if (j. u. S. 1271 M. "N Wenn unleugbar bie fpätere lutheriſche Chriſtologie das wahre Werben zurüdgefiellt, überhaupt dem Doletismus ſich genähert bat, während die Reformirten flets eifrig die volle Wirklichkeit ‘der Menſchheit betonten, - fo kann man fagen: bie neuere Gefammtentwidtung hat ſich dieſes wahren Momentes ber reformirten Chriſtologie mit einer Entſchiedenheit bemäch⸗ tigt, wie ſie auch in der alten reformirten Dogmatik, na mentlih was bie -Perfönlichleit und ethiſche Entwickelung Ehrifti betrifft, kaum aufzumeifen iſt. Umgelehrt iſt es nicht minder erfreulich zu ſehen, wie veformirterfeits die Wahrheit des lutheriſchen Schibolet: humana natura capax divinae, bie allgemeinfte Anerkennung findet. Es Iaffen fich veformirterfeits faft feine Bertreter des alten Dualismus mehr aufzählen und derfelbe kann füglich ald etwas Abgethanes ben dogmengeſchicht⸗ lichen Compendien Üüberlaflen werben. is) Der Zug der ge fammten neueren Wiffenfchaft hat wie bie veinere Anerkennung der vollen Wirklichkeit der Menfchheit, fo auch einen höheren Begriff von biefer eingetragen, die Erkemmiß der wahren Menfchheit oder ihrer bee, wie fie Luther geahnt und ihr Ausfprechen in neuen Zungen erfehnt hat. 7) So bat auch durch die Wirren einer ſcheinbar nur auflöfenden Zeit eine weiſe und gnädige Hand gewaltet und in ihnen eben bas. erreichen 1) Der Nachweis von Chriſti menfchlihem Berufsleben ift bei Rothe chriſtl. Ethik I, S, 284 ff. trefflich gegeben. *) Bol. 3. B. Lange, Pol. Dogm. ©. 218. Leben Sefu II, 79. Ebrard tadelt an der luth. Lehre (mit Baupp) fogar Neftorianie mus, um des vermeintlich fpecififch Iutherifchen Sapes willen: Chbriſtus dei Persona av»deros! Eprifil. Dogm. U, 130—141. m) Vgl. HPundespagen, der über das theocentrifche, etbifche Weſen bes Menſchen Treffliches gibt in feiner Rede über die Humani⸗ tätsibee. 1862. ©. 18 ff. 86 ff. | nu * Gottempfänglichkeit menſchl. Natur allgem. anerkaunt. 1227 laſſen, auf was es ankam. Das Göttliche und das Menfihliche find ber neuern Theologie feine ſich ausfchließenden, fondern zus fammengehörige, innerlich auf einander bezogene und ſich gegenfeitig befätigende Größen, wodurch wie Trennung fo Bereinerleiung ausgeſchloſſen if. Die Klarheit der Einficht in dieſe Wahrheit, bei Verſchiedenen verſchieden abgeftuft, hängt weſentlich von ber Klarheit ab, womit Gottes Wefen als ethiſch, das Ethifche aber ontologiſch gedacht iſt. 2°) Aber dieſe Wahrheit felbft ift auch bei den Reformirten, Außerbeutfchen wie Deutfihen, jet aner⸗ kannt. In England bei dem genialen, Schelling befreundeten Carlyle und befien geiſtreichem, felbfländigem Schüler Mau- rice; bei Zul. Hare, Thom. Arnold, bei Pufy u. A.; im Frankreich bei Edm. 9. Preflenfe wie bei ben Männern ber theologifchen Fakultät zu Montauban, Sarbinsur -und Sala- guier. Im Holland nicht minder bei Ofterzee und Chantepis de la Sauffaye, als bei Schoften in Leyen; in ber. Schweiz bei Hagenbach, Romang, Güder u. A. In Deutichland ähnlich bei allen namhafter reformirten Theologen. ) Ebenſo wichtig ift aber der große Conſens und bie ein dringendere Einſicht in’ Betreff der Wahrheit, daß Chriſtus un- beſchadet feiner Homouſie doch auch von allen Menfchen ver- ſchieden ift ald Haupt und Repräfentant ber Menſch⸗ heit. Diefe Wahrheit, nicht der Philoſophie entſtammend, fondern im Glauben der Chriftenheit ewig lebendig, haben wir 2%) Bgl. IL 716. 769. 21) Eine Ausnahme bildet nur (wenn. fie hieher darf gezogen werben) bie Ev. 8. 3., welche (vgl. Vorw. 1856) den alten veformirten Dualismus feſthalten zu wollen fiheint, ja 1845 Nr. 23. (vgl. Schnedend. 3. kirchl. Chriſt. 218.), von einem doppelten Ich in Chriſtus zu seven weiß. Dagegen von den Lutheranern verfteht fih das Obige von ſelbſt. Nur Delitzſch hatte Günthern mit un⸗ bedachtem Beifall begrüßt (Bibl. prof. Th. S. 30 f. 217); gleich: wohl unbefangen daneben den „Neftorianisnus ber reform. Kirche als Abfall vom altkath. Bekenntniß“ beftraft; ift aber jebt vom Erfteren zurüdgelommen. Die Erlanger Schule, wenn auch nicht in princtpieller Ausführung und Begründung erkennt bie fragliche Wahrheit im Allgemeinen au an. 1228 Dritte Periode. Abſchnitt U. bei allen tieferen Chriſtologen beroortreten fehen; fie Hat aber erſt in unferer Zeit in ihrer ganzen Bedeutung ſich zu erfchlies Gen begonnen. Es kann allerbings bei ihr fo fliehen geblieben werben, daß aus Chriſtus wieder nur eine Art von Mittelwe⸗ fen wird; Das wäre ein moberner, d. h. anthropologifcher, präeris ſtenzloſer Arianismus. Aber daran iſt diefe fchriftimäßige Idee nicht ſchuld. Im Gegentheil, wird fie zu Ende gebucht, jo erweist fie ſich ale Mittelbegriff, welcher es begreiflich wacht, daß der Sohn Gottes mit all feiner Fülle in einem Menſchen wohnen kann; wie umgelehrt zu fagen ift, daß basjenige Weſen, das zum allgemeinen Haupte ber Dienfchen und Engel bes ſtimmt ift, nur dadurch wirklich bie Stelle des Alles beſtimmen⸗ den Hauptes einnehmen, bie univerfale Duelle der Verſoöhnung und Erlöfung, der Heifigung und Bollendung der Geifter, ja auch der Natur fein kann, daß es ber Ort ift in ber Welt, wo Bott perfönliches Sein hat, die lebendige Stätte bes dem All zugewandten perfönlihen Gottes. Welches Licht von biefer Wahrheit auf die Lehre von ber Berfühnung und befonders Stellvertretung ausgeht iſt ſchon früher amgebeutet: ähnlich ver: hält es fich aber mit der Idee vom heiligen Abendmahl. Nur von biefer Wahrheit aus ift es auch möglich, einen vollen und lebendigen Begriff von ber Kirche -zu gewinnen; ohne fie finft fie zum. bürren Begriff einer Anftalt für bie reine Lehre, oder für moralifche Erziehung, ober für ‚die Erlöſung einzelner See: len ober für Ordnung bed gemeinfamen Cultus herab. Sie bagegen zeigt, daß Chriſtus, dieſe gottmenfchliche Perſon mit Seele und Leib aus dem Stoffe ber Denfchheit einen fort und fort wachfenden Leib: ſich aneignet, indem die natürlichen zers firenten und doch nach ihrer göttlichen Idee zu ihm gehörigen, für ihn. beftimmten Individuen — durch den Geift der von ihm ausgeht befeelt, .umgeboren und ihm, dem Haupte, einverleibt erden. Durd Die Idee des Hauptes allein iſt es möglich, aber auch gefordert, von der Menfchheit, wie fie vor Gott ftebt, die Idee zu faflen, wornach fie nicht blos eine Maſſe fein follte, nicht blos eine Vielheit Erlöster, fondern mit ber Welt der höhern Geifter und mit der. für fie und durch fie zu Chriſtus, Haupt u. Repräfentant d. Menfchheit. Rothe. 1229 verffärenden Natur bie Einheit des vollfommenen Weltorganis⸗ mus. Außer ben fchon oben im: Yrüberen Genannten bekennen fih faft alle namhafteren evangelifchen Theologen der Gegen: wart zu biefer Wahrheit: aber mit befonderer Liebe und ein: gehender Einficht if fie von Martenfen, Liebner, Rothe, Lange vertreten. °?) In treffender Weife verwenden Lange und Rothe biefefbe, um bie fchlechthinige Neuheit und wunderbare Einzig: feit Chriſti doch mit ber vollen Wirktichfeit feiner Menfchheit und ihres Zufammenhanges mit bem realen Deenfchengefchlechte in Einflang zu feßen.?°) Das’ ahnungsvolle Wort bes Irenäus, 2) Andre, bie hieher gebören, find Eprenfeuchter, Schöberfein, Hambers ger, Schmieder, R. Stier, Sartorius, Gaupp, Naͤgelsbach, Ebrard; fowie die Philoſophen K. PH. Fiſcher und Epalybäus, Secretan. Beniger lebendig ift dieſe Free bei Thomaſius und Hofmann. Bon Erflerem fagt Liebner (Rent. Repert. 1860 &. 212): es fiheine ipm (in f. Beurth. Liebner's) ganz die Einfiht abzugeben, bie doch bereits als ein Eigenthum der gegenwärtigen Theologie ans gefehen werben Fönne, daß die Menfchheit nicht eine zufällige Mafie fei, fondern fchon ber Schöpfung nach (d. h. ſchon gemäß der urfprünglichen ſchöpferiſchen Idee) Syſtem, gegliederte Totalis tät. Bol. u. ©. 1254. Aehnlich beſchwert fi Delitzſch wider Hofmann darhber, daß er die Individualitäten als vergängliche feße, ohne die doch ein Organismus nicht denkbar iſt (Bibl. prof. Theol. S.217 ff). — Der Grund ligt darin, daß diefe Männer in der Chriſtologie wie in der Lehre von der Kirche einfeitig auf bie göttliche Seite hinzubliden pflegen, d. h. in vem Mangel an aus: gebilveter Eipit, nicht in Leugnung obiger Wahrheit. 33) Ehriſtus ift ihnen ein Individuum, nicht ein fih ins Unbeſtimmte verflüchtigender homo generalis, noch ein monfiröfer Collectiv⸗ menfch ; vielmehr feine Individualität die ihn von allen unter: ſcheidet, befteht eben darin, daB er das Haupt if, und feine menſch⸗ liche Individualität zum adäquaten Organ des wahren Weſens der menfihliden Gattung, wie fie vor Gott flieht und Gottes Selhfimittfeilung in fi ſchließt, gemacht hat. Treffend heben au Lange (Leb. Jeſ. I, 77) und Rothe (Il, 279 f. 298) hervor, wie Epriftus, um pas Centralindividuum zu fein, oder der prin- cipielle Menfch, nicht Habe dürfen das Prodult der Miſchung bes fonderer menſchlicher Individualitäten in der natürlichen Erzeu: gung fein; vorbereitet zwar fei er und bedingt durch die Geſchichte der Menſchheit vor ihm, aber nicht caufirt (Rothe II, 264 ff.). 1230 Dritte Yeriebe. Aſhuitt IL daß Chriſtus longam hominum expositionem in se recapitnia- tar, wird zur Lenchte für bie Geſchichte, die altteſtamentliche Beſonders betont aber Rothe außerdem, daß Chriſti principielle Stellung als Eentralindividuum in pofitiver Beziehung auch auf feiner eigenen fittligen That ruft. Seine Individualität Hat jene Einzigfeit (vollkommen ?) nicht ſchon wie fie die ihm angeborne feines noch materiellen Seins, ſondern wie fie die durch ihn ſelbſt gefebte fittlige feines geifigen Seins iR. „Seine religiös: Ktilige Ent: widlung nemlih war ausfchließlid und mit unbeſchränkter In: tenfität auf die allgemeine Suhſtanz des religiös-fittlichen Lebens rein ale folge, lediglich auf den centralen Punkt bveffelben als ſolchen gerichtet, nemlich vermöge der ihm eigenthümlichen indi⸗ viduellen Lebensaufgabe, weßhalb denn auch viefe Beſchränkung bei ihm eine durchaus normale fei (S. 298). Mit feiner befann- ten Lehre von der Materie und der durch fie bedingten allgemeinen Guͤndhaftigkeit Hofft Rothe Eprifi Freiheit von Erbfünne fo zu vereinigen, daß er fagt (©. 280): nicht der materielle Mutterſchooß des Weibes als folcher iR die Duelle einer phyſiſchen Berverbniß des Daraus entfpringenden menfchlichen Seins, fondern nur fofern er von dem im Act ber natürlichen Zeugung wirk famen materiellen ober ſinnlichen Princip, von ber ſinnlichen Empfindung und dem finnlichen Trieb erregt, alſo autonomiſch wirfam if. Dennoch erhebt Erneſti: Ueber den Urfprung ber Sünde 1855 ©. 179 ff. Bedenken, die auch mir bei Rothe's Lehre von der Sünde (I, &.804-—-812 und U, 180. 221) noch nicht bes feitigt fcheinen, da ihm doch auch Chriſti Perfönlichleit Antheil an ber Materie, diefem Wipergöttlichen, and am Werben hat. — Uebrigens fieht Rothe in Epriftus nicht bios einen Proceß, der ohne Erbſſinde in ſchlechthin normaler Entwidlung burd feine menfchliche Freiheit ihn vergeifiigt, d. $. einen gut und heiltg geifigen NRaturorganismus ober befeelten Leib für feine Perſoͤnlichkeit erzeugt und fo fein Sein zu ſchlechthin gutem und heiligem Geiſt potenzirt hat, fondern fo weit fein Sein wirt: lich als perſoͤnliches entwidelt und heilig vergeiftigt if, ebenfoweit iſt es auch jedesmal ſchlechthin von Gott erfüllt und realiter mit ihm vereinigt, und fo tft fein Leben fhon an ſich ſelbſt eine ſchlechthin weſenhafte Offenbarung Gottes, CI, ©. 281-284), Seine eigentliche Lebensaufgabe war, bie Gemeinſchaft der Menſchen mit Bott trotz der Suͤnde herzuſtellen, indem er mit beiden in abſolute Gemeinſchaft und Einheit tritt. Als folcher Mittler Hat er eimerfeits feine eigene Gemeinſchaft mit Gott zu abfolnter Einheit zu vollziehen, in fich eine ſchlecht⸗ Chriſtus, Haupt der Menſchheit. Rothe. 1931 vornemfich, doch ſchon auch für bie außerteſtamentiſche vers wandte. Das Lestere ſcheint beſonders von Schellings neueſtem hin reale Menfchwerbung Gottes zu Stande Tommen zu laſſen, und dieß if feine relig iöſe Aufgabe; nach der andern Seite hat er uflt der Menſchheit ſich ebenſo durch ein Band abfoluter Ge- meinfchaft zu vereinigen, ſich für die Menſchheit rückhaltlos hin⸗ zugeben, und dieß iſt feine fittliche Aufgabe. Den Wendepuntt vom Erſten zum Zweiten bilvet feine natürliche Reife (die Taufe). Beides vollzieht ſich in abfoluter Iutenfität nur durch die Liebe, die ihr Eigentum ſchlechthin ganz hingibt, mithin auch das Äinnliche Leben felbft, oder in ver ſchlechthin freien Selbſtaufopfe⸗ rung für Gott und die Menſchheit, (5. 218. 254). Er muß ber fündigen: Welt Gott vollkändig bezeugen und ihre Sünde un« bebingt ſtrafend negiren ; durch beides reizt er ihren ganzen Wider⸗ fand gegen fih auf. Er gerieid mit ihr in einen abfoluten Rampf, ver weſentlich zugleich ein Kampf mit dem Reich ver Finſterniß if. Denn aub in das Reich Satans in biefer Welt iR er Hineingeflellt und nur wenn er auch die in tenfliſchen An⸗ fechtungen liegende Hemmung feines religiös - fittlichen Laufes zu durchbrechen, auch biefen unfichtbaren- Feind zu bewältigen ver: mag, iſt er zum Erlöſer qualificitt. So if augenfcheinti fein Lebenswert die Erlöfung ver ſündigen Deenfchheit, das ſchlechthin große menſchliche Lebenswert und fein Schidfal (feine Lebensfüh- tung) das ſchlechthin intenſive oder tragiſche. Jenes muß als das dentbarerweife größte, tieffie, reichte und volle, fa man darf wohl fagen ungeheuerfie anerfaunt werben; feine Lebensfhhrung absr als die denkbarerweiſe am tiefen und innerlichfien die Per fönlichleit anregende, anfpannende und in Aufpruch nehmenpe. Diefen Kampf und das darin eingefchloffene Leiden und Sterben beſteht der zweite Adam nicht für ſich oder um fein ſelbſt willen, denn er if völlig frei von der Sünde, fondern lediglich um ber Menſchheit willen, um für fie bie Sünde und beren Folgen zu überwinden, alfo für fie und flatt ihrer, die ben Kampf nicht zum Siege binausführen Tann, oder ale ihr Stellvertreter (&. 284— 288) und Bürge (S. 806). So ſchlechthin in Einpeit mit Bott und ver Menfchheit fih entwidelnd erhält ex durch feine fie ganz umfaflende Liebe und dur feine grundlegende, ausſchließ⸗ lich auf das Gubflantielle ihres neuen Lebens aus dem Geifle gerichtete, iadividuelle Tendenz und Wirkſamkeit eine ſchlechthin centrale Stellung. Er wird in ver neuen, durch ihn aus der Materie in den Geiſt umgebornen Menſchbeit der principielle Lebensmitielpuntt, das Hr: und Grundindividuum, ber Innerfle 1232 Dritte Periode. Abſchnitt IL Spfiem erwartet werben zu bürfen. Ze mehr dieß gelingt, deſto mehr wird das Chriſtenihum für weiches die Perfon allgemeine Quellpunkt, aus welchem allein alles befondere Leben quillt und in ben alles ſich wieder zurädergieht, daß märhtige Herz, in dem das Leben des Ganzen pulfirt und aus dem es fi in alle einzelnen Glieder verbreitet, mit Einem Wort das Haupt dv. h. das Centralindividuum der neuen Dienihheit (S. 289 f.). Er if zwar ale Individuum für ſich allein noch nicht ber volle wahre Menfch, fondern nur eine befondere individuelle Formation veffelben ; die Vollzahl der Individuen, welche vie höhere Potenz der Menſchheit und ihren wahren Begriff darſtellen, gehört noch dazu. Aber er. it das wefentlich. principielle Individnum, in welchem die Battung an ſich ſchon miigefeht iſt und Das fie daher vertritt. Er if Individuum, nicht wie die andern dadurch, daß er eine nur einfeltige und befeste Realifation bes wenſchlichen Weſens if, ſondern Realiſation veffelben in ver gebiegenen lin: geſchiedenheit aller feiner befondern Seiten. Seine Individualität verhält ſich zu denen. ver übrigen Menſchen, welche Die Ipee ber Menfchpeit exichöpfen, wie der Mittelpunkt zu den übrigen Punkten des Kreiſes. Ste if die Urs und Grundindividualität, kraft der Beziehung anf welche dieſe alle ſich unter sinander organifiren. Bermöge ihrer principiellen und potenziellen Allſeitigkeit enthält fie für jede von allen übrigen den ihr fpeeififch entſprechenden Ort und unmittelbaren Antnüpfungspunlt und if, ſo der legée alles zufammenhaltende Ring, in ven ale andern fih einhängen. Sie bildet für alle andern bie Baſis eines normalen ſittlichen Seins und knüpft fie alle organiſch zufammen. Deun in ber einzelnen Individualität des zweiten Adams gehen bie Indivi⸗ dualitäten aller, das von ihm abſtammende geiftige Menſchenge⸗ ſchlecht conftituirenden, Einzelweſen unter ſich zur einheitlichen Totalität Einer großen Befammtperfon zufammen,. und in biefer in ihm ſchlechthin centraliſirten Zotalität hat dann eben der wirt: Kühe, der wahre concrete Menſch fein reales Dafein. Was im- plieite in ihm fon ligt, aber in noch verfchloffener Weife, bie ganze Fülle ver beſondern Momente oder Unterſchiede der menfch- Nliächen religiöſen Sittlicpleit, muß auch explicite aus ihr heraus entfaltet und ausgelegt: werden, und das in ber Bollzapl der menſchlichen Einzelwefen S. 297 f. — Aus Rotes Auffaſſung der Materie folgt, daß Gott ſchlechthin Chriſto erſt einwohnen kann, nachdem jede materielle Beſtimmtheit und bamit jede Schranke vermöge feiner vollendeten Bergeifigung aufgehoben il. Der Ehriftus, Haupt ver Menſchheit. Rothe. 1233 Chriſti ewig wefentlih if, als der Mittelpunft ber Ger ſchichte —* und vorwärts, als bie abſolute Religion, Moment feiner Vollendung iſt fon als folher Entmaterlalif: tung, Ableben, weil vollendete Vergeifigung, aber auch weil Bollendung der Einwohnung Gottes. Sein Ableben iſt unmittel- bar zugleich feine Auferſtehung, feine Erhebung in den Himmel, (in ven göttlichen Zuftand feines kosmiſchen Seine), die nicht Entfernung von der Erde if, noch Auflöfung feines organifchen - Berhältniffes zur alten natürlichen Wrenfchheit, aber Befreiung von allen materiellen Schranken, und in feiner abſoluten Geiftig- fit (die nad dem Obigen reale vergeiſtigte Leiblichkeit if) if er au auf Erben ſchlechthin gegenwärtig ©. 298 ff. Bon feiner Bollendung an iſt auch die reale Bereinigung Gottes mit ihm oder bie Menſchwerdung Gottes in ihm abſolut vollendet. Die Menfpwerdung Gottes in ihm if beives, Menſchwerdung der gottlichen Berföntichteit in ver feinigen, und Menſchwerdung ver göttligen Natur, durch immer vollſtändigeres Einwohnen der gött: lichen Perſoönlichkeit und Natur in ihm S. 202. In ver Bollen- dung iſt jede Befrhiedenheit zwifchen ihm und Gott ſchlechthin aufgehoben und er ſchlechthin Gott. Er iſt wahrer Gott, denn der in ihm if, und in dem er if, it Gott ſeIbd ſt, nemlich - feinem actuellen Gein nd ober ale Geiſt; und ebenfo iſt er ganz und ſchlechthin Bott, venn fein Sein iſt nunmehr ertenfiv und intenſto vollſtändig, erfüllt von Bott. Keineswegs aber ift auch umgekehrt Gott ganz und fehlechthin der zweite Adam. Denn auch nur nach feinem aetuellen Sein over feinem Sein als Geift geht Gott nicht ſchlechthin auf im zweiten Adam (Bott bat auch ein actuelles Sein in der Gemeinde). Aber um feines abfoluten Einsfeins mit Gott willen ift er auch abfolnt eins mit der ge: fammten bereits vollendeten Geiſterwelt, und zwar unmittelbar mit den Centralindividnen der bereits ſchlechthin vergeifligten Kreiſe ver Kreatur. So iR ver vollendete zweite Adam als das Haupt der Menſchheit unmittelbar zugleich das organiſche Haupt ver gefammten -perfönlicden Geiſterwelt. Erſt hiemit if die Form feines koemiſchen Seins Ihrer eigenthümlich menſchlichen Beſtimmt⸗ heit ungeachtet eine ſchlechtbin unbeſchränkte und unendliche. Und ebenfo findet auch erſt hierin die BVerherrlichung des zweiten Arams ihre abfolute und nichts defto weniger in die unendliche Zeit Hinein unendlich wachſende Bollendung ©. 296. Diele ganze in Gedanken und Darſtellung fo Schönes enthaltende Ehriftologie meint befanntlih Rothe ohne die immanente Trinitätslehre auf: 1234 Dritte Periode. Abfchnitt I. oder bie Religion ſchlechthin, die nicht minder für die Bol: enbung bleibt als fie geſchichtlich die Erlöfung bringt, es gebaut zu haben. Zwar hat auch er eine folge Zrinität ($. 26: das. göttliche Welen, die göttliche Natur, bie göttliche Perſönlich⸗ feit), aber fein trinitarifcher Gottesbegriff will nicht ber. Kirchliche fein ; und er meint, bie: biblifhen Auspräde Bater, Sohn, heil. Geiſt beziehen fid auf ganz andere Berhältuiffe, als die des im: manenten Seins Gottes. Aber da Rote wohl flieht, daß für Chriſtus nicht dabei Tann ſtehen geblieben werden, daß er ein Menfch fei ver Bott volllommen habe, ſondern daß Chriſtus erfi dann ganz mit Gott geeinigt fe, wenn er fih ala Gott wife und wolle, fo in ihm Die fabelltanifche Actualität Gottes in Chriſto auf einzige Weife zu einem Sein Gottes geworben und zu einem Wiſſen von diefem Sein. Wenn nun aber diefes göttliche Sein in Epriflo, das auch von Gottes Seite ein Sihwiflen und Wollen und in fofern perſönlich if, einerfeits verjchieden iſt von ver Wetualität Gottes in der Gemeinde (die auch ein Sein if) andererfells ewig bieibend , fo feheint, wenn wir nicht eine Beränderung im Sein Gottes annehmen, auch gefagt werben zu müflen, daß in Gottes innerem ewigem Weſen die Dafeinsweife feiner ſelbſt ewig au a parte ante ſtatt finden müſſe, welche er — nicht durch Andres auſſer ihm, ſondern als Selbſtbeſtimmung durch ſich — ewig in Chriſto hat. Und ſo ſcheint das hohe Bild, das Rothe von Chriſti Perſon und kosm iſcher Bedeutung binſtellt, doch die Offenbaruaug eines ewigen und fo einzig univerſalen Verhältniſſes und Gedanfens zu’ fein, ja durch dieſen Gedanken wie feine Realißrung mit dem inneren Weſen Bottes fo innig zufammen zu hängen, daß dieſe Chriſtologie . and einen. ihr entiprecpenden trinitarifchen Abſchluß zu fordern ſcheint. 3a Rothe's immanente Trinität dürfte dabei gar nicht fo fremd, als es ſcheint, ver Kirchenlehre ich gegenüber zu ſtellen haben, wenn man nur feRhält, was er non den Unterfchieben in Gott I, 77 fagt. „Ueberall iR es derſelbe, der da if, und überall iſt es etwas An- beres, was biefer felbige if.“ BgL 5.28.24. Denn wird diefer Ge: danke feflgehalten, To folgt zwar keineswegs eine tritheiſtiſche Ein» heit von drei Perſonen oder Subjesten ; aber doch iR es nur Durch⸗ führung deflen, was im ihm enthalten if, wenn wir fagen: das „Weſen Gottes“ und feine „Natur“ find nicht unperfönlich, fondern Die Perfönlichkeit, vie Rothe als Drittes Sept, iſt auch wieder ipuen ſelhſt ewig immanent. Die Eine göttliche Perſönlichkeit, ohne die Gottes Weſen nie fann gedacht werben, fpiegelt fih in den zoono: Unagkens und it ihnen immanent, wie fie durch fie ſich ewig vermitieit; fie Ehriftus, Haupt der Menſchheit. Liebner. 1235 wird mit Einem Worte Chriſtus als das Centrum der Offen barungen Gottes und ale ber ewige Mittelpunkt bes Alls iſt nicht blos abfiracte Einheit, fondern au der abfolute Organis⸗ mus, der ewig Nefultat und ewig fi hervorbringend if. Rur pärfte weiter auch von Rothe’s Standpunkt aus der Rame Ver: fönlichleit als ewiges Refultat des Proceſſes für die Zotalität der Gottheit vorzubehalten, alfo nur das Princip der Eini⸗ gung des Enigegengefehten (nicht das Refultat) für ben britten Unterigied aufzuſparen fein. BgI oben I, ©. 988. Damit aber ſtũ ade Nothe's Trinität der kirchlichen weſentlich nahe. Auch nach Liebner iſt die einheitliche Idee des Geiſtes oder der Menſchheit in Chriſtus zu ſehen. Es iſt überhaupt das bloß abfiract perfönliche, geiftig monadiſche Sein ein unvollſtändiges Sein des kreatürlichen Geiſtes. Denn Entwidlung bes Geiftes und feelifih Teibliches Raturfein gehören weientlich zufammen und decken einander, indem mit bem letzteren natürliches Wachſen, Succeſſion tosmifcher änßerer Impulſe für die ethiſche Entwidlung gegeben if, wie das Organ zur Einwirkung ver Perfönlicheit - auf die Welt. Wie daher überhaupt ver kreatürliche Geift over der Seit in Freatürlicher Exriftenzform Ratur werden, in Natur d. i. ſeeliſche Leiblichkeit eingehen muß, fo auch bei Eprifus. Die Bafis für die Verwirklichung des Werkes der Geſchichte des Geiſtes (S. 818 f.), die Exiſtenzform in der Natur mußte auch er haben. Aber während in uns der Geift nur einſeitig Natur geworben iR, fo wird dagegen ver Logos in die Form der Perſoöͤnlichkeit eingegangen allſeitig Natur, pfochifch-fomatifch und vermittelt fie durch feine Heilige Entwidlung mit dem göttlichen Leben, macht fie ganz zum durchdrungenen Organe verfeiben. Wir find als Einzelne auch in unferer Raturgabe Einfeitigleiten in Ber: gleich mit der vollfommenen Ratur des Gottmenſchen. Die Natur bafis muß aber nicht nothwendig einfeitig fein als befonvere Gabe oder Talent, fie kann auch alffeitig fein. Die abamitifche Menſch⸗ heit für fih beftept der pſpchiſch⸗ fomatifhen Raturfeite nach aus membris disjectis; feines ift dem andern fchlechthin gleih, aber alle gehören zu einem Syſtem. Das Princip des Syflems au nach der Naturfeite, der organifche Mittelpunkt faßt als Reali⸗ firung der volllommenen Idee der Menfchheit alles diefes in feiner Natur zufammen. Er if ein Einzelner, aber der, in welchem auch nach der Naturfeite das Einzelne das Allgemeine und das Allgemeine das Einzelne if. Er iſt auch in diefem Sinn prin» Dorner, Chriftelogie. IL 2te Aufl. 79 1236 Dritte Periode. Abfgniit I. erkannt. Diefe Auffaffung der Yerfon Chriſti als eines Weſens son micht bios ethiſcher ober veligiöfer ober zeitgeſchichclicher, eipielles oder Centralindividuum ©. 315. Diefe Auffaffung unter: ſcheidet ſich von der Rothe's dadurch, daß Rothe dasjenige, wo⸗ durch Chriſtus univerſale Bedeutung hat oder Centralindividuum iſt, auf der geiſtigen Seite, in den ſubſtanziellen Gebiete ter Religion fieht, während Liebner auch eine Nniverfalität auf der Naturſeite vertritt. Allein, da au Liebner die Rothwendigkeit einer etpifchen Entwidlung nicht leugnet, und unter ber Ratur keineswegs primär das Materielle verſteht, andrerfeits auch Rothe die ethiſche Entwidiung des Gottmenſchen nicht aus vem Leeren tann beginnen laſſen, fondern die von Anfang ver Menichheit vorbereitete Individnalität Zefu auch von Natur fo benten muß und denkt, daß die centrafe Richtung, fern von jeber Einfeitigkeit, zu ihrer normalen Entwidlung und Aufgabe gehörte: fo dürfte in biefem Punkt feine weſentliche Differenz zwifchen Beiden ſtattfinden, und das um fo weniger, da auch Liebner diefe Zufammenfaflung ber Ratur in Ehrifto, oder diefe Raturanlage für ein priucipielles Dafein, für die centrale Individualität nicht als quantitative . Außerliche und rofe IZufammenfaffung der Menfchen in fig vorgeflellt wiffen will. Nur.die Gegner einer tieferen Chriſtologie möchten diefem Gedanken ein monfirdfes Eompofitum unterfihteben. Biel: mehr, fagt Kiebner, es fei in Eprifus eine organtfche Einheit al ver in der Menfchheit zerfireuten Potenzen, ähnlich wie au im adamitifchen Menſchen die ganze äußere Natur zufammengefaßt iſt. Diefe organiſche Einheit ſei ferner in Chriſtus nur der realen Möglichkeit nach vorhanden. Sein Beruf iſt Stiftung ver abfoluten Religion und fordert nicht die allſeitige beſondere Actualifirung feiner alffeitigen Natur. Aber in Demjenigen, was in die Actualität eingeht, dem Höchſten und Eentralen, find die andern Momente eingefchloffen, die Principien der Kunſt, Wiflen- haft n. f. w., und in Chriſti Heiligkeit find alle möglichen menfchlichen Baben reell ſchon geheiligt (©. 818). Aehnlich Schne⸗ ckenburger Vergleichende Darfielung II, 220. Xreffend hebt Liebner hervor, wie e8 zum gleichen antichrifiologifchen Refultat führe, wenn man fich bei Ehrifius nur an die Raturfelte ober nur an bie Seite der Gerfönlichkeit halte. Fehlt die ethifche Perſoͤnlichkeit und ihre Actualität, fo fehlt die Wirklichkeit feines univerfellen Weſens, und indem diefes bloße Potenz bieibt, ‚fehlt doch bie reale Macht der Zufammenfaffung in eine Einheit und Ehrifius bleibt wieder ein Ginzelner, wie Andere, ein heiliger Menſch. Umge⸗ kehrt, wo auf Chriſti einzelne Perfönlichkeit von Haus aus das Eprifius, Haupt ver Menſchheit. Liebner. Martenfen. 1237 fondern auch kosmiſcher und metaphyfiicher Bebeniung vermag erſt feiner Menfchheit eine weientliche Bedeutung zu verleihen. Haupigewicht gelegt wirb, iR Ehrikus nur der normal entwidelte Adam. Aber Adam war nicht minder als wir nad der Ratur: feite ein einfeitiges Glied ver Menſchheit. Epriftus muß alfo ſowohl auf der perfönlihen, ale auf der Naturfelte von Adam unterfihieben werden. Es bebarf mehr als des nur normal ent- widelten Adams, es bedarf eines Allbefreiers, eines univerſalen und centralen Dauptes, der die ganze menſchliche Natur in fi heiligt, ver die allgemeine riligiöfe Wahrheit nicht blos weiß und verbreitet, ſondern perfönfich dieſe ik. Der Allbefreier muß real der Altbefreite fein und in fi tragen, was er mittheilt. Auch die größten adamitiſchen Deiligen, ſelbſt die Apoftel, wirkten ver: möge ihrer einfeltigen Naturindividualität nur wahlverwandt In begrenzten Kreiſen. Chriftus, das Heilige erfüllte Princip der Menſchheit ſelbſt, iR Allen wahlverwandt, wirk in abfoluter Bahlanziefung ©. 819. Bel. S. 27--64. Martenſen hatte fhon in der Schrift: De autonomia conseientise sul hamenae 1837 gelagt: der Botimenfch ſei nicht bios unum ex multis individuis, sed Individuum absolutum, Monas centralie. Cum libertas absolute, cui subsunt non solum omnia universalia et abstracta verum etiam om- nes monsdes fAinitae, sit ejus essentia, non solum prineipium generis humani manifestat, imo ipse est illud principiam. Die wahre Gottesidee ſei bie der abfoluten Perſönlichkeit, die unio Chriſti mit Bott eine unio personalis ; baper müfle das hikorifche Individuum, womit Bott die unio absoluta einging, omai sub- jectivitate pertieulari liberum fein und nichts offenbaren als . vie abfointe Perſoͤnlichkeit und indem «es fie offenbare, offenbare es ch ſelbft. Richt ſowohl dürfe Eprifius unter ben Begriff der Menſchheit fubfumirt werden, als woburd diefe feine Urſache würde, fonbern der, in weldem und auf ven Alles geſchaffen iſt, iſt es, dem die menſchliche Gattung zu fubfumiren if; und feine Geſchichte Hat zum Princip nicht ven Eaufalnerus bes Univerſums oder eine relative Freiheit, ſondern die abfolute, und Hält nicht nur eine relative Nothwendigkeit, fondern das Princip der Cau⸗ fatität ſelbſt fich unterworfen. Yerfonalität ſteht Hoch über dem Gattungsbegriff, Über species und Individnum, außer welchen das Genus nicht exiſtirt. Sie if zwar au in ihnen und umfaßt fie, denn fie ift abſolut; aber fie if in ſich, alles Ach unterwerfen und die menfchliche „Battung“ iſt dem Gottmenſchen unterworfen, daß er fie zur Serfönticpleit erhebe. — In reicherer Ausführung 79 * 1238 Dritte Periode. Abſchnitt IL. Es wird aber damit nun auch zugleich ber Unterſchied feiner Menſchheit von der Aller außer ihm bezeichnet; bie Lehre Iegt er in feiner Hrifll. Dogm. 1849 dar: Chriſtus fei das Indivi⸗ duum, welches als das Centrum ver Menfchheit zugleich das offen: bare Eentrum der Gottheit, ver perfbnliche Einheitspunkt von Sott und Gottes Reich Tel, der in Fälle offenbaret was das Reich Gottes in unterſchiedner Manchfaltigkeit. Der zweite Adam iſt wie das erlöſende, fo auch das weltvollendende Princip. Das weltvollendende Tann aber von dem weltfchöpferiichen nicht ver: ſchieden fein, von dem Logos. Er if alfo auch bie Selbſtoffen⸗ barung des Logos. ALS der menfchgeworbene Logos aber iſt er nit blos ver Mittelpunkt der Menfchenwelt, fondern des Alls, nicht blos Haupt des Menſchengeſchlechts, fonvern Haupt ver Schöpfung (Eol. 1, 16), Erfigeborner veffelben, auf welchen Alles gefchaffen iR. Denn wie der Menſch, ver Mittelpunkt ver Schö⸗ pfung, der Einheitspunkt der Geiſter und Sinnenwelt fei, edler als die Engel; fo gelte das im höchſten Sinn von dem zweiten Adam, in weldem das Himmliſche und Irdiſche, das Unfichtbare und Sichtbare, die Kräfte der Schöpfung, die Engel, Herrſchaften und Mächte ihren zuſammenfaſſenden Abfchluß finden $. 180. 131. Man Tann freilich fagen: ver neue Adam if ein Geſchöpf bes Logos, aber ver Sap wird falfh, wenn man nicht mehr fagt. Gottes fchöpferifche Thätigkeit muß ‚hier unbedingt Eins fein mit feiner Selbftoffendarung. Die Wahrheit if, daß auf dieſem Punkt die Schöpfung feine Selbſtſtändigkeit hat außerhalb der Menſch⸗ werbung, fonbern urfpränglich darin anfgehoben iſt, und der zweite Adam fich nicht in gefchaffenem Anversfein außerhalb ber ungeſchaffenen Fülle beiwegt, wie es von all den peripherifchen Individuen gilt, welche zur Fülle ver Ewigkeit zurüdverlangen und einen Mittler dafür begehrten, fondern daß in biefem Central⸗ individuum die Fülle der Gottheit urſprünglich und unauflöslid in die gefchaffene Natur gefaßt, und daß diefe unauflös— liche Einbilpvung des ungefhaffenen Ebenbildes Gottes In das Gefchaffene die Grundbeſtimmung in feiner Yerfon tft 8. 189. Diefes Ebenbild dient nah M. Zrinitätslehre ver innern Selbftoffenbarung des Baters, aber fo, daß es als gött- liches Wenbild auch die Schöpfung der Wirklichkeit dieſes Welt: bildes vermittelt 5.56. Für Lange's Chriſtologie kommt befons ders in Betracht: Poſit. Dogm. 1851. ©. 208 ff. 591— 788. Philoſ. Dogm. 1841. $. 83. 44. 66. 61--67. Leben Jeſu, 1844. I, 1-78, II, a. ©. 66 f. 189—839. II, 6. 1845. Borr. VOI—XIL Chriſtus, Haupt der Menſchheit. Martenfen. Lange, 1239 son feiner Homouſie mit und erhält bamit eine Foribilbung. In diefer feiner Menfchheit it der allbeflimmende Mittelpunkt, das reale. „II, 49 f. 228 f. 558. 714—760. Worte der Abwehr gegen Dr. $r. W. Krummacher. 1846. (wider monopppfitifde d. h. die Menfchpeit verkürzende Anfihten. Sein Grundgedanke if, es ſei zwar zu unterſcheiden zwiſchen dem dreieinigen Weſen Gottes und ſeiner Weſensoffenbarung, aber nicht ſo daß lediglich die ewige Weſensgeſtalt des Sohnes Gottes als nothwendig, ſeine Offenbarung in der Zeit aber als willkürliche Veränderung ſeiner Daſeinsform und als zufälliges Ereigniß angeſehen würde. Streift doch der Sohn Gottes die menſchliche Natur nicht als unweſent⸗ liche Erſcheinungshülle wieder von ſich ab, ſondern ſtellt fie in das Licht feiner Majekät verklärt in ewiger Einheit mit feinem göttliden Welen dar. Die nachzeitige ewige PDerrlichleit ver Menſchheit Eprifti weist auf ihr ewiges ideales Dafein in Gott zurück. Der ewige Gottesfohn kann fi nicht im Laufe der Zeit für immer mit einer Zufälligkeit behaftet, oder eine feinem ewigen Weſen nicht entfprechende Form als pur hiftortihe angenommen haben. Es muß alfo unterſchieden werben zwifchen Menſchwer⸗ bung und Annahme ver Knechtsgeſtalt (wie die luth. Dogm. flets geihan hat). Wer bie ewigen Ausgänge der Menſchheit Chriſti anerfenne, müfle auch die ewigen Anfänge derſelben verfieben ler⸗ nen, damit bie Menſchwerdung ihm nicht zu einem unvermittelten Factum werde. Ste fei mit der Schöpfung und ber Nrzeit, wie mit der Gefchichte des A. T. in innere und wefentliche Beziehung . zu dringen. Chriſti menſchliche Natur oder die Menfhwerbung if im Werben, Kommen gewefen von Anfang. Der Eingang des Sohnes Gottes in die Zeit und Menſchheit vermittelt fi durch eine unermeßlich reiche Vermittlung, zu welcder die ganze Linie der Lebensentfaltung von der Grundlegung der Schöpfung an bis zur Erſcheinung des Gottmenſchen eine ununterbrocene "Kette bildet. Im Gottmenſchen aber iſt die höchfle Idee des Lebens (1 Joh. 1, 1.) verwirklicht, wie Die abfolute Selbſtbeſtimmt⸗ heit Gottes erfihtenen. Seine Perfon iſt paper getragen von ber ganzen vorcriftlicden Entwicklung der Welt und Menfchheit wie der Gipfel einer Pyramide von der Bafls. Diefe Bafis ift Feine todte, fondern eine lebendige Bewegung zum Gipfelpunkt Hin. Jene Bermittelungen Tiegen vornehmlich innerhalb der heil Ges ſchichte A. T. Ein dem Erbfluche entgegenfiehender großer Erbfegen entwidelt fih in dem Samen Abrahams, in der gefegneten Reihe der Väter. Die Gefchichte des gottmenſchlichen Lebens beginnt 1240 Dritte Periode. Abſchnitt IT. Lange. Chriſtus, daupt der Princip ber wahren Menſchheit gegeben. In diefer Lehre von Chri⸗ ſtus als dem wahrhaft menfihlihen Haupte ber Schöpfung if Das⸗ in der Wechſelwirkung des gefallenen Menfchen mit dem erbar: menden Gott, zeigt fi zuerfi in individuellen Uranfängen bei den Patriarchen nah Adam, firirt fi dann ih dem Glaubens: leben eines Mannes, das eine geſchichtliche Macht wird und eine Genealogie von Gläubigen gründet. In Abraham if die Ber beißung Gottes zum Erbſegen ver Menfchheit geworben und fo ſpricht ſich thatfächlich die Wahrheit aus, daß das gottmenfchlice Heil nicht bloßer Bei fei ohne Natur over gar wider bie Natur, fondern Geiſt in geweihter Natur. Diele Genealogie des Erb⸗ fegens begiunt mit vem Glauben an das Wort der Berheifung, welches das gottmenſchliche Leben in Abrapam febt, entfaltet ſich durch fortgehende Weihungen der menſchlichen Natur, durch fi fleigernpe Lebensmittheilungen des Geiſtes Gottes. Sie vollendet fi in dem gläubigen Schauen und Annehmen des Gottmenſchen, in der Geburt dur Maria. Die Perioden find: Berheißung, Ge⸗ fe, Prophetie, ſchließlich die individuelle Concentration des gott menfolichen Lebens. Die Hülle iſt das iſraelitiſche Bolt, ber Blauͤthenſtengel die Jungfrau , die hervorbrechende Blüthe der Meſſias. Dieſe Vermittelungen ſollen jedoch nach Lange's Sinn nicht im Geringfien die abſolute Neuheit und Unmittelbarkeit des eigent⸗ lichen Gottmenſchen ausſchließen (Yhiloſ. Dogm. 468). Gerade dadurch, daß er als der unendlich Vermittelte erſcheint, gibt er fih als der abſolut Unmittelbare zu erkennen, als der, welcher dieſe Vermittlung für ficd ſelbſt gefeht hat. Der Erſcheinung nach wird das Erfie aus dem Letzten, das Ewige aus dem Zeit: lichen, das Unendliche aus dem Endlichen. Aber wie fchon ber erfte Menfch durch eine große geologiſche Vorgeſchichte vermittelt das jüngfle Kind der Schöpfung if, und doch nicht aus ber vor: menſchlichen Schöpfung zu erflären, ein sriginelles neues Leben ifl, das vielmehr früher war als die Schöpfung, fo ähnlich au Chriſtus. — So trefflich der Grundgedanle Lauge's iR, der von Rothe, wie auch. befonvers von Nägelsbach (der Gottmenſch 1853. Bd. 1. der Menſch der Natur, ©. 2 f. 18-38) und in Beziehung auf das U. T. als Vorgeſchichte Chriſti au von Baumgarten und Hofmann ausgeführt wird, fa ift Doch hier no eine weit forgfältigere Beſtimmung über die.Art der Präcexiſtenz Chriſti in der Geſchichte nötfig. Namentlich zeigt Lange nicht genug, wie fern die Menſchwerdung der Natur des Logos in Zefu non der Menſchh. Zufammenp. d. Hauptes mit d. Gottmenſchh. 1241 jenige zu feiner Wahrheit und zu abäquaterem wie ſchriftmäßi⸗ gem Ausdruck gebracht, was bie Iutherifche Chriftologie als Frucht ihrer Communic. idd. gewollt ober doch geahnt hat. Durch biefe Wahrheit hängt bie Chriſtologie mit dem Begriff der abfoluten Offenbarung Gottes und mit ber Trinitätslehre unauflöslich zufammen. Denn nur dadurch kann Chriſtus Die Stätte ber centralen Offenbarung Gottes, nach ber Bewegung bes göttlichen Herzens fein, daß er nicht blos eine befchränfte einzelne Individualität iſt wie andere, fondern daß in ihm eine fehlechthin univerfale und abfolute Sottempfänglichkeit menfchlicher Ratur mit der ſchlechthin univerfalen ober centralen Selbfimit: theilung Gottes zufammentrifft. Weil diefer Menfch das ſchlecht⸗ bin gottempfängliche Weltrentrum ift, darum ift er auch für bie centrale Offenbarung Gottes, die perſönliche empfänglich. Aber auch umgelehrt: die, Idee des Hauptes zeigt, daß biefer Menſch Gott fein kann. Denn Haupt ber Schöpfung Tann Diefer Menſch nur dadurch fein, daß in ihm ber ſich offen- barende Gott felbft wohnt und centzal in ibm ift, wie auch ſchon der Menſch ſolcher univerfalen Empfänglichleit nur alg ſchon in. den Bätern angeblich real begonnenen Menſchwerdung der natura Gottes zu unterfcheiden ſei. Nägelsbach läßt ſchon den Adam, weil fein geiftiges Wefen göttliher Natur ſei, Elo⸗ him⸗Adam fein; aber nur von Natur und durch Einwohnung göttliher Ratur. Alser gefallen war, fo ſei eine künſtliche Ein» wohnung des Elohim im Menfchen, eine Fünftliche Realifirung der Idee der Gottmenſchheit verfucht (vom Geſetz an). Aber erft als im Sopne Elohim perfönlih Menfch geworden war, war ber Gottmenſch auf Erden wirklich geworben, und in ihm das leben: dige Princip einer neuen Menſchheit und einer neuen Natur ges geben, vgl. S. 236 ff. 282 ff. 446 ff. Auch hat dieſe Wiederher⸗ ſtellung der Typik in realerer und objeftiverer Form ſich davor zu hüten, die Vorbereitung Chriſti durch Sündenerkenntniß und Schuldbewußtſein nicht zu verbunfeln, überhaupt aber über dem Blick auf das Typiſche nicht das gefchichtliche Leben und Ringen des Volkes A. T. zu Überfehen. Die Borbereitung Chriſti iſt Im Großen Borbereitung der Empfänglichkeit für ihn, die aller: dinge au durch Borausbarfiellung feiner gewirkt und ausge: bildet wird, aber diefe if nirgends fhon Erfüllung. 1230 Dritte Periode. Abſchnitt IL daß Chriſtus longam hominum expositionem in se recapitula- tur, wird zur Leuchte für bie Gefchichte, bie altteſtamentliche Befonderd betont aber Rothe außerdem, daß Chriſti principielle Stellung als Eentralindivipunm in pofitiver Beziehung auch auf feiner eigenen fittlichen That ruht. Seine Individualität hat jene Einzigkeit (vollkommen ?) nicht ſchon wie fie die ihm angeborne feines noch materiellen Seins, ſondern wie fie die durch ihn felbft geſetzte fittliche feines geiftigen Seins if. „Seine religiös«fittlicde Ent- widlung nemlich war ausfchließlih und mit unbeſchränkter In: tenfltät auf die allgemeine Suhftanz bes religiögsfittlichen Lebens rein ale foldhe, lediglich auf ven centralen Punkt deſſelben als folgen gerichtet, nemlich vermöge der ihm eigenthümlichen indi⸗ viduellen Lebensaufgabe, weßhalb denn auch Diele Beſchränkung bei ihm eine durchaus normale fei (S. 298). Mit feiner befann- tem Lehre von ber Materie und ber durch fie bebingten allgemeinen Sündhaftigkeit Hofft Rothe Chriſti Freiheit von Erbfünde fo zu vereinigen, daß er fagt (S. 280): nicht der materielle Mutterſchooß des Weibes als folher if die Duelle einer phyfifchen Berberbniß des daraus entipringenden menfchlichen Seins, ſondern nur fofern er von dem im Act ber natürlichen Zeugung wirt: famen materiellen oder finnlichden Princip, von der finnlichen Empfindung und dem finnlichen Trieb’ erregt, alfo autonomifch wirkſam if. Dennoch erhebt Ernefli: Weber den Urſprung ver ‚Sünde 1855 S. 179 ff. Bedenken, vie auch mir bei Rothe's Lehre von der Sünde (I, &.804--812 und II, 180.221) noch nicht be feitigt fifeinen, da ihm Doch auch Epriftt Yerfönlichkeit Antheil an der Materie, dieſem Widergöttlicden, und am Werden bat. — . Vebrigens ſieht Rothe in Chriſtus nicht blos einen Proceß, der ohne Erbſünde in ſchlechthin normaler Entwidlung durch feine menfchlige Freiheit ihn vergeiftigt, d. h. einen gut und heilig. geiffigen Naturorganismus over befeelten Leib für feine Perſoͤnlichkeit erzeugt und fo fein Sein zu ſchlechthin gutem und beiligem Geiſt potenzirt hat, fondern fo weit fein Sein wirt: Ih als perfönliches entwidelt und heilig vergeiftigt it, ebenfoweit ift es auch jedesmal fchlechthin von Gott erfüllt und realiter mit ihm vereinigt, und fo iſt fein Leben ſchon an fich ſelbſt eine ſchlechthin welenhafte Offenbarung Gottes, (II, ©. 281-284), Seine eigentliche Lebensaufgabe war, bie Gemeinihaft der Menſchen mit Gott troß der Sünde herzuftellen, indem er mit beiden in abfolute-@emeinfchaft und Einpeit tritt. Als folder Mittler Hat er einerfeits feine eigene Gemeinſchaft mit Bott zu abfoluter Einpeit zu vollziehen, in fig eine ſchlecht⸗ Chrifus, Haupt der Menſchheit. Rothe. 1231 vornemlich, doch fchon auch für die außertefiamentiiche vers wandt. Das Letztere ſcheint befonderd von Schellings neueſtem pin reale Menfhwerbung Gottes zu Stande kommen zu laſſen, und dieß if feine relig iöſe Aufgabe; nach der andern Seite hat er nflt der Menſchheit fih ebenfo durch ein Band abfoluter Ge⸗ meinfchaft zu vereinigen, fih für die Menſchheit rückhaltlos hin⸗ zugeben, und bieß ift feine fittliche Aufgabe. Den Wendepunkt vom Erften zum Zweiten bildet feine natürliche Reife (die Taufe). Beides vollzieht fih in abfoluter Intenfität nur durch die Liebe, die ihr Eigenthum ſchlechthin ganz hingibt, mithin auch das finnliche Leben ſelbſt, oder in ver ſchlechthin freien Selbſtaufopfe⸗ mug für Gott und die Menſchheit, (6. 218. 254). Er muß der fündigen: Welt Bott vollſtändig bezeugen und ihre Sünde un⸗ bedingt firafend negiren ; durch beibes reizt er Ihren ganzen Wider⸗ fand gegen ſich auf. Er gerieid mit ihr in einen abfoluten Kampf, ver wefenilich zugleiih ein Kampf mit dem Rei ver Finſterniß td. Denn au in das Reich Satans in biefer Welt iR er Hineingeflellt und nur wenn er auch die in teuflifihen An⸗ ferptungen liegende Hemmung feines religiös- fittlichen Laufes zu durchbrechen, auch dieſen unſichtbaren Feind zu bewältigen vers mag, if er zum Erlöfer qualificirt. So iſt augenſcheinlich fein Lebenswert die Erlöfung ver fündigen Dienfchheit, das ſchlechthin große menfäpliche Lebenswert und fein Schickſal (feine Lebensfüh⸗ zung) Das ſchlechthin intenfive oder tragiſche. Jenes muß als. das denkbarerweiſe größte, tieffte, reichſte und volle, fa man darf wohl jagen ungeheuerfte anerfannt werben; feine Lebensführung aber als die denkbarerweiſe am tiefſten und innerlichſten die Per fönlicpleit anregende, anipannende und in Anſpruch nehmende. Diefen Rampf und das darin eingefihloffene Leiden und Sterben beſteht der zweite Adam nicht für ſich oder um fein ſelbſt willen, denn ex iſt völlig frei von der Sünde, fondern lediglich um der Menſchheit willen, um für fie die Sünde und beren Folgen zu überwinden, alfo für fie und flatt ihrer, die den Kampf nicht zum Siege hinausführen faun, oder als ihr Stellvertreter (©. 284— 288) und Bürge (S. 805). So ſchlechthin in Einpeit mit Gott und ver Menfchheit ſich entwidelnd erhält er durch feine fie ganz umfaflende Liebe und durch feine grundlegende, ausſchließ⸗ lich auf das Subflantielle ihres nenen Lebens aus dem Geifle gerichtete, individuelle Tendenz und Wirffamkeit eine ſchlechthin centrale Stellung. Er wird in ber neuen, burd ihn aus ver Materie in den Geiſt umgebornen Menſchbeit der principielle Lebensmitieiyuntt, das Ur⸗ und Grundindividuum, ber innerfle 1232 Dritte Periode. Abſchnitt u. Spftem erwartet werben zu dürfen. Je mehr dieß gelingt, deſto mehr wird das Chriſtenthum für welches bie Perſon allgemeine Quellpunkt, aus welchem allein alles beſondere Leben quillt und in den alles ſich wieder zurückergießt, daß mächtige Herz, in dem das Leben des Ganzen palfiri und ans dem es ſich in alle einzelnen Glieder verbreitet, mit Einem Wort das Haupt d. h. das Eentralindivipuum der neuen Menſchheit (©. 289 f.). Er if zwar als Individuum für fich allein noch nicht ber volle wahre Menſch, fondern nur eine befonbere individuelle Formation deſſelben; die Vollzahl ber Individuen, welche bie höhere Potenz der Menfchheit und ihren wahren Begriff darſtellen, gehört no dazu. Uber er iſt das weſentlich principielle Iudividaum, in welchen die Gattung an ſich ſchon mitgeſetzt iſt und Das fie daher veriritt. Er if Individuum, nicht wie die andern dadurch, daß er eine nur einfeitige und befeste Renlifation bes menſchlichen Weſens if, fondern Realifation defielben in ber gebiegenen Un: geſchiebenheit aller feiner befondern Selten. Seine Zudividualität verhält fich zu denen. der übrigen Menſchen, welche die Idee der Menfchpeit exiihöpfen, wie ver Mittelpunkt zu den übrigen Punkten des Kreiſes. Sie iſt die Ur⸗ und Grundindividualität, kraft der Beziehung auf welche diefe alle ſich unter sinander organifiren. Bermöge ihrer principiellen und potenziellen Allſeitigkeit enthält fie für jede von allen übrigen den ihr fperififch entſprechenden Ort und unmittelbaren Antnüpfungspuntt und if. fo der letzte alles zufammenhaltende Ring, in ben alle andern ſich einhängen. Sie bilbet für alle andern die Baſis eines normalen fittlichen Seins und knüpft fie alle organifch zufammen. Denn in ber einzelnen Individualität des zweiten Adams gehen bie Indivi⸗ bualitäten aller, das von ihm abſtammende geifiige Menſchenge⸗ ſchlecht conftituirenden, Einzelweſen unter ſich zur einheitlichen Totalität Einer großen Geſammtperſon zufammen, und in diefer in ihm ſchlechthin centralifirten Zotalität hat daun eben der wirt: liche, der wahre concrete Menſch fein reales Dafein. Was im- plieite in ihm ſchon ligt, aber in noch verſchloſſener Weiſe, die ganze Fülle ver befonbern Momente oder linterfchiebe der menfch: lichen religiäfen Sittlichleit, muß auch explicite aus ihr heraus entfaltet unb ansgelegt- werben, und das in ver Bollzapl der menfchlichen Einzelweien S. 297 f. — Aus Rothes Auffaflung- ver Materie folgt, daß Bott ſchlechthin Chriſto ex einwohnen fann, nachdem jede materielle Beſtimmtheit und damit jede Schranke vermöge feiner vollendeten Bergeifigung aufgehoben if. Der Chriſtus, Haupt der Menfchheit. Rothe. 1233 Chriſti ewig wefentlih dit, als ber Mittelpunkt ber (Ges fehichte rückwäris und vorwärts, als bie abfolnte Religion, Moment feiner Vollendung tft fon als folder Entmaterialifi⸗ rung, Ableben, weil vollendete Bergeifigung, aber auch weil Bollendung der Einwohnung Gottes. Sein Ableben if} unmittel- bar zugleich feine Auferſtehung, feine Erhebung in den Simmel, cin den göttlichen Zuftand feines kosmiſchen Seins), die nicht Entfernung von der Erde if, noch Auflöfung feines organifchen - Verhältniſſes zur alten natürlichen BWenfchheit, aber Befreiung von allen materiellen Sihranken, und in feiner abfoluten @eiftig: Kit (die nach dem Dbigen reale vergeiftigte Leiblichkeit iR) if er au auf Erven ſchlechthin gegenwärtig ©. 298 ff. Bon feiner Bollendung an ift au die reale Bereinigung Gottes mit ihm ober die Dienfepwerbung Gottes in ihm abfolut vollendet. Die Menſchwerdung Gottes in ihm if beives, Menſchwerdung ber goͤttlichen Berföntichteit in ver feinigen, und Menfchwerbung ver göttlichen Ratur, durch immer vollſtändigeres Einwohnen ber gött⸗ lichen Perfönlilett und Natur in ihm ©. 299. In ver Bollen- Yung if jede Geſchiedenhett zwifchen ihm und Gott fehlechthin aufgehoben und er ſchlechthin Gott. Er if wahrer Bott, denn der in ihm If, und tu dem er ift, ik Gott ſe Ibſt, nemlich - feinem actuellen Sein nad oder als Geiſt; und ebenfo ift er ganz und ſchlechthin Gott, venn Tein Sein iſt nunmehr ertenfiv und intenſto vollſtaͤndig, erfüllt von Gott. Keineswegs aber iſt auch umgelchrt Bott ganz und ſchlechthin der zweite Apam. Denn auch nur nad feinem aetuellen Sein oder feinem Sein als Geiſt geht Bott nicht ſchlechthin auf im zweiten Adam (Bott hat auch ein actuelles Sein in der Gemeinde). Aber um feines abfoluten Einsteins mit Gott willen ift er auch abſolut eins mit der ge: fammten bereits vollendeten Geifterwelt, und zwar unmittelbar mit den Centralindividnen der bereits ſchlechthin vergeiſtigten Kreiie der Kreatur. &o iſt der vollendeie zweite Aram als das Daupt der Menſchheit unmittelbar zugleih das organiſche Haupt der gefammten perſönlichen Geifterwelt. Erf hiemit if die Form feines koomiſchen Seins ihrer eigenthümlich menſchlichen Beſtimmt⸗ heit ungeachtet eine ſchlechthin unbeſchränkte und unendliche. Und ebenſo findet auch erſt hierin die Verherrlichung des zweiten Adams ihre abfolute und nichts deſto weniger in die unendliche Zeit Hinein unendlich wachfende Bollendung ©. 396. Diefe ganze in Geranten und Darfteflung fo Schönes enthaltende Chriſtologie meint befanntlih Rothe ohne die immanente Trinitätsiehre auf: 1234 Dritte Periode. Abſchnitt IL oder die Religion ſchlechthin, die nicht minber für die Voll⸗ enbung bleibt als fie geſchichtlich bie Exlöfung bringt, es gebaut zu haben. Zwar hat auch er eine folche Zrinität (5. 26: das göttliche Weſen, die göttliche Natur, die göttliche Perſönlich⸗ teit), aber fein trinitarifcher Gottesbegriff will nicht der kirchliche . fein ; und er meint, die bibliſchen Ausdrücke Bater, Sohn, heil. Geiſt beziehen ih auf ganz anders Berbältuiffe, als bie des im; manenten Seins Gottes. Aber da Rothe wohl fieht, daß für Epriftus nicht dabei kann fliehen geblieben werden, daß er ein Menfch fei ber Bott volllommen babe, ſondern daß Chriſtus erfi dann gauz mit Gott geeinigt fei, wenn er ih ala Gott wifle und wolle, fo iR ihm die fabellianifche Actualität Gottes in Chriſto auf einzige Weiſe zu einem Sein Gottes geworben und zu einem Wiſſen von diefem Sein. Wenn nun aber diefes göttliche Sein in Chriſto, das auch von Gottes Seite ein Sichwiſſen und Wollen und in fofern yerfönlich if, einerfeits verſchieden iſt von ver Aetnalität Gottes in der Gemeinde (die auch ein Sein if) andererſeits ewig bleibend, fo feheint, wenn wir nicht eine Beränderung im Sein Gottes annehmen, auch gelagt werben zu müflen, daß in Gottes innerem ewigem Weſen bie Dafeinsweife feiner ſelbſt ewig auch a parte ante ſtatt finden müſſe, welche er — nicht Dusch Andres auffer ihm, fondern als Selbfibefimmung durch ſich — ewig in Chriſto hat. Und fo feheint das hohe Bild, das Rothe von Chriſti Perfon und tosmifcher Bebeutung hinfellt, doc die Offenbaruag eine® ewigen und fo eluzig univerfalen Berhältnifies und Gedankens zu fein, ja durch dieſen Gedanken wie feine Realißrung mit dem inueren Weſen Gottes fo innig zufammen zu hängen, daß biefe Chriſtolog ie auch einen. ihr entfprechenden trinitarifchen Abſchluß gu forbern ſcheint. Ja Rothe's immanente Trinität dürfte Dabei gar nicht fo fremd, als ea ſcheint, der Kirchenlehre ich gegenüber zu ſtellen haben, wenn man nur feRbält, was ex von den Unterſchieden in Gott L, 77 fagt. „Ueberall if} es derſelbe, der da If, und überall if cs etwas An⸗ beres, was dieſer felbige if.“ Vgl. 5.23.24. Denn wird diefer Ges danke fegehalten, fo folgt awar feineswege eine tritheiſtiſche Ein» heit von drei Perfonen oder Subjecten ; aber doch iR es nur Durch⸗ führung deſſen, was in ihm enthalten if, wenn wir fagen: das „Weſen Gottes“ und feine „Ratur“ find nicht unperfönlich, fondern die Perfönlichkeit, die Rothe als Drities ſetzt, iR auch wieder ihnen felbft ewig immanent. Die Eine göttliche Perfönlichleit, ohne die Gottes Weſen nie kann gedacht werben, fpiegelt ih In den zpoones undpkenc und if ihnen immanent, wie fie durch fie ſich ewig vermittelt; ſie Chriſtus, Haupt der Menſchheit. Liebner. 1235 _ wird mit Einem Worte Chriſtus als das Centrum der Offen barungen Gotied und als der ewige Mittelpunft des Alls iſt nicht bios abfiracte Einheit, ſondern auch der abfolute Organis: mus, der ewig Refultat und ewig fih hervorbringenn if. Nur bürfte weiter auch von Rothe's Standpunkt aus der Rame Per fOnlichleit als ewiges Nefultat des Proceffes für vie Zotalität ver Gottheit vorzubepalten, alfo nur das Princip der Eini- gung des Entgegengeſetzten (nicht das Refultat) für ven dritten Unterfchieb aufzufparen fein. Bgl oben I, ©. 988. Damit aber Rinde Rothe's Trinität der kirchlichen weſentlich nahe. Auch nad Liebner iſt die einheitliche Idee des Geiſtes ober der Menſchheit in Eprifius zu fehen. Es if ũberhaupt das bloß abfiract perfönliche, geiftig monadiſche Sein ein unvollfländiges Sein des kreatürlichen Geiftes. Denn Entwidlung des Geiftes und feelifch Teibliches Raturfein gebören weientlich zufammen und beten einander, indem mit dem letzteren natürliches Wachſen, Succeffion kosmiſcher äußerer Impulſe für die ethiſche Entwicklung gegeben iſt, wie das Organ zur Einwirkung der Perſönlichkeit auf die Welt. Wie paper überhaupt ber kreatürliche Geiſt oder . der Gelft in kreatürlicher Exiſtenzforim Ratur werben, in Natur d. i. ſeeliſche Leiblichleit eingehen muß, To auch bei Chriſtus. Die Bafis für die Verwirklichung bes Werkes ver Geſchichte des Geiſtes (S. 318 f.), die Erifienzform in der Natur mußte auch er haben. Aber während in uns der Geift nur einfeitig Natur geworben if, fo wird dagegen der Logos in die Form der Perſönlichkeit eingegangen allſeitig Ratur, pſychiſch⸗ſomatiſch und vermittelt fie durch feine Heilige Entwidlung mit bem göttlichen Leben, macht fie ganz zum durchdrungenen Organe verfelben. Wir find als Einzelne auch in unferer Naturgabe Einfeltigleiten in Ber: gleich mit der vollfommenen Natur des Bottmenfchen. Die Ratur: bafis muß aber nicht nothwendig einfeltig fein als befondere Gabe oder Talent, fie kann auch allfeitig fein. Die abamitifhe Menſch⸗ heit für ſich befteht ver pſpchiſch⸗ſomatiſchen Raturfeite nach aus membris disjectis; feines ift dem andern fchlechthin gleich, aber alle gehören zu einem Syſtem. Das Princip des Syſtems au nach der Naturfeite, der organifche Mittelpunlt faßt als Reali⸗ firung ver volllommenen Idee der Menſchheit alles dieſes in feiner Natur zufammen. Er if ein Eingelner, aber der, in welchem auch nach der Raturfeite das Einzelne das Allgemeine und das Allgemeine das Einzelne if. Er if au in dieſem Sinn prin- Dorner, Chritelogie. IL 2te Aufl. 79 1236 Dritte Periode. Abſqhnitt I. erfannt. Diefe Auffaffung der Perſon Chriſti als eines Weſens von nicht bios ethiſcher ober veligiäfer ober zeitgeſchichtlicher, eipielles oder Centralindividuum ©. 815. Diefe Auffaffung unter: ſcheidet ich von der Rothe's dadurch, daß Rothe vasienige, wo⸗ durch Chriſtus univerfale Bedeutung hat oder Centralindividuum iR, auf der geifligen Seite, in dem ſubſtanziellen Gebiete ter Religion fieht, während Liebner auch eine Nniverfalität auf ber Naturfeite vertritt. Allein, da and Liebner die Nothwendigkeit einer etpifchen Entwicklung nicht leugnet, und unter ber Natur keineswegs primär das Materielle verſteht, andrerfeits auch Rothe die etpifche Entwidiung des Gottmenſchen nit aus dem Leeren kann beginnen laſſen, fondern die von Anfang der Menfchheit vorbereitete Individualitãt Jeſu auch von Ratur fo denken muß und denkt, daß die centrafe Richtung, fern von jeder Einfettigteit, zu ihrer normalen Entwidlung und Aufgabe gehörte: fo dürfte in dieſem Punkt feine weſentliche Differenz zwiſchen Beiden Rattfinden, und das um fo weniger, da au Liebner diefe Zufammenfaflung ber Natur in Ehrifto, oder dieſe Naturanlage für ein principielles Dafein, für die centrale Individualität nit als quantitative - änßerliche und rofe Zufammenfaffung der Menſchen in ſich vorgeftellt wiſſen will. Nur.die Gegner einer tieferen Chriſtologie möchten diefem Gedanken ein monftröfes Eompofitum unterfchieben. Biel: mehr, fagt Liebner, es fei in Eprifius eine organifche Einheit all ber in ber Wenfchheit zerfirenten Potenzen, ähnlich wie auch im adamitiſchen Menſchen die ganze äußere Natur zufammengefaßt if. Diefe organiſche Einheit fet ferner in Chriſtus nur der realen Möglichleit nah vorhanden. Sein Beruf if Stiftung ver abfolnten Religion und forvert nicht die alfeitige befondere Actnalifirung feiner alffeitigen Natur. Aber in Demfenigen, was in die Actualität eingeht, dem Höchſten und Gentraien, find die andern Momente eingefchloffen, die Principien der Kunſt, Wiffen- ſchaft u. f. w., und in Eprifi Helligkeit find alle möglichen menſchlichen Baben reell ſchon geheiligt (S. 818). Aehnlich Schne⸗ ckenburger Vergleichende Darſtellung II, 220. Treffend hebt Liebner hervor, wie es zum gleichen antichriſtologiſchen Reſultat führe, wenn man fi bei Chriſtus nur. an die Naturſeite oder nur an die Seite der Yerfönlichkeit halte. Fehlt die ethiſche Perſoöͤnlichkeit und ifre Actualität, fo fehlt die Wirklichkeit feines univerfellen Weſens, und indem diefes bloße Potenz bleibt, ‚fehlt doch die reale Macht der Zufammenfafiung in eine Einheit und Chriſtus bleibt wieder ein Einzelner, wie Anvere, ein Heiliger Menſch. Umge⸗ kehrt, wo auf Chrifti einzelne Verfönlichkeit von Daus aus das “ Chriſtus, Haupt ver Menfchheit. Liebner. Martenfen. 1237 fondern auch kosmiſcher und metaphyfifcher Bebeniung vermag erſt feiner Menſchheit eine weſentliche Bedeutung zu verleihen. Dauptgewicht gelegt wird, if Chriſtus nur ber normal entwidelte Adam. Aber Adam war nicht minder ale wir nad der Ratur- feite ein einfeltiges Glied der Menſchheit. Chriſtus muß alfo ſowohl auf der perfönlichen, als auf der Raturfeite von Adam unterfehleven werden. Es bevarf mehr als des nur normal ent- widelten Adams, es bebarf eines Allbefreiers, eines univerfalen und centralen Hauptes, der die ganze menſchliche Ratur in fich heiligt, ver die allgemeine religisſe Waprpeit nicht blos weiß und verbreitet, fondern perfönfich dieſe iR. Der Alidefreier muß real der Allbefreite fein und in fih tragen, was er mittheilt. Auch die größten adamitiſchen Heiligen, felbf die Apoftel, wirkten ver: möge ihrer einfeltigen Raturinpivipualität nur wahlverwandt in begrenzten Kreifen. Chriſtns, das Heilige erfüllte Princip ber Menſchheit ſelbſt, iR Allen wahlverwandt, wir in abfoluter Baplanziehung ©. 819. Bgl. ©. 27--64. Martenfen hatte fon in der Schrift: De autonomia eonscientiae sui humenas 1837 gefagt: der Gottmenſch fei nicht bios unam ex multis individuis, sed Iadividuum absolutum, Monas centralis. Cum libertas absolute, cui sabsunt non solum omnia universalia et abstracta verum etiam om- nes monades finitae, sit ejus essentia, non solum principium generis humani manifestat, imo ipse est illud prineipium. Die wahre Gottesidee ſei die der abfoluten Perſönlichkeit, die unio Chriſti mit Gott eine unto personalis ; daher mäffe das hiſtoriſche FIndividuum, womit Gott die unio absolute einging, oma sub- jectivitate particulari liberum fein und nichts offenbaren als . vie abfolnte Yerfönkichielt und indem es fie offenbare, offenbare es fich ſelbſt. Richt ſowohl dürfe Chriſtus unser den Begriff ver Menſchheit fubfumirt werden, als woburd dieſe feine Urſache wäre, fondern der, in welchem und auf den Alles geſchaffen if, iR es, dem die menfchlihe Gattung zu fublumiren if; und feine Geſchichte Hat zum Princip nicht ven Eanfalnerus des Univerfums oder eine relative Freiheit, fondern die abfolute, und Halt nicht nur eine relative Nothwendigkeit, fondern das Princip der Cau⸗ falität ſelbſt fih unterworfen. Perſonalität flieht hoch über dem Gattungsbegriff, Über species und Individuum, außer welden das Genus nicht exiſtirt. Sie if zwar auch in ihnen und umfaßt fie, denn fie if abfelut; aber fie if in ſich, alles ſich unterwerfend und bie menſchliche „Gattung“ ift dem Gottmenſchen unterworfen, daß er fie zur Yerföntichleit erhebe. — In reicherer Ausführung 79 * 1250 Dritte Periode. Abſchnitt II. war, ba Sünde eintrat. Muß man doch jedenfalls fagen, daß Gott, da er die Möglichkeit der Sünde zuließ, ſchon auch in dem von Ewigkeit gefaßten Plan der Menfchwerbung die Möglich feit der Erlöſung durch dieſelbe wollte und fo die Welt von * Anfang an auf die Menfchwerbung einzichtete, wenigſtens ale eine mögliche. Sn feiner Weife folgt ferner (auch wenn ſich die fragliche Lehre mit ber anbern verbindet, daß Chriſtus das Haupt der Menfchheit fei, was an ſich nicht nothwendig, aber allerbinge wohl begründet ifl), daß Chriſtus in bemfelben Sinne Haupt der Menfchheit und der Engel fei, wie über bie Gläubigen (die Kirche). Noch ſchwerer ift zu erfennen, wiefern aus beidem zufammen bie Gefahr ſich ergeben foll, daß Chriſtus als Haupt der Menfchheit von felbft fletig heil. Geiſt auf Die Menfchheit ausfirömen müßte, wodurch Verſöhnung überflüſſig und ſtatt bes Glaubens ein magifcher Moceß eingeführt würde, Ueberhaupt find Vorſtellungen von einer magiſchen Stellvertre⸗ tung Chriſti für uns mit ber dee bes Hauptes nicht gege⸗ ben, wohl aber. bat die wahre, ethiſch gedachte Stellvertretung an biefer Idee ihren unentbehrlichen Halt, 2?) ohne ben bas Berfühnungswerf etwas Aenperliches, ja Willfürliches blicke, Eine Tatholifirende Compenſationslehre ift damit feineswege ges fegt; denn es beſteht Damit wohl, daß jeder Einzelne für ſich ein ethiſch und religiös volllommener Gottesmenfch werben fol und daß er boch dieſes nur in individueller Form werben kann oder fein wahres Wefen nur erreicht, wenn er bie gliebliche Stellung, die ihm ſchon Durch feine Individualität vorberbeftimmt iſt, im Ganzen des wahren Organismus der Menſchheit einnimmt. - Doch biefer Einwand: führt ung zu ben Gründen wiber obige Lehre Über, bie genauer betrachtet jüh in Gründe für fie verwandeln. Sp fagt Thomafius: bei ihr würde Darftels kung ber reinen Menfchheit Zweck der Menſchwerdung. “Meint er, das würde babei ber ausfchließlihe Zwei, fo wäre bag nach dem fchon Erörterten irrig. Iſt aber feine Meinung, die⸗ fer Zweck fei auszufchließen und das finde nur bei der enigegen- 27) Bol. Rothe, Ethik IL ©. 280 f. Thomaflus u. 3. Müller über die Nothw. d. Menfhw. 1251 geſetzten Annahme Statt, fo wäre bas ein Beweis wiber die letztere, und zeigte, daß dieſe es nicht zu einer wahren und wirklichen Menſchheit bringt, fondern nur zu einem Organen der Gottheit, zu einer Theophanie. Doch ſchärfer iſt derſelbe Einwand gefaßt, wenn 3. Müller ein Bedenken dagegen aus: fpriht, daß bei umferer Annahme Chriftus zum Selbftzwed und zu etwas Epideiktiſchem würde, flatt bios Mittel zu fein. — Wir antworten, wenn er nicht auch Selbſtzweck wäre, fo könnte er nicht das (ethiſche) Mittel fein, das er fein fol und iſt. Geſetzt fein Dienfch ließe ſich erlöfen, fo wäre. fchon das ein Gut, daß die eriöfungsfräftige Perfünlichkeit in ihm aufgetreten ifl. Sie ift werthvoll an ihr felbft, und deßhalb ift ihre Dahingabe für die Welt werthvoll und kann flellvertretenb fein. Doc auch J. Müller muß ja Chriſtus als Selbſtzweck anerfennen, wie jeden Menſchen, wenn er zugibt, baß er auch nach bem Werk der Erlöſung der Menfchheit noch fortbaure, während doch eigentlich das, was feine Eriftenz nur dem Umſtande verbankt, daß es Mittel ift, Fein Recht zum Fortbeſtehen "hat, wenn ber Zweck des Mittels erreicht if. Aber wenn Chriſtus nicht eine auch über die Zeit der Sünde hinausreichende Bedeutung für bie Menfchheit zugefchrieben würde, fo würde Chriſtus nach der Erlöſung müffig, und verbankte feine Fortdauer nur dem Um⸗ ftande, „daß Unvergänglichfeit zur Wahrheit bes menſchlichen Seins gehört;“ fo würden wir in der Vollendung in eine wefents fi) andere, nicht mehr fletig durch Ihn vermittelte Religion ein: äutreten haben; e8 wärg denn, daß man fagte, daß auch ſchon jest die Mittbeilung des ewigen Lebens nicht von Ihm ausgehe, fondern nur das Negative der Erlöſung, das ſich doc vom Poſitiven nicht trennen läßt. Wenn ferner ſowohl J. Müller als Thomafius anbeuten, ohne Sündenfall wäre fein Auseinanbers treten in erfle und zweite Schöpfung, Feinerlei Gegenfat zwifchen ber anfänglichen Befchaffenheit des Menfchen und dem IIrevur, fo ſtimmt das mit der paulinifchen Lehre vom erſten Adam, (1 Cor. 15.) ber noch nicht mreuuarınog fondern xoinos und wurn Luca geweſen fei, während erfl der zweite Adam, ber Herr vom Himmel, Dorner, Ghriftologie. MR. Xe Aufl. 80 1252 Dritte Periode. Abfepnitt II. nrevuerıxög ja das nreüue war, doc fehr wenig zufammen. Paulus unterfcheidet beftimmt erſte und zweite Schöpfung in feiner wichtigen Lehre von ben zwei Adam, und zwar auch abs gefeben von der. Sünde, denn von der Unvollfommenbeit und dem nichtpneumatifcher Weſen bes erften redet er auch abgefehen von der Sünde. Aber vielleicht hätte Adam, ohne die Sünde, in immanenter Yreiheitsentwidlung feine Vollkommenheit erreicht auch ohne alle äußere Offenbarung? Umollfommen war nad Paulus Adam auch wenn er nicht fündigte, und er fagt nicht, daß er obme das Pneuma hätte können die Vollendung finden. Man wird wohl zugefteben, Daß wenn em Bedüurfniß baflie auch ohne Sünde vorhanden war, bie Offenbarung auch bis zur Spite ihrer Vollendung in: der Menſchwerdung Gottes fortfchreiten mußte. Aber vielleicht ruht das Bedürfniß einer äußeren Offenbarung nur in der Sünde? Bielleiht wäre Adam durch normale innere Entwicklung des Pneuma oder bes Logos ohne Chriſtus theilhaftig geworben, bie Menjchheit aber auch fo ‚nicht verkürzt, weil Adam (Thomaſ. I, 220), das natürliche Haupt der Menfchheit, dann bie Einheit geweſen wäre, Die bie Menfchheit verbindet, zumal ber „Patriarch. Adamı“ burd) Heiligkeit ing geiſtliche Leben verflärt worben und fo eine Art von „eom- municatio idiomatum“ bei ihm eingetreten wäre? Das Lestere wagt Thomaſius auszuſprechen, das Erftere nimmt Müller an. Allein wenn wir nicht mitt 3. Müller's Präeriftentianismus (der feinerfeits felbft wieder ganz eigenthümliche chriſtol. Schwierigfei« ten mit ſich führt), eine anfängliche ganz andere Organifation menfchlicher Natur annehmen als die jegige, nemlich eine rein ſpiri⸗ tuale, fo wird doch zu beharren fein bei dem Grundſatz, daß bie Dffenbarung durch objektive Media ſich vollbringe, nicht aber rein innerlich; und Daß dieſes auf dem Wefen bes Menfchen (auch uns "abhängig von der Sünde) beruhe, das Überhaupt eine Entwidlung unter Anregung von außen bedinge. Mithin droht die Läugnung jener Wahrheit von dieſer Seite einer fpiritualiftifchen Auf⸗ faſſung vom Wefen des Menfchen fich zu nähern. Thomaſius aber, welcher bie Gefahr bes Pelagianifchen oder der Bermifchung bes Nichtzufammengehörtgen ſah, wo fie.nicht if, wird bei feiner Ueber die Nothwendigkeit der Menſchwerdung. 1253 Anficht von Adam fi) vorzufehen haben, diefe Gefahr nicht ba zu überfehen, wo fie fich findet. Denn es heißt in bedenklicher Weife den Unterfchieb zwifchen ber erften Schöpfung mit ihrem Adam und ber zweiten vermifchen, wenn man meint: Abam fei von Gott eigentlich vorherbeftimmt gewefen, Chriſti Stelle in ber Menfchbeit zu erſetzen und bie Stellung einzunehmen, bie Ehrifius (wem von der Erlöfung abgefehen wird) einnimmt. Zwar appellirt Thomaſius (ähnlich Hofmann) noch darauf, daß der Logos ohne Sünde das innere Band der Einheit geweſen wäre, wie „ber Patriarch Adam“ Das äußere. Aber er Tann im Angeſichte defien, was wir auch nach ihm an Chriſtus ha⸗ ben, ſich nicht verbergen, bag da eine große Discrepanz zwis ſchen der Innern Einheit durch den Logos und ber realen Eins heit durch Adam übrig geblieben wäre, und daß in Ehrifti Perfon die Einheit unendlich intenfiver und realer vorhanden ift, weil das Innere und bie Realität in ihm fich decken.s) Wenn nun doch hierin ohne Zweifel ein hohes But ligt, dap die Einheit ber Menfchbeit in Ehrifti Perfon ganz anders bervertritt als fie je in Adam hätte bervortreten fönnen (es fei denn daß man Adam zum Gottmenſchen machte, ober im Gottmenfchen bios einen gotterfällten Dienfchen fähe): was follte denn irgend Gott baran gehindert haben, der Menfchheit von Anfang an und nad feiner urſprünglichen Idee von ihr dieſe Einheit zuzudenken, bie er angeblich erft nachher ihr foll zugedacht haben, zumal bie Empfänglichfeit für dieſelbe Doch fchon in jenem urfprünglichen Be: griff von der Menfchheit müßte eingefchloffen fein. Wie follte Gott vor der Sünde den Befchluß gefaßt oder gewollt haben, Daß jene volle Empfänglicykeit dee Menfchheit für den Logos, bie er jebens falls ihr muß gegeben haben, unerfüllt bleibe, wenn doch, wie Tho⸗ mafius felbft nicht in Abrede fteilt, außer der Erlöfung noch Ans bered durch den Gotimenfchen ung gefchenft wird? Warum follte feine Liebe die Liebesoffenbarung nicht ale abfolute gewollt fondern das relativ Unvolifommene vorgezogen haben? All diefen Schiwierigs feiten ann man fich bei Thomaſius Anficht nur entziehen, wenn man 0, Eine Ahnung hievon zeigt Thom. 1, 220. 80 * 1254 Dritte Periode. Abſchnitt IL fich auch noch zu einem weiteren Schritt entſchließt. J. Mül⸗ ler weiß wohl, daß wenn zugeflanden ift, die Menſchheit fei von Gott urfprünglich ald Organismus gewollt, dann auch nicht mehr in Abrede kann geftellt werden, fie fei urfprünglid mit einem vollfommenen Haupte gewollt, d. 5. mit dem Gottmens ſchen; aber er verfährt folgerichtig, er Käugnet jene urſprüngliche göttliche Idee von ber. Menfchheit. Dagegen Thomaſius will die Menfchheit doc immer wieder ald Organismus benfen, will auch nicht ibealiftifch Die reale Verwirklichung und Darftellung des Einheitspunftes der Menfchheit geringfchägen; er benft bie Menfchheit als Gattung, und die Kirche ald Organismus. Aber bamit ſtimmt, wie gezeigt, feine Chriftologie Die gerabe Das Haupt nur zufällig denkt übel zuſammen. Das bat nur in ber Aw fhauung Raum, welche die Menfchheit urfprünglich in atomiſti⸗ ſchem Außereinander und die Individuen in volllommener Selbfl- ftändigfeit dent, d. h. in der Lehre, welche 3. Müller confequent bis zum SPräeriftentianismus zu Ende führt. Iſt Dagegen, wie Thomaſius will, die Menfchheit als Organismus zu benfen mit bleibender Berfchiedenheit ihrer Individualitäten, fo wird bie . Beollendung, die dem Organismus durch ein ewig bleibenbes Haupt zuwächſt, auch in der ewigen Idee von ber Menfchheit, wie fie vor Gott ſteht, enthalten. fein müſſen. Doch auch 3. Müllers Anficht wird folgender Alternative nicht ausweichen können: Wenn in dem Schöpfundsgebanfen über bie Menfchheit alle Menfchen ‚gedacht find, Chriftus aber auch wahrer Menſch ifl, fo folgt, daß er auch ſchon im Schöpfungsgebanfen befaßt war, nicht erft im Gedanken der Erlöfung und damit wäre zugeflanden was wir wollen Wenn aber das Erfiere wollte geläugnet werben, fo wäre entweder Chriftus nicht als wirfs licher Menſch wie die anderen, fonbern als Theophanie zu benfen, oder aber wäre zu fagen, daß der Schöpfungsgebanfe nicht eine gefchloffene Zahl von menfchlichen Perfönlichfeiten ent hielt, die zufammen ein Ganzes zu bilden beftimmt waren, fons bern unter ber Menfchheit, wie fie nor Gott ſtand, — hätten wir dann eine biffufe und unbegrenzte Vielheit zu denken. Das Erftere kann J. Müller nicht wollen; das Lebtere contraftirte Notwendigkeit der Menſchwerdung. 1255 fehr mit der fireng teleologifchen Richtung, die fonft Müllers Denfen auszeichnet, müßte den Werth der einzelnen Perfönlicheit herabdrücken und das Vernunftintereſſe unbefriedigt laſſen, das auf eine weiſe teleologiſche Einheit gerichtet iſt. — Ferner aber wird auch J. Müller eine ewig bleibende Verſchiedenheit der Vollendeten nicht läugnen können noch wollen: verſchieden aber werden ſie ſein durch verſchiedene Individualitäten, ſowie dadurch daß fie das werden, als was fie urſprüunglich gedacht und gewollt find, wie auch bie fittliche Aufgabe feine andere fein fann, als daß jebe Individualität der göttlichen Idee bie fie feste gemäß fich fittlich reprobucire, und fo wollend jene Idee verwirffiche. Aber fo entfteht doch auch für J. Müller Die Noth⸗ wenbigfeit, die Menſchheit nach der göttlichen Idee von ihr, damit ihre Einheit in der Vielbeit bewahrt bleibe, nicht blos als zerfiveute Dienfchenmenge, ſondern als einen Organismus zu den⸗ fen, deſſen Glieder ſich zu einer Einheit burch ein veales Haupt er- gänzen. Denn unmöglich ift es, die Einheit der Menſchen einzig ale ihre That, als Produkt ihres Liebesverfehre, ohne Betheiligung bes ſchaffenden und vollendeten Gottes anzufehen. Dan will ferner Chriſtus zwar als den allgenugfamen Mittler anfehen, aber verführt als wäre mit bem Erlöſungswerk die Funktion Chriſti entbehrlich und vorüber. Allein das hieße nichts Geringeres ald: wenn wir nur verſöhnt feien, fo fei das pofitive inhaltsvolle Leben von felbft und ohne fortgebenden Alt Chriſti des ewigen Hohenprieſters und Königs in uns vorhanden, und fo wilrde Alles, was Chriſtus gibt, nur Entbindung ber von Anfang vorhandenen Kräfte, nicht aber Erfüllung der anfänglichen Empfängfichfeit fein. Wie das ber in Betreff der Menfchheit ber legte Grund ber Differenz fi) auf bie Frage rebueirt: ift die Menfchheit von Gott als Organismus gewollt und daher mit einem Haupte, in welchem auch bie Einheit eben fo real verwirklicht‘ ift, wie die bleibende Verſchiedenheit der Individuen? oder ift bie Menfchheit als eine bloße diffuſe Maffe von Wefen unbeftimmter Zahl und Bes fchaffenheit gewollt die nur durch ihre Liebesalte aus bemfel- ben Geifte heraus bie reale Einheit zu produciren haben? fo reducirt ſich in Betreff des Einzelnen die Differenz in letzter 1256 Dritie Periode. Abſchnitt IL Beziehung auf bie Frage: iſt bie Menſchheit nach ihrem urfpräng- lichen Weſen nur freie Empfänglichleit für das Gute, für Gott und feine Offenbarung, oder ift fie als probuftioe Freiheit bes Guten aus fi} zu denfen? — So gewiß nun jene freie Empfäng- lichfeit dafür beſtimmt ift, erfüllt zu werden und bas Gute zu eigen zu erhalten, fo wenig entipricht es doch ber Freatärlichen Stellung, des Menfchen Freiheit fo zu denlen, daß fie ohne göttliche - Selbſtmittheilung vollendet fein Tonne. Die Ber einigung zwifchen Gott und ber Menfchheit, auf bie es in ber Religion doch abgefehen ift, kann nur fo gedacht werden, daß der höchſte Aft der Freiheit nach oben oder im Verhältniß zum Böttlichen darin beftebt, ſich durch Gott und feine Offenbarung beftimmen, mit Kraft und ewigem Leben erfüllen laſſen zu wol⸗ len. — Nur wenn wir jene Wahrheit anerfennen, kann aud der ethifche Charakter bes Glaubens fireng fefigebalten werben. Denn von einer allgemein menfchlichen, d. b. von der menſch⸗ lihen Natur und vom Gewiſſen indicirten Glaubenspflict gegen Chriftus, biefe einzelne Perfon, (nicht bloß gegen fein Wort oder neftorianisch gegen das Göttliche in ihm, fondern gegen ihn als Gottmenfchen) kann nur unter ber Bedin⸗ gung die Rede fein, daß unfere Natur, wie Gott fie gewollt, fhon durch ihr Wefen für Chriſtus befliimmt und zu ihm hin⸗ gezogen iſt; er iſt nicht ein Träger bes Wortes Gottes, wie Mofes und die Propheten, fondern in der Einheit und Ganz beit feiner Perfon, mithin auch als Menfch, dasjenige Weſen, welches eine univerfale und metapbpfifche Bebentung für alle Menfhen, fa für alle Geifter hat. Nur dadurch wirb be: greiflih, daß was doch von aller Sünde gelten muß,. auch vom Unglauben an Chriſtus gilt, d. h. daß er auch ein Wider⸗ ſpruch mit dem eigenen Wefen, nicht nur mit einer bloßen Pofitivität iſt; nur Dadurch ift möglich, Daß der Glaube an biefen Menſchen ſich anſchließend eine füttliche Pflicht von allgemein menfchlicher Art vollbringt, daß alfo das Näturgefeg mit dem vouos zioreng innerlich harmonirt und ber Glaubensaft nicht in leuter Beziehung ein Akt der Willfür oder bloß gefeglicher Art bleibt, fonbern freie That fein kann. Deßhalb heißt es Ueber die Rothwendigkeit ver Menfchwerbung. 1257 auch: dem Sohn fei das Gericht übergeben, „weil er ‘Mens ſchenſohn if.“ Es fommt auch ſchon für die Erlöſung bar: auf an, nicht blos an ben Logos, fondern an Chriſtus zu glauben ; ??) was Abgötterei wäre, wenn nicht Die Menfchheit Chriſti in bie metaphyſiſche Bedeutung biefer Perfon mit eingefchloffen wäre. So fann auch an ihn als erlöfende Perfon ‚nicht geglaubt werden ohne auch an ihn als die vollendende, ja die Vollendung ber Menfchheit zuerſt in fich darſtellende zu glauben. Hier ifl zugleich der Punft, an welchem erhellt, wie ohne jene Wahrheit ber Gegenfag zwiſchen Rationaligmus und Supranaturalismugs und der zwiſchen ber erflen und ber zweiten Schöpfung nicht fann überfchritten werben. Denn ber Eintritt Chriſti als bes Gottmenfhen in die Weltorbnung und das. Gebiet ber Reli- gion behält fonft bie Stellung einer für den urfprüngfichen Weltplan Außerlichen und zufälligen Pofitivität. Die auf Ehris ſtus fich gründende Weltorbnung und Religion (wenn fie nicht in Beziehung anf den- Mittelpunkt des Chriſtenthums, der in der Perfon und nicht bios in dem Erlöfungswerfe Chriſti liegt, eine vergängliche fein fol), tritt ohne jene Wahrheit mit der Einheit bes göttlichen Weltplans, die von der Vernunft und dem chriſtlichen Bewußtfein gefordert ift, in fo unlösbaren Conflikt, dag damit das Chriſtenthum ben Anſpruch, Die abfolute Religion zu fein,- wie Die Theologie bie Möglichkeit einer zufammenhängen: den fpftematifchen chriftlichen Weltanfchauung aufgeben müßte. °°) Nur Ein Ausweg bliebe für die Theologie übrig, aber der führte einen Conflift mit dem fittlichen Bewußtfein herbei. Das wäre ber Weg, mit Schleiermacher zu fagen, daß der urfprüngliche Weltplan 9 ©. o. Anm. 24 die aus Schmid citirte Stelle. so, Das erkennt ſelbſt Philippi, Kirchl. Glbol. I, ©. 20, auf feine Weiſe an, fo fehr er im Uebrigen den Gedanken, um den es fi in jener Wahrheit handelt, mißverfieht oder unrichtig deutet. Auch Philippi zeigt auf feine Weile, daß man biefe nur um den Preis leugnen Tann, entweder, wie der Rationalismus will, die Gott menfchheit als weſentlich entbehrlich für die Denfchheit anzufehen, oder wie der alte Supernaturalismus die Gottmenſchheit, alſo um den Preis des Ebjonitiſchen over Doletifchen. Philippi's Schrift vom thät. Gehorſam Eprifti ſteht auf ver letztern Seite, ſ. o. S. 821. 1258 Dritte Periode. Abſchnitt IL. die Sünde mit der Erlöſung zufammen geordnet und in biefem Sinn eine erfie nothwendig ſündige Schöpfung geſetzt habe, aber als eine burch die zweite Schöpfung zu erlöfende. VBenn der große Tutherifche Katechismus S. 503 dem ähnlich fagt: ob id ipsum nos creavit ut nos redimeret et sanctificaret ;— neque enim unquam eo propriis viribus pervenire possemus, ut patris favorem ac gratiam cognosceremus, nisi per Jesum Christum dominum nostrum, qui paterni animi erga nos specu- lum est, fo will fich wohl hierin bag reine chriſtliche Bewußtſein ausfprechen, dem es unerträglich ift, in Chrifius bie nur zufällige Derfon von momentaner Bedeutung für bie Frömmigkeit zu fehen. Aber wenn wir, wie wir müſſen, von ber Nothwenbigfeit ber Sünde abfehen, fo läßt fi) die Befriedigung bes religiöfen und wiffenfchaftlichen SSnterefies nur in jener Wahrheit erreichen, welche bei A. Oſiander nicht um ihrer felbft, fondern um ihrer tadelhaften Geftalt willen verworfen‘ worden it, wie man bar aus erfennt, baß bie F. C. fie felbft nicht abweist; hatte doch auch u. A. Breng ihr gehulbigt (ſ. oben S. 674 f.). Es concentrirt fich in letter Beziehung bier Alles in Die Frage: ob es in ber hriftlichen Religion nur anfomme auf bas ‚unperfönliche, gleichfam dingliche meritum Christi, ober aber primär und bleibend auf die Perfon ſelbſt, auf das meritum aber durch die Perfon und zwar als gottmenfchliche Einheit, nicht ale bloße Theophanie, nicht als bloßes Organon. 5) Die Iutherifche Theologie hat bie Richtung primär auf Chriſti Perſon (ſ. o. ©. 597); felbft die Verklärung des Leibes und ber Nahır, deren Doch auch Adam noch beburft-hätte, bringt. fie, zumal jet, gerne nicht blos mit bem Logos, fondern mit Chriſti Perfon und gott: menſchlichem Wefen, wie es in bem heiligen Abendmahl une Die entgegenfiehenne Anfiht hat darin einen ſabellianiſchen Zug, daß fie, indem fie Chriſtus nur als Mittel gedacht wiſſen will, an ihm, nachdem die Erlöfung an allen, die gläubig werben, voll: bracht tft, eine rein müßige entbehrliche Perſon behält, die dann der Sabelliantsmus folgerichtiger verſchwinden läßt. Auch hängt fie mit dem Mangel an Ausbildung ver chriſtlichen Eſchatologie zuſammen. Ueber die Nothwendigkeit ner Menſchwerdung. 1259 zu eigen wird, in Verbindung. Wie wenig ſtimmt nun aber dazu eine Meinung, die in Abrede ſtellen muß, daß von An⸗ fang für die Vollendung unſerer Natur und Perſon auf Chri⸗ ſtus gerechnet geweſen ſei, die vielmehr meint, ohne Sünde wäre durch den Aoyos aoagnos und durch immanente Frei⸗ beitsentwidelung biefelbe Verklärung erreicht worden! Diefe Borftellung iſt aber auch eine leere Abftraftion. Als Chriſten willen wir, baß wir in Chriſto unfere Boll endbung haben und behalten werden unb baß bieß von Ewig⸗ feit Gottes Rathſchluß if. Woher follte ung nun das Sins terefle Tommen, in willfürlicher Abftraftion eine ganz anders⸗ artige, von Ehrifto losgeriſſene Vollendung durch den bloßen Logos zu träumen und Gott ber ökonomiſch unterfchiedenen teinitgeifchen Dffenbarung zu berauben, ohne die das Welt: gut und Weltſyſtem als Einheit fo wenig gedacht werben Fann, als die Tiebende Selbftoffenbarung Gotted an die Welt voll- enbet unb vollfommen? Aber es tritt auch endlich die Leug- mung jener Wahrheit der Ehre Ehrifti zu nahe. Wenn Paulus Est. 1, 15—17 fagt, daß Alles auf den Sohn ber Liebe geſchaf⸗ fen fei wie duch ihn, fo wird Niemand leugnen können, daß er diefen Sohn und feine Ehre auch als ben Zweck der Vollen⸗ bung ber Dinge ſchon bei der Schöpfung anfieht. Als biefen Zwed aber muß er den Sohn ber Liebe betrachten, wie ber: felbe am Ende wirflich fein wird und ift, mithin als Gott: menfchen; denn nicht blos abfixaft wäre es, wenn Paulus nicht von dem Zwecke redete, wie er am Ende wirklich if, fondern follte die Menfchheit, die Chriſto bleibt, nicht mit befaßt fein bei dem Endziel der Welt, wie es Paulus vor Augen fteht, fo wäre das neftorianiih. Der Sohn ber Liebe wird dem Apoftel als Das der Zwei fein, als was er am Ende eriflirt, d. h. als Gottmenſch. Er wird nicht am Ende nur ale Das wieder Zweck fein, was er fehon im Anfang war. Wäre freilich Chri⸗ ſtus nur als ein Alt Gottes zu benfen, fo wäre biefer Aft bloßes Mittel; er ift aber perfönliche Einheit Gottes und des Menfchen. Die führt auf den letzten Punkt, zugleich bie ſchwierigſte Frage: wie iſt 12360 Dritte Periode. Abfcpnitt II. Wie reimt fich Perſoͤnlichkeit beiver ©. Die perfönlihe Einheit Gottes und bes Menſchen zu benfen? Ober: da wir weder Chriſti Menſchheit noch feine . Gottheit unperfönlich denken bärfen, weil bamit die Wahrheit und Bollftändigfeit beider Seiten nicht beftänbe, wie veimt ſich menſchliche und göttliche Perfönlichkeit zufamnten in Chriſtus? Wäre das Ich etwas Befonderes für fi, von dem Wefen ober der Natur gefchleven, fo wäre das Problem unlösbar, zumal wenn die Naturen wefentlich verfchieben und nicht vielmehr ins nerlich auf einander gerade Durch Das bezogen wären, worin fie verichieden find. Der letztere Irrthum iſt überwunden. Aber auch das Ich iſt nichts Anderes als bie göttliche und die menfch- liche Natur als fich ſelbſt wiffende und wollende. Sind nım biefe ſchon an fich fo innerlich auf einander bezogen, fo werben fie auch als fi) wiffend und wollend in eine Einheit zuſammen⸗ gehen; fo ift es nicht blos möglich, fondern notbwendig, daß die Folge der unauflöglichen unio zwiſchen Gott und dem Men⸗ fhen die wird, daß dieſer Menſch, indem er fich ſelbſt weiß und will, fich als Die centrale Empfänglichfeit weiß, bie ihrer abfoluten Erfüllung als ihrer eigenen theilhaft geworben iſt und fo weiß fie, wie fich, fo auch den Logos als zu ihrem eigenen Sein gehörig, als ihre eigene Beſtimmtheit, als Complementum ihres Vollbegriffs, oder als bie ihr zu eigen geworbene anbere Seite ihrer dee. Und ganz ebenfo der Logos weiß in ber Menfchheit fraft feiner Liebe eine Beftimmtheit feiner felbft, welche fich zu geben in Ihm bie ewige Möglichfeit und der ewige Wille war. Gehen wir aus vom Logos oder vom Menfchen, das Selbfibe: wußtfein (und Wollen) beider fihließt je Das andere Moment als eigene Beftimmtheit in fih ein. Was aljo beiberfeits vorhan⸗ den ift, ift nichts Anderes, als das gottmenfchlicdhe Bewußt⸗ fein, das eine und felbige, Das weder blos ein menſchliches Bewußt⸗ fein vom Logos iſt, noch ein blos göttliches vom Menſchen, fonbern ein gottmenfchliches von Beidem, aber fo wie Beides ift, d. b. ale Geeintem, und fo gottmenfchliches Selbſtbewußtſein und Wollen. Dog Ehriftus im Stande der Erhöhung abfolut sollendeter Gottmenſch ift, Gott und Menſch ſchlechthin in ihm geeinigt find (ja auch daß feit in Jeſu Selbſtbewußtſein war, in Rat. m. der Unio? Wie das Werden m. d. Incarn. d. Logos? 1261 ihm ein gottmenfchlihes Selbftbewußtfein u. f. w. war) barüber it in der neueren evangelifchen Theologie wefentliche Einſtim⸗ mung, — und bamit ift bie Hauptfache, nemlich das einheit- liche Bild des erhöheten Bottmenfchen gewonnen, wie es für ‚den einzelnen Gläubigen und bie feiernde Gemeinde Bedürfniß it. Denn mit dem lebendigen erhöheten Herm haben Beide zu thun. Aber doch bat auch die Erkenniniß des irbifehen Gott⸗ menfchen und feines Werdens nicht blos vwiffenfchaftliches , fon- dern auch religiöfes Intereſſe. Ruht doch das Bild von dem Erhöfeten auf dem Bilde des Geſchichtlichen. Auch in Betreff der irbiichen Gottmenſchheit Ehrifti num tft nicht blos, wie bemerkt, bie Wahrheit des Werbeng grunbfäglich allgemein anerfannt, fondern auch darüber große Einftimmung, daß es, um die Einheit gottmenfchlichen Lebens auch für Chriſti irdiſche Zeit zu behaupten, auf eine vollftänbigere Durchführung ber xirwow anfomme. °°) Da nemlich ein noch werbenber Menſch, wie Alle zugeben, mit bem Logos als abſolut ſelbſt⸗ bemußten und actualem eine perfünliche Einheit nicht bilden kann, zumal fo lange der Menfch noch nicht einmal ſelbſtbe⸗ wußt geworben ift, und ba bie Wahrheit des Werdens nicht gefattet, auf dem alten Wege eine Einheit burch abfolute Er: höhung der menfchlichen Natur von Anfang an zu ſtatuiren, fo bleibt nichts übrig als Die Annahme, daß irgendwie ber Logos 32) Bol. Nitzſch a. a.O. ©. 259 ff. (Die ältere Zeit hatte die Majestas betont.) Kerner ift Hier zu. nennen Liebner a. a. O. Schon zuvor: König dv. Menfhw. Gottes 1844, und Sartorius, Dorpat. Beiträge, I, 348, Meditationen. 18655: ©. a1 ff.; nach früheren ähn⸗ lichen Erklärungen Ebrarda.a. DO. M, 38 f. 199 f., Lange, Pol. Dogm. ©. 780. Schöberlein, a. a.O. ©. 58 ff. Dartenfen, a. a. O. ©. 800. 826— 834. 848. In wechfelnden Wendungen v. f. Beiträgen 3. kirchl. Chriſtol. 1845 an Thomafius; 8. Eh. Hofmann, Schriftbew. I, a. S. 1 ff., denen jeßt auch Delitzſch, bibl. Pſy⸗ hol. 1865. ©. 279—288 beitritt. Gaupp d. Nnion ©. 112 ff. Kahnis, die Lehre v. h. Geiſt. 1847. I. ©. 56. vgl. dazu Beſſer's Anzge. in d. Zeitſchr. f. Inth. Th. 1848. I, ©. 189 ff. Dehler, in Reut. Repert. 1851. LXXI. ©. 112 ff. Steinmeyer, a.a. D. Schmieder, d. hohepr. Gebet. 1848. ©. 36 ff. Hahn, R. Te. Theol. 1855. Kahnis, d. 2. v. h. Geiſt I, 67 ff. 1262 Dritte Periode. Abfepnitt U. Vereinbarkeit ſich befchräuft habe für fein Sein und Wirken in biefem Men- fhen, fo lange berfelbe werbenb if. Das Göttliche, welches, ober fofern es bei der Wahrheit menfchlichen Werbens, zumal bei dem embrponiichen Anfang noch nicht Raum hätte in merifchlicher Aneignung, ift alfo auch noch nicht Menſch geworben von Anfang, fonbern es bildet für das anfängliche Refultat jedenfalls noch feinen conftituivenden Factor. Der Logos befchränft ſich in feiner Selbſt⸗ mittheilung noch bis bie menfchliche Empfänglichfeit immer voll: ftändiger hervorgebildet ift, fo zwar, daß jede Stufe doch gott: menfchlih und nie ein Menfchlihes in Chriſto fei, das nich vom Logos angeeignet wäre und benfelben fo- weit ſich anges eignet hätte, als es bie gotimenfchliche Volllommenheit jeber Stufe fordert und zuläßt. - Aber eine namhafte Differenz findet nun doch bier noch Statt. Die Einen nehmen an, biefe Beichränfung bes Logos in Jeſu fei als Selbſtdepotentiirung des Logos aus Liebe zu benfen, fo daß der Logos fich felbft in- feinem Sein bis zur Adäquatheit mit dem embryonifchen Reben eines Menſchenkindes herabgefett habe, um aus ber bewußtlofen felbfigegebenen Geftalt erft alls mälig, nun in Einheit mit dem Menſchen oder gottmenfchlich, wieder felbfibewußt zu werben und feine Actualität in ſich und außer fich wieder zu gewinnen. 5°) Die andere mögliche Anſicht 33) Der Chriftologie der Selbfientleerung des Logos, der Selbftherab: feßung veffelben zur Potenz over Form hulvigen die Meiflen ver in der vorigen Anmerkung Genannten in verfchievener Art. Am offenften König, Gaupp, Delisfh, Steinmeyer, während Sar: torius in dem Ausprud vorfichtiger bleibt, aber doch deutlich genug auch an eine Selbfiverringerung des ewigen Logos glaubt. Nitzſch, obwohl er dieſer erfieren Form der Kenofis fich zuzus neigen frheint, weil da die Einheit des Selbſtbewußtſeins und der Selbſtbethätigung Chriſti von feinen Schwankungen, Berän- derungen des Standpunkts mehr beproht, die monophyſitiſche und neftorfanifche Tendenz und Die Doppelperföntichleit überwunden erfrheine (2), fügt doch feiner dogmatifchen Befonnenpeit ent: fprechend Hinzu: „Noch wird uns freilih das Berhältuiß von Ewigkeit und Zeit auch um diefer Lehre willen (vgl. hierüber Schöberlein a. a. O. ©. 67 f.), noch das Verhältniß vom Ethifchen und Phyſiſchen, noch das Verhältniß der Menfchwerbung des d. menſchl. Werdens m. d. Incarnation. d. Logos. Kenofis. 1263 if, daß nur an eine anfängliche Befchränfung der Selbſtmitthei⸗ lung an bie Menfchheit, nicht an eine Verringerung bes Logos Worts zum urfprünglicden Menfchen, des hiſtoriſchen Gottmen⸗ fpen zur vorausgegangenen zeitlichen Wirkſamkeit des Logos, noch das Wahre und Unwahre am Apollinarismus, noch das aovyzurov dieſer Auffaffung Harer und begreiflicder als bisher gemacht werben müflen, ehe der ganze wiſſenſchaftliche und praf- tiſche Segen von ber neuen und neueften chriftologifchen Spekula⸗ tion geärndtet werden Tann. — Da ift noch viel zu arbeiten; biefe Dogmatif iſt noch jung und zart.“ Uebrigens tritt bie Theorie der Selbfiperabfebung des Logos wie vor Alters in der gnoſtiſchen, apollinarifiifchen und theopafchisifchen Zeit auch jetzt in verſchiedenen Formen auf: bald als Selbſtverkleidung bes Logos in die menfchliche Eriftenzform, das Werden u. dgl. (fo Ebrard a. a. D. $. 864. 359. 374. ©. 35—47. 42: Göttliche Natur verhalte fich zu menschlicher, wie Weſen zu Eriftentialform. S. 40: der Logos hat die Ewigkeitsform — ſelbſt in ethifcher Hin⸗ ſicht — aufgegeben und die Exiſtenzform einer menfchlichen Seele angenommen, ſich gleichfam bis zu einer Menfchenfeele reducirt); bald als Selbfiverwanplung ober Umfeßung des Logos in eine menfchliche Ericheinungsform; fo beſonders Gaupp ©. 113. König ©. 339 ff.; und au Liebners Satz: das Eingehen bes Logos als ſolchen ins Werven iſt eo ipso Menfchwerven (S. 150 ff. 286.) neigt fh hiezu (was das Refultat anlangt, denn allerdings der Weg zu ſolcher Kenofis iſt ihm die zeitweilige Siftirung bes trinit. Procefles). Die folgerichtige Eonfequenz hievon wäre dann, zu fagen: in Chriſtus if feine andere Seele als ver gött⸗ liche Logos der als in Succeifion und Werden eingegangen zeit: licher Menſch if. Auch das erfennen Gaupp und Dahn an, fos wie König. Thomafius hatte in feinem erſten chriftologifchen - Wurfe, welcher am meiften aus Einem Gufle war, gleichfalls den Logos apollinarifiiih als Seele dieſes Menſchen behanbelt; fei doch au in uns Menfchen (hatte er mit Hofmann geſagt) Bots tes Geiſt zu unferm Lebensgeifte geworben. Später hat er dieſes zurüdgenommen, wie au Liebner fi bemüht, ven Schein bes Apollinarismus abzuweifen. ©. 320.371 ff. Aber Kiebner erwähnt dabei die Frage Über. die Wahrheit einer menfchlicden Seele nicht. Allerdings blieb dem Apollinaris Chriſtus argensos, und es iſt Könige, Liebners wie auch Martenfens Fortſchritt, den wirklich ethiſchen Proceß in Chriſtus zu fordern im Gegenfah gegen eine einfeitig theologiſche Epriftologie. Allein Liebner thut das um den Preis, auch dem Logos das argenzsos abzufprechen, was Apols 1264 Dritte Periode. Abfchnitt IL. Bereinbarkeit felbft zu denken ſei. Hienach iſt dann der Logos ummerän- dert und unverwanbelt in feinem Sein und in feiner Actua⸗ linaris nicht that, ſondern erft feine Schule (f. o. I, 973 ff.) die Athanafius beftreitet. Nah Thomaſius jeßiger Lehre foll vie immanente Trinität nicht geflört fein durch die Kenofe des Logos, die auf die öfonomifche Seite falle, wogegen Oehler a. a. D. S. 112, fowie Schöberlein ©. 66 die Unzuläſſigkeit folder Trennung ber immanenten von ber ölonomifchen Trinttät mit Recht geltend machen, wenn nicht die Iutherifche Chriſtologie ſich felbft anfgeben wolle. Nicht einmal die reformirte Lehre geht ſoweit in ver Unterſcheidung des Logos an fih von dem Logos in Chriſtus, daß fie nicht ven immunenten Logos mit Jeſu in Beziehung febte. In Betreff des ölonomifchen Logos aber geht Tho⸗ mafius fo weit, ihn dem Schlaf, der Gottverlaflenpeit u. f. w. in Chriſtus unterworfen zu denken! Dofmann, ver die immanente Trinität zwar nicht leugnet, aber dem „Bott breieinig ifl, um der Gott des Menfchen zu fein“ (I, 177), fagt: Gott wolle nach feiner Liebe in der Welt fein (nicht blos auf fie wirken) als inner weltlicher Lebensgrund ihrer ſelbſt ch. Geiſt) und als urbildliches Reltziel, das in ihr Wirklichkeit finden foll und in der Belt Sohn heißt. Zu dem Ende geben meint er, jene beiven in Gott namen: Iofen Principien aus Gott heraus, gehen vor der Weltfchöpfung (II, a. ©. 20) über in einen Stand ber Ungleichheit mit fi ſelbſt, d. h. mit dem Berhältniß das fie Innergöttlih hatten, und beftimmen ſich dazu, fih geihichtlih und allmälig als das zu vollziehen, was fie an -fich find. Namentlich läßt ex Die inner: göttliche Potenz, die die Kirche Sohn nennt, fihon für den Zwed der Weltfchöpfung in eine Ungleichheit mit fih, in eine Subor- dinattion oder Kenofe dem Bater gegenüber eingehen. Er gebt alfo nah H., um an Verwandtes aus der neueren Zeit zu erin= nern, behufs der Welt in ein Anversfein über wie der Geiſt Gottes; und wenn ihm auch nicht jene Kenofe ſelbſt fhon iden⸗ tifch mit dem Weltanfang ift, fo ift doch der Weltanfang der Anfang der Bethätigung des Ungleichgeiworvenen, deſſen Selbſtbe⸗ thätigung die Welt fei. 1,237. Doc iſt das urbilnliche Welt: ztel (ver Sohn) überweltlich und weltmächtig, alfo der Welt gegen» ber actueller Gott noch eine Zeitlang geblieben, obwohl für pie Welt aus der innergättlichen Selbfigleichheit getreten. Aber nun bie Sünde kam, mußte eine noch tiefere Kenofls eintreten, eine neue Ge⸗ ftalt der Ungleichheit des ewigen innergöttlichen Verhältniſſes. „Er bat die göttliche Seinsgeftalt mit der Inechtlichen vertanfcht.“ IL, a. ©. 16. „Das Berbältniß Gottes des urbildlichen Weltziels zu d. menſchl. Werbens mit b. Jucarnation. Kenoſis. 1265 lität (der inneren und ber kosmiſchen) geblieben, und auch diefer Menſch hatte nur infoweit des Logos Sein und Actuas lität zu eigen kraft wnauflöglicher unio von Anfang, als bie Wahrheit menfchlichen Werbens es zuließ. Ebendaher wurde zu: nächſt, und bevor menfchliches Bewußtfein da war, noch nicht fofort die ewige Perfönlichfeit bes Logos fchon gottmenſch⸗ liche, (obwohl von Seiten des Logos bad Sein und Hans bein ein perfönliches iſt und bleibt). Der Logos, ber Anfangs qua Perfon oder Selbftbemußtfein ſich noch nicht mittheilt, bleibt infoweit noch in und für fih (ruht alfo beziehungsweife noch (1. 0. I, 489) und beichränft feine Selbftmitiheilung), als es ber Menfchheit noch am Empfangenkönnen fehlt. Nach biefer Anficht ift der Wille des Logos zunächſt nur auf Hervor⸗ bringung einer gottmenfchlihen Natur nicht aber einer gotts menſchlichen Perfon gerichtet. (Auch die erftere Anficht bringt übrigens für ben Anfang nicht weiter für Ehriftus heraus; nur memt fie fagen zu können, daß auch ber Logos felbft und für ſich eine Zeitlang nicht mehr als felbfibewußte Perfon, mithin nur als göttliche Natur eriftirt habe) Der Logos beflimmt feine Natur nach ber zweiten Anficht zunächft Dazu, durch feine Verbindung mit einer Menſchennatur ein ayıor, eine hei⸗ lige Natur, die Gotted Sohn genannt werben wird, hervorzu⸗ rufen; °) und mit Jeſu geeinigt weiß und will fortan ber Bott dem übermweltlihen Schöpfer ift ein Verhältniß des Dienfchen Jeſus zu Gott feinem Bater geworden. Er hat aufgehört Gott :zu fein, um Menſch zu werten, das Prädicat Gott mit dem Prädicat Menſch oder aap& vertaufcht. Das urbilpliche, ſelbſt⸗ entänßerte Weltziel warb durch ven heiligen Geiſt in den Leib der gläubigen Marla hineingefihaffen“ I, 112. — Aud darüber it unter den Freunden dieſer Depotenziirungstheorte Differenz, wie meit fih diefe Selbfientleerung des Logos erftredt Habe, und ob das, worauf momentan verzichtet fei, bei Bott niedergelegt fet, oder aufgehört habe zu fein, oder Tatent im Logos fort: bauerte, f. die folgende Anmerfuing. Am meiften hält ih Mars tenfen, Rothe und Schmid von biefer Theorie fern. Vgl. auch Mündmeyer, d. Dogma v. d. fihtb. und unfihtb. 8. 1854. ©. 169, der Anfangs ihr Hold fih fpäter davon abgewendet hat. 9 Martenfen, Dogm. ©. 815 f. Das Neutrum Ayıor Luc. I, 35 bezeichnet das Unperfönliche, |. Schmid bibl. Th. I, 40. Schö⸗ 1266 Dritte Periode. Mbfcpnitt IL Doppelte mögl. Form Logos alle Beſtimmtheit dieſes Menfchen auch als ihm zu gehörige. - Die erftere Anficht läßt gleichfam alles Ueberfchüffige, was in der Menfchheit noch nicht Raum hätte, von dem Logos auf fo lange fupprimirt oder aufgegeben werben *°) bis die Menſch⸗ heit dafiir empfänglich ift und meint bamit ber gottmenfchlichen Einheit ihr Recht widerfahren zu laffen, während die andere zwar ben Logos in Ehriftus perfönlich benft, aber Die unio noch nicht vollftändig vollbradt fieht, bevor auch bie Perſönlichkeit des Logos eine gottmenfchlidhe dadurch gewor⸗ den ift, daß ein menfchlihes Bewußtfein da tft, welches ange⸗ eignet werden unb aneignen Tann. Welche von beiden Anfichten ber kirchlichen Gemeinlehre beffer entfpreche, das muß aus der Gefchichte des Dogma er: hellen (ogl. I, 606, 608, 976 ff., 995 ff., 1037 ff., II, 15, 16, 551566, bei. 558 ff.). Daß bie erftere Anficht dem arpen- tag, aradloweng bed Chalcebonenfe widerfpricht, Tann durch Künfteleien verſteckt aber nicht geändert werben. Denn es reimt fi) übel zufammen, in der Gottedlehre das Selbftbewußtfein und bie innere Actualität als zum Wefen Gottes gehörig zu bezeichnen, in der Chriſtologie aber das zu vergeflen, und zu wähnen daß unbeſchadet des Weſens und ohne deſſen Verände⸗ rung ber Logos des Selbſtbewußtſeins durch fich entkleidet wer- ben könne. Der Theopafchitismus if, was die Neinerhaltung bes Gottesbegriffs anlangt, nicht befler, ja was das gött⸗ liche Wefen anlangt, gar nichts Anderes als der von ber Kirche berlein a. a. O. ©. 65: Sein göttlihes trinitariſches Sein und WBalten Hat keine Imterbrechung erlitten (troß feiner Selbf- entäußerung). Die Liebe bleibt in al ihrer Demuth erhaben. Das Leben des Geliebten wirklich theilend bewahrt fie die ſpeci⸗ fifche Eigenthümlichkeit ihres Wefens. 2, Mag das nun vorgeftellt werden als ein Niederlegen beffelben in dem Bater, oder als Contractio des Logos, oder ale eine Res gation der Actualität, als ein Sichreduciren zur Potentialität, immer muß fich hier die Kenofe auch auf das Selbfibewußtfeln des Logos erfireden, weil fie fonft für diefe Theorie gänzlich zwed: los wäre, da der Menſch anfangs nicht ſelbſtbewußt ifl. bie Kenofis 3. denken. — Tpeopafpitismus u. Kircheniehre. 1267 um feines etbnifchen Beigeſchmacks willen verwerfene Patripaffias nismus. Don der evangelifchen Kirche ift es befannt, daß ihre beiden Abtheilungen dieſen Theopaſchitismus in ihren Belennt- niſſen verwerfen, weil fie darin eine Aufhebung ber Trinität und einen Suborbinatianismus erfenmen. °%) Man Tann daher weber jagen, daß er reformirt, noch daß er lutheriſch if. Doch wiberfireitet biefe Anficht noch mehr ber Iutheriichen Lehre nach ihrem Unterſchied von ber reformirten infofern, als es ber Intherifchen Chriſtologie ſtets vor Allem auf bie Majestas ber Menfchheit Chrifti aufam, welche bier fo wenig gewährt wird, dag vielmehr felbft Die Majestas des Sohnes Gottes und feine Weltregierung für bie irdiſche Zeit Chriſti fol fuspendirt gewe⸗ fen fein. ®°). Dagegen der altreformirten Chriftologie, welcher ed vor Allem darauf ankam, Gott und bie Creatur nicht ver mifchen, der letztern nie bie göftliche Majestas zu Theil wer ben zu.laflen, läge es näher ald ber Iutheriichen, lieber Gots tes oberſtes liberum arbitrium oder beneplacitum foweit zu fleigern, daß in feiner abſoluten Machtvolllommenheit zwar nicht die Möglichkeit gefunden würde, die Greatur zur wirk⸗ lichen Einheit mit fich zu erheben, wohl aber ſich felbft zeitwei⸗ lig zu erniedrigen: wie benn nicht felten bie lutheriſchen Dogs matifer in ber veformirten inclinatio des Logos. zur Menfchheit theopafchitiiche Gedanken haben finden wollen. 88) Man wird auch faum anders können, als fagen, gleichwie =, F.0.©. 612. Bol. Khan. Symb. 5. 83. I, 978. Anın.; Can. 11. 12. d. firm. Synode. 3”, Wovon die alte luth. Dogmatik fo unendlich weit entfernt if, daß fie auch da, wo fie der Wahrheit der Exinanitio zulieb der Menſchheit die majestas auf Erden abfpricht, fie Doch dabei bes harrt, daß der mit folder Menſchheit verbundene Logos, ſtets un⸗ verändert in ſich, die Welt allgegenmwärtig regieret habe, mithin für die Zeit des Werdens noch ein göttliches Bewußtfein und Wollen anzunehmen fei, das noch nicht Bewußtfein des Menfchen iſt. Auch. wird hier die Exinanitio zur Borausfeßung der Incar⸗ nation gemacht, was ven Neformirten geläufig ifl, während bie Sutherifche Lehre die Incarnation voranftellt. Vgl. Oehler 1. c. 3, Ebrard. II, 204 ff. 142 ff. Schneckenb. Bergl. Darf. II, 268 f. findet daffelbe bei Zurretin. ©. o. I, 876. 890. , Dorner, Chriſtologie. IL. 2te Aufl. 81 1268 Dritte Periode. Abſchnitt I. der alte Patripaffianismus und Theopaſchitismus, mit welchem die Väter bes britten unb vierten Jahrhunderte, befonders auch Athanaſius (I, ©. 565 ff., 696, 976) zw thun beiten, auf die Gnoſis folgte und innerlich mit ber eibmifchen und pantheiflis ſchen Erſchütterung ber Abfolutheit bes Gottesbegriffes zuſam⸗ menhängt: fo hängt bie Gunſt, deren im Augenblick jener moderne Theopaſchitismus ſich bei Manchen erfreut, auch mit den unmittelbar hinter ung liegenben Beiwegungen auf dem philo⸗ fophifchen Gebiete zufammen. Er wirb aber um fo gewifier nicht von Dauer fein können, als .er weder etwas erflärt, noch für die xerwog wirklich Sorge trägt, vielmehr aber in unlösbare größere Schwierigkeiten verwidelt, als bie vermieden werben wollten, daher Manche ihn nur fo annehmen, baß fie ihn zu: gleich wieder aufheben. Die Wahrheit ber Koran bes Logos ſelbſt iſt der imere theilnehmende und barmherzige Liebeszug in dem ewigen Logos, fraft deſſen ex zu ber fein bebürftigen aber auch fir ihn em⸗ pfänglichen Ereatur ſich bernieberläßt, um das Ihrige ale das Seinige zu wiflen und zu haben, aber unb ganz befonders für - den Zwed, um feine Fülle ihre mitzutheilen. Nun leifet aber gerabe bie Kenoſis ber Selbfidbepotentiirung bas niet, was fie will. Denn wenn ber Togos angeblich aus Liebe fein ewiges felbfibewußtes Sein: aufgegeben hat, wo bleibt auf fo ange bie Liebe * Liebe ift ohne Selbfibewußtfein nicht möglich, Noch mehr. Was folfte die Nothwen- bigfeit fein, um beren willen dber-ewige Logos die fes unethiſche Opfer feiner felbft vollbrächte? Wird benn damit etwas für die Menfchheit erreicht, das nicht ohne biefes Opfer zu erreichen wäre? Soll denn ber Logos ber sentralen Empfänglichfeit der Menfchheit, die er in Jeſu findet, nur dadurch mächtig werben und ihr in einziger Weife zuge hören, daß er zu Anderem feine actuelle Beziehung mehr hat? Ober nur dadurch, daß er Überhaupt fih nur auf die Stufe ber Gleichheit mit biefem Menfchen begibt? Hat doch, wenn das Obige richtig ift, feine ganze Beziehung auf Anderes als biefen Menfchen boch wieber ihren Mittelpunkt darin, daß Alles Neuerer Theopafhitismus. 1269 feine Beziehung auf dieſen Menfchen hat, ber das perfönliche gottmenfchliche Weltcentrum zu fein beftimmt if. Im Gegen theil, nähmen wir biefe Depotentürung an, fo fehlte e8 auf fo lange, als des Logos Perfönlichkeit ausgelöfcht wäre, an ber perfönlihen Bezogenheit der Liebe des Logos, auch zu Jeſu, an feiner fich immer erneuernden herablaſſenden Gnade, bie dieſes Menſchliche als ihre Eigenes fest unb will, und zwar auf fo lange bis mit der Entwidelung biefes Menſchen fein perſönliches Selbſtbewußtſein fi wieder hergeflellt hätte, Ya, die Menfhwerdung bes Logos kommt bei jener Annahme überhanpt der Menfhheit garnicht wirklich zu gut. Der Logos kommt babei- zu Feiner fleigenden und bie Entwickelung biefes Menſchen Teitenden Sefbfimittbeilung. Denn ſetzte biefe Anfiht, daß der Logos nach feiner Depotentlirung doch Über dem Gottmenfchen noch ſchwebte um bie Entwidelung dieſes Menfchen (ober gar die Wicberherfiellung bes Logos zu ſich ſelbſt ) zu leiten, fo hätte bie ganze Theorie ſich aufgeges ben und jene Kenoſis, die angeblich die tieffte Liebe ausdrücken fol, wäre doch nicht wirklich geſchehen, fonbern der Logos „über der Linie“ Hätte doch noch fich felbft in feinem abfoluten Sein und Sefbfibewußtfein zurückbehalten, wie das auch, wenn er wirklich Gott iſt, anders nicht fein Tann. Daher muß jene Annahme . von ber Selbfidepotentiirung bes Logos flatt ber werdenden Menfchheit von ber Incarnation des Logos etwas zu Gute kommen unb eine wirkliche Mittheilung der Fülle des Logos an fie gefcheben zu laſſen, vielmehr zu einem ans deren Princip ald dem Logos greifen, welches das Werben bes Gottmenfchen Teite, zum heiligen Geift (fo 3. 3. bei Thomafius und Hofmann); wodurch dieſe Theorie eine Aehnlichkeit mit der reformirten Chriſtologie erhält, indem fie die comm. idd. bes Logos Durch bie Wirfungen des heiligen Geiſtes auf biefen Menfihen erſetzt. Diefer heilige Geiſt könnte ba nicht einmal mehr vom Logos gefandt fein und ausgehen (wie doch wenige ſtens die reformirte Ehriftologie es will), denn fonft wäre jene Kenofis beffelben nur Schein; fondern ber heilige Geiſt wirkte ohne ben Logos ef biefe Einheit, auf ben depotentiirten Logos 81* 1270 Dritte Periode. Abſchnitt I. mit, Möchte nun aber auch ber Geiſt in Jeſu oder nur auf ihn wirken, immer hätten wir eine auffallende Achnlichfeit mit ber ebionitifihen Lehre von Chrifti Werben, um fo mehr, als von ber Entwidelung Jeſu und der Eimwirfung bes Geiftes auch bie flufenweife Wieberberftellung des Logos zu ſich ſelbſt ab- hängig wäre. Wozu follte überhaupt foldhes Gerüfte einer Selbfiherab- ſetzung bes Logos zur Potenz dienen, wenn, wie gezeigt, für das worauf es boch bei foldher Theilnahme abgefehen fein muß, nemlich bie Selbſtmittheilung bes Logos in feiner Fülle, die namentlich ber Tutherifchen Ehrifiologie die Hauptſache iſt, diefe Theorie nicht blos nichts leiſtet, ſondern im Gegentheil fie für Die ganze Zeit des Werdens ausſchließt? Gewinnt fie doch mit ihrer Kenoſis nicht einmal etwas für die Einheit bes Göttlichen und Menſchlichen, es fei denn, daß fie fagte, die Depotentürung fei an ihr ſelbſt Menſchwerdung, d. h. Berwandelung in ein menſch⸗ liches Daſein, welche ſtärkſte Form des Theopaſchitismus ben Gottmenſchen zu einer Theophanie machte, die mit der Rückver⸗ wanblung bes Logos zu fich felbft nach vollbrachtem menschlichen Drama yon felbft aufhören müßte. Wirb aber (3. B. mit Tho⸗ maſius) Verwandlung nicht flatuirt und doch jene Kenofis ange nommen für ben Zwed ber Unio, der zu lieb bie Verähnlichung beider Naturen durch Kenoſis des Logos flattfinden fol, fo hätten wir bamit michts weiter als zwei gleichartige Grö⸗ fen in oder auch neben einander, aber noch in feiner Weife eine lebendige und innige Gemeinfchaft beider, noch weniger eine Bezogenheit des Weſens beider auf einander. Auf den erfien Blick freilich kann es fcheinen, daß durch ſolche Aus⸗ gleichung oder Berähnlichung der Naturen mittelſt der Selbſt⸗ entleerung bed Logos für Die Einheit des Gottmenfchen etwas gewonnen fei, aber die ſpeculative ſowohl als bie ethifche und religiöfe Betrachtung erfennt leicht, daß umgekehrt eine folche Aus: -gleihung am wenigften eine lebendige Einheit gewinnt, fonbern viel eher einer Verdoppelung Eines und Deffelben ähnlich ficht, wodurch das Eine oder Andere. müßig wird. Wenn das Wefen Neuerer Theopaſchitiomus. " 1271 bes Menfchlichen darin beftehen fol, Korm für das Göttliche zu fein, ber Logos aber fich zur bloßen Form foll entleert has ben, was Tann (wenn die vollftändige Menfchheit dabei nicht geleugnet wirb) für die Einheit dadurch gewonnen werben, daß ſich Form an Form fügt? Iſt aber als Kern und Wefen bes Menſchen nicht Empfänglichkeit, fonbern produltive Freiheit ges dacht, wie foll der Logos, ber auch in ber Depotentiirung Princiy ber Freiheit iſt, mit dem Menfchenfeim dadurch eins werben tönnen, daß er ſich als eine Potenz Der Freiheit neben bie ans dere ſtellt? Man ſieht, die Männer, bie. jener Theorie huldi⸗ gen, haben nicht genug erwogen, daß es nicht bie Gleichheit, fondern gerade die Verſchiedenheit des Bötilichen und Menſch⸗ lichen ift, wodurch eine wahre Einheit bebingt if. Will man das Menfehliche als Form benfen, fo wird, bamit eine wahre Einheit werde, das Göttliche als die Fülle zu fegen fein. Seht man nach ſcholaſtiſchem Gebrauch des Wortes Form das Menſch⸗ Yiche ald den Stoff, bie materia, die der Logos annimmt, fo wird der Logos ale das befeelende und geftaltende Formprincip bezeichnet werben müflen; zwei Betrachtungsweiſen bie von ein- ander gar nicht fo verfchieben find als es fcheinen möchte, ins dem bie .erftere Daflelbe unter dem Gefidhtspunft bes ſeienden Gutes auffaßt, was die andere unter den Gefichtspunft bes actuellen Guten fiellt und bie alfo einander zur Ergänzung bie: nen. Nimmer aber wird man eine lebendige Einheit dadurch gewinnen, daß man beide als Form ober beide als Inhalt zu⸗ fanımenfteikt. 5 Um eine ſchlechthin unbewegliche und von Anfang an fers tige Einheit bes gottmenfchlichen Lebens zu gewinnen, iſt jene myibologifirende, den Gotteöbegriff verunreinigende, die Trinität fuspendirende Theorie von ber Kenofis bed Logos erbacht. Wir haben gefehen, daß fie gerabe für dieſe Einheit nichte Teiftet, fondern fie unmöglich madt. Sie führt entweder zur Vereiner⸗ leiung bes Göttlihen mit dem Menſchlichen (wenn jenes fidh in dieſes verwandelt) ober aber zu einer rein Äußerlichen todten Stellung beider zu einander, wie fie dem Neftorianismus eig: net. Um über Beides binanszufchreiten, kommt es darauf an, 1272 Dritte Periode. Abſchnitt H. zu erfennen, baß gar fein Grund verbanden tft, warum jene gottmenſchliche Einhe it, bie mit der Unio naturaraum beginzt und freilich nie wieder aufgelöst wird, °N) ale eine ſchlechthin fertige, von Anfang an unbewegliche Größe follte zu denken fein. Man tft allgemein einverfianden, daß bie Wahrheit bed menfchlichen Werdens feſtzuhalten fei, aber von ber Einheit foll febe Bewegung, jedes Werden und Wachſen ausgefhlofien fein! Allen das Eine ift untrennbar vom Andern. Dem dba nun einmal nicht alle menfchlichen Organe von Anfang vorkanden und ausgebildet find, mithin die Unio ſich fo lange fie nicht find auch noch nicht auf fie erfireden Tann (3 B. das menſch⸗ liche Selkfibewußtfein); da anbererfeits zu fagen if, daß ſobald fie da find Die Unio ſich auch auf fie erſtreckt, fo if ja uns leugbar, daß bie gettmenfchliche Einheit und nicht bios bie Menfchheit eine zunehmende ift, worauf ſchon eine eingehen: bere Erwägung bes Todes Jeſu führen ſollte (ſ. o. S. 835 ff.). Wir Haben jene Einheit erft wahrhaft und lebendig gedacht, wenn wir. fie ſelbſt als in fletem Proceße begriffen, mithin in Bewegung benfen, bie ſehr weit von Auflöfung ber Einheit entfernt, vielmehr flete und wachſende Reproduftion ihrer felbft ift, wobei beibe Faltoren, ber göttliche und menſch⸗ liche fungiren. Denn es ift ebenfo das Wollen bes Men: hen dazu nöthig, daß bie Einigung eine immer allfeitigere und volfländigere werbe, wie es ber Wille bes Logos if. Dan ſieht ohne weitere Ausführung, wie damit erſt für eine ethiſch⸗ religiöſe Entwidelung dieſes Menfchen auf Grund der gottmenſch⸗ lichen Einheit die ſchon in feiner heiligen Natur ligt Ranm ges ſchafft if. ) Wie es alfo in ben ſchweren trinitarifchen Kämpfen ”) Wir haben oben gefehen, daß die Reformationgzeit auf bie Eini⸗ gung ber Naturen vor allem gerichtet iſt, — fo Luther, fo bie Schwaben f. v. U, ©. 539 f. 669 f. Bon da aus ift nicht mehr bie hypostasis des Sohnes als dem Menfchen zu eigen werdende das urfprünglihe Band der Einheit. feIbft, wie in der alten Kirche, fondern Refultat der Unio. *) Am meiften treffe ich bier zufammen mit Dartenfen a. a. O. 822. f. 831 f. und Rothe IL, ©. 282 f. 290 f. Neuerer Theopaſchitismus. 1273 ein entſcheidender Fortſchritt war, als Origenes bie Zeugung bes Sohnes nicht als eine einmal für immer fertige, fonbern als perennirenbe benfen Iehrte: fo fcheint auch in das chriftolos giſche Problem nach der Seite des irbifchen Lebens Chriſti erſt Licht zu. kommen, wenn wir nicht blos überhaupt ein gottmenfchs liches Werben lehren, fondern wenn wir auch. ben Aft der Yu: camation ober bie Unio und daher bie Einheit nicht als eine bios feiende und fertige, ſondern als eine auf Grund des Seins fort und fort werdende und ſich reprobucirende, ja fo lange ber Gottmenſch noch nicht vollendet iſt, als eine wachſende ans erfennen. Im Mittelpunkte feines Weſens ift freilich biefer Menſch von Anfang gettmenfchlihes Weſen, aber zunaͤchſt fehl noch Vieles zu diefer Perfon, Anderes an ihr ift noch löslich geeint, 3. B. ber Leib noch ſterblich; Anderes noch wechſelnd und veränderlich an biefer Perfon unbefchabet ihrer Identität. Die gottmenfchliche Gliederung, der leibliche und geiflige ewige Organismus ber gottimenfchlichen Perſon ift erſt noch auszuge- ftalten, was burdh fortgefeßten Aft ber Menfchwerbung bes Logos gefhieht. Man kann biefe infofern eine fleigenbe nennen, als immer höhere reichere Fülle dadurch actuell auch dieſem Menfchen eigen unb biefer Menich immer mehr die weltwirkliche Ausprägung bes ewigen Sohnes, bed Ebenbildes Gottes wird. Es darf um fo mehr gehofft werden, daß jene theopaſchi⸗ tifchen Neigungen etwas Vorübergehendes feien, da ihre Gönner ihre ſelbſt nicht treu zu bleiben, fondern der von und angebeutelen Löſung fih fat wider Willen immer wieder zu nähern und dadurch ihre Lehre von ber Kenofis bes Sohnes wieder felbft zurück zu nehmen pflegen. *) Doc bie entfcheivenbe Ueber⸗ *, Die Einen (f. o. ©. 1264 Anm.) wollen den Logos nur nad ber Seite der öfonomifchen Trinität jener Kenofis unterwerfen, während der ewige Logos in der immanenten Trinität davon unberüprt blei⸗ ben foll: eine Anficht die auf eine Berboppelung des Logos hin⸗ ausläuft, alfo einen in ſich nichtigen Gedanken, der auch dadurch antichriftologiich if, Daß er den ewigen Logos nicht menfchiwerbend denkt. Doch ligt ihr, wenn auch in ungefchicter Form, bie richtige Einficht zu Grunde, daß meber ber Logos fein abſolutes Selbſt⸗ 1274 Dritte Periode. Abſchnitt U. winbung ber theopaſchitiſchen Chriſtologie wird nur in einer veis neren Durchführung des chrifllichen Gottes begriffs Liegen und damit erhält diefe Frage eine noch viel größere Bedeutung und Tragweite. Unlengbar vertritt jene Chriftologie, als deren Bor: läufer Zinzendorf anzufehen ift, einen innig religiöfen Zug, das Intereſſe, das bie göttliche Liebe und möglichft gleich geworben und innigft verbunden benfen wil. Aber bie Srömmigfeit kann auch eine zu arte Kärbung ber Bertraulichfeit mit Gott annehmen, und dann fehlt ihr das Salz der Ehrfurcht, ebenbamit ber seine ethiſche Charalter. Die Größe ber bemüthigen Liebe Chriſti wird nur in dem Maaße erfannt, als auch ihre Er⸗ habenheit als eine nicht blos vergangene, fondern in ihr fletig gegenwärtige gewußt wird. Dei jener Anficht müßte aber ber tieffte göttliche Liebesbeweis in der Kindheitszeit Jeſu gefehen bewußtfein aufgeben, noch auch ſchon von Anfang als ſelbſtbe⸗ wußter von der Menſchheit angeeignet werben kann. — Eben: dahin führt auch „der Logos über ver Linie‘ des werdenden Bott: menfchen, von welchem fpäter Thomafius, freilich zum merflichen Schaden für die Eonfiftenz feiner chriftologifchen Theorie, geredet dat, die dadurch einen eklektiſchen Charakter erhielt. Nur iſt zn dem Wort: „über ber Linie“ fofort beizufügen nicht bios, daß bes Logos Yerfon feinerfeits in dieſem Menſchen von Anfang if, alfo auch zu der Zeit, wo und wiefern biefer den Logos fih noch nicht hat aneignen können und follen, fonvern auch, daß des Logos Wille zur Incarnation flets fich ſelbſt gleich bleibt und das Ganze ber Einigung umſchließt, alfo auch ſchon den Anfang als Anfang des Banzen ſetzt. Doc das meint ohne Zweifel auch Thomaflus, wenn er zu der Formel „über ber Linie“ ergänzende Kormeln hin» zufeßt, welche doch den Logos in feiner unauflöslichen Verbunden⸗ heit mit der Menfchpeit feſthalten follen. Nur iſt das nicht ev erreichbar, wenn man nicht von der Unio der Raturen (f. 0.) aus⸗ geht. Endlich auch darin zeigt fih Daffelde, wenn Thomaſius einer gegründeten Bemerkung Beffer’s (a. a. O. ©. 141 f.) gegen: über zugibt: Die Kenofis dürfe doch nicht als eine einmal für immer gefchehene gelten — denn fonft erlöſche gerade die actuale Liebe, die ihr allein ihren Werth verleiht — fondern fie ſei als fortgebende, als fletiges Opfer zu denken. Iſt fie fortgehend und zwar That des Logos (denn Potenz ift nicht Actualität) fo tft offenbar über dem erniebrigten Logos immer noch ber nicht Schluß. 1275 werben; benn im bewußten Mannesleben Ehrifti fände der Logos fehon wieder mehr feine adäquate Geflalt; das müßte alfo folges richtig zu einer vorwiegenden Beichäftigung ber Yrömmigfeit mit dem Jeſuskinde ziehen und das ethiihe Mannesalter Chriſti müßte zurldiichen, was nur bie evangeliſche Form berfelben Grundrihiung wäre, bie wir. in ber neueren katholiſchen Chri⸗ ſtologie fo vielfach Haben einfchlagen fehen, und was und abers mals um ben ernflen Segen ber Erfcheinung Chriſti zu bringen drohte (vgl. II, 847 f.). Die rechte Sneinanderbilbung ber Ehr⸗ furcht und des Tinblichen Vertrauens forbert aber- von Seiten ber Lehre die Stüge und Baſis, daß die göttliche Selbſtmit⸗ theilung nicht darf ohne bie göttliche GSelbfibehauptung, d. h. daß die göttliche Liebe nicht ohne die Gerechtigkeit darf ges dacht werben wollen. Die heilige Gerechtigkeit ift in Gott Princip der göttlichen Selbfterhaltung. *) Un ber Erfenntnig und Ancrkenniniß der göttlichen Gerechtigkeit hängt die bes wußte Ueberwindung ber theopafchitiichen Stufe der Chriftologie, aber auch der Fortichritt in ber Erfenntniß des Amtes Chriſti, beſonders feines verföhnenden Thuns und Leidens. Diele Er⸗ kenntniß ift aber jetzt wie in ber Zeit nach der. alten Gnoſis (I, 179. 359. 363—366. A80. 483. 556.) noch in weitem Umfange verdunkelt. Erſt mit ber richtigen Ineinanderbildung biefer beiden, gleichfam die entgegengefeuten Pole des ethifchen Weſens Gottes repräfentirenden Faktoren, der Gerechtigkeit und der Liebe iſt der Pantheismus und Deismus, das heibnifche und das fübifche Prineip, in ber Gotteslehre vollſtändig übers erniedrigte, fondern erniedrigende vorgeftellt, was freilich ſich auf: heben oder eine Berboppelung des Logos mit fi führen müßte, wenn nicht vielmehr zu fagen wäre, daß überhaupt — die erbaus liche Sprache abgerechnet, die hierin einer fich felbR immer wieder von ſelbſt rectificirenden Freiheit fich bedient, (Gerh. Loci Theo!l. Tom. II, ©. 562) — von Kenoſis nicht fo dürfe geredet werben, als ob je der Logos ſelbſt zur Bewußtlofigfeit oder Nichtactualität gebracht wäre. 2), Am meiften unter allen Neueren dürfte ih Ehalybäns um biefe fundamentale Erkenntniß Berbienfte erworben haben. 1276 Dritte Periode. Abſchnitt II. wunben, für bie Rechtfertigungs⸗ wie Berföpnungsichte bie Have theologifche Baſis gewonnen. Es if ſchwer, ja unmöglich, bie chriſtologiſchen Haupt: bifferengen, bie in ber Gegenwart noch übrig find, nad bem Gegenfage bes Lutheriſchen und Reformirten zu gruppiven; bie vornehmflen Fragen, um bie es ſich jept handelt, find biefem Gegenfate entwachſen und kreuzen ihn in manchfaltiger Weiſe, allerdings auf Grund einer reichen ſchon erreichten Einheit und Ergänzung. Aber noch ift viel zu thun übrig. Die alte refor⸗ mirte Eonfeffion gieng nach ihrem charafteriktifchen Weſen von der Betonung ber heiligen Gerechtigkeit aus, welche die Linters ſchiede hütet, bie Ueberfpanmung aber muß zum ZBiberfpiel bes Beabſichtigten führen (IL, 1267). Aehnlich verhält es ſich aber mit ber Iutherifchen, bie von Haus aus mehr ber Licbe und Huld Gottes zugewandt war (U, ©. 926 ff. 801-835). Hier ‚ waltete in ber Srömmigfeit mehr das Finbliche Vertrauen, dort mehr die Ehrfurcht. Aber, wie ſehr auch bie confeffionellen Gegenfäpe ſich neu geſpannt haben, das ächt theologifche und zufunftreiche Streben wird dahin füch zu richten haben, Gere: tigfeit und Liebe im Gottesbegriff, Ehrfurcht und Finbliches Ders trauen zu Gott in und zu immer vßlligerer Durchbringung zu bringen. . Aeberſicht. Vorwort. ©. vo-voL Die zweite Periode. Dom Jahr 381 bis um 1800. Erfte Epoche. Bom Jahre 381 bis zur Reformation. Die Zeit des einfeitigen Uebergewichts der göttlichen Seite über bie menfchliche in Chriſti Perfon. S. 24—432. Geitenzehl. Einleitung. S. 1—23. Da Stillſtand im Fortſchritt ber Epriftologie durch ihre Ab» hängigkeit vom Fortſchritt ver Gotteslehre und An: thropologie. — - In der chriſtol. Amtslehre verräth fih der unvolllommene Bottesbegriff der griechiſchen und römiſchen Kirche befonder®. ' "Die menſchliche Seite Chriſti bieibt verfürgt . . - 1-4 Leberfiht über die zweite Periode und ihr Nefultat - . 4-11 Ueberficht über deren erſte Epoche - - » 00. 11—15 Ueberficht über die Unionswelfen dieſer Epyode . . . 15—23 Erſter Abſchnitt. Die Feſtſtellung der beiden Seiten in Chri⸗ ſtus als zweier weſensverſchiedener Na⸗ turen in Ciner Perſon. | Bom Jahre 881451. S. 24—149, 1278 Ueberficht. Erftes Kapitel. Die doppelte ſyriſche Schule. ©. 24—59. Die antiochenifhe Chriſtologie. Diodor v. Tarſus. Theodor von Mopsveftia. (Neſtorius vgl. 62 f.) Zweites Kapitel. Aampf gegen den Weflsrienismns. S. 60—98. Eyrill von Alerandrien im Kampfe gegen Neftorius . Eyri’s Lehre 6a ff. Bergleihung mit ven Antiochenern. Recht des Neftorianismus gegegg Epril ©. 81-88. Concil zu Eppefus ©. 84. Neftor. Kirchenfpaltung . . Abendländiſche Kirche. Auguftin und Leporius 8. 39 f. Auguftin und Julian S. Af. : . 2... . Drittes Kapitel, Der Verſuch, Dem Monophyfitismus die Alleinherr- ſchaft zu erringen, und Das chalcedsnenſiſche Con- al 451. S. 99—150. Cprill mit Dioscur, Theodoret mit Eufebius von Dorylänm ©. 99-102. Eutyches S. 108 ff. Eoncil zu Ephefus 449 ©. 106. Leo S. 107-117. . . Des halcenonenfifchen Eoncils innere Geſchichte S. 117 ff. Das chalc. Symbol, feine Leiftungen und feine Män: sel S. 127 ff. Die zweite, monophyſitiſche Kirchen: fpaftung. Der Monophyfitismus hat noch ein Recht gegen das Chalcedon. S. 130-149 . . . .. . | Bweiter Abfchnitt. Die Siherflellung und folgerichtige Durch⸗ führung der dalcedonenfifen Lehre von den zwei Naturen. Dom Jahre 451 bis zum Brankfurter Goneil 794. &. 150—330. Erfted Kapitel. Der Dyophyfitisuus im Sampfe mit dem Slons- phyſttismus. Vom chalcedon. Concil i. J. 451 bis 4. Coneil von Conſtantinopel i. 3.553 ©. 150—193, Seitenzahl. 24- 59 60—84 86 87—98 99-117 117—149 Beberficht. 1. Der Monopäyfitismus . . Die eine Klaſſe des Monophpfitiemus fegt ven Eutychian. fort. Tpeopafhitismus von 9. Fullo ©. 155 ff. Die Aphthartodoketen u. Aktiſteten (Zulias niſten) 158 fi. Barfuballi ©. 162. — Die andere Klaſſe ſucht in der Einheit ver Natur Chriſti dem Unterſchied eine Stelle. (Philoxenus und Geverus) ©. 164 ff. Mia guos aurderog. Agnoeten (Themi- ſtius) ©. 173. Krifis im Monophpf. durch Steph. Niobes S. 175. 2. Die kirchl. Beflreitung des Monophyfitismus . Berhältniß von Natur und Berfon. Ariftoteltfche Ein- flüffe. (30h. Philoponus) S. 180 ff. Verhältniß des Generellen und Inbivipuellen in Chr. ©. 183. 8. Inneres Verhältniß zwiſchen Kirchenlehre und dem Monophyfitismus. Beiden iſt die Menfchheit ein Accivens, Gottheit und Menſchheit excluſiv gegen ein- ander, wenn auch in entgegengefebter Weife ©. 188 ff. Spätere Gefchichte des Monophyſ... .. Zweites Kapitel. Die mönotheletiſchen Streitigkeiten des ſiebenten Jahrhunderts, Die Dyotheletifchen Synsden vom 3. 680 u. 693 und die Stochung in der griehi- ſchen Shesisgie. S. 193—305. 1. Der Monotheletismus -. » > > 2 020 en Borläufer. Pſeudodionpfinus Areopagit. und feine Chriſtologie. Ooc⸗do dvioyaa . . .» .» . - Anlaß z. monotheletifhden Streit. Die drei Stadien des Streit. - . . . Erfles Stadium bis 638. Mia eysoyeıa (Theodor v. Pharan, Sergius, Cyrus) oder v0? (Sophronius) Streit über die Thatigteit oder Wirkungsweile . . . ne Zweites Stabium bis 648 Ein Wille der Einen Perſon, (Honortus). "Zwei Bien der Raturen (Marimus). Die Exdeaıs des Hera» elius für den Monothelet. 217. Umfchlag zu Rom ©. 220 ff. Der Tunos will den Streit beendigen. Auch gegen ihn das later. Conc. 649. ©. 221. 1279 Seitenzahl. 160 176 177—189 190 - 193 198 ff. 195-208 208 — 208 208—215 216—227 1280 Ueberfipt. Drittes Stabium bis 680° . ... 2928-256 Iſt der Wille Sade ber Yerfon ober ber Naturen? Die Monotheleten fagen das Erfiere, aber kommen, wie früßer die Monophpflten (S. 164 ff.), zu einem Unterſchied in der Einheit, zu dem „Zufammengefeßten Willen“ S. 241 ff. Ihre Lehre vom gnomiſchen Willen S. 248. 2. Die Kirche entſcheidet ſich dafür, daß der Wille Sache der Naturen ſei, alſo für zwei Willen, aber in der Einen wollenden Perſon. Beſtreitung des Mo⸗ notheletismus. Maximus. Anaflafius. Agathon. ©. 228 ff. 242 ff. Das Concil vom J. 681 und die Gegenſätze in feinem Symbol ©. 249 ff. Durd die nun aufgefiellte Zweiheit von Lebensſyſtemen ift das Problem, die Einheit der Perfon aufzuzeigen, erſchwert. ©. 251. Andererfeits hat die Gottheit und ihr all mächtiger Wille ein doketiſches Hebergewicht 251 — 256. Gegenſatz der oftenfibeln Kirchenlehre und ihrer noth⸗ wendigen Folgen (Selbſtlofigkeit der Menichheit) 255 f. Spätere Gelchichte des Monotheletismus außerhalb der Kirche. Maroniten ©. 256. Drufen 257. Anm. 256-257 3. Stillſtand in der griechifihen Theologie. Recapitulation durch Joh. v. Dam.; die grieh. Scholaftil u. Myſtik 257-805 Johannes von Damaskus, S. 258 ff. Sein Berfuh, ven Dyophyfitismus und Dyotpeletismus mit der Einheit der Perfon zu vereinigen. a) Die Ilsgıyopgais, nah Marimus, fommt nicht über Unio localis hinaus. b) Die Arcidocıc Ibennarar if bios nominell. c) Die Oixsinois bes Menſchlichen (An eignung) und die Bdancıs (Berähnlichung mit Bott dur Steigerung des Menſchlichen) S. 262— 273. Mückblick und Ausfiht S. 273—282. . Die griechifche Scholaftit und die griechiſche Myſtik ©. 282. Fortſchritt der Myſtik von Maximus über den Areopagiten. S. 283 ff. Heſpchaſten und Ricol. Cabafilas S. 292—303. Die fpätere griech. Theologie ©. 808—805. Drittes Kapitel, Ber Adeptianismus und das Frankfurter Concil 794. ©. 306 — 330. Geſchichtl. Zufammenhang d. Adoptianiemus 806 ff. Un: Neberficht. terfhied som Neftortanismus ©. 309 f. Eonfequente Durchführung des Dyotheletismus 811. Felix v. Urg. sı2 ff. Eliyantus 322 f. Die Kirchenlehrer, bei. Alcuin 324. Das Frankfurter Concil 327. Die chriſtologiſche Transfubftantiation. Unperföntichteit der Menfchheit bei Kirchenlehrern 327 fl. . . ., - Britter Abfchnitt. Das Mittelalter. Vom neunten Jahrhundert bis zur Meformation. Bes ginnender Zerfall der dyophyſitiſchen Grundlage des Chalcedonenſe. S. 331— 452. Einleitung. S. 331—372. 1. Die airche im Mittelpunkt ſtatt der Chriſtologie Surrogate für die menſchliche Seite in Chriſtus: Die Heiligen und Maria, das heil. Meßopfer 2. Der Gottesbegriff des Mittelalters . Emanatismus. Joh. Scot. Erigena 347 ff., feine Chriſtologie 362—358. Der Gottesbegriff des Ans felmus 358. Der Bilteriner 860-364. Neue Re gungen des Suborbinatian.. und Sabellian. 364 ff. Gottesbegriff des Thomas u. D. Scotus ©. 367 ff. Erfted Mpitel. Der Hihilienismus und feine Wehämpfung. ©. 373 1. Petrus d. Lombarde . 2. Gegen ihn Joh. v. Cornwall ©. 386 und das later Concil v. 1179. Abälarb 387 . . 8. Ballenlafien ver Rothwendigkeit der Menſchwerdung; Beſchraͤnkung derſelben auf die Persona Mil Dei ohne feine Natura 388 ff. vgl. 375 ff. Neue chriſtologiſche Keime bei Rupr. v. Deutz und Richard von ©. Bict. Zweite Kapitel. Thomas v. Aguin und Baus Scotus. S. 399— 442, 1. Chriſtologie des Thomas, und Beurtheilung der⸗ ſelben S. 899-409 vgl. 425 ff. 2. Des D. Scotus ©. 409-418, Kritik ©. 418. Seine Mariologie ©. 416. Am... e 1281 Seuenabi. 306 — 330 381 —334 334 — 340 341 - 872 874— 386 "886-887 388 - 398 1282 Ueberſicht. 3. Die Myſtik in der Scholaſtik (oder die romaniſche Myſtik, vgl. 360 u. 888 ff.) als Vorbereitung der grmanifhen - > > 2 22 Geſchichte ber Frage: Utrum Christus venisset si Adam non peccasset? . ,„ . nn Drittes 8 Rasitel, Verfall der Scholafik. S. 443 -452. Urſachen und Berlauf - - 2 2 m onen Erneuerter Nominalismus in boppelter Form © 445 ff. Auflöfung der bisherigen Chriſtologie In Skepfis. Occam. 447 ff. Sein Zufammenhang mit Gerfons Myſtik 451. Pofitive Borbereitung der Reformation durch bie bibliſch⸗praktiſche Richtung und die Myſtik Aweite Epoche. Einlenfung zum realen @leichgewichte der beiden Seiten in Chriſti Perfon. Bom Anfang. der Reformation bis zum fpmbolifchen Abſchluß S. 4535-770, \ Einleitung. Die germanifche Myſtik. S. 453—509. Meifter Eckhart und Eckhart d. J. Tauler. Ruysbroch. 9. Suſo ©. 454— 465. Die dentſche Theologie ©. 465. Welche Stelle weist die german. Myſtik der Chriſto⸗ en Ablenlung aus der der Reformat: zuführenden Bahn bei Nicol. v. Eus (u. Bifch. Berthold Yirflinger S. 574 ff) ©. 488. Raymund v. Sabunde 507. 9. Savonarola. . . . Erfte Abtheilung: bie zum Tode Luthers S. 510660. Erſter Abfchnitt. Die Chriſtologie Luthers S. 510—591, Ethifirung der Myſtik durch den evangelifchen Glauben. Großer anthropologiſcher und foteriologis fer Fortſchritt 511-531. Luthers chriſtologiſche Geitenzahl. 125 ff. 432-—442 448 f. 452 467 - 484 485 —504 607—509 611ff. Neberfiht. \ Anfänge von 1515 an. Die alte Sprade und Weisheit, und die neue Weisheit in neuen Zungen Chriſtol. Bild Lutbrd .- - > > 220. 1, 8, Alles Menfchliche angeeignet von der göttliden Natur⸗ Die Menſchheit erhält zu digen, mas ber gött: lichen Natur ff . 2 2 2 2 2 02. Gottmenfchliches wahres Werben 660-564. Spi- ter Anſchluß an die fholafl. Comm. idd. aber in anderem Sinn. Die gottmenſchl. Perfon als Res fultat ‘der Einigung der Raturen 565—571. Berhältniß zur kath. Myſtik sec. 16. (Berthold, Tpeophraftug) 572 —581. zu Andr. Ofiander und Schwenckfeld 581 ff. Franz Stancaro 589-591. Bweiter Abſchnitt. U, Zwingli und Luther im Kampf ©. 592 —620. U. Zwingli mit Delolampabd, und die Schwaben. Luther 1626.1527. Religtöfe Bedeutung d. Streite8598 — 606. Luthers Großes Bekenntniß vom Abendmahl. Neue moment. Wendung zu Ungunften d. wahren Menſch⸗ heit 605-612. Melanchthon's Chriftologie 618 f. Rückblick anf die lutheriſche und ſchweizer. Chriſto⸗ logie 6161 6200.. Dritter Abſchnitt. Die außerktrchlichen Bewegungen auf dem chriſtolo⸗ giſchen Gebiet unter dem Typus der Reformations⸗ zeit. ©. 621- 705. Chriſtologiſche Stundzeichnung der drei angertirchlichen Reformparteien Erſtes Kapitel, Schwenhfeld. Berh. 3. A. Oflander, den Schweizern, Ruther, Servede, den Anabaptiſtien. ne Seine pofltive eehe - - - > 2 nn Zweites Kapitel, Die Anabaytiften. Mei. Hofmann, 30h. v. Leiden, Menno. Gegen fie Sodann von al . - -» 2. 2.2. en Dorner, Chriſtologie. EL 2te Auf. 82 1283 Seitenzahl. 631 - 541 542 —591 548 —547 547 — 549 660 - 591 692 -- 620 ‚ 621-623 624 —681, 631 —686 687 — 6483 1284 _ Neberfiht. Drittes Kapitel. Bir Antitriniterier. S. 644—660. 1. Antitrinitarifche Anabaptiften: Denk, Heber, David Joris, Campanus . . 2. Theoſophiſche Ralurphiloſophie Servede's 3. Uebergang zum Socinianismus: Gribaldo, Gen. tile u. 9. Zweite Abtheilung: von Luthers Top bis zur Einfradtsformel. S. 661-705. 1. Dropender Untergang der Chriſtologie Luthers 2. Theilweiſe Herfiellung durch bie Württemberger: Brentz, Jac. Andrei, Schegd; Bigand - -. . - 3. Widerfpruch der Jeſuiten, der Wittenberger und des Martin Chemnitz gegen die ſchwäbiſche Eprifiolngie . Dritte Abtheilung: Der ſymboliſche Abs fhluß der reformatorifhen Bewegung S. 706-770. | Erler Abſchnitt. Die Eintradtsformel S. 706—717. Darlegung ihrer Eprifiologie . - Analpfe ihrer Wiverfprühe und Schwanfungen . Der letzte Grund der Mängel der Formula concordiae . Bweiter Abſchnitt. Die reformirte Chriſtologie S. 718—750. 1. Calvin und die reformirten Belenntniffe 2. Die reformirten Ehriftologen Th. Beza, Lamb. Da: näus, Ant. Sadeel, Zach. Urfinas. Ihre Vertheidi⸗ gung der reformirten, Beanſtandung der ſchwäbiſchen Chriſtologie und der Formula concordiae . ‘. 8. Bergleichung der reformirten und Iutherifchen Chriſto logie. (Vgl. 615 ff. 748.). Dritter Abſchnitt. Die Socinianer S. 751—770. Socinianiſche Ehriftologie . . Verhältniß der focin. Ehriftol. zur röm. ‚ ref ‚ Tuthes rifchen. Krife durch die Socinianer . Bafis des Sorin. find rom.⸗katholiſche Reſte 165-787. . 000.08 ee .ı + . 646 f. 649 — 656 656 — 660 661—665 065 — 687 687 — 705 706 — 709 709— 715 716 - 717 718724 724 — 744 744750 751 — 763 763 — 764 Ueberſicht. Ueberblick über die Chriſtologie der abendländiſchen Confeſſionen 787 — 77—0—0........ Dritte Epoche. Bon 1580— 1800. Berfall der bisherigen Form ber Ehriftologie in fich ſelbſt und Umfchlag derfelben in die Form ber einfeitigen Subjektivität S. 771—1016. Erſter Abfchnitt. Bon 1580 bis 1700. &. 771-906. Die fcholaftifche Zeit des Proteftantismus und feine Entzweiung in fi ſelbſt. Erfted Kapitel. Die uiherſa⸗ Ehriftolsgie S. 771 - 847. 1. Streit in der lutheriſchen Kirche über die F. O., ihre Geltung und ihren Sinn. Die Helmflädter T. Heß⸗ dus, D. Hofmann, andererfeits 8. Hutter, Aeg. Hunnius. Philipp Nicolai's myſtiſche Epriftologie . 2. Die Gieße ner Mentzer u. Feuerborn, und die T is binger Hafenreffer, L. Oflander, Nicolai, Theod. Thumm. Streit über die Krypfis und Kenofle Bergleihung der Tübinger und Gießener. Unaus⸗ weichliche Alternative für Beide. Stodung Rück⸗ fa zu Borreformatorifchem und Berluf des ans thropologifchen Zortfchritted. Abfall von Luthers chriſtologiſchen Iden.. e. 8. Chriſtologie der luther. Dogmatik sec. 17 . . A. Ealov, Gerhard, Quenſtedt, Meiner, Baier, Ealirt bef. über comm. naturae, personae, idd. Zunehmende Reſtriction diefer comm. idd. 819— 831. (Erneuerung der dualiſt. Faſſung d. Naturen, Umdeutung d. capa- citas 831-885. Spitzfindige Schulfragen, 3. 8. Präexiſtenz Ehrifti in Adam, Praeservatio ober purl- ficatio der massa adamitica 835 — 844. Anhang: Die fpanifhe Scholaſtik sen 17, . . . Zweites Kapitel. Die Myfiik der altproteflantifchen Kirche 849875. Die deutſche Theoſophie sec. 16. 17. . 2 2 20. (B. Weigel 850-856. J. Böhm 865861.) 1285 Seitenzahl. 765 —770 771—779 779 — 787 787-801 801— 818 819 — 844 844848 850 — 861 1286 Ueberſicht. | Duäler . Die Lehren von eiı einer himmliſchen Menſchheit Sprit Poiret, H.More, Edw. Sowie, Th. Burnet, Goodwin J. Swedenborg Drittes Kapitel. Die reformirte Kirche 876—906. 1. Reformirte Chriſtologie, beſonders Marefius, Heideg⸗ ger, v. Maſtricht; Witfius, Eoccefus. Betonung der wirklichen Menfchheit und Entwidelung. Die unctio sp. s. als Surrogat d. Iuth. comm. idd. Bedeutung der Seelenleiven Ehrifi . . . Berhält. d. ref. Chriſtol. 3. Aemterlehre. beſ Genug: thuung (Piscator) und zur Soteriologie .. Rüdblid und Kritik .o. eu 8 [08 €. [0 vv... . Beginnende Zerfeßung der ref. Chriſtol. durch luth. Einflüffe, Arminianer, Cartefianer, Föderaltheologen Subordinatianiſche und ſabellianiſche Bewegung in England. Hobbes, Whiſton, S. Clarke, Th. Bennet, ®. Bull, D. Whitby, W. Sherlod, R. South und P. Maty in Holland . . Bweiter Abſchnitt. Der fi verbreitende Indifferentiämus ge gen die alte Form der Chriftologie. Don 1700 bis um 1750, S. 907—930. Spener, Löfcher, Mosheim, Pfaft, Hellmann u. A. Beftreitg. d. kirchl. Chriſtol. durch neue pofitine Keime ethifcher Art bet Haferung u. U. 909 ff., religiöfer ‚Art bet Zingendorf 917 ff., fpeculativer bei ©. Urls⸗ perger 921 ff. . Beftreitung durch negative Geifter wie — Dippel, Edelmann . . Rückblick auf den Inneren Berfehungepron? des Dogma nach feiner alten Faffung' Dritter Abfchnitt. .o 98h 2 0. Die Zerflörung der. alten Form der Chriſtologie durch bie Philoſophie der einfeitigen Subjektivität 1750 —1800. S. 930—1016. Seitenzahl. 861-862 862-870 870—875 876— 882 882 — 888 889 — 890 891 — 901 901—906 907 —909 909— 923 917 — 921 923 — 926 926—930 Veberfiht. Einleitung. Die außerbeutfche philofophifähe Bewegung 931-950. Die Wichtigkeit der ppilofophifchen Bewegung nach der Reformation in anthropol. und theol. dinſiht gl ©. 1-11) für bie Epriftofogie Carteflus vgl. 746 u. 898 f. . . Spinoza, fein Spflem und feine Chriftologie Bayle 945-947. Locke und ber engliſche Deismus MT... . Hebergang zur veniſchen philo ſophie Erſtes Kapitel. Von Leibnitz bis Kant. Deſtruction der Chriſtologie durch die nur nege- tive Seite der Selbſtbefreiung der Subjektivität. S. 951-971. Leibnitz und Wolf Verwerfung ber comm. idd. . . . An die Herabfegung des Einfluffes der göt. Ratur ſchloß fich größere Selbſtſtäändigkeit der menfchlichen Ratur an (Döperlein, Töllner, Gruner) . . Hieran das Aufgeben der trinttarifchen Stellung des Sohnes in Sabellianismus und Subordinatianismus Erneſtis grammat., Semlers hiſtor. Exegeſe. Die ſo⸗ genannte praktiſche Dogmatik. Socinianismus, Ebio⸗ nitismus, Eudämonismus und Irreligiofität Zweites Kapitel. Die kantiſche Deit. S. 972—994. Nachdem der negativ verſtändige Rationalismus ſein Wert vollbracht, ſucht die Vernunft in ſich ſelbſt nach ewiger Wahrheit, und eben damit beginnt auch die Philoſophie wieder die Einigung mit dem Chri⸗ ſtenthum zu erſireben. Darſtellung des kantiſchen Sy fiems in chriſtologiſcher Beziehung - - » Die Moralität als ewige Idee anerkannt, aber im Gegenſatz gegen ein objektives Erkennen bes Ver⸗ ſtandes und gegen die Religion. Kritik des prakti⸗ ſchen Nationalismus. Röhr, Wegſcheider. 1287 Seitenzahl. 931—936 936— 937 .. 937-945 945-948 948—950 951— 953 954 954 1.955 956—960 961 —971 972—978 978— 904 1288 Ueberſicht Drittes Kapitel. Die fichtiſch- jakobiſche Beit. S. 995— 1016. Die Religion anerlannt aber ohne die Objektivität ver Erfenutniß und bes Sittengeſezes. DHieraus entwidelt fih der äfthetifhe Rationalismus. De Bette, Haſe, Eolani . » » 2 20. . 995-1012 Zufammenfaflender Ueberblid ver Zeit der einfeitigen Subjeltivität und Gegenüberflellung ver einfeitigen in der F. C. gipfelnden Objektivität . . - -. - „1012-1016 Dritte Periode. Die Zeit der Verſuche, das Goͤttliche und das Menſchliche in Chriſtus in gleicher Berechtigung und in weſentlicher Einheit zu betrachten. S. 1017 bis Schluß. Einleitung. Getengaft. 1. Borläuferr . . . ... 1019-1047 Terſtegen, Leſſing, Semler u. « 1019, Hamann, Herder 1020. 1021. Detinger 1021-1037. Franz Baader 1037— 1042. Novalis 1042—1047, ‚2. Der Uebergang von der ganzen alten Zeit in bie neue macht fih in firenger wiſſenſchaftlicher Weife a) durch Fichte, fofern er a. bie einfeitige Subjeltivität bis auf ihr Ertrem führt (erfle Periode Fichte's), aber nicht minder auch 4. zum entgegengefeßten fpinozifchen Standpunkt getrieben wird (in feiner zweiten Periode), - und fo in feinen beiden Formen bie beiden bisperigen Einfeltigfeiten (ver vorherrſchenden Objektivität und Subjektivität) refapitulirt. Eben damit aber, daß die Subjektivität für fih in den Spinozismus zuräd: kehrt, ver feinerfelts wie die ganze einfeitige obfeltive Epoche in die Subjeltivität übergegangen war, — mit diefem boppelten Ineinander⸗Uebergehen beider ‚ zeigt fich die weientlihe Zufammengehörigfeit beider 1048-1057 *d) Dieß iR Har erfannt und ausgefproden dur SS elling. Subjekt⸗Objekt. Erfier Abſchnitt. Die Grundlegung der neueren Ghriftologie durch Schel- Ing, Segel, Schleiermacher. S. 1058—1197. Ueberſicht. 1289 Seitenzahl. L Schelliag. ©. 1058 - 1084. 1. Schellings früherer Stanppunlt . . . 1058 — 1070 2. Schelings Standpunkt in ber Jreiheitslehre 1070 — 1077 Steffens 1074 f. Anm. Princip der Schelling’fchen Philoſophie ein Real. princip, principium essendi, der Wille. 3. Kritik 1077 — 1084 JH. Bie Ehriflelsgie der Hegel’fen Sale. S. 1084—1153. 1. Die chriſtologiſchen Berfuche der Schule vor dem Er fheinen der Religionsphilofophie von Hegel . . . 1084--1096 (Marheinede 1085 f. Roſenkranz 1086 f. Göſchel 1087 f. Conradi 1090 f. in ihren früheren Schriften.) 23. Die Hegel’fche Chriſtologie ſelbſt in allgemeiner Cha⸗ rakteriſtik. 1096— 1107 A. Berhältnig des Syfteme nad feinen Grund» lagen zur Chriſtologie (D. F. Strauß, Baur. S. 1118 fe) >: 2 en 1107—1119 B. Kritik diefer Grundlagen. Srinciy der Hegel’fchen Philoſophie: das abfolute Wiffen . . . . 1120—1133 C. Die fpäteren Berfuhe zur Berföhnung des Spftems mit ſich felbft und mit dem Chriften= . thum. Julius Schaller. Göſchel. Conradi. Marheinecke. Roſenkranz. Gabler . 1134—1158 _ II. Die Ehrifislogie Schleiermachers. ©. 1154 —1197. 1. Darftellung. Peindp: die Religion .. 1154 - 1176 2. Kritik 1175— 1197 Bweiter Abſchnitt. ⸗ Der gegenwärtige Stand der Chriſtologie und dogma⸗ tiſches Nefultat der biöherigen Geſchichte S. 1198 —1276. Die griechiſche Kircchee. 1200-1204 Die römifhe - > > 2 en 1201 f. (Die Entzweinung in ihr. Günther und feine Gegner 1202 — 1206 Anm.) Die evangel. Kirche der Gegenwart . - - . . 1203—- Schluß. 1290 Ueberſicht. A. Die göttliche Seite in Ehrifi Per⸗ fon 1207—1224. Der neuere Ebjonitismus in feiner deiſt. u. panth. Form principiell überwunden 1208 f. Die ſittliche Seite in Chriſti Perſon allgemein mehr verfianden. Roth: wendigkeit, in Eprifti ethiſchem Weſen eine Gottesoffen⸗ barung zu erkennen 1209 ff. Chriſtus als Gottes abſolutes Ebenbild in ſabell. Faſſung bei Weiſſe, Rede⸗ penning u. A. 1212 ff. Zuſammenhang mit Subor⸗ dinatianismus und Ebjonitismus, wenn die perſönliche Menſchheit die göttliche Perſönlichkeit ausſchließt; mit Patripaſſianismus GBuſhnell), wenn umgekehrt die menſchliche Perſoönlichkeit und Seele durch die Gottes⸗ offenbarung in Chriſtus ausgeſchloſſen wird. Daher Nothwendigkeit immanenter Trinität (vgl. II, 1192 ff. I, 696 ff. 731 ff. 922—939.) Ritzſch. Tweſten. 3. Müller. Liebner. Martenfen. Lange. Mehring. Merz Sartorius. Thoomafiub > 2 2 0 B. Die menſchliche Seite 1224—1259. wi» oa» Die wahre Menſchheit. Wahres, auch ethiſches Wer⸗ den. Abirrung von Menken und Irving. Einigkeit über die wahre Menſchheit zwiſchen der neueren reform. und Iutherifhen Chriſtol., wie auch in der Anerken⸗ nung: humana natura capax divine . . . . . . . Rähere Beſtimmung der Homoufie Chriſti mit unse. Chriſtus if Haupt der Menfchheit. Diefe Wahrheit als das Band zwifchen dem hiſtor. Chriſtus und ber Zrinität. Martenfen. Liehner. Rothe. Lange u. v. A. . Die abfolute Nothwendigkeit des Gottmenfchen f. die Menfchheit, ipre Erlöſung nicht blos fondern auch ihre Bollendung. Steffens. Göſchel. Baader. Molttor. Mars tenfen. Liebner. Lange. Rothe: K. Pb. Fiſcher. Chalp⸗ baus. Ehrenfeuchter. Schöberlein. Nägelsbach. Nitzſch. Schmid. Kling, Peterfen, Ebrard u. A. Beurtheilung der Einwendungen von Thomafins und 3. Müller . Die gottmenſchliche Unio 1260— Schluß. . Bereinbarfeit der göttlichen und menfchlichen Perſön⸗ lichkeit an fh - - - >» 2... . Die Einheit als vollendete (im Stand d» Erhöhung) . Die irbifche Gottmenſchheit. Stand der Ernienrigung. Das Werden in der gottmenſchlichen Einheit 1214 — 1224 1224 — 1227 1227 —1243 1243 — 1259. 1259 1260 1260 ff neberſicht. 1291 GSeitenzahl. 8 Der moderne Theopafchitismus, d. h. die Theorieen von einer Selbfientleerung oder Depotenzirung des Logos ſelbſt. König. Sartorius. Liebner. Thomaflus. Hof: mann. Delitzſch. Gaupp. Steinmeyer. Schmieder. Hahn. Ebrard 1260-1264. Kritik derſelben. Mar: tenſen. Rothe. Schmid. Poſitive Darfielung . . 1264 -Schluß. Alphabetifches Sach: uud Namen: Negifter des zweiten Theile. A. Abälard, ©. 364 f. Abendmahlslehre, Cyrills 71., der Neſtorianer 88. 89. Leo's, 116. Gelafius, 166., der Monophyfiten, 192 f. d. Anaflafins Sinaita und’ Rupertus von Deuß 198., bei Cabafilas, 298. im Mittelalter, 311. 330. Römiſche Lehre, 338 f. bei den Bictorinern, 362. 363 Luther, 552. 598 f. Calvin, 617. Theophraſt, 579 f. Schwenckfeld, 624. 636. 846. Spätere kath. Dogm. 846. Abgarus, 26. Abftraften, die, und Eoncreten, 687. vgl. 741. Abulpharagius, 169. Abyffinier, 191. Acacius, 87. Adam, Berhältniß bes erfien und zweiten, 232. 264. 398— 97. 432 f. i66 f. 536 f. 541 f. 584. 628. 629. 683. 716 f. ſ. Böhm, Poirei, Detinger, Baader, Schleiermacher u. f. w.; u. 1251. ff. Adam Kadmon, 870. Adam Paſtoris, 647. Adäus, 26. Adeodatug, 228. Adoptianer, 309. 823. vgl. mit den Neſtorianern, 310 f. Adoptianismus, 306. 330. 877. 890. Nachwirkungen im Mittel: alter, 408. 415. 1202 ff. Anm. Agathon v. Rom, 195. 228. 246 f. 281. Aghäus, 26. Agnoöten, 173. 712. Agobard v. yon, 307. Altifteten, 161. Akpudinos, 29. - Alder, Erasmus, 664. Alphabetiſches Sad » und Ramenregifter. 1293 Albertus Magnus, 362. 371. 426. 428 f. 487. Alcnin, 174. 306. 824 f. Aleratnder v. Hales, 437. 836. Alerandrinifhe Säule, ihr Umſchlagen in den Gegenſatz zu Origenes, 60 f. Algazel, 486. Allgegenwart Chrißi, Pſeudo⸗Juſtin, 68. Allg. der Menſchheit geläugnet bei Auguftin, 92 f., auch bei Eyrill, 78. 81. Joh. Damase., 370. Decam, 448. Luther’s Rehre, 599 f, 605 f. Zwingli, 603 f. Brent u. Andrei u. A., 669 f. 684 f. Chemnitz, 701. Die Eoncordienformel, 701 f. Streit über den Sinn der E. F., 774, Hutter, eg. Dunnius, PH. Ricolai über Chriſti Allgegenwart. 775-187. Die Gießener, 789%. Die Tübinger, 791. 797 f. Ealov u. A., 828. 829. Mosheim u. f. w., 908. 115. 0929. Allinga, 899. Allmacht, der Menſchheit Ehrifi nach Cprill, 71. 270 f. 404 f. Luther, 554 ff. Die ſchwaͤbiſche Chriſtologie, 667 f. 685. Die Tübinger, 798. 826. Alting, 726. 828. 876. 890. Alvarez, Franz Divacus 845 f. Allwiffenheit des Menfchen Zefu läugnen die Agnoeten u. Leon: tius, 173. Dagegen Hieronymus, Ambrofius, Zulgentius, Beda, Alcuin, 173. 176. lehren Allwiffenheit der Menfchheit, auch Joh— Damasc., 269. Die Sqolaſtik, 409. 414. Anders Luther, 554. vgl. 798. 826 f. 929. Amalrich v. Bena, 365. 453. AUmbrofiug, 88. 178. 247. 437. Amling, 725. Ammon, 969. .Amphilochins, 120. 167. Amt Eprifti, Berhältniß der drei Aemter zu ven drei großen Eon: feffionen 4 f. 332 f. Arminianſche Lehre, 894 f. Amt prophetifches, Chriſtus Offenbarer der Weisheit in der griech. Kirche, 6 Amt boheprieſterliches, das objektive Centrum ber Kirche ver Reformation ift die heil. Paſſion, 6 f. 426. vgl. 466 f. 488. 611 f. Dadurch erſt erhält die Menſchheit Eprifti eine fidere Stellung, 8. Amt, königliches, überwiegend in der röm. Kirche, 5. 882. Anabaptiften, 622. 637. 86%. Anafafinus Sinatita, 158. 177. 188. Anaftafius Presb., 165. 231 f. 240. Anaftafius IL, 256. 1294 Aiphabetiſches Sach⸗ und Ramenregifer. Anatolius, 114. 128 f. Aupdreä, (Jac.) 668. 683 f. 687. 688 f. 692 fi. 733. 763 f. 815. Andreä, Joh. Balent., 803. Angelologie, 293. Anppoſtaſie, f. Unperfönticpkeit. Anfelmus, 341. 344. 358 f. 376. 456. Anthropologie, 4. 39. 41. 83. 224. 347. 850. 361. 410. Luther, 541. 768. J. €. 707. Die Reformirten, 747—49. 881. Socinianer, 156. 764. 767. Breutz, 676. — 791. 795. im 18. Jahrh. 211 916. 926-980. 93285. |. Gottesbegriff. Antitrinitarier, 622. 644. 890 ff. 898. 957 ff. Aphthartodoketen, 161. Apollinaris, 29 f. 96. 102. 238. 830. 1263. Apophatifhe Theologie, 292. Archelaus, 26. Artanismus, 908. 906. f. Suborbinatianismus. Armafiten, 257. Arminianismnge, 891 ff. 896 ff. 901. 903. 906. Arndt, (30h.) 518. 814. Arnold, Gottfr.) 579. Arnold, Thomas, 1237. Arriaga, Moder. ber 846. Asgil, (3.) 840. . Athanafius, 38. 40. 41. 42. 60. 204. 435 f. 1268. Auberlen, 1021 ff. 1026. 1028. 1036. Audius, 61. Auferfiefung von den Todten, 38. 39. 52. Cyrill, 70. 159. eo, 116. Bgl. 159. 318 f. 528. 572 f. 682. 759. Augufi, 723. Auguftin, 3. 87. 90—98. 262. 388. 341. 875. 442. 461. 461. Avicebron, 486. Avicenna, 486. B. v. Baader, 1037. 1042. 1244. Babäus, 87. 88. 89. Bohtz, 1019. Bagliv, 1028. Bahrdt, 968. Baler, 825 f. Baltzer, 1208. Alphabetiſches Sach⸗ und Namenregifer. 1295 Barabat, (Ial.) 175. Barclay, 861. Bardanes, (Philippikus) 256, Bardeſanes, 34. Barhebräus, 88. 162. 189. 192. Barlaam, 294. Baronins, 218. Barfudatli, 162. 169. 196. Barfumas, 86. 87. 198. Baſedow, 988. Baſilius d. Gr., 60. 120. Baumgarten, (M.) 842. 1180. 1240. Baumgarten, Cruflus, 30. 168. 448. 446. 1210. Baur, 25. 151. 157. 344. 377. 386. 414. 424. 443. 640. 582. 649. 855. 954. 958. 988. 1105. 1120. 1125 f. 1134. 1180. Bayle, 986. 945 f. 962. 960 f. Beatus, 306. 824. Behmann. 731. 829 f. Bed, Tob., 1210. Becker, 844. 960. 968. Beda, 174. Bellarmin, 218. 441. 688. 724. 823. 824. 846. Bengel, 843. 1022. Bennet, 908. Berg, 825. 890. Berthold v. Chiemſee, 574. Beſitz und Gebraud, ſ. Bießener. Beſold, 816. Beſſarion, 304. Beffer, 1274, Beza, 668. 688. 732 f. 725, 7a. 823. 962. Bidell, 25. Bidenbad, 667 f. 698. Biel, (®.) 836, - Binius, 218. Blandrata, (G.) 589. 695. 666. 694. Blaurer, (4) 667. Böhm, (3) 856 ff. 951. 1087. Böldicke, 982. Börhave, 1028, Börner, 908. Bosthins, 155. 186 f. 202, Bonaventura, 441. 886, 1296 Auphabetiſches Gach⸗ und Namenregiſer. Bonoſus, 308. Bonrignon, 866. Branif, 368. 1165. Braun, 746. 899. Breityaupt, 915. Brensg, 581. 613. 6937. 665. f. 671 f. 688. 692. 697. 763. 812 fi. 820. 844. 1258. Brewſter, 963. Brüdner, 1210. Bruno, Giordano, 305. 494. 504. Bucanus, 438. 726. 878. _ Budbens, 830. 838. 835. 887. 899. 902. 900. 914 f. Bugenhagen, (Joh) 594. 604. 628. Bugenhagen, jan, 692. Bull, G. 908 f. Bullinger, 624. 667. 687. 722 f. Bunfen, 25. 1216. 1216. Burk, 1022. Burmann, 89 f. Burnet, (Thom.) 866. 960. Bufäus, 688. 724. Bufpnell, 1217 fi. €. Eafetan, 401. Galirt, 824. 826. 830 f. Galov, 295. 441. 788. 808. 891. 824 ff. 829 ff. 890. 918 f. Calvin, 438. 590 f. 607. 616. 662 f. 671. 718 f. 739. 843 f. 891. Ealviniften, 890. |. Reformirte. Campanus, 646 f. Ganz, 97 f. GSaragoli, (Rob.) de Licio, 489. Carlple, 1227. Carlſtadt, 59. Garoli, 645. Earpov, 59. @arpz3o», 839. Gartes, des, 451. 898. 936 f. Cartefianer, 901. Cartefianismus, 898. Caſſian, 158. Cecropius, 128. Cerinth, 401. | Chalced. Spnode und dh. Symbol, 99 —149. hi _ 7’ Mlppabetifges Sach⸗ und Ramenregifter. 1297 Ehdalmers, 964. Chalybäus, 1138. 1186. 1229. 1944. 1275. Ehanning, 1210. . Chemnid, (M.) 068. 887. 695 ff. 708, 710-717. 795. 738. 786. 7147. 771 f. 824 f. 844. Ehrifkologie, ethiſche, bei Theod. v. Mopov., Iulian u. Leporius, 41.89. 94. ethiſches Moment in dem gnomifchen Willen des Monoth. 242 f., im Adoptianismus, 315. 323., bei Duns Seotus, 410. 422., Luther, 550 f., Zwinglt, 615 f., den Socinianern, 757 f., den Re formirten, 719 f. 877 f. 883. der Lutheriſchen Kirche, 9009-17. Kant, 975 f. Hafe nnd Eolani 1009-11. Chriſtologie, kirchliche, Hauptſtadien derfelben, 120. 251. 257 f. 310. 327. 381. 452. 536 f. 805. 7086 f. 806 f. 926 f. 1088 f. Chriſtologie, myſtiſche, bei Theod. v. Mopeveſtia, 49. Cyrill, 68 f. Auguſtin, 94. Chryſoſtomus, Theodoret, 24. 134. 137. Dionyſius, Ar., 106. Joh. Dam., 264. 287. 300 ff. Scotus Erig., 365. Tho⸗ mas Aq., 408 f. 427. Richard v. Gt. Bict, 395 f., der germanifchen Myſtik, 468 f. 473. 74. 75—77. 482. Nic. v. Cuſa, 494 f. Luther, 531 f. 541. 547. 573. Biſchof Berthold und Theophraſtus Par. 574—581. 9. Oflander, 582 f. Schwentfelv, 629. Ph. Nicolai, 779. B: Weigel, 850 f. Böhm, 855. QDuäler, 861 f. Poiret, 862 f. Goodwin und Watts, 867 f. Swedenborg, 871. Zinzendorf, 917. Urlfperger, 921. Detinger, 1022 f. St. Martin, 1039. Baaber, 1037. Novalis, 1042. 45. Gegenfah des Chalced. gegen d. myſt. Chriſtol. 148. 183. Bgl. 1075. 1090 f. 1189. f. 1145 f. 1164. 1297 ff. Chriſtologie, pantheiftifhe, im Monophyfitismus, 140—43. Ne verfelben bei Auguftin, 144. 145. In der Lehre von ber Un⸗ perfönlichteit menfchlicer Natur, 147. 149. Bei Scotus Erigene, 353 f., f. Marimus und Dionyſius. — Amalrich, 366. 453. Ed: hardt, 455 f. Servede u. f. w., 646 f. Spinoza, 942 f., in der neueren Zeit, 1058 f. 1084 f. Chriſtologie, theophanifche, 8. bei Dionyf. Ar., 200 f. Marimus, 289 f. Erigena, 347 f., vem Lombarden, 381 f., Thomas, 407. Chriſtoph, Herz. v. Würtemb., 666. Chriſtus, f. Chriſtologie. Schwanken ob in Ehriftus jede Phyſiso als Idıno» exifiire, 183. Das Generiſche und Individuelle in Eprifiug, 181—86. 262. Die xororyc, 183. 187. Anſelm, 377. Innos cen; II. 378. Chytraeus, 696. 771. Clarke, (Sam.) 902. 967. Claudius, 910. 1019 f. Elaudius v. Sayoyen, 648. Clauſing, 908. 1298 Alppabetifges Sach⸗ und Ramenregifer. Clemens v. Alex. 265. 287. Elemens, Dr. $. 3. 486. 1208 ff. 1206 fi. Glericus, 30h. 898. 899. 904. Elotz, Steph., 844. Eluver, 1038. - Eoccejaner, 901. Coccejanifge Stute 898. Eocceins, 876 f. 879 f. Coccius, 628. Cõoleſt in, 142. Colani, 1004. 1010 f. Communicatio personae, (flii dei) 564. 821. 822. 831. (Calirt); 908. (Röfcher); 918. 964. Communicatio naturarum, bei Luther 547 f. Brenp und In: vreä, 707 f. Calov u. U. 822 ff. Communicatio idiomatum, unvollländtg bei Joh. Dam., 268. der Scholaftil, 409. 567 f., real bei Zuther, 567. 605., andere Me lanchthon und die Wittenberger, 618. 692 f. 692. Zwingli, 614. Calvin, 719. Zurldiretend bei ven älteren Schwaben gegen die Einheit der Raturen, 669 f. Chemnitz, 698. €. &. 707. 733. Be fhräntung ber Comm. idd. auf die wirffamen Eigg., aber Zuräd- treten der ethiſchen sec. 17. 826. 881. Ausbehnung der. 0. auf die etpifchen Eigg. 914. Uebergewicht diefer 909. Zerfall der Lehre v. ver C. 909 f. 914. 954. Gubjeltives Gegenflüd der comm. idd. 1008. 1010. Schwenkfelds Widerſpruch gegen fie, 627. Conradi, 1090 ff. 1185. 1188. 1141. 1148. 1149— 1158. 1178. Eonfantinus Pogonatus, 228. 246. Eopernicus, 960. . Eorpuba, 845. Cornelius, Sal. Cornelius Agrippa von Nettespeim, 505. 6580. Eorvinus, 681. Eotelerius, 160. Cotta, 966. Eratander, 158. Erato, 725. Erell, 692. 751. 768. 760 f. Erufius, 1020. Eryptocalviniften, 663. 822." Cudworth, 904. Euffler, 945. Eurcelläus, 891. 893 f. 898. Eureton, 61. Alppabetifches Sach⸗ und Namenregifer. 1299 Eurtius, Sebaft., 980. Eyprian, 119. Cyrill v. Aler., 31. 60. 64- 79 -86. 98 ff. 120 f. 230 f. 261. 268 f. 690. Gegenſatz gegen die Theopaſchiten und die falfche Kenofis, 72 f., gegen Neftorius, 64 f. Seine phyfiſche Einigung führt auf Infubflantiation, nicht blos Enhppoſtaſtrung 75-77. Er Iehrt Beſchränkung ber Aktualität des Logos zu Bunften ver Menfchheit. Chemifche Bilder der Unio, 82. Mangel an Ethik, Zufammenge: hörigkeit der antioch. und Cyrill'ſchen Chriſtologie, 83. Cprus, 87. Cyrus, v. Alex, 195. 204. 205. 214. Damianus, 158. 161. 176. Danäus, 701. 725. 744 f. 824. Danafi, 257. Dannhauer, 837. Danov, 908. David Joris, 646 f. Davidis, Franz, 694. 751. 761. David' v. Dinanto, 365. 485. Delitzſch, 842. 844. 1180. 1227. 1229. 1261. 1262. Determinismusg, 742 ff. 898. Deurhoff, 945. Didacus Stella, 437. Dipymus, 60. Diodor v. Tarf. 24. 32. Divnyfius Areopagita, 162. 169. 176. 196. 203. 292. 300. 341. 479. Dionyftius, Bar Salabi, 192. Dippel, 839. 924. 948. Dioscur, 100. 121 f. 151 f. Döderlein, 954. 956. Doletismus, Reſte deſſelben in der ganzen Periode des Ueberge⸗ wichts der göttlichen Seite, 8. 13. 329., bei dem Lombarben, 381 f. bet Thomas und Scotus, 424. Bgl.605 f. 678 f. 714. 1217 f. 1270. Domnus v. Rom, 228. Dorotheus, 27. Dorſcheus, 441. Dreier, 830. Drufen, 257. Dualismus bei den Bätern zu Ehalcedon, 143 ff. Duns Scotus, 344. 370 f. 409 f. 446. 489. 765. Dorner, Shriftologie. II. Ste Aufl. 83 1900 Alphabetiſches Sach: und Namenreg iſter Durandus, de S. Portiano, 444. Dyophyfitismus, gegen ihn Cyprill, 66., für ihn wird entſchieden zu Chalcedon gegen Eutyches, 128.; gegen ihn fpäter Renno Sims nie, 637., Servede, 649 f., Schwenckfeld, 825 f., Die Gorinianer, 753 f und die Chriſtologie ber neueren Philoſophie Dyotpeletismus, 203 ff. 228 f. 242 ff. 283, die lutheriſche Chriſte⸗ logie iR anfangs nicht für denfelden, vgl. 670. 680. Ebed Jeſus, 88. Eber, Paul, 602. Ebjionitismus, f. Theodor v. Mopsv., Apoptianismus, Scotus 421. Socin, 754. — 968. 972—1010. Ebrard, 538. 1210. 1224. 1226. 1229. 1244. 1261. 1263. 1267. Edermann, 966. Eckhart, 455 f. Evelmann, 924. 926. 945. 948. Edward, 903. Eglin, Raph. ©. 726. Ehrenfeuchter, 1229. 1244. 1246. Einheit, f. Unio. Elias, 189. Eltpantus v. Toledo, 306. 308. 322. Emanatismus, 342. _ Empfänglileit der Menſchheit für Bott, nad Scotus 411. Die germanifche Myſtik, 455 f. pofitive Sätze 716. Luther, 539. 341 E humana natura capax divinse bei den Schwaben 676 ff. €. 5 708. Etwas anders bei Chemnitz, 698. Reformirte Lehre, 746 f. Abs ſchwächung und limbentung ber. capacitas und der oomm. idd. 826 f 832—834., f. Sorinianer. Bgl. 1227 f. Engelharpt, 196. 292. Enpüber, 85. Entänußerung, f. Ständelehre und Theopafchitiemus. Unterfiper bung von ber Menſchwerdung, 561. 818. Bermitielt durch relatives Ruhden oder Retraotio des Logos, 416. (Scotus) Luther, 554. 561. Melanchthon, 663. 692. Chemnitz, 702 ff. 3. Gerhard umb bie meiften Intp. Dogm. mit den Gteßenern, 819. vgl. Reinhard, 956 Neuere 1261 ff. Eppefinifhes Concil, Unſicherheit über feinen. dagmatiſchen Ge halt, 84 f. Ephräm, 27. Epiphanius, 60. Epiſcopius, Sim., 80. AMphabetiſches Sach⸗ und Ramenregifier. 1301 Erbkam, 624. Erpöpung Jeſu, f. Ständelehre, Allgegenwart, Mafeflät u. f. w. Erigena, 344 f. 374. Ernefti, 963. Erneki, 8, 1230 Erniedrigung Iefu, f. Stänvelehre ; Entäußerung. Etherius, 306. 324. Erpit, f. Theodor v. Mopsv., Adoptianer, D. Scotus, ferner 751. 881. 894. 910 f. 914. 989. 954. 972 ff. 1011. 1227. Eudämonismus, 898. f. pie Wolf'ſche Zeit. Eugenius, 228. Eulogius v. Aler., 158. 163. 177. 210. Eufebius v. Dorplaeum, 109. Eufebius v. Eäfaren, 801 f. 894. Euſtathius, 43. 178. 191. Euthpmius Zigabenus, 199. 282. Eutyches, 103 f. 243. 564. 567. 736. Eutydhianer, 164. Eutyhianismus, 828. Evagrius, 152. Ewald, H., 1210. 1212. $. Fecht, 837. 830. Felgenhauer, 842. Felix, 118. Felix 9. Urgellie, 306. 312 f. Kend, 924. Keuerborn, 837. Fichte, 973. 977. 987. 1049. 1052. 1053 ff. 1058. Fichte d. 3. 1133. Fiſcher, 8. Ph, 1133. 1144. 1148. 1229, 1244. 1247. Klarianer, 69. Flacius Illyricus, 628. Flatt, 960. 964. 967. 969. Flavian, 103. 106. Sleming, Rob., 866. Fock, 751. Föderaltheologie, 883. 901. Körfter, 844. Kowler, 844. 866. Krand, Seb., 628. 648. Krande, 912. 83 * 1302 Alphabetiſches Sach⸗ und Ramenregifer. Franken, Chriſtian, 751. 761. Franz, Davidis, 694. Sranenftädt, 1136. 1138. 1149. Frecht, 628. 667. Freiheit, ob in Chriſtus Freiheit, 36. 40. Marimus und Anaſta⸗ us vertreten die Freiheit Chriſti als abfolute Geiſtesmacht, 245. Gnomiſcher Wille Eprifti bei den Monotheleten, 242. Nach Joh. Dam. bleibt nur menſchliche Entwidelung des Leibes übrig, 270 Seine Lehre von der Kreifeit, 259 f. 273. Nach Augufin Teine Bapifreifeit in Chriſtus, 91. Socinianer, 758. Reformirte, 881. Armintaner, 894. f. Ethik. - Fricker, 1022. Gabler, 1138. ®ajantten, 160. Gajanus, 173. Galatinus, P., 840. Gallus, R., 628. 664. Gaſtrell, Francis, 866. Gaß, 57. 283. 304. ®aupp, 890. 1226. 1229. 1261 ff. Geburt Chriſti. Neforius, 63 f., vgl Maria — Myſtiſche Lehre von Epriftt Geburt in ung, 461 ff., Luther, 519. 527. Servebe, 651}. Schwendfeld, 629. Vgl. Menſchwerdung. Jungfräuliche ©., 879 Ref.) 758. (Sorinianer) 893 f. (Arminianer); V. Weigel, 853. Böhm, 855 f. Oetinger, 1032 f., f. Himml. Menfchpeit. Geiſt, Heiliger, f. Bedeutung für die Epriftologie bei ven Reformirten, 879., Armintanern, 894., bet Thomaflus, Hofmann 1269, f. Salbung. Gehorſam, thuender, nah Parfimonius, 911. Piscator, 885 f., reformirte Lehre, 884 f. Daferung u. U. 911 f. Zöllner, 955 f. Gelaſius, 166. Gellius, Faber, 637. Gelzer, 1019. 1021. Gentile, 8., 656 f. Genugtihuung nad Anfelm, 6. 8. D. Scholaftiter, 422 f. 425. Die evang. Kirche, 6. Luther, 513—518. Die Reformirten, 880 ff. Georg, dv. Arbela, 89. Georgius, Gemiftius, 304. Gerhard, 3., 441. 688. 819. f. 824. 826. 837. 844. 9686. Gerſon, 451 f. 699. Alphabetiſches Sach⸗ und Ramenregifter. 1303 Gefner, 844. Gieſeler, 151. 160. 166. Bieffener, 788 f. Bergleihung mit den Tübingern, 802 f. Gilbert de la Porr., 376 f. Giordano, Bruno, 305. 494. GSlanville, 844. Glaß, 844. Glaube, 516 ff. 592 f. Gnoſis, f. Dionyfius, Erigena und Tpeofophie. Göbel, M., 641. Gölicke, 924. Goſchel, 964. 1067 ff. 1134. 1137. 1143 ff. 1244. Beurtpeilung, 149 ff ®obat, 191. Good win, 866 f. Gottesbegriff, 3f. 45 f. 78. YAuguftin, 90. Concil. Chalced, 141 £ 144—147. ſ. Barſudaili. Pſeudo⸗Dionyſ. 197 f., ſ. Myſtik, 292 f 295 ff. 300. 302. Scotus Erigena’s, Anſelms und Thomas, 341—351. 358 f., des Thomas und Scotus, 368 f.; deutſche Theo: Iogie, 477., Luthers, 537., Zwingli’s und Ealvins, 816 f., Schwend: feine, 629. Ueberblick über die Eonfeflionen, 767 f. Gott die Hypo⸗ ſtaſis aller Gläubigen, 236. 454. ©. intenfive Unendlichkeit nad Auguftin, 90., Luther, 607 f., Brentz, 673., Ricolat, 780 f. Unmit⸗ theilbarkeit nach der Scholafiil, 370. Mittheilbarteit, 233. nad Luther, 537 f. 547.; Socin, 764. Gottheit Chriſti, ſteht im Uebergewicht v. Ehalc. bis 3. Reform. 4 ff. in der griech. u. röm. Kirche; Grund davon, 8 — Bolge: Unperföntichkeit der Menfchheit, ein neuer Doketismus, 330. In d. Reform. Zeit flieht die Gottheit u. Menſchheit in Ehr. im Gleich: gewicht, 9. 537 f. Angriffe auf jene von den Antitrinttariern, sec. 16. 646 f. 753 f. sec. 17 u. 18. 891 f. 902. 955 f.— 60. ſ. d. A. Grabe, 902. Grant, 87. Grapius, 898. 844. 899. 901. Grauer, Alb., 837. - Gregor v. Nas. 119. 121. 267. Gregor v. Nyffa, 40. 59. 215. Gregorius v. Balentia, 441. 688. 846. Gregorius v. Tours, 174. Gretſer, 218. Gribaldo, 6586 f. Gries bach, 956. Gruner, 955 ff. 958. 966. Guͤder, 882 f. 917. 1227. 1304 Ylppabetifged Sach⸗ und Ramenregifer. Güünther, 1202 ff. 1227. 1247. Gneride, 885. Buldenfhaf, 488. $. Haberfad, 912. Hafenreffer, 787 fi. 820. Saferung, 910 ff. 924. Hagenbag, 115. 1227. Hahn, 1, 366. Hahn, ©. 2%, 624. Hahn, PH. Matth., 1022. Hahn, 2., 1261. 1263. Hamann, 1019 ff. Hamberger, 1023. 1229. 1247. Hanne, 1138 und - Sare, 3, 1227. Hardenberg, Alb., 666. DSarmafius, 257. Hartkuoch, 582. 687. Hafe, 1004. 1010. 1210. Paſſe, 358. 377. 1187. Haupt, Chriſtus das, 1228 ff., f. myſt. Chriſtol. Hebenſtreit, 914. Heberle, 535. 589. 649. 652. 656. Heerbrand, 688. Hegel, 963. 988. 1189. 1192. Pegel und feine Schule, 1084 fi. 1192. 1105. 1197. Hegelmater, 960. Heidegger, 876 f. 879 f. 883. 886. 889. 904. Heilmann, 908. 910. Heinius, 3, 890. Helvidius, 841. Dente, 956. 906. Henry, 664. Heraklius, 154. 190. 204. 214. 217. 246. Herder, 996. 1019. 1021. Dermes, Trismegifius (von Beflarion) 304. Herrlichkeit Chriſti, f. Majeſtät. Herxheimer, 842. Herz, Cultus des allerheiligſten 9., 847 f. Heßhus, Til., 664 f. 686 f. 725. 772. Alphabetiſches Sach⸗ und Namenregifer. 1305 Defyhaften, 292 ff. Heer, 646. ° Heye, 981. Hieronymus, 34. 60. 96. 173. 376. Hieronymus v. Dungerspeim, 558. Hierothens, 162. 196. Hilarius, 40. 160. 376. 633. Hildebrand, Zoh., 824. Hiller, 1022. Himmelfahrt Eprifti, 547 f. 606 f. 633 f. 678. (ſtattiſindend Son der Geburt an); 711. 712 f. 723. 748. 7060. f. Allgegenwart 902. Himmliſche Menſchheit, 636. 806. 862 f. Hobbes, 902. Hoe v. Doenegg, 837. 844. Höllenfaprt Chriſti nad Luther, 549. 50., Calvin, 720., ob Chri⸗ flus Menſch war in diefer Zeit, 835. 30., reformirte Lehre, 881 f., Arminianer, 893. Pofmann, Med. 631. 641. Hoffmann, Dan. 684. 725. 772 .. Hofmann, €. ©. 917. v. Hofmann, 842. 1180. 1210. 1229. 1240. 1247. 1261. 1263 f. Hopburg, Ehr., 842. Hollaz, 823. 826. 830. 833. 908. 914. Honorius v. Nom, 195. 204 f.—2R8. 280. 280. Hoornbed, 726. 751. Hormisdas, 156. Hofpintan, R., 665. 668. Hülſemann, 831. Hugo, Cavellus, 409. Hugo, Grotius, 896. Hugo v. St. Bictor, 362. 398, 865. Sulftus, 726. v. Humboldt, 9864. Hundeshagen, 1226. Hunnius, Yeg., 686. 708. 726. 775 ff. 821. 824. 844. Huffey, 866. Hutter, 692. 775. Hypfiftarier, 31. I. Jacob, von Edeſſa, 192. » von Sarug, 192. 1306 Alphabetiſches Sach⸗ und Ramenregifter. Jacobi, 995. Sacobiten, 164. 191. ſyriſche u. ägyptiſche, 192. Jacobus, Rifib., 29. 3bas, 86 Serufalem, 969. Zefuiten, Epriftologie derf., 688 f. 844 f. Ignatius, 61. Zllgen, 292. Innocentiug IIL, 328. 376. 401. Joachim v. Floris, 364. 387. Johaunes Askusnages, 158. 180. n Cafflanus, 158. ” Climacus, 291. » v. Eornwall, 386. Damasc., 20. 178. 244. 283. 320. 380; ſ. Ehriftologie, 258-281. ., zwei vollſtändige geiftige Lebensſpſteme in Eprifus. Die menfchliche Seite beherrſcht von der göttlichen, 260. 266. Reigung zur Unperfönlicpfeit ver Denfchheit, 262 f. Der zeönos arrıdöcens nur nominell 268 f. 271., die eoıgweyoıs nur Iocale Unio, 267. feine reale comm. idd. 261.- Widerſpruch bei ihm, 270. Sohannes von Dara, 192. „ von Germantcia, 124. » Katholitog, 192. » von Lasky, 642. 664. » von Leyden, 641. » Maxentins, 156. » de Mercuria, 446. » Philoponus, 158. 180. ° Scotus Erigena, 344 f.—374. Soprenius, 924. Joris, David, 646. Jovinian, 98. Srenäus, 51. 267. 432. 614. Irving, 12%. Julianiſten, 159. Sultanus v. Eclan. 94. Julianus v. Dalicarnaf, 151. 159. Julianus Saba, 27. Yulius, v. Rom, 119. 136. f. römiſche Kirche. Jurieu, 904. Suftintan, 87. 154. 178 f. 190. 194. Juſtinus, Martyr, 57. Alphabetiſches Sach⸗ und Ramenregifter. 1307 R. Kahnis, 1261. Kant, 974. 987 f. 992. 994 f. Karg (Parfimonins), 911. Kataphatifhe Theologie, 293. Kedermann, 726. 733. 772. Keil, 966. ” Kenotiler, 819. Kern, 1177. 1191. Keffelring, 837 ff. 841 f. 844. Kinkel, 902. Kirche, evang., der Gegenwart 1203 ff. Kirche, römiſche, Wechſel der chriſtologiſchen Anfichten in ihr; für die Einnaturenlehre Zulius, Eölefin mit Cyrill, 84. 106. 136. Für die Zweinaturenlehre Leo, 106 f. Leo gegen eine reale comm. idd. 112. 142. Gelafius, 166. Honorius Monothelet, 204 f. 217. Stel: fung ver römiſchen Kirche im Mittelalter, 331 f., gegenüber ber Reformation, 573. 8689. 844 f. . Kirchner, T., 725. 741. Kleuker, 1020. Kling, 1244. Klofe, 257. 926. Knapp, 964. Knoodt, 1203 f. Knutzen, 945. 948. Koch, 961. ü Köcher, 909. 954. s König, 819. 826. König, Lic., 1261 ff. Königthum, f. Amt, Majeftät, Stände. Körner, 687. 772. Koluthos, 173. v. Krakewitz, 839. Kramer, 912. Krüger, 910 f. Kryptiler, 819. Kurtz, 964. 1246. Lactantius, 38. 434. Lange, Joach., 915. 924. 964. Lange, Joh. Pet. 842. 1144. 1210, 1224. 1226. 4229. 1238. 1244. 1261. EEE | 1308 Alphabetifches Sad: und Ramenregifter. Lavater, 1019 f. Lechler, 87. van Leenhoff, 945. Leib Chriſti, Cyrill 71. Auguſtin 91. Andre: 113. 115. 160 f. 170. 232. 357. 581. 612. 629 f. 639. 654. 678 ff. 712. 13. 778 f., f. Himmt Menſchheit, Abendmahl, Himmelfahrt, Auferſtehung. Leibnitz, 951 f. 957. 962. 1023. Leiden Chriſti, Wichtigkeit für die Begründung der Nothwendig⸗ feit der Menfchwerbung, 6—8. 58. des Scotus Kritik von Anfelm, 423. mittelalterliche Behandlung der Balkon Chriſti und der Maria, 337. in der deutfchen Theologie, 475 f.; Luther, 545 f. C. 5. 707. Die Tübinger, 791 f. 810 f. 820. Das Uebergewicht der Majeſtät Chriſti zieht die lutheriſche Epriftologie wieder ab vom wahren Leiden, 619. Leiden Gottes, 477. ſ. Theopaſch. Leo, 105 f. 121. 169. Leo, Judä, 614. Leo, M., 740. Leontiug, 153. 160. 173. 178. 189. 268. Leporius, 61. 87. 89 f. 94. 133. Leß, 964. 969. Leffing, 1019. Leudfeld, 687. Liberius, 899 f. Lieber, 1208. Liebner, 1144. 1190. 1223 f. 1229. 1235 ff. 1244 f. 1261. 1263. Limbord, Ph. a., 891. 893 ff. Lode, 902. 947. Löffler, 968. Löſcher, 513. 531. 908. 910 f. Lohmann, Hartw., 842. gorimer, 903. Lüde, 1210. Lütkemann, 836. Luthardt, 1210. | Luther, 709 f. 717. 727. 789. 741. 747. 838. 844., feine Epriftologie 510 ff. 644. 701. 1272. Lutheriſche Chriſtologie, 771. Lyſer, Polpcarp, 772. 774. s M. Maanes, 87. Macarius, 77. 207. 231. 291. Mararius d. Aelt, 291. Alphabetiſches Sach⸗ und Namenregiſter. 1309 Maccovins, 822. Maſfeſtät, 71. 168 f. 262 f. 269. 318. 537—41. 547 f. 605 f. Brentz und Andreä, 688 f. 779 f. Bol. Allgegenwart, Allmacht, Allwiſſen⸗ heit u. Stände Chriſti. Maior, 692. Mallebrande, 1083. Malqzion, 26 Marcian, 122. Marcus, Eremita, 291. Maren, Eugenitos, 294. Marpaiten, 257. Marefius, 745. 822. 824. 876. 878 ff. 883 f. 885. 913. Marheinede, 480. 1085 f. 1935. 1141. 1152. Marta, 148. f. Neftorius u. Cyrill, fowie 155. 335 f. 416 f. 749. 847 f. Luther, 553. Marius Mercator, 51. 62 f. Maris, 26. 86. Martins, 726. Maroniten, 256. Marſilius, Ficinus, 304. 494. 498. 659. Martenfen, 1224. 1237 f. 1244 ni 1261. 1263. 1265. 1272 St. Martin, 1039. Martini, Rud., 647. Martini, 725 £ Martini, 9686. MartinusL, 206. Marun, 256. Maſtricht, 726. 746. 876. 878 f. 880. 882. 885 f. 888 f. 801. Maty, P., 865. 867. 904. Maurice, 1227. Marentius, 156. Maximus, Eonfeffor, 20. 195. 207. 217 f.—228. 240. 244 f. 253. 255. 271 f. 279. 283 f.—294. 341. 344. 456. Mayer, 839. Mehring, 1224. . Meifner, 803. 823. 833. 836. we ji von 438. 570 ff. 627. 644. 704 f. Entäußerung des Logos elbſt, 613. Eine and (Betractio nova ae 02 re Chriſtologie o yavxaleın bes Logos), Mendoza, 845 Menten, 1225. Menno, Simonis, 637. 1310 Alphabetiſches Sachs und Ramenregifter. Menſchbeit Eprifi; die adamitifche nicht Die wahre, 274. 541. 716. f. Leib und Seele. Menſchwerdung Chriſti, Nothwendigkeit derſelben abgefehen von ber Sünde nad Theodor, 51.; bei vielen Andern, 432—42. ; 1244 ff. vergl. Luther, 536. für Luther if der Gottmenſch, nicht blos Bott, Mittels punkt der Frömmigkeit 598. Nic. v. Euf., 493 f. Berthold, 574. 4. Oftander, 584. Melanchthon, 438 f. Calvin, 718. Brent, 674. Menſchwerdung der Perfon ohne die Natur mit Ausleerung ber Ießteren, die Antfropomorphiten, 72. Bei Leporius, 90. Aehnlich die Scholaſtik, viele Reformirte u. f. w., f. Berfon; Unio, Communi- estio, Chriſtologie. Mentzeer, B., 726. 744 ff. 788. 821. 837. Merten, 1205. Merz, 9., 1224. Meffaltaner, 27. Methodius, 35. la Mettrie, 1023. Meyer, 8. A. W., 1210. Migetius, 307. Mitler, 960. Mirus, 844. Mörlin, Joach. 665. 687. Molitor, 1247. ! Monophpſiten, 88. 151., armeniſche, 192., wefentliche Aehnlichkeit zwiſchen Monopppfitismus und Kirchenlehre, 189. Monotheletismus, 195. Montagn, 963. Morgenftern, 687. More, 9., 844. 866. 964. Mosheim, 904. 908. 910. Müller, Ap., 948. Müller, Zul, 391. 664. 1111. 1113. 1224. 1245 — 1258. Münchmeyer, 1265. ’ Mylius, 9., 774. Mpcronius, Mart., 642. Myfit, » 1. griechiſche, tn Uegypten und Syrien, 25. 60. 61. 291. Pſeudo⸗Dionpfius, 202., des Marimus, 281., der He fppaften und des Nic. Eabafllas, 292 f. \ » dierarchiſch⸗-kirchliche des Areopagiten, 291. „ die ber ſubjectiv⸗asketiſchen Srömmigteit, 291. | » 2. romaniſche, 360 f. 425 f. „ 3. germaniſche, 453 f., Nic. v. Eus, 4885 f. | ) 4. nachreformatoriſche, 779 f. 850 f. 1021. — am nr te Alphabetifches Sach: und Ramenregifter. 1311 R. Nägelsbach, 1229. 1240 f. 1244—46. Narſes, 87. Raturen Chriſti, Cyrill lehrt eine Eyaaıs gvaxz, 75 ff. -Das Chalced entſcheidet für Dyophyfitismus, 120. Die Unterſcheidung fortgeführt dis zu zwei vollſtändigen Lebensſpſtemen im Dpotheletismus, 248 ff. Reaktion im Nihilianismus auf Koflen der Menfchheit, 384 ff. Luther und die ſchwäbiſche Chriſtologie will die Einheit der Perſon aus der Einigung der zwei Naturen refulticen Taflen, 588. 670. Gleichheit des Begriffs von Natur und Perfon bei Neſtorianern und Monophpyfiten, 181. ©. Unio. Neander, 31. 84. 257. 1210. Neoplatonismus, 341. Reoplatoniſche Theoſophie, 304. Neſtorianer, die erſte Partei, welche zu überwinden die Kirche die Kraft nicht bewielen hat, 86. fpätere N., 899. Neſtorianismus, 155. 307. Neftorius, 24. 60-69. 225. 307. 564. 694. Newton, 960. 3023. Nicephorus, 151. 180. Nicephorus, Gregoras, 294 ff. Ricetas von Ehone, 282. Nicolai, Phil., 779 ff. 832. Nicolaus Cabafilas, 292. 294 f.—303. 485. Nicolaus von Eufa, 23. 304 f. 451. 485 f. 489 f. 501. 837. Nicolaus v. Elemanges,; 452. Nicolaus von Methone, 282. Niehenck, 901. Nihilianismus, 373. 408. 424. 890. Nitzſch, Im., 1223 f. 1244. 1246. 1261 f. Noſſairiten, 257. Novalis, 1037. 1042. ©. Decam, 447. 451. 607. DOchino, Bernd., 658. Decolampad, 594 f. 606. Debler, 1261. 1264. 1267. Oſelrichs, 968. ' Detinger, 1020 ff. 1023 f. 1026. 1028. 1037. 1312 Alphabetiſches Sach⸗ und Namenregiſtet. Oiſchinger, 1203 ff. 1205. 1247. Dlevian, Kafp., 722. Dishaufen, 842. Dnuphrius, 218. Drigenes, 30. 39. 56. 60. 891. Dfiander, Andr., 535. 576 f. 582. 625 f. 720. 1258. Dfiauber, Joh. Ad., 803. 820. 838. 843. 901, 914, Dftander, Abae, 668. 709. 814. 820. DOftander, €, 1210. Ofterwald, D. T, 88. Oſterzee, 1227. Oſtorod, 751. Yabk, 1205. 1247. Yalamas, 293. u Yareus, D., 725. 74. Parker, Th., 1210. Partſimonius, 911. Paſchaſius, Diaconus, 827. Paſchaſins, Radbertus, 330. 841. Paſſion, f. Leiden. Paul von Samofata, 27. 43. 968. Paul von Eigen, 664. Paulinus v. Aquileja, 307. Paulus, Dr. 968. Paulus v. Tonftanttnopel, 226. 6. Belagius, 142. 434 f. Berlins, 843. 885. Perrone, 416. 840 f. Perſon des Logos incarnirt ohne die Natur, 90. 326f., Anfelm, 887. Bol. 401. 744. 824. 831. 825. 878. Gott bie Yerfon aller Blänbigen, 236. Perſon bald die Totalität Chriſti, bald das Ich, 251. fi. 278. Yerfon bald als Aecidens bald ale ſubſtantiell gedacht, 1880 f. Unio, Unperſoͤnlichkeit, Naturen. Petavius, 441. 846. Peter d'Aillp, 452. Peterſen, 961. 1032 f. Peterſen, Aug., 1244. Petrus v. Alexandrien, 119. „Fullo, 155. „5 3. von Kallinik., 175. » monophyf. Patriarch von Antiochien, 176. Alphabetiſches Sach⸗ und Namenregifter. 1313 Petrus, Lombardus, 258. 374 f. 389. „de Albano, 580. „Martiyr, 664. 688. 722. 747. » Molinäus, 839. Pezel, Ehrif., 692. 747. Pfaff, 592 f. 666. 827. 837. 890. 910. Pfaffd. ä., 808. Pfeiffer, 8, 465 f. Philippi, 821. 1251. Philo, 198. 342. Philoponus, I, 277. 900. Philoxenus v. Dierap. od. Mabug, 152. 160. Photius, 152 f. Picus von Mirandola, 304. 669. Pincier, 745. Pirſtinger, 574. Pifcator, 725. 745. 822. 885. Mi. Pius VI., 847. Plancius, Peir., 780 f. Planck, 582. 664 f. 966. Ylouquet, 1023. Botret, 840. 844. 862 ff. Polanns a Yolansborf, 438. 726. 822. Vorphprius, 98. Poſtellus, W., 1033. Präexiſtenz der Menfchheit Chriſti, Conſequenz ber ſchwäbiſchen vehre, 806. 820. in Adam, 837 f. seminalis oder realis? 844. Schnecken⸗ burgers Lehre von ihr, 820. Breiswert, 87. Dreffenfs, Edm. de, 1210. 1227. Brobus, 176. Proclus, 99. 196. Dfeudo:Dionyfius Areop., 196 f. f. Dionyſius. Puceius, Franz, 505. 580. Puſep, 1227. ©. Duäder, 861. 865. 868. Quenſtedt, 437. 441. 745. 825 f. 829. 832. 837. 913. Quiſtorp, 0585. 1314 Alphabetiſches Sach⸗ und Namenregiſter. R. Rabulas, 87. Raimund v. Sabunve, 451. 507 f. Rambach, 3, 844. 924. Ratramnus, 841. Raymundus Lullus, 417. 421: Redepenning, 1213 f. Reformation, 6. 8. 23. 339. 512. Die alte und die neue Weis: heit, 536 f. Die alte und die neue Sprache, 541. Reformirte Epriftologie, 718 ff. 603. Das Reue berfelben, 615. 779. 780. Bgl. mit der Inth. 615. 743— 750. Neuere 1226 f. 1274 f. Reformirte Kirche, ſ. Zwingli, Decolampad, Calvin, 593 f. 618 ff. 118 f.—750. Reithmaier, 574. Reinboth, 837. Reinhard, 910. 956. 964. 970. Remonfttanten, 898. f. Arminianismus. Nettberg, 443. Reuchlin, 659. Reuſch, H14 f. 953. 957 f. Reuß, 1022. Richard v. St. Bietor, 360 f. 371. 384. 396. 436. Rieger, 1022. Ritſchl, 25. Ritter, H., 342. 360. 371. 443 f. 451. 1019. Rixner, 824. Robinet, 1023. Rocholl, 1248. Roderich de Arriaga, 846. Rodolph, 876. Röpr, 993 f. Nosðll, Herm. Alex., 892. 900. Romang, 1227. Roos, M., 1022. Nofcellin, 364. 376. Rofentranz, 1086 f. 1141, 1148. 1151. Rothe, 1144. 1210. 1229. ff. 1240. 1244. 1265. 1272. Rudelbach, 885. 890. Rupen, des Logos. ©. Entäußerung, Melanchthon, Epemniß. Ruprecht, v. Deutz, 193. 388 f. 396. 437 f. Auftiens, 177. 184. Nuysbrocd, 456. 459. Alphabetiſches Sach: und Ramenregifer. 1315 8. Sabellianismus, erneuerter sec. 11. 364 f. in ber Reforma⸗ tiongzeit, 648 f. Swerenborg, 870. Urlfperger, 921. Whitby, 904. 956 f. Formen deſſelben in der neueften Zeit, 1192—1197. 1214 ff. Sadeel, Anton, 725 f. 730. 733 f. 744. 747. 822. 824. 843. Sailer, 955. 958. Salbung Chriſti, 723. (auf Epriki Geburt oder Taufe bezogen); 8328. 878 f. 893. 915, | Sand, Ehr., 901. Sardinour, 1227. Sartorins, 909. 915. . Sartorius, Ernf, 1224. 1229. 1261. 1262. Sattler, Baſ., 772. Savonarola, Hier., 452. 507. de Ia Sauffaye, Ehantepie, 1227. Schaller, 3., 1134 ff. 1141 ff. Scharpius, 822. Schegck, 668. Schelling, 1058 —- 1084. 1087. 1189. 1192. 1195. 1197. Schenkel, 537. 539. Sherlod, 904. Scherzer, 441. 826. Schlegel, ©., 958. Schleiermacher, 1113. 1153. 1219. Schlens ner, 966. Schloſſer, 1019. Schlüſſelburg, 649. 687. Schmidlin, Jacob (Andreä), 667. Schmid (luth. Dogm.), 820. Schmid, 056. 1210. 1244. 1257. 1265. Schmidt, 966. Schmieder, 1229. Schnetenburger, 748. 800. 811. 818 f. 876. 882. 886. 889. 890. 910. 1236. 1267. Schnepf, 664. 887. Schöberlein, 1229. 1244. 1247. 1261 f. 1266. Säolten, 892. 1227. Scholhaſtik 331 f. 358 f. 373. 399 f. Nachſommer der Scholaſtik in Spanien 844 f. Shomer, 901. Dorner, Chriſtologie. I. Ate Aufl. 8A 1316 Alphabetiſches Sach: und Ramenregifter. Schorcht, 915. Schott, 218. v. Schubert, 964. 1075. Schwarz, K., 1019. 1145. Schweizer, 883. 1174. 1189. Schwenckfeld, 573. 577. 580. 624 f. 649. 667. 695. 736. 854. Schwendfeldianer, 622. Schyn, 641. 642. Seotififhe Schule, 436. 446. 848. Scotiften, 845. Scotus Erigena, 285. 291. 304. 341. 485. Serretan, 1229. Seele Chriſti, 29. 35. 171. Monotpelet. 210 f. Anaftaf. Presb. 232 f. Marimus 223. 264. (zufammengefeßter und gnomiſcher Wille); 720. 782. 787. (@ebet) 911. 914 (Salbung); Reuere: 1263 ff. 1270. f. Per- fon, Unperföntichkeit, Freiheit, Allwiffenpeit, Allmacht, Unfünplichkeit. Seelenleiden Ehrifti, Calvin 720. 723, Reform. Kirche 881. Seiler, 909. Selnekker, 687. 692, 696. 725. 741. 771 f. Semler, 965 f. 1019. Serapton, 27. Sergius, 167. 195. 204. 211—214 ff. 230, 272. Servede Mid., 613. 629. 646. 694. 720. 870. Severianer, 172 f. Severus, 152. 161. 164 ff. Steffert, 28. Smalcius, 751. 754 f. Socin, 751. 759 ff. 766 f. Sporinianer, 434. 751 ff. 893. Socinianismug, 890. 898. 988. 1210 ff. Sohn Gottes, in Eprifius iſt die Welt zum alter deus, zum kosmi⸗ fhen Bott oder Sohn Gottes geworben in Einheit mit dem ewigen Sohn nah Theodor, 49. 54 f. Adoptianer 315. 316. Adoptivſohn 317 f. Bgl. 604. 628. Sohn Gottes bei den Myſtikern 461. 471. Luther 519. 543. Theophraft 579. A. Ofiander 581. 584 f. Schwend: feld gleicht die Menfchheit aus mit dem Sohn Gottes 626 f.; ſoci⸗ nianifche Lehre vom Sohn Gottes 754. f. Trinität, Subordinatian., Sabellianism., himmlifche Menfchheit. Die Welt Sohn Gottes iu der neuen Philofophie, 1065. 1085. Sohnius, 726. 745. 822. 890, Sophroniug, v. Zeruf. 195. 205 f. 211 f. 228. South, 904. Spuverain, 986. Alppabetifches Sach⸗ und Ramenregifter. 1317 Spalding, 969. Spangenberg, 921. Spee ($r.), 465. Spener, 890. 908. Spinoza, 936 ff. . Stände Chriſti, Borfpiele ver Ständelehre: Wahrheit des menſchl. Werdens, 41 ff. 79. 94. 315. Bgl. dagegen 269. 403. 415. — Luther: 548. 651 ff. 560. 605. 610. 832 ff. luth. Theologie, 791. 795. Hui ff. 926 ff.) Die beiden ev. Eonfefl., 820 f. Beſtimmtere Unterſcheidung ber zwei Stände feit der Reform., 679. 680. 702. 710. Gießener und Tübinger 788—807. " Stanfarug, 383. 589 f. 720. Start, 966. Staudenmeyer, 1247. 1262. Steffens, 9., 963. 1075 f. 1244, Steinbart, 968. Steinhofer, 843. 1022. Steinmeyer, 1221. 1281. Stellvertretung Chrifti, 1227 ff. f. myſt. Chriftol. Stephanus, Schüler des Sophrontus, 208 f. 225. 240. Stephanus Barfudaili, 162. 196. Stephbanus Niobes, 152. 175. Stilling, 1020. ' Stier, 1210. 1229. Stillingfleet, 904. Storr, 843. 955. 964. 969. 1022. Strauß, 1087. 1112. 1118 ff. 1140. 1163 f. 1174. 1180. 1188. Stuart, 1219. " Suarez, 441. 824. 845. Suborpinatiantismus, 364. 648 ff. 891. 902 ff. 956 ff. Sündloſigkeit Jeſn f. Unfündlichkett. Supralapfarter, 878. Surius, &., 455 f. Sufo, 456. 465 f. Swedenborg, 870 f. 923. 1023. Spynufiaften, 101. Syrifhe Schule, die Doppelte, 25 f. C. Tafel, 870. Zanner, 688. 82%. Taufe Chriſti, nad Theodor, 50; nad den Aboptianern 318 f.; d. Soctn., 758; den Arminian., 893. |. Salbung. 1318 Alphabetiſches Sach: und Ramenregifter. Teller, 956. Terfieegen, 1020. Tertullian, 38. 142. 435. Tetinge, Nic., 842. Zetradpismus, 158. Thamer, Theob., 648. Tauler, 454 f. 574. Themiſtins, 172. Theodor Abukara, 185. 283. 294. Theodor v. Mopsveſt., ſ. Spftem, 33-57. 63. 99. 435. 668. Theodor v. Pharan, 195. 205. 209 f. 213—230. 415. Theodoret, 30. 86 f. 101 f. 195. 256. Theopofianer, 172. Theodoſius, 182. Theodotus, d. Syrer, 27. Theopafhitismus: Gegen Leiden, Depotenzirung des Logos if Cyrill, 72. 73. Bel. 81. Dafür: Apollinarifien und Monophyf., 9. gullo, 155 u. A. 190. Menno, 638. Petav, 844. Zinzendorf, 917 ff. Neuere, 1192 F. 1197. 1217 ff. 1262 ff. Theophilus, Alex, 60. 118. Theophraſtus Paracelſus, 574 f. Theoſophie, ſ. Theophraſt, Böhm, Weigel, Detinger ı., 579. 849 fi. 862-875. 1021 ff. Thiriby, 902. Tholud, 964. 1210. - Thomas v. Aquin, 293. 296. 828. 341. 367. 2399 f. 427 f. 441. 824. 836. Thomas v. Bradwarbin, 446. Zhomafius, 582. 778 f. 801. 809 f. 1228 f. 1229. 125558. 1261 - 64. 1273. Thomiften, 441. 845.; thomiſt. Nominalismus, 444. Thumm, 788 ff. 801. 820 f. 828. 914. Tieftrunt, 973. Timann, 684 f. Timotheus, neftor. Katholitos, 88. Zimotheus Ailuros, 151 f. 160. Top Chriſti, 499. 547. 835 f. (nach Nic. v. Eus und Lütfemann); f. Leiden, Genugthuung; Luther, 546. 547.; f. Tübinger. Zöllner, 911. 954 ff. 958 f. Traducianismug, 91. 837. Trautermann, 915. Trebiſch, 1203 ff. Trechſel, 649. 653. 656. 658, Alphabetiſches Sach⸗ und Ramenregifter. 1319 Zrellatius, 822. 824. Trinitätslehre, 56. 157. 244. 334. 376, Antitrinitarier, 644. 754. Swedenborg, 871. 881 f. 901-906. Zinzendorf, 920. Yrle: perger, 921. Dippel, Edelmann, 924 -26; Spätere: 956.f. 966 —68. f. Sabell., Suborpin., Sohn Gottes u. f. w. Zripbyfiten, 308. Tritheisſsmus, 180 f. 364. Trithemius, 680. Tübinger, 788 f. Bergl. mit den Gießenern 802 f. ihr Widerſpruch ‚in fih und heterodoxe Eonfequenz, 801. QTurretin, 800. 898. Zurrianus, 724. Tweften, 1219. 1224. u. Uplhorn, 25. Ullmann, 282. 438. 465. 1210. Unio, ber zwei Naturen. Ihre möglichen Formen, 15 f. I. Die Unio auf Koften der Integrität der einen over der andern Ratur: a) Durch Berwandlung ber göttlichen in die menfchliche; fo im Apollinarismus und ZTheopafhitismus, 72 f. 81. 810. 889. 1260 ff. 1266 ff. Berworfen von Cyrill, 73 und der F. C., 714. . b) Durch Berwandlung der menſchlichen in die göttliche f. Monophyfitismus, 180 ff. Schwendfeld, 633 ff. 3. Anpreä, 714. 813. c) Durch gegenfeitige Temperirung, chemifche oder tempera⸗ tive Unio, 82. 87. 104. 133. 165. In neuerer Zeit, I. Die Unio dur ein drittes, auſſerhalb der zwei Ratus ren liegendes Princip. a) Die Unio des localen Zuſammenſeins, 251. 252. Bild: Die Menfchheit Tempel, Gewand der Gottheit; durch Got: tes Macht willen, der auch abfolnt Heterogenes zuſammen⸗ bringt 66. 81. NRefultat bleibt da die mechaniſche Univ. b) Die Unio der Beziehung, unio relativa, &rwaux oystını. Entweder vermöge der göttl. evdonia, (Theodor v. Mopsv., 45.) oder kraft göttlichen Urtheils über den befondern Werth der Menſchheit Zefu findet eine beſonders nahe Beziehung des allgegenw. Logos zu Jeſn ſtatt. Unio forensis des Adopt. 312. In d. Scholaſtik, 408. 410. 424. © Die Unio durch die Gleichheit des Gedachten (Eartefianer, 1320 Alphabetifches Sad: und Rantenregifter. 899. Ant. Günther, 1202 f.) und Gewollten, und die forntale Achnlichkeit des Wollens, der Geſinnung. Moraliſche Unio f. Antiochener, Adoptianer, Arminianer, Socinianer u. A., 954 f II. Die Unio durch ein inneres Princip in der Gefammtperfon felbft- 1) Unter Vorausſetzung des weſentlichen Gegenſatzes Oualismus) der zwei Naturen: a) Unio durch die Eine göttliche Hpypoſtaſe. Dieſe kann als b Nefultat bes Proceſſes der zwei Naturen, 129., ald gemein: famer Ort beiver Naturen, ale der fie in fi faſſende Ring, 251. 252. und zugleih als die Macht Über ihre Differenz angefeben werden (f. II,a.). Damit war für die Erkenntniß der Unio noch nichts gefchehen, wenn nicht die göttliche Hypoftafe zugleich der menſchlichen Natur zukam, was vor ber Reform. nicht flatuirt war. Vgl. Brent über bie Unio hypostatica, 669 ff. Anpererfeits Chemnitz, 701 f. Bereinigung der Raturen in der Einheit des Willensver: mögens, Wollens, Werkes (Monothelet.), 195 f. — ec) Vereinigungsverſuch der zwei dypothel. Lebensſpſteme und 2. Anmit Naturen bei Joh. Damasc. durch die Ilsgızapnoıs (vgl. U, a.), durch den Austauſch der Prädikate, Antidoſis, die nominell blieb, und durch die Steigerung ber menjchl. Kräfte zur Gottähnlichleit (R4001c), die ein Antheil an göttl. Prä⸗ difaten ward, 262 ff. Auseinanderfallen der chalced. Unio hypostaties in bie dop⸗ pelte Form, a. des Adoptianismus, 315., der die Menſch⸗ beit wie pie Gottheit perfönlich denkt, in dem abftraften und leeren Einheitspunft des Ich aber beide geeint ſetzt, vergl. I, b. c.; a. des Nihilianismus, 381, dem die Menſchheit unperfönl. Organon der Gottheit oner Gewand iſt (vgl. II, a.). Unter Boraugsfeßung der innern Zufammengehörigleit, des Zufammenftrebeng beider Naturen will Luther und die ſchwäbiſche Theologie eine reale Oommunicatio personae, naturae, idiomatum, 536 ff. 567. 669 ff. Weber die unbefrie digende Durchführung diefer Lehre, 212 ff.; den frühen Abfall vom urfp. Gedanken luth. K., die Beſchränkung, Beftreitung und den Verfall verfelben, f. Communicatio.” Rückkehr ver neueren Zeit zu ber reformatorifchen Erkenntniß von der Zu: fammengehörigfeit des Göttlichen und Menſchlichen; von Sei ten der Philoſophie, 932 ff. 1015. 1058.; von Seiten der neuern Theologie, 1226 f. theilbarkeit, göttl. Eigenſch u. ſ. w. ſ. Gottesbegriff. — * Alphabetifches Sach » und Ramenregifier. 1321 Lateran. Eonc., 31. v. J. 849. ©. 227. Berg. 3. Damase., D. Scotus Thomas, Richard v. St. V.; die Jeſuiten, 404. 600. Unperſönlichkeit, menfchlicher Ratur, — Folgeſatz des Chalcedonenſe, wenn es nicht in Adoptian. übergehen und die Unio bypostatica zur Unio humanae hypostasags et divinae machen will, 146-149. 188 f. 251 ff. 256. Entfcheidung für die Unperfönlichfeit der menſchl. Natur, 327 f. 366 Vgl. 408. 411 f. 699 (Gerfon). Decam, 449. Sas vonarola, 508. Myſtiſche Form diefer Lehre, 454. 461 f. 474. 480. Anm. Luther denkt die Menfchheit Eprifti nicht unperſönlich, 540. Epriftol. d. luth. 8., 821 f. Calixt. 831, der Reformirten, 822. 835. 878. 880. 889. Curcelläus, 893. Cartefianer, 899 f. Während die Achte luth. Lehre die Menfchheit perfonirt in ſich denkt durch den Logos (was auch ein Theil der Reformirten annimmt, 880. 822.) bleibt in der reform. Ehriftol. ein Schwanten zwifchen ver Auf: faffung der Menſchh. als eines unperfönl. Organon, und zwi⸗ fhen Adoptianifcher Dentweife, 835. 889. Pfaff läßt die Perfoni: rung der Menfchheit fallen und läßt fie auch in ſich unperſönlich fein, 910.; fo ift fie bloßes DOrganon des Logos, Gewand u. f. w., vgl. Nihilianismus. Darauf wirb in d. luth. 8. (wie ſchon früher im Armintanismus, 893.) die Menfchheit, weil vollſtändig, als per: ſönlich in fih gefeßt, in erneuter dualiſt. Faſſung des menfchl. und göttl. Weſens, — adoptianifrhe Thefe — woran fih bald ein Zu: rückdrängen des Göttlichen in Chriſtus, in neftorianifirenver Weife, bald aber, da es bei fo Iofer Verbindung mit der Menfchheit nicht in trinttar. Form mehr nöthig erfiheint — auch in antitrinitart- . fiber Form (Suborbinat., Sabell., Socin. und bj.) anſchließt, 754. 928. 954 f. Unſündlichkeit Chriſti. Streit zw. d. Aler. u. Antioch., 79. Zw. Auguftin u. Julian, 095—98. — Bgl. ferner 236. 239 f. 314. 318. 415.f. 637 f. (Anabaptiften) ; 758 (Socinianer); 924 f. (end, Dippel); Eonradt, 1093. Baur, 1120. f. Freiheit. Urlfperger, 921. Urſinus, 722. 728. 9. Badian, 624. 633. Balentin, 105. Vasquez, 843. 845 f. Battle, 1124. 1141. Belthufen, 966. Benturint, 970. Verdienſt Ehrifti, 4—6.; nach Theodor, 53. 54. Cyrill, 66. 69 f. 83. Auguftin, 9. Julian, 95. Leo, 109 f. Theopaſchitismus, 156. Erigena, 355 f. P. Lomb., 383. Ruprecht v. Deuß, 389 f. Rich.